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Wir können die Zeit nicht zurück drehen,
wir können geschehenes nicht ungeschehen machen.
Wenn wir etwas falsches getan haben,
dann ist es so.
Wenn wir etwas falsches gesagt haben,
dann ist es so.
Wenn wir jemanden verletzt haben,
dann ist es so.
Und wir wenn jemanden gehen gelassen haben,
dann ist er weg.
Für immer.


"Ey Kianna, höhr doch mal auf so schlau zu reden!" Shina schaut mich entrüstet an.
"Wo rede ich denn bitteschön schlau?" frage ich, gestern meinte sie noch, ich wäre total hohl.
"Ja, dein ständiges 'definiere' oder das gerade eben mit dem 1/1.000!" erwidert sich, ich muss seufzen, das ist wirklich typisch für meine Freundin, oder was auch immer sie ist. Viele meinen wir wären beste Freundinnen, aber eigentlich...ja eigentlich bin ich ihr egal und sie mir inzwischen auch. Ich wünsche mir einfach nur noch, dass sie aus meinem Leben verschwindet! Nein, eher das ich die Zeit zurück drehen kann und sie niemals kennen gelernt hätte.
"Was soll ich sonst sagen? 1.000 durch 1, oder was?" Der Fehler an dem Satz fällt mir erst auf, als ich es ausgesprochen habe, aber noch nicht einmal das bemerkt Shina. Höchst wahrscheinlich aus 2 Gründen: 1. sie ist zu blöd dazu! 2. sie hört mir so und so nie richtig zu!
"Siehst du, genau das meine ich!" ihr Blick sieht spöttisch aus.
"Pf...muss man eben mal was checken!" In ihren Augen erkenne ich, dass ich damit einen Wunden punkt getroffen hab. Tja, nach 2 1/2 Jahren weiß ich eben, was sie aufregt und inzwischen kann ich ihr das auch ins Gesicht sagen, ohne Angst vor ihrer Antwort.
"Ist ja auch egal!" meint sie nur, ich muss sie überrascht ansehen. Hab ich mich gerade verhört? Normalerweise will Shina immer recht haben! Bisher haben wir immer so lange herum diskutiert, bis ich aufgegeben habe! Das sie es jetzt einfach so dastehen lässt haut mich echt um.
Am nächsten morgen, als wir im Bus sitzen ist die Sache vom Vortag vergessen und wir machen wieder jede menge Quatsch zusammen. Heute fahren wir nach Frankreich, also eigentlich nur ins Elsass um uns mit unseren 'Brieffreunden' zu treffen. Als Briefferunde würde ich die zwar nicht wirklich bezeichnen, aber das war der Ausdruck unserer Lehrerin. Für uns ist es mehr die Folter, einen Brief auf Französisch schreiben...
Als wir ankommen werden wir in zusammen mit 'unseren' Franzosen in Gruppen eingeteilt, Shina und ich kommen in eine, war allerdings klar, da wir die selbe haben. Außerdem sind in unserer Gruppe noch Ben-ein Junge in den ich in der 5. Verknallt war-sein Austauschschüler, noch ein anderer Franzose und noch 2 aus unserer Klasse, außerdem noch eine Französin und meine Klassenkameradin Mia. Mia und Shina labern die ganze Zeit und Mia versucht mich nicht zu beachten.
Da ich so und so nie schnell gehe laufe ich ganz am Ende, aber Ben läuft ebenfalls langsamer. Obwohl er normalerweise schneller geht...
Er verwickelt mich in ein Gespräch und wir reden den ganzen Vormittag, zwar stehe ich nicht mehr auf ihn, aber es ist dennoch irgendwie schön. Nur Mia findet das nicht so toll. Am Nachmittag hängt sie sich an die Jungs und zieht sie von mir weg, allerdings hat Shina dadurch keine Unterhalltung mehr und kommt wieder zu mir. Ja toll, immer wenn man alleine ist kann man zu mir kommen, Kianna braucht ja keiner! Obwohl doch, ich bin das etwas, an dem Gott und die Welt ihren Frust auslassen können. Gott wollte wohl mal irgendwessen Leben zerstören, geht ja ganz einfach. Einfach mir alles wegnehmen, das mir etwas bedeutet, oder bedeutet hat. Nur komm ich damit verdammt nochmal nicht klar. All die schlaflosen Nächte...und mir dann auch noch immer das vor die Nase setzen was ich will, aber was so unereichbar ist.
"Sag mal Kianna, das kann doch nicht sein, dass du gar nicht verliebt bist, oder keinen Typen ein bisschen mehr als nett findest!" fragt Shina auf der Rückfahrt plötzlich.
"Ja geh!" Lilia lächelt mich an-sie ist meine andere Freundin und das genaue Gegenteil von Shina, sie kann niemandem etwas böses ins Gesich sagen.
"Lil, ich hab dir doch was gesagt!" erwidere ich, ja, ihr habe ich erzählt, auf wen ich stehe. Nur Shina verdraue ich dazu nicht stark genug.
"Wieso weiß sie des und ich nicht?" meckert meine Freundin gleich wieder herum.
"Weiß nicht!" ich zucke mit den Schultern, zugeben das ich ihr nicht vertraue will ich nicht, sonst kommt sie wieder mit ihren Lügen, was sie so erfahren hätte. Obwohl kein Wort davon stimmt...!
"hm...Ben?" rät sie einfach mal drauf los.
"Nein! Nachher!" unternehme ich einen versuch sie los zu werden. Erfolglos, für die Dauer der restlichen Busfahrt versucht sie immer wieder mit zu entlocken, wie ER heißt.
"Marco!" sage ich schließlich, als wir kurz vor der Bücherei stehen.
"Nicht wirklich, oder?" sie sieht mich entsetzt an. Ich verstehe sie nur zu gut, Marco ist das Arschloch der Klasse, er ist ein Jahr älter als wir alle [er musste die 7. Wiederhohlen] und als er kam hat er versucht mit fast jedem Mädchen zu flirten, außerdem ist er auch so total bescheuert, aber irgendetwas hat er an sich...ich weiß nur nicht was.
"Doch!" ich sehe sie trotzig an, sie wollte es doch unbedingt wissen.
In den nächsten Tagen zieht sie mich immer wieder damit auf, jedoch verrät sie niemandem etwas und deswegen nehme ich ihre Sticheleien Kommentar los hin.

Leider muss auch Marco irgendwann Geburtstag haben und genau an diesem Tag hört Shina plötzlich mit dem generve auf.
"Kianna! Komm schon, wenn du ihm Gratulierst wird er dich schon nicht übersehen!" meint sie aufmunternd aber ich schüttele den Kopf.
"Ich kann das nicht!" murmle ich.
"Wir kommen mit!" mein Lilia und zieht mich mit zu ihm.
"Alles gute!" Lilia und ich lächeln ihn beide an, sie hat mir erzählt, dass sie ihn auch hin und wieder süß findet.
"Danke!" er umarmt Lilia und beachtet mich nicht weiter, Shina und Lilia sehen mich nur mitleidig an, sagen aber lieber nichts dazu. Ich selbst fühle mich einfach nur mies. Was hat Lilia, was ich nicht hab? Ich meine, was an ihr ist so toll, dass jeder sie unbedingt besser kennen lernen will? Und was ist an mir so mies, dass ich nie beachtet werde?

"Kianna, jetzt heul nicht so rum! Willst du das deine Mum Glücklich wird?" Shina und ich stehen im Mädchenklo, ich muss schon den ganzen Vormittag weinen. Meine Mum willl wieder heiraten, eigentlich ja kein Problem, ich wollte immer, dass sie über Dad hinweg kommt und nach seiner Hochzeit hat sie das dann zum Glück auch geschafft. Aber warum den? Ihren neuen Typ kann ich überhaupt nicht ausstehen und er hat keine besonders hohe Meinung von mir, dasselbe gilt übrigens auf für Dads Frau.
"Doch!" schniefe ich.
"Nein, garantiert nicht!"inzwischen steht auch Mia bei uns, sie sieht mich abfällig an.
"Was soll das denn jetzt heißen?" ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht und starre sie wütend an. Was glaubt die eigentlich, wer sie ist? Mit welchem Recht sagt sie so etwas?
"Und Shina, die da ist das ganze hier nicht wehrt!" meint Mia an meine Freundin gewandt, mit 'die da' bin selbstverständlich ich gemeint. So abfällig redet sie nur über einen Menschen und der bin ich. Ich weiß nicht, was sie an mir nicht leiden kann, in der 5. haben wir uns mal super verstanden...
"Stimmt! Kianna, alles was Mia sagt ist wahr! Und ich hab auch keinen Bock mehr auf dein Drama! Komm allein klar!" mit diesen Worten folgt sie Mia aus der Toilette, ich starre die sich schließende Tür an. Mein Herz beginnt zu rasen, ohne lange nachzudenken renne ich nach draußen, auf den Schulhof und zum Fahrradständer. So schnell wie noch nie öffne ich das Schloss und fahre davon.
Nachhause will ich nicht, also fahre ich in richtung Wald, meine ehemalige beste Freundin und ich haben dort mal eine Hütte gebaut und exakt dorthin fahre ich jetzt.
Angekommen packe ich hastig ein paar Sache zusammen und fahre an meinen Lieblingsplatz. Ein See, ein wenig außerhalb des Ortes in dem ich wohne und zur Schule gehe.
Völlig verzweifelt lasse ich mich auf einem Ast nieder und starre in das dunkle Wasser. Was mache ich hier eigentlich noch? Ich bedeute doch eh niemandem etwas, meine Eltern hassen mich dafür, dass ich die Menschen nicht mag, die sie lieben. Meinen so genannten Freundinnen bin ich sowas von egal...und ja, ansonsten bleibt eh niemand mehr übrig, der Rest hat mir schon deutlich genug gesagt, dass sie mich nicht leiden können und zwar von Tag 1 an! Ohne das sie mich überhaupt richtig kannten, sie kannten nur Erzählungen über mich und haben dann ihr Ureil gefällt.
Völlig in Gedanken versunken ziehe ich ein Messer aus meiner Tasche, ich starre die glänzende Klinge an, mein Atem stockt. Ohne lange nachzudenken schneide ich in meinen Arm, direkt an der Hauptschlagader. Das Blut rinnt aus dem Schnitt und mit ihm das Leben, das letzte was ich von dieser miesen Welt sehe, ist der Ort, der mir am besten Gefällt...


"Ich habe Dinge zu ihr gesagt, die ich nicht hätte sagen sollen!" Shina starrt die Wand des Klassenzimmers an, gleich werden sie alle gemeinsam zur Kirche gehen, zu Kiannas Beerdigung.
"Eigentlich war sie ja ganz nett..." murmelt Ben, es herrscht eine ziemlich gedrückte Stimmung, man hatte auf Kiannas Block eine kleine Notiz gefunden:

Wir können die Zeit nicht zurück drehen,
wir können geschehenes nicht ungeschehen machen.
Wenn wir etwas falsches getan haben,
dann ist es so.
Wenn wir etwas falsches gesagt haben,
dann ist es so.
Wenn wir jemanden verletzt haben,
dann ist es so.
Und wir wenn jemanden gehen gelassen haben,
dann ist er weg.
Für immer.



"Was halltet ihr davon, wenn wir das was wir ihr noch gerne sagen würden, auf einen Zettel schreiben und den dann verbrennen! Wenn sie in den Himmel kommt, wird sie ihn lesen!" schlägt Paul vor, sein Vater ist Pfarrer und deswegen wurde er streng Religiös erzogen.
"okey!" die anderen nicken abwesend, aber jeder von ihren greift zum Stift:
Liliana: Kianna, du warst immer ehrlich, eine Eigenschaft, die ich leider nicht besitze, es tut mir leid, dass ich dir nie gesagt habe was los war, sondern nur über dich gelästert habe!
Shina: Ich glaube, ich habe oft Dinge gesagt, die nicht besonders nett waren und doch warst du immer die doofe in der ganzen Geschichte! Es tut mir leid!
Mia: Vielleicht hätte ich dir doch eine Chance geben sollen...entschuldigung für alle meine Worte über dich, für die ich keinen richtigen Beweis hatte.
Ben: Es tut mir leid, wenn ich hin und wieder etwas falsches gesagt hatte, aber ich fand dich immer nett...!
Marco: Ich hab die anderen nie verstanden, was sie an dier aus zu setzen hatten. Ich meine, du warst zwar nicht immer die höflichste, aber am ehrlichsten von uns allen...du hast nicht einfach etwas gesagt, ohne nach zu denken! Ich wollte dir nur niemals zu viel aufmerksamkeit schenken, damit du nicht merkst, dass du mir etwas bedeutest! Ich hab echt ne Menge flasch gemacht, es tut mir alles so leid!

Als jeder von ihnen seine Botschaft an Kianna aufgeschrieben haben nimmt Paul den Zettel und zieht ein Feuerzeug heraus, sie alle sehen zu wie die Worte in Flammen aufgehen.
Sie haben Kianna gehen lassen und sie ist gegangen.
Es gibt keinen Weg zurück mehr.

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Tag der Veröffentlichung: 22.05.2012

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