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"Bis morgen, Nana!" meine Freundin Sophie umarmte mich.
"Ja, bis morgen!" mit diesen Worten verschwand ich nach draußen, der Himmel sah ziemlich dunkel aus. Ich vermutete, dass der Regen nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.
Von Sophie aus war es zum Glück nicht weit zur Bahn Haltestelle, doch ich war schon spät dran und hier fuhr nur alle 2 1/2 Stunden ein Zug. Wenn ich den jetzt verpassen würde, dann hätte ich echt ein großes Problem.
Gerade noch Rechtzeitig kam ich an der Haltestelle an und als ich gerade in den Zug einstieg begann es zu Regnen. Dicke Tropfen klatschten auf den Boden und ich war Heilfroh drinnen zu sein.
In der Bahn saßen nur ein älterer Herr, eine Schwangere Frau mit einem kleinen Mädchen an der Hand und ein Junge in meinem alter.
Ich stempelte die Karte ab und setzte mich auf einen Platz nicht weit von dem Jungen entfernt. Als ich mich setzte starrte er mich komisch an. Hastig hohlte ich mein Handy hervor um es als Spiegel zu benutzen, doch weder meine Wimperntusche, noch mein Kajal oder Lippenstift waren verwischt. Auch hatte ich keine Flecken auf meiner Kleidung oder mir standen Haare ab. Ich sah aus wie immer.
Der alte Zug setzte sich langsam in Bewegung, hier fuhren keine dieser neuen Züge, nur steinalte die ständig eine Panne hatten. Eigentlich konnte man nie damit rechnen, dass man wirklich pünktlich ankam, denn entweder es gab ein Problem mit dem Zug oder den noch älteren Bahngleisen. Unsere Geschichtslehrerin meinte mal, dass sie zu den ersten Bahngleisen unseres Landes gehörten, aber das sah man auch. Überall waren sie gerostet und hin und wieder brach ein Stück ab, dann musste der Zug eben halt machen und man hatte die Wahl zwischen warten oder zu Fuß weiter zu gehen.
Gedankenverloren starrte ich aus dem Fenster, Bäume und Wiesen zogen langsam vorbei, der Zug war wirklich langsam.
Der Zug hielt an, allerdings stieg niemand ein. Inzwischen starrte mich auch das kleine Mädchen an. Erneut checkte ich mein Aussehen, alles ok. Die kleine zog an der Hand ihrer Mutter und diese sah mich ebenfalls schockiert an. Der ältere Herr, der eingenickt war erwachte, sein Blick wanderte zu mir und er riss die Augen auf. Was stimmte mit mir nicht? Ich sah ganz normal aus, ich war weder klein noch groß, ich war auch nicht dick oder dünn, ich war total durchschnittlich. Auch hatte ich keine Narben oder Ähnliches, was schockierend gewesen wäre.
Die nächsten Minuten versuchte ich die Blicke durch permanentes aus dem Fenster schauen los zu werden, mein Plan ging leider nicht auf. Die ganze Zeit starrten mich die anderen Fahrgäste an, so langsam wurde es mir echt unheimlich.
Erneut hielt der Zug, mittlerweile konnte man draußen rein gar nichts mehr erkennen. Diesmal stieg ein Mädchen ein, sie war ein wenig jünger und um einiges kleiner. Kurz sah sie sich um und lies sich dann auf den Platz mir gegenüber sinken. Ihre Augen waren rot und verquollen, deswegen lächelte ich aufmunternd an.
"Warum lächelst du?" fragte sie verwirrt. War lächeln jetzt schon eine Straftat, oder was?
"Warum nicht?" stellte ich die gegen Frage und lächelte weiterhin.
"Weil das Leben unfair ist!" erwiderte sie.
"Das Leben ist doch nicht unfair!" jetzt war ich die verwirrte. Zugegeben, es lief auch bei mir nicht immer alles perfekt, doch deswegen musste man doch nicht gleich sagen, dass das Leben unfair sei.
"Was daran ist unfair?" fragte ich sie deswegen.
"Viel zu viele Leute sterben zu früh...oder schaffen es einfach nicht mehr zu Leben!" antwortete sie, ich verstand immer noch nicht alles. Für mich gehörte der Tot einfach zum Leben.
"Klar, aber sie doch froh, dass du lebst!" meinte ich und lächelte erneut.
"Das ich lebe? Sag mal weist du überhaupt wo du bist?" fragte sie mich.
"Im Zug?!" natürlich war ich im Zug, wo sonst?
"Im Geisterzug!" fügte sie noch ein weiteres Wort hinzu, ich musste einfach lachen. Geisterzug. Lächerlich! "Du bist tot!" setzte sie hinzu, jetzt musste ich noch mehr lachen. Ja klar, ich bin tot!
"Und durch was bin ich bitteschön gestorben?" fragte ich das Mädchen.
"Durch einen Autounfall! Du bist überfahren worden!" erzählte sie mir.
"Das stimmt!" stimmte der Junge dem Mädchen zu.
"Und ihr seit auch tot?" fragte ich die anderen, die Frau das Kind und der Mann hatten genickt und nickten erneut.
"Darf ich fragen, durch was ihr gestorben seid?" fragte ich sie.
"Ich konnte nicht mehr leben..." murmelte das Mädchen mir gegenüber.
"Schief gelaufene Operation!" das kleine Mädchen an der Hand der Frau starrte betrübt zu Boden.
"Ich habe meine ganze Familie verloren, nach dem Tot meiner Tochter wollte ich nicht mehr leben!" erzählte die Frau und sah ihre Tochter dabei an.
"Im alter stirbt jeder!" sagte der alte Mann. Mein Blick wanderte zu dem Jungen.
"Ich hab den Zug nicht kommen sehen!" sagte er leise und sah nach draußen, wo es immer noch regnete. Ich sah sie alle mitleidig an, wir waren also alle tot...
"Hey aufwachen!" jemand rüttelte an meiner Schulter, verschlafen blinzelte ich. Neben mir stand der Bahnfahrer und sah mich skeptisch an. "Wir sind an der Endhaltestelle!" meinte er, ich stand aus und draht nach draußen. Die Sonne schien mir ins Gesicht, das alles war nur ein Traum!
Jetzt musste ich nur noch irgendwie heim kommen!

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Tag der Veröffentlichung: 23.06.2012

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