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Die Ernte


Die Sonne schien mir ins Gesicht und blendete mich. Benommen schlug ich die Augen auf, heute war es soweit. Der Tag der Ernte stand an. Ich stand auf, verließ mein Zimmer und tappte hinunter in die Küche.
„Na Schwesterherz, wie geht’s dir heute?“ mit dem breitesten Grinsen aller Zeiten saß mein Bruder Ben am Küchentsich.
„Wunderbar!“ ich verdrehte die Augen und setzte mich ihm gegenüber hin.
„Hör mal Kayana…“ sein Gesichtsausdruck wurde ernst. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
„Was ist los?“ fragte ich kühl, vermutlich wollte ich die folgenden Worte gar nicht hören.
„Naja, Mom will nicht, dass du in die Arena gehst, nachdem was mit Lay passiert ist…“ murmelte Ben ohne mich anzusehen. Layla war bei uns immer noch ein ziemlich kritisches Thema, über das wir niemals sprachen. Layla war meine große Schwester gewesen, sie hatte immer in allem das gute gesehen und vor nichts Angst gehabt. Wie Ben auch, war sie in die Arena gegangen, sie hatte die Spiele unbedingt gewinnen wollen und die meisten waren auch davon überzeugt, dass sie es schaffen würde, doch im Gegensatz zu Ben schaffte sie es nicht. 3 Jahre war das schon her und seit diesem Tag hatte ich mir geschworen, ebenfalls in die Arena zu gehen und zu vollenden, was sie begonnen hatte. Niemals würde ich diesen Schwur brechen können, denn der Schmerz war jeden Tag da, er war mein stetiger Begleiter. Ich vermisste sie, wie ich noch nie jemanden vermisst hatte und die Gewissheit, dass ich sie nie wieder sehen würde zerriss mich beinahe.
„Es ist aber nicht ihre Entscheidung, sondern meine!“ erwiderte ich hart, ich wollte nichts davon hören. Natürlich wollte Mom mich nicht gehen lassen, aber aufhalten konnte sie mich nicht. Ich würde mich freiwillig melden und dann würde ich gewinnen. Für Layla.
Seit etwa 3 Jahren arbeitete ich genau auf diesen Punkt zu und nun war es bald soweit. Ben und ich sahen uns an, mir war klar, dass auch er es nicht gut fand, dass ich kämpfen und gewinnen wollte, doch wenn es an ihm liegen würde, er würde mich meinen Weg gehen lassen.
„Kayana, vielleicht überlegst du es dir nochmal?“ er sah mich hoffnungsvoll an, ich wollte jetzt nicht in seiner Haut stecken. Er war es, der Mom irgendwie erklären musste, dass ich mich nicht aufhalten lassen würde.
„Ben, ich muss das einfach machen! Wenn nicht dieses Jahr, dann nächstes Jahr!“ antwortete ich und sah ihn entschuldigend an, ich spürte wie mir die Tränen in die Augen schossen, doch ich hielt sie auf. Ich durfte jetzt nicht weinen, ich durfte nie wieder weinen. Ab dem heutigen Tag musste ich stark sein.
„Kayana, du bist gerade mal 13! Die meisten anderen Tribute werden älter sein als du! Es wäre vermutlich wirklich besser, wenn du erst nächstes Jahr gehen würdest!“ meinte er, auf der einen Seite wusste ich, dass er recht hatte, doch auf der anderen wollte ich diese Tatsache nicht beachten. Ich war wirklich gut darin, solche Dinge zu verdrängen.
„Na und? Ich habe trainiert, die meisten andere nicht! Viele von denen haben doch eh keine Chance!“ ich wischte die Tränen weg und funkelte ihn wütend an.
„Wie du meinst!“ sagte er, stand auf und verließ die Küche. Ich blieb alleine zurück, ganz alleine mit meinen Gedanken. Würde ich genauso versagen wie Layla? Oder gewinnen wie Ben? Angst machte sich in mir breit, ich begann zu zweifeln. War dies wirklich der richtige Weg, den ich da ging?
„Ach komm schon, du kannst doch jetzt nicht einfach aufgeben! 3 Jahre Kampf für nichts? Das ist nicht das was du willst!“ sagte ich mir selbst, während ich gedankenverloren ein Messer in meiner Hand drehte. Ein Moment vollkommener Ablenkung, das Messer rutschte mir aus der Hand und ich versuchte es noch aufzufangen, doch es glitt mir durch die Finger und alles was blieb war ein tiefer Schnitt.
Rotes, warmes Blut quoll das der Wunde und tropfte auf den Schneeweißen Boden.
„Mist!“ fluchte ich leise und suchte nach einem Tuch, das ich mir um die Wunde binden konnte.
Vorsichtig band ich den Verband fest, als Mom die Küche betrat.
„Was ist passiert?“ fragte sie geschockt und kam auf mich zu geeilt, panisch sah sie den Verband an.
„Nur ne kleine Verletzung!“ erwiderte ich amüsiert, eigentlich war es ja nicht witzig, aber ich musste jedes Mal lachen, wenn sie so panisch war.
„Hat Ben mit dir gesprochen?“ fragte sie auf einmal ohne mich anszusehen.
„Ja, hat er!“ erwiderte ich kalt. Hatte sie wirklich geglaubt, Ben könnte mich überreden, hier zu bleiben?
„Und?“ drängend sah sie mich an, ich schüttelte nur den Kopf. Zu sehen wie die Hoffnung in ihr starb tat weh, doch ich durfte mich nicht aufhalten lassen, morgen würde ich es bereuen, wenn ich nicht im Kapitol säße.
„Warum?“ fragte sie leise.
„Du weißt es…“ antwortete ich deutlich lauter, warf ihr einen letzten Blick, aus einer Mischung von Mitleid, Wut und Verzweiflung an und verschwand dann in mein Zimmer.
„Kayana?“ Ben klopfte sacht gegen meine Türt.
„Was?“ fragte ich wütend. Ich hasste ihn, ich hasste meine Mutter, ich hasste dieses Haus, die Hungerspiele, das Kapitol einfach ganz Panem. Warum musste immer alles so kompliziert sein? Ich wollte Mom nicht weh tun, aber ich konnte meinen-ja, man konnte es inzwischen wirklich schon Traum nennen, aufgeben.
„Machst du dich dann fertig?“ fragte er, seine Stimme klang leise und irgendwie klang er traurig. Oder bildete ich mir das nur ein?
„Ja…“ murmelte ich, wieder diese Tränen, gegen die ich ankämpfen musste. Wie ich sie hasste.
„Alles in Ordnung?“ fragte er überrascht, ich ging zur Tür und schloss sie auf.
„Geht schon…“ murmelte ich und starrte den Boden an, ich traute mich nicht, ihm in die Augen zu sehen.
„Hey Kayana, du kannst mir alles erzählen!“ sagte er und ich sah vorsichtig auf.
„Nicht alles!“ erwiderte ich und begann zu lächeln, als er ein wenig verletzt an mir vorbei sah. „Aber das hier vielleicht…“ fügte ich hinzu.
„Ok! Was ist los?“ wollte er also wissen.
„Ich hab Angst, wegen Mom und was ist, wenn ich es nicht schaffe…“ sagte ich leise und sah wieder den Boden an. Das auszusprechen hatte mich eine Menge Kraft gekostet.
„Du wirst es schaffen und Mom wird stolz auf dich sein!“ erwiderte Ben und lächelte mich aufmunternd an.
„Wirklich?“ harkte ich nach.
„Wirklich!“ erwiderte er mit einem nicken.
„Danke…“ murmelte ich und umarmte ihn.
„Ich geh dann mal und du machst dich fertig!“ mit diesen Worten verließ er mein Zimmer und ich stellte mich vor meinen Kleiderschrank. Was sollte ich anziehen? Zur Ernte musste man sich eh immer ganz besonders anziehen, aber diese Ernte war für mich noch viel wichtiger. Irgendwie passte keines meiner Kleider wirklich gut zu diesem Anlass. Verzweifelt wühlte ich in meinen Sachen herum. Warum fand ich nichts gescheites?
„Kayana?“ Mom hatte mal wieder ohne zu klopfen mein Zimmer betreten.
„Hm?“ fragte ich ohne mich umzudrehen, besonders viel Zeit blieb mir nicht mehr.
„Hast du schon etwas gefunden, das du anziehen möchtest?“ fragte sie und trat neben mich, ich sah sie immer noch nicht an.
„Nop, ich finde nichts!“ antwortete ich und zog seufzend ein Kleid heraus, dass im Notfall gehen würde.
„Und wie findest du das hier?“ Mom streckte mir eines der schönsten Kleider, die ich je gesehen hatte, entgegen.
„Wow!“ mehr brachte ich nicht zustanden, es war hellblau und trägerlos. Einfach nur wunderschön.
„Also?“ Mom sah mich gespannt an.
„Das ist wunderschön!“ sage ich, und starre das Kleid die ganze Zeit an.
„Dann zieh dich schnell an und komm dann runter!“ mit einem Lächeln auf den Lippen verschwand sie wieder.
Ich schlüpfte hastig in das Kleid, unten zog ich passende Schuhe an und insgesamt 15 Minuten später waren Mom, Ben und ich auf dem Weg zum Marktplatz. In unserer Familie gab es nur uns drei, meine Schwester Layla war-wie schon erwähnt-bei den 68. Hungerspielen ums Leben gekommen und mein Vater hatte uns kurz nach meiner Geburt wegen einer anderen Frau verlassen. Ben konnte sich natürlich noch an ihn erinnern, ich jedoch nicht und darüber war ich auch froh. Ich hasste ihn. Egal wie nett er sein konnte, er hatte uns im Stich gelassen und das war etwas, was ich ihm niemals würde verzeihen können, außerdem hatte er sich die letzten 12 Jahre einen feuchten Dreck um uns geschert.
Noch nicht Mal zu Laylas Beerdigung war er erschienen und das sagte meiner Meinung nach alles.
Wir kamen an dem überfüllten Platz an, ich ließ mir das Blut abnehmen und ging zu den anderen 13-jährigen. Mein Herz raste, aus dem Augenwinkel beobachtete ich die gleichaltrigen, sie kamen mir so unschuldig vor. War ich vielleicht wirklich zu jung für die Arena? Oder war ich ein anderer Fall? Genau, das musste es sein, ich war anders als die und nicht zu jung.
Der Bürgermeister erzählte wie jedes Jahr die Geschichte von Panem, wie das Land das vorher hier war zerstört wurde und dann eben Panem entstand, von der Rebellion und wie die Hungerspiele dadurch entstanden. Ich hörte nicht mehr hin, inzwischen konnte ich sogar beinahe den Wortlaut auswendig, denn die Geschichte von Panem bekamen wir nicht nur bei der Ernte erzählt, sondern eigentlich bei jeder Gelegenheit-also ziemlich oft. Ob das in den anderen Distrikten genauso war, wusste ich nicht.
„So, Lady’s First!“ die Betreuerin von Distrikt 2, Maylina Dane trat nach vorne zu der Kugel in der die Zettel mit den Mädchennamen standen. Eigentlich war es unnötig, dass die Zettel noch gezogen wurden, in unserem Distrikt gab es eh jedes Jahr mindestens 1 Freiwillige und 1 Freiwilligen, aber da es nun mal so Tradition war und überall so gemacht wurde, mussten wir da auch durch.
„Zoe Winter!“ verkündete Maylina, ich sah mich um. Zoe Winter…der Name kam mir bekannt vor, soweit ich wusste, war sie in meinem Jahrgang in der Schule, allerdings hatte ich noch nie in meinem ganzen Leben mit ihr gesprochen.
Ja, das war sie, 13 Jahre, lange blonde Haare, unschuldige blaue Augen. Zum Glück würde sie nicht in die Arena müssen, dieses Mädchen hätte da drin keine Chance gehabt. Ich erinnerte mich daran, wie sie es noch nicht mal geschafft hatte einen kleinen Käfer zu töten und als ihre Freundin ihn mit dem Fuß zerquetscht hatte, da hatte sie begonnen zu weinen. Nein, die hätte niemals eine Chance gehabt, aber ich. Ich war das genaue Gegenteil von Zoe, ich hatte kein Problem mit dem Morden. Oder? War es bei Menschen und Tieren wirklich das gleiche? Jahrelang hatte ich mir genau das eingeredet, aber ob es stimmte? Da war ich mir inzwischen gar nicht mehr so sicher.
„Und nun die Jungs!“ Maylina trat zu der Kugel mit den Jungennamen, griff hinein, wühlte ein wenig und zog dann einen Zettel heraus. Den Namen des Jungen hörte ich nicht, ich war mit den Gedanken immer noch bei meinem Vorhaben. Leise Zweifel kamen auf, eine Stimme in mir riet mir davon ab, in die Arena zu gehen, doch alles an mir wollte nur diese eine Sache. 3 Jahre warte ich nun schon darauf, nun soll es endlich so weit sein. Ich werde das beenden, was Layla begonnen hat.
„Gibt es Freiwillige?“ fragte Maylina amüsiert, die Frage war wirklich unnötig, natürlich gab es freiwillige. Mein Arm schoss sofort nach oben, ohne dass ich noch länger darüber nachdachte, ob es jetzt wirklich die richtige Entscheidung war.
Ich sah mich um, bei den älteren gab es noch mehr Leute, die sich freiwillig gemeldet hatten, während bei den Jüngeren sich alle panisch umsahen.
„Ihr beiden wart die ersten!“ Maylina deutet auf mich und einen Jungen, kurz sah sie sich unsicher um. Auf einem der Stühle saß der Bürgermeister, daneben Enoberia, der Stuhl neben ihr war leer. Wem er wohl gehörte? Bei uns in Distrikt 2 gab es meistens 2 Mentoren, doch der Stuhl war leer. Ob keiner gewollt hatte? Ich entschloss mich dazu später beim verabschieden Ben zu fragen.
Ich schob mich zwischen den anderen 13-jährigen durch und betrat mit einem neutralen Gesichtsausdruck die Bühne. In der Menge wurde getuschelt, es war wirklich außergewöhnlich, dass sich eine 13-jährige meldete. Manche von ihnen hatten mich vielleicht auch erkannt…
„Eure Namen?“ fragte Maylina und sah zuerst mich gespannt an.
„Kayana Delano!“ stellte ich mich vor, jetzt hatten mich auch die letzten erkannt. Die meisten von ihnen kannten mich zwar nicht richtig, doch meinen Namen kannten sie alle.
„Sascha Miller!“ verriet der Junge neben mir seinen Namen, es war das erste Mal, dass ich ihn ansah. Seinen Namen hatte ich zwar nicht gekannt, doch jetzt erkannte ich ihn. Verstrubelte blonde Haare, grüne Augen, groß und muskulös, er sah wirklich gut aus. So genau hatte ich ihn bisher noch gar nicht angesehen, doch beim Training war ich ihm oft über den Weg gelaufen. Gesprochen hatten wir nie.
Er musterte mich ebenfalls, ich konnte nicht erkennen, ob er wusste, wer ich war. Wir gaben uns kurz die Hand und wurden dann von den Friedenswächtern abgeführt. Als ob einer von uns fliehen würde, das war wirklich lächerlich.
Unser Ziel war das Rathaus, dort wurden wie in ein Zimmer gebracht. Einsam saß ich da und wartete darauf, dass Mom und Ben endlich kommen würden.
Tatsächlich trat Mom 5 Minuten später ein, doch von Ben fehlte jede Spur. Wo war der nur schon wieder hin?
„Kayana!“ In ihren Augen standen Tränen. Wie sollte ich diese Zeit hier überstehen? Ich ertrug es nicht, wie sie mich ansah.
„Ich werde zurück kommen!“ sagte ich. Was hätte ich auch sagen sollen? Doch egal was ich noch hinzufügte, sie beruhigte sich nicht.
„Wo ist Ben?“ versuchte ich es mit einem Themawechsel. Mom sah mich überrascht an und wischte dann die Tränen weg.
„Hast du es nicht mitbekommen?“ fragte sie schließlich, nachdem sie mich kurz angestarrt hatte.
„Was?“ wollte ich wissen. Wovon sprach sie? Was sollte ich mitbekommen haben? Hoffentlich ging es ihm gut.
„Er ist einer der Mentoren dieses Jahr!“ sagte sie und lächelte zittrig. Ich durchschaute es, ging jedoch nicht darauf ein sondern umarmte sie einfach.
Die Tür ging auf und zwei Friedenswächter traten ein. Mom musste gehen.
„Wir sehen uns bald wieder!“ sagte ich und lächelte, doch auch mir standen Tränen in den Augen. Was wenn ich es nicht schaffte? Dann würde ich sie nie wieder sehen.
Die Tür fiel ins Schloss. Ich wollte hinterherrennen. Ich wollte Mom nicht einfach so gehen lassen. Das war vielleicht der letzte Augenblick gewesen, den ich mit ihr verbracht hatte und er war so unspektakulär gewesen.
Tränen wollten sich ihren Weg über meine Wangen bahnen, doch ich wischte sie ärgerlich weg. Ein Tribut aus Distrikt 2 kam nicht völlig verheult zum Bahnhof! Das war noch nie geschehen und ich würde nicht die 1. sein!
Kurz darauf betrat ein Mädchen mit braunen Locken das Zimmer, sie lächelte mich an, doch ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Irgendwie kam sie mir bekannt vor, doch ich wusste nicht mehr woher.
„Hallo Kayana!“ ihr Lächeln wurde unsicher, als sie bemerkte, dass ich sie nicht erkannte.
„Hey?!“ ich sahsie verunsichert an.
„Du erinnerst dich nicht mehr an mich, oder?“ fragte sie amüsiert.
„Wenn ich ehrlich bin, nop!“ antwortete ich und starrte verlegen den Boden an. Die Situation war mir schrecklich peinlich.
„Cassandra Male!“ stellte sie sich vor, irgendetwas in meinem Gedächtnis regte sich. Eine verdrängte Erinnerung, doch sie wollte nicht zurück kehren. „Ich war die beste Freundin deiner Schwester!“ fügte sie hinzu. Jetzt komme ich mir wirklich dämlich vor. Wie oft hatte Cassandra bei uns zu Abend gegessen? Es war viel zu oft gewesen, als dass man es hätte zählen können und jetzt erkannte ich sie nicht mal mehr.
„Sorry, ich hab dich gar nicht erkannt!“ murmelte ich und zwang mich zu einem Grinsen. Sie sagte nichts, ich wusste auch nicht was ich sagen sollte und so schwiegen wir einfach.
„Unsere Zeit ist gleich rum! Eigentlich bin ich gekommen um dir das hier zu geben!“ Cassandra drückte mir etwas kühles in die Hand. Ich sah erstaunt auf die Kette hinunter.
„Ist das-?“ ich schaffte es nicht den Satz zu beenden, da tauchten schon die Friedenswächter auf und nahmen Cassandra mit, doch während sie weggezogen wurde nickte sie. Sie wusste genau was ich meinte.
Meine Finger schlossen sich um die inzwischen ein wenig wärmere Kette, ganz fest. Nie wieder würde ich sie mir weg nehmen lassen. Niemals.
Ich blieb alleine zurück, bis mich die Friedenswächter wieder abholten und zum Bahnhof begleiteten. Wir waren zwar einer der wenigen Distrikte, in denen die Menschen niemals vor Hunger umkippten oder so-zumindest wurde erzählt, dass das in anderen Distrikte hin und wieder vorkam-doch mit dem Zug war auch ich noch nicht gereist.
Ein wenig nervös war ich also schon, als ich den Zug betrat. Mein Mittribut betrat nach mir den Zug, einen Moment lang standen wir noch da und winkten lächelnd den Kameras, dann wurden die Türen des Zuges geschlossen und wir waren vom Rest des Distriktes abgeschnitten. Es ging los.

Das Kapitol


Reglos blieben wir stehen, zumindest bis der Zug anfuhr. Durch die moderne Technik beschleunigte er ziemlich schnell und ich verlor das Gleichgewicht. Unglücklicherweise-und wie sollte es auch anders sein?-stürzte ich exakt auf Sascha. Der hielt mich gerade noch fest, bevor wir beide zu Boden stürzten.
„Alles ok, Kleine?“ fragte er und sah mich belustigt und gleichzeitig auf so eine merkwürdige Art an. Oder bildete ich mir das nur ein?
„Ja, ‘tschuldigung“ murmelte ich leise und wollte verschwinden, doch er hielt mein Handgelenk fest.
„Warte!“ sagte er und zog mich wieder zu sich.
„Warum willst du unbedingt in die Arena?“ fragte er leise und sah mich dabei durchdringend an.
„Ich habe eben meine Gründe!“ erwiderte ich abweisend, es ging ihn rein gar nichts an, warum ich in die Arena ging. Er war nur ein Stein auf meinem Weg, der beseitig werden musste. Sobald ich in der Arena war, würde ich ihn wie die anderen 22 auch um die Ecke bringen.
„Und die wären?“ fragte er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, das mich tierisch aufregte, am liebsten hätte ich mich umgedreht und wäre einfach gegangen, doch ich konnte mich nicht aus seinem Griff befreien, er war zu stark.
„Das geht dich einen feuchten Dreck an!“ zischte ich und versuchte nun wirklich mit all meiner Kraft mich los zu reisen, doch sein Griff verstärkte sich nur und begann langsam weh zu tun.
„Was willst du?“ keuchte ich, der Schmerz wurde immer stärker. Was hatte er vor? Mich verletzen, bevor wir in die Arena gingen? Das war verboten, eine der wenigen Regeln der Hungerspiele, wenn man diese Grundlegenden Dinge wirklich als Regeln bezeichnen wollte.
„Kayana, ich versteh dich einfach nicht…“ er sprach wieder leise und hatte inzwischen meinen Arm los gelassen.
„Musst du auch nicht…“ murmelte ich, eigentlich hätte ich ja jetzt weggehen können, doch eine unsichtbare Macht hielt mich hier. Ich schaffte es einfach nicht, mich umzudrehen und einfach davon zu gehen.
„Warum hast du nicht gewartet, bis du älter bist?“ fragte er konkret.
„Weil ich es so schnell wie möglich beenden will!“ erwiderte ich und sah ihm zum ersten Mal direkt in die Augen. Diese wunderschönen grünen Augen, schon öfters war ich beim Training in ihnen versunken.
„Was willst du beenden?“ flüsterte er und auch er sah mir direkt in die Augen. Ich spürte die Tränen, die jedes Mal kamen, wenn ich an Layla dachte und wandte meinen Blick ab.
„Was willst du beenden?“ flüsterte er und auch er sah mir direkt in die Augen. Ich spürte die Tränen, die jedes Mal kamen, wenn ich an Layla dachte und wandte meinen Blick ab.
„Das was Layla begonnen hat“ bracht ich schließlich hervor, er sagte nichts, doch kurz darauf nahm er mich in den Arm. Nun konnte ich die Tränen wirklich nicht zurück halten. Sie rannen einfach über meine Wangen, ließen sich durch nichts aufhalten und Sascha hielt mich einfach fest. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch irgendwann befreite ich mich aus seiner Umarmung und starrte verlegen den Boden an. Ich fühlte mich schwach und müde, eigentlich wollte ich nur die Augen schließen und für immer einschlafen…
„Es tut mir leid…“ murmelte Sascha, noch einmal sahen wir uns für den Bruchteil einer Sekunde an, dann schob er mich zur Seite und ging an mir vorbei davon in sein Zimmer.
Ich schlich mich ebenfalls in mein Zimmer, müde wie ich war ließ ich mich auf das Bett fallen und war noch im selben Augenblick eingeschlafen.
Meine Träume waren Wirr, da stand Layla vor mir, mit einem Messer in der Brust.
„Du hast keine Chance Kayana!“ ihre Stimme wurde vom Wind in die Welt hinaus getragen, ihr Blick schien traurig, doch ihre Augen leuchteten. Ihre wunderschönen glasklare blaue Augen, sie wurden zerstört von der Trauer, die über der ganzen Szene lag.
Dann verformte sich ihr Gesicht, ihre Haare schienen in den Kopf gezogen zu werden und Ben stand vor mir.
„Du hast keine Chance Kayana!“ auch seine Stimme wurde vom Wind in die Welt hinaus getragen, doch er war nicht verletzt sondern trug eine Krone. Er schien auch nicht traurig zu sein, sondern begann zu lachen. Nicht wie er sonst lachte, es klang einfach nur irre. Kein normaler Mensch lachte so, es war wirklich grotesk.
Alles um mich herum wurde schwarz, doch nun hörte ich viele Stimmen, sie murmelten alle etwas anderes, doch langsam wurden es die gleichen Worte die sie sprachen:“Zum Scheitern verurteilt!“
Mit einem Schrei fuhr ich hoch, die Sonne schien in mein Abteil, ein wunderschöner warmer Tag kündigte sich an. Ich wusste schon gar nicht mehr genau, was ich geträumt hatte, es schien so fern. Alles was ich noch wusste, war, dass es nichts Gutes gewesen war. Vermutlich war es sogar besser, dass ich mich an nichts mehr erinnerte.
Ich zog die Schubladen auf um nach etwas passendem zum Anziehen zu suchen, denn das Kleid von der Ernte hatte ich die ganze Nacht über angehabt, wodurch es ziemlich zerknittert war.
Ich entdeckte eine dunkelblaue Bluse und eine schwarze Hose. Aus der Tasche meines Kleides holte ich die Kette, die Cassandra mir am Vortag vorbei gebracht hatte und schloss geschickt den Verschluss in meinem Nacken. Dann kämmte ich mir geschwind die Haare. Erst jetzt fiel mir auf, wie blass ich heute war, ich zwar immer recht blass, aber das war jetzt wirklich ungewöhnlich.
Ich entschloss mich dazu, dieser Tatsache keine weitere Beachtung zu schenken, sondern einfach nach draußen zu den anderen zu gehen.
Auf dem Gang begegnete ich natürlich Sascha, der sah mich einen Moment lang skeptisch den Kopf, schüttelte dann den Kopf und ging voran zum Essabteil. Während des ganzen Essens über dachte ich über sein Verhalten nach, was ich aß bemerkte ich noch nicht mal. In diesem Moment hätte man mir so ziemlich alles vorsetzen können und ich hätte es einfach so verschlungen.
„Wir müssen gleich da sein!“ Maylina fuhr sich durch ihre schwarzen Haare, die zur Zeit lila gesträhnt waren. Natürlich war ihr Outfit heute ebenfalls Lila.
„Komm!“ Sascha griff nach meiner Hand und zog mich zum Fenster, ich ließ es einfach so geschehen. Mein Blick war nach draußen gerichtet, doch ich registrierte nichts, ich hörte und sah nichts. Mit meinen Gedanken war ich wieder in meinem Traum.
„Zum Scheitern verurteilt…“ murmelte ich und kaute währenddessen auf meiner Lippe herum.
„Was hast du gesagt?“ Sascha sah mich verwirrt an, seine Worte holten mich zurück in die Gegenwart.
„Nichts!“ antwortete ich sofort und sah wieder aus dem Fenster. Hand in Hand standen wir da und winkten der Menge. Warum wir immer noch Händchen hielten wusste ich nicht, es ergab keinen Sinn, doch darüber dachte ich jetzt nicht nach. Es ging darum gut beim Publikum anzukommen, denn nur so konnte man Sponsoren bekommen.

Impressum

Texte: Panem, die Hungerspiele&co gehören Suzanne Collins
Bildmaterialien: by J.R.
Tag der Veröffentlichung: 17.01.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Leider ist auch diese Story nicht von mir, sondern wieder von meiner Freundin

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