Die Wettersatelliten hatten eigentlich Sturm für den zwölften August vorausgesagt. Doch die Nordsee östlich der Orkney-Inseln war ruhig. Nur ein leichter Wind blies von Westen her. Die U.S.S. Norfolk, ein amerikanisches Jagd-U-Boot, lag in der Bucht von Scapa Flow, dem Hauptstützpunkt der britischen Flotte. Es war früh am Morgen, exakt fünf Uhr.
Nur zwei Leute waren auf der offenen Kommandobrücke. Commander Andrew Hamilton, der Kommandant des Bootes, und Navigationsmaat McPherson.
Für den befehlshabenden Offizier eines U-Bootes war Hamilton ein eher junger Typ. Er hatte seine gesamte Militärzeit auf U-Booten verbracht und liebte dieses Leben, auch wenn es ihn zwang, einsam zu bleiben. Er schätzte die 120 Crewmitglieder, die zwei Monate Patrouille mit ihm verbringen würden. Erst dann würden sie nach Großbritannien zurückkehren.
Ein kurzes Knacken in der Bordsprechanlage war zu hören.
"Skipper,hier Rayburn."
Hamilton hörte die ihm vertraute Stimme seines 1.Offiziers, Lieutenant Commander Jeffrey Rayburn. Er befand sich im Kontrollraum unter ihm.
Er griff nach dem Hörer der Bordsprechanlage: "Hier Hamilton. Was gibt es?"
"Wir haben Befehl erhalten umgehend aufzubrechen, Sir." meldete Rayburn knapp.
"Verstanden. Lassen sie die Maschinen starten, Jeff." erwiderte Hamilton und hängte den Hörer ein. "Mister McPherson,Bericht."
"Rundherum frei, Sir.Wir können los." gab der Maat zur Antwort.
Konzentriert richtete Hamilton seinen Blick durch das Sichtgerät. Er wollte den optimalen Kurs festsetzen, um möglichst schnell das europäische Nordmeer zu erreichen.
"Kommandant an 1.Offizier: Kurs 032, halbe Kraft voraus." befahl er ruhig.
Ganz langsam setzte sich das Boot in Bewegung und verließ die Bucht von Scapa Flow.
"Brückenwache sofort raufkommen." ordnete er an.
Die heiße Tasse Tee, die Hamilton in den Händen hielt, wärmte ihn etwas. Es war kein Schutz mehr durch die Landmassen der Orkney-Inseln vorhanden, der Wind traf die Norfolk mit voller Stärke.
Er kniff die Augen zusammen und blickte über den Bug des Bootes hinweg. Noch lag es recht ruhig, auch wenn der Bug hin und wieder tief in die See eintauchte.
Seaman Tim Podenski, der als Brückenwache eingeteilt war, kreuzte den Blick seines Kommandanten. "Sir,wohin geht es?"
Hamilton verzog keine Miene. "In´s Nordpolarmeer,Mister Podenski."
"Wird wohl kalt werden." meinte Petty Officer Danner, der auch auf der Brücke war.
Stumm nickte Hamilton und blickte durch sein Fernglas auf die See hinaus.
"Räumen sie die Brücke." befahl er knapp.
Ohne ein weiteres Wort befolgten Podenski und Danner seine Befehle und stiegen die Leiter zum Kontrollraum hinab. Nun war er alleine.
"Kommandant an Echolot. Geben sie Tiefe an."
Die Antwort kam prompt: "Tiefe genau 2800 Fuß unter Bug, Sir."
"Verstanden."
Hamilton ließ sich nun ebenfalls an der Leiter in den Kontrollraum hinabgleiten.
"Übernehme das Kommando." sagte er knapp.
Rayburn nickte: "Kommandant übernimmt das Kommando."
Er nickte Master Chief Ted Wilson zu, dem "Chief of the Boat". Er führte die Anweisungen seines Kommandanten aus.
"Bringen sie uns auf Tiefe 150 Fuß,COB." ordnete der Kommandant an.
Wilson´s bärtiges Gesicht lächelte. Er legte seine gewaltige Hand auf die Schulter des Steuermanns,Seaman Bertrand.
"Tauchen, fünf Grad vorlastig. Ballasttanks fluten."
Bertrand drückte das Steuer nach vorne. Gleichzeitig flutete ein weiteres Crewmitglied die Ballasttanks. Die Norfolk begann zu sinken. Der über dem Steuer installierte Tiefenmesser glitt langsam nach unten. Bei 150 Fuß stoppte Bertrand das Tauchen.
"Boot ist ausgependelt,Skipper." meldete Wilson.
Hamilton nickte: "Volle Kraft voraus."
"Volle Kraft voraus, aye,Sir." bestätigte er. Die Norfolk beschleunigte.
Der Kommandant nickte Rayburn zu: "Sie haben die Brücke. Ich lege mich etwas hin."
"Aye, Sir." antwortete er sofort.
Hamilton war der Einzige an Bord, der eine eigene Kabine hatte. Auch wenn sie nur gut fünf Quadratmeter groß und sehr beengt war, sie war doch besser als die Kojen der Crew. Hamilton legte sich in sein Bett. Links an der Wand befand sich ein Bordtelefon, mit dem er sofort mit dem Kontrollraum Kontakt aufnehmen konnte. Direkt neben seinem Bett befand sich rechts sein Schreibtisch mit einem Monitor, auf dem er alle für die Schiffsführung relevanten Daten einsehen konnte. Er verbrachte nicht viel Zeit in diesem Raum, aber hin und wieder brauchte er etwas Privatsphäre. Direkt an der Kabine angeschlossen lag ein kleiner Duschraum mit Waschbecken und Toilette. An der Wand hingen einige Fotos. Sie zeigten seine Familie, die in San Francisco lebte. Hamilton´s Vater war Navy-Offizier im Rang eines Vice-Admiral gewesen und wurde vor vier Jahren pensioniert. Seine Mutter war immer die perfekte Soldatenehefrau gewesen und ihrem Mann in alle Standorte der Welt gefolgt. Hamilton erinnerte sich an die Zeiten in Subic Bay, Vietnam, in Okinawa, Japan und Scapa Flow, Großbritannien. Dort waren sie die letzten Jahre, bevor Hamilton mit 18 zur Navy ging. Das Bild zeigte auch seine Schwester Bess. Sie war 28 Jahre alt und das Nesthäkchen der Familie. Bis vor kurzem hatte sie Jura in Harvard studiert und war nun in einer Anwaltskanzlei in New York tätig. Das letzte Familienmitglied war sein Bruder John. Er war ebenfalls Navy-Offizier und diente als Lieutenant auf dem Raketen-U-Boot U.S.S. Ohio. Hamilton hatte eine enge Bindung an seine Familie und besuchte sie so oft es möglich war. Dennoch war er in diesem Jahr ganze zwei Mal zu Hause in San Francisco.
Ein weiteres Foto zeigte Hamilton und sein Lehrgangskamerad Matt Turner. Mit ihm zusammen machte er seinen Abschluss in der Marineakademie Annapolis. Turner diente als 1.Offizier auf dem U-Boot U.S.S. Alabama und sollte bald sein eigenes Kommando erhalten. Hamilton hing an Turner wie an seinem eigenen Bruder.
Ein Bild einer hübschen, blonden Frau hing neben den beiden Fotos. Hamilton stand neben ihr und hatte den Arm um sie gelegt. Sie hieß Celine D´Salios und stammte aus Kanada. Hamilton war zwei Jahre mit ihr zusammen, doch schließlich trennte sie sich von ihm. Das war vor einem Jahr. Sie hatte verlangt, dass er eine Stelle an Land beantragt und die U-Boot-Fahrerei aufgibt. Lange hatte er es sich überlegt, aber er konnte es nicht. Sein Dienst, sein U-Boot, das alles lag ihm zu sehr am Herzen. Er hatte immer noch Kontakt zu ihr und er musste sich eingestehen, dass er sie immer noch liebte. Beinahe jede Woche schrieb er ihr einige Zeilen.
Noch kurz gingen Hamilton einige Gedanken zu Familie und Freunde durch den Kopf, dann schlief er ein.
Ein kurzes Klopfen weckte Hamilton.Er hob den Kopf.
"Ja, herein!" rief er knapp.
Die Kabinentür öffnete sich und Master Chief Ted Wilson betrat sein Quartier. Der bärtige Bootsmann lächelte kurz.
"Störe ich sie, Skipper?" fragte Wilson.
Der Kommandant erhob sich aus dem Bett und deutete auf den Stuhl neben dem Schreibtisch. "Nein, Chief. Setzen sie sich doch."
Wilson war sein engster Vertrauter an Bord, noch vor dem 1.Offizier. Das hatte einen ganz bestimmten Grund. Während seiner Zeit auf der Akademie und des Flottenpraktikums hatte er den Seemann aus Leidenschaft kennen- und schätzengelernt. Auch später in seiner Karriere traf er Wilson immer wieder. Als Ensign auf der Dallas, als Lieutenant auf der Ohio und als Lieutenant Commander auf der Norfolk. Als er vor zwei Jahren das Kommando über die Norfolk erhielt, blieb Wilson als "Chief of the Boat" an Bord. Er war der höchstrangige Unteroffizier an Bord und war für alle Fragen der Crewmotivation und Ausbildung zuständig.
"Was gibt es zu berichten?" fragte Hamilton interessiert. Er reichte seinem Chief eine Tasse Tee, die dieser nickend annahm.
Er rührte mit dem Löffel darin herum. "Alles in Ordnung, Sir. Mister Anderson hat das Kommando vor einer halben Stunde übernommen."
"Gut." meinte der Commander.
Lieutenant junior grade Neil Anderson war der Navigationsoffizier des Bootes. Hamilton vertraute voll auf die Fähigkeiten des jungen Offiziers. Er war immer sehr korrekt und berherrscht, außer wenn Lieutenant Bernadetti ihn ärgerte. Der Italo-Amerikaner war Waffenoffizier an Bord und ein lockerer Charakter. Er kam aus den Slums von New York und hatte sich bis zur Marineakademie Annapolis vorgearbeitet. Seine Fähigkeiten waren unbestritten, aber seine Dienstauffassung ließ hin und wieder zu wünschen übrig. Er war ein ausgesprochener Frauenheld und war schon des häufigeren in brenzlige Situationen geraten, als er mit den Freundinnen anderer Männer flirtete. Dennoch, ohne Bernadetti wäre die Atmosphäre an Bord der Norfolk lange nicht so gut.
"Haben wir bereits die Einsatzorder?" fragte der Chief.
Hamilton schüttelte den Kopf: "Nein, noch nicht. Wir halten Kurs 032 bis morgen früh, dann sollten wir die Befehle erhalten."
"Haben sie sich in Aberdeen gut amüsiert, Andrew?" wollte Wilson wissen. Er nannte Hamilton in Anwesenheit von Crewmitgliedern oder wenn er etwas Dienstliches mit ihm besprach stets "Skipper", "Sir" oder "Commander". Nur wenn es um private Dinge ging sprach er ihn mit dem Vornamen an.
Kurz lächelte der Kommandant: "Es geht so, Ted. Aber sie wissen, ich brauche das nicht mehr so wie früher."
"Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine ist." zitierte Wilson die Bibel. Er lachte.
"Sie sollten Celine mal wieder schreiben, Andrew. Ich glaube, sie liebt sie immer noch."
Auch Wilson kannte Hamilton´s Ex-Freundin. Er war nach der Trennung derjenige gewesen der ihn ermunterte, den Kontakt aufrecht zu erhalten.
Hamilton trank seine Tasse aus und murmelte: "Vielleicht."
Der Chief erhob sich und stellte die Tasse auf dem Tisch ab.
"Ich gehe in die Kommandozentrale zurück." sagte er knapp und verließ die Kabine.
Es war schon gegen Spätnachmittag, als Hamilton frisch geduscht die Kommandozentrale betrat. Wie immer war das Licht etwas gedämpft, die Crew hochkonzentriert. Auch Chief Wilson befand sich an seiner Station.
"Übernehme das Kommando." sagte Hamilton knapp und trat an den Kartentisch heran.
Bernadetti, der augenblicklich ranghöchste Offizier, nickte sofort: "Kommandant übernimmt das Kommando."
"Bericht, Mister Bernadetti." forderte er den Waffenoffizier auf.
"Tiefe 150 Fuß, Sir. Wir machen 20 Knoten, Kurs 032." berichtete er.
Hamilton warf einen knappen Blick auf die Seekarte. Die Position der Norfolk war circa 115 Seemeilen nördlich der Orkney-Inseln vermerkt.
Der Skipper nahm das Bordtelefon ab: "Brücke an Sonar, irgendwelche Kontakte?"
"Keine Kontakte, Sir." meldete der Sonaroperator, Petty Officer McTalbot.
Er blickte Wilson kurz an. "COB,auf Periskoptiefe gehen."
"Aye,Sir. Vorderes Tiefenruder auf Aufwärtsstellung, steigen mit fünf Grad."
Langsam, kaum merklich, hob sich der Bug des Bootes. Der über dem Steuer installierte Tiefemesser glitt langsam auf 78 Fuß.
"Seerohrtiefe erreicht, Skipper." meldete Wilson gewissenhaft.
Der Kommandant nickte und trat an das Periskop. Mit einem Wink bedeutete er, es auszufahren. Es glitt aus seiner Ruhestellung. Hamilton blickte hindurch. Das Wetter hatte umgeschlagen, es regnete heftig und der Seegang war stark. Mit einem Knopfdruck schaltete er den Bildverstärker ein, um bessere Sicht zu haben.
"Brücke an Funkraum, empfangen sie Einsatzorder?" fragte er nach.
Die Antwort kam sofort: "Nein, Sir." Ein kurzes Knacken war zu hören, dann meldete sich der Funkoffizier wieder: "Sir, wir erhalten eine Transmission vom Atlantik-Kommando, COMSUBLANT. Es ist dringend."
"Verstanden." Hamilton hängte das Bordtelefon wieder ein.
"Seerohr einfahren." sagte er. "Mister Bernadetti, sie übernehmen das Kommando. Ich bin im Funkraum."
Bernadetti nickte:"Übernehme das Kommando."
Als Hamilton in den Kontrollraum zurückkehrte, war der 1.Offizier Rayburn schon da. Er lehnte am Seekartentisch und sah den Skipper interessiert an.
"Sir, was ist denn so wichtig?" Rayburn zog seine Kappe tief in sein wettergegerbtes Gesicht hinunter. Sie trug die Aufschrift "U.S.S. Norfolk, SSN-779." Viele
Crewmitglieder trugen eine derartige Kappe, aber Rayburn trug sie fast immer.
Hamilton hielt ihm die Funknachricht hin: "Das werden sie nicht glauben, Jeff."
"So?" wunderte er sich und las. Dann veränderte sich seine Miene. Sie wurde ernster.
"Das ist doch wohl ein Witz! Hier steht, dass wir noch den neuen Sonaroffizier aufnehmen sollen. Jetzt!"
Hamilton deutete auf das Papier: "Lesen sie mal den Namen."
"Ensign Daniela Rogers?" Rayburn hob schmunzelnd das Gesicht. "Eine Frau?"
Hamilton nickte: "So ist es. Wirklich toll." Er ließ seinen Blick wandern.
"Mir hätte McTalbot als Sonaroperator gereicht." fügte er düster hinzu.
"COB, ändern sie Kurs auf 076. Maschine AK voraus." befahl er.
Wilson nickte und legte Steuermann Bertrand die Hand auf die rechte Schulter.
"Ruder hart steuerbord, auf 076 Grad gehen. Maschine AK." sagte er ruhig.
Hamilton blickte Rayburn an: "Sorgen sie für ein Quartier, Jeff."
"Aye, Skipper." antwortete der 1.Offizier mit offensichtlicher Lustlosigkeit.
Der Kommandant blickte Navigator Anderson an.
"Welche Position, Mister Anderson?" fragte er knapp.
Die Antwort kam prompt: "Wir sind bei derzeitiger Geschwindigkeit sechs Minuten vom vereinbarten Rendevouzpunkt entfernt, Sir."
"Auftauchen,alle Ballasttanks ausblasen." befahl er.
Wilson nickte: "Aye, Sir.Anblasen vorne und achtern, auftauchen."
Die Norfolk stieg langsam, aber merklich. Der Tiefenmesser glitt auf 0 Fuß.
"Jeff, lassen sie die Brücke besetzen." nickte er dem 1.Offizier zu.
Rayburn deutete auf drei Seeleute: "Watkins, Miller und Barnes, gehen sie rauf."
"Wer von ihnen hat Erfahrung mit Hubschraubertransfers?" fragte Hamilton.
Lieutenant Jones, der Fernmeldeoffizier, hob die Hand: "Ich habe das schonmal gemacht, Sir."
"Kommen sie mit." sagte Hamilton und bestieg die Leiter, die zur offenen Brücke führte.
Der Kommandant hatte sich ein Fernglas genommen und suchte angestrengt den Himmel nach dem Hubschrauber ab, der Ensign Rogers bringen würde.
Es war noch nichts zu sehen. Ein knapper Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass es 14.30 Uhr war. Das Treffen war für diese Zeit geplant.
"Ich sehe einen Hubschrauber in Richtung 122 Grad, Sir." meldete Seaman Watkins.
Hamilton drehte sich herum und erkannte ebenfalls, dass sich ein Helikopter näherte.
"Kommandant an COB: Stoppen sie die Maschinen, Ruder mittschiffs."
Wilson bestätigte: "Aye, Sir. Ruder mittschiffs, Maschinen sind gestoppt."
"Barnes, setzen sie die Positionsleuchte." ordnete Hamilton an.
Der Matrose, der auf der erhöhten achteren Sektion der Brücke stand, nickte nur. Er schaltete das grelle Positionslicht ein, das dem Helikopterpilot helfen sollte, die Person genau auf der Brücke abzusetzen.
"Er nähert sich, Sir." meinte Jones. Er hatte einen Fangstab dabei, mit dem er das Kabel, an der die Person zum Boot heruntergelassen wurde, greifen konnte.
Hamilton nickte ihm zu: "Legen sie los,Mister Jones."
Der Offizier stieg auf die Brüstung der Brücke. Seaman Miller hielt ihn fest, damit er nicht abrutschen konnte. Obwohl die See ruhiger geworden war, schwankte die Norfolk immer noch sehr.
Jones war voll konzentriert. Der Hubschrauber hatte eine Schwebeposition über dem Boot eingenommen. Man konnte erkennen, dass eine Person sich abseilte. Ganz langsam näherte sie sich der Brücke.
"Vorsichtig jetzt." dachte sich Hamilton. Die Person an dem Kabel wurde vom Wind hin- und hergerissen. Es war nicht einfach, sie direkt über die Brücke zu bringen.
Jones starrte einzig und alleine auf die Person. Er hatte den Fangstab erhoben. Nur noch wenige Meter trennten sie vom Turm des Bootes. Dann war es soweit. Sie war in Reichweite. Jones musste versuchen, das Kabel zu erwischen, ohne die Person daran zu verletzen. Der erste Anlauf scheiterte. Jones verfehlte das Kabel und mußte sich ducken, um nicht heruntergestoßen zu werden. Doch beim zweiten Mal klappte es. Jones erwischte das Kabel und zog die Person herunter. Der Pilot des Hubschraubers hatte das gesehen und ging tiefer. Hamilton packte mit zu und klinkte das Kabel aus. Dann gab Barnes dem Piloten einer Signalpistole das Zeichen, dass die Person sicher an Bord war. Der Hubschrauber drehte ab.
Die Person war ein Frau, etwas älter als zwanzig. Sie hatte kurze schwarze Haare und bemerkenswerte braune Augen, wie Hamilton fast sofort auffiel.
"Ensign Daniela Rogers meldet sich an Bord, Sir." sagte sie. Dabei lächelte sie etwas.
Hamilton verzog keine Miene: "Commander Andrew Hamilton. Kommen sie mit unter Deck, Ensign. Sie wollen sich sicherlich umziehen."
Rayburn hatte der jungen Frau eine Einzelkoje vor der Funkkabine besorgt. Hamilton hatte es sich nicht nehmen lassen, sie persönlich hinzuführen. Nun betrachtete sie mehr oder weniger kritisch ihre Schlafstätte.
"Sagen sie Ensign, ihr wievielter Einsatz ist dies?" fragte Hamilton.
Rogers legte ihren Seesack auf das Bett und erwiderte: "Mein erster, Sir."
"Bestens." gab Hamilton zurück. "In einer halben Stunde treffen wir uns in der Offiziersmesse. Dann lernen sie den Rest der Offiziere kennen."
Rogers nickte: "Ja natürlich, Sir."
Alle Führungsoffiziere der Norfolk waren bereits in der kleinen Offiziersmesse versammelt. Nur Daniela Rogers fehlte noch.
"Wo bleibt denn unser Sonaroffizier?" fragte Rayburn genervt.
Wie auf Befehl öffnete sich die Tür und sie betrat den Raum. Sie hatte die beige Arbeitsuniform an, die an Bord normalerweise getragen wurde.
"Entschuldigen sie meine Verspätung, Gentlemen." sagte sie und lächelte.
Hamilton nickte: "Schon gut, Ensign."
"Meine Herren, das hier ist Ensign Daniela Rogers." stellte er sie vor.
Er deutete auf Rayburn: "Mein 1.Offizier, Lieutenant Commander Rayburn."
Die beiden schüttelten sich die Hand. Hamilton spürte deutlich, dass sein Stellvertreter Vorbehalte gegen die junge Frau hatte.
"Navigationsoffizier Lieutenant Neil Anderson, Waffenoffizier Mario Bernadetti."
Die beiden jüngeren Offiziere begrüßten Rogers sehr freundlich. Besonders der Italo-Amerikaner fand offenbar Gefallen an ihr.
"Doctor Frank Standley." sagte er mit einer Handbewegung.
Der medizinische Offizier war der Norfolk-Crew erst vor kurzem zugeteilt worden, aber hatte sich schnell eingelebt. Er war ein recht ruhiger Charakter, konnte sich aber gut mit den Leuten über verschiedenste Themen unterhalten.
"Leider kann Master Chief Ted Wilson der Unterredung nicht beiwohnen. Er ist der Chief of the Boat. Seine Meinung ist sehr wichtig für mich." fügte Hamilton hinzu.
Rayburn musterte Rogers und fragte: "Wie lange sind sie schon fertiger Offizier?"
"Seit zwei Monaten, Sir." erwiderte sie knapp.
Hamilton sah seinem 1.Offizier an, dass ihn diese Tatsache nicht überraschte. Auch er selbst war der jungen Frau gegenüber skeptisch eingestellt, dass gestand er sich ein.
"Nun, wir alle haben mal angefangen." bemerkte Bernadetti mit unschuldiger Miene.
Hamilton blickte Rogers an: "Der eigentliche Sonaroperator ist Petty Officer McTalbot. Er wird sie in alles einweisen, Ensign. Haben sie noch Fragen?"
Sie schüttelte den Kopf: "Nein, Sir."
"Dann wäre das alles. Alles zurück auf die Stationen." ordnete der Captain an.
Mit einem Wink bedeutete er Rayburn zu bleiben. Die restlichen Offiziere verließen den Raum rasch.
"Was halten sie von Rogers?" fragte Hamilton, als die Tür in´s Schloss gefallen war.
Der 1.Offizier rieb sich das Kinn, unschlüssig, was er sagen sollte.
"Skipper, ich will ganz ehrlich sein. Ich lebe nach der alten Seemannstradition, dass Frauen an Bord Unglück bringen. Darüber hinaus ist sie mir zu unerfahren."
Der Kommandant nickte langsam.
"Sie haben sicherlich recht, Jeff. Aber geben wir ihr etwas Zeit. Ich werde den Chief auf sie ansetzen. Von ihm kann sie einiges lernen. Bei mir war es jedenfalls so."
"Gute Idee, Sir. Der COB wird sie auf Zack bringen." meinte Rayburn zustimmend.
"Also, lassen wir uns mit der Beurteilung noch etwas Zeit, Jeff. Es wartet auch noch andere Arbeit auf uns. Gehen wir auf die Brücke." schloss Hamilton das Gespräch.
Der Sonarraum der Norfolk war relativ klein, etwa drei mal zwei Meter. Es befanden sich zwei Sessel und ein Kontrollpult darin, welches die gesamte vordere und seitliche Wand ausfüllte.
Ian McTalbot saß im rechten Sessel und analysierte die Sonarkontakte der letzen Stunde. Das war eine reine Routineaufgabe, die er schon hunderte Male gemacht hatte. Plötzlich hörte er Schritte und richtete seinen Blick zum Eingang. Er sah eine junge Frau,die die Rangabzeichen eines Ensigns trug und ihn aufmerksam anstarrte.
"Sind sie Petty Officer McTalbot?" fragte sie vorsichtig.
Er nickte: "Ja, Mam."
Die junge Frau streckte ihm ihre Hand hin und nickte:"Daniela Rogers, der neue Sonaroffizier. Freut mich."
McTalbot erhob sich rasch: "Willkommen an Bord, Mam."
"Der Skipper sagte mir, sie weisen mich in die Sonarausrüstung ein." stellte sie fest, während sie sich in den linken Sessel setzte.
Der Matrose sah sie etwas irritiert an, nickte aber schließlich.
"Natürlich. Sind sie mit dem System vertraut?"
Sofort schüttelte sie den Kopf: "Wir hatten auf der Akademie leider nicht dieses neue System , Mister McTalbot."
McTalbot ließ sich wieder in seinen Sessel sinken.
"Dann erkläre ich es ihnen rasch, Mam." meinte er.
Sie sah ihn an. Dann lächelte sie knapp.
"Sie müssen mich nicht Mam nennen. Ich heiße Daniela. Leute, die mich kennen, nennen mich Danny." erläuterte sie ihre Reaktion.
McTalbot zuckte knapp mit den Schultern: "Wie sie wünschen. Ian."
Man hörte wiederrum Schritte, dann erschien Chief Wilson. Er nickte McTalbot zu.
"Ian, lassen sie uns bitte einen Augenblick alleine." forderte er ihn knapp auf.
Der junge Matrose erhob sich sofort: "Natürlich, COB."
Wilson setzte sich ganz selbstverständlich auf den zweiten Platz. Er schaute Rogers intensiv an.
"Ich bin Master Chief Ted Wilson, der Chief of the Boat. Der Skipper meinte, ich könnte ihnen etwas weiterhelfen." meinte er.
Rogers erwiderte leicht ironisch: "Dann erklären sie mir das Sonar, Chief?"
Diese Antwort hätte normalerweise gereicht, um ihn auf die Palme zu bringen. Niemand an Bord sprach in einem derartigen Tonfall mit ihm.
Dennoch verkniff er sich eine heftige Erwiderung.
"Nein, das ist nicht mein Spezialgebiet. Ich bin zuständig für die Ausbildung und Führung der Crew. Dazu wollte ich ihnen kurz etwas sagen, Ensign."
Sie versuchte, interessiert zu wirken, aber Wilson sah deutlich, dass sie es nicht kümmerte, was er zu sagen hatte.
"Sie sind Offizier. Als solcher sollten sie der Crew Respekt gegenüber ihnen einflößen. Das erreicht man nicht gerade dadurch, dass man ihnen anbietet, dass sie sie mit ihrem Spitznamen anreden kann." sagte er ernst.
Die junge Frau schüttelte leicht den Kopf: "Ich stimme ihnen nicht zu, Chief. Ich persönlich halte nicht viel von einer streng militärischen Führung. Eine Führung, die sich auf gegenseitiges Vertrauen aufbaut, halte ich für besser."
"Miss Rogers, der Kommandant dieses Bootes genießt das Vertrauen der gesamten Crew, und er ist nicht per Du mit einem einzigen an Bord." sagte er eine Spur schärfer.
Sie gab zur Antwort: "Sie haben eben erwähnt, dass ich Offizier bin. Als solcher bin ich ihnen überstellt, Chief."
"Sie haben die Kommandokette an Bord eines U-Bootes offenbar noch nicht kennengelernt, Ensign. Sonst wüssten sie, dass der COB direkt hinter dem 1.Offizier kommt. So ist es auf jedem Boot in der Navy. Auch auf diesem. Sollten sie sich nicht dem fügen, so sind ihre Tage als U-Boot-Fahrer gezählt."
Er erhob sich rasch. "Mit ihrer Erlaubnis,Mam." fügte er spöttisch hinzu. Dann verschwand er mit einem wütenden Gesichtsausdruck.
"Übernehme das Kommando."
Hamilton betrat den Kontrollraum und nickte dem wachhabenden Offizier, Lieutenant Bertani, kurz zu.
"Kommandant übernimmt das Kommando." erwiderte dieser und verließ die Position beim Periskop. Dieses Podest war der Posten des Captains, wenn dieser anwesend war.
"COB, gehen sie auf Kurs null zwo vier Grad." befahl Hamilton.
Wilson bestätigte knapp: "Aye,Sir." Dann ließ er die Kurskorrektur ausführen.
Mittlerweile hatte auch der 1.Offizier den Kontrollraum betreten. Er sah, dass sein Skipper einen Papierbogen in der Hand hielt. Er wusste,das war der Einsatzbefehl. Denn wie so oft war Hamilton´s Gesicht stark angespannt und das war nur dann der Fall, wenn er die endgültigen Einsatzbefehle erhalten hatte.
"Skipper?" fragte er kurz.
Hamilton nickte: "Wir haben sie, Jeff. Wir müssen entlang des Nansenrückens und dann in die ostsibirische See. Anlaufhafen ist Barrow."
"Das wird den Jungs nicht besonders gefallen, Sir." entgegnete sein 1.Offizier.
Hamilton erwiderte nichts und wandte sich den Befehlen zu. Auch er wusste, dass der Militärstützpunkt Barrow in Alaska nicht gerade der Lieblingseinlaufhafen der Crew war. Aber die Order war eindeutig.
"Chief, beide Maschinen volle Kraft voraus." ordnete er an.
Das gemeinsame Mittagessen der Offiziere war eine Einrichtung, die Hamilton sehr schätzte. Er mochte es, wenn er seine Offiziere zusammen hatte. So konnte man nochmals über dies und jenes reden, was sich ereignet hatte.
Der Koch hatte ein Lammkotlett zubereitet. Er musste sich eingestehen, dass derartige Menüs selten an Bord vorkamen. Obwohl sich die Küchenmannschaft alle Mühe gab, die Crewmitglieder zufriedenzustellen.
Neben seinem 1.Offizier Rayburn saßen auch Navigator Anderson, Waffenoffizier Bernadetti, Doctor Standley und Ensign Rogers am Tisch. Dazu noch die restlichen sieben anderen Offiziere des Bootes. Funkoffizier Lieutenant Jones, Chefingenieur Lieutenant McBright und Versorgungsoffizier Lieutenant Saunders. Außerdem waren noch die Lieutenants Bertani und Stewart sowie die Ensigns Pauls und Norton anwesend.
"Wie sieht es mit den Antrieb aus, Mister McBright?" fragte Hamilton.
Der stämmige Ingenieur antwortete: "Die Generalüberholung in New London war dringend erforderlich, Skipper. Wir hätten ansonsten mit den Brennelementen und der Kupplung Schwierigkeiten bekommen. Auf See wäre das schwierig zu beheben gewesen."
"Das hätten sie doch aber noch hingekriegt, oder, Jack?" fragte Bernadetti provokant.
McBright blickte ihn finster an: "Kümmern sie sich lieber um ihre Waffensysteme, Mario. Den Antrieb lassen sie mal meine Sorge sein."
Hamilton wandte seinen Blick seinem Waffenoffizier zu: "Weil sie gerade die Waffensysteme ansprechen: Ist die Störung am Torpedorohr 3 behoben worden?"
Bernadetti nickte: "Ja, Sir. Lieutenant Bertani hat die Reparaturen beaufsichtigt."
Eine kurze Phase des Schweigens folgte. Urplötzlich wandte sich Bernadetti an Rogers.
"Sagen sie,haben sie sich schon eingelebt an Bord?"
Die junge Frau erwiderte knapp: "Etwas, Lieutenant."
Zum wiederholten Male bemerkte Hamilton, dass sie Neil Anderson ansah. Die Art und Weise wie sie das tat, machte ihn stutzig.
Das Klopfen an der Kabinentüre ließ Hamilton aufhorchen.
"Ja, herein!" rief er sofort.
Die Türe öffnete sich und Chief Wilson betrat die Offiziersmesse. Er nickte den Anwesenden knapp zu und wandte sich an Hamilton.
"Skipper, entschuldigen sie, dass ich beim Essen störe."
Hamilton hob die Hand: "Macht nichts, Chief. Was gibt es?"
"Die Männer wollen eine kleine Feier im Gemeinschaftsraum organisieren. Ich wollte sie um ihre Zustimmung bitten."
Der Kommandant lehnte sich zurück und rieb sich das Kinn.
"Gut, Chief. Aber lassen sie nochmal die deutliche Warnung los, dass Alkohol streng verboten ist. Klar?"
Der Bootsmann nickte: "Aye, Sir."
Er wandte sich zum Gehen. "Und Skipper: Danke." fügte er hinzu.
Er blickte seine Offiziere an. "Eine gute Abwechslung, oder?" fragte er sie.
Bernadetti war der Erste, der nickte: "Absolut, Commander."
"Das hätte ich mir denken können, Mario.Sie sind überall dabei, wo es was zu feiern gibt." schmunzelte Hamilton.
Sein Gesichtausdruck wurde ernst: "Trotz allem gibt es etwas, was es zu bedenken gilt: Ich brauche einen wachhabenden Offizier für die Zeit."
Er wollte niemanden benennen, sondern hoffte auf die Einsicht seiner Untergebenen.
Anderson hob die Hand: "Ich würde das übernehmen, Sir."
"Danke, Mister Anderson." nickte Hamilton ihm zu.
"Noch eine Sache, Ensign Rogers."
Die junge Frau hob den Kopf: "SIR?"
"Melden sie sich bitte anschließend sofort bei Mister McTalbot. Er wird die Einweisung bezüglich des Sonars durchführen. Verstanden?" befahl er.
Sie nickte: "Ja, Sir."
"Lassen wir uns erst das vorzügliche Essen schmecken. Bitte, langen sie zu."
McTalbot war bereits im Sonarraum der Norfolk, als Rogers nachkam.
"Ian, der Skipper sagte mir, ich solle mich bei ihnen melden." sagte sie kurz und ließ sich in den freien Konsolensessel neben McTalbot sinken.
Der Matrose nickte: "Richtig."
"Die Norfolk verfügt über eine Sonareinheit im Bug des Bootes. Es ist ein sowohl aktives wie auch passives Sonar, mit einer Leistung von etwa 75000 Watt Strahlungsintensität. Am Außenbereich des Bugs haben wir das Conformal-Sonar, ein ausschließlich passiv arbeitendes System." erklärte er.
Danny hatte aufmerksam zugehört: "Das ist mir schon bekannt. Was noch?"
"Dazu wollte ich gerade kommen: Die Hauptsonareinheit im Bug verfügt noch über eine Hochfrequenzeinheit, die sowohl weiterentwickelte Wellenformen ausmachen kann sowie auch bei der Minendedektion und Untereisfahrten nützlich ist."
"Das wußte ich noch nicht, Ian. Erzählen sie weiter." forderte Danny.
McTalbot lehnte sich in seinem Sessel zurück. Es war offensichtlich, dass er Gefallen daran fand, ihr die Eigenheiten des Sonarsystems zu erläutern.
Auf einmal ertönte ein Warnton und ein rotes Signal blinkte über dem Monitor.
Sofort hatte McTalbot den Kopfhörer übergeworfen und die Hände an der Tastatur.
"Was ist?" fragte Danny.
McTalbot hob abwehrend die Hand. Er war voll auf den Monitor und auf das, was ihm die Horchgeräte des Bootes sagten,konzentriert.
"Sonar an Brücke, neuer Kontakt. Sierra 1, Peilung 035." meldete er an den Kontrollraum.
Hamilton hatte zu der Zeit das Kommando. Er griff sich das Mikrofon der Bordsprechanlage.
"Was haben sie, Mister McTalbot?" fragte er.
"Geräuschkontakt auf null drei fünf, Sir. Noch nicht identifiziert." erwiderte der Matrose.
Hamilton nickte Wilson zu: "Auf Schleichfahrt, Chief. Kurs beibehalten."
"Aye, Sir." nickte dieser und ließ das Boot verlangsamen.
"Brücke an Sonar: Versuchen sie den Kontakt zu identifizieren." ordnete Hamilton an.
McTalbot bestätigte: "Zu Befehl."
Der Kontrollschirm des Sonars zeigte eine langezogene, weisse Linie. Dies zeigte einen nahen Geräuschkontakt an. Fieberhaft versuchte McTalbot, eine eindeutige Identifizierung des Kontakts zu erhalten.
"Kann ich ihnen helfen?" fragte Danny.
"Ja. Beobachten sie diesen Schirm und prüfen sie, ob der Kontakt seinen Kurs oder seine Tiefe ändert. Wenn ja, sofort Meldung an den Kommandanten." erwiderte er.
Er schnippte mit den Fingern: "Er ist uns ziemlich nahe. Etwa 10000 Yards."
"Hat er uns noch nicht bemerkt?" Danny wandte ihren Blick nicht vom Monitor ab.
Der Matrose zuckte mit den Schultern: "Wenn ja, dann unternimmt er nichts."
"Könnte es nicht ein befreundetes Boot sein?" wollte sie wissen.
"Kaum. Wir sind das einzige SSN in dieser Gegend. Auch die N.A.T.O.-Partnerstaaten entsenden keine Boote in unser Jagdrevier." gab er zur Antwort.
Seine Miene würde düster: "Das ist vermutlich ein russisches Boot."
Ein weiteres Signal ertönte.McTalbot nickte nur erfreut. "Ich habe ihn."
"Sie haben was?" fragte Danny irritiert.
McTalbot antwortete nicht, sondern meldete: "Sonar an Brücke: Kontakt identifiziert."
"Was ist es,Mister McTalbot?" fragte Hamilton sofort.
"Sir,der Geräuschkontakt ist eine russische Akula-Klasse, Jagd-U-Boot." erwiderte er.
"Verstanden." bestätigte Hamilton und hängte das Mikro in die Halterung zurück.
"Er ist uns recht nahe, Skipper. Sollen wir nicht..." fragte Rayburn.
Ein Kopfschütteln war die Antwort seines Kommandanten. Er wusste, sein 1.Offizier wollte etwas Katz und Maus mit den Russen spielen. Aber er hielt nichts von diesen Aktionen.
"Halten sie im Logbuch das Zusammentreffen fest ,Jeff. Das Sonar soll ihn noch so lange verfolgen, wie dies möglich ist." befahl er.
Rayburn nickte: "Aye, Commander."
"COB, gehen sie auf Tauchtiefe 450 Fuß. Zehn Grad vorlastig. Beide Maschinen halbe Kraft voraus." ordnete Hamilton knapp an.
Wilson legte seine Hand auf die Schulter des Steuermanns: "Wie sie wünschen. Auf Tiefe vier fünf null Fuß, zehn Grad vorlastig. Maschinen halbe Kraft voraus."
"Übernehmen sie das Kommando, ich bin im Sonarraum." sagte Hamilton.
Rayburn nickte: "Aye, Sir."
McTalbot deutete wiederrum auf den Sonarbildschirm, auf dem die Linie immer noch leicht zu sehen war.
„Sir, das andere Boot läuft nach Nordosten ab. Er will in´s Nordpolarmeer, genau wie wir. Ungewöhnlich für einen russischen Jäger.“ meinte er bestimmt.
Hamilton stützte sich an der Armlehne des Konsolensessels ab. Auch er war McTalbot´s Meinung. Aber was hatte der Russe vor?
„Was schätzen sie, welche Geschwindigkeit läuft er?“ fragte er knapp.
McTalbot zuckte mit den Schultern: “Etwa zwanzig Knoten, Skipper.“
„Gut.“ sagte Hamilton und griff sich das Mikrofon der Bordsprechanlage.
„Kommandant an Brücke: Geschwindigkeit erhöhen auf 28 Knoten, Kurs 028.“
Rayburn bestätigte: “Aye, Sir.“
„Verfolgen sie den Russen. Aber achten sie darauf, dass wir ausreichend Abstand
halten.“ befahl Hamilton.
Der 1.Offizier zog seine Kappe tiefer in sein Gesicht.
„Umdrehungen für 28 Knoten, nach Steuerbord auf Kurs null zwo acht.“ ordnete er an.
Chief Wilson nickte: “Zu Befehl.“
Bernadetti gesellte sich zu Rayburn. An dem Gesichtausdruck des Waffenoffiziers erkannte der 1.Offizier, dass er vor Neugier platzte.
„Warum hat der Skipper seine Meinung über den Russen geändert?“
Rayburn verzog keine Miene: “Ich weiss es nicht. Vielleicht hat ihn die Richtungsänderung stutzig gemacht. Immerhin wollten die Russen ihre Flottenaktivitäten in der arktischen Region einstellen. Und was soll dann da ausgerechnet ein Jagd-U-Boot?“
„Ich finde das auch seltsam.Aber...“
Im selben Moment, als Bernadetti etwas erwidern wollten, betrat Hamilton wieder die Zentrale. Er hielt sofort auf seinen Stellvertreter zu.
Bernadetti zog es vor, sich auf seine Station zu begeben.
„Übernehme das Kommando.“ sagte Hamilton.
Rayburn nickte bestätigend: “Kommandant übernimmt das Kommando.“
„Jeff, ich will wissen, was dieser Russe vorhat.“ flüsterte er ihm eindeutig zu.
„Natürlich, Sir. Ganz meine Meinung.“ gab er zur Antwort.
Mehrere Stunden hing die Norfolk wie eine Klette an dem russischen Akula. Jede Richtungsänderung machte sie exakt mit. Der Gegner schien sie nicht zu bemerken, oder ihm war einfach nicht bange, daß ein amerikanisches Jagd-U-Boot an seinem Heck hing.
Die Anspannung in der Zentrale wuchs von Minute zu Minute. Egal wie oft die Crew derartige Manöver bereits gefahren hatte, es war jedesmal wieder neu.
Hamilton ließ seine Anspannung nicht nach außen durchblicken. Der Russe wich vom Protokoll ab, welches sie normalerweise befolgen. Üblicherweise fuhr kein russischer Jäger ins Nordpolarmeer. Zumindest nicht dann, wenn er zuvor eindeutig südlich von Spitzbergen gewesen war. Das hieß nämlich, dass er von seiner Basis in Murmansk einen südwestlichen Kurs Richtung Island gelaufen war. Warum sollte er dann noch nach Norden abdrehen? Von Murmansk aus konnte er direkt in nordwestlicher Richtung ins Nordpolarmeer, ohne die Gefahr, auf N.A.T.O.-U-Boote zu treffen auf sich zu nehmen.
„Brücke an Sonar, was macht das Akula?“
„Skipper, er läuft weiterhin Kurs null zwo acht. Geschwindigkeit zwanzig Knoten.“
Der Kommandant hängte den Hörer der Bordsprechanlage wieder ein. Dieser Russe, da war irgendetwas merwürdig. Unter normalen Umständen würde er in unregelmäßigen Abständen ein Ausweichmanöver, genannt „Irrer Ivan“ fahren. Dabei scherte er plötzlich hart nach back- oder steuerbord weg um zu erkennen, ob jemand im achteren Sektor folgt. Aber dieses Akula tat dies nicht.
„Sir,was denken sie?“ fragte Rayburn leise.
Hamilton lehnte sich an das Angriffsperiskop.
„Jeff, ich bin der Ansicht, dass dieser Russe gewaltig aus dem Plan fällt.“ meinte er.
Sein 1.Offizier schaute verständnislos drein: “Wie meinen sie das?“
„Na, er dreht von Murmansk Richtung Südwesten ab, geht nach Spitzbergen wieder auf Nordkurs. Warum?“
„Vielleicht eine Anweisung vom Flottenkommando, Sir?“ erwiderte Rayburn.
Hamilton lächelte kurz: “Trotzdem: WARUM, Jeff?“
„Ich weiss es nicht, Sir.“ gab er schließlich zu.
„Halten wir die Verfolgung noch etwas aufrecht, Jeff.“ schloss Hamilton das Gespräch.
Es war etwa eine halbe Stunde später. Gerade eben hatte sich Hamilton eine Tasse Kaffee geholt und seinen Posten wieder eingenommen, da ertönte die Meldung aus dem Lautsprecher: “Sonar an Brücke, Geräuschkontakt verloren!“
Hastig stellte der Skipper die Tasse auf dem Plottisch ab und griff sich das Mikrofon.
„Brücke an Sonar, berichten sie!“ ordnete er an.
„Sir, vor einer Minute hatte ich ihn noch vor unserem Bug, dann war er verschwunden.“
Hamilton fragte: “Kann es sein, dass er eine auftretende thermale Schicht ausgenutzt hat und weggetaucht ist?“
„Möglich, Sir.“ meinte McTalbot bedauernd.
„Verstanden.“ erwiderte Hamilton und hängte das Mikro wieder ein.
Rayburn kam zu seinen Kommandanten.
„Was sollen wir nun tun,Skipper?“
Er entgegnete: “Wir können nichts tun, Jeff. Außer unseren Auftrag weiterverfolgen.“
„COB, gehen sie wieder auf alten Kurs. Geschwindigkeit volle Kraft voraus.“
Wilson nickte: “Aye, Sir.“
Die Musik aus dem Gemeinschaftsraum war noch in der Zentrale zu hören. Die meisten Crewmitglieder, die zu der Zeit Dienst hatten, ärgerten sich beinahe schwarz darüber, dass sie Schicht hatten, während die anderen feierten.
Derjenige, der dies wenigstens nicht offen zur Schau trug, war Lieutenant Neil Anderson. Er hatte sich aber auch freiwillig gemeldet. Er war nicht so der Partytyp und nutzte diese Zeit lieber dafür, Erfahrung als Offizier der Wache zu sammeln.
„Guten Abend, Lieutenant.“
Anderson drehte sich verblüfft um, als er eine weibliche Stimme hörte. Es war Danny Rogers.
Er lächelte knapp,so gut er konnte. „Guten Abend, Ensign“
„Ist es ihnen nicht langweilig?“ fragte sie.
Er zuckte mit den Schultern: “Etwas. Aber ich komme schon klar.“
„Ich finde es bewundernswert, sich freiwillig für so eine Schicht zu melden.“ sagte sie.
„Nein, ist es eigentlich nicht. Wäre ich auf dieser Feier, dann würde ich mich doch nur mit Lieutenant Bernadetti rumschlagen müssen. So habe ich meine Ruhe.“
Sie seufzte tief.
„Was haben sie denn?“ fragte er daraufhin.
„Komisch, dass sie Lieutenant Bernadetti ansprechen. Vor ihm bin ich eigentlich geflüchtet, Lieutenant.“ gestand sie.
Anderson lachte knapp: “Er hat sie nicht in Ruhe gelassen, oder?“
„So ist es, Sir.“ nickte sie.
Der Navigator schmunzelte etwas. Danny Rogers irritierte das.
„Was ist?“ fragte sie neugierig.
Anderson hob entschuldigend beide Hände: “Tut mir leid, aber das war mir klar.“
„Erklären sie mir das bitte, Lieutenant.“ bat sie.
Er trat etwas auf sie zu und sprach leiser.
„Nun, sie sind eine sehr attraktive Frau, Miss Rogers. Und Lieutenant Bernadetti ist bei uns an Bord nun mal als Frauenliebhaber verrufen. Deswegen.“ Er lächelte knapp.
Sie schaute verlegen zu Boden, dann erwiderte sie sein Lächeln.
„Dann danke ich ihnen,daß sie mich gewarnt haben.“ sagte sie.
Anderson nickte: “Keine Ursache. Ich freue mich ja auch über etwas Abwechslung.“
Interessiert musterte sie den Navigator. Er sah gut aus, das war keine Frage. Aber da war noch etwas anderes. Er war bescheiden, höflich. Das machte ihn ungeheuer charmant.
Trotzdem, es war Zeit,zu gehen. Sie wollte nicht so erscheinen, als biedere sie sich an. Das hatte sie noch nie nötig gehabt.
„Gute Nacht, Lieutenant.“ verabschiedete sie sich.
„Schlafen sie gut, Miss Rogers.“ wünschte Anderson.
Der Geruch von frischem Kaffee durchzog die Operationszentrale, als Rayburn um 7.00 Uhr kam, um seine Schicht zu übernehmen.
„Guten Morgen, Lieutenant.“ begrüßte er den wachhabenden Offizier, Neil Anderson.
Dieser nickte dem 1.Offizier zu: “Guten Morgen, Commander. Haben sie gut
geschlafen?“
Bei jedem anderen hätte Rayburn vermutlich gedacht, er wolle einen Small-Talk abhalten. Aber bei Anderson wusste er, ihn interessierte es wirklich, wie er geschlafen hatte.
„Danke, es ging. Die Feier kam meinem Schlafpensum nicht gerade entgegen.“
Er kratzte sich am Kopf. „Gibt es was zu berichten?“
„Nein, Sir.“ gab er zur Antwort.
Rayburn unterzeichnete am Dienstplan die korrekte Übernahme und nickte Anderson nochmals knapp zu. „Übernehme das Kommando.“
Der „Chief of the Watch“, der ranghöchste Unteroffiziersdienstgrad dieser Schicht, war Chief Petty Officer Collins.Er bestätigte die Übernahme.
„Erster Offizier übernimmt das Kommando.“
Rayburn blickte Collins knapp an: “Kurs?“
„Kurs null zwo acht, Sir. Geschwindigkeit 25 Knoten.“ erwiderte dieser.
Der 1.Offizier blickte auf seine Uhr. Es war exakt 7 Uhr und 3 Minuten. Also exakt noch 45 Minuten bis zur befohlenen Kursänderung. Er lehnte sich an das Periskop.
Lieutenant Oliver Jones saß im Funkraum der Norfolk. Routinemäßig überprüfte er die Kommunikationsberichte der letzten Schicht.
„Sir, haben sie sich das hier angesehen?“
Petty Officer Hartford, der 1.Funkmaat, trat zu ihm heran und deutete auf vier aufeinanderfolgende Übetragungen, alle an denselben Empfänger gerichtet.
Jones las sie kurz durch und meinte: “Seltsam.“
„Ja, Sir. Diese Funksprüche waren alle an ein deutsches U-Boot gerichtet, die U-206.“
Der Funkoffizier murmelte: “Warum antwortet die U-206 nicht?“
„Sir, sollten wir den Skipper informieren?“ fragte Hartford.
Jones schüttelte den Kopf: “Noch nicht. Tragen sie das in´s Kommunikationslogbuch ein. Ich sage es dem Skipper, sobald er aufgestanden ist.“
„Aye, Sir.“ nickte Hartford und machte die Eintragung.
Es war drei Stunden später.Jones wollte gerade seine Schicht beenden, als ihn Hartford aufgeregt anhielt.
„Sir, ich empfange einen dringenden Funkspruch vom Atlantikkommando. An den Captain gerichtet.“ sagte er.
Jones nahm das Blatt mit dem Funkspruch an sich.
„In Ordnung, ich informiere ihn.“ nickte er.
Hamilton war gerade beim Rasieren,als es an seiner Kabinentür klopfte.
Er legte den Rasierer weg und rief:“Herein!“
Die Tür öffnete sich und Lieutenant Jones betrat das Quartier des Kommandanten.
„Guten Morgen,Mister Jones.Was haben sie?“ fragte er sofort.
Jones nickte:“Guten Morgen,Sir.Einen dringenden Funkspruch,persönlich für sie.“
„Gut,geben sie ihn.“ Hamilton´s Neugier war geweckt.
Der Funkoffizier meldete sich ab und verließ die Kabine wieder.
Er öffnete den versiegelten Umschlag.Sofort nach Eintreffen des Funkspruches hatte der 1.Funkmaat ordnungsgemäß versiegelt,so daß nur der Kommandant ihn lesen konnte.
Langsam las er sich die Zeilen durch.Dann legte er den Funkspruch in seinen Tresor.
Es war Zeit,die Norfolk hatte Arbeit.
Rayburn führte noch das Kommando,als Hamilton den Kontrollraum betrat.
„Guten Morgen,Skipper.“ begrüßte ihn der 1.Offizier.
Hamilton trat zu ihm heran und sprach leise.
„Jeff,berufen sie eine Besprechung ein.Wir haben eine Änderung unseres Auftrages.Ein Notfall vielleicht.“
Rayburn nickte sofort:“Ja,Skipper.“
Die Besprechung fand in der Offiziersmesse der Norfolk statt.Außer dem 1.Offizier waren Bernadetti,Anderson,Jones,McBright und Chief Wilson anwesend.
Hamilton saß,wie üblich,am Kopfende des Tisches.Er blickte die Anwesenden der Reihe nach an,sie erwarteten mit Spannung,was der Kommandant zu sagen hatte.
„Meine Herren,vor einer halben Stunde erhielt ich einen Funkspruch vom Atlantikkommando.Wir werden angewiesen,unser gegenwärtigen Auftrag zu verschieben.Die deutsche Marine hat ein U-Boot im Nordpolarmeer,das sich trotz mehrerer Funksprüche nicht gemeldet hat.Wir wurden gebeten,es zu suchen.
Bernadetti meldete sich zu Wort. „Sir,was für einen Auftrag hatte das U-Boot?“
„Es fuhr Manöver,soweit bekannt.Aber was auch immer.Die Bundesrepublik Deutschland ist unser Verbündeter,wir müssen ihnen Hilfe gewähren.Rein schon aufgrund der seemännischen Verbundenheit.“ erwiderte Hamilton.
Er schlug seinen Ordner auf. „Weiter: Das U-Boot war die U-206,ein neues Boot der Klasse 212.Es verfügt über einen luftunabhängigen Antrieb namens AIP.“
Chefingenieur McBright bemerkte:“Sir,es könnte sein,daß der Antrieb des Bootes etwas mit dieser Sache zu tun hat.Bei einem Ausfall könnte es durchaus gewesen sein,daß das Boot nicht mehr die Oberfläche erreicht hat.“
„Danke,Mister McBright.“ nickte Hamilton. „Wir werden bei der letzten bekannten Position des Bootes zu suchen anfangen.Diese werden wir in etwa vier Stunden erreicht haben.“ fuhr er fort.
Keiner der Offiziere hatte etwas anzumerken,wie der Kommandant feststellte.
„Das wäre dann alles,meine Herren.Wegtreten.“ schloss er die Besprechung.
"Auf Kurs null eins fünf gehen,beide Maschinen äußerste Kraft voraus."
Hamilton betrat in Begleitung seines 1.Offiziers die Kommandozentrale.Bernadetti war der wachhabende Offizier.
"Übernehme das Kommando."
Hamilton nickte seinem Waffenoffizier zu,dieser ging auf seinen Posten an dem Waffenschaltpult.
"Brücke an Sonar." rief er über die Bordsprechanlage.
"McTalbot hier,Skipper."
"Sie haben die Klassifikationen des deutschen Bootes erhalten?" fragte er.
Der Sonarmann bestätigte:"Ja,Sir."
"Suchen sie ständig nach dem Boot.Tasten sie das maximale Spektrum ab.Wir sollten uns in weniger als einer halben Stunde im letzten Operationsgebiet des Bootes befinden."
"Ja,Commander.Habe verstanden."
Hamilton beendete das Gespräch.Rayburn sah ihn schon längere Zeit aufmerksam an.
"Was haben sie,Jeff?" fragte er ihn leise.
Er zuckte etwa ratlos mit den Schultern:"Es ist das Verschwinden dieses Bootes,Skipper.Ich weiß nicht,ob es nur ein Kommunikationsverlust oder eine reale Katastrophe ist."
"Das weiß ich auch nicht.Es könnte sein,daß die Deutschen ihren Prototyp schlicht und ergreifend überschätzt haben.Aber ich will nicht spekulieren."
Rayburn nickte:"Natürlich,Sir."
"Warten wir ab,was die Suche ergibt." meinte Hamilton.
"Sir,wir haben das Suchgebiet erreicht."
Der XO blickte vom Plottisch auf.Dort war der Kurs der Norfolk auf einer Seekarte eingezeichnet.
"Gut." Hamilton blickte zu Chief Wilson. "Auf Schleichfahrt."
"Schleichfahrt." bestätigte er.
Das Boot verlangsamte auf seine niedrigste Geschwindigkeitsstufe.Das Sonarteam war hochkonzentriert.Jetzt,da die Fahrgeräusche auf ihrem geringsten Niveau waren,konnten sie die besten Ergebnisse erzielen.
"Jeff,übernehmen sie." meinte Hamilton.
Der Kommandant verließ die Zentrale nach achtern und suchte den Sonarraum auf.McTalbot lauschte angestrengt in seine Kopfhörer,nahm nicht wahr,daß Hamilton den Raum betrat.
Ensign Rogers blickte zu Hamilton auf:"Sir?"
"Moment." sagte er leise und sah McTalbot an.
Der Petty Officer justierte das Sonar neu.
"Sonar an Brücke: Schleppsonar auslegen."
McTalbot verfügte nun auch zusätzlich über das achtere Sonar,das den Bereich hinter den Schrauben abdeckte,welcher normalerweise schlecht abgehört werden konnte.
"Haben sie was?" fragte Rogers ungeduldig.
McTalbot hob abwehrend die Hand.
"Langsam,Ensign." meinte Hamilton barsch.
Ein langezogener Ton war aus den Lautsprechern zu hören.Der Sonaroperator hatte das Aktivsonar eingesetzt,welches ein Signal ausstrahlte,das von einem Ziel zurückgeworfen werden konnte.Dann hörte man einen kurzen Ton hinter dem Signal.
"Nichts." murmelte McTalbot.
Erneut wurde ein Signal ausgestrahlt.Wiederum war nichts danach zu hören.
McTalbot setzte seine Kopfhörer ab und wandte sich zu Hamilton um.
"Ich habe nichts entdeckt,Sir.Aber ich gebe nicht auf."
"Wie sollten wir vorgehen?" fragte der Kommandant.
McTalbot meinte:"Wir müssen ein Suchraster aufstellen,dann können wir dieses Gebiet innerhalb weniger Stunden abdecken."
"Gut." nickte der Skipper.Er aktivierte die Bordsprechanlage.
"Hamilton an Brücke."
Rayburn war sofort dran:"Ja,Skipper?"
"Jeff,wir fahren nach einem Suchmuster dieses Gebiet ab.Gehen sie auf Kurs 235,für eine halbe Stunde.Dann verfahren sie weiter nach Raster.Setzen sie einen Mann zusätzlich an den Plottisch." befahl er.
"Aye,Skipper.Wird erledigt."
"Ich bin in meiner Kabine,Papierkram erledigen.Wenn etwas gefunden wird,verständigen sie mich sofort." teilte er mit.
"Ich habe was!" rief McTalbot aus.
Das Sonarsignal war erwidert worden,es befand sich etwas in Suchbereich.
"Sonar an Brücke,neuer Kontakt,Sierra 2,direkt voraus." meldete er.
Rayburn war sofort bei der Sache,als er die Meldung hörte.Er rief Chief Wilson zu:
"Beide Maschinen stop!"
Wilson legte seine Hand auf die Schulter des Steuermannes:"Alles stop."
Langsam kam das Boot zum Stillstand.Es dauerte etwa dreißig Sekunden,dann lag die Norfolk bewegungslos im Wasser.
"Boot hat Stillstand erreicht." meldete Wilson.
Rayburn rief den Sonarraum:"Können sie den Kontakt identifizieren?"
"Nein,Sir.Noch nicht." entgegnete McTalbot.
Rayburn nickte der Ordonanz zu:"Holen sie den Skipper."
Es dauerte keine Minute,dann betrat der Kommandant die Zentrale.Rayburn erstattete umgehen Bericht.
"Sonarkontakt direkt voraus.Ich habe stoppen lassen,um ihn zu untersuchen."
Hamilton nickte:"Gut.Was sagt das Sonar?"
"Keine Identifizierung bis jetzt möglich,Sir." erwiderte sein XO.
"Sonar an Brücke.Habe Kontakt identifiziert." meldete sich McTalbot.
Der Skipper trat an die Bordsprechanlage.
"Was haben sie?"
"Es ist das deutsche Boot,Sir.Beziehungsweise das,was davon übrig ist."
Kurz kam eine Art Schock über Hamilton.Das deutsche U-Boot war zerstört.Aber von wem,und warum?
"Können sie genaueres sagen?" fragte er gefasst.
"Offenbar ein Torpedo,Sir.Aber ich kann es nicht genau sagen.Tut mir leid."
"Schon gut." sagte Hamilton und schaltete die Sprechanlage ab.
"Auf Seerohrtiefe,sofort!" befahl er lautstark.
Wilson nickte:"Tiefenruder fünfzehn Grad,Aufwärtsstellung.Maschinen langsam voraus.Auf Seerohrtiefe."
Die Norfolk glitt langsam auf Periskoptiefe.
"Haben Seerohrtiefe erreicht." berichtete der Chief.
"Formulieren sie eine Meldung an das Atlantikkommando,XO.Berichten sie alles."
Verbittert verließ Hamilton die Zentrale nach achtern.
Der Kommandant saß an seinem kleinen Schreibtisch,um einen Logbucheintrag vorzunehmen.Da klopfte es an der Türe.
"Ja!" rief er.
Die Türe öffnete sich und Rayburn betrat die Kabine.
"Was gibt es,Jeff?" fragte Hamilton,ohne den Kopf zu heben.
"Sir,ich habe hier einen Funkspruch.Top Secret." erwiderte Rayburn.
Hamilton legte seinen Füller aus der Hand und blickte den XO an.
"Lesen sie vor." meinte er mit tonloser Stimme.
Rayburn begann:"An Kommandant U.S.S. Norfolk, von COMSUBLANT."
Er stockte kurz.Direkt vom Oberkommandierenden der U-Boote im Atlantik.
"Vor sechs Stunden erhielt die US-Botschaft in Moskau ein Fernschreiben von einem Mann namens Igor Plawdin.Er ist Kommandant eines Unterseebootes der Akula-Klasse,welches vor einer Woche aus Murmansk ausgelaufen ist.Er schreibt,daß er vorhat,im Nordpolarmeer Schiffe anzugreifen.Er fordert,daß ein in Schweden inhaftierter Kommunistenführer freigelassen wird.Wir weisen sie hiermit an,sich auf die Suche nach diesem Boot zu begeben.Die Russen haben bereits ihre Boote zurückgezogen,so daß nur noch ein Boot der Akula-Klasse vor Ort ist.Zur Zeit befinden sich mehr als zwanzig zivile Schiffe,darunter sieben Kreuzfahrtschiffe in dem gefährdeten Gebiet.Es wird versucht,sie zu warnen und zum Verlassen des Nordpolarmeers zu veranlassen.Schweden hat abgelehnt,den geforderten Mann auf freien Fuß zu setzen.
Neben ihnen sind die Boote Dallas,Denver,Bronco und Seawolf im Gebiet.
Sollten sie auf das Akula treffen,so sind sie ermächtigt,jedes Gewaltmittel einzusetzen,um es kampfunfähig zu machen.Für den Fall des Widerstandes sind sie ermächtigt,das Boot zu vernichten."
Hamilton nickte:"Er hat wohl sein erstes Opfer gefunden,Jeff."
"Ja,Skipper." Rayburn´s Miene verfinsterte sich.
"Lassen sie Gefechtsalarm geben,XO.Ich komme sofort in die Zentrale." befahl er.
Die Zentrale war von hektischer Betriebsamkeit erfüllt,als Hamilton dem 1.Offizier nachkam.Die Crewmitglieder nahmen ihre Positionen ein.
"Waffensysteme auf Gefechtsstation!" meldete Bernadetti lautstark.
"Navigation auf Gefechtsstation!" berichtete Anderson sofort anschließend.
Die Stimme von Ensign Rogers erklang aus der Borsprechanlage:"Sonar auf Gefechtsstation."
Hamilton blickte seinen XO an.Dieser bemerkte es und meldete:"Boot ist auf Gefechtsstation,Skipper."
"Gut.Letzte Position unseres Freundes war hier." begann er und deutete auf die Position auf der Seekarte,bei der zuletzt Sonarkontakt zu dem Akula bestanden hatte.
Rayburn nickte und fuhr mit seinem Zeigefinger eine gedachte Linie nordwärts.
"Ich denke,er hat diese Passage genommen."
Hamilton sah sich die Überlegungen seines 1.Offiziers an und erkannte,daß dies wohl die logischte Route für das Akula wäre.Sein Kurs würde östlich Spitzbergens Richtung des Franz-Josef-Landes führen,einer Inselgruppe unter russischer Kontrolle.Dann würde er wohl leicht nach Nordwest abdrehen,um zentral in Nordpolarmeer zu gelangen.
"Ich glaube,sie haben recht.Die Chance,daß wir ihn dort finden,ist recht groß."
Er wendete seinen Kopf zu Chief Wilson:"Auf Kurs null acht zwo gehen,beide Maschinen äußerste Kraft voraus!"
"Aye,Skipper." Er blickte zu den Matrosen an den Steuerkontrollen.
"Ruder hart steuerbord,auf Kurs null acht zwo.Beide Maschinen AK."
Der Kommandant richtete sich auf und ging wieder auf seine Position zurück.Kurz ließ er den Blick durch die Zentrale kreisen.Es war Rotlicht eingeschaltet,wie immer,wenn das Boot in Gefechtsbereichtschaft war.Alle Crewmitglieder waren hochkonzentriert.
"Auf Tiefe 450 Fuß gehen,10 Grad vorlastig." befahl er.
Die Norfolk sackte etwas nach vorne weg,die Digitalanzeige glitt tiefer,bis 450 Fuß erreicht war.Dann ließ der Chief das Boot auspendeln,wieder in die Waagerechte bringen.
"Boot stabil auf vier fünf null Fuß,Sir." meldete Wilson.
Hamilton nahm den Hörer des Bordtelefons ab:"Brücke an Sonar,melden sie Status."
"Sonar an Brücke,keine Kontakte,Sir." meldete Rogers.
"Ensign,wie ist ihre gegenwärtige Besetzung?" wollte er wissen.
"Mister McTalbot und Mister Salt sind an den Sonarkonsolen.Wir sind bereit."
"Gut,passen sie auf." Er hängte den Hörer ein.
Bernadetti trat zu ihm heran.
"Sir,Torpedos sind klar,Rohre eins bis vier geladen.Tomahawks ebenfalls in Bereitschaft." berichtete der Waffenoffizier.
Hamilton fragte nach:"Was ist mit den Täuschungskörpern?"
"Sind nochmals überprüft worden,Skipper.Sie sind einsatzbereit."
"Gut,machen sie weiter." entließ er ihn.
Bernadetti entfernte sich und kehrte zu seiner Station zurück.
"Legen sie sich etwas hin,Jeff." meinte er zu dem XO.
Sichtlich widerstrebend antwortete er:"Ja,Skipper."
Er beobachtete,wie Rayburn die Zentrale nach achtern verließ.Natürlich,der XO war nicht gerade glücklich,vom Kommandanten in die Koje geschickt zu werden.Aber Hamilton war klar,sie würden in den nächsten Tagen nur sehr unregelmäßig ihren Schlaf bekommen.
"Sonar an Brücke!Geräuschkontakt,detonierender Torpedo in 335!"
Hamilton´s Kopf fuhr zum Bordtelefon herum,als er diese Nachricht hörte.In Sekunden hatte er den Hörer in der Hand.
"Berichten sie,Ensign!" forderte er.
"Wir hatten eine Torpedodetonation in Richtung 335,Sir.Entfernung etwa zwanzig Seemeilen." erwiderte Rogers.
Hamilton bestätigte und hängte wieder ein.
"COB,neuer Kurs 335,beide Maschinen AK voraus." ordnete er an.
Wilson nickte nur knapp und ließ Kurs anlegen.
"Rufen sie den XO." beauftragte er die Ordonanz.
Die Norfolk fegte mit etwa über 30 Knoten,ihrer Höchstgeschwindigkeit,durch die Tiefen des Nordpolarmeeres.
Hamilton stand in der Mitte der Zentrale,neben sich Rayburn und Bernadetti.
"Was könnte das gewesen sein?" fragte er seine beiden Offiziere.
Rayburn erwiderte:"Im schlimmsten Fall ein Kreuzfahrtschiff,Skipper."
"Wollen wir´s nicht hoffen." meinte Bernadetti.
Hamilton nickte:"Ganz ihre Meinung.Wie lange noch bis zum Zielpunkt?"
Navigationsoffizier Anderson drehte sich zu ihm um und erwiderte:"Vier Minuten,Sir."
"Auf Periskoptiefe gehen!" befahl er mit lautstarker Stimme.
Wilson gab die Anweisungen weiter:"Vordere Ballasttanks anblasen,Tiefenruder auf Aufwärtsstellung,zehn Grad."
"Umdrehungen für fünfzehn Knoten,COB." ordnete Hamilton weiter an.
Die Leistung der Maschinen wurde zurückgefahren,die Norfolk verlangsamte.Das Boot glitt auf die befohlene Tiefe von 65 Fuß.
"Überwasserkontakt,Peilung 338!" meldete sich Ensign Rogers.
Hamilton trat an das Seerohr:"Periskop ausfahren!"
"Aye,Sir."
Das Periskop glitt nach oben.Hamilton trat heran und blickte hindurch.
Er sah,daß der Kontakt ein mittelgroßes Kreuzfahrtschiff war.Es lag ruhig,zeigte keine Anzeichen von Fahrt an.Er bemerkte,daß es leicht hecklastig war.
"Auf Schleichfahrt." befahl er ruhig.
Leicht überrascht wich er vom Periskop zurück.
"Sehen sie sich das an,Jeff." forderte er seinen XO auf.
Rayburn trat heran,drehte seine Kappe herum und blickte durch das Seerohr.
"Oh Mann!" entfuhr es ihm.
Er starrte Hamilton entgeistert an.
"Noch schwimmt das Schiff." meinte er.
"Da haben sie recht.Aber wo ist der Angreifer?" entgegnete Rayburn.
Der Skipper nahm den Hörer des Bordtelefons ab:"Brücke an Sonar."
"Ja,Sir?" meldete sich Rogers.
"Haben sie irgendwelche Geräuschkontakte außer dem Überwasserkontakt?" fragte er.
"Nein,Sir." antwortete Ensign Rogers.
"Gut,horchen sie weiter.Sobald sie einen Geräuschkontakt haben,umgehend Meldung an die Brücke.Ende." sagte er und hängt ein.
"Wir gehen rauf.Auftauchen." ordnete er an.
Wilson nickte dem Tauchoffizier zu:"Ballasttanks anblasen,wir tauchen auf."
"XO,ich gehe mit Mister Anderson und dem COB rüber auf das Schiff.Sie übernehmen.Sollten sie einen Kontakt haben,dann tauchen sie weg und verfolgen ihn.Sie warten nicht auf uns,verstanden?" teilte er dem 1.Offizier mit.
Rayburn antwortete:"Ja,natürlich,Skipper."
Das U-Boot durchbrach die Wasseroberfläche,dann lag es ruhig auf dem Wasser.
"Mister Anderson,Chief,wir nehmen das Schlauchboot und fahren rüber zu dem Schiff."
Wilson und der Navigator nickten sofort.
"Bis später,XO." meinte Hamilton und stieg die Leiter zur offenen Brücke hoch.
Wilson steuerte das kleine Schlauchboot,als sie die dreihundert Meter zu dem Kreuzfahrtschiff übersetzten.Hamilton hatte sich seine gefütterte Jacke über seine Khakiuniform gezogen,denn die Außentemperatur war deutlich unter null Grad.
"Es ist ein schwedisches Schiff,die "Scandinavian Star"." meldete Anderson.Er setzte das Fernglas ab.
Hamilton starrte angestrengt auf das riesige,weiße Schiff,das bewegungslos im Wasser lag.
"Sehen sie eine Stelle,wo man uns erwartet?" fragte er.
Anderson nahm das Fernglas wieder hoch und suchte.Kurz darauf deutete er auf eine Stelle etwa vier Meter über der Wasserlinie.Dort war ein Schott geöffnet worden und eine Strickleiter hing herab.
"Fahren sie dorthin,Chief." sagte Hamilton.
Wilson nickte nur und steuerte das Boot zu der befohlenen Stelle.Dort stellte er den Motor ab und band das Boot an dem Schiff fest.
Hamilton zog sein Handfunkgerät aus der Jacke und schaltete es auf "Senden."
"Norfolk,hier CO.Bitte melden.Kommen."
Es knackte kurz,dann hörte er die Stimme seines 1.Offiziers.
"CO,hier Norfolk.Höre sie klar und deutlich,kommen."
"Norfolk,hier CO.Haben das Schiff erreicht und werden an Bord gehen.Kommen."
"CO,hier Norfolk.Habe verstanden.Kommen."
"Norfolk,hier CO.Bleiben sie auf Empfang.Ende."
Der Skipper blickte zu dem Schott hoch.Dort standen zwei Männer.Einer trug eine Offiziersuniform der Handelsschiffahrt,der zweite schien Matrose zu sein.
"Kommen sie mit." forderte er seine zwei Begleiter auf.
Hamilton stieg zuerst die Strickleiter hoch,dann folgte Wilson und Anderson.Oben angelangt begrüßte sie der Offizier in einwandfreiem Englisch.
"Willkommen an Bord.Ich bin Peter Berglund,der 2.Offizier der "Scandinavian Star"."
Hamilton reichte ihm die Hand und erwiderte:"Ich bin Commander Andrew Hamilton,Kommandant der U.S.S.Norfolk,einem amerikanischen Jagd-U-Boot."
Die beiden Begleiter nickten Berglund zu.
"Ich bin angewiesen,sie zum Kapitän zu bringen." fuhr Berglund fort.
Hamilton nickte:"In Ordnung."
"Bitte,folgen sie mir." sagte er und deutete in das Schiff hinein.
Der Kapitän war ein grauhaariger,freundlich dreinblickender Mann.Sein Büro war kurz hinter der Brücke des Schiffes.Es war in hellem Holz gehalten,er saß hinter einem schweren Eichenschreibtisch.
"Commander Hamilton und zwei Besatzungsmitglieder der U.S.S.Norfolk,Herr Kapitän." stellte Berglund die drei vor.
Der Kapitän stand auf und reichte jedem die Hand.
"Willkommen an Bord,meine Herren.Ich bin Kapitän Jan Trevers." sagte er freundlich in fast akzentfreiem Englisch.
Hamilton deutete auf seine Begleiter:"Mein Navigator,Lieutenant Neil Anderson und Master Chief Ted Wilson,mein Crewchief."
"Setzen sie sich bitte.Möchten sie etwas trinken?" fragte Trevers und deutete auf die Sessel,die vor seinem Schreibtisch standen.
Hamilton und seine Begleiter folgten der Aufforderung.
"Peter,das wäre alles.Sie können gehen." ordnete Trevers an.
Als sich die Türe hinter dem 2.Offizier geschlossen hatte,sah der Kapitän Hamilton aufmerksam an.
"Ich nehme an,sie wollen wissen,was uns passiert ist."
Hamilton nickte:"Ja,das ist korrekt,Sir."
"Wir sind auf einer Nordpolarkreuzfahrt.Vor etwa einer halben Stunde traf uns ein Torpedo,achtern,auf Höhe der Tiefkühlkammern.Wir konnten den Wassereinbruch nicht stoppen,aber durch Abriegelung der Sektion konnten wir das Schiff retten.Wir hatten keine Verluste,nur einen Leichtverletzten." berichtete der Kapitän.
Langsam beugte er sich vor:"Was geht hier vor,Commander?"
"Ich werde ihnen das mitteilen,was ich kann.Die U.S.-Regierung hat einen Brief erhalten,in dem ein russischer U-Boot-Kommandant die Freilassung eines in Schweden inhaftierten Mannes fordert.Er hat gedroht,Schiffe im Nordpolarmeer anzugreifen.Sie waren wohl das zweite Opfer." erklärte Hamilton.
Ein Stirnrunzeln war bei Trevers zu sehen. "Wieso das zweite Opfer?"
"Ein deutsches U-Boot wurde dreißig Seemeilen von hier entfernt zerstört."
Trevers war geschockt:"Oh mein Gott!Wir sind knapp an einer Katastrophe vorbeigefahren.Wenn das Boot mehr als einen Torpedo abgefeuert hätte.."
Wilson schaltete sich ein:"Es war wohl nur ein Warnschuss,Skipper."
"Ein Warnschuss?" fragte Anderson irritiert.
Er nickte:"Ja,Lieutenant.Wenn ein Akula-Skipper ein Schiff von der Größe dieses Kreuzfahrtschiffes versenken will,noch dazu bei perfektem Wetter und ohne,daß das Schiff sich wehren kann,dann tut er das auch.Er hätte einen Zweierfächer abgefeuert,und Kapitän Trevers hätte nichtmal die Zeit gehabt,seine Passagiere in die Boote zu bringen."
"Ich fürchte,sie haben recht,Chief." kommentierte Hamilton.
Trevers blickte wieder zum Kommandanten der Norfolk:"Wir können aus eigener Kraft weiterfahren.Aber wie können sie für unsere Sicherheit garantieren?"
"Kapitän,der Träger U.S.S. Eisenhower hat sechzig Seemeilen von hier Position bezogen.Meine Regierung und die Navy nehmen diese Sache sehr ernst.Wenn sie von hier aus einen direkten Südkurs Richtung Spitzbergen laufen,dann werden wir zwei U-Jagd-Flugzeuge von diesem Träger zu ihrem Schutz abkommandieren.Sie werden über ihnen kreisen,und das Akula wird kaum zum Angriff übergehen." erläuterte Hamilton.
Trevers nickte:"In Ordnung,Commander.Ich werde das veranlassen."
"Wir kehren auf unser Boot zurück."
Hamilton und seine Begleiter erhoben sich.
"Viel Glück,meine Herren.Kommen sie heil nach Hause." wünschte Trevers.
Hamilton stieg die letzten Stufen zur Operationszentrale hinab.Es war immer noch Gefechtsbereitschaft,es war Rotlicht eingeschaltet.
"Gut,daß sie zurück sind,Sir." sagte Rayburn.
Hamilton erwiderte:"Danke,Jeff.Der Kapitän dieses Dampfers wird zurück nach Spitzbergen fahren,begleitet von zwei Vikings von der Eisenhower.Sie haben einen Torpedo knapp unterhalb der Wasserlinie reinbekommen."
"Und wieso nur einen?" fragte der XO verdutzt.
Wilson antwortete für seinen Kommandanten:"Es war wohl ein Warnschuss,Sir."
"Der russische Skipper wollte uns wohl nur wachrütteln." meinte Hamilton.
Rayburn schnippte mit den Fingern:"Aber warum hat er das deutsche Boot zerstört?"
"Das war wohl ein Versehen.Es bestand für ihn wohl ein Unterschied im Kampf gegen zivile Schiffe und militärische." meinte Wilson.
Hamilton lehnte sich an die Wand der Zentrale.
"Wir gehen wieder auf Kurs 060.COB,bringen sie uns auf Tiefe eins fünf null Fuß."
Wilson nickte nur und ging wieder auf seine Station.
"Tauchen,tauchen!" hallte es durch das Boot.
Während normaler Operationen war es bereits schon ruhig in der Norfolk.Jetzt aber,da eine reale Kampfsituation anstand,war es geradezu gespenstisch leise.
In der Zentrale war noch immer Rotlicht eingeschaltet.Mario Bernadetti hatte Wache als "Officer of the Watch".
Auch Lieutenant Anderson war anwesend,er kalkulierte ihren Suchkurs wieder und wieder durch.Der junge Offizier lehnte angestrengt über einem der Plottische,auf dem eine Karte des Nordpolarmeeres lag.
"Wieso gehst du nicht schlafen,Neil?"
Anderson brauchte sich nicht umzudrehen,er erkannte Bernadetti´s Stimme.
"Der Kurs muß stimmen.Wir müssen diesen Scheißkerl so schnell wie möglich finden.Bevor er das nächste Kreuzfahrtschiff versenkt. und mit ihm hunderte Unschuldiger tötet." entgegnete er ablehnend.
Bernadetti schüttelte verständnislos den Kopf:"Der Suchkurs ist so gut,wie er ist.Aber wenn wir wirklich in einen Kampf mit dem Russen geraten,dann ist ein Navigator,der im Stehen einschläft,nicht gerade von Vorteil."
Anderson stemmte sich mit beiden Armen hoch und sah ihn an.
"Mario,du bist OoW.Wieso kümmerst du dich um ein fremdes Ressort?"
Der Waffenoffizier hob abwehrend die Hände:"Ruhig,Neil.Ich mache mir nur Sorgen um dich,das ist alles.Wir könnten dich im Gefecht brauchen."
"´Tschuldige,ich bin ausgetickt.Ist wohl die Müdigkeit."
Anderson zuckte knapp mit den Schultern,als er dies sagte.
Ein knappes Lächeln war die Antwort.
"Schon gut.Was ist eigentlich mit Ensign Rogers?" wollte er wissen.
Anderson schaute mißtrauisch drein:"Was sollte mit ihr sein?"
"Interessierst du dich für sie?" bohrte Bernadetti nach.
Der Navigator nickte kurz:"Ja,ich denke schon."
"Mach dir keine Gedanken,Neil.Ich glaube,sie steht auf dich.Zumindestens findet sie mich nicht besonders anziehend."
"Mario,du kannst es nicht lassen.Denk einmal an deine Verlobte.Einmal." tadelte Anderson seinen Freund.
"Okay,okay,genug Predigt für heute.Mach,was du willst.Geh schlafen,arbeite weiter,besuch die Kleine am Sonar..."
Bernadetti drehte sich um und kehrte auf seine Station zurück.
Anderson hätte beinahe geschmunzelt.Mario war verlobt,aber das scherte ihn wenig.Immer,wenn die Norfolk fremde Häfen anlief,ließ er sich mit irgendwelchen Frauen ein.Dabei war Christina,seine Verlobte,eine wirklich attraktive und intelligente Frau,die es nicht verdient hatte,betrogen zu werden.Aber das ging ihn nichts an.Gut fand er es deshalb noch lange nicht.
Abermals schaute Bernadetti auf seine Armbanduhr.Sie zeigte an,daß es dreiviertel zwei war.Noch 1 1/4 Stunden,dann würde er von dem 1.Offizier abgelöst werden.
"Sonar an Brücke,neuer Kontakt,Sierra zwo fünf,Richtung zwo drei drei!"
Bernadetti griff automatisch nach dem Mikrofon der Bordsprechanlage.
"Was haben sie,Ensign?" fragte er Danny Rogers.
"Unidentifizierter Kontakt,Richtung zwo drei drei,Sir.Entfernung 7600 Yards."
"Finden sie raus,wer das ist,Ensign." befahl Bernadetti und hängte das Mikro ein.
Chief Collins war als "Chief of the Watch" eingesetzt.Er kam zu Bernadetti.
"Sir,sollten wir nicht den Skipper wecken?" fragte er leise.
Kurz überlegte er.Hamilton wäre es bestimmt recht,wenn man ihn weckte,sobald ein Kontakt der Norfolk derartig nahe war.
"Ordnonanz,wecken sie den Skipper." ordnete er an.
Collins sagte nichts weiter und kehrte zum Rudergänger zurück.
"Auf Schleichfahrt,neuer Kurs zwo drei drei." befahl er.
Die Norfolk verlangsamte und drehte auf den Kontakt zu.
"Brücke an Sonar,was macht der Kontakt?" wollte Bernadetti wissen.
"Er hält die Tiefe,Sir.Zeigt keine Anzeichen,daß er uns entdeckt hat."
"Beobachten sie ihn weiter,Ensign." antwortete er und hängte das Mikro ein.
Aus den Augenwinkeln sah er,daß der Kommandant die Zentrale betrat.Offenbar hatte er wirklich geschlafen,denn er hatte nur seine Badepantinen,seine Khakihose und ein T-Shirt an.
"Übernehme das Kommando." sagte er knapp und nickte Bernadetti zu.
Er bestätigte die Übernahme:"Kommandant übernimmt das Kommando."
"Was gibt er zu berichten?" fragte Hamilton seinen Waffenoffizier.
"Unidentifizierter Kontakt,Richtung zwo drei drei.Hat uns noch nicht bemerkt,Sir."
Der Skipper hakte nach:"Was haben sie unternommen?"
"Ich habe Schleichfahrt befohlen und auf Kurs zwo drei drei gedreht,um ihn zu identifizieren,Sir." erwiderte Bernadetti.
"Gute Arbeit." erkannte Hamilton an.
Die Männer in der Zentrale sahen erwartend zu ihrem Kommandanten.
Hamilton nahm das Mikro:"Brücke an Sonar,können sie den Kontakt identifizieren?"
"Sonar an Brücke:Noch nicht,Sir." antwortete McTalbot,der Wachdienst hatte.
Die Ordonanz reichte dem Kommandanten sein Uniformhemd.Er nickte und zog es an.
"Statuts der Waffen?"
"Torpedorohe eins bis vier geladen und fertig,Sir." berichtete Bernadetti.
Die Stimme von McTalbot hallte aus dem Lautsprecher:"Sonar an Brücke,der Kontakt hat auf uns zugedreht.Es ist das Akula!"
Hamilton nickte Jeff Rayburn zu,der auch in die Zentrale gekommen war.
"Auf Gefechtsstation!"
Die Männer sprinteten auf ihre Stationen,das Gefechtsssystem BSY-1 wurde aktiviert.
"Sonar an Brücke,Kontakt hat Torpedorohre bewässert!"
Hamilton sah zu der Konsole des Waffensystemoffiziers:"Feuerleitlösung errechnen,sofort!"
Bernadetti machte sich sofort an die Arbeit,die komplizierten Berechnungen durchzuführen.
"Auf 450 Fuß gehen,zwanzig Grad vorlastig." befahl Hamilton.
COB Wilson gab die Kommandos weiter.Das Boot senkte seinen Bug,der Tiefenmesser glitt der befohlenen Tiefe entgegen.
"Feuerleitlösung,Sir!" Bernadetti schaute zu seinenm Skipper auf.
Hamilton nickte:"Eingeben!"
"BSY-1 bereit,Skipper.Rohre bewässern?" berichtete Rayburn.
"Tun sie das.Außenklappen öffnen!"
Das Öffnen der Außenklappen war für den Gegner deutlich hörbar.Nun wußte er,daß die Norfolk ihn vernichten wollte.
"Sonar an Brücke,Torpedo im Wasser,Richtung zwo vier null!"
"Kurs hart Steuerbord,auf eins neun null,volle Kraft voraus!Auf 800 Fuß gehen!"
Das Boot legte sich in eine langgestreckte Kurve und tauchte weiter.Der Torpedo verfolgte die Norfolk
"Torpedo weiter hinter uns her,Sir!" berichtete McTalbot.
"Gegenmaßnahmen einleiten,hart Backbord!" rief Hamilton.
Die Norfolk feuerte Täuschungskörper ab und drehte in die Gegenrichtung ab.
"Torpedo erfasst Täuschungskörper,Sir!" rief McTalbot in die Sprechanlage.
Hamilton richtete seinen Blick wieder auf den Waffenoffizier.
"Rohr 1 und 2 abfeuern!" ordnete er an.
Er nickte:"Feuer 1 und 2,beide Rohre elektronisch gezündet!"
Die Torpedos änderten sofort nach Austritt aus dem Boot ihre Richtung,hielten auf den russischen Jäger zu.Dieser hatte die Waffen bemerkt,änderte aprupt seine Richtung und tauchte steil ab,während er Täuschungskörper ausstieß.
"Gegner geht tiefer,Sir!Er taucht unter unsere Maximaltiefe!" berichtete Ensign Rogers.
Hamilton unterdrückte einen Fluch.
"Was ist mit unseren Torpedos?" fragte er.
Rogers erwiderte:"Entfernung zum Gegner 250 Yards,rasch abnehmend!"
"Tiefer gehen,20 Grad vorlastig!Beide Maschinen äußerste Kraft voraus!"
Chief Wilson nickte und gab die Kommandos an die Rudergänger weiter.Die Norfolk beschleunigte auf ihre maximale Geschwindigkeit und raste weiter in die Tiefe.
Hamilton behielt den Tiefenmesser im Auge.Er zeigte bereits 750 Fuß und sank schnell.
"Torpedos wurden durch Täuschungskörper abgelenkt,Skipper." berichtete Rayburn.
Er hatte beim Sonarbildschirm auf der Brücke Position bezogen.
"Weiter tauchen.Status unserer Waffen?" fragte der Kommandant.
Bernadetti schüttelte den Kopf:"Ich habe keine Lösung für einen Angriff,Skipper.Wir könnten natürlich trotzdem einen Snapshot abfeuern,aber..."
Hamilton hob die Hand:"Nein,dann hätten wir unsere beiden letzten Schüsse vergeudet und würden hilflos dastehen.Lassen die Rohre 1 und 2 nachladen,Lieutenant."
"Aye,Sir." nickte der Waffenoffizier.
"Sonar an Brücke,Gegner ist jetzt auf Tiefe 1600 Fuß,Sir."
Die Stimme von Petty Officer McTalbot klang wenig zuversichtlich.
"Wir passieren eins zwo null null Fuß,Skipper." meldete Wilson.
Der Skipper sah auf die Anzeigen.Wenn er den Russen weiter verfolgte dann riskierte er,die Belastbarkeit seines Bootes zu überschreiten.Außerdem,er hatte nur zwei Torpedos in Bereitschaft,das Nachladen würde noch mindestens zehn Minuten dauern.
"Boot auspendeln." sagte er knapp.
Wilson nickte und ließ das Tauchen stoppen.Die Norfolk hielt die Tiefe.
"Jeff,was denken sie?" fragte Hamilton seinen XO.
Rayburn zog sich seine Kappe tiefer in´s Gesicht.
"Skipper,der Russe weiß,wie tief wir gehen können.Er will uns dorthin locken,wo wir aufgrund unserer Maximaltiefe nicht annähernd so gut manövrieren können.Dort glaubt er wohl,er können uns kriegen."
Langsam nickte Hamilton.Er griff sich wieder das Mikro der Bordsprechanlge.
"Brücke an Sonar,was macht der Russe?"
"Er bleibt auf Tiefe 1650 Fuß,Skipper." erwiderte McTalbot.
Hamilton verzog das Gesicht und hängte das Mikro wieder ein.
"Geben sie mir Umdrehungen für zehn Knoten,COB." befahl er.
Er warf seinem Stellvertreter einen kurzen Blick zu:"Ich gehe zum Sonar runter.Sie übernehmen.Sollte der Russe wieder rankommen,dann eröffnen sie das Feuer."
"Aye,Skipper." nickte Rayburn.
Wilson bestätigte die Übernahme:"1.Offizier übernimmt das Kommando."
McTalbot starrte angestrengt auf den Sonarbildschirm.Vor knapp zwei Minuten hatte er den Kontakt verloren,das Akula war plötzlich verschwunden.Hamilton stand hinter ihm und wartete geduldig,während der Sonartechniker suchte.
"Er ist weg,Sir.Tut mir leid." sagte McTalbot schließlich.
"Sir,vielleicht ist er in den Schluchten dieses unterseeischen Gebirges verschwunden." warf Ensign Rogers ein.
Hamilton nickte nur knapp:"Kann ich mir gut vorstellen.Suchen sie weiter."
Er nahm das Mikro der Bordsprechanlage:"Skipper an Brücke.Gehen sie auf Schleichfahrt,Jeff."
"Aye,Sir." bestätigte der 1.Offizier.
Er wandte seinen Blick zu McTalbot und Rogers:"Ist das Schleppsonar draußen?"
"Ja,Sir." antwortete Rogers.
Hamilton lehnte sich kurz an ein Schott,bevor er die Zentrale betrat.Er hatte nur etwa eine Stunde geschlafen,das machte sich bemerkbar.
"Skipper,sie sehen müde aus.Wollen sie nicht..." fragte sein XO besorgt.
Hamilton lächelte knapp:"Sie haben mich ertappt,Jeff.Übernehmen sie.Sobald sie einen Kontakt haben,wecken sie mich.Verstanden?"
"Aye,Sir.Schlafen sie gut." meinte er.
Der Kommandant nickte ihm zu und verließ erneut die Zentrale.
"Rohr 1 und 2 nachgeladen,Sir." meldete Lieutenant Bertani,der 2.Waffenoffizier,der die Station von Bernadetti übernommen hatte.
Rayburn nahm seine Kappe ab und rieb sich den Kopf.Gut fühlte er sich nicht,aber wenn man bedachte,daß da draußen ein Boot war,das es auf sie abgesehen hatte.
Er ging einige Schritte nach vorne,zum Steuerbereich des Bootes.Chief Dawson hatte die Position des "Chief of the Watch" übernommen.Er gehörte seit fast zehn Jahren zur Crew,war ein außerordentlich zuverlässiger Mann.Außerdem war Rayburn gut persönlich mit ihm bekannt.
"Was meinen sie,Frank?Kommt er bald zurück?" fragte er ihn leise.
Dawson zuckte ratlos mit den Schultern:"Schwer zu sagen.Vielleicht will er sich absetzen.Immerhin besteht sein Plan darin,die Regierung zu erpressen.Wir sind ein schlechtes Opfer,denn wir schießen zurück."
"Mag sein.Aber wir sehen im Moment ziemlich alt gegen den Russen aus."
Rayburn drehte sich wieder zum Kommandobereich um und sah sich die Zustandsberichte der Systeme aus.
Hamilton saß in der Offiziersmesse des Bootes.Vor ihm stand eine Tasse Kaffee,den stärksten,den er in den letzten zwei Wochen getrunken hatte.Aber er mußte sich wachhalten.
Er hatte vor sich das Logbuch liegen,hatte gerade seinen täglichen Eintrag gemacht.Außerdem lag ihm die taktische Karte vor,die Bernadetti erstellt hatte.Dabei hatte er auf einer Seekarte eingetragen,welche Routen das Akula hätte nehmen können.
Er sah sich wieder und wieder die Karte an.Der Russe mochte dem Ausläufer des Untersee-Gebirges gefolgt sein,der ihn nach Osten geführt hätte..
Die Tür öffnete sich und Lieutenant Anderson betrat die Messe.Er nickte seinem Vorgesetzten zu.
"Guten Abend,Sir." sagte er knapp.
Hamilton hob den Kopf und erwiderte den Gruß:"Mister Anderson."
Der junge Offizier nahm sich eine Tasse Kaffee und setzte sich zu dem Kommandanten.Er hatte einen Ordner dabei.Knapp blickte Hamilton darauf.Es war ein Lehrbuch über Taktik,welches aus der Schiffsbibliothek stammte.
"Gut,Lieutenant.Sie bilden sich weiter." Er lächelte anerkennend.
Der Navigator erwiderte:"Ja,Sir.Ich würde es gerne irgendwann zum XO schaffen."
Hamilton lehnte sich zurück und schaute ihn an:"Wieso so bescheiden,Mister Anderson?Sie haben hervorragende Beurteilungen,ihre Beförderung zum Lieutenant steht kurz bevor.Sie haben beste Aussichten."
Das Gesicht seines Gegenübers erhellte sich:"Vielen Dank für ihr Lob,Sir.Ich hoffe,ich werde das alles so hinkriegen."
Ein weiteres Mal ging die Türe auf und das kantige Gesicht von Jeffrey Rayburn schaute herein.Er betrat die Messe und nahm am Tisch Platz.
"Na,Jeff?Was ist los in der Zentrale?" fragte der Kommandant.
Rayburn nahm seine Kappe ab und legte sie neben sich auf die Bank.
"Wir haben nichts mehr geortet,Skipper.Das Akula muß weg sein,oder es ist in der Thermalschicht verschwunden." antwortete der 1.Offizier.
Anderson warf ein:"Ist das Schleppsonar noch draußen,Sir?"
"Nein,Lieutenant.Im Moment fahren wir mit gut zwanzig Knoten.Unter diesen Umständen würden wir nicht sehr viel hören."
Hamilton stand auf,um sich noch eine Tasse Kaffee zu holen.
"Kaffee,Jeff?" fragte er knapp.
Dieser nickte:"Ja,danke."
Hamilton füllte zwei Tassen und stellte seinem XO eine davon hin.
"Wissen sie,ich habe mich gefragt,was motiviert diesen russischen Skipper?Warum tut er das,was er tut?" bekannte Hamilton.
"Vielleicht ist er ein Fanatiker,Skipper." mutmaßte Rayburn.
"Mit Sicherheit ist er das,Sir." entgegnete Anderson sofort.
Hamilton nickte knapp:"Das denke ich auch,Lieutenant.Auf jeden Fall."
Kurz kehrte Schweigen ein.
"Eines ist sicher: Wir werden ihn nicht laufenlassen." sagte der Kommandant mit fester Stimme und blickte die beiden Offiziere an.
Müde rieb sich Ian McTalbot die Augen.Der Sonarbildschirm vor ihm verschwamm ab und an,was auch kein großes Wunder war.Seit achtzehn Stunden war er auf Wache.Er wußte,daß er der beste Sonartechniker an Bord war.Und angesichts der Tatsache,daß Ensign Rogers noch ziemlich unerfahren war,mußte er fast immer da sein.
"Guten Morgen,Ian." begrüßte ihn die junge Frau.Sie trat durch die Tür und nahm ihm Sessel neben ihm Platz.
"Guten Morgen,Mam." erwiderte er ihren Gruß.Es war ihm lieber,sie ihren Rang entsprechend anzureden.So hielt er die Distanz.
Sie schaute auf die Anzeigen:"Nichts zu berichten?"
"Nein,Mam.Alles ruhig,seit wir den Kontakt verloren haben." antwortete er.
Rogers nickte und aktivierte ihre Sonarstation und übernahm mit die Wache.
Neil Anderson war auf dem Weg zur Offiziersmesse,als ihm Ensign Rogers über den Weg lief.Die junge Frau warf ihm sofort ein Lächeln zu,als sie ihn erblickte.
"Lieutenant Anderson!Freut mich,daß wir uns mal wieder sehen." meinte sie fröhlich.
Der Navigator erwiderte:"Ganz meinerseits,Ensign.Haben sie dienstfrei?"
"Ja."
Anderson deutete auf die Türe der Messe:"Darf ich sie auf eine Tasse Kaffee einladen?"
"Sehr gerne." Danny nickte erfreut.
Anderson holte zwei Tassen Kaffee und reichte ihr eine.Dann nahm er neben ihr Platz.
Er hatte ein Buch über das Sonarwesen aus der Bordbücherei ausgeliehen.Sobald die Norfolk von ihrer Fahrt zurückkehrte,war sein nächster Lehrgang geplant.
"Sie lernen sehr viel." bemerkte sie.Es lag nichts Ironisches oder Spöttisches ihrer Stimme,sie meinte es ernst.
"Das haben sie gut beobachtet.Nun,nach dieser Fahrt steht meine Versetzung an die Marineschule Groton an."
Sie hob ihre Augenbrauen:"Ein wirklicher Zufall!Dies ist ja mein Offizierspraktikum,wie sie vielleicht wissen.Dann muß ich nochmal sechs Monate auf die Schulbank,ebenfalls in Groton."
"Dann werden wir uns auch nach unserer Zeit an Bord sehen?Ich kann nicht sagen,daß mir das mißfällt,Miss Rogers." schmunzelte Anderson.
Ihm gefiel es,daß sie sich offenbar für interessierte.
"Nun,werden sie mir die Gelegenheit geben,mit ihnen zu Abend zu essen?"
Ihr Blick hatte etwas sehr Sinnliches und Verführerisches an sich,das mußte sich Anderson ehrlich eingestehen.
Er klappte das Buch zusammen,drehte sich zu ihr und sah ihr fest in die Augen.
"Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen."
Kurz berührte seine Hand die ihre,aber jäh wurde ihre Zweisamkeit gestört.Die Tür öffnete sich und Chefingenieur McBright betrat die Messe.
"Ich hoffe,ich störe sie beide nicht?" fragte er scheinheilig und setzte sich.
Die beiden schüttelten beinahe gleichzeitig den Kopf.
"Dachte ich mir." schmunzelte der Chefingenieur und nahm sich eine Tasse Kaffee.
Hamilton unterdrückte ein Gähnen und blickte auf seine Armbanduhr.Sie zeigte,daß es zehn Minuten nach drei war.
Die Zentrale war von der Alpha-Schicht besetzt,zu der auch Master Chief Wilson zählte.Er hatte sich kurz von der Steuerstation entschuldigt und hatte sich zum Kommandanten neben die Wachstation gestellt.
"Sir?" fragte er.
Hamilton schaute auf:"Ja,Chief?"
"Haben sie länger nicht mehr geschlafen?"
"Nur etwa 28 Stunden,Chief.Nicht der Rede wert." entgegnete er.
Wilson setzte ein ernstes Gesicht auf:"Bei allem Respekt,Skipper.Aber es ist dringend notwendig,daß sie ausgeruht sind.Wirklich!"
"Chief,ich muß sagen,ihre Fürsorge ehrt sie.Aber im Moment kann ich nicht schlafen.Da draußen..." Er deutete mit der Hand nach vorne. "...da draußen ist ein russisches Jagd-U-Boot,das uns vernichten will.Und erst wenn dieser Kerl nicht mehr da ist,dann kann ich schlafen."
"Ja,Sir." nickte Wilson und ging zu seiner Station zurück.
"Commander,ihr Kaffee."
Die Ordonanz reichte dem Kommandanten eine Tasse.
Hamilton nickte dankbar und nahm drei Schluck,ehe er sie wieder abstellte.
"Mister Anderson,zeigen sie mir unser Suchraster auf dem Plottisch." meinte er.
Der Navigator deutete auf die Karte:"Hier,Skipper.Bis vor zehn Minuten hielten wir am Rande des Telonus-Grabens Kurs Richtung 215.Jetzt sind wir für weitere zwanzig Minuten auf Kurs 119.Damit wäre das Suchquadrat vollständig,Sir."
"Hmmh." Hamilton rieb sich seine müden Augen und versuchte,sich zu konzentrieren.
"Danke."
Er griff nach dem Hörer des Bordtelefons und drückte eine Taste.
"Brücke an Sonar."
Ensign Rogers meldete sich sofort:"Rogers hier,Sir."
"Melden sie alle Kontakte,Ensign." befahl Hamilton knapp.
"Keine Kontakte,runderherum frei." folgte sogleich die Meldung.
"Gut.Halten sie weiter die Ohren offen." Der Skipper hängte den Hörer ein.
Er warf dem Navigator einen kurzen Blick zu:"Sie übernehmen,Lieutenant."
"Aye,Skipper." nickte dieser.
Anderson schaute sich angespannt um.Noch immer war das Boot in Gefechtsbereitschaft,das Rotlicht in der Zentrale war eingeschaltet.Es war ungewöhnlich ruhig im Boot.Nicht,daß es sonst wirklich laut gewesen wäre.Aber als U-Boot-Fahrer merkte man sofort,wenn sich der Geräuschpegel senkte.
"COB,neuer Kurs auf Steuerbord,Richtung zwo sieben drei." befahl er.
Chief Wilson nickte nur knapp und wies die Rudergänger an,auf den neuen Kurs zu drehen.Die Norfolk nahm die Suche im nächsten Planquadrat wieder auf.
Urplötzlich ertönte eine Meldung:
"Sonar an Brücke,neuer Kontakt,Sierra drei sechs,auf Richtung eins sieben zwo Grad!"
Anderson fragte über die Bordsprechanlage nach:"Können sie den Kontakt identifizieren,McTalbot?"
"Ja,Sir.Es ist das Akula!" erwiderte er rasch.
Der Gegner war direkt hinter ihnen aufgetaucht.Sie hatten ihn nicht bemerkt,da sie die Geschwindigkeit erhöht hatten,was die Wirkung des Sonars reduzierte.
Der Navigator drehte sich Richtung des Chief:"Hart steuerbord,beide Maschinen äußerste Kraft.Waffenoffizier,ich brauche schnellstens eine Feuerleitlösung!Rohre bewässern."
Lieutenant Bertani,der an dem BSY-1-System Dienst tat,nickte:"Aye,Sir!"
"Rufen sie den Skipper,Seaman!" ordnete Anderson lautstark an.
Bertani meldete:"Sir,der Gegner hängt direkt hinter uns!"
"Tauchen,20 Grad vorlastig,auf 800 Fuß gehen." wies Anderson den Chief an.
Das Boot sackte nach vorne weg,der Tiefenmesser glitt rasch Richtung der befohlenen Tiefe.Irgendwie mußte man aus dem Schußbereich des Russen entkommen.
"Sonar an Brücke,Torpedo im Wasser,Richtung 175.Schnell näherkommend!"
Anderson ordnete an:"Hart backbord,Täuschungskörper Steuerbord ausstoßen!"
Die Norfolk wurde in eine Kurve gezogen,während die abgefeuerten Täuschungskörper versuchten,den Torpedo abzulenken.
"Bericht,Lieutenant!"
Der Skipper hastete in Begleitung von Rayburn und Bernadetti in die Zentrale.
"Sir,das Akula tauchte plötzlich hinter uns auf.Ich habe befohlen,tiefer zu gehen.Ein Torpedo wurde auf uns abgefeuert." berichtete er hastig.
"Wo ist der Torpedo?" fragte Hamilton.
"Auf 169,Sir.Er hat die Täuschungskörper erfasst." meldete Bernadetti,der seine Station von Bertani übernommen hatte.
"Maschinen halbe Kraft,in Gegnerrichtung drehen.Wie sieht´s mit einer Feuerleitlösung aus,Mister Bernadetti?" ordnete Hamilton an.
Dem Waffenoffizier war deutlich die Belastung anzusehen.Aber mit ruhiger Stimme,wie sonst auch,berichtete er:"Wir sind bereit,Sir."
"Brücke an Sonar,melden sie den Kontakt."
"Sonar an Brücke,Kontakt auf null eins eins,Skipper." meldete McTalbot.
Der Kommandant zögerte nicht lange und erteilte den Feuerbefehl.Eine bessere Möglichkeit würden sie nicht kriegen.
"Außenklappen öffnen,Feuer nach Auffasspunkt." befahl er knapp.
Bernadetti führte die Anweisungen aus.Die beiden Torpedoklappen wurden geöffnet,die Geschosse abgefeuert.
Hamilton hielt eine Stoppuhr in seiner rechten Hand.Die Torpedlaufzeit würde nicht über 10 Sekunden liegen,ansonsten hätten sie so oder so ihr Ziel verfehlt.
"Torpedo erfasst Ziel,Skipper!" Die Stimme von Bernadetti überschlug sich fast.
Der Skipper erwiderte:"Neuer Kurs,null zwo drei.Auf Tiefe vier null null gehen."
Das Boot stieg erneut und wechselte seine Richtung.Jedoch behielt es das Akula in optimaler Schussposition.
"Restlaufzeit vier Sekunden." sagte Hamilton mit ruhiger Stimme.
Ein knapper Blick auf die Sonaranzeige der Brücke zeigte,daß das russische Jagd-U-Boot versuchte,dem Geschoss zu entkommen.Der zweite Torpedo war abgelenkt worden.
Diese Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt.Ein ohrenbetäubendes Krachen zeigte an,daß das Akula von dem Torpedo getroffen worden war.Das war sein Ende.
In der Zentrale brach Jubel aus.
"Ziel vernichtet,Skipper." meldete das Sonar sofort.
Hamilton beteiligte sich nicht am allgemeinen Jubel,sondern starrte immer noch auf den Sonarbildschirm.Und das war auch gut so.
Urplötzlich tauchte ein Torpedo auf dem Schirm auf.Er war vermutlich noch vor Vernichtung des Torpedos abgefeuert worden.
"Torpedo auf 166 Grad,Sir!Schnell näherkommend!" schrie Bernadetti.
Hamilton fuhr herum und blickte Chief Wilson an:"Auf Tiefe zwölfhundert Fuß gehen,beide Maschinen äußerste Kraft.30 Grad vorlastig!"
Die Norfolk sackte aprupt durch und erhöhte weiter ihre Geschwindigkeit,als sie in die Tiefe raste.
"Torpedo weiter hinter uns her!" kam die Meldung des Sonars.
Der Kommandant rief entgegen:"Täuschungskörper Backbord ausstoßen,Ruder hart Steuerbord.LOS!"
Während die Täuschungskörper abgefeuert wurden,drehte sich das Boot in die Gegenrichtung.
Doch das Manöver mißlang.Der Torpedo hatte noch immer die Norfolk erfasst.
"Torpedoentfernung 200 Yards,Sir!"
Hamilton befahl mit einem Seitenblick auf den Tiefenmesser,der bereits 1000 Fuß anzeigte:"Tiefer gehen!Weiter mit 30 Grad vorlastig!"
"Sir,das Boot wird draufgehen,wenn wir die Maximaltiefe überschreiten!" gab der Chief of the Boat zu bedenken.
Der Skipper schüttelte den Kopf:"Wenn wir nicht tiefer gehen,dann erst recht!"
"Aye,Sir." nickte Wilson.
Gebannt starrte Hamilton auf den Sonarbildschirm.Der Torpedo war nur rund 150 Yards hinter ihrem Heck.Wenn er sie traf,bedeutete das den Tod für alle an Bord.
"Ausläufer des unterseeischen Gebirges direkt voraus,Sir." meldete Anderson.
Sofort war die Aufmerksamkeit Hamilton´s bei dem Navigator:"Können wir das nutzen?Manövrieren sie uns durch diesen Spalt durch,er ist breit genug."
"Ja,Sir.Wenn wir kurz vorher einen Täuschungskörper ausstoßen,dann funktioniert es vieleicht!" meinte der 1.Offizier zustimmend.
Hamilton nickte:"Dann los.COB,bringen sie uns da durch."
"Also gut,Jungs.Ganz ruhig,das ist wie eine Fahrt auf dem Highway." meinte er zu den Rudergängern,denen vor diesem Manöver graute.Sie wußten,ein Fehler ihrerseits,und die Norfolk würde nie mehr die Oberfläche erreichen.
Aber sie reagierten sicher und exakt.Das U-Boot durchquerte eine Spalte des Gebirges und stieß einen weiteren Täuschungskörper aus.
Diesmal funktionierte es.Der Torpedo erfasste ihn und detonierte in einer Felswand.
Die Erschütterungen erreichten die Norfolk dennoch.Einige Gesteinsbrocken,die durch die Explosion losgelöst worden waren,trafen das Boot.
Hamilton griff sich das Mikro der Bordsprechanlage:"An alle Abteilungen: Schadensmeldung an Brücke,sofort!"
"Maschinenraum an Brücke,Wassereinbruch achtern,ist unter Kontrolle." kam die erste Meldung von Chefingenieur McBright.
"Torpedoraum an Brücke,Rohr 1 und 2 sind infolge Treffers ausgefallen.Außenklappen sind in geöffnetem Zustand verklemmt." meldete sich Lieutenant Bertani.
Hamilton nickte Rayburn zu:"XO,nehmen sie die Berichte auf und teilen sie die Reparaturteams ein.So schnell wie möglich."
"Aye,aye,Sir." nickte Rayburn.
Dann wandte sich der Skipper an Wilson.
"COB,bringen sie uns auf Periskoptiefe.Maschinen alle voraus ein Drittel." meinte er.
Der Chief erwiderte:"Mit dem größten Vergnügen,Sir."
"Funkspruch von COMSUBLANT,Sir." meinte der Funkoffizier und reichte Hamilton eine Blatt.Kurz warf dieser einen Blick drauf,dann nahm er das Mikro der Bordsprechanlage in die Hand.
"An dies gesamte Crew,hier spricht der Captain.Gefechtszustand beendet.Der Oberkommandierende der Atlantik-U-Boote sendet uns seinen persönlichen Glückwunsch.Wir sollen laut ihm Groton anlaufen.Wir fahren nach Hause."
In der Kommandozentrale und auch sonst an jeder Ecke des Bootes brauste Jubel auf.Groton war der Heimathafen der Norfolk,hier hatten die meisten Leute Familie und Freunde.
"Mister Anderson,errechnen sie einen Hochgeschwindigkeitskurs nach Groton,Conneticut.Ich habe so langsam den Wunsch,mal wieder die Heimat zu sehen." wies er den Navigator an.
Anderson lächelte:"Ja,Sir." Dann wandte er sich der Seekarte zu.
"Skipper,ich würde gerne übernehmen." meinte Jeff Rayburn.
Hamilton nickte knapp:"In Ordnung,XO."
"1.Offizier übernimmt das Kommando." meldete die Ordonanz.
Der Kommandant hatte gerade erst die Zentrale verlassen,da ging Chief Wilson auf den Rayburn zu und stellte sich neben ihn.
"Sir,ich bitte um Erlaubnis,ein Privatgespräch mit Groton führen zu dürfen." flüsterte er.
Rayburn blickte ihn überrascht an:"Wieso denn das,COB?"
"Ich bitte sie,mich nicht danach zu fragen.Es hat etwas mit dem Skipper zu tun." tat er ziemlich geheimnisvoll.
"Also gut.Tun sie das." meinte der 1.Offizier.
Danny Rogers saß alleine in dem Sonarraum der Norfolk.Sie hatte die Wache von McTalbot übernommen.Auch wenn jetzt nicht mehr viel zu tun war,sie musste da sein.Sie fuhren im Moment schon in amerikanischen Hoheitsgewässern.
Hinter sich hörte sie das Schott aufgehen und drehte sich um.Es war Neil Anderson.
"Hallo.Wie geht es ihnen?" fragte er und lehnte sich gegen das Schott.
Sie lächelte ihn an.Es wurde ihr warm um´s Herz,das war fast immer so,wenn sie den Navigator sah.
"Danke gut,Sir.Setzen sie sich doch." erwiderte sie und deutete auf den Sessel neben sich.
Er folgte ihrer Aufforderung und nahm Platz.Interessiert beobachtet er sie.
"Ich habe frei und wollte sehen,ob sie sich nicht langweilen." schmunzelte er.
Danny lachte:"Wirklich,Sir?" Sie strich ihre schwarzen Haare zurück.
Er schüttelte knapp den Kopf:"Natürlich nicht." Seine Augen suchten den Kontakt zu den ihren:"Und ich hätte eine Bitte: Nennen sie mich Neil."
Erfreut reichte sie ihm die Hand hin:"Ich werde Danny genannt,Neil.Freut mich."
Er ergriff sie leicht,fast so,als hätte er Angst,er würde sie verletzen.Ihre Hand war feucht,sie war nervös.Aber das galt für ihn genauso.
"Wissen sie eigentlich,was sie mit mir anstellen?" fragte er gerade heraus.
Danny war zunächst zu überrascht,um etwas zu erwidern.
"Was stelle ich denn mit ihnen an,Neil?"
Er behielt den Blickkontakt zu ihren braunen Augen:"Ich habe tausend Schmetterlinge im Bauch,um es einfach auszudrücken.Und genau dann,wenn ich sie sehe."
Danny beugte sich vor und küsste ihn,lange und inniglich.
Als sie wieder die Augen öffente und direkt vor seinem Gesicht war,flüsterte sie:"Ich auch.Sogar mehrere Tausend,Neil."
Hamilton betrat die Kommandozentrale.Er hatte eine frische Khakiuniform angezogen,extra für ihre Ankunft im Heimathafen.Sie befanden sich noch einige Meilen entfernt,aber die Vorfreude der Crew erfüllte das Boot.
"Übernehme das Kommando."
Rayburn bestätigte:"Kommandant übernimmt das Kommando."
"Brücke an Sonar,bestätigen sie,daß rundherum frei ist." befahl der Skipper.
Danny Rogers checkte kurz die nähere Umgebung,so daß sicher war,daß keine größeres Schiff die Norfolk behinderte,wenn sie auftauchte.
"Sonar an Brücke,bestätige.Rundherum frei,Sir." meldete sie.
Der Kommandant hängte das Mikro ein und nickte Chief Wilson zu:"Auftauchen,COB.Maschinen langsam voraus."
"Aye,Sir.Anblasen Bug- und Achtertanks,wir tauchen auf."
Die Norfolk stieg merklich höher.Der Tiefenmesser glitt langsam,aber sicher,der Marke 0 zu.Dann durchbrach das Boot die Wasseroberfläche.
"Brücke besetzen,ich gehe rauf.XO,sie haben die Zentrale." meinte Hamilton knapp.
Einen schöneren Tag für eine Heimkehr hätte sich wohl niemand ausdenken können.Über der Küste strahlte die Sonne,als die Norfolk sich dem Anlegeplatz in der Groton Naval Submarine Base näherte.Die Maschinen machten kleine Fahrt,gerade ausreichend,daß sich das U-Boot von der Stelle bewegte.
Hamilton war nochmals hochkonzentriert.Am Pier standen an die hundert Menschen,viele davon in Zivilkleidung.Es waren Angehörige der Crew,die zumeist hier im Stützpunkt wohnten.Vor dieser Menschenmasse wollte er ein ordentliches Anlegemanöver hinlegen.
"Maschinen stopp,Ruder mittschiffs.Bug- und Achterleinen über." ordnete er an.
Die Crewmitglieder warfen die schweren Leine zum Pier hinüber.Ein letztes Mal korrigierte Hamilton knapp die Richtung,dann berührte das Boot die Pierwand.Die Leinen wurden festgemacht,das Boot lag ruhig.
Hamilton nahm sich das Mikro der Bordsprechanlage:"XO,Reaktor runterfahren auf Minimalleistung.Lassen sie die dienstfreie Crew auf dem Achterdeck antreten.Sofort!"
Achtzig Crewmitglieder waren auf dem Deck angetreten.In der ersten Reihe standen die jeweiligen Offiziere und Abteilungsleiter sowie die Chiefs.Rayburn hatte,wie allgemein üblich,seinen Platz neben Hamilton eingenommen,der links seiner Crew stand.
Er beobachtete,wie ein Landungssteg vom Pier herübergeschoben wurde.Ein dunkelblauer Cadillac war angekommen,ihm entstiegen zwei Offiziere,die die weiße Uniform trugen.Aus der Ferne konnte Hamilton sehen,daß es sich beim dem einen um Vice Admiral Ross Brown handelte,den Kommandeur der Marinebasis Groton.Der zweite Offizier war wohl sein Adjudant,Lieutenant Collins.
Die beiden Männer gingen über den Steg und betraten das Deck der Norfolk.
"Besatzung stillgestanden!" rief Hamilton mit lauter Stimme und ging vor,um die Gäste zu begrüßen.
"Bitte um Erlaubnis,an Bord zu kommen." sagte der Admiral gemäß der Marinetradition.
Hamilton nahm Haltung an und salutierte:"Erlaubnis erteilt,Sir.Willkommen an Bord der Norfolk,Admiral.Das gilt natürlich auf für sie,Lieutenant."
"Stehen sie bequem,Commander." bat Brown und reichte ihm die Hand.
Gemeinsam schritten sie die Front der Crew ab,anschließend ließ Hamilton sie rühren.
"Meinen Glückwunsch,Commander.Sie haben excellente Arbeit geleistet.Sie und ihre Crew." meinte der Admiral anerkennend.
Er nickte:"Vielen Dank,Sir."
"Sie und jedes Crewmitglied der Norfolk erhält zwei Wochen Urlaub,das haben sie sich redlich verdient.Und ich muß mich nachher noch mit ihnen unterhalten.Es geht um eine neue Verwendung für sie.Falls sie Interesse haben." Brown tat geheimnisvoll.
Der Kommandant war irritiert:"Admiral,können sie genauer werden?"
"Natürlich,Commander.Ich biete ihnen an,hier an der U-Boot-Schule als Ausbilder zu arbeiten.Sie würden damit die Möglichkeit haben,ihre Erfahrungen an den Nachwuchs weiterzugeben." antwortete Brown sofort.
"Habe ich Bedenkzeit,Sir?" fragte Hamilton unsicher.
"Die haben sie,Commander.Lassen sie mich ihre Entscheidung wissen."
Er wandte sich an seinen Adjudanten:"Wir werden unsere Inspektion beenden,Marc."
"Auf Wiedersehen." verabschiedete er sich und verließ gemeinsam mit dem Lieutenant die Norfolk.
Hamilton wandte sich wieder seiner Crew zu:"Ich setze sie alle davon in Kenntniss,daß wir zwei Wochen Urlaub erhalten haben.Diesen können sie,sofern nicht für irgendwelche Wachen eingeteilt,sofort antreten.Sie alle haben zum Erfolg dieser Mission beigetragen und verdienen dadurch den Dank aller,die wir beschützt haben."
In den Gesichtern seiner Untergebener war die Freude über den unerhofften Urlaub zu sehen.Länger wollte er seine Leute nicht mehr aufhalten.
"Mannschaft wegreten lassen,COB!" befahl er.
Chief Wilson nickte und rief:"Teileinheitsführer übernehmen.WEGTRETEN!"
In Windeseile waren die Männer verschwunden.Die meisten von ihnen hatten die Sachen bereits gepackt und verließen das Boot kurz darauf.
Wilson gesellte sich zu Hamilton,der noch alleine auf dem Achterdeck stand.
"Andrew,wollen sie nicht an Land gehen?" fragte er.
Der Skipper blickte ihn an:"Wer würde denn auf mich dort warten?"
"Sicher ist jemand für sie da,glauben sie mir." erwiderte er sofort und lächelte.
Verduzt blickte er ihn an:"Was haben sie angestellt,Ted?"
"Nichts,was sie ärgern wird." meinte er nur und ging weg.
Hamilton überlegte,ihm fiel aber nicht ein,was Wilson getan haben könnte.Er entschloss sich,es einfach auszuprobieren.Er überquerte den Steg und schaute sich in der Menschenmasse um,die immer noch am Pier stand.Viele seine Crewmitglieder hatten ihre Familien gefunden.Angestrengt schaute er sich um.Dann sah er sie.
Sie hatten sich sechs Monate nicht gesehen,aber sie hatte sich kein bißchen verändert.Celine sah genauso bezaubernd aus wie immer.Ihre schulterlangen,blonden Haare und ihre tiefen,grünen Augen,die aus dem wunderbaren Gesicht förmlich herausstachen,all das war immer noch so,wie er es sich in seiner Vorstellun bewahrt hatte.
Sie kam auf ihn zu und umarmte ihn fest.Hamilton war zunächst überrascht,hielt sie dann aber ebenfalls fest.Erst nach einigen Minuten ließen sie sich gegenseitig los.
Ihre Augen waren feucht,das sah er deutlich.
"Celine,was machst du hier?" Das war alles,was er herausbrachte.
Sie legte den Kopf keck zur Seite und erwiderte:"Ich musste dich sehen.Und wie mir ein guter Freund mitteilte,wolltest du das auch."
"Chief Wilson.Ich dachte es mir." meinte er nur und lächelte.
Sie nickte:"Ja.Der Chief rief mich an und bat mich zu kommen."
"Und jetzt bist du hier.Es ist so schön,ich freue mich." Hamilton musste sich seine Tränen verkneifen,er war ihnen nahe.
"Gehst du mit mir spazieren,Andy?" fragte sie.
Hand in Hand schlenderten sie den Pier entlang,an dem mehrere Jagd-U-Boote vertäut lagen.Er bemerkte,daß sich Celine intensiv die Boote anschaute.
"Was denkst du,Celine?" fragte er.
Sie blickte ihn kurz an und meinte:"Ich würde gerne wieder mit dir zusammen sein,Andy.Glaub mir das bitte."
"Aber?" Er hob den Kopf.
Sie schüttelte den Kopf:"Nichts aber.Das hängt nicht davon ab,daß du immer da bist.Ich will dich aber nicht mehr verlieren.Ich glaube fest,daß wir zusammen gehören."
"Aber wie wirst du denken,wenn ich wieder auf See bin?Glaubst du,ich weiß nicht,wie schwer das sein kann?" wollte er wissen.
Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und küsste ihn urplötzlich.
"Andy,du liebst dieses Leben,die U-Boot-Fahrerei,viel zu sehr.Was wäre ich für eine Frau für dich,wenn ich dir das nehmen wollte?"
"Celine,Admiral Brown,das ist mein Vorgesetzter,hat mir eine Stelle hier in Groton angeboten.Ich soll Ausbilder für U-Boot-Personal werden."
Sie wiegte leicht den Kopf:"Tue es nur,wenn du es selbst möchtest.Nicht nur wegen mir.Denn das würdest du mir nie verzeihen.Ich meine,was denkst du dann,wenn die Boote auslaufen und du bleibst zurück?"
"Ich werde es mir überlegen,Liebes.Also,sind wir wieder ein Paar?" entgegnete er.
Sie nahm ihn in den Arm und küsste ihn lange und inniglich.
"Reicht dir das als Antwort?"
Tag der Veröffentlichung: 05.10.2008
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meinen Bruder Heiko