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Sommer.
Die schwüle Hitze der vergangenen Wochen hatte etwas nachgelassen. Das Licht des späten Juliabends tauchte den Weiher in einen sanften Goldschimmer. Die Blätter einer Birke raschelten leise im lauen Wind. Grillen zirpten und kündeten die nahende Dämmerung an, während eine Amsel laut flötend dagegen ankämpfte. Ein Mückenschwarm hing dicht über dem Wasser. Weiter hinten im Weiher glitt eine einzelne Ente lautlos dahin. Die junge Frau mit den langen braunen Haaren saß regungslos am Ufer und starrte vor sich hin. Auf den Weiher, in dem heute vor einem Jahr ihr Sohn ertrunken war. Er hieß Fabian.

Und es war Sommer.


Sommer.
Eine brütende Hitze hing in dem engen Zimmer im ersten Stock. Die offenen Fenster blieben wirkungslos, brachten nicht den Hauch einer frischen Brise herein. Der alte Mann saß an einem Tisch und starrte die Wand an. Seine knorrige Hand, die einen hölzernen Stock hielt, war blutleer und zitterte monoton.
Er nahm dreierlei Pillen für den Parkinson, daneben welche für Bluthochdruck und für die Prostata. Sie hatten ihm auch welche zum Schlafen gegeben, aber die brauchte er nur manchmal. Die anderen hatte er auf die Seite getan, in ein Blechdöschen in seinem Nachttisch. Für den Notfall.

Und es war Sommer.


Sommer.
Er hatte es eilig. Der Vier-Uhr-Zug wartete nicht und er musste ihn noch erreichen. Es war der Regionalexpress aus Ulm, zur Weiterfahrt Richtung Stuttgart. Aus seinem Stechschritt wurde ein Dauerlauf. Der Schweiß brach ihm augenblicklich aus allen Poren, die Sonne brannte gnadenlos von einem wolkenlosen Himmel. Seine Freundin hatte mit ihm Schluss gemacht- per SMS. Er war noch jung, erst 18, und das ganze Leben lag noch vor ihm- sagten die Leute. Er hörte den Zug nahen. Im letzten Moment erklomm er die Böschung der Bahnlinie und warf sich vor dem Zug auf die Gleise.

Und es war Sommer.


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Tag der Veröffentlichung: 03.02.2010

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