Hi,
von meinen Freunden werde ich immer Turm genannt, da ich ein Miniatureifelturm bin. Ich lebe in einem kleinen Souvenirladen in Paris, jeden Tag kommen Leute vorbei und kaufen hier ein, deswegen lerne ich immer wieder neue Freunde kennen. Hier ist es eigentlich immer ganz lustig, doch wir alle wissen, wenn ein neuer Kunde kommt, könnte einer von uns mit genommen werden.
In den letzten Monaten jedoch kamen kaum Leute vorbei und es wurde immer weniger gekauft, anfangs freuten wir uns noch, doch langsam bemerkten auch wir, dass Louanne-die Besitzerin des Ladens-oftmals traurig war und besorgt das Geld zählte.
An einem trüben Herbsttag geschah es dann, Louanne kam mit Tränen in den Augen in den Verkaufsraum, sie sah sich um.
„Was ist da los?“ fragte ich Cloé, eine Puppe mit blondem Haar und Frankreichkleidung.
„Hast du es noch nicht mitbekommen? Louanne ist fast pleite!“ antwortete Cloé leise, ihre Stimme klang ziemlich traurig und auch ich wurde traurig. Dieser eine Satz war Erklärung genug, wir alle wussten was bald geschehen würde. Für Louanne gab es eben nur noch einen einzigen Weg.
„Wir müssen sie auf hallten!“ meinte ich, als Louanne gerade wieder hinten im Lager verschwand.
„Ich glaube nicht, dass wir noch etwas tun können!“ erwiderte die Puppe.
In diesem Moment kam Louanne zurück, die Tränen waren getrocknet, eigentlich sah sie wieder fast normal aus, abgesehen davon, dass sie nicht lächelte. Louanne war eine lebensfrohe junge Frau mit braunen Locken und großen braunen Augen, die immer lächelte. Nur heute nicht. Kein Lächeln und ihre Haare standen ihr vom Kopf ab.
In der Hand hatte sie mehrere bunte Plakate. Zuerst wunderte ich mich darüber, was sie damit wollte, doch dann sah ich das was darauf stand. Es würde ein Ausverkauf statt finden. Der Laden würde dich gemacht werden.
Die Plakate wurden aufgehängt und der Laden füllte sich allmählich wieder, am ersten Tag kamen nur eine Familie mit einem kleinen Jungen und eine alte Dame vorbei. Am zweiten kam eine Gruppe älterer Menschen, am dritten geschah es dann.
Eine Familie, bestehend aus einem 12 jährigen Jungen, einem 8 jährigen Mädchen und deren Eltern. Das Mädchen sah sich neugierig um, während der Junge uns kaum Beachtung schenkte, ich sah zu Cloé und dann wieder zu dem Mädchen, dass sich gerade die Postkarten ansah, die schienen ihr jedoch nicht zu gefallen, denn sie eilte schnell weiter. Mit meinen Blicken folgte ich ihr und schließlich musste ich mit Schrecken feststellen, dass sie sich für Cloé interessierte.
„Die will ich!“ sagte sie sofort zu ihren Eltern, diese gingen nun ebenfalls zu dem Regal auf dem Cloé saß.
„Willst du die wirklich? Nicht lieber so einen Eifelturm?“ fragte ihr Vater und deutete dabei auf mich.
„Ich will die Puppe!“ erwiderte das Mädchen ohne mich eines Blickes zu würdigen.
„ok ok, wenn du die Puppe willst, dann bekommst du sie, Prinzessin!“ Cloé wurde aus dem Regal gehoben und zur Kasse getragen.
„NEEEIN!“ schrie ich, doch ich konnte nichts tun, ich musste dabei zu sehen, wie Cloé in eine Tüte gepackt und rausgetragen wurde.
Die nächsten Tage kamen immer mehr Kunden und die Regale leerten sich immer mehr, bis nach 10 Tagen nur noch ein Souvenir übrig blieb. Ich.
„Den will wohl keiner…“ murmelte Louanne, während sie die Regale säuberte. Ein paar Sekunden lang sah sie mich traurig an, dann packte sie mich, trug mich nach draußen und schmiss mich in den Mülleimer.
Da lag ich nun zwischen Abfallresten und Papier. Meinen Glanz verlor ich immer mehr und das Licht hatte ich schon seit 2 Tagen nicht mehr gesehen. Hätte ich weinen können, dann hätte ich es getan. Noch nie hatte ich mich so mies gefühlt wie in dieser Zeit.
Am vierten Tag kam die Müllabfuhr und ich wurde mit dem Dreck in das große Auto geschleudert, die Luft hier war noch schlechter als in der Mülltonne und ich wollte einfach nur weck hier.
Als wir eine Weile später anhielten lag ich immer noch ziemlich weit oben und inzwischen auf der Kante.
Als die nächste Tonne zu uns gekippt werden sollte flog ich aus dem Wagen und landete unsanft auf der Straße. Niemand bemerkte mich, die Leute liefen an mir vorbei ohne mich überhaupt an zu sehen.
Keiner sah mich an, außer einem kleinen Mädchen, als ihre Eltern sie nicht ansahen hob sie mich auf und packte mich in ihre Jackentasche.
Dieses Mädchen trug mich 1 Woche lang mit sich herum und nahm mich dann mit nachhause. Während der Autofahrt nahm sie mich heraus und ich konnte ein Schild mit „Bundesrepublik Deutschland“ sehen. Ein Deutsches Mädchen also.
Kurze Zeit später hielten wir an und ich spürte wie das Mädchen ausstieg. Das nächste was ich sah war ein kleines, gemütliches Zimmer mit rosa Wänden, in der Hand hielt das Mädchen ein Gefäß mit Wasser und Küchentücher.
Vorsichtig machte sie eines der Tücher feucht und wischte mich damit ab, bis ich wieder sauber war.
„Jetzt bist du wieder wunderschön!“ sagte sie zu mir und obwohl sie Deutsch mit mir sprach verstand ich sie, dies war eine der Fähigkeiten von uns Souvenirs, wir konnten jede Sprache dieser Welt verstehen.
Sie strahlte mich an und stellte mich in ihr Regal, hier standen noch mehr Souvenirs herum, eine Pyramide und ein Skarabäus aus Ägypten und der Schiefe Turm von Pisa aus Italien. Mit ihnen freundete ich mich an und genoss mein Leben.
Heute ist dieses Regal natürlich nicht mehr mein Wohnort, ich stehe inzwischen in der Wohnung des inzwischen erwachsenen Mädchens und bin dort einfach Glücklich.
Texte: Jessica J.
Bildmaterialien: J.R.
Tag der Veröffentlichung: 01.12.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle, die mir bei den 100♥ so geholfen haben!