"Muss das sein?" genervt verdrehe ich die Augen, meine Mom will das ich wieder mit meinen Großeltern ins Allgäu fahre. Langeweile pur.
"Ja muss es! Du wirst sehen, es wird sicher ganz toll!" sie legt mir die Hand auf die Schulter, mir ist klar, egal was ich jetzt noch sage, es wird sie nicht davon abhalten, mich dort hin zu schicken.
"Ich pack meine Tasche!" ein wenig niedergeschlagen gehe ich in mein Zimmer und werfe die Sachen, die ich in der nächsten Woche brauche in meine Reisetasche. Früher war ich wirklich gerne dort, jedenfalls als ich noch ein kleines Mädchen war. Aber das ist alles schon so lange her, seither ist so viel passiert! Ich bin einfach nicht mehr die selbe wie damals, Zeiten ändern einem eben.
Die Autobahn ist relativ frei, aber da mein Opa leider ziemlich langsam fährt brauchen wir 3 1/2 Stunden bis nach Füssen.
"Da seit ihr ja!" die Besitzerin der kleinen Pension kommt uns sofort entgegen, ich kenne sie noch von früher und meine Großeltern kommen Jahr für Jahr hierher.
"Marina, oder?" sie schüttelt mir die Hand und ich nicke, sie kennt meinen Namen also noch.
"Du bist jetzt 14, oder?" fragt sie weiter, wieder nicke ich. "Stimmt, du bist genauso alt wie Leon!" sie lächelt leicht. Leon...in meinem Kopf regt sich etwas, ich kann zwar kein Gesicht damit verbinden, aber irgendwie kommt mir der Name bekannt vor.
Meine Oma geht schon mal hoch ins Zimmer, ich habe gesagt, dass ich die Taschen hoch bringe und mein Opa regelt das andere. Deswegen mühe ich mich jetzt mit 3 1/2 Taschen und 3 Fahrrädern ab.
"Soll ich dir helfen?" fragt eine Stimme, ich sehe auf und direkt in seine wunderschönen grünen Augen. Gefesselt starre ich ihn an.
"Alles ok?" fragt er grinsend, ich lächle ebenfalls.
"Gerne! Danke!" Wir sehen uns an und auf einmal scheint ihm etwas auf zu fallen.
"Marina?" fragt er geschockt, ich nicke.
"Kennst du mich noch?" fragt er weiter. In diesem Moment erinnere ich mich wieder an ihn. Leon. Immer wenn ich früher hier war haben wir miteinander gespielt. Ich hatte ihn damals wirklich gern.
"Natürlich!" sage ich und umarme ihn, irgendwie freue ich mich jetzt hier zu sein.
"Du bist hübsch geworden!" bemerkt er während wir die Fahrräder in den Stall stellen.
"Danke! Aber fandest du mich früher hässlich?" frage ich amüsiert.
"N-nein! Ich meinte nur...du hättest ja auch hässlicher werden können!" er lächelt etwas verlegen und ich muss lachen, ich hatte ihn gar nicht so schüchtern in Erinnerung.
Wir sehen uns an und erst jetzt fällt mir auf, wie nahe wir uns doch sind. Langsam näheren sich unsere Gesichter.
"MARINA!" ruft in diesem Moment mein Opa. Super! Echt tolles Timing! Hätte er nicht noch 2 Minuten warten können?
"Wir sollten wieder raus..." murmelt Leon und ich folge ihm nach draußen. Enttäuscht schnappe ich mir die Taschen und trage sie nach oben, in unserer Ferienwohnung angekommen verschwinde ich in das Nebenzimmer und lasse mich auf 'mein' Bett fallen. Es ist fast wie früher. Nur dass ich jetzt aus dem Fenster starre und über das nachdenke, was gerade geschehen ist. War das wirklich? Oder nur ein Traum? Werde ich jetzt gleich aufwachen und mich in meinem Bett wiederfinden?
Ich sehe Leon erst am nächsten Morgen wieder, er steht mit einem Kumpel auf dem Hof. Der andere Junge sieht mich an und lacht.
"Sieht schon geil aus die kleine!" meint er als ich gerade im Stall verschwinde um mein Fahrrad heraus zu hohlen. Die meisten hätten es auf diese Entfernung vermutlich nicht gehört, aber ich habe ziemlich gute Ohren, dadurch bekomme ich viel mehr mit als die anderen. Ich bleibe stehen um zu hören, was Leon darauf antwortet.
"Finde ich auch! Und nach dieser Woche sehen wir uns so und so nie wieder...also" er lacht und ich spüre wie mir die Tränen in die Augen schießen. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Oder hab ich da was falsch verstanden? Bestimmt ist es so, ich meine er steht schon relativ weit weg, ich hab mich einfach verhört.
Nach dem Frühstück entschließe ich mich dazu ein bisschen Fahrrad zu fahren, mein Opa fühlt sich heute nicht so gut, also fahre ich eben alleine.
Zuerst fahre ich zum See, ich kenne eine Stelle an die niemand kommt. Doch als ich dort sitze kommen die Erinnerungen an Leon zurück. Kann ein Mensch sich so verändern? Anscheinend schon. Mein Unterbewusstsein sagt mir immer wieder, dass ich mich heute morgen nicht verhört habe.
Als ich es nicht mehr aushallte fahre ich direkt nach Füssen, das ist der Schritt den ich hinterher bereut habe.
Als ich vom Fahrrad abspringe um in die Fußgängerzone zu gehen ruft jemand meinen Namen, ich drehe mich um und sehe direkt in diese unglaublich schönen grünen Augen.
"Hey!" er grinst mich breit an, aber ich will ihn nicht sehen, ich will nicht mit ihm reden. Nachdem was ich gehört habe werde ich garantiert nicht auf ihn hereinfallen. Ich bin vielleicht blond, aber garantiert nicht blöd.
"Was willst du?" frage ich ihn genervt.
"Was ist los mit dir?" er sieht mich verwirrt an.
"hm...vielleicht verstehst du es ja, wenn ich dir sage, dass ich euch heute morgen gehört haben!" zische ich, drehe mich um und gehe mit erhobenem Kopf weg. Leon kann mich mal. Für wie Naiv hält der mich? Nein, mich wird dieser Kerl nicht verarschen, dafür soll er sich irgendeine andere suchen.
Ich sitze da und starre die Sterne an, seit der Nacht in Füssen ist ein Tage vergangen. Wie letzte Nacht auch schon, kann ich nicht schlafen. Deswegen bin ich aufgestanden und raus gegangen.
Plötzlich höre ich wie ein Ast zerbricht. Erschrocken drehe ich mich um und sehe eine Gestallt. Als er oder sie auf mich zu kommt erkenne ich, dass es Leon ist.
"Geh weg!" schreie ich ihm entgegen, doch er kommt weiter auf mich zu.
"Marina..." er lässt sich neben mich fallen und schaut mich an.
"Was?" zische ich und sehe ihn wütend an.
"...Das was ich da gesagt habe, tut mir leid. Ich-ich wollte einfach nicht vor ihm zugeben, wie süß ich dich finden...und dass ich glaube, dass ich mich in dich verliebt habe!" erwidert er. Langsam kommt er mir näher und als seine Lippen auf meine treffen explodiert in mir ein Feuerwerk. Mein Herz rast so schnell, dass ich Angst habe, er könnte es hören.
"Nein, ich glaube nicht das ich dich liebe! Ich weiß es! Marina, ich liebe dich!" korrigiert er seine Aussage von zuvor und dann küsst er mich erneut.
"Ich liebe dich auch!" flüstere ich.
Am nächsten Morgen wache ich in meinem Bett auf, wie ich hierher gekommen bin weiß ich nicht mehr.
Die nächsten Tage versuchen wir beide so viel Zeit miteinander zu verbringen, wie es geht und wir haben eine Menge Spaß.
Doch dann kommt der Tag, vor dem wir uns dich ganze Zeit fürchteten. Ich würde wieder abreisen.
"Ich werde dich vermissen!" traurig sieht er mich an und küsst mich ein letztes mal.
"Schreib mir!" erwidere ich und gehe mit meinem Fahrrad nach draußen. Mit seiner Hilfe befestige ich es am Fahrradträger vom Auto.
"Auf wiedersehen..." murmle ich und steige in den Wagen, als meine Großeltern kommen.
"Auf Wiedersehen!" er starrt betrübt auf den Boden. Ich schaue durch die Rückscheibe nach draußen, bis er aus meinem Sichtfeld verschwindet.
Ob ich ihn wieder sehen werde?
Bildmaterialien: Cover by Jessix3
Lektorat:
Tag der Veröffentlichung: 18.05.2012
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