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Vorgeschichte:


Doctor Ralph Conrad ist Exobiologe und lebt auf der Erde, in Arizona (amerikanischer Kontinent), genauer gesagt in Phoenix. Dort ist er als Professor an der Arizona State University tätig. Er ist geschieden, hat einen 11-jährigen Sohn. Seine Exfrau und sein Sohn leben ebenfalls auf der Erde, in Wiesbaden (europäischer Kontinent).
Conrad hat während seines Studiums auf Drängen seines Vaters (der Admiral der Sternenflotte war) die Reserve-Offiziers-Ausbildung gemacht. Seine letzte Reserveübung liegt schon fünf Jahre zurück, und er hat selbst auch kein großes Interesse mehr an der Sternenflotte.
So viel zum vorherigen Geschehen dieser Geschichte...
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Der Himmel war wolkenlos, die Sonne brannte erbarmungslos auf die Stadt herunter. Es war Mittagszeit auf dem Campus der Arizona State University, kurz A.S.U. genannt.
Doctor Ralph Conrad, Inhaber des Lehrstuhls für Exobiologie an der Universität, saß im Park auf einer Bank und döste vor sich hin. Seine verdiente Mittagspause, die exakt 45 Minuten dauern würde, war ihm mehr als heilig. Er dachte etwas darüber nach, dass in wenigen Tagen die Semesterferien beginnen würden und er vor hatte, zu seiner Exfrau Julia und seinem Sohn Sebastian nach Wiesbaden zu fahren. Seit nunmehr drei Jahren war er von ihr geschieden, ihr Verhältnis hatte sich wieder normalisiert. Er freute sich bereits darauf.
"Guten Tag, Professor," erklang eine Stimme von rechts.
Conrad öffnete die Augen und erkannte Phil Baxter, einen seiner Studenten. Der junge Mann half ihm des öfteren bei Recherchen und diversen Arbeiten.
"Phil, wieso machen Sie sich nicht einen schönen Nachmittag im Pool?"
Der Student lächelte: "Sie wissen doch, ich habe noch etwas für Sie zu erledigen. Die Analyse der Proben von Cestrus II, Sie erinnern sich?"
Gelangweilt schüttelte Conrad den Kopf: "Nein, nicht wirklich. Ist das eilig?"
"Oh ja. Das Forschungsinstitut auf Izar hat uns bereits vergangene Woche darum gebeten."
Conrad blickte ihn an: "Was würde ich nur ohne Sie machen, Phil?"
"Sie würden schon zurecht kommen, Professor," erwiderte dieser.
Er stand auf. "Sie sind zu bescheiden. Nehmen Sie sich jetzt frei, ich regle das schon. Ihre Freundin freut sich sicher, wenn Sie etwas mit ihr unternehmen."
"Danke sehr. Aber ich würde es gerne noch erledigen." entgegnete Baxter.
Conrad schüttelte den Kopf. "Jasmin wartet sicher bereits. Gehen Sie."
"In Ordnung. Bis morgen, Professor," meinte der Student und entfernte sich.
Sein Professor schaute ihm hinterher. "Der überarbeitet sich eines Tages. Diese jungen Leute," dachte sich Conrad. Er selbst war 35, fühlte sich auch keinen Tag älter, ganz im Gegenteil. Er war unabhängig, unternahm gerne und viel etwas.
Sein Kommunikator piepte kurz. Er hasste dieses Ding, aber er musste häufig erreichbar sein.
"Hier Conrad."
"Professor, in ihrem Büro ist ein Gespräch für Sie," erwiderte seine Sekretärin.
"In Ordnung, bin gleich da." Conrad seufzte. Seine Pause konnte er vergessen.

Er ließ sich in seinen geliebten, abgenutzten Ledersessel sinken. Das Chaos aus Datenpads auf seinem Schreibtisch war in einer perfekten Art organisiert, die nur er verstand. Der Bildschirm leuchtete auf. Dann erschien das Logo des Sternenflottenkommandos darauf.
"Das kann doch unmöglich wahr sein," dachte sich Conrad noch entsetzt.
Die Anzeige wechselte und ein Offizier der Sternenflotte erschien, der dem Dienstgrad nach ein 2-Sterne-Admiral war.
"Guten Tag, Doctor Conrad. Ich bin Admiral Peter Blake," begrüßte dieser ihn freundlich.
Eigentlich heisst es Professor, dachte sich Conrad. Egal.
"Guten Tag, Admiral. Was kann ich für Sie tun?" fragte er höflich zurück.
"Ich wollte Sie darüber informieren, dass wir Sie zu einer Reserveübung anfordern werden. Sie haben hoffenlich nichts weiteres in den nächsten sechs Wochen vor?"
Conrad wäre fast geplatzt. Meinte der Admiral nichts, außer einen Urlaub mit seiner Familie zu machen? Die Selbstverständlichkeit, mit der die Worte des Admirals herauskamen, brachte Conrad auf die Palme.
"Ich muss mich wohl verhört haben, Admiral. Ich bin absolut nicht bereit, eine Übung abzuleisten," erwiderte Conrad bestimmt.
Der Gesichtszüge des Admirals verhärteten sich. "Mister Conrad, Sie sind bei uns noch als aktiver Reserveoffizier gelistet. Wir brauchen Sie. Und Sie wissen ja auch sicher, dass Sie sich für diese Art der Verwendungen verpflichtet haben. Bis zum vollendeten 40. Lebensjahr."
Verflucht, dachte sich Conrad. Er hatte recht. Diese Klausel war in seinem Vertrag der Reserveoffiziersausbildung enthalten gewesen.
"Kann man denn da gar nichts machen, Sir? Mir ist diese Sache äußerst ungeschickt, müssen Sie wissen," versuchte er es auf die sanfte Tour.
Ein Kopfschütteln war die Antwort. "Nein, Doctor. Das ist leider nicht möglich."
"Und wann und wo soll ich mich melden?" fragte Conrad mit einer gewissen Resignation.
"Kommen Sie Montag nächster Woche ins Sternenflottenhauptquartier und melden Sie sich bei mir. Ist Ihnen 10 Uhr angenehm?"
Conrad nickte: "Ja, Sir."
"Dann bis dahin, Doctor Conrad. Blake Ende."
Der Bildschirm erlosch.
Das darf doch nicht wahr sein, dachte er sich. Er stützte den Kopf auf seinen Händen auf.

Ein heiseres Lachen war die Antwort, als er die Geschichte seinem Kollegen, Doctor Frank Pearce, erzählte.
"Du wirst eingezogen?" Pearce lachte nochmals knapp und trank einen Schluck Kaffee.
Conrad schüttelte den Kopf. "Danke, Frank. Sehr mitfühlend von Dir!"
"Ach komm schon, Ralph. Du hast Dich halt damals verpflichtet, das ist jetzt natürlich sehr ungeschickt. Gibts denn keine Möglichkeit, Dich davor zu drücken?"
"Leider nein. Ich hab vorhin mit einem alten Freund geredet, der in der juristischen Abteilung der Sternenflotte arbeitet. Wenn die einen wollen, verfolgen sie ihn bis an das Ende dieses Quadranten...und vielleicht noch drüber hinaus," erwiderte Conrad.
"Dann wirst Du wohl wieder die Uniform anziehen müssen, alter Freund."
Ein geknicktes Nicken war die einzige Antwort darauf.


"Doctor Ralph Conrad, persönliche Aufzeichnungen, Sternzeit 50589, 1.
Ich muss mich heute auf den Weg nach San Francisco machen, wo ich mich im Büro des Admirals vorstellen soll. Ich bin gespannt, wo man mich einsetzen will. Vielleicht ergibt sich hier die letzte Chance, dieser Übung zu entgehen."

Der AirBus, ein Shuttle für den allgemeinen Personenverkehr auf der Erde, hatte ihn direkt auf dem Dach des Sternenflotten-Hauptquartiers abgesetzt. Er hatte seine Zivilkleidung an, einen seiner besten Anzüge. Immerhin wollte er nicht unangenehm auffallen.
Er betrat das bezeichnete Stockwerk und steuerte das Büro an, welches ihm genannt worden war. Eine junge Frau saß am Schreibtisch des Vorzimmers.
"Guten Morgen. Ich bin Ralph Conrad, ich soll mich bei Admiral Blake melden."
Die junge Frau nickte: "Natürlich, Doctor Conrad. Bitte, gehen Sie rein. Er erwartet Sie."
Conrad betrat das Büro, der Admiral erhob sich aus seinem Sessel und ging auf ihn zu.
"Doctor Conrad, willkommen im Hauptquartier der Sternenflotte. Hatten Sie einen angenehmen Flug?" fragte Admiral Blake freundlich.
"Ja, danke sehr, Admiral." erwiderte Conrad möglichst freundlich.
Der Admiral deutete auf eine Sitzgruppe mit zwei Sofas. "Setzen wir uns doch."
Beide nahmen sie Platz. Conrad sah Blake erwartungsvoll an.
"Sie möchten sicherlich wissen, was wir für Sie haben," stellte Blake fest.
Conrad nahm einen Schluck aus der angebotenen Kaffeetasse und antwortete: "Ja, Sir."
"Gut." Der Admiral räusperte sich. "Ihre letzte Übung endete ja mit einer excellenten Bewertung, Doctor. Sie haben auf der U.S.S. Surak als stellvertretender Wissenschaftsoffizier sehr gute Arbeit geleistet, die Vulkanier waren beendruckt."
"Danke sehr. Es war eine sehr interessante Zeit an Bord."
Ein Lächeln huschte dem Admiral über´s Gesicht. "Dann wird Ihnen ihre neue Aufgabe sicher auch gefallen, Doctor. Sie werden die nächsten sechs Wochen als erster Offizier an Bord eines Forschungsschiffes dienen, der U.S.S. Flagstaff."
Conrad antwortete nicht sofort, sondern dachte erst nach. Zweiter kommandierender Offizier eines Schiffes, diese Verantwortung hatte er bis jetzt noch nie übernommen. Er war Wissenschaftler, kein Kommandeur.
"Sir, ich bin vielleicht nicht der geeignete Mann für diese Position. Haben Sie keine Verwendung als Wissenschaftsoffizier für mich?" entgegnete er.
"Aber Doctor, Sie unterschätzen sich. Laut ihrer Akte verfügen Sie über bemerkenswerte Führungsqualitäten, ihre Untergebenen sind immer sehr loyal Ihnen gegenüber gewesen."
"Was ist die Flagstaff für ein Schiff, Sir?" wollte Conrad wissen. Seine Neugier hatte gesiegt.
Admiral Blake lächelte. "Sehr gut. Sehen Sie." Er schaltete den Wandbildschirm an, dort wurde ein Schiff angezeigt, inklusive der Schnittzeichnungen, die das Innere zeigten.
Es war ein kleineres Schiff, welches über großzügige Forschungslabore verfügte. Die technischen Daten wiesen darauf hin, dass es wohl ausschließlich dem Zweck der Forschung diente. Seine Maschinenleistung ließ eine Höchstgeschwindigkeit von maximal Warp 8 zu, die Waffenkapazität war eingeschränkt, obgleich das Schiff für seine Größe sicher ausreichend bewaffnet war.
"Ah, die neue Nova-Klasse. Ich habe davon gehört," bemerkte Conrad.
"Ja, genau. Wir sind sehr stolz auf diese Schiffe. Sie sind natürlich erheblich kleiner als die großen Schiffe der Galaxy- oder Sovereign-Klasse, aber sie haben ihre Stärken im forscherischen Bereich," meinte der Admiral.
"Welchen Auftrag hat die Flagstaff erhalten?" fragte Conrad.
"Der Captain wird Sie einweisen, Doctor. Haben Sie sonst noch Fragen?"
"Wann soll ich mich an Bord melden?" wollte Conrad wissen.
Der Admiral antwortete: "In vier Tagen. Man wird Sie mit einem Kuriershuttle zur Jupiter Station bringen, dort liegt die Flagstaff gerade."
Beide erhoben sich, schüttelten sich kurz die Hände.
"Ach ja, lassen Sie sich von der Ausrüstungskammer neu einkleiden. Seit ihrem letzten Einsatz haben sich die Uniformen geändert," bemerkte der Admiral noch.
Conrad hatte dies noch gar nicht so wahrgenommen. Die Uniformen bestanden aus einen Untershirt, welches die Farbe der Abteilung aufwies, sowie einem Oberteil, welches schwarz und oben grau war. An den Ärmeln konnte man ebenfalls die Abteilung erkennen.
"Natürlich, Sir. Auf Wiedersehen."
"Viel Erfolg, Doctor," wünschte Blake zum Abschied.

Conrad war gerade dabei, seine Habseligkeiten einzupacken, als seine Nachbarin, Cindy Wallace, hereinkam.
"Ralph, gehen Sie auf Reisen?" fragte die rüstige ältere Dame neugierig.
Conrad unterbrach die Packerei und sah sie an. "Ich muss zu einer Reserveübung der Sternenflotte, Cindy. Die nächsten sechs Wochen werden Sie auf mich verzichten müssen."
"Wirklich? Das ist ja interessant!" entfuhr es Misses Wallace.
Conrad lächelte etwas gequält. "Würden Sie sich um Luke kümmern?"
"Aber gerne, wo ist er denn?"
Er schaute sich um. Luke, sein schwarzer Kater, hatte sich wieder einmal versteckt.
"Müsste irgendwo in der Gegend sein. Er kommt sicher, wenn er Hunger hat. Vielen Dank, Cindy. Ich bringe Ihnen auch etwas mit," meinte Conrad knapp.
Die ältere Dame verabschiedete sich. "Dann alles Gute, Ralph. Kommen Sie gesund wieder."
"Ich werde es versuchen," entgegnete Ralph.
Er war nach kurzer Zeit fertig, hatte zwei Reisetaschen gepackt. Viel würde er nicht brauchen. Jetzt wollte er sich nur noch kurz umziehen. Er ging zum Bett, auf dem sorgfältig seine Uniform lag. Als künftiger erster Offizier trug er die rote Farbe der Kommandoabteilung, nicht wie zuvor die blaue Farbe der wissenschaftlichen Abteilungen.
Conrad zog die Uniform an, steckte den Kommunikator an, der die Form des Sternenflottenlogos hatte. Dann trat er vor den Spiegel und befestigte die drei goldenen, runden Abzeichen nebeneinander an der rechten Seite des Untershirts. Dies zeigte seinen Dienstgrad an, Commander senior class.
"Fertig," meinte er zu sich selbst.
Er hatte von der Koordinationsabteilung die Mitteilung erhalten, dass das Kuriershuttle ihn hochbeamen würde, sobald er fertig war.
Er tippte den Kommunikator an: "Conrad an U.S.S. Mittenwald."
"Hier ist die Mittenwald. Wir hören Sie," erklang eine Stimme.
"Ich bin bereit zum Hochbeamen. Erfassen Sie mich und meine zwei Gepäckstücke."
"Positiv, Commander. Bereithalten," erwiderte die Stimme.
Conrad fühlte den kalten Hauch des Transporterstrahls, dann wurde er erfasst und entmaterialisierte.

Als er wieder eine normale Umgebung wahrnahm, befand er sich in einem Shuttle der Klasse 6. Diese Schiffe verfügten über einen Warpantrieb und wurden für Kurierflüge im irdischen System eingesetzt.
Ein junger Mann in einer Sternenflottenuniform, der die Dienstgradabzeichen eines Fähnrichs trug, begrüßte ihn.
"Willkommen an Bord, Commander Conrad. Ich bin Fähnrich Allenby, ich werde Sie zur Jupiter-Station fliegen. Möchten Sie sich zu mir nach vorne setzen?"
Conrad nickte: "Danke, Fähnrich. Gerne."
Die beiden gingen nach vorne ins Cockpit des Shuttles. Allenby nahm den linken Platz des Piloten ein, Conrad den des Copiloten.
"Lehnen Sie sich zurück, Sir," meinte der junge Offizier und lächelte.
Zwei Stunden später hatte das Shuttle sein Ziel erreicht. Die Jupiter-Station, ein riesiges Gebilde in der Umlaufbahn des Planeten Jupiter, war in Sichtweite. Mehrere Schiffe lagen angedockt am äußeren Rand der Station, an den sogenannten Dockpylonen.
"Wir sind fast da, Sir," bemerkte Allenby, während er das Shuttle verlangsamte.
Conrad sah hinaus, um vielleicht einen Blick auf sein Schiff zu erhaschen.
"Dort, Sir. Das ist die Flagstaff," meinte der Pilot und deutete aus dem Fenster.
Jetzt erkannte Conrad das Schiff. Die Flagstaff lag gedockt da, ihre Positionslichter waren jedoch aktiviert, auch die Lichter im Inneren des Schiffes. Es schien so, als herrschte geschäftiges Treiben an Bord. Als er die U.S.S. Flagstaff so sah, dachte sich Conrad, dass es schon ein recht elegantes Schiff war. Die Flagstaff war laut den Spezifikationen 165 Meter lang, 82 Meter breit und 32 Meter hoch. Sie verfügte über 8 Decks, hatte eine Crewstärke von 80 Personen. Für Sternenflottenverhältnisse war sie ein kleineres Schiff, konnte aber dennoch bis zu zwei Jahre ohne Versorgung durch eine Werft oder Raumbasis operieren.
"Wir sind klar zum Landen, Sir," bemerkte Allenby.
Conrad nickte: "Fliegen Sie uns rein."
"Aye." Allenby öffnete einen Kom-Kanal. "Shuttle Mittenwald an U.S.S. Flagstaff."
"Hier Flagstaff. Sprechen Sie," ertönte eine weibliche Stimme.
"Ich habe Commander Conrad an Bord. Erbitte Erlaubnis zum Landen."
"Bestätigt. Transferieren Sie die Steuerkontrolle an unseren Landecomputer."
Allenby berührte einige Schaltflächen, dann übernahm der Computer der Flagstaff die Steuerung des Shuttles. Es wurde zum Heck des Schiffes gewendet, dann begann die Landung. Die Hangartore öffneten sich, das Shuttle flog in den Hangar hinein und setzte sanft auf. Nach wenigen Augenblicken schlossen sich die Hangartore erneut.
"Druckausgleich vorgenommen, Shuttle Mittenwald," sagte die Stimme.
Der Pilot sah Conrad an. "Sie können aussteigen, Sir. Soll ich ihr Gepäck nehmen?"
"Nein, vielen Dank, Fähnrich. Auf Wiedersehen," antwortete Conrad und erhob sich. Er ging zum Heck des Shuttles, wo die Ausstiegsluke war. Er nahm seine beiden Taschen und verließ das Schiff.
Draußen erwartete ihn ein großgewachsener Offizier mit schwarzem, sehr kurzem Haar. Er trug die gelben Abteilungsfarben der Sicherheit und die Rangabzeichen eines Lieutenants.
"Bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen," erbat Conrad in formeller Weise Zutritt.
Der Lieutenant nickte und lächelte knapp: "Erlaubnis erteilt, Sir."
Er trat einen Schritt vor und fügte hinzu: "Willkommen an Bord der U.S.S. Flagstaff, Commander. Ich bin Lieutenant Maxwell Bonalair, der taktische Offizier."
"Danke sehr, Mister Bonalair. Commander Ralph Conrad," erwiderte er.
"Ihr Gepäck wird versorgt, Sir. Der Captain hat mich angewiesen, Sie in den Konferenzraum zu führen. Dort werden Sie den restlichen Stabsoffizieren vorgestellt," meinte Bonalair.
"Tja, was soll ich da noch erwidern?" dachte sich Conrad.
Er nickte: "Aber sicher. Bitte, gehen Sie nur vor."
Bonalair führte ihn zum Turbolift, der sie beide zum Deck 1 brachte, wo die Brücke, der Konferenzraum und der Bereitschaftsraum des Captains lagen.
Beide betraten den Konferenzraum, in dem bereits der Captain und seine Stabsoffiziere warteten. Es waren fünf Personen anwesend.
"Sir, Commander Ralph Conrad meldet sich wie befohlen an Bord," vollzog Conrad formell die Meldung an den Kommandanten.
Dieser sah ihn lächelnd an und meinte: "Willkommen an Bord, Mister Conrad."
Er kam auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand. "Ich bin Captain Carl Forrester. Ich bin sehr froh, dass wir Sie jetzt hier haben. Somit wären wir komplett."
Conrad sah sich den Kommandanten an. Er war etwas größer als er, etwa 180 cm, war sehr schlank und sah wenig durchtrainiert aus. Er trug einen Vollbart, was ihn irgendwie gemütlich wirken ließ. Conrad hütete sich aber stets davor, solche Beurteilungen zu treffen.
"Vielen Dank, Captain," antwortete er respektvoll.
Forrester deutete in die Runde. "Ich möchte Ihnen gerne ihre Kollegen vorstellen. Lieutenant Bonalair kennen Sie ja bereits. Dann haben wir hier unseren Wissenschaftsoffizier und zweiten Offizier, Lieutenant Commander Jamira."
Jamira war eine Deltanerin, und wie alle Mitglieder ihrer Rasse war sie kahlköpfig. Dies ließ sie aber keineswegs weniger attraktiv erscheinen, im Gegenteil. Sie war sehr schlank, selbst mit Uniform konnte man erahnen, dass sie eine tolle Figur hatte. Sie betrachtete ihn aufmerksam, irgendwie fühlte er sich dabei unwohl.
"Sehr erfreut, Commander," meinte sie mit einer sehr sanfte Stimme.
Conrad nickte ihr zu und lächelte freundlich. "Ganz meinerseits, Miss Jamira."
Der Captain deutete auf einen blondhaarigen jungen Mann, der sehr breit gebaut war, aber ungeheuer durchtrainiert wirkte. Er trug die Rangabzeichen eines Lieutenant junior grade.
"Das ist Lucas Grafton, Einsatzoffizier."
Conrad meinte: "Guten Tag, Mister Grafton."
"Commander, willkommen bei uns," entgegnete der junge Offizier freundlich.
"Hier haben wir Lieutenant Ian McKinsey, unseren Chefingenieur."
McKinsey war von der Statur her eher untrainiert, aber nicht übergewichtig. Man konnte erkennen, dass er wohl eher an seinen Maschinen Interesse zeigte als an sportlichen Aktivitäten.
"Willkommen auf der Flagstaff, Sir," begrüßte ihn McKinsey. Er hatte einen unverkennbaren, schottischen Akzent. Conrad mochte das, er hatte selbst drei Jahre in Glasgow gelebt.
"Ich danke Ihnen, Mister McKinsey," meinte Conrad.
Der Captain deutete anschließend auf eine Frau, die schulterlange, blonde Locken hatte. Ihre schwarzen Augen fielen Conrad fast sofort auf, sie war klar eine Betazoide.
"Doctor Lara Hedican ist unser medizinischer Offizier, Commander," meinte Forrester.
Conrad blickte die Ärztin an und sagte: "Freut mich sehr, Doctor."
"Mich auch, Sir. Willkommen bei uns," meinte sie als Antwort.
Der Captain sah Conrad an. "Ich hoffe, Sie fühlen sich bei uns wohl. Es werden ja leider nur sechs Wochen sein, aber dennoch. Wenn Sie möchten, dann führe ich Sie jetzt zu ihrem Quartier. Wir haben jetzt 9 Uhr Bordzeit. Um 18 Uhr habe ich unseren Abflug angesetzt, bitte melden Sie sich um 17 Uhr bei mir im Bereitschaftsraum, damit ich Sie in die Mission einweisen kann."
"Ja, Sir," erwiderte Conrad.
Forrester deutete auf die Türe: "Dann gehen wir jetzt in ihr Quartier, Commander. Bitte."

"Commander Ralph Conrad, persönliche Aufzeichnungen, Sternzeit 50597, 3.
Ich habe mich in meinem Quartier soweit eingerichtet und bin nun gespannt, welche Aufgabe die Flagstaff erhalten hat."

Captain Forrester deutete auf den Stuhl, der vor seinem Schreibtisch im Bereitschaftsraum stand.
"Bitte, nehmen Sie Platz, Commander," sagte er.
Conrad nickte und folgte der Aufforderung. "Danke, Sir."
"Sie sind sicher daran interessiert, welche Aufgabe uns erwartet," stellte Forrester fest.
"Natürlich, Captain. Sehr sogar." antwortete der neue Erste Offizier.
Forrester lächelte. "Gut. Also, wir werden von hier aus in das Bentaras-System aufbrechen. Dort, auf dem fünften Planeten, wurden überraschenderweise Lebensformen entdeckt. Es sind Tiere, die irdischen Wölfen sehr ähneln."
"Auf Bentaras V ist doch eine Strafkolonie der Föderation, oder?" wollte Conrad wissen.
Der Kommandant nickte: "Sehr richtig, Mister Conrad. Die haben diese Wesen auch ursprünglich entdeckt."
"Müssen wir mit irgendwelchen Sicherheitsproblemen rechnen, während wir auf Bentaras V sind?" wollte Conrad wissen.
"Ich denke nein. Wir haben eigentlich mit der Kolonie nichts zu tun, auch wenn sie uns Unterstützung für die Erforschung gewähren. Bentaras V ist ein Planet der Klasse N, also ist er größtenteils mit Wasser bedeckt. Die Kolonie liegt auf einer der größeren Insel, in einer Entfernung von 30 Kilometern wurden die Wesen entdeckt."
Conrad sah in dem Moment auch keine Bedenken. Sie würden sich mit den neu entdeckten Wesen beschäftigen und sich von den Gefangenen fernhalten.
"Ich habe verstanden, Captain."
Forrester deutete zur Türe. "Dann sollten wir starten, Commander."

"Captain auf der Brücke!" meldete Commander Jamira und erhob sich aus dem Kommandosessel. Sie nahm ihren Platz an der Wissenschaftsstation ein, die sich direkt hinter den Sitzplätzen für Captain und Ersten Offizier befand.
"Danke, Commander." Forrester nahm im Kommandosessel Platz, Conrad rechts neben ihm. Links des Kommandosessels war ein weiterer Sitzplatz, der bei Bedarf von Jamira besetzt werden konnte.
"Bericht, Mister Grafton." befahl der Captain.
Der Einsatzoffizier erwiderte: "Systemdiagnosen abgeschlossen, Sir. Wir sind startklar, alle Versorgungsgüter sind an Bord. Sämtliche Crewmitglieder haben sich zurückgemeldet."
"Lieutenant Bonalair?" wandte er sich an den Taktischen Offizier.
"Waffensysteme sowie Schilde voll einsatzbereit, Sir. Torpedobestückung maximal bei 60 Stück." meldete dieser.
Der Captain nickte zufrieden. "Sehr gut. Mister Bonalair, einen Kanal zur Station öffnen."
"Offen, Sir."
"Jupiter-Station, hier ist die U.S.S. Flagstaff. Wir sind bereit zum Abflug."
Eine Stimme erwiderte: "Verstanden. Starterlaubnis erteilt. Guten Flug."
"Danke. Flagstaff Ende." Der Captain rief den Maschinenraum: "Forrester an McKinsey."
"McKinsey hier." erwiderte dieser via Sprechanlage.
"Alles in Ordnung bei Ihnen?" fragte der Captain.
"Aye, Sir. Warp- und Impulsantrieb voll zu ihrer Verfügung, Sir."
Forrester warf einen Blick zu Fähnrich Jason Marks, der an der Navigationskonsole direkt vor dem Captain saß. "Verankerungen ausklinken, Manövrierdüsen langsam voraus."
"Zu Befehl." bestätigte der Steueroffizier.
Langsam setzte sich das Forschungsschiff in Bewegung, entfernte sich von der Jupiter-Station.
"Kurs auf das Bentaras-System setzen, Geschwindigkeit Warp vier." befahl der Captain.
Marks führte die Anweisungen aus. "Programmiert, Sir."
"Beschleunigen Sie." ordnete Forrester an.
Der Warpantrieb wurde aktiviert, die Flagstaff beschleunigte auf Überlichtgeschwindigkeit.

Es war um die Mittagszeit, zumindest wenn man nach der Bordzeit ging. Conrad hatte sich zum Essen in das Casino gesetzt, welches sich auf Deck vier befand. Es war ein gemütlicher, mittelgroßer Raum, in dem man sich an kleineren Tischen hinsetzen und etwas essen oder auch nur trinken konnte. Zur Mittagszeit war es sehr voll, kein freier Tisch war mehr zu bekommen. Conrad hatte einen Teller Gemüsesuppe in den Händen und suchte nach einem freien Platz.
"Sir, suchen Sie einen Sitzplatz?" fragte ein Stimme neben ihm.
Conrad wandte den Blick in Richtung der Stimme. Sie gehörte zu einem südländisch aussehenden Mann, der fast kahlköpfig war und eine sehr durchtrainierte Figur hatte. Man konnte ihn auf Ende 30 bis Anfang 40 schätzen.
"Ja, um ehrlich zu sein." entgegnete Conrad.
Der Mann deutete auf den Platz ihm gegenüber. "Dann nehmen Sie doch den hier, Sir."
"Danke sehr." Conrad setzte sich hin. "Das war meine Rettung."
Der Mann lächelte breit. "Keine Ursache, Sir."
"Ich bin Commander Ralph Conrad, der neue Erste Offizier." stellte er sich vor.
"Das dachte ich mir. Ich bin Master Chief Patrice da Silva." erwiderte der Mann.
Conrad nickte. Da Silva war seines Wissens nach der Crewchief und Master at Arms, in dieser Funktion sorgte er für die Sicherheit und Disziplin an Bord.
"Ah, sehr gut. Dann lerne ich Sie auch gleich kennen." meinte Conrad mit echter Erfreutheit.
Der Chief schmunzelte. "Meinen Sie, dass das wichtig ist, Commander?"
"Aber natürlich. Sie sind der Crewchief, das ist eine für das Funktionieren der Crew äußerst wichtige Position." antwortete Conrad sehr überzeugt, während er einen Löffel Suppe zu sich nahm. Es schien ihm fast so, als wollte ihn der Chief gleich zu Anfang aus der Reserve locken. Warum, das schien ihm schleierhaft.
"Danke sehr. Haben Sie sich schon eingelebt, Sir?" wollte da Silva wissen.
"Etwas, denke ich. Noch nicht vollständig."
Da Silva nickte verständnisvoll. "Sowas kann auch nicht innerhalb weniger Stunden geschehen, völlig klar."
"Sicher nicht, Chief. Sind Sie schon lange an Bord?"
"Seit zwei Jahren, Sir. Seit der Indienststellung der Flagstaff." gab er zur Antwort.
Conrad hob die Augenbrauen: "Dann sind Sie ja bestens mit den Leuten hier vertraut. Ich komme vielleicht darauf zurück, Mister da Silva."
"Aber gerne, Commander. Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen. Ich muss leider zu meiner Schicht los. Auf Wiedersehen, Sir." meinte da Silva und erhob sich.
Conrad schaute ihn an. "Mich auch, Chief."

"Computerlogbuch der Flagstaff, Sternzeit 50611,2 , Captain Forrester.
Die Flagstaff nähert sich dem Bentaras-System. Auf dem siebentägigen Flug hierher hatte ich vielfache Gelegenheit, unseren neuen Ersten Offizier in Aktion zu erleben. Dafür, dass Mister Conrad seit fünf Jahren keine Uniform mehr getragen hat, ist er wirklich gut. Ich bin sehr zufrieden bis jetzt."

Conrad saß im Kommandosessel auf der Brücke. Die Beta-Schicht war im Dienst, laut Bordzeit war es 22.30 Uhr. In wenigen Minuten würde seine Ablösung in Form von Lieutenant Grafton kommen.
"Sir, wir erreichen das Bentaras-System." meldete die junge Frau, die jetzt die Navigationskonsole bediente. Sie hieß Elif Bentali, war 20 Jahre alt und stammte aus Istanbul auf der Erde. Sie hatte schwarze, schulterlange Haare und war ein südländischer Typ. Conrad hatte sich mit ihr unterhalten, als er im sogenannten "Salon" auf Deck 5 der Flagstaff eine Partie Billiard gespielt hatte. Sie war Kadett an der Sternenflottenakademie und befand sich im letzten Jahr ihrer Ausbildung. Die Tätigkeit als Steueroffizier gehörte zu ihrem Ausbildungsgang.
Conrad hob den Kopf. "In Ordnung. Unter Warp gehen, Miss Bentali." Er drehte sich zu Fähnrich Kevin McBride um, der schräg links hinter ihm an der Station des Einsatzoffiziers stand. "Scannen Sie irgendwelche Schiffe, Mister McBride?"
"Nein, Sir. Wir sind alleine sozusagen." erwiderte dieser.
Der Erste Offizier erhob sich. "Kurs auf den fünften Planeten nehmen."
"Aye, Sir." erwiderte Bentali und manövrierte die Flagstaff in die entsprechende Richtung.
Die Tür des Turbolifts öffnete sich und die Ablösung unter Lieutenant Grafton betrat die Brücke.
"Guten Tag, Lieutenant." begrüßte ihn Conrad sofort.
Die neue Schicht wechselte ihre Positionen mit den anderen Mitgliedern der Brückencrew.
"Wir sind im Bentaras-System, keine Schiffe zu entdecken. Die Hauptsensorenphalanx sammelt derzeit Informationen über das System, der Captain hat angeordnet, dass wir in einen Orbit um Bentaras V einschwenken und Sie ihn anschließend wecken." berichtete Conrad.
Der junge Lieutenant nickte: "Verstanden. Ich löse Sie ab, Sir."
Conrad wandte sich zum Gehen.
"Sir, kann ich Sie kurz sprechen?" fragte Bentali ihn.
Er drehte sich um. "Aber natürlich. Gehen wir doch in den Konferenzraum."

Etwas erschöpft ließ sich Conrad in einen der Sessel des Konferenzraumes fallen. Dieser Raum lag direkt links neben der Brücke, so dass die Offiziere jederzeit schnell auf ihren Stationen sein konnten.
Elif Bentali nahm ihm gegenüber Platz.
"In Ordnung, was kann ich für Sie tun?" fragte er sie gespannt.
Sie lächelte. "Ich wollte Sie bitten, falls es ein Außenteam gibt, dass Sie mich mitnehmen."
Conrad wollte schon etwas erwidern, da fuhr sie fort. "Ich bin eine geschickte Pilotin, Sir. Und ich kann Ihnen wirklich von Nutzen sein."
Er lachte knapp. "Sie imponieren mir, Elif. Aber gut. Ich werde sehen, was ich machen kann."
"Danke, Commander." antwortete sie erleichtert.
Er deutete zur Türe: "Und jetzt gehen Sie erstmal ein wenig schlafen. Okay?"
"Ja, das werde ich. Bis nachher, Sir." Mit diesen Worten entfernte sie sich.
Innerlich musste Conrad schmunzeln. So engagiert war er niemals gewesen, er hatte den Weg als Offizier des Reservekorps nur deshalb eingeschlagen, weil ihn sein Vater nach Beendigung seiner Schule dazu gedrängt hatte. Fleet Admiral Joseph Conrad war von 2350 bis 2357 Oberbefehlshaber der Sternenflotte. Wegen seines Vaters hatte er die Flotte immer gehasst, denn sie sorgte dafür, dass er nie zu Hause war. Aber er beugte sich seinem Vater, machte die Offiziersausbildung und verpflichtete sich danach, bis zu seinem vollendeten 40. Lebensjahr als Reserveoffizier zur Verfügung zu stehen. Fünf Reserveübungen hatte er danach mehr oder weniger gezwungenermaßen absolviert. Er war stets als fähiger, aber nicht bis in die Haarspitzen motivierter Offizier bekannt gewesen. Er fragte sich wirklich, wieso die Flotte ihn jetzt wiederholte, obgleich er doch keinerlei Interesse an diesem Dienst hatte. Bei seiner letzten Reserveübung an Bord des vulkanischen Forschungsschiffes U.S.S. Surak hatte er die Bewertung "sehr gut" erhalten, er hatte sich dabei aber weniger als Offizier der Sternenflotte sondern als Wissenschaftler gefühlt und mitgeholfen, bei einer sehr schwierigen Erforschung auf Adelphis Prime einen Erfolg zu landen.
"Zuviel grübeln bringt nichts." meinte er laut zu sich selbst und beschloss, zu Bett zu gehen.

"Computerlogbuch der Flagstaff, Sternzeit 50611,7 , Captain Forrester.
Die Flagstaff hat eine Umlaufbahn um den fünften Planeten des Bentaras-Systems eingeschwenkt. Wir sind bereit, unsere Forschungsmission zu beginnen."

Captain James Forrester stand auf der Brücke seines Schiffes und betrachtete mit einer gewissen Vorfreude den Planeten Bentaras V auf dem Hauptbildschirm. Diese Welt verfügte nur über sehr wenig Landmasse, die Mehrheit der Oberfläche wurde von Meeren eingenommen.
"In Ordnung, dann geht es los. Commander Jamira, haben Sie die erforderlichen Ausrüstungsgegenstände bereitstellen lassen?" fragte er die Wissenschaftlerin.
Die Deltanerin nickte sofort: "Ja, Sir."
"Ausgezeichnet. Ist die Coyote startbereit?" fragte der Captain.
Die U.S.S. Coyote war ein etwas größeres Shuttle der Danube-Klasse. Diese Art von Schiffen verfügte über einen eigenen, leistungsstarken Warpantrieb, Transportersystem, Bewaffnung und die Möglichkeit, zwei Wochen lang selbstständig zu operieren. Selbst beengte Quartiere für die maximal 16-köpfige Crew waren vorhanden.
"Ja, Sir." erwiderte Lucas Grafton.
Der Captain lächelte. "Dann auf in die Shuttlerampe. Miss Jamira, Mister Bonalair, Sie kommen mit. Zudem nehmen wir die exobiologische Abteilung mit. Die Lieutenants Baker und Iamoto sollen sich in der Shuttlerampe einfinden."
"Captain, ich möchte vorschlagen, dass Sie Cadet Bentali mitnehmen. Es wäre sicher eine gute Übung für sie, zudem ist sie als Pilotin sehr geschickt." schlug Conrad vor.
Forrester blickte ihn zuerst an, dann die junge Frau. "So? Nun, Miss Bentali, dann sitzen Sie am Steuer der Coyote." Er lächelte ihr aufmunternd zu.
Sie erhob sich und erwiderte: "Danke sehr, Sir."
"Commander Conrad, Sie übernehmen das Kommando. Führen Sie permanente Scans des Planeten durch, die wissenschaftlichen Abteilungen können ruhig was tun, solange wir weg sind." befahl Forrester.
Conrad antwortete: "Aye, Captain."
"Dann bis in drei Tagen, Commander." Mit diesen Worten verabschiedete sich der Captain und verließ mit den Mitgliedern des Außenteams die Brücke.

Die U.S.S. Coyote war gestartet und entfernte sich von der Flagstaff. Sie hielt Kurs auf den Planeten. Elif Bentali saß an den Steuerkontrollen, rechts neben ihr hatte Lieutenant Commander Jamira Platz genommen. Sie kommandierte das kleine Schiff. Der Rest des Außenteams, fünf weitere Personen, saß im Passagierbereich.
"Wird Zeit, dass wir die Strafkolonie rufen. Die müssen ihr Sicherheitsgitter über der Insel deaktivieren, sonst können wir nicht landen." bemerkte Jamira. Sie betätigte einige Tasten ihrer Konsole. "Strafkolonie Bentaras V, hier ist die U.S.S. Coyote."
"Sprechen Sie, Coyote." erklang eine Stimme.
"Wir sind ein Forschungsteam von der U.S.S. Flagstaff und erbitten Landeerlaubnis auf ihrer Insel." erwiderte Jamira.
"Wir haben Sie positiv identifiziert. Deaktivierung des Schutzschildes in zehn Sekunden. Sie haben dann wiederrum zehn Sekunden, den Schild zu durchfliegen, bevor er erneut aktiviert wird."
"Verstanden. Coyote Ende."
Jamira blickte Elif an. "Halten Sie Kurs und Geschwindigkeit, Cadet."
"Ja, Commander."
Das Schiff hielt auf den unsichtbaren Schutzschild zu. Kurz flackerte es vor dem Bug auf, das war das Zeichen, dass der Schild abgeschaltet war. Es passte genau. Die Coyote durchquerte den Bereich, dann war sie hindurch.
"Okay, landen Sie bei den bezeichneten Koordinaten, Miss Bentali." befahl Jamira.
Die junge Frau nickte und begann mit dem Landeanflug. Wenige Meter trennten das Schiff noch vom Boden, dann setzte sie es sanft auf.
"Antrieb abgeschaltet, Commander. Außenluft ist okay." meldete sie.
Die Deltanerin erhob sich. "Sichern Sie das Schiff."

Das Schiff mit dem Außenteam war am Rande eines kleineren Waldgebietes gelandet, welcher sich direkt an der Küste der Insel befand. Es wehte vom Meer her ein mäßig starker Wind herüber.
Jamira war damit beschäftigt, gemeinsam mit ihrem Assistenten, Petty Officer 2nd Class Mariusz Sobieski, die Ausrüstung aus der Coyote auszuladen. Cadet Bentali sicherte noch das Schiff und seine Systeme, während Captain Forrester und Lieutenant Bonalair schon dabei waren, die Umgebung auszukundschaften.
"Wohin damit, Commander?" fragte Mariusz seine Vorgesetzte. Er hielt eine Transportkiste in der Hand, welche eine mobile Laborausrüstung beinhaltete.
Die Deltanerin deutete auf den Boden. "Stellen Sie sie einfach mal ab. Wir brauchen diese Ausrüstung erst später."
Elif Bentali trat zu den beiden hin. "Das Schiff ist gesichert, Commander."
"Sehr gut." Jamira blickte sich etwas um. "Sie bleiben beim Schiff, Elif. Mariusz und ich sehen uns jetzt etwas um. Greifen Sie sich einen Phaser und tragen Sie ihn ständig bei sich."
Die junge Frau nickte: "Verstanden."
Jamira und auch Petty Officer Sobieski hatten ihre Waffen und je einen Tricorder bereits eingesteckt. Sie waren abmarschbereit.
"Ich habe vorhin einige Lebensformen geortet. Richtung war 121. Entfernung etwa 700 Meter." berichtete Jamira.
Mariusz lächelte und erwiderte: "Dann sollten wir uns das ansehen, Mam."

"Computerlogbuch der Flagstaff, Sternzeit 50612,4 , Commander Conrad.
Seit fast einem Tag ist das Außenteam nun mittlerweile auf dem Planeten. Die ersten Berichte von Captain Forrester und Wissenschaftsoffizier Jamira hören sich sehr interessant an. Die gesuchten Lebensformen sind tatsächlich den irdischen Wölfen sehr ähnlich, wenn auch etwas größer. Die Crew der Flagstaff führt planetare Untersuchungen durch."

Conrad war bereits seit sechs Stunden auf der Brücke und führte die Alpha-Schicht. Eigentlich war es eher langweilig, das Schiff umkreiste den Planeten, und außer den permanenten Scans tat sich nichts an der Bordroutine.
"Sir, zweiter Scanabschnitt komplett. Keine neuen Daten." meldete Lieutenant Grafton, der an der Station des Einsatzoffiziers stand.
Conrad unterdrückte ein Gähnen. "In Ordnung, Lieutenant."
"Irgendwie langweilig, oder, Sir?" Fähnrich Jason Marks, der Steuermann, war offenbar ähnlich von den Aufgaben angetan wie der Rest der Crew.
Dem Ersten Offizier war ein knappes Lächeln abzuringen. "Tut mir ja leid für Sie, Fähnrich. Aber auf dieser Mission werden Sie kaum eine Menge Action erleben."
Der junge Farbige lachte kurz. "Aber nein, Commander. Ich wollte mich nicht beschweren oder so. Das ganz sicher nicht."
"Keine Sorge, ich werde es sicher nicht dem Captain erzählen." meinte Conrad.
Der Steueroffizier drehte sich kurz um. "Dafür wäre ich Ihnen sehr verbunden, Sir."
Conrad nickte und lehnte sich zurück. Er wäre gerne mit auf den Planeten gegangen, aber in seiner neuen Rolle als zweiter kommandierender Offizier musste er dem Captain den Vorzug lassen. Das wurmte ihn etwas, denn hier konnte er nichts tun.
"Commander, ich erfasse ein Schiff, welches vom Planeten gestartet ist." meldete Fähnrich Kevin McBride, der an der taktischen Station stand.
Plötzlich war Conrad wieder hellwach. "Ist es die Coyote?"
"Negativ, Sir. Ein Typ 8-Personenshuttle." erwiderte McBride.
Conrad holte sich mit einem kurzen Knopfdruck die Daten auf seinen Bildschirm, der direkt neben dem Kommandosessel installiert war. Es war offenbar ein Shuttle der Strafkolonie.
"Seltsam. Von einem Flug haben die uns nichts mitgeteilt." meinte er.
McBride berichtete: "Sir, wir werden gerufen. Es ist die Strafkolonie."
"Auf den Schirm." befahl Conrad.
Die Anzeige des Hauptbildschirms wechselte und ein etwas korpulenterer Mann erschien.
"Ich bin Doctor Kyle Donovan, Direktor der Strafkolonie. U.S.S. Flagstaff, wir brauchen ihre Hilfe. Zwei Gefangene sind mit einem Shuttle entkommen, sie haben das Kraftfeld über der Insel deaktiviert. Halten Sie sie auf!" begann der Mann sofort.
Conrad erhob sich aus dem Kommandosessel. "Verstanden, Doctor. Flagstaff Ende."
Er warf Fähnrich Marks einen knappen Blick zu. "Abfangkurs auf das Shuttle, Fähnrich. Vorbereiten, den Traktorstrahl einzusetzen. Roter Alarm!"
Die dunklere Gefechtsbeleuchtung wurde auf der Brücke aktiviert, die Sirenen heulten dreimal auf.
"Commander, das Shuttle verlässt die Atmosphäre auf der anderen Seite des Planeten. Abfangkurs liegt an." meldete Marks.
Conrad blickte auf das kleine taktische Display neben seinem Sessel. Die Entfernung zu dem Shuttle war nicht besonders groß, sie würden es leicht einholen.
"Volle Impulskraft. Traktorstrahl bereit?"
McBride entgegnete: "Aye, Sir. Aber wenn das Shuttle seine Schilde oben hat, wird das nicht funktionieren."
"Warten wir es ab." Conrad blickte auf den Bildschirm. Das Shuttle konnte man mittlerweile sehen. Es entfernte sich rasch vom Planeten, vermutlich deswegen, um auf Überlichtgeschwindigkeit gehen zu können.
"Rufen Sie das Shuttle, Mister McBride." ordnete Conrad an.
Der junge Fähnrich versuchte es, aber es blieb ohne Erfolg.
"Schilde sind oben, Sir. Wir müssen versuchen, sie auszuschalten." meinte McBride.
"In Ordnung. Schilde hoch, Phaser aktivieren. Ziele auf Waffen, Schilde und Maschinen begrenzen, Fähnrich. Ich will niemanden verletzen." befahl Conrad angespannt.
"Bereit, Sir." meldete der Angesprochene den Vollzug.
Conrad ballte die Faust, es widerstrebte ihm, den Feuerbefehl zu geben.
"Sir?" wollte McBride ungeduldig wissen.
Der Erste Offizier nickte: "Feuer."
Die Bugphaserbanken der Flaggstaff feuerten vier kurze Feuerstöße, die allesamt das Shuttle trafen. McBride hatte sehr gut gezielt, es wurden nur die Schilde und der Impulsantrieb beschädigt.
"Schilde des Gegners bei 25%, Sir." berichtete Lieutenant Grafton.
Conrad fragte McBride: "Klar für Traktorstrahl?"
"Noch nicht, Sir."
"Weiterfeuern." ordnete Conrad dann an.
McBride feuerte erneut die Phaser ab, bis die Schilde des Shuttles ausgefallen waren.
"Jetzt, Fähnrich. Traktorstrahl!" meinte Conrad mit lauter Stimme.
Der Traktorstrahl erfasste das kleine Schiff und hielt es fest.
"Sir, die versuchen, zurück in die Atmosphäre zu fliegen! Wenn die damit nicht aufhören, zerreisst es das Shuttle!" rief Grafton aufgeregt.
Conrad nickte McBride zu: "Einen Kanal öffnen."
"Sie können sprechen, Sir."
"Hier spricht Commander Conrad von der U.S.S. Flagstaff. Stellen Sie ihren Antrieb ab und ergeben Sie sich. Es hat keinen Zweck zu flüchten."
Lieutenant Grafton scannte nochmals und meinte: "Sie haben es gehört, aber ignorieren uns."
Das Shuttle versuchte, wieder in die Atmosphäre von Bentaras V einzutauchen. Auf der anderen Seite wurde es aber vom Traktorstrahl der Flagstaff festgehalten. Die Hülle wurde einen enormen Spannung unterworfen.
"Transporterraum 1, erfassen Sie die Insassen des Shuttles und beamen Sie sie heraus. Sicherheitsteam, zum Transporterraum 1." befahl Commander Conrad.
"Erfassung ist möglich, Sir." meldete der Transporterchief.
"Dann los!" ordnete Conrad sofort an.
Im gleichen Moment explodierte das Shuttle. Es waren nur noch Trümmer zu sehen.
"Transporterraum, haben Sie sie?" wollte er wissen.
"Positiv, Sir. Sie sind aber verletzt." lautete die Antwort.
Conrad erwiderte: "Beamen Sie sie direkt in die Krankenstation, Chief. Sicherheitsteam dorthin. Krankenstation, medizinischer Notfall!"
"Habe verstanden, Commander." meldete sich sogleich Doctor Hedican.
Conrad blickte Lieutenant Grafton an. "Ich bin auf der Krankenstation, Lieutenant. Sie haben die Brücke. Bleiben Sie auf dieser Position."
"Jawohl, Sir." antwortete Grafton.

Hastig betrat Conrad die Krankenstation auf Deck Vier der Flagstaff. Ein Sicherheitswächter stand am Eingang, zwei weitere hielten innen Wache. Einer von ihnen war Master Chief Patrice da Silva, den Conrad bereits kennengelernt hatte.
Doctor Lara Hedican, die Schiffsärztin, war dabei, einen der Verletzten zu versorgen. Der anderen Patient wurde von einem ihrer Sanitäter behandelt, hatte offenbar nur leichte Verletzungen.
"Wie sieht es aus, Doctor?" wollte der Erste Offizier wissen.
Ohne aufzuschauen erwiderte Hedican: "Der Mann hier hat ein paar Plasmaverbrennungen, ich behandle ihn. Die Frau dort drüben hat sich eine Gehirnerschütterung eingefangen. Alles in allem nichts Schlimmes, Sir."
Conrad nickte knapp und sah sich die Zwei an. Es waren beides Menschen, zumindest dem Äußeren nach. Sie trugen beide die für Sträflinge typische Kleidung, einen dunkelblauen, einteiligen Overall. Der Mann hatte sehr kurze, schwarze Haare und war sehr muskulös gebaut. Die Frau hatte kurze blonde Haare, sie sah recht durchtrainiert aus.
"Können Sie die Frau aufwecken?" wollte Conrad wissen.
Doctor Hedican meinte knapp: "Das ist kein Problem, Sir."
Der Sanitäter, welcher bei der Frau stand, nahm ein Hypospray und injizierte ihr etwas. Sie schlug beinahe sofort die Augen auf.
"Wo bin ich hier?" fragte sie verwirrt und versuchte sogleich, sich aufzurichten.
Der Sanitäter drückte sie sanft zurück auf die Behandlungsliege. "Bleiben Sie bitte liegen."
"Sie sind an Bord der U.S.S. Flagstaff. Ich bin Commander Ralph Conrad, der Erste Offizier. Darf ich erfahren, wer Sie sind?" entgegnete Conrad.
Die junge Frau, sie sah aus wie Anfang Zwanzig, musterte ihn. Ihr Blick war nicht gerade besonders freundlich, das bemerkte Conrad sofort.
"Ich bin Bianca Hobson."
Conrad sah sie genau an. Er verließ sich oft auf seine Menschenkenntniss, und sie trog ihn selten. Diese Frau sah ihm nicht nach einer Strafgefangenen aus.
"Gut, Miss Hobson. Und ihr Begleiter?" wollte er noch wissen.
"Er heisst Brian Lavidian." Kurz schwieg sie, dann fügte sie hinzu: "Commander, ich muss Sie bitten, uns zu helfen."
Conrad stutzte einen Moment. "In welcher Weise könnte ich Ihnen helfen?"
Bianca Hobson sah sich unsicher um. "Das würde ich gerne mit Ihnen unter vier Augen bereden."
Conrad überlegte kurz. Er schadete sicher nicht, die Frau anzuhören.
"In Ordnung. Doctor, ist Miss Hobson in der Lage, die Krankenstation zu verlassen?" fragte er die Ärztin.
"Ich denke ja." lautete die Antwort.
Conrad blickte Master Chief da Silva an. "Chief, bringen Sie Miss Hobson in die Arrestzelle, ich komme sofort nach."
"Aye, Sir." erwiderte der Chief und griff die junge Frau am Arm. "Gehen wir."

Der Arrestzellenbereich der Flagstaff lag auf Deck Sechs, im hinteren Bereich unterhalb der Shuttlerampe. Es waren zwei Arrestzellen, die durch Kraftfelder von einem Gang getrennt waren. In einer dieser Zellen saß Bianca Hobson, auf der anderen Seite des Kraftfeldes Chief da Silva.
Die der Zellentraktes öffnete sich und Commander Conrad betrat den Gang. Da Silva stand auf.
"Danke sehr, Chief. Lassen Sie uns bitte alleine." bat Conrad knapp und nahm auf dem Stuhl des Chiefs Platz.
Ohne ein weiteres Wort verließ da Silva den Raum.
"Nun?" Conrad blickte Bianca Hobson interessiert an.
Sie lehnte sich zurück. "Commander, Bentaras V ist keine gewöhnliche Strafkolonie."
"Und was ist sie dann?"
Sie schloss kurz die Augen, das Sprechen schien ihr schwer zu fallen.
"Es werden dort Dinge mit den Gefangenen angestellt, um sie für etwas auszubilden. Für etwas Geheimes, von dem auch ich nichts weiss." erwiderte sie mit etwas leiserer Stimme.
Das kam dem Ersten Offizier nun doch sehr seltsam vor. Von welchen Dingen sprach sie, und welche Art Ausbildung meinte sie?
"Können Sie mir das etwas genauer sagen?"
Sie hob den Kopf, und dabei bemerkte Conrad, dass sie Tränen in den Augen hatte.
"Die Insassen werden genetisch verändert, um bei Bedarf ganz nach dem Willen des Direktors zu funktionieren. Man hat dann faktisch keine Kontrolle mehr darüber, was man tut. Kein Gewissen, keine Moral. Verstehen Sie?" erklärte sie.
Conrad war innerlich erschüttert, obgleich er nach aussen hin nichts davon zeigte. Wie konnte sowas in einer Einrichtung der Föderation geschehen?
"Haben Sie Beweise dafür, Bianca?" wollte er wissen.
Sie deutete auf sich selbst: "Lassen Sie ihre Ärztin mich untersuchen, sie wird es sicher herausfinden."
Conrad nickte: "Das werde ich, das verspreche ich Ihnen. Sie bleiben erstmal hier. Wenn Sie etwas brauchen, dann können Sie jederzeit jemand von der Sicherheit rufen."
Die junge Frau erwiderte nichts, sie legte sich auf die Pritsche und starrte zur Decke.

"Computerlogbuch der Flagstaff, Commander Conrad, Nachtrag.
Von einer der zwei Insassen der Strafanstalt Bentaras V, die wir aus einem Shuttle mehr oder weniger gerettet haben, sind mir schockierende Dinge berichtet worden. Ich möchte nun mit Hilfe von Doctor Hedican feststellen, inwiefern diese Berichte der Wahrheit entsprechen."

Conrad war auf der Brücke, kontrollierte gerade die letzten Berichte über die Strafkolonie Bentaras V. Es war nichts Auffälliges vorhanden, was ihn alarmierte.
"Sir, die Strafkolonie ruft uns. Doctor Donovan." meldete Fähnrich McBride.
Der Erste Offizier nickte: "Auf den Schirm."
"Commander, was ist mit den zwei Gefangenen?" fragte der Direktor sofort.
Conrad antwortete: "Wir haben sie, Doctor. Allerdings wurden die beiden verletzt und befinden sich noch auf unserer Krankenstation."
"Ich erwarte, dass Sie sie sofort runterbeamen!" Donovan war sehr erregt, seine Stimme laut.
"Tut mir sehr leid, aber solange die beiden nicht genesen sind, kann ich sie Ihnen nicht übergeben. Sie werden an Bord streng überwacht. Darauf gebe Ihnen mein Wort."
Donovan erwiderte sehr verärgert: "Commander, das wird Kosequenzen haben!"
"Bitte, Doctor. Wir haben Ihnen doch bereits sehr geholfen, und es besteht kein Grund, dass Sie sich jetzt derartig aufregen." ermahnte Conrad sein Gegenüber.
Kurz schwieg der Direktor, dann meinte er mit etwas ruhigerer Stimme: "In Ordnung. Aber kontakten Sie mich sofort, wenn die beiden transportfähig sind. Donovan Ende."
Der Bildschirm erlosch.
"Hedican an Commaner Conrad." erklang ein Interkomruf.
Conrad tippte seinen Insignienkommunikator an. "Sprechen Sie."
"Bitte kommen Sie in die Krankenstation, Sir." meinte die Ärztin.

Doctor Lara Hedican saß in ihrem Büro am Schreibtisch, als Conrad hereinkam.
"Sie haben was gefunden, Doctor?" fragte er und nahm ihr gegenüber Platz.
Sie nickte: "Ja, und es ist etwas sehr Beunruhigendes, Sir."
Conrad blickte die Halb-Betazoidin an, erwartete ihren Bericht.
"Miss Hobson hat Nano-Sonden in ihrem Blut. Es sind der Borgtechnologie ähnliche Exemplare, ich gehe davon aus, dass sie nachgebaut wurden." erklärte sie.
Conrad hob überrascht die Augenbrauen. Nano-Technologie war in der Föderation sehr selten zum Einsatz gekommen, einfach deshalb, weil man zu wenig darüber wusste. Und diese Häftlinge hatten Nano-Sonden im Blut?
"Sie wissen, was das bedeutet?" wollte die Ärztin wissen.
Conrad erwiderte: "Nun, das bedeutet doch, dass man sie kontrollieren kann? So wie eine Borgdrohne, nicht wahr?"
"Sehr richtig, Commander." Auch Doctor Hedican war mitgenommen von dieser Entdeckung.
Der Erste Offizier lehnte sich angespannt in seinem Stuhl zurück. Also hatte Bianca Hobson sehr wohl die Wahrheit gesagt, was ihm unbegreiflich schien. Aber es stimmte.
"Verfassen Sie einen Bericht für den Captain, Doctor. Umgehend. Ich werde ihn dann informieren. Er hat das Weitere zu entscheiden." ordnete Conrad an.
Die Ärztin erwiderte: "Ja, verstanden."

"Sir, der Captain für Sie." meldete Fähnrich McBride.
Conrad nickte ihm zu. "Stellen Sie durch."
Auf dem Hauptbildschirm erschien Captain Forrester.
"Commander Conrad, ich grüße Sie."
"Captain, haben Sie den Bericht gelesen?" fragte der Erste Offizier sofort.
Forrester erwiderte: "Das habe ich, Mister Conrad. Und ich bin recht beunruhigt über diese Erkenntnisse, die Sie gewonnen haben."
"So wie wir alle, Captain. Wie sind ihre Befehle in dieser Sache?" fragte Conrad.
Forrester rieb sich seinen Bart und antwortete: "Melden Sie diese Sache an die nächste Sternenbasis, Commander. Auf jeden Fall behalten Sie diese zwei Personen erstmal an Bord."
"Sir, ich möchte Ihnen empfehlen, schnellst möglich wieder an Bord zurück zu kommen. Ich traue diesem Doctor Donovan nicht." mahnte Conrad eindringlich.
Der Captain schüttelte den Kopf. "Nein, wir sind sowieso in wenigen Stunden fertig."
"Sir, bitte. Es ist nur zu ihrem Schutz und zum Schutz des ganzen Außenteams." Conrad war sich seiner Pflichten als Erster Offizier bewusst, die den Schutz des Captains einschlossen.
"Sie haben ihre Anweisungen, Mister Conrad. Wir sehen uns in sechs Stunden. Forrester Ende." Mit diesen Worten endete die Verbindung.
Conrad erhob sich aus dem Kommandosessel. Wieso hörte der Captain nicht auf seinen Rat? Die Veränderungen, die an den Häftlingen vorgenommen wurden, waren keine Bagatellangelegenheiten. Da steckte viel mehr dahinter.
"Lieutenant Grafton, bereiten Sie die umgehende Übermittlung aller relevanten Daten an Sternenbasis 190 vor. Und bitten Sie darum, dass Verstärkung hergeschickt wird. Ich habe ein sehr komisches Gefühl, dass wir die noch brauchen können." befahl Conrad.
Der Einsatzoffizier erwiderte: "Ja, Sir. Ich erledige das sofort."
"Fähnrich McBride, permanenter gelber Alarm bleibt bestehen. Scannen Sie ständig nach anderen Schiffen, ich möchte keine Überraschungen erleben." ordnete er weiter an.
Der junge Mann an der taktischen Station bestätigte. "Aye, Commander."

Auf Bentaras V war die Sonne gerade im Begriff unterzugehen. Das Mitglieder des Außenteams waren unterwegs gewesen, um die Tiere zu beobachten. Jetzt saßen Sie vor dem Schiff und nahmen ihre Abendmahlzeit zu sich.
Jamira saß mit Captain Forrester etwas abseits der anderen. Beide aßen schweigsam, aber der Deltanerin brannte etwas auf der Seele. Sie hatte das Gespräch zwischen dem Captain und Commander Conrad mitbekommen. Sie war beunruhigt, ja fast schon alarmiert. Sie teilte auf gewissen Weise die Sorgen des Ersten Offiziers.
"Sir?" fragte sie vorsichtig.
Forrester hob den Kopf und blickte sie an. "Ja, Jamira?"
"Meinen Sie nicht, dass wir aufbrechen sollten? Um ehrlich zu sein, ich teile Commander Conrad´s Ansichten."
Der Captain verzog etwas das Gesicht. "Hören Sie, wir sind bald startklar. Aber ich sehe im Gegensatz zu unserem Ersten Offizier keine absolute Gefahr."
"Lassen Sie mich trotzdem bitte Bonalair und Bentali als Sicherung einteilen." bat sie.
Forrester nickte etwas genervt. "Tun Sie das." Er stellte das Essen weg. "Ich habe noch zu tun, Jamira. Übernehmen Sie hier."

"Computerlogbuch der Flagstaff, Sternzeit 50612,9 , Commander Conrad.
Der Captain und das Außenteam sind noch immer auf dem Planeten, während ich schon zweimal den Direktor der Strafkolonie hinhalten musste. Er hatte bei uns nachgefragt, wann seine Häftlinge transportfähig seien. Eine Nachricht von der Sternenbasis 190 haben wir erhalten, sie besagt, dass wir die Position halten sollen. Verstärkung sei unterwegs."

Conrad saß zusammen mit Lieutenant Lucas Grafton und Bianca Hobson im Zellentrakt des Schiffes. Conrad wollte noch mehr herausfinden, was auf Bentaras V ablief.
"Bianca, wissen Sie, weswegen diese Experimente durchgeführt werden?" wollte Grafton wissen.
Die junge Frau musste verneinen. "Leider nicht."
"Meinen Sie, es hat etwas mit der Sternenflotte zu tun, Lucas?" fragte Conrad.
Der Centaurer wiegte den Kopf etwas. "Ich weiss nicht, Sir. Ich vermute es."
"Aber dies alles widersprecht so ziemlich jedem geltenden Gesetz." Conrad schüttelte den Kopf.
"Selbst in der Föderation gibt es Leute, die sich nicht an Gesetze halten." gab der Einsatzoffizier zu bedenken.
Bianca sagte: "Manchmal wurden welche von uns abgeholt, man hat sie nie wieder gesehen. Uns wurde gesagt, dass sie entlassen worden sind. Aber wir konnten nie herausfinden, wohin sie gingen."
Der Erste Offizier kratzte sich am Kopf. Sie kamen nicht weiter, kamen nicht hinter die Geheimnisse um Bentaras V.
"Lucas, machen Sie mit Bianca weiter. Ich bin auf der Brücke." Conrad erhob sich und verließ den Raum. Er ging zum nahen Turbolift und betrat ihn.
"Brücke." sagte er knapp, der Lift setzte sich in Bewegung.
"McBride an Conrad." erklang ein Interkomruf des 2. Taktischen Offiziers.
"Sprechen Sie." erwiderte Conrad.
"Sir, Doctor Donovan ist wieder dran. Er will Sie sprechen." entgegnete McBride.
"Bestätigt. Ich bin gleich da."
Der Turbolift stoppte, die Türe öffnete sich und Conrad betrat die Brücke.
"Legen Sie ihn auf den Hauptbildschirm, Fähnrich." befahl Conrad.
Das deutlich verärgerte Gesicht des Direktors erschien auf dem Hauptbildschirm.
"Wie lange wollen Sie mich noch hinhalten, Commander?" fragte er lautstark.
"Tut mir sehr leid, Doctor. Aber es haben sich Komplikationen ergeben. Unsere Ärztin rechnet mit weiteren zwölf Stunden. Dann können wir die beiden runterbeamen."
Nun explodierte Donovan förmlich. "SIE! Sie halten diese beiden doch nur zurück. Ich warne Sie, Commander! Übergeben Sie die beiden sofort!"
"Das ist nicht möglich. Ich werde meine Pflichten nicht verletzen, Doctor." Conrad reagiert gelassen. So gelassen war er eigentlich nicht, aber er pokerte etwas.
"Sie werden es bereuen. Donovan Ende." Der Bildschirm erlosch.
Conrad ließ sich in den Kommandosessel sinken. Das Außenteam auf dem Planeten war eine Schwachstelle.
"Ist der Schutzschild über der Insel wieder aktiv, Mister McBride?" fragte Conrad.
"Negativ, Sir. Anscheinend wurde er sehr gründlich sabotiert." lautete die Antwort.
Conrad blickte zum Steuermann, Fähnrich Jason Marks.
"Fähnrich, verkleinern Sie unseren Orbit. Soweit als möglich runtergehen." befahl er.
Der Steuermann befolgte den Befehl, die Flagstaff sank der Atmosphäre entgegen.
"Brücke an Transporterraum 1: Erfassen Sie das Außenteam. Bereithalten für Notfalltransport." ordnete er weiterhin an.
"Verstanden, Commander."
Er erhob sich und ging zur taktischen Station.
"Beobachten Sie das Außenteam. Wenn es Probleme gibt, sofort Befehl zum Raufbeamen." wies er Fähnrich McBride an.
"Ja, Sir." erwiderte dieser.

Die Sonne war auf Bentaras V gerade hinter dem Horizont verschwunden. Es war schon relativ dunkel, als das Außenteam die Ausrüstungsgegenstände zusammenpackte. Sie waren fertig, hatten ihre Untersuchungen beendet.
"Endlich kommen wir hier weg." meinte Lieutenant Bonalair erleichtert. Er hatte während den vergangenen zwei Stunden Wache gehalten. Jamira hatte ihm mitgeteilt, was der erste Offizier herausgefunden hatte.
Die Deltanerin nickte ihm zu. "Ganz meine Meinung, Max."
"Commander, sind Sie fertig?" Captain Forrester trat zu den beiden hin.
Jamira hob den Kopf, im gleichen Moment sah sie einen Schatten einige Meter entfernt. Instinktiv zog sie ihren Phaser.
"In Deckung, sofort!" rief sie. Bonalair folgte unverzüglich der Aufforderung, auch Elif Bentali tat es ihr gleich.
Diese Warnung kam keine Sekunde zu früh. Mehrere Phaserschüsse zuckten durch die Nacht, trafen den Captain. Er sank zu Boden.
"Feuer erwidern!" befahl Jamira lautstark.
Bonalair sowie Bentali feuerten bereits zurück, konnten aber niemanden sehen und dementsprechend auch nicht treffen.
Jamira schlich sich etwas vor, suchte Deckung hinter dem Schiff.
"Jamira an Flagstaff. Wir werden beschossen!"
"Wir versuchen Sie raufzubeamen. Bereithalten." ertönte die Stimme von Conrad.

Als der Funkspruch von Jamira eintraf, war Conrad sofort alarmiert.
"Transporterraum 1, beamen Sie das Außenteam hoch!" befahl er hastig.
Die Antwort kam sofort: "Nicht möglich, Sir. Der Schutzschirm der Insel wurde reaktiviert."
"Verdammt. Möglichkeiten, diesen auszuschalten?" fragte er Fähnrich McBride.
Der taktische Offizier erwiderte: "Wir könnten mit den Phasern versuchen, ihn auszuschalten. Aber wir riskieren dabei auch das Außenteam, falls unsere Phaser durch den Schild gehen."
"Zu riskant. Finden Sie eine andere Möglichkeit, Mister McBride. Und zwar schnell!"

Jamira hatte sich unterdessen zusammen mit Bonalair und Bentali hinter dem Schiff verschanzt.
"Flagstaff, wie sieht es aus?" fragte sie.
"Tut mir leid, aber der Schirm über der Insel wurde wieder aktiviert. Wir arbeiten an einer Lösung, Commander." erwiderte der erste Offizier über Funk.
Aus den Augenwinkeln konnte Jamira kurz eine schemenhafte Gestalt sehen, dann traf sie ein Schuss. Sie wurde bewusstlos.

Conrad ging auf der Brücke auf und ab. Er war sehr angespannt und irgendwie auch frustriert, weil er nichts tun konnte.
"Sir, das Außenteam meldet sich nicht mehr." berichtete Lieutenant Grafton.
Conrad schüttelte den Kopf. "Das kann doch nicht sein. Wurden sie gefangen genommen?"
"Unbekannt, Sir."
Vielerlei Gedanken rasten durch Conrads Kopf. Er war nun ganz alleine verantwortlich, und er war sich noch nicht einmal sicher, ob der dieser Verantwortung gewachsen war.
"Mister McBride, ich brauche eine Lösung für das Problem mit dem Schutzschirm."
Der junge Mann sah ebenfalls nicht besonders zuversichtlich drein. "Sir, ich arbeite dran."
"Commander, ich möchte den Bemühungen ja nicht vorgreifen, aber dieser Schutzschirm ist darauf ausgelegt, dass man ihn nicht von außen deaktivieren kann." gab Grafton zu bedenken.
Conrad blickte den Lieutenant an. Er sagte nichts, obgleich er ahnte, dass Grafton recht hatte.
"Sir, wir sollten den Schirm mit den Phasern ausschalten. Das ist die beste Möglichkeit."
Der erste Offizier lehnte sich im Kommandosessel zurück, schloss für einen Moment die Augen. Er wusste nicht, was er tun sollte.
"Sir? Commander, es ist Zeit zu handeln." Grafton sprach eindringlich auf ihn ein.
Master Chief da Silva, der ebenfalls auf der Brücke weilte, sah Conrad an. Der erste Offizier bemerkte diesen Blick. Da Silva sagte nichts, aber er schien etwas zu sagen zu haben.
"Lieutenant Grafton, Sie haben die Brücke. Ich bin im Bereitschaftsraum. Mister da Silva, begleiten Sie mich bitte." Conrad erhob sich.
Grafton schüttelte verständnislos den Kopf. "Sir, wir haben keine Zeit. Sie..."
"Führen Sie die Befehle aus, Lieutenant!" schrie Conrad ihn knapp an.
Dann verließ er zusammen mit da Silva die Brücke.

Im Bereitschaftsraum ließ er sich in einen Sessel sinken und bot dem Chief ebenfalls einen Platz an.
"Sie wollten doch eben was sagen, Chief. Nicht wahr?"
Da Silva erwiderte: "Ich bin kein Offizier, Sir."
"Das habe ich Sie aber nicht gefragt, Chief. Also?"
"Commander, ich halte die Variante, mit den Phasern den Schirm zu durchdringen, für sehr gefährlich. Das Außenteam wurde sicher als Geiseln genommen. Wenn wir jetzt sofort zuschlagen, dann töten sie sie. Da bin ich mir sicher. Wir haben die zwei Gefangenen, also haben wir eine Verhandlungsposition." erklärte da Silva.
Conrad nickte. Die Einstellung des Chiefs gefiel ihm.
"Ja, Sie haben wohl recht. Gut, gehen wir zurück auf die Brücke."
Da Silva fügte hinzu: "Noch etwas, Sir. Sie dürfen sich von den untergebenen Offizieren nicht alles bieten lassen. Sie sind der befehlshabende Offizier, und so müssen Sie auch erscheinen."
"Ja, ich weiss. Danke, Mister da Silva." erwiderte Conrad und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Ich bin nun mal leider nicht für ein Kommando geboren worden."
"Das wird niemand, Sir. Es stellt sich aber heraus, ob man sich zu einem Kommandanten entwickeln kann." antwortete der Chief und sah Conrad in die Augen.
Der erste Offizier erwiderte nichts, verließ den Bereitschaftsraum und betrat die Brücke.
"Mister Grafton, zurück auf ihre Station. Fähnrich McBride, rufen Sie die Strafkolonie." befahl Conrad unverzüglich.
"Aye, Sir." erwiderte McBride.
Die Anzeige des Hauptbildschirms wechselte und Doctor Donovan erschien. Ein Lächeln war auf seinem Gesicht zu erkennen, aber es war sicher nicht freundlich gemeint.
"Commander, wie schön, Sie zu sehen." sagte er mit ruhiger und überlegener Stimme.
Conrad riss sich zusammen und erwiderte: "Doctor, Sie haben unser Außenteam gefangen genommen. Was wollen Sie?"
"Was ich will? Das dürfte Ihnen doch klar sein, Mister Conrad." erwiderte der Direktor.
"Ja, das ist es mir durchaus. Ich möchte aber zuerst den Captain sprechen."
Donovan überlegte kurz, nickte dann. "Von mir aus."
Captain Forrester wurde von zwei bewaffneten Männern ins Bild geführt.
"Sir, ist alles in Ordnung mit Ihnen und dem Team?" fragte Conrad sofort.
Forrester hob den Kopf. "Ja, den Umständen entsprechend. Commander, Sie kennen die Anweisungen für Fälle wie diesen."
Stumm nickte Conrad. Es war klar, dass mit Entführern nicht verhandelt wurde. Diese Vorschrift kannte jeder Offizier der Sternenflotte.
"Ich kenne diese Anweisungen ebenfalls, Mister Conrad. Aber ich gebe Ihnen einen guten Grund, Sie zu ignorieren." Donovan zog einen Phaser und richtete ihn auf den Captain.
Forrester war nervös, er zitterte, das konnte man erkennen. Aber er blickte stur geradeaus.
"Ich will die Gefangenen, Commander! Jetzt!" schrie der Direktor.
Conrad hob beschwichtigend die Hände: "Bitte, das führt zu nichts. Lassen Sie uns reden!"
"Sie haben eine Stunde, Commander. Dann stirbt ihr Captain. Donovan Ende."
Das Bild verschwand.
"Besprechnung der Führungsoffiziere jetzt sofort im Konferenzraum. Mister McBride, Sie kommen mit. Fähnrich Marks, Sie haben die Brücke." entschied Conrad.

Die Führungsoffiziere hatten sich im Konferenzraum eingefunden. Neben Conrad, Grafton und McBride waren auch Lieutenant McKinsey und Doctor Hedican anwesend.
Soeben hatte Conrad den Bericht zur Situation beendet.
"Also, ich bitte Sie um Vorschläge." forderte er die Offiziere auf.
Grafton erwiderte sofort: "Sir, wir müssen zuschlagen. Jede Minute des Wartens gefährdet den Captain und das Außenteam."
"Ich stimme Mister Grafton zu, Sir." meinte Fähnrich McBride.
Der Chefingenieur, Lieutenant McKinsey, schüttelte entschieden den Kopf.
"Ich nicht. Commander, wenn wir die Geiselnehmer in die Enge treiben, werden sie alle töten. Das ist so gut wie sicher. Bis wir den Schutzschirm durchdrungen haben, sind alle bereits tot."
"Es ist ein Risiko, Lieutenant. Aber es ist unsere einzige Option." widersprach Grafton.
Doctor Hedican bemerkte: "Ich stimme Mister McKinsey zu, Sir."
"Doctor, bei allem Respekt. Aber dies ist nicht ihr Fachgebiet." spottete Grafton.
Conrad blickte ihn an und meinte mit strenger Stimme: "Wir hören hier alle Anwesenden an, Lieutenant. Halten Sie sich dran, verstanden?"
Der Angesprochene nickte knapp. "Ja, Sir."
"Also haben wir zwei Parteien mit zwei Vorschlägen. Wie wird nun entschieden?" fragte McBride ungeduldig.
Conrad blickte in die Runde. Er hatte die Entscheidung zu fällen, niemand anderes.
"Wir verhandeln mit Donovan weiter. McBride, suchen Sie weiter nach einer Möglichkeit, den Schild zu durchdringen. Mister Grafton, Sie helfen ihm dabei." ordnete Conrad an.
Grafton wollte schon widersprechen, nickte aber nur. "Ja, Sir."
"Dann wegtreten." schloss Conrad die Besprechung.

Jamira saß zusammen mit Lieutenant Bonalair in einer Zelle der Strafkolonie Bentaras V. Man hatte ihnen die Kommunikatoren abgenommen, ebenso alle restliche Ausrüstung. Die anderen fünf waren von ihnen getrennt worden.
"Was meinen Sie, Jamira? Verhandelt Conrad?" fragte Bonalair leise.
Die Deltanerin erwiderte: "Ich weiss nicht, dazu kenne ich den Commander nicht gut genug."
"Er sollte sich etwas einfallen lassen, sonst werden wir das nicht überleben."
Jamira sah sich um. Die Zelle war karg eingerichtet, nur zwei Pritschen zum Schlafen standen darin. Ein Kraftfeld trennte sie vom Korridor.
"Max, hören Sie. Wenn uns das nächste Mal das Essen gebracht wird, versuchen Sie zu entkommen. Schauen Sie, ob Sie den Schutzschirm deaktivieren können." meinte sie leise.
Der taktische Offizier sah sie fragend an: "Meinen Sie, dass das klappt?"
"Wir müssen etwas ausprobieren. Die Flagstaff kann den Schirm nur durch Waffeneinsatz durchbrechen, aber das wird Commander Conrad wegen der Gefahr für uns wohl nicht tun. Also müssen wir versuchen, unseren Teil zur Rettung beizutragen." erwiderte sie.
"Gut, ich versuche es." Bonalair atmete tief ein.

Captain Forrester wurde von zwei Sicherheitswächtern in die zentrale Kontrolle der Strafkolonie geführt. Doctor Donovan erwartete ihn bereits.
"Captain, ich ersuche Sie nochmals, ihrem ersten Offizier zu befehlen, uns die beiden Gefangenen zu übergeben."
Ein knappen Kopfschütteln war die Antwort.
"Dann hoffe ich für Sie, dass Mister Conrad einsichtiger ist als Sie." meinte Donovan.
"Darauf würde ich nicht hoffen, Mister Donovan." bemerkte der Captain.
Donovan betätigte eine Schaltfläche, dann erschien Commander Conrad auf dem Hauptbildschirm.
"Und? Sind Sie bereit, uns die beiden zu übergeben?" fragte er sofort.
Conrad erwiderte: "Ich werde Sie auf die Brücke holen. Einen Moment."
Der Bildschirm erlosch kurz.
"Er hält uns hin, Doctor!" sagte einer der anwesenden Wissenschaftler ärgerlich.
"Nur Geduld, wir können warten."
"Aber die Jacksonville wird bald eintreffen, die wollen die beiden!" widersprach er.
Donovan blickte ihn verärgert an. "Seien Sie ruhig, verdammt!"
"Ach so ist das! Sie haben diese Leute für jemand ganz bestimmten sozusagen gezüchtet? Wie wahnsinnig müssen Sie sein!" rief Forrester.
Donovan packte ihn am Hals und flüsterte: "Seien Sie vorsichtig!" Dann ließ er ihn los.

Die Tür des Turboliftes öffnete sich und Bianca Hobson sowie ihr Begleiter, Brian Lavidian, betraten die Brücke. Sie sahen Conrad sofort an.
"Was ist, Commander?" fragte Bianca.
Conrad erwiderte: "Doctor Donovan hat Mitglieder unserer Crew als Geiseln genommen. Er droht damit, den Captain zu töten, falls wir Sie beide nicht ausliefern."
"Dann tun Sie das besser." erwiderte Lavidian.
Dafür brauchte Conrad nicht zu überlegen. "Nein, das wäre falsch."
"Commander!" rief Grafton aufgeregt und auch etwas schockiert.
Conrad ging ganz nahe zu ihm hin und flüsterte, für die anderen kaum hörbar: "Hören Sie mir gut zu, Grafton. Ich werde Sie nicht nochmals ermahnen, meine Autorität zu respektieren. Das nächste Mal werde ich Sie ablösen lassen, klar?"
"Entschuldigung, Sir." Grafton senkte seinen Blick.
"Schon gut. Machen Sie jetzt weiter." erwiderte Conrad und ging zum Kommandosessel zurück. Er nahm Platz.
"Schon Ergebnisse, Mister McBride?" fragte er den taktischen Offizier.
Dieser schüttelte den Kopf: "Leider nein, Sir."
"Dann müssen wir was anderes probieren. Mister Grafton, können Sie unsere Leute mit dem Transporter erfassen?" fragte Conrad.
Der Einsatzoffizier nickte: "Ja, Sir. Aber der Schutzschirm..."
"Der interessiert uns erstmal nicht. Können Sie es?" unterbrach ihn Conrad.
"Ja." lautete die Antwort.
Conrad blickte die beiden Gefangenen an: "Gehen Sie bitte mit Chief da Silva in den Transporterraum. Keine Angst, Sie werden nicht hinuntergebeamt."
Die beiden verließen ohne Zögern mit dem Chief die Brücke.
Conrad atmete tief ein, versuchte sich zu entspannen.
"Wenn ich Energie sage, Mister Grafton, dann beamen Sie alle erfassten Crewmitglieder hoch. Verstanden?" befahl der Commander.
"Aye, Sir." erwiderte Grafton.
Conrad blickte zum Bildschirm: "Schalten Sie Donovan auf den Schirm."
Der Direktor der Strafkolonie erschien erneut.
"Doctor, wir werden die beiden runterbeamen." sagte Conrad sofort.
Ein breites Lächeln war auf Donovans Gesicht zu erkennen: "Ausgezeichnet."
"Sagen Sie, wann Sie bereit sind und geben Sie uns die Koordinaten." meinte Conrad.
"Koordinaten wurden transferiert. Sie können beginnen." erwiderte Donovan.
Conrads Blick galt Grafton: "Energie."
"Halt, Transfer abbrechen!" schrie Donovan plötzlich.
Grafton meldete: "Ich habe alle außer dem Captain, Jamira und Bonalair."
"Sie verdammter Hund, das werden Sie büssen!" schrie Donovan außer sich vor Wut.
Er nahm seinen Phaser, richtete ihn auf Forrester und drückte ab. Die Waffe war auf eine hohe Energiestufe eingestellt, das konnte man sehen. Der Captain wurde vom Schuss getroffen und sank zu Boden.
"Jetzt können Sie ihn haben. Er ist tot." sagte Donovan hämisch.
Conrad sprang auf. "Erfassen Sie ihn und beamen Sie ihn direkt auf die Krankenstation!"
"Ich habe ihn, Sir." meldete Grafton sogleich.
Die Verbindung wurde aprupt beendet.
"Krankenstation, Status!" rief Conrad über Interkom.
Doctor Hedican meldete sich: "Der Captain ist tot, Sir. Tut mir leid."
"Verdammt!" schrie Conrad und sank in den Kommandosessel.
Grafton stand auf und sah ihn an: "Sir, Sie haben alles versucht. Wir haben vier Leute gerettet. Das ist auch etwas. So leid es mir für den Captain tut."
"Was ist mit Jamira und Bonalair?" fragte Conrad, noch immer nicht ganz gefasst.
"Sie waren in einem abgeschirmten Bereich, Sir. Leider war es nicht möglich, Sie zu erfassen." erwiderte der Einsatzoffizier.
"Wir bleiben hier. Befragen Sie die Geretteten, Lieutenant. Ich bin im Bereitschaftsraum. Fähnrich McBride, Sie übernehmen." befahl Conrad und ging langsam zur Türe.
Die Brückencrew blickte ihm nach, als er den Bereitschaftsraum betrat.
"Und was machen wir jetzt?" fragte McBride ratlos.
Grafton blickte ihn an: "Die Befehle des Commanders ausführen. Los!"

Zehn Minuten lang hatte sich Conrad intensiv die bis jetzt gesammelten Daten angesehen. Er sah ein geringe Möglichkeit, den Schutzschirm über der Kolonie mit einem Resonanzimpuls des Hauptdeflektors für wenige Sekundenbruchteile außer Gefecht zu setzen. Das musste reichen, um Jamira und Bonalair zu retten.
Der Türsummer ertönte. Conrad rief: "Herein."
Lieutenant Lucas Grafton betrat den Bereitschaftsraum.
"Sir, ich habe Informationen. Commander Jamira und Lieutenant Bonalair werden im Zellentrakt Bravo festgehalten." begann der Einsatzoffizier sofort.
Conrad deutete auf den Stuhl: "Nehmen Sie erstmal Platz."
"Danke, Sir." Grafton folgte der Aufforderung und reichte Conrad ein Datenpad.
"Sehen Sie hier, Sir." meinte er und deutete auf einen Bereich der Strafkolonie.
Der erste Offizier nickte. "Ausgezeichnet, Lieutenant. Ich habe in der Zwischenzeit versucht eine Möglichkeit zu finden, den Schirm zu deaktivieren. Und ich denke, mit einem Resonanzimpuls des Hauptdeflektors könnte man für wenige Bruchteile einer Sekunde den Schirm abschalten. Alles muss sehr präzise laufen, die beiden müssen erfasst und hochgebeamt werden."
Der Einsatzoffizier erwiderte: "Sir, das ist eine sehr gute Idee."
"Ich denke, wir sollten kurz zu unserem Chefingenieur gehen. Er muss sich den Vorschlag ansehen." entgegnete Conrad.
Grafton lächelte: "Dann nichts wie los, Sir."

Der Ingenieur des Schiffes rieb sich das Kinn, als er das Datenpad mit Conrads Vorschlag begutachtete. Einige Momente überlegte er.
"Es müsste klappen, Commander. Das denke ich." lautete die Meinung McKinseys.
Innerlich atmete Commander Conrad auf. Zwar hatte er alles wohl überlegt gehabt, aber er war eben kein Ingenieur, sondern Wissenschaftler. Aber die Expertenmeinung des Lieutenants festigte seine Ansicht.
Lucas Grafton sah beide Offiziere an und sagte: "Dann sollten wir loslegen, Sirs. Wir haben keine Zeit zu verlieren, denke ich."
"Da haben Sie recht. Okay, Mister Grafton. Sie arbeiten mit Mister McKinsey zusammen und bereiten den Deflektor vor. Wie lange dauert das?"
McKinsey erwiderte: "Eine Stunde etwa, Sir."
"Beginnen Sie, ich bin auf der Brücke."
Mit diesen Worten verließ Conrad den Maschinenraum des Schiffes.

"Computerlogbuch der Flagstaff, Sternzeit 50613,2 , Commander Conrad.
Der Hauptdeflektor wurde modifiziert, wir sind bereit, die Rettungsaktion für Commander Jamira und Lieutenant Bonalair zu starten."

Ralph Conrad ließ sich in den Kommandosessel sinken. Lieutenant Grafton hatte seine Station übernommen, alle Brückenoffiziere waren bereit. Auch der Chefingenieur McKinsey war anwesend, stand an der Station des Maschinenraumes.
"Wir sind klar, Sir." berichtete Grafton nach einem ausführlichen Systemcheck.
Der Commander nickte. Er überprüfte die Einstellungen für den Hauptdeflektor.
"Roter Alarm, Schilde aktivieren! Fähnrich, nehmen Sie Kurs auf die Atmosphäre."
Der Steuermann, Fähnrich Jason Marks, befolgte den Befehl. Die Flagstaff sank der Atmosphäre entgegen. Durch die aktivierten Schutzschilde wurden die Beanspruchungen des Überganges etwas abgemildert. Dann war die Flagstaff durch.
"Atmosphärentriebwerke wurden aktiviert, Impulsantrieb abgeschaltet." meldete Marks.
Die Flagstaff nährte sich der Strafkolonie. Conrad war auf seinen Monitor konzentriert, die Entfernung nahm stetig ab.
"Fünf Sekunden bis zum Deflektoreinsatz, Transporterraum Achtung!" befahl Conrad.
McKinsey nickte: "Ab jetzt! Fünf, vier, drei, zwei, eins! Jetzt!" Er aktivierte den Deflektorimpuls. Kurz war ein lautes Brummen zu hören, dann ertönte über die Bordsprechanlage die Mitteilung: "Wir haben die beiden, Commander!"
Lauter Jubel brach unter der Brückencrew aus.
"Sehr gute Arbeit! Steueroffizier, bringen Sie uns raus aus der Atmosphäre!"
Conrad beobachtete immer noch die Anzeigen der Scanner. Von der Kolonie war keine Aktivität zu erkennen, aber er wollte weiterhin wachsam sein.
"Verlassen die Atmosphäre in zehn Sekunden, Sir," berichtete Fähnrich Marks.
Die Aussicht nach vorne änderte sich plötzlich, es waren wieder Sterne zu sehen. Die Flagstaff war wieder im Weltall.
"Impulsantrieb gestartet," meldete Marks.
Conrad nickte ihm zu: "Voller Impuls, bringen Sie uns raus aus dem System."
"Aye, Sir."
Die Flagstaff nahm Kurs auf, um das Bentaras-System möglichst schnell hinter sich zu lassen. Erst außerhalb des Systems konnten sie den Warpantrieb aktivieren.
"Commander, ich orte hier seltsame Tachyon-Emissionen. Entfernung 0,3 Parsec, Richtung 209.012," meinte Fähnrich McBride.
In dem Moment öffnete sich die Turbolifttüre und Commander Jamira und Lieutenant Bonalair betraten die Brücke.
Conrad erhob sich. "Wie schön, dass Sie wieder da sind."
"Vielen Dank für die Rettung, Sir. Es war höchste Zeit," entgegnete Jamira.
Bonalair fügte hinzu: "Leider haben wir den Captain verloren."
"Ja, leider. Mister Bonalair, besetzten Sie die Taktik. Commander Jamira, übernehmen Sie bitte den Posten des ersten Offiziers," sagte Conrad und setzte sich wieder.
Lieutenant Bonalair löste McBride an der taktischen Station ab. Er scannte nochmals.
"Sir, diese Tachyon-Emissionen...es könnte ein getarntes Schiff sein." meinte er.
Conrad wandte sich zu ihm um: "Achten Sie auf diese Emissionen, Lieutenant."
"Ja, Sir."
Wenige Augenblicke vergingen, dann ertönte ein aufgeregter Ruf: "Sir, ein Schiff enttarnt sich! Richtung 220.010."
"Identifierung möglich?" fragte Conrad sofort.
Der taktische Offizier scannte kurz und entgegnete: "Ein Schiff der Defiant-Klasse! Sie haben die Schilde oben und die Waffen aktiviert!"
"Aktivieren Sie die Phaser, Torpedos laden! Taktische Analyse!" befahl der Commander.
Ein unsicheres Kopfschütteln begleitete Bonalairs Meinung: "Wir sind waffenmäßig sowie maschinell klar unterlegen, Sir. Die Defiant-Klasse ist ein reines Kampfschiff."
"Rufen Sie sie!"
Grafton versuchte es. "Der Captain des Schiffes für Sie, Commander."
"Auf den Schirm," ordnete Conrad an.
Die Anzeige des Hauptbildschirmes wechselte und ein Mann erschien, der dem Rang nach offenbar Commodore war.
"Ich bin Commodore Walther Benning, Befehlshaber der U.S.S. Jacksonville."
Conrad erwiderte: "Ich bin Commander Ralph Conrad, erster Offizier der U.S.S. Flagstaff. Dürfen wir ihre Absichten erfahren, Sir?"
"Durchaus, Commander. Sie haben zwei Individuen an Bord, die ich dringend suche."
"Sie meinen die beiden Häftlinge?" fragte Conrad möglichst unwissend.
Der Commodore nickte: "Ja. Mister Conrad, ich erwarte von Ihnen, dass Sie die beiden herüberbeamen. Ansonsten muss ich Sie leider gewaltsam holen."
Conrad versuchte, äußerlich unbeeindruckt zu wirken. Das Schiff, welches ihnen direkt gegenüberstand, war um einiges besser bewaffnet, hatte bessere Schilde und viel schneller. Während die Flagstaff maximal Warp 8 erreichen konnte, flog die Defiant-Klasse Warp 9,982. Es bestand keine Möglichkeit, ihr zu entkommen.
"Commodore Benning, würden Sie ein anderes Sternenflottenschiff wirklich beschießen? Die Crew der Strafkolonie hat Experimente durchgeführt, die schwerstens bestraft werden. Sie haben unseren Captain getötet und mehrere Mitglieder unserer Crew entführt. Ich werde jegliche Verteidigungsoption wahrnehmen, um meine Crew zu schützen."
Benning schüttelte den Kopf: "Ich möchte es nicht, ihr Schiff angreifen. Aber diese beiden Personen sind sehr wichtig für die Sicherheit der Föderation. Ich bin ermächtigt, sie mit mir zu nehmen."
"Ermächtigt? Von wem, Commodore?" fragte Conrad scharf.
"Sie machen mich müde, Commander. Sie haben zehn Minuten, die beiden zu übergeben. Benning Ende." Das Bild erlosch, man sah wieder das kampfbereite Schiff.
Conrad sah seine Offiziere an. "Vorschläge?"
"Wir müssen kämpfen, Sir. Die einzige Alternative." erwiderte Bonalair sofort.
Jamira widersprach: "Wir haben keine Chance, Lieutenant."
"Sir, vielleicht kommt bald die Hilfe, die wir angefordert haben." gab Lieutenant Grafton zu bedenken.
McKinsey sagte: "Vielleicht, Lucas. Aber nur vielleicht."
"Es sieht doch so aus: Entkommen können wir nicht, zumindest nicht solange der Gegner volle Maschinenkapazität hat. Also, Mister Bonalair. Visieren Sie die Antriebssektion der Jacksonville an. Wir müssen dafür sorgen, dass sie langsamer werden," entschied Conrad.
Der taktische Offizier nickte wenig zuversichtlich: "Ja, Commander. Aber die Warpgondeln bei der Defiant-Klasse sind in den Rumpf integriert und stark gepanzert."
"Das ist unsere einzige Chance. Kampfstationen besetzen! Fähnrich Marks, bieten Sie mir eine fliegerische Meisterleistung."
Der junge Steueroffizier nickte: "Ich werde alles geben, Commander."
"Dann los. Mister Bonalair, machen Sie unsere Waffen bereit für eine volle Breitseite. Gleichzeitig, Mister Marks, fliegen Sie ein Delta-Ausweichmanöver und versuchen, uns aus dem Wirkungsbereich der Waffen unseres Gegners zu bringen," ordnete Conrad an.
Die Angesprochenen nickten beide.
"Dann los! Feuer frei, Lieutenant!" rief der erste Offizier.
Sämtliche Waffensysteme der Flagstaff eröffneten das Feuer auf die Jacksonville. Diese lag bewegungslos da, wurde daher vom ersten Feuerstoss voll getroffen. Sofort nahm das Schiff Fahrt auf und versuchte, ebenfalls einige gute Schüsse abzugeben. Die Flagstaff konnte gerade noch um einige Phasersalven herummanövrieren.
"Ausgezeichnet. Voller Impuls, Fähnrich!"
Die Flagstaff nahm rasch Geschwindigkeit auf. Die Jacksonville verfolgte sie.
"Sir, Gegner nähert sich rasch," berichtete Lieutenant Bonalair.
Conrad sah sich die Lage an. "Achtertorpedos Feuer. Ausweichen, neuer Kurs 020.120."
"Aye, Sir," rief Fähnrich Marks und drehte die Flagstaff in eine Kurve, während Bonalair die Torpedos abfeuerte. Die Jacksonville wich zwei Torpedos aus, zwei andere trafen sie jedoch frontal.
"Schilde des Gegners auf 40 Prozent runter, Sir. Wir haben ihre vordere Phaserpalanx beschädigt," lautete Bonalairs Analyse.
Im gleichen Moment feuerte die Jacksonville eine volle Salve Quantentorpedos ab, die die Flagstaff mitschiffs trafen. Das Schiff wurde herumgewirbelt, mehrere Konsolen auf der Brücke explodierten.
"Schadensbericht!"
Lieutenant Grafton hatte schon nach wenigen Augenblicken die Antwort: "Schilde runter auf 30 Prozent, achtere Phaser ausgefallen. Der Impulsantrieb ist beschädigt, Commander."
"Ausweichemanöver Delta zwei, weiter auf den Gegner feuern," befahl Conrad.
Während die Flagstaff abdrehte, wurde sie von zwei Phasersalven getroffen.
"Schilde runter auf 10 Prozent. Hüllenbrüche auf Deck vier und fünf, Commander!"
Conrad wies die Schadenskontrollteams an, die Hüllenbrüche zu schließen. Die Situation sah nicht gut aus für sie. In wenigen Minuten würde sie die Jacksonville kampfunfähig gemacht haben.
"Notenergie in den Impulsantrieb transferieren! Wir müssen dem Gegner entkommen. Alle verfügbaren Torpedos abfeuern, beschäftigen Sie sie noch etwas, Lieutenant!"
Grafton erwiderte: "Commander, wenn wir die Notenergie abzweigen, dann sind wir später ohne Option, falls die Lebenserhaltung ausfällt."
"Ich weiss, Lieutenant. Aber wir sind bald sowieso ohne Option," erwiderte Conrad.
Bonalair feuerte erneut Torpedos ab, die Jacksonville wurde teilweise beschädigt. Jedoch war klar, dass man den Gegner mit den Waffen der Flagstaff nicht ernsthaft beschädigen konnte.
"Wir halten den Abstand zur Jacksonville, Sir. Sie kommen nicht näher," meldete Marks.
Conrad sah sich die Energiewerte für den Antrieb an. Sie fluktuierten, das bedeutete, dass bald die Leistung nachlassen würde, dann könnte der Gegner aufholen.
"Waffen abschalten. Versorgen Sie den Antrieb mit der Energie des Waffensystems, Lieutenant Grafton!" befahl der erste Offizier.
"Jawohl, Commander," erwiderte dieser.
Nach einigen Minuten kam die ernüchternde Meldung vom Maschinenraum: "Commander, wir können die Impulsenergie nicht aufrecht erhalten. Tut mir leid."
"Wir werden langsamer, Commander. Die Jacksonville holt auf," meldete Bonalair.
Conrad erhob sich aus dem Kommandosessel. "Waffen aktivieren, Lieutenant. Sie feuern aus allen Rohren, haben Sie verstanden?"
Der taktische Offizier schluckte kurz, nickte aber: "Ja, Sir. Ich werde denen alles geben, darauf können Sie sich verlassen."
Conrad klopfte dem Offizier auf die Schulter. "Das weiss ich, Mister Bonalair."
"Die Jacksonville in Waffenreichweite! Wir feuern!" rief er.
Alle verbliebenen Phaser und Torpedobänke feuerten auf den anfliegenden Gegner. Seine Schilde wurden durch das Dauerfeuer der Flagstaff reduziert, aber ausschalten konnte es sie nicht. Dagegen feuerte die Jacksonville erneut Quantentorpedos ab, die die Schilde der Flagstaff ausschalteten. Sie waren wehrlos.
"Schilde ausgefallen, Sir!" schrie Grafton.
Conrad befahl: "Ausweichmanöver fliegen, Fähnrich. Los!"
Mit einigen waghalsigen Manövern gelang es dem Steueroffizier, die Flagstaff vor weiteren Treffern zu bewahren.
"Sir, ich orte ein Schiff, welches sich mit Warp nähert!" berichtete Bonalair.
Conrad blickte ihn an: "Was für ein Schiff?"
"Intrepid-Klasse. Sie rufen uns, nur Audio."
"U.S.S. Flagstaff, hier spricht Captain Christopher Branford von der U.S.S. Exeter. Wir kommen Ihnen zu Hilfe, ziehen Sie sich zurück. Wir werden ihren Gegner übernehmen," erklang eine Stimme.
"Bestätigen Sie den Funkspruch. Fähnrich Marks, bringen Sie uns in Richtung der Exeter in Deckung, los!" befahl er.
Dann war die Exeter zu sehen. Sie war unter Warp gegangen und hielt auf die Jacksonville zu. Die Flagstaff brachte sich hinter der Exeter in eine relative Deckung.
"Die Exeter greift die Jacksonville an, Sir!" rief Grafton.
Das Raumschiff eröffnete sofort das Feuer aus allen Waffensystemen. Mit der massierten Feuerkraft zwang die Exeter die Jacksonville schon nach kurzer Zeit zum Rückzug. Sie traten die Flucht an und gingen auf Warp.
"Die Exeter verfolgt den Gegner nicht, Sir. Sie gehen auf Paralellkurs zu uns," berichtete Grafton zufrieden.
Conrad nickte: "Alarm Rot beenden. Leiten Sie alle erforderlichen Reparaturen ein."
"Sir, der Captain der Exeter bittet Sie, auf sein Schiff zu beamen," meldete Grafton.
Der Commander blickte Jamira an. "Kommen Sie bitte mit, Commander. Lieutenant Bonalair, Sie übernehmen das Kommando."

Der erste Offizier der Exeter führte Conrad und Jamira zum Bereitschaftsraum des Captains.
"Sir, Commander Conrad und Lieutenant Commander Jamira von der Flagstaff," stellte er die beiden vor.
Der Captain nickte: "Danke, das wäre alles, Nummer 1."
"Aye, Sir," nickte dieser und verließ den Bereitschaftsraum.
"Willkommen an Bord. Ich bin Captain Christopher Branford," stellte sich der Kommandant vor. Dann bot er beiden einen Platz an.
"Sie wollen sicher wissen, was auf Bentaras V passiert ist,"
Conrad antwortete: "Ja, das würden wir tatsächlich gerne, Captain."
"Nach ihrem Bericht hat Vice Admiral Pallomino eine Untersuchung eingeleitet. Es scheint so, als ob Sektion 31 diese Experimente angeordnet hätte."
"Sektion 31?" fragte Conrad.
Jamira erwiderte: "Eine Abteilung des Sternenflotten-Geheimsdienstes, die unabhängig der Weisungen des Sternenflottenkommandos operiert."
"Sehr richtig, Commander," nickte Branford. "Der Admiral hat einige höhere Offizier unter Arrest gestellt, die allesamt für Sektion 31 tätig waren. Wir wurden zu ihrer Hilfe geschickt, als wir erfuhren, dass die Jacksonville zu Ihnen unterwegs war."
"Was geschieht mit den Gefangenen?" wollte Jamira wissen.
Branford wiegte den Kopf: "Sie werden ihre Strafe absitzen, das ist klar. Aber zuvor werden sie natürlich behandelt, und alle Veränderungen an ihnen werden rückgängig gemacht. Wir haben ein medizinisches Team an Bord, welches den Gefangenen helfen wird."
"Und was ist mit der Crew der Strafkolonie?"
"Auch um die werden wir uns kümmern. Wir werden sie alle gefangen nehmen, keine Sorge."
Jetzt konnte sich Conrad etwas entspannen. Der Captain schien alles im Griff zu haben.
"Ich habe neue Befehle für Sie, Mister Conrad. Sie sollen zur Sternenbasis 190 fliegen und sich dort bei Vice Admiral Pallomino melden," teilte ihm Branford mit.
Conrad erwiderte: "Verstanden, Sir." Er und Jamira standen auf. "Ich möchte Ihnen im Namen meiner Crew großen Dank aussprechen, Captain. Sie haben uns gerettet."
"Das war uns eine Ehre, Commander. Leben Sie wohl," verabschiedete sich Branford.

"Computerlogbuch der Flagstaff, Sternzeit 50615,1 , Commander Conrad.
Nach Beendigung der relevantesten Reparaturen sind wir nun bereit, in Richtung der Sternenbasis 190 aufzubrechen."

"Bericht, Mister Grafton," befahl Conrad und nahm im Kommandosessel Platz.
"Wir sind startklar, Commander," erwiderte dieser.
Conrad aktivierte die Sprechanlage: "Brücke an Maschinenraum."
"McKinsey hier, Sir."
"Wie ist ihr Status, Lieutenant?" wollte der erste Offizier wissen.
"Wir sind klar für bis zu Warp 7, Sir," meldete der Chefingenieur.
Conrad richtete seinen Blick nach vorne zum Steuermann, Fähnrich McBride.
"Kurs setzen auf Sternenbasis 190, Mister McBride. Warp 4," lautete der Befehl.
Der Fähnrich führte den Befehl aus: "Programmiert, Commander."
"Beschleunigen Sie!" ordnete Conrad an und lehnte sich zurück.
Die Flagstaff ging auf Überlichtgeschwindigkeit und tauchte in das Sternenmeer ein.


"Computerlogbuch der Flagstaff, Sternzeit 50621,5 , Commander Conrad.
Wir sind bei Sternenbasis 190 angekommen. Ebenso wie die gesamte Crew bin ich gespannt, was uns hier von Admiral Pallomino erwartet."

"Standardorbit, Mister Marks. Lieutenant Bonalair, rufen Sie die Sternenbasis," befahl Conrad.
"Aye, Sir," erwiderte der taktische Offizier.
"Sir, der Admiral bittet Sie, zusammen mit allen Stabsoffizieren runterzubeamen," meldete Bonalair sogleich, nachdem er den Funkspruch abgesetzt hatte.
Der erste Offizier erhob sich aus dem Kommandosessel. "Dann los, wir wollen den Admiral nicht warten lassen. Mister Bonalair, rufen Sie den Stab zusammen, wir beamen in fünf Minuten runter. Transporterraum eins."
"Zu Befehl, Commander," erwiderte Bonalair.

Vice Admiral Pallomino, der befehlshabende Offizier der Sternenbasis und des gesamten Sektors, war ein Mann Mitte Fünfzig, freundlich dreinblickend und charmant. Anders als viele Admirale seines Ranges war meist gut gelaunt und offen zu seinem Untergebenen.
"Willkommen auf Sternenbasis 190, Commander Conrad. Nehmen Sie doch Platz," begrüßte er Conrad und bot ihm einen Platz in seinem Büro an.
Conrad dankte ihm und kam der Aufforderung nach.
"Ich habe ihren Bericht gelesen, Commander. Sehr beendruckend, was sie geleistet haben. Wenn man die Situation und ihre Ressourcen bedenkt," meinte Pallomino.
"Ich habe versucht, uns alle rauszubringen, Sir. Ich bin mehr als glücklich, dass wir es endgültig geschafft haben."
Der Admiral sah ihn aufmerksam an. "Ich weiss, Sie sind Offizier der Reserve, Mister Conrad. Und Sie waren nicht gerade glücklich darüber, wieder im Dienst zu sein."
"Darf ich offen sein, Admiral?" fragte Conrad.
"Natürlich, bitte."
"Sir, zu Anfang diese Auftrages und eigentlich bis zu Beginn der Schwierigkeiten auf Bentaras V war es so, dass ich mich auf der Flagstaff am falschen Platz gefühlt habe. Ich bin kein Kommando-Offizier, das weiss ich. Aber..."
Pallomino unterbrach ihn: "Aber als es dann zu großen Schwierigkeiten kam, da haben Sie Initiative gezeigt, da waren Sie da. Und das zählt, Commander."
"Danke sehr, Admiral. Ich habe einfach gehandelt."
"Genau das ist es, was richtig war." Pallomino lächelte. "Glauben Sie, unsere Captains sind alles geborene Anführer, Mister Conrad? Nein, ganz sicher nicht. Jeder von denen zweifelt manchmal an sich selbst, aber im Endeffekt tun sie ihre Arbeit. Und darauf kommt es an."
"Ich verstehe, Admiral," antwortete Conrad und erwiderte das Lächeln.
"Ich werde noch die Offiziere des Stabes befragen, dann werde ich meine Untersuchung abschließen. Dazu werde ich auf die Flagstaff kommen. Wir sehen uns dann, Mister Conrad. Auf Wiedersehen."
Conrad stand auf. "Danke sehr, Admiral. Auf Wiedersehen."

"Commander Ralph Conrad, persönliche Aufzeichnungen, 50621,7.
Nach dem Gespräch mit Admiral Pallomino bin ich auf die Flagstaff zurückgekehrt, nach und nach sind auch die restlichen Offiziere wieder eingetroffen. Ich frage mich, was Pallomino mit seiner Ansprache bezwecken wollte. Wollte er mir nur einfach danken, dass ich meinen Job gemacht habe, oder war es mehr? Ich weiss es nicht."

Der Maschinenraum der Flagstaff sah schon wieder etwas aufgeräumter aus. Es lagen zwar noch überall Leitungen und Kabel herum, aber das Chaos lichtete sich zusehends.
"Mister McKinsey, wie weit sind Sie?" wollte Conrad vom Chefingenieur wissen.
Dieser erwiderte: "Maximal Warp 7 kann ich Ihnen geben, Sir. Impulskraft zu 80 Prozent, aber wir sind dran, diese gänzlich wiederherzustellen. Die Rumpfschäden sind soweit klar, aber wir können Sie nicht komplett instandsetzen. Dafür brauchen wir eine Werft, Sir."
"Ich verstehe. Gute Arbeit, Lieutenant. Machen Sie weiter," meinte Conrad und verließ den Maschinenraum Richtung des Turboliftes.
Ein Interkomsignal ertönte. "Transporterraum 1 an Conrad."
"Sprechen Sie," erwiderte er.
"Sir, Admiral Pallomino ist klar zum Raufbeamen."
Conrad hatte nicht mit dem Admiral gerechnet, erwiderte aber: "Ich bin unterwegs."

Er kam gerade rechtzeitig, Pallomino materiallisierte soeben.
"Willkommen an Bord, Admiral," hieß er ihn willkommen.
Pallomino verließ die Transporterplattform. "Danke sehr."
"Möchten Sie das Schiff inspizieren, Sir?" wollte Conrad wissen.
"Aber natürlich, gerne. Nach Ihnen, Commander," gab er zur Antwort.

Der Rundgang mit dem Admiral dauerte anderthalb Stunden, dann gingen beide in den Bereitschaftsraum neben der Brücke. Conrad bot Pallomino einen Tee an und bestellte sich selbst einen Kaffee beim Replikator.
"Was meinen Sie, Sir?"
Pallomino sah ihn an und sagte: "Sie sind schon wieder auf einen guten Weg mit diesem Schiff. In ein paar Tagen wird es wieder fast neu sein. Aber eine Werft brauchen Sie trotzdem."
"Das denkt Lieutenant McKinsey auch, Sir," gab Conrad zurück.
"Ich habe Befehle für Sie. Fliegen Sie zur Erde und bringen Sie die Flagstaff zur Werft McKinley. Dort wird sie wieder auf Vordermann gebracht."
"Aye, Sir."
Pallomino zog ein Datenpad aus der Tasche und reichte es Conrad. "Hier, lesen Sie."
"Sir?" fragte Conrad verwundert.
"Lesen Sie es."
Conrad folgte der Aufforderung und las. Es war ein Angebot an ihn, das Angebot, wieder in den aktiven Dienst der Flotte zurückzukehren. Damit verbunden war einen Beförderung zum Captain und das Kommando über die Flagstaff. Er las es sich erneut durch, konnte aber immer noch nicht glauben, was er da sah.
"Ist das ernst gemeint?"
"Admiral scherzen selten, Mister Conrad," meinte Pallomino trocken.
Conrad lehnte sich zurück. Er musste das erstmal verdauen.
"Und wie kommt so etwas zustande, Admiral?"
"Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht," fragte der Admiral zurück.
Conrad blickte ihn fest an. "Ich bin, wie gesagt, kein Kommando-Offizier. Und dazu bin ich kein aktiver Offizier. Also wieso bietet man mir das Kommando und den Rang des Captains an?"
"Weil Sie, ohne dass Sie es wissen, dafür gut geeignet sind. Sie sind einer der Menschen, die das einfach können. Ich sage damit nicht, dass Sie ein geborener Captain sind, so wie James T. Kirk, Jean-Luc Picard oder auch Christopher Branford. Aber Sie können es, und das haben mir alle befragten Offiziere der Flagstaff bestätigt. Die waren sehr beeindruckt von ihrem Kommandostil und wie Sie die Sache gemeistert haben. Sie sind Exobiologe, das hier ist ein Forschungsschiff. Es kann einen Mann wie Sie gebrauchen, der zuerst Wissenschaftler ist und dann erst Offizier. Ich sage Ihnen, ich habe auf meinem Schreibtisch ein Dutzend fähige Offiziere, die allesamt das Kommando übernehmen könnten."
Conrad fragte: "Und wieso nehmen Sie keinen von denen?"
"Weil Sie und ihr Stil mir gefallen, Commander. Überlegen Sie es sich." Pallomino erhob sich. "Danke für den Tee."
"Gern geschehen, Sir." Conrad begleitete ihn zur Türe. "Ich kontakte Sie."
"Tun Sie das," erwiderte Pallomino lächelnd.
Als er gegangen war, ließ sich Conrad irgendwie erschöpft in den Schreibtischsessel fallen. Was sollte er nur tun? War ihm wirklich daran gelegen, sein beschauliches Leben in Arizona aufzugeben und wieder ins All zu reisen? Er war gerne Professor und hielt gerne Vorlesungen, andererseits war er häufig zwischen verschiedenen Dingen gewechselt, war nie ein beständiger Mensch gewesen. Daran war auch seine Ehe gescheitert. Seine Exfrau, Angelina, hätte einen Mann wie einen Ruhepol benötigt, aber das konnte er nicht sein. Es reizte ihn, diese Verantwortung hier zu übernehmen, das sah er ganz deutlich.
"Conrad an Jamira," rief er über Interkom.
"Ich höre, Commander."
"Melden Sie sich bitte im Bereitschaftsraum."
"Ich bin unterwegs, Sir."
Zwei Minuten später ertönte der Türsummer und Conrad rief "Herein". Die Deltanerin betrat den Raum und setzte sich.
"Sie wollten mich sprechen, Sir?" fragte sie und beobachtete ihn aufmerksam.
Er nickte: "Ja, so ist es. Und lassen Sie, wenn wir unter uns sind, das Sir weg. Diese formellen Dinge brauche ich nicht."
"Natürlich, kein Problem," meinte sie und lächelte knapp.
Conrad lehnte sich zurück. "Jamira, der Admiral war vorhin hier. Er hat mir das Kommando über die Flagstaff, eine Beförderung zum Captain sowie den Rückkehr in den aktiven Dienst angeboten."
"Ich weiss."
"Oh, gut. Ich habe nur Bedenken, was die Crew dazu meint."
"Zuerst mal müssen Sie es wollen. Das ist das Wichtigste," entgegnete sie bestimmt.
Conrad nickte: "Ja, ich weiss. Und ich will es auch. Es ist eine sehr reizvolle Aufgabe, vor allem für mich als Wissenschaftler."
"Nur müssen Sie hier der Captain sein, nicht der wissenschaftliche Offizier. Das verstehen Sie sicher. Dazu gehören leider auch manchmal formelle Dinge."
"Ich werde es versuchen, mir zu merken. Also, was meinen Sie? Sie sind Empathin, Sie fühlen mehr als alle anderen hier an Bord, Jamira."
"Die Crew hat vor Ihnen Respekt, sie achtet Sie. Sie haben uns alle aus einer sehr gefährlichen Situation gerettet, mich eingeschlossen."
"Ich habe nur Bedenken, dass meine Art zu kommandieren nicht genügend Respekt erzeugt. Ich meine, um es salopp auszudrücken, ich bin ein lockerer Mensch. Ich gebe nicht viel auf Protokoll und Förmlichkeit. Ich möchte, dass wenn ich Menschen führe, diese auch so meine Befehle befolgen, verstehen Sie?"
Jamira lächelte und nickte ihm zu: "Natürlich verstehe ich das. Und ich denke auch, Sie können mit dieser Art hier gut fahren. Keine Sorge, ich kenne unsere Crew. Dies hier ist ein kleines Schiff, wir sind eine verschworene Gemeinschaft. Das heisst, Sie können sich auf uns verlassen."
"Dann werde ich wohl annehmen," erwiderte Conrad.
"Das freut mich sehr." Jamira schwieg kurz, meinte dann: "Wir brauchen noch einen neuen ersten Offizier, wie Sie wissen."
"Ach ja. Sagen Sie, das Protokoll erlaubt doch, dass auf einem Schiff wie diesem der wissenschaftliche Offizier den Posten des ersten Offiziers gleichzeitig bekleidet, oder?"
"Diese Regelung ist bei Schiffen bis zu einer Besatzungsstärke von 150 Personen möglich, ja," erwiderte Jamira sofort.
Conrad sah Jamira lange an, fragte dann: "Würden Sie als mein erster Offizier fungieren, Jamira? Ich würde es gerne so haben wollen."
"Es wäre eine große Aufgabe, das ist klar. Aber ich nehme an," antwortete sie.
Conrad reichte ihr die Hand und sie schlug ein. "Dann freue ich mich auf unsere Zusammenarbeit, Jamira. Ich weiss, ich kann auf Sie zählen."
"Auf gute Zusammenarbeit, ja," entgegnete sie.

"Commander Ralph Conrad, persönliche Aufzeichnungen, 50622,1.
Meine Beförderungszeremonie wurde für heute Abend angesetzt. Ich bin sehr gespannt, freue mich natürlich aber auch."

Zum sicher hundertsten Male prüfte Conrad den Sitz seiner Galauniform, dann verließ er sein Quartier. Im Offizierscasino sollte die Feier stattfinden, alle nicht diensttuenden Crewmitglieder würden anwesend sein. Er betrat das Casino, alle Blicke richteten sich auf ihn.
"Besatzung, stillgestanden!" rief Lieutenant Bonalair.
Admiral Pallomino und Jamira standen vor der Crew.
"Heute Abend haben wir drei Dinge zu feiern. Der erste Anlass, zu dem ich Commander Conrad bitte, vorzutreten," sagte Pallomino.
Er folgte der Aufforderung und stellte sich neben Pallomino und Jamira.
"Für den Oberbefehlshaber der Sternenflotte. Zur Sternezeit 50622,1 ernenne ich Commander Doctor Ralph Conrad zum Captain."
Pallomino trat vor Conrad und befestigte das vierte Rangabzeichen neben den drei bestehenden.
"Meinen Glückwunsch, Captain." Pallomino reichte Conrad die Hand.
Conrad schlug ein. "Danke sehr, Sir. Ich freue mich sehr."
"Den zweiten Anlass verlese ich hiermit: Auf Befehl des Oberbefehlshabers der Sternenflotte übernimmt Captain Doctor Ralph Conrad das Kommando über die U.S.S. Flagstaff zur Sternzeit 50622,1."
"Und zum Dritten: Ich ernenne Lieutenant Commander Jamira zum ersten Offizier der U.S.S. Flagstaff. Meinen herzlichen Glückwunsch an Sie."
Pallomino reichte Jamira die Hand und lächelte freundlich.
"Ich danke Ihnen, Admiral," erwiderte sie und strahlte der Crew entgegen.
"Besatzung, rührt Euch!" rief Bonalair.
Der Admiral schaute in die Runde und meinte: "Lassen Sie uns feiern!"
Conrad musste sich erstmal etwas sammeln, aber er war schon umringt von den Offizieren des Stabes. Jeder wollte ihm gratulieren.
"Glückwunsch, Sir!" meinte Bonalair.
Conrad erwiderte: "Danke, Lieutenant. Hoffe nur, dass ich das nicht irgendwann bereue!"
"Aber Sir, wir werden es Ihnen so angenehm wie möglich machen!" scherzte Grafton.
"Wenn Sie es sagen, Mister Grafton!" lachte Conrad den Einsatzoffizier an.
McKinsey hatte sechs Gläser besorgt, in denen eine klare Flüssigkeit schimmerte.
"Was ist das, Ian?" wollte Jamira wissen.
Der Chefingenieur lächelte breit: "Schottischer Whiskey, was sonst? Wir trinken auf Sie beide! Hier, nehmen Sie!"
Jeder bekam ein Glas. Grafton, Bonalair und McKinsey waren von dem Getränk sowieso begeistert, Jamira und Doctor Hedican weniger, aber auch sie wollten sich nicht ausnehmen. Und Conrad nahm das Glas und hob es.
"Auf einen jederzeit guten Flug dieses Schiffes und seiner feinen Crew!"
McKinsey rief: "Hört hört!"
"Darauf trinken wir!" meinte Grafton.
Alle stießen zusammen an, dann wurden die Gläser in einem Zug geleert.
"Das fängt ja gut an," dachte sich der frischgebackene Captain der Flagstaff.

Am folgenden Morgen hatte Conrad ein wenig Kopfschmerzen, aber die beseitigte er, indem er sich von der Krankenstation ein passendes Mittel mitnahm. Dann begab er sich auf den Weg zur Brücke. Er betrat den Turbolift, nannte sein Ziel. Nach wenigen Augenblicken öffnete sich die Türe und er betrat die Brücke.
Alle Crewmitglieder erhoben sich, Jamira, die das Kommando hatte, rief: "Der Captain ist auf der Brücke!"
Conrad sah sich jeden einzelnen an, ging an den verschiedenen Stationen vorbei.
"Alles in Ordnung, Mister Bonalair?" fragte er den taktischen Offizier.
"Natürlich, Captain."
Dann sah er Jamira an. "Weitermachen, Commander."
"Ja, Sir."
Er begab sich zum Kommandosessel. Hier nahm er Platz und richtete seinen Blick nach vorne, auf die Sterne. Wohin würden sie ihn noch führen.
"Steueroffizier, setzen Sie einen Kurs auf die Erde. Geschwindigkeit Warp 4," befahl er.
Fähnrich Jason Marks führte diesen aus und meldete: "Programmiert, Sir."
Conrad hob die Hand. "Beschleunigen."
Die Warptriebwerke der Flagstaff sprangen an, das Schiff beschleunigte auf Überlichtgeschwindigkeit und tauchte in das Sternenmeer ein. Die Flagstaff war unterwegs, unterwegs nach Hause. Und ihr neuer Captain lehnte sich für einen kleinen Moment in seinem Sessel zurück, um das Gefühl zu genießen.


E N D E



im Gedenken an
Gene Roddenberry
DeForest Kelley

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 04.10.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Zum Gedenken an Oberstabsfeldwebel Helmut Pausch, Kompaniefeldwebel der 1./Gebirgsjägerbataillon 232, Bischofswiesen-Strub. Er verstarb am 23.07.2002.

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