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Die Kutsche rollte langsam aus und hielt direkt vor der Poststation.
Eine kleine Staubfahne setzte sich langsam hinter ihr wieder auf die Straße, als Jack Williams seinen Fallen zügelte und aus dem Sattel sprang. Fast hätte er sie verpasst. Aber wer konnte auch schon ahnen, dass die Kutsche heute mal pünktlich kam. Er beobachtete, wie der Kutscher, ein älterer Mann und sein Begleiter, etwa um die hälfte jünger an Jahren den Kutschbock verließen. Der jüngere von beiden klappte die kleine Stufe der Postkutsche aus und öffnete die Tür, während der ältere nach hinten ging und einen Verschlag öffnete, der die Postsäcke enthielt. Aus der Poststation eilte ein Angestellter herbei der den beiden mit befehlendem Ton etwas zurief, worauf der Alte zähneknirschend Antwort gab. Er hievte zwei beträchtlich große Säcke aus dem Verschlag und ließ sie keuchend auf die staubgraue Straße nieder.
Der miesgelaunte Angestellte der Poststelle griff sogleich nach den Säcken und beförderte sie ins innere des Gebäudes. Doch Jack Williams Aufmerksamkeit richtete sich auf die Reisenden, welche die Kutsche grade verließen. Dan Rafferty, der in der Nachbarstadt seine Schwester besucht hatte, sprang als erster aus der Kutsche. Doch er ging nicht davon, wie Jack gehofft hatte, sondern wandte sich um und streckte seine Hand aus, um den übrigen Fahrgästen behilflich zu sein. Mittlerweile hatte Jack sein Pferd an den Baba der Station festgemacht und trat ebenfalls an die Kutsche heran. Eine Schmale Frauenhand ergriff Raffertys Hand und eine junge Frau, in einem dunklen Reisekleid verließ die Kutsche.
Jack erkannte sie sofort. Sie war Lady Campbells Zofe.
„Hallo Mary“, begrüßte er sie leise, sodass niemand es hörte.
Mary fuhr herum und blickte ihn verwirrt an, so als ob sie nicht wusste ob sie fröhlich oder deprimiert sein sollte.
„Mr. Williams, Guten Morgen.“ Ihr Gruß klang abschätzend und beinahe wie eine Frage.
Doch Jack Williams drehte ihr im nächsten Moment schon den Rücken zu und ging auf Rafferty zu, der sich anschickte, den nächsten und letzten Insassen aus der engen Kutsche zu befreien.
„Danke Rafferty. Das ist nicht nötig. Ich helfe Lady Campbell“, sagte Jack leise und bestimmt an Raffertys Ohr. Dieser starrte ihn irritiert an und trat von der Kutsche zurück.
Jack nahm seinen Platz neben den Stufen ein und streckte der Lady seine Hand entgegen.
Sogleich legte sich eine behandschuhte Hand in seine und Luciana Campbell verließ anmutig und behände die Kutsche. Sie entzog sich ihm, sobald ihre Füße den Boden berührten und ließ ihren Blick blitzschnell umherschweifen.
„Danke, Mr. Williams“, sagte sie ohne ihn anzusehen. „Wenn sie mich abholen sollten, so fürchte ich, haben sie ihren Weg umsonst gemacht. Meine Kutsche wartet bereits dort drüben“, erklärte sie ihm mit gezwungener Höflichkeit und drehte sich von ihm weg.
Tatsächlich stand ihre Kutsche einige Meter entfernt. Jack Williams nickte.
„Ich weis. Ich soll sie im Namen von Diego begrüßen und sie zu Ihrer Ranch begleiten. Leider ist Diego verhindert, doch ich habe von ihm den Auftrag erhalten, sofort mit ihnen zu
sprechen. Sie sind sicher müde, doch leider lässt sich diese Angelegenheit nicht aufschieben, also…“ Er hatte eine Menge Fragen erwartet, oder vielleicht sogar Empörung, aber nichts dergleichen geschah. Sie nickte nur und sagte mit fester Stimme in die Runde:
„Ich bin nicht müde, lasst uns aufbrechen Mr. Williams.“ Und noch bevor Jack etwas erwidern konnte, ließ sie ihn stehen und ging zu ihrer Anschlusskutsche hinüber.
Der Junge, der auf dem Kutschbock gesessen hatte, hatte ihr Gepäck schon verstaut und wollte ihr die Türe öffnen, doch sie winkte ab und öffnete sie selbst. Ohne einen Blick zurückzuwerfen, stieg sie ein. Mary schickte sich an ihr eilig zu folgen, doch Jack hielt sie zurück.
„Gab es irgendwelche Schwierigkeiten auf eurer Reise?“, fragte er schnell.
Mary schüttelte den Kopf und beobachtete Rafferty beim ausladen seines Gepäcks.

„Keine. Wir hatten einen Bruch eines Rades, aber die Panne konnte in kürzester Zeit behoben werden. Ansonsten war alles in Ordnung. Und bis auf einen kleinen Zwischenfall in einem kleinen Nest, wo wir in einem Wirtshaus übernachten mussten, hat sie auch niemand belästigt.“ Mary wurde unruhig und trat von einem Bein aufs andere.
Jack nickte wissend. „Was war das für ein Kerl?“, fragte er.
„Ein betrunkener. Aber der Wirt hat ihn an die Luft gesetzt und damit war die Geschichte auch schon zu Ende“, erwiderte Mary schulterzuckend.
„Der Wirt hat ihn vor die Tür gesetzt?“, Zum ersten Mal zuckte etwas wie eine Gefühlsregung über Jacks Gesicht. Mary bemerkte das leise Lächeln auf seinen Lippen und die Überraschung in seiner Stimme. Mary grinste und musterte Jack einen Moment.
„Mary“, Luciana Campbells leiser, aber strenge Stimme erinnerte Mary wieder an ihre Pflichten. Sie lief zur Kutsche hinüber und stieg ihrer Herrin hinterher. Keine Sekunde später setzte sich die Kutsche in Bewegung. Jack ging zu seinem Pferd hinüber, saß auf und folgte der Kutsche im Galopp.


Der Weg war nicht sehr weit. Sie waren ungefähr eine halbe Stunde geritten, als die Abzweigung zur Ranch vor ihnen auftauchte. Kurz danach das erste Tor, dann das zweite. Keinen Hinweis auf die Besitzer oder ein Name. Soviel Jack wusste, hatte diese Ranch noch nie einen Namen besessen. Jedenfalls nicht bei Luciana Campbell. Die Leute in Dark – City nannten die Ranch Crystal-Eye, aber auch nur, wenn Luciana nicht in der nähe war. Sie hasste es nämlich auf ihre Augen angesprochen zu werden. Jack wusste, es war nicht etwa Koketterie, sondern wirklicher Hass. Lady Campbell war eine außergewöhnliche Schönheit, wie er fand. Die ebenmäßigen, aristokratischen Gesichtszüge, der volle sinnliche Mund und eine Haut wie von heller Bronze. Ihr hübsches Gesicht war umrahmt von braunem Lockigem Haar. Sie hatte so helle Augen, dass sie schon fast keine Farbe mehr zu haben schienen und jeder, der ihr in die Augen sah, hatte das Gefühl zu Eis zu werden. Sie war oft kühl und abweisend, doch wer sie kannte, kannte auch ihre andere liebevolle Seite. Sie war warmherzig und sehr gefühlvoll, wenn sie mit Kindern oder Pferden zu tun hatte.
Er sah, wie die Kutsche vor dem Haupthaus der Ranch hielt und die Lady leichtfüßig aus der kutsche sprang. Die Morgensonne zauberte ihr einen rot schimmernden Lichtreflex auf ihre haare, als sie sich drehte und einen langen sehnsüchtigen Blick zur Koppel links von ihr warf. Sie pfiff kurz und sofort war ein gellendes Wiehern zu hören.
Sofort kam ein großes braunes Pferd mit schwarzer Mähne angaloppiert. Jack staunte, als der Hengst mit einem Wahnsinnssprung über den Zaun setzte und auf die Lachende Lady zulief. Jack ritt gemächlich näher und Mary die mit Hilfe des Stalljungen aus der Kutsche stieg schüttelte nur den Kopf und machte sich daran die Treppen des Hauses hinaufzugehen.
„Hallo mein Guter“, murmelte Luciana dem Pferd in die Mähne und streichelte und klopfte ihm den Hals.
Sie nickte dem Stallburschen zu:„Nimm ihn wieder mit.“
Der Junge kam mit roten Wangen heran, packte den Hengst bei der Mähne und zog ihn sanft aber bestimmt zurück zur Koppel.
Jack sprang von seinem Pferd, als er sah, das Luciana Campbell auf ihn zuschritt.
„Kommen sie, gehen wir rein.“
Jack nickte gab dem Stalljungen, welcher grade zurückgekehrt war, die Zügel seines Pferdes und folgte ihr. Nur an ihrer Stimme erkannte Jack, dass sie aufgewühlt war. Er stieg hinter ihr die Treppe hinauf und konnte nicht anders, als ihre Rückansicht zu bewundern. Selbst in dem Schmucklosen grünen Reisekleid sah sie sehr ansprechend aus. Drinnen im Flur eilte ihr ein Hausmädchen entgegen, nahm ihr lächelnd den Mantel vom Arm. Es nickte als Luciana ihr Anweisung gab Tee aufzutragen.
„Warten sie hier kurz, Mr. Williams. Ich gehe mir nur rasch den Staub vom Gesicht waschen.“
Sie öffnete eine Tür zu einem Zimmer und Jack trat ein. Die Tür fiel hinter ihm zu.
Jack sah sich langsam und forschend um. Gemütlich aussehende Sofas, ein Kamin, ein niedriger kleiner Tisch, aber keinerlei Nippes oder Krimskrams und keine Blumen unter Glas.
Nur klare Linien und erstaunlich helle Farben. Den einzigen Farbtupfer gaben ein handgewebter indianischer Teppich und ein in ähnlichen Farben gehaltenes Bild. Auf dem kleinen Tischchen lagen die Zeitung von letzter Woche und ein Buch.
Das Mädchen von eben, welches Lucy den Mantel abgenommen hatte, trat in das Zimmer und balancierte vorsichtig ein Tablett mit Teetassen, einer bauchigen Kanne und einem Teller mit warmen Gebäck zum Tisch hinüber.
„Ich soll ihnen ausrichten, Mr. Williams, das Miss Lucy noch fünf Minuten braucht. Sie möchten schon einmal Platz nehmen und eine Tasse Tee zu sich nehmen.“
Das Mädchen hatte einen Unverkennbaren englischen Akzent, doch ganz anders als andere englische Dienstmädchen schlug sie nicht die Augen nieder, sondern sah einem Selbstbewusst in die Augen und lächelte.
„Vielen Dank….“
„Grace, Sir. Darf ich ihnen Tee einschenken?“ Ohne seine Antwort abzuwarten schüttet sie mit geübter hand den Tee in die Tasse.
„Vielen Dank Grace. Sie kommen aus England?“
„London, ja Sir. Seven Dials.“ Jack schluckte. „Aha, wie sind sie denn hier gelandet?“
Grace schob eine Strähne ihres Haares aus der Stirn und zuckte die Schultern.
„Miss Lucy hat mich dort vor vier Jahre gesehen. Ich bin nicht Stolz drauf, aber ich bin eine Taschendiebin gewesen. Bis ich den Fehler oder das Glück hatte, an Miss Lucy zu geraten. Sie erwischte mich.“
Natürlich tat sie das, dachte Jack amüsiert.
„Dann hielt sie mir eine Predigt, zog mich hinter sich her, steckte mich in die Wanne, gab mir zu essen und führte mich in ein Spielzimmer.“
Jack schaute verblüfft von seiner Tasse auf und hob seine rechte Braue. „Ein Spielzimmer?“
„Für Kinder, Sir.“ Grace schob ihm das Sahnekästchen zu. „Sie hatte lauter Frauen und Zofen aufgenommen die Kinder hatten, alles solche wie ich. Ohne Job und Zukunft Sir. Sie arbeiteten in ihrem Hause, zu guten Bedingungen und ohne Angst. Ihre Kinder leben dort mit ihnen. Sie verdienen wirklich Geld, ihre Kinder werden versorgt und sogar Unterrichtet.
Miss Lucy hat mich gebeten zu bleiben. Es waren zwei Säuglinge geboren worden und sie brauchten Hilfe. Zuerst habe ich mich gesträubt und sie hat mich wieder gehen lassen. Sie war nicht böse oder so. Sie hat mir sogar Geld gegeben.“ Grace lächelte und verlor sich einen Moment in ihren Gedanken. „Nach zwei Tagen stand ich wieder vor ihrer Tür und bin geblieben.“ Ohne die geringste Verlegenheit ging sie hinaus, nachdem sie ihm freundlich zugenickt hatte. Jack hatte schon gedacht, das Mary die einzige war, aber Grace war ihr sehr ähnlich, was ihm gefiel. Er trank noch ein Schluck Tee aus seiner Tasse.
„Bleiben sie sitzen“, sagte Lucyana Campbell schnell, als sie das Zimmer betrat. Sie setzte sich ihm gegenüber und schenkte sich selbst etwas von dem Tee in ihre Tasse.
Sie war die einzige Frau die er kannte, welche Hosen und einen Revolver trug. Wenn die feinen Damen aus England sie sehen könnten, dachte Jack schmunzelnd. Er beobachtete sie, während sie ihre Tasse an den Mund führte und einen schluck Tee nahm. Dann blickte sie ihn an. Seine grünen Augen musterten sie ohne jede Regung und ohne jeden Anflug von Verlegenheit. Seine männlichen, harten Züge ließen Lucy nicht erkennen, was er grade dachte.
„Es tut mir leid, dass ich sie warten ließ, Mr. Williams. Sie wollen also mit mir sprechen?“
Sie blickte ihm mitten ins Gesicht und schien ihn abzuschätzen.
„Es hat schon drei Morde an Frauen ihres Alters gegeben“, sagte Jack ohne Umschweife.
Luciana Campbell stellte langsam ihre Teetasse zurück auf den Unterteller. Sie sah ihn aufmerksam an.
„Eine Frau wurde in Balesburry getötet und zwei hier in Darkland. Nancy Ridgewater, Eloise Hunter und Marlene Gablin.“
Lucy schloss kurz die Augen, hatte sich aber gleich wieder gefasst.
„Diego wollte nicht, das sie es erfahren. Sonst währen sie wohl noch eher zurückgekehrt und das wollte er keinesfalls. Er macht sich große Sorgen, das auch sie dem Mörder in Visier geraten könnten.“
„Und sie sollen mich jetzt also warnen?“ Jack schwieg.
Lucy sah ihn fragend an. „Also nicht nur warnen? Ich ziehe nicht auf Diegos Ranch. Ich war hier jetzt so lange weg. Ich sollte mich um meine Pferde kümmern.“
„Erst einmal möchte er sie einladen, morgen Mittag mit ihm zu essen. Um sie bis morgen Mittag zu beschützen hat er mich beauftragt bei ihnen zu bleiben.“
Ausdruckslos schaute sie ihn an. Ausgerechnet, dachte sie. Jeder andere wäre Okay gewesen, doch bei ihm fühlte sie sich unbehaglich. Der Mann stellte eine Bedrohung für sie dar, die sie schwerlich ignorieren konnte. Allein schon vom Körperlichen. Lucy war nicht klein, doch er überragte sie deutlich. Er war muskelbepackt und sehr intelligent, was ihr Bauchschmerzen bereitete. Und was am Schlimmsten war – er war Diegos bester Freund, seine rechte Hand.
Sie konnte es nicht von der Hand weisen. Sie hatte Angst, nicht nur vor dem Killer, sondern auch vor Jack. Doch ihr war auch klar, dass sie Diego nicht widersprechen konnte. Sie musste tun, was er verlangte und wenn Williams dazugehörte, dann würde sie auch das überstehen.
„Schön. Ich werde ihnen ihr Zimmer zeigen.“
Wieder Überraschte sie ihn. Er hatte mit Gegenwehr gerechnet, kannte er doch ihre Freiheitsliebe.
„Es stört sie nicht, dass ich bleibe?“, fragte er neugierig auf ihre Antwort.
Sie zuckte erschöpft die Schultern. „Solang ich die Ranch nicht verlassen muss, kann der Teufel persönlich bei mir wohnen.“ Sie schreckte zurück, als ihr bewusst wurde, was sie da gesagt hatte, doch Jacks Mundwinkel zuckten amüsiert. Lucy taxierte ihn.
„Ich werde meiner Köchin bescheid sagen müssen, das sie da sind.“
Und trat mit Jack im Schlepptau aus dem Zimmer.


Erst auf seinem Zimmer wurde ihm bewusst, dass sie kaum mit der Wimper gezuckt hatte, als er ihr sagte, dass eine ihrer Freundeninnen ermordet worden war. Marlene Gablin war fünf Jahre älter als Luciana Campbell gewesen. Und sie waren seid zehn Jahren befreundet gewesen. Sie hatte auch nicht nach den Umständen ihres Todes gefragt. Aber er kannte Lucy auch noch nicht lange. Er hatte sie schon öfters zu Gesicht bekommen, als sie Diego besucht hatte, aber nie richtig mit ihr gesprochen. Immer hatte er ein längeres Gespräch erfolgreich vermieden. Doch nun hatte es sich nicht vermeiden lassen. Diego war unerbittlich gewesen.
Für seine Geliebte kam nur sein bester Mann infrage, wie er sagte.
Jack hatte sich keineswegs geschmeichelt gefühlt. Er war nun hier, wenn er Glück hatte nur bis morgen. Er war überzeugt, das es Diego gelingen würde Lucy zum Einzug zu bewegen.
Es klopfte an der Tür und ohne eine Antwort abzuwarten, wurde die Tür geöffnet.
„Ich gehe hinunter in den Stall“, sagte Lucy drehte sich auf dem Absatz um und stieg die Treppe hinab.
„Ich begleite sie“, antwortete Jack, griff rasch nach seiner Jacke und zog die Tür hinter sich zu.
„Sind sie denn gar nicht müde?“, wollte er wissen.
Lucy schüttelte nur den Kopf. „Nein. Ich habe Unterwegs geschlafen.“
Was natürlich gelogen war. Lucy hatte keine Lust auf eine Unterhaltung. Ihre Gedanken kreisten nur noch um Marlene. Sie wollte einfach ihre Ruhe haben.
Bei den Ställen angekommen, fiel Jack auf, dass Lady Campbell sich unentwegt aufmerksam umsah.
„Sie wussten es schon nicht wahr?“, fragte er ruhig.
„Ja, Mrs. Hemmley hat es mir berichtet. Ich weiß alles darüber.“
„Und sie sind nicht eher hierher gekommen?“
„Laura schrieb nur, das Diego mich lieber in London hätte als hier.“
„Machen sie alles, was Diego von ihnen verlangt?“, fragte er sarkastisch.
Lucy fuhr herum. Ihre Augen weiteten sich und sie starrte ihn ernst an.
„Ja“, erwiderte sie flach. „Ich bemühe mich genau dies zu tun.“
Das klang so eigenartig, dass Jack den kopf schüttelte und nicht mehr wusste, was er noch sagen wollte. Als er an ihr Vorbeiging, legte sie ihre Hand auf seinen Arm, sodass er stehen blieb.
„Ich habe ihnen jede Frage wahrheitsgemäß beantwortet, werden sie es ihm erzählen?“
Jack starrte sie an und nahm bestimmt ihre Hand von seinem Arm.
„Glauben sie wirklich, ich erzähle ihm alles, was sie mir sagen? Warum sollte ich das tun?“
„Ich würde sie darum bitten Laura nicht zu erwähnen. Er mag sie nicht besonders und ich würde nur Schwierigkeiten bekommen.“
„Ich werde sie nicht erwähnen, wenn es ihnen so wichtig ist“, sagte Jack kalt und setzte sich in Bewegung. Lucy atmete auf.
„Warum haben sie solche Angst vor ihm?“, fragte Jack ohne sie anzusehen. Er verstand diese Lady überhaupt nicht. Diego war rührend besorgt um sie und wünschte sich nur bei ihr zu sein. Doch Luciana blieb immer auf Abstand. Und gegen Laura würde Diego nichts unternehmen. Schließlich hatte er sie gebeten Lucy von hier fernzuhalten, solange es ging.
Sie betraten den Stall und Lucy steuerte direkt auf eine der Hinteren Boxen zu.
„Ich kenne ihn schon lange und ja ich habe manchmal Angst vor ihm. Er ist unberechenbar“, sagte sie leise.
Luciana betrat die Box einer hübschen Stute, streichelte sie und sprach ihr beruhigend ein paar Worte zu. Jack lehnte sich gegen die Boxentür und schaute sich um. Es stimmte man konnte Diego schnell die Laune verderben und er war oft jähzornig und immer auf Rache aus.
Er beobachtete Lucy beim putzen des Pferdes. Sie fuhr mit der flachen Hand über die Beine der Stute und sah sich die Narbe am rechten Hinterbein genauer an.
Aus einem der Stallgänge näherte sich schlurfend ein etwa fünfzigjähriger Mann. Jack trat einen Schritt aus der Box und legte seine Hand auf den Revolverknauf.
„Keine Sorge. Forge wird mich schon nicht mit der Mistgabel erstechen“, kam es amüsiert aus der Box. Jack hob seine Augenbraue, behielt aber seine Kampfhaltung bei.
Sie hatte Nichtmahl aufgeschaut, um zu sehen wer da kam.
„Was tun sie hier, Mister?“, fuhr der alte Mann Jack an. Forge hatte sich in einiger Entfernung vor Jack aufgebaut und hielt seine Mistgabel bereit.
Luciana begann leise vor sich hin zu kichern.
„Er ist fast taub“, sagte Lucy glucksend. „Sie müssen sehr laut mit ihm sprechen.“
„Den Teufel wird ich tun“, zischte Jack angriffslustig. „wenn er kämpfen will, soll er nur kommen.“
„Sie müssen lauter reden ich bin fast taub“, brüllte Forge ihn an. Jack knirschte mit den Zähnen. „“Ich bin hier um Miss Lucy zu beschützen“, brüllte Jack los.
Auf Forges Gesicht zeigte sich Verständnislosigkeit. Lucy beschloss das Versteckspiel aufzugeben und richtete sich auf, damit ihr Stalldiener sie sehen konnte. Sie winkte ihm zu.
„Hier ist alles in Ordnung“, brüllte sie und zeichnete mit ihren Händen wilde Figuren in die Luft. Sie hörte gar nicht mehr auf zu gestikulieren und der alte Mann sah ihr aufmerksam zu und verschwand mit einem Nicken. „Sie können die Gebärdensprache?“, fragte Jack erstaunt. Lucy drehte sich zu ihm herum. „Natürlich, wenn ich einen tauben Helfer habe, sollte ich mich doch mit ihm verständigen können“, sagte Lucy entrüstet. „Er ist von Geburt an fast taub und ist in meinem Pferdestall aufgewachsen. Eines Morgens fanden ihn meine Männer schlafend und nach Whiskey stinkend in einer der Boxen.“ Sie erwähnte jedoch nicht, dass es die Box von ihrem Hengst gewesen war. Ihr Pferd hatte diesen Mann geduldet. Also hatte sie ihn eingestellt. Er kümmerte sich seitdem gut um das Pferd, den sonst niemand gern versorgte.
„Er weiß viel über Pferde, für einen Trunkenbold ist er erstaunlich gescheit“, grinste Lucy und verließ mit Jack die Box.
Niemand hätte einen tauben, versoffenen Pferdeburschen eingestellt, dachte Jack. Er eingeschlossen.


Jack schwirrte langsam der Kopf. Und er bekam Hunger. Es war nun fast Mittag und Lucy schuftete wie eine Besessene. Nach dem Stallrundgang schaute sie kurz in die Schlafhäuser der Männer, reparierte hier und da einige Kleinigkeiten und verband einem Hund seine Pfote.
Niemals hätte Jack ihr solche arbeiten zugetraut, doch sie war fast so stark wie einige der Männer. Die Männer zogen sie auf und sie nahm ihnen keinen derben Witz übel. Sie wurde von jedem Respektiert. Sie ließ sich nie bedienen und half wo sie nur konnte.
„Kommen sie“, sagte Lucy zu Jack und ging an ihm vorbei. Sie ging zu einem Kleinen Anbau am hinteren Teil des Hauses und öffnete die Tür mit einem Schlüssel.
„Wir werden heute zum Nachtisch einen fantastischen Apfelkuchen bekommen“, verkündete Lucy ins Dunkel und Jack konnte sich ein grinsen nicht verkneifen. Auf dem Treppenabsatz stand eine Petroleumlampe, die sie rasch entzündete.
„Dann wollen wir mal, und passen sie auf“. Sie stieg die lange Treppe hinab und leuchtete eine weitere Tür an. Hier unter der Erde war es doch merklich kühler geworden.
„Lassen sie mich das machen“, sagte Jack und nahm ihr den Schlüsselbund aus der Hand, wobei ihre Hand sanft die seine Streifte. Als er sich an ihr vorbei zur Tür schob, roch er unmerklich an ihrem Haar. Es duftete sauber, nach frischem Heu und einer Blume, die er jedoch nicht einzuordnen wusste. Er öffnete die Tür, während sie ihm Leuchtete. Lucy trat an eines der langen Regale, nahm einen Korb und füllte ihn mit ein paar Äpfeln. Sie waren teilweise schon etwas runzelig, weil sie den Winter über hier unten gelegen hatten, doch Jack störte dies wenig. Dicke Bündel Zwiebeln hingen an gespannten Leinen und in den Ecken standen Kisten mit Sand, welche Möhren beinhalteten. Es gab Fässer mit Kraut, einige Fische und eine Menge an Whiskey. Einige Fleischbrocken hingen gesondert an Stählernen Haken von der Decke. Auch von Obst und Gemüse, war reichlich da.
„Wofür ist diese Falltür?“, fragte Jack neugierig. Dort geht es noch tiefer hinunter. Wir lagern dort Eis und gefrorenes Fleisch“, berichtete Lucy, nahm eine Wurst von der Decke und legte sie ebenfalls in ihren Korb. „Gehen wir“, sagte Lucy und schritt zur Treppe.
Jack folgte ihr Wortlos.


Sie aßen in der Küche und Jack lernte Mama kennen. Sie war eine kleine, dicke Farbige mit grauen Haaren, vielleicht an die sechzig Jahre alt. Sie trug schwarze Kleidung und darüber eine blütenweiße Schürze. Und offensichtlich hatte sie Angst, das Lucy und Jack verhungerten, denn sie hatte den Langen Tisch im Esszimmer voll gepackt mit verschiedenen Speisen. Doch Jack war klar, dass Lucy niemals hier aß, so ganz allein. Wie zur Bestätigung, verzog Lucy ihr hübsches Gesicht und drehte sich zu Grace herum.
„Das ist doch albern. Mr. Williams hat doch längst gemerkt, das es hier nicht so förmlich zugeht.“ Sie blickte Jack an und dieser grinste amüsiert und betrat als erster die Küche.
Mary erstarrte, als Jack herein trat und blickte Lucy irritiert an.
“Miss Lucy, ist irgendwas nicht in Ordnung?“, stotterte Mary und starrte Jack verlegen an. „Alles in Ordnung, ich esse hier in der Küche wie immer und Jack möchte uns Gesellschaft leisten“, grinste Lucy und begab sich an den Tisch, wo die Stalljungen und Diener, sowie Mama saßen. „Und du kannst auch das Miss weglassen…..“
Mary nickte und grinste.
„Ich würde mich freuen, wenn auch ihr mich Jack nennen würdet“, sagte Jack, während er sich Lucy gegenüber setzte und in die Runde schaute.
„Lucy“, begann die hübsche brünette ihm gegenüber und Jack nickte ihr dankend zu.
Mama grinste süffisant und zwinkerte Jack keck zu. „Sie sind ja ein Prachtexemplar von einem Mann, mein Junge. Mein seliger Bernard war auch von diesem Kalieber, sag ich dir Lucy. Der konnte essen für drei und hatte Kraft wie ein Ochse und Geschick sag ich dir. Auch im Bett.“ Sie blickte Jack herausfordernd an und stimmte in das lachen der Mädchen mit ein. Jack räusperte sich, konnte sich ein grinsen jedoch nicht verkneifen.
Lucy warf ihm einen Blick von der Seite zu und war überrascht, wie sehr er sich doch verändert hatte.
„Nun ja“, sagte Jack belustigt. „Ich hatte noch keinerlei beschwerden.“
Mama brach in schallendes Gelächter aus und die Männer grölten vor lachen. Lucy verdrehte genervt die Augen und wandte sich an Jack.
„Entschuldigen sie Jack, Mama vergisst manchmal ihre guten Manieren.“
Mama schob sich eine Gabel Kartoffelbrei in den Mund und winkte entschieden ab.
„Viel gibt es da nicht zu vergessen.“
Wieder lachten alle. Jack beobachtete Lucy verstohlen. Sie unterhielt sich viel, aber rührte ihr Essen kaum an. Dies viel auch Grace auf. „Lucy was ist denn? Schmeckt es dir nicht?“
„Doch, doch. Ich bin heute nicht sehr hungrig“, wehrte Lucy ab. „Ich hätte lieber ein Tasse Kaffee“, fügte sie so leise hinzu, dass nur Jack es hören konnte.
„Übrigens sind Jack und ich morgen Mittag nicht zum Essen da.“, sagte sie nun etwas lauter und alle hörten ruckartig auf zu essen. „Diego hat uns eingeladen.“
Mama sah auf und musterte Lucy eingehend. „Verstehe“, sagte sie knapp und stand auf. Ohne Worte nahm sie Lucys Teller und stellte ihn weg. Dann ging sie zum Küchenschrank in der Ecke, nahm etwas heraus und legte es vor Lucy auf den Tisch. Jack sah erstaunt zu, wie Lucy die zwei Zigaretten in ihrem kleid verschwinden ließ.
„Können sie ihr einen Kaffee machen?“, fragte Jack Mama und schob ebenfalls seinen Teller von sich. Lucy nickte Jack dankend zu, erhob sich und verließ die Küche.


Lucy war mit ihren Zigaretten und ihrem Kaffee hinaus auf die Veranda getreten und setzte sich auf einen der Stühle. Sie nippte an dem herrlich duftenden Gebräu in ihrer Tasse und zögerte das anzünden ihrer ersten Zigarette noch etwas hinaus. Doch lange hielt sie es nicht aus, sog befriedigt den köstlichen Rauch in ihre Lungen und lehnte sich zufrieden zurück.
Drinnen aß Jack extra langsam seinen Kuchen, bis nur noch Mama und er sich in der Küche befanden. „Möchten sie nicht auch ein Stück essen?“, fragte Jack und deutete auf den Platz gegenüber. Mama sah ihn einen Moment lang an und setzte sich seufzend.
„Sie sind doch im Auftrag von Diego hier, nicht wahr? Sie erstatten ihm doch Bericht, oder nicht? Ich hab ihnen nichts zu sagen.“
Einen Moment lang war Jack sprachlos. Was ging hier vor? Lucy war mit Diego verlobt. Doch niemand hier schien ihn zu mögen, noch nicht einmal Lucy. Warum hatte sie sich dann mit ihm verlobt? Und das schon seit Jahren. Er wusste, das Diego ganz versessen auf die Hochzeit war. Warum sie nicht?
Jack schüttelte den Kopf. „Nein ich will sie auch nichts fragen. Ich bin nur dafür zuständig, dass Lucy nichts passiert.“
„Wegen der Morde? Diego hat Angst, es könne Lucy treffen?“
Jack nickte. „Irgendwas an den Morden scheint Diego glauben zu lassen, dass das eigentliche Ziel Lucy ist.“
Mama stützte ihre unterarme auf den Tisch. „Was könnte das sein? Hat der Mörder irgendwo ihren Namen aufgeschrieben?“
Jack schüttelte den Kopf. „Soweit ich weiß, nein. Man nimmt an, das der Mörder ein Betäubungsmittel verwendet und sie ausbluten lässt.“
Mama schauderte. „Wie schrecklich. Dauert es nicht eine Weile bis man verblutet? Nein, ich weiß von meinem Mann, dass er einen Schnitt im Oberschenkel hatte und innerhalb von Minuten Tot war. Meinen sie So was?“
„Na ja. Nicht ganz. Aber wir wissen auch, das er sich oft in der nähe von Kutschen aufhält und in seinem Besitz befindet sich ein Gewehr. Was aber….“, begann Jack, doch er bremste sich selber. Er konnte doch einer Außenstehenden nicht alle Details verraten.
Mama starrte ihn mit weißem Gesicht an und stellte zitternd ihre Kaffeetasse auf den Tisch. „Diego hat Recht“, flüsterte sie aufgewühlt und griff nach Jacks Hand. „Er hat so Recht. Passen sie auf Lucy auf. Sie ist in großer Gefahr.“
„Woher wissen sie das?“, fragte Jack erstaunt.
„Überlegen sie doch. Benutzen sie ihren Verstand.“ Sie sprang heftig auf und lief hinaus. Jack sah ihr verblüfft nach. Was hatte sie aufhorchen lassen? Die Reisenden? Er wusste das Lucy viel reiste. Oder das Gewehr? Sie hatte es doch aber noch nie gesehen. Jack zuckte mit den Schultern und schaute zum Fenster, welches auf die Veranda blicken ließ. Er vergewisserte sich, das Lucy draußen war und rauchte. Eine bewaffnete Frau in Hosen die rauchte.
Die feine Gesellschaft in London würde sie umbringen. Und Jack war auch klar, dass er in Zukunft mit diesen plappernden Modepüppchen noch weniger anfangen konnte.
Leise trat er aus der Küche, ging den hellen Flur entlang und betrat die Veranda. Lucy hörte ihn kommen, drehte sich aber nicht zu ihm um. Stattdessen zog sie ein letztes Mal an ihrer Kippe, ließ sie zu Boden fallen und trat drauf herum. Jack ließ sich in den Stuhl fallen, wo sie eben noch gesessen hatte und zündete sich ebenfalls eine Zigarette an. Blitzschnell drehte Lucy sich zu ihm herum und starrte ihm auf die Finger. Jack grinste und blies seinen Rauch mit voller Absicht in ihre Richtung. Ihr Blick wandte sich nun der zweiten Zigarette zu, welche noch auf dem Tisch lag. „Meine Tagesration“, sagte sie mit klagender Stimme.
Jack griff in seine Tasche und ließ ein Päckchen Tabak auf den Tisch fallen.
„So ein Pech“, sagte er mit trügerisch sanfter Stimme.
„Sie sind ein gemeiner Kerl“, klagte Lucy und seufzte.
„Das sollten sie nie vergessen“


Er sah sie auf der Veranda sitzen und rauchen, schön wie eh und je. London hatte sie nicht verändert, das hatte er gleich gesehen, als sie aus der Kutsche stieg. Ihre Arroganz machte ihn wütend, doch er beruhigte sich schnell wieder. Er würde sie in die Finger bekommen, da war er ganz sicher. Er musste nichts weiter tun, als die Hände aufhalten. Noch einmal warf er einen Blick auf sie, der Mann der neben ihr saß war ihm unwichtig. Er kannte ihn. Es war Jack Williams. Die rechte Hand des Teufels. Er musste schmunzeln. Als ob es Diego gelingen könnte, sie vor ihm zu schützen. Er hatte vielleicht einmal einen Fehler begangen, aber noch mal würde ihm das nicht passieren. Er konnte sie doch jetzt einfach erschießen und keiner wäre hier, um ihn aufzuhalten. Aber dann wäre es zu einfach. Er musste auf den Moment warten. Auf den einen Moment.


Jack stieß einen ordentlichen Fluch aus und sprang auf. Mit einem Satz stand er vor Lucy, welche ruhig sitzen blieb und auf seinen breiten, muskulösen Rücken hochsah.
„Er liegt dort schon eine ganze Weile, Jack. Und er wird nicht schießen. Setzen sie sich.“
Jack wirbelte herum, griff um die Armlehnen ihres Stuhls und schaute ihr in die Augen. „Sie haben ihn gesehen und nichts gesagt?“, knurrte Jack. Lucy vergaß vor staunen ihre Zigarette.
„Er wollte gesehen werden. Ich vermute er hat ein Handspiegel, eine Münze oder sogar ein Fernglas“, erklärte sie so gut sie konnte. „Er will Rache, Jack. Wofür auch immer.“
Plötzlich sprang sie auf und stieß Jack heftig zur Seite.
„Grace“, brüllte sie. „Geh sofort wieder rein.“ Grace, die grade durch die Tür treten wollte, hielt erschreckt inne und Jack schlug ihr die Tür vor der Nase zu.


Der Killer ließ das Gewehr sinken, seine Mundwinkel zuckten verächtlich. Gut Reagiert Liebes, dachte er mit widerwilliger Bewunderung und betrachtete den rücken von Luciana Campbell. Mit einem Anflug von Bedauern, trat er den Rückzug an. Er hatte genug gesehen. Dieses Hausmädchen umzulegen, hätte ihn vielleicht etwas milder gestimmt, aber einen der arbeitenden Männer umzulegen gefiel im nicht. Als er zu seinem Pferd lief, stockte er plötzlich. Jack Williams. Wie würde sie reagieren, wenn er ihn umbrächte? Wie stand sie zu ihm? Machte sie die Beine Breit für ihn?
Er beschloss noch ein wenig abzuwarten, wie sich alles entwickelte. Er musste etwas töten und zwei Dinge fielen ihm auf Anhieb ein. Er sprang behände auf sein Pferd und zog es herum. Sicher würde sie sich diese Stelle genau ansehen, wo er gelegen hatte. Er lächelte leicht. Dann würde er schon längst auf der Jagd sein.
Ihr lag viel an der Freundschaft zu Laura Watson und an ihrem verdammten Riesenpferd.
Würdige Gegner. Wütend trieb er sein Pferd an und war Sekunden Später verschwunden.


Jack holte sein Pferd. Lucy bestand darauf, mitzureiten und wies den Stallburschen an, Stormy Darkness, ihr Pferd zu holen. Der Hengst reagierte sofort auf Lucys pfiff und kam aus dem Stall gerauscht. Lächelnd holte sie einen Apfel aus ihrer Tasche und gab ihn lachend ihrem Pferd. Sie schwang sich auf seinen Rücken und ritt mit Jack im Schlepptau zum Tor hinaus.
Jack betrachtete Lucys schlangen Rücken und ihre Taille, während er ihr hinterher ritt. Ihre Hochgesteckten Haare lösten sich allmählich und einige Strähnen flossen wirr ihren Rücken hinab. Sie war trotz Männerklamotten elegant und er mochte das.
Er begehrte sie. Schon vor vier Jahren, als er sie das erste Mal gesehen hatte, war ihm klar gewesen, dass sie die Frau war, die er unbedingt meiden musste. Er hatte sie niemals näher angesehen, oder mit ihr Gesprochen. Es waren nur verdammte zwei Minuten gewesen, die sein Leben verändert hatten. Er war damals bei Diego gewesen, als sie auf die Ranch kam und einen anderen Mann angelächelt hatte. Sie hatte ihm keine Aufmerksamkeit geschenkt, was ihn rasend gemacht hatte. Doch als sie ging, hatten ihre Augen ihn gestreift und ihm zugenickt. Und ohne irgendeinen Hüftschwung und in Hosen, war sie wieder verschwunden.
Und nun war er ihr so nah, wie noch nie. Er wollte nicht hier sein, bei ihr. Und doch hatte er sich genau dem Mann angeschlossen, der sie besaß. Sie gehörte seinem Boss, Diego Desanto.
Merkwürdigerweise löste es keine Gefühle in ihm aus, obwohl er wusste, dass sie auch des Öfteren bei ihm übernachtete. Vielleicht, weil er wusste, das sie ihn nicht liebte? Er hatte sie einmal an so einem Morgen gesehen, wie sie zu ihrer Ranch aufbrach, mit müden Augen und starren Bewegungen. Jack wusste, das Diego sie in Kampfkunst unterrichtete, welche er perfekt beherrschte. Und Jack wusste auch, das Diego nicht Zimperlich war. Er hatte bei seiner dritten Begegnung mit ihr die zahlreichen Male und blauen Flecken gesehen, als sie den Kampfraum verließ. Die heftige Prellung auf ihrem Jochbein veranlasste Jack zu einer Unterredung mit Diego, der seine Bedenken jedoch nur lächelnd und Schulterzuckend abtat.
„Sie war eben nicht schnell genug. Und du weißt, dass das hier ein Gefährliches Land ist. Und sie ist nun mal eine Frau, Jack.“ Diego stockte einen Moment, dann sagte er:
„Ich würde alles geben, wenn sie mich nur endlich heiraten würde. Doch sie zögert. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, mein Lieber.“
Kurz nach diesem Zwischenfall feierte Diego ein Standtfest und verkündete die Verlobung. Sie stand an seiner Seite und lächelte ruhig und gefasst. Lucy war allgemein beliebt und Diego war der „König“ der Stadt. Jeder hatte dieses Ende erwartet, oder Anfang?
Jack hatte währenddessen an einem der Tische gestanden, sein Bier festgehalten und Lucy eingehend gemustert, als sich plötzlich ihre Blicke trafen. Ihr mechanisches Lächeln erstarb und ihre Hände glätteten zitternd den Rock ihres Kleides. Seine Augen bohrten sich in ihre, als er langsam sein Bier hob und ihr zuprostete. Abrupt drehte sie sich weg, setzte ihr lächeln wieder auf und nahm allerlei Glückwünsche entgegen.
Ob sie sich an diesen Augenblick noch erinnerte? Er schüttelte die Erinnerung ab.
Sicher nicht. Es war zu lang her.
Das Gelände begann allmählich anzusteigen, sodass ihre Pferde schnaubten. Jack zog sein Gewehr aus dem Sattelhalfter. Lucy ließ ihren Hengst langsamer werden, sodass sie neben Jack herreiten konnte.
„Hier muss es irgendwo sein. Sicher bei diesem Felsen dort.“ Sie deutete mit der Hand darauf und brachte Stormy Darkness zum Stehen. Leichtfüßig sprang sie vom Pferd und sah zu ihrer Ranch hinunter. Man konnte deutlich die Veranda und die Haustür, sowie die Arbeiter erkennen. Lucy schüttelte sich kurz und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Boden zu. Jack besah sich eine angrenzende Buschgruppe und suchte ebenfalls sorgfältig nach hinweisen. Wischspuren, dachte Jack. Der Killer war schlau. Ein Funkeln lenkte Jacks Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Stelle. Eine Spiegelscherbe. Sie hatte tatsächlich recht gehabt. Er ging darauf zu, als Lucys Körper mit voller Wucht seitlich gegen seinen traf und ihn von den Füßen riss. Er schlug hart auf den steinigen Boden auf und ächzte vor schreck und schmerz auf. Doch die Schmerzen spielten keine Rolle mehr. Instinktiv hatte er zugegriffen, fühlte den weiblichen Körper in seinen Armen und ihre weichen Brüste an seiner Brust.
„Verdammt, Jack“, schnaufte Lucy atemlos. Ihr war als wäre sie auf einen Felsen geprallt. Er starrte sie an, während sie Pfeifend versuchte Luft zu holen. „Können sie nicht besser aufpassen?“, murmelte sie und schlug mit ihrer Faust auf seine Brust. Er packte ihr Handgelenk. „Was zu Teufel…“, setzte er an, während Lucy sich von ihm herunterrollte.
Ihr Hemd war verrutscht und ihr oberer Knopf war abgerissen. Jack konnte ihren Brustansatz sehen und schaute schnell wieder weg. Am liebsten hätte er sie gepackt und unter sich geschoben. Wildes verlangen schoss durch seinen Körper, aber stattdessen richtete er sich stöhnend auf und sah sich nun den Boden um die Scherbe herum genauer an.
Und dann sah er es. Eine Falle, bedeckt mit Sand und trockenen Zweigen. Fast unsichtbar.
Ganz sicher hätte er noch einen Schritt oder zwei machen müssen und die Zähne des Fangeisens hätten sich in sein Fleisch gebohrt und seine Knochen zertrümmert.
Lucy saß immer noch auf dem Boden und raffte grad ihr Hemd über der Brust zusammen.
„Das wäre hässlich geworden“, sagte sie trocken. „Das ist eine Bärenfalle.“
Jack nahm einen trockenen Holzknüppel und warf ihn auf die Stelle, an welcher das Fangeisen eingegraben worden war. Mit einem Metallischen Rappeln schnappte es zu. Es sprang förmlich aus dem Boden und zerfetzte den Holzknüppel in mehrere Teile.
Lucy sprang auf die Füße. „Er spielt also gerne. Der Spiegel, das Eisen. Was wird als nächstes kommen?“, murmelte sie vor sich hin.
„Ich wäre ein Krüppel gewesen“, sagte Jack leise.
Lucy nickte „Ohne Zweifel.“ Er drehte sich zu ihr herum und sah sie ernst an.
„Das wäre für sie gedacht gewesen.“
Lucy begann vorsichtig zu nicken. „Vielleicht.“
„Wie haben sie die Falle so schnell sehen können?“
Die hübsche brünette zuckte mit den Schultern und faste sich schmerzend an ihre blutige Lippe. Sie leckte sich vorsichtig über die Lippen und zuckte kurz auf.
Jack beobachtete sie und wurde fast wahnsinnig. Stöhnend rieb er sich seine schmerzende Seite.
„Sind sie verletzt? fragte Lucy erschrocken und noch bevor er reagieren konnte, stand sie vor ihm und zog seine Jacke beiseite. Jack atmete scharf ein, als sie sein Hemd hochziehen wollte und bekam dabei einen Schwall ihres Duftes in die Nase.
„Treten sie sofort zurück Lucy“, sagte Jack mit kalter, rauer Stimme.
Irritiert hielt sie inne und schaute ihn an.
„Gehen sie aus meiner reichweite.“ Er packte sie am Unterarm und stieß sie unsanft zurück. Sofort wich sie von ihm und hob abwehrend beide Hände.
„Jack es tut mir Leid, wenn ich sie verletzt habe. Das war nicht meine Absicht. Ich wollte ihnen nur Helfen und ich wusste nicht was ich tun sollte. Die Falle war schon direkt vor ihnen und….“
Mein Gott, merkte sie denn gar nichts?, dachte Jack genervt. Sie stellte mit keinem Wort in Frage, dass jemand sie Hassen könnte, aber begehren erkannte sie nicht. Nicht einmal bei Diego erkannte sie, das er besessen von ihr war.
Jack atmete tief durch und bemühte sich langsam und deutlich zu sprechen.
„Es tut mir Leid. Meine Reaktion war zu heftig. Ich habe Schmerzen, aber das vergeht gleich wieder. Außerdem kränkt es mich, dass sie mich einfach so umwerfen konnten.“
Einen Moment lang sah sie ihn aus geweiteten Augen an, dann prustete sie los. Als sie sich beruhigt hatte, sah sie, dass Jack sie lächelnd betrachtete. Seine Augen waren umwerfend wenn er lachte, schoss es ihr durch den Kopf.
„Einfach so umwerfen? Sie sind ein verdammter Felsbrocken. Mein Glück war, das sie grad einen schritt machen wollten, als ich gegen sie sprang. Wenn sie auf beiden Beinen gestanden hätten, wäre ich abgeprallt wie ein verdammter Gummiball.“
„Sie Fluchen zu viel für eine Lady,“ sagte er ungerührt, fischte sich eine noch heile Zigarette aus der Jackentasche und zündete sie sich an. Mordlustig funkelte Lucy ihren Begleiter an.
„Meinen sie nicht, ich hätte auch so eine Verdient?“
Mit der Zigarette zwischen den Zähnen ging er grinsend zu seinem Pferd und beförderte eine Flasche Whiskey ans Tageslicht. Lässig schlenderte er zu einem der Felsbrocken und setzte sich. Mit einer geübten Bewegung zog er eine zweite Zigarette aus seiner Tasche und hielt sie Lucy hin.
Sie kam wie ein dressiertes Hündchen zu ihm hinüber und setzte sich mit angezogenen Beinen neben ihn. Jack schraubte den Verschluss der Flasche ab und reichte sie Lucy.
„Lecker“, sagte Lucy, nachdem sie einen schluck genommen hatte.
„Ist ja auch ihrer, so was teures kann ich mir nicht leisten“, sagte Jack amüsiert.
„So, so“, murmelte Lucy und Schloss halb die Augen. „Bezahlt Diego nicht genug?
Vielleicht sollten sie ihr Geld nicht mit den vielen Frauen vergeuden.“
“So, so“, murmelte Jack zurück. Sie hatte ihn also in all den Jahren durchaus wahrgenommen.
„Ja, ja, und vielleicht hätte ihre Mutter sie besser erziehen sollen, Jack“
„Was gibt es denn an mir auszusetzen?“, fragte Jack scherzhaft.
„Sie lügen.“
„Sie nicht?“
„Toùche.“ Lucy warf einen bedauernden Blick auf ihren Zigarettenstummel und sprang vom Felsen herunter. Sie schaute sich noch einmal um und musste feststellen, dass es nirgends eine Spur gab. Kein Fußabdruck. Kein abgeknickter Zweig. Nichts.
„Aber es gibt einen Unterschied zwischen uns. Ich weiß, wann sie lügen.“ Sie richtete sich auf und sah ihn an. „Nichts.“
„Warum ist dieser Killer hinter ihnen her?“
„Ich habe keine Ahnung“, log Lucy ungerührt.
„Ihre Köchin war aber gleich klar, dass es etwas mit ihnen zu tun hat.“ Er beobachtete sie, wie sie die Spiegelscherbe aufhob und im Licht prüfend drehte.
„Dann weiß sie wohl mehr als ich“, antwortete Lucy und begab sich zu ihrem Pferd. Insgeheim fluchte Lucy und nahm sich vor ein ernstes Wörtchen mit Mama zu reden.
Und Diego wusste es offensichtlich auch“, bohrte er weiter.
Wortlos sah sie ihn an und sprang auf ihr Pferd. Sie bohrte ihm die Fersen in die Flanken und ritt voraus.
„Verdammtes Weib“, fluchte er leise und beeilte sich ihr zu folgen.


„Sie lügen.“ Das hatte sie ihm einfach so gesagt. Also hatte sie Erkundigungen über ihn eingezogen. Weitreichende Recherchen. Sonst hätte sie nicht gewusst, dass er log. Warum tat sie so was? Er glaubte nicht, dass sie als Frau an ihm interessiert war, also musste es einen anderen Grund geben. Weil er für Diego arbeitete? Wahrscheinlich. Er warf einen Blick zu ihr hinüber. Sie saß an ihrem Schreibtisch, einen Haufen Bücher vor sich und schrieb etwas. Wenn sie seinen Blick bemerkte, so sah sie nicht auf. Mit ruhiger Hand schrieb sie weiter.
Jack ließ seinen Blick durch das kleine Arbeitszimmer schweifen. Eine Tür führte zum Flur hinaus, sie war geschlossen, und eine andere Tür führte in die Bibliothek, welche offen stand.
Niemand hatte sie während der letzten zwei stunden gestört. Lucy saß wie festgewachsen an ihrem Schreibtisch und arbeitete. Und er? Er lag halb in einem der großen Sessel, die Beine weit von sich gestreckt und döste mit halb offenen Augen vor sich hin, während sein Verstand auf Hochtouren arbeitete.
Gedankenverloren fuhr Lucy mit ihrer Hand in ihren Nacken und zog das Band aus ihrem Zopf. Ihre Haare ergossen sich über ihren Rücken. Sie Zog eine Haarsträhne nach vorne und wickelte sie unaufhörlich um den Finger. Sie war fünf Monate in England gewesen, keiner hatte Buch geführt und nun stimmte alles von hinten bis vorne nicht. Was hatte sie Übersehen? Sie riss heftig an ihrer Haarsträhne. Verdammt. Sie hatte sie Rechnung für den Schreiner vergessen. Bevor sie nach London gefahren war, hatte sie den bau eines Ärztehauses in Auftrag gegeben Doktor Lockburne brauchte mehr Platz. Lucy zog ihr Buch hervor, trug die Summen ein und lächelte zufrieden. Jetzt stimmte alles. Verstohlen sah sie auf die Uhr. Erst sechs. Die zeit wollte heute einfach nicht verstreichen. Lucy beschloss es für heute gut sein zu lassen und legte ihre Bücher beiseite. Sie würde schnell etwas esse und dann nach dem Fohlen sehen. Sie nahm ihr Haarband von der Tischkante und fasste ihre Haare zu einem Nachlässigen Zopf zusammen. Das musste fürs erste reichen. Sie klemmte sich das Buch, welches in die Bibliothek gehörte unter den arm und wollte aufstehen, als ihr Blick Jack begegnete. Er hatte sie die ganze Zeit beobachtet. Unwillkürlich zuckte sie zusammen. Sie hatte ihn völlig vergessen.
„Es tut mir Leid, das sie so lange warten mussten, aber….“ Ihr Blick fiel auf den Teller, auf dem reichlich Gebäck gestanden hatte und welcher jetzt leer war.
Jack grinste amüsiert, als er ihren Blick bemerkte. „Wenn ich nicht so Hungrig wäre, würde ich jetzt glatt beleidigt sein“, scherzte Jack und entlockte Lucy ein lächeln.
„Natürlich, ein ganzer Teller mit Kuchen und Gebäck hält ja nicht lange vor.“
Als sie die Küche betraten, schlug ihnen schon ein herrlicher Duft entgegen. Lucy umarmte Mama und stellte sich mit an den Herd, während Jack sich zum Tisch hinüber begab.
Als Mama die Speisen auftrug, und einen Teller für Jack Vorbereittete blickte Lucy von ihrem Teller auf. „Der Mann ist satt, er hat den Hofhund gefressen“, lachte sie.
„Kann nicht sein“, sagte Mama mit gespieltem entsetzen. „Der liegt doch hier in der Pfanne.“
So ging das Geplänkel weiter, bis alle lachend und zufrieden am Tisch saßen. Jack schob seinen leeren Teller stöhnend von sich.
„Da liegt noch was in der Pfanne. Ich glaube ihr Name steht drauf“, kam es prompt von Mama.
„Ich hätte mir denken können, dass der Hund Jack hieß“, murmelte Lucy. Mary, die neben ihr saß verschluckte sich vor lachen. Jacks drohende blicke schüchterten sie nicht im Mindesten ein. Sie schaffte es unbefangen zu bleiben und aß ihren Teller leer. Doch das Gefühl in ihr, wenn sie Jack ansah, machte ihr Angst.
Eine halbe Stunde später stand sie in der Box des Fohlens. Es hatte noch keinen Namen. Craig Lewis, ein gut gebauter Mann mit vielen kleinen Narben im Gesicht war der Meinung, das die Namensvergabe alleine dem Boss zustand.
Misstrauisch musterte Lewis Jack und ließ ihn spüren, dass er nicht erwünscht war.
„Was wollen sie hier, Mister? Wir können unseren Boss ebenso gut beschützen. Dazu brauchen wir keinen von Diegos Revolverhelden.“
Lucy blickte auf. „Craig, bitte sei höflich zu unserem Gast.“
Lewis ließ keinen Blick von Jack. „Natürlich Boss. Wenn er sich benimmt, werde ich höflich sein. Er soll sich aber von den Baracken fern halten und seine Nase bei sich lassen.“
Jack hob seine Braue hoch. „Ich habe nicht geschnüffelt. Ich habe mich umgesehen.“
„Unter den betten und in den Schränken?“, tobte Craig empört.
Jack hatte nachgesehen, wer von den Männern ein Gewehr besaß. Er wusste, dass das wahrscheinlich ein fruchtloses unterfangen war, doch er musste das tun.
Luc verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Jack, ich kann Craig verstehen. Natürlich wollen sie sich hier umsehen, aber ich möchte, das sie mir vorher Bescheid sagen.“
Jack hatte keine Lust auf einen Streit, davon abgesehen, würde sie ab morgen sowieso bei Diego wohnen. Craig wandte sich mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck von ihm ab und wandte sich Lucy zu.
„Also wie soll das Fohlen heißen?“, fragte er Lucy sanft.
„Oberon“
„O…Was?“, fragte Craig
„Oberon, wie der Elfenkönig.“
„Aha, Elfenkönig“, Craig notierte sich den Namen.
„Wo Hermia ruhen mag; Sie ist beglückt,
Denn sie hat Augen, deren Strahl entzückt.
Wie würden sie so hell? Durch Tränen? Nein!
Sonst müssten meine ja noch heller sein“, zitierte Jack leise.
Lucy pfiff durch die Zähne. „Alle Achtung, ein belesener Revolverheld“, spottete sie beeindruckt. „Er ist hübsch und zart wie ein Elf. Schau dir seine schlanken fesseln an. Er wird ein großartiger Läufer“, fachsimpelte Lucy.
Jack sah sich das magere kleine Hengstfohlen an. „Vielleicht findet er ja seine Titania.“
„Die arme“, spottete Lucy weiter. „Oberon war nicht sehr Frei.“
„Aber ist sie nicht trotzdem bei ihm geblieben?“
„Ja das ist sie wohl“, antwortete Lucy gedankenverloren und riss sich schnell wieder aus ihrem Tagtraum.
Als sie den Stall verließen, wurde es bereits dämmrich und Lucy gähnte herzhaft.
„Ich werde mich jetzt zurückziehen. Ein wenig mehr schlaf, würde mir gut tun.“
Jack nickte. „Wollt ihr, so lasst uns ruhen, meine Süße,
Bis tröstend sich das Licht des Tages naht. “
Lucy lachte schallend und ging Richtung Wohnhaus.
„Ich bitte euch sehr! Um meinetwillen, Lieber!
Liegt nicht so nah! Liegt weiter dort hinüber!“
Sie lief schon die Treppen hinauf, als Jack ihr nachrief:
„Ich weiß, was Lysander ihr antwortet.“
„Ich auch“, sagte sie leise und schloss die Haustür. „Ich auch“


Lucy vermied die knarrenden Stufen, als sie leise die Treppe hinunter schlich. Jack Williams war schon vor Stunden in seinem Zimmer verschwunden. Barfuss schlich sie durch den Flur zur Küchentür. Es war Licht in der Küche, nicht viel, aber genug.
„Tom?“, fragte sie Leise. Sie hörte keinen Laut und öffnete die Tür. „Tom? Bist du hier?“
„Ja“, ertönte Toms Stimme ebenso leise, wie die ihre. Wie erstarrt blieb Lucy stehen. Sie stand Tom Watson gegenüber, doch hinter ihm stand Jack und hielt ihm einen Revolver an die Schläfe und hatte seinen linken Arm um Toms Hals geschlungen.
„Jack um Himmelswillen, lassen sie ihn sofort los“, flüsterte Lucy entsetzt.
Jack sah sie eindringlich an. „Was schleicht dieser Mann sich nachts um drei in dieses Haus?“, fragte er ruhig.
Lucy wechselte einen Blick mit Tom und beide schwiegen.
Dann sagte Tom in sanftem Ton: „Bitte, Lucy, Liebling, erklär es ihm. Sag ihm warum ich hier bin.“ Lucys Augen weiteten sich vor Überraschung. Sie errötete tatsächlich und öffnete den Mund um etwas zu sagen. Doch dann schloss sie ihn wieder. Sie bekam einfach keinen ton über die Lippen.
„Lucy?“, Jack sah sie prüfend an.
„Ich bin ihr geliebter verdammt. Was denn sonst? Natürlich schleiche ich nicht hier herein. Meine Frau ist Lucys beste Freundin und hat keine Ahnung von unserem Verhältnis“, sagte Tom scharf.
Lucy wurde allmählich klar, worauf das ganze hier hinauslief und es versetzte ihr einen Stich. Sie hatte sich noch nie in ihrem ganzen Leben so hilflos gefühlt.
Jack sah Lucy eindringlich an, sah die röte in ihrem Gesicht, die Verlegenheit und Verachtung schlich sich in seinen Blick. Er nahm die Waffe runter und trat einen Schritt beiseite. Tom fasste sich an den Hals und keuchte leise auf.
„Es tut mir Leid, Liebling. Ich habe nicht gewusst, dass er hier ist. Dann hätte ich dich nicht in solche Schwierigkeiten gebracht.“ Tom war auf Lucy zugegangen und hatte sie an den Oberarmen umfasst. Lucy blickte zu ihm auf und auf ihrem Gesicht zeigte sich unendliche Trauer. Sie musste das hier zu Ende bringen.
„Nicht weinen Babe“, bat der Mann, der Tom hieß. Jack wurde übel.
„Du bist in Schwierigkeiten Tom, wir müssen…..“
„Pschschcht. Nicht reden. Es wird alles gut, Darling.“
Lucy drehte widerwillig ihren Kopf zu Jack und hasste sich selber für ihre nächsten Worte.
„Würden sie uns jetzt bitte alleine lassen Jack.“
Jack ging wortlos an ihr vorbei zur Tür hinaus. Tom und Lucy sahen sich schweigend an.
Als Jack verschwunden war seufzte Lucy schwer und ließ sich auf einen der Stühle fallen.
„Wenn Diego das erfährt, dann bist du tot Tom“, sagte Lucy trocken.
„Nur solange Williams reden kann.“ Lucy schluckte, ihr Hals fühlte sich hart und rau an.
„Das können wir nicht tun“, flüsterte Lucy, „wenn wir ihn umbringen, setzt Diego Tod und Teufel in Bewegung.“
„Es tut mir Leid Lucy“ Tom ging auf sie zu, setzte sich zu ihr und nahm ihre Hände in seine.
„Ich meine, mir ist nichts anderes eingefallen. Und vielleicht ist es auch besser so. er ist einer von Diegos Schergen, vergiss das nicht, noch schlimmer, er ist sein Schoßhund.“
Lucy nickte Tom zu. „Ich komm schon klar nur du musst weg und nimm Laura gleich mit, ich weiß nicht ob ich bei Jack jetzt noch irgendwie durchkomme. Warte mal einen Moment.“
Sie sprang auf und lief leise ins Arbeitszimmer. Sie riss den Sessel beiseite, auf welchem stunden zuvor noch Jack gesessen hatte. Sie hob den Teppich beiseite, fasste in eine kleine Kerbe in den Dielen und hob ein Stück Brett heraus. Es kam eine kleine Schatulle zum Vorschein. Sie riss einige Bündel von Bargeld und einen von zwei kleinen Beuteln mit Goldnaggets heraus. Dann rannte sie zum Schreibtisch, kramte eine Papiertüte hervor und stopfte das Geld und das Gold achtlos hinein. Als sie wieder leise in die Küche gestürmt kam, stand Tom auf. „Hier nimm das“, befahl Lucy und drückte ihm die Tüte an die Brust.
„Ich danke dir“, sagte er schlicht.
„Blödsinn, das bin ich euch schuldig. Ich erledige alles selbst, mach dir keine Sorgen. Küss Laura von mir und sag ihr, das es mir unendlich Leid tut.“
„Das braucht es nicht Lucy. Pass gut auf dich auf“. Tom küsste sie auf die Wange.
„Auf Wiedersehen, vielleicht für immer.“
„Ja, ja auf wieder sehen“, flüsterte Lucy erstickt. Eine Träne rollte ihr über die Wange und im nächsten Moment war Tom verschwunden. Mit müden Bewegungen ging sie zurück in das Arbeitszimmer und räumte schnell wieder den Teppich und den Sessel an ihren Platz.
Währenddessen beruhigte sie sich ein wenig. Sie würde zu Jack gehen und mit ihm sprechen.
Entschlossen lief sie die Treppe hinauf zu seinem Zimmer. Sie klopfte. Keiner antwortete. Sie klopfte erneut und betrat den Raum. Sie sah sofort, dass er leer war. Jack war weg. Aufstöhnend ließ sie sich auf sein Bett sinken und vergrub ihr Gesicht in den Händen.


Lucy ging zum Frühstück hinunter, als sie hörte, das Mama und Mary mit den Tassen klapperten. Sie konnte sich nicht vorstellen je wieder etwas zu essen. Ihr Magen war wie zugeschnürt. Sie sah ihn sofort, als sie die Küche betrat. Er saß am Tisch und umklammerte krampfhaft seine Tasse. Jack hob den Kopf und sah sie an. Er bemerkte die dunklen Ringe unter ihren Augen und nahm an, dass sie nicht viel geschlafen hatte. Schweigend setzte sie sich ihm gegenüber und bekam von Mama sofort eine Tasse heißen Kaffee vorgesetzt. Mama schaute irritiert von Jack zu Lucy und wieder zurück. Sie begab sich leise wieder in den hinteren Teil der Küche.
Lucy blies auf ihren Kaffee um ihn etwas abzukühlen und trank schließlich einen Schluck.
„Werden sie Diego von Tom erzählen?“
Jack sah auf seine Tasse hinab. „Das werde ich wohl müssen. Diego hat seine Quellen. Sicher wird er schon bescheid wissen.“
Lucy bedachte ihn mit einem unergründlichen Blick.
„Woher sollte er es denn wissen? Wenn es ihm nicht vergangene Nacht ein Vogel gezwitschert hat?“
Jack sagte kein Wort. Ungerührt trank er seinen Kaffee. Es gab nichts weiter zu besprechen.


„Lucy, wie schön dich zu sehen. Du siehst allerdings nicht sehr erholt aus“, Diego ein großer, schlanker Mann an die vierzig, ging auf Lucy zu, nahm ihre Hände und zog sie an sich. Sanft küsste er sie auf die weichen Lippen. Dann erst wandte er sich Jack zu.
„Jack, mein Freund, ich bin dir dankbar das du sie beschützt hast. Bitte mache uns doch eine Freude und iss mit uns. Dann kannst du mir auch gleich berichten.“ Sein strahlender Blick widmete sich wieder Lucy.
„Das Hemd ist hübsch, ist es neu?“, fragte Diego liebevoll.
Lucy wertete diese Aussage als: „Wozu hast du verdammt noch mal kein Kleid an. Das passt nicht zu meiner Frau.“
„Ja, ist es“, bestätigte sie lächelnd.
Diego bat zu Tisch. Seine Ranch war teuer und verschwenderisch eingerichtet, ebenso wie in England ein Haus des Hochadels aussehen würde. Hier war es nicht gemütlich, sondern Prunkvoll. Sie schritten in Reitstiefeln über einen prächtigen Aubusson – Teppich in leuchtenden Farben zu der imposanten Esszimmertafel. Für Diego war das Kopfende Gedeckt. Lucys und Jacks Gedecke befanden sich links, bzw. rechts von Diego. Der Rest der Tafel bog sich förmlich unter den teuren Blumengestecken. Ein Lakai rückte Lucy den stuhl zurecht, dann Diegos und als er bei Jack ankam, saß dieser bereits und starrte den armen Mann fragend an. Lucy entwich bei diesem Anblick ein glucksen und Diego schaute verwirrt.
„Was ist denn liebes?“
„Nichts, alles bestens“ sagte sie, während sie auch Jacks verstecktes Grinsen wahrnahm.
Der Lakai schluckte und trat hastig vom Tisch zurück. Sofort kamen einige bedienstete und legten ihnen vor. „Gutes Dienstpersonal ist hier in Amerika, mitten in der Wildnis wirklich schwer zu bekommen.“, sagte Diego und spießte eine Muschel auf seine Gabel, ohne Rücksicht darauf, das die Angestellten ihn hören konnten. „erst gestern habe ich festgestellt, dass der Wäscheschrank im Obergeschoss ein einziges Chaos ist. Ich werde morgen früh eine große Kontrolle durchführen lassen.“
Lucy warf einen Blick in die Runde und stellte fest, das sämtliche Bediensteten den Raum verlassen hatten. Doch noch ehe sie eine Gabel ihres vorzüglichen Salates an den Mund führen konnte, rauchte neben ihr eine Mann in Uniform auf und schenkte ihr Wein ein.
„Danke“, sagte sie leise und fing Diegos eisigen Blick auf.
Sie schob ihr essen auf dem Teller hin und her und schaute verstohlen zu Jack hinüber, sein Teller war natürlich schon leer. Sie unterdrückte ein kichern und begegnete erneut Diegos Blick.
„Lucy, hast du mir die gewünschten Dokumente mitgebracht?“, fragte Diego sanft, doch in seiner Stimme klang ein scharfer unterton.
Lucy nickte. „Sie sind in dem Ordner, den ich dir vorhin gegeben habe“
„Gut ich werde mich später darum kümmern, meine Liebe. Und nun Jack ich hoffe du bist in der Lage mir trotz dieses köstlichen Essens zu berichten, was in meiner Anwesenheit passiert ist?“
„Der Killer hat Miss Lucy beobachtet“, fing er an und berichtete Diego darüber, was sie vorgefunden hatten, als sie den Beobachtungsposten untersucht hatten.
„Lucy ist an der Lippe verletzt“, warf Diego Jack vorwurfsvoll an den Kopf. Jack erzählte ihm von der Bärenfalle und wie Lucy ihn gerettet hatte.
„Du hättest ihm gar nicht so viel Zeit lassen sollen, eine falle aufzustellen“, blaffte Diego ihn an.“
„Er hätte unbemerkt zur Ranch gelangen können, während ich auf dem Weg zu ihm hoch wäre. Ich hätte noch zwei Männer gebrauchen können.“
„Das stimmt“, räumte Diego etwas milder ein. „Wenn man so etwas im Nachhinein erzählt bekommt, ist es doch was anderes, als selbst dabei zu sein.“ Er wandte sich Lucy zu.
„Es ist besser, wenn du erst einmal hier einziehst, meine liebe. Am besten bleibst du gleich jetzt hier und ich schicke nach….? Wie heißt deine Zofe? Mary nicht wahr? Sie kann dir alles schicken, was du brauchst und auch Kleider. Übermorgen ist der ball bei Vincout high. Dort müssen wir uns sehen lassen.“
„Wir können gerne auf den ball gehen“, lächelte Lucy, doch Jack fühlte die härte hinter ihren Worten. Aber ich werde nicht hier einziehen. Es gibt so viel zu tun, weil ich so lange weg war und…..“
„So schlimm kann das doch alles gar nicht sein, Liebes. Und deine Ranch steht ständig und für jeden offen. Was ist wenn nachts um drei, Mal ein Einbrecher in deiner Küche steht?“
Lucy wandte ihren Blick nicht ab. Ihre hellen eisblauen Augen fraßen sich in Diegos dunkelbraune. Ihr Mund wurde trocken und sie schluckte mühsam.
„Ich bin mir sicher, damit werde ich fertig. Ich werde auf gar keinen fall hier einziehen. Das würde ja Gerede bis nach London geben.“
Diego fuhr zusammen. „das würde es vermutlich auch geben, wenn Du Männerbesuche bekommst, aber egal.“
Lucy legte ihren kopf schräg. „Was für Männerbesuche?“
„Also werde ich zu Jacks Unterstützung noch vier weitere Männer zu dir schicken. Jack wird sie so einsetzten, dass du nicht im Geringsten von ihnen gestört wirst.“
Lucy verkniff sich eine sarkastische Bemerkung. „Danke“, sagte sie sanft. Diego musterte sie misstrauisch, wurde jedoch vom Personal abgelenkt, welches das Dessert auftrug.
„Wie hast du von Tom Watsons besuch erfahren?“. Fragte Jack plötzlich und ließ Lucy dabei nicht aus den Augen. Sie erstarrte mitten in ihrer Bewegung, hatte sich aber im Bruchteil einer Sekunde wieder im Griff.
Diego zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es halt. Was wollte er denn so mitten in der Nacht? Ist Laura krank?“
„Ja“, erwiderte Lucy.
„Nein“, sagte Jack. Lucy starrte ihn böse an.
„Laura ist verschwunden. Tom war in Sorge um sie. Er war erst so spät aus Balesburry zurückgekommen und Laura war nicht zuhause. Er hatte angenommen, dass seine Frau auf der Ranch sein würde und sich verplaudert hätte“, sagte Jack.
„Warum wolltest du mir verheimlichen, dass Laura verschwunden ist, Liebes?“, fragte Diego und legte seine Hand auf die ihre.
„Weil du gleich wieder angenommen hättest, das der Killer was damit zu tun hätte und ich will hier nicht wohnen verdammt“, fluchte sie wütend und entzog ihm ihre Hand. Sie würde Jack den Kopf abreißen, wenn sie alleine waren. Ihr schwirrte der Kopf. Was hatte das alles nur zu bedeuten? „Meine Ranch…“, nörgelte Lucy.
„Das haben wir doch schon geklärt Lucy“, erwiderte Diego gereizt. „Einen Kaffee“, blaffte er den Lakai an und vergaß dabei, seinen Gästen auch etwas anzubieten.
„Ich nehme auch einen“, sagte Lucy genervt. „Und eine Zigarette.“
Damit hatte sie Diegos Laune endgültig verdorben, dachte Jack, während er beobachtete, wie Diego Lucy säuerlich eine Zigarette und Feuer gab.
„Jack ich würde dich bitten, Beauregard, Rainbird, Miller und Leroy zu informieren, das sie auf unbestimmte Zeit auf Lucys Ranch wohnen werden. Um fünf sollen die Männer abfahrtbereit vor dem Tor stehen.“ Damit war Jack entlassen. Er nickte Lucy kurz zu, bevor er hinausging. Sie bedachte ihn mit einem Kalten lächeln und zog an ihrer Zigarette.
Doch noch bevor Jack die Haustür erreicht hatte, war sie hinter ihm. Er hatte sie nicht einmal gehört.
„Was soll das bedeuten, dass Laura verschwunden ist?“, zischte sie leise. Jack wäre beinahe zusammengezuckt.
„Nicht jetzt“, zischte er zurück. „Wir besprechen das nachher.“
„Verdammt, ich….“
„Vertrau mir einfach“, sagte Jack und stieß sie Richtung Diego.
„Lucy“, tönte dieser ungeduldig „Was gibt es denn noch? Ich muss diese Dokumente mit dir durchsehn.“
Sie bedachte Jack mit einem letzten Unsicheren Blick und wandte sich von ihm ab.
„Nichts, ich komme.“ Hastig zog sie Diego mit sich fort.


Pünktlich um fünf traten Lucy und Diego vor die Tür der Ranch. Die fünf Männer erwarteten sie bereits. Diego begrüßte jeden der Männer mit Handschlag.
„Hallo Jim, Rain, Seth, Jethro und Jack. Ihr wisst warum ihr hier seid? Natürlich. Es geht darum meine Frau zu schützen.“ Er legte ihr demonstrativ den arm um die Schulter. „Wenn der Killer gefasst wird und ihr kein Haar gekrümmt wurde, zahle ich jedem von euch einen Bonus.
Alle nickten und ihre blicke galten Lucy, welche sich unmerklich und sehr geschickt Diegos Armen entzog.
„Bedingung ist, dass ihr sie so wenig wie möglich stört und alles tut, was sie sagt.“
„Alles klar Boss!“, sagte Rain. Er war indianischer Abstammung, mittelgroß und drahtig.
Jim war ein harter missmutig dreinblickender Mann, ebenfalls mittelgroß, schlank und auf irgendeine Weise gut aussehend, wie Lucy fand.
Seth Miller war ein eher unscheinbarer Mann, mit dunklem Haar, einem netten Lächeln und einer durchschnittlichen Figur. Die Schillernste Persönlichkeit, war wohl Jethro. Er war groß und hatte eine dunkle Aura. Er war gut aussehend und jede seiner Bewegungen floss wie Wasser. Diego verabschiedete sich von seinen Männern und gab Lucy einen langen Kuss.
Jack drehte sich als erster um und bestieg mit harter Miene sein Pferd.
„Also die drei besten Gewehrschützen verteilen sich auf die Cowboyquatiere und halten draußen wache. Nehmt aber auch die Männer, die auf der Ranch arbeiten ein wenig unter Beobachtung. Ich glaube zwar nicht, dass der Killer unter ihnen zu finden ist, aber man kann ja nie wissen. Ihr wechselt euch ab mit der Außenwache. Ich denke ihr könnt den Rest unter euch ausmachen. Es wird auf Fallen geachtet und auf jedes kleine Detail. Selbst wenn der Kerl es schaffen sollte den Stall in Brand zu setzen, ist eure Aufgabe auf Miss Lucy aufzupassen und keinem seiner Ablenkungsmanöver Beachtung zu schenken. Wenn er erst einmal im Haus ist, brauche ich jemanden, der mit einem Revolver umgehen kann.“
Jethro zeigte seine blendend weißen Zähne und hob die Hand.
„“Ich bin dein Mann, Jack. Revolver, Messer, Fäuste. Allerdings hab ich’s nicht so mit Gewehren.“
Jack sah seine übrigen Männer an. „Seid ihr einverstanden?“
Alle drei nickten, denn sie waren gute schützen. Die restlichen Pferde wurden gebracht und die Männer saßen auf. Lucy schwang sich auf ihren Hengst und schaute Jack fragend an.
„Okay, dann geht es los. Achtet immer darauf, dass Miss Lucy in der Mitte bleibt. Ich denke nicht, dass er sie so einfach erschießen wird, doch es ist besser so.“
Die Männer nickten und sie machten sich auf den Weg.
„Haben sich ihre Eltern denn nicht dagegen ausgesprochen, das sie hier Leben wollten?“, fragte Miller neugierig, während er neben Lucy hertritt.
„Nein. Sie waren froh. Mein Vater ist der Ansicht, dass ich in London mit meinem Aussehen nie einen Respektablen Mann gefunden hätte“, sagte Lucy ernst und schaute Miller prüfend an.
Ihre Worte machten ihn sprachlos. Miss Lucy war eine Schönheit. Was hatte er nur an ihr Auszusetzen gehabt? Miller registrierte, das Jack näher herangeritten war. Offensichtlich verfolgte er ihr Gespräch.
„Ich verstehe. Ihre hellen Augen nicht war? Sie waren schlauer als er nehme ich an. Und das konnte er nicht vertragen. Er hat all seine Komplexe an ihnen Ausgelassen“, schlussfolgerte Miller und sah, wie Miss Lucy sich versteifte und geradeaus ins leere starrte. Als sie sich einen Moment später wieder unter Kontrolle hatte, schaute sie Miller kalt an und fuhr sich kurz durch die Haare.
„Ich bin bei meiner Tante auf einer Baumwollfarm aufgewachsen. Dort habe ich gelebt, seit ich acht Jahre alt war.“
Miller nickte knapp. Nur Jack viel auf, das sie log. Wo war sie wirklich aufgewachsen?
Er sagte nichts, und dachte nach.


Auf Lucys Ranch herrschte abendliche Stille. Die Cowboys und Arbeiter, die da waren, saßen beim essen. Sie stellten ihre Pferde in die vorgesehenen Boxen und Lucy zeigte den Männern ihre Quartiere. „Lasst euch von den Männern eure Betten zuweisen“, sagte sie zu Beauregard, Miller und Rain. „Morgen früh um neun, reite ich nach Dark – City. Heute bleibe ich im Haus.“ Sie nickte jedem noch einmal zu und wandte sich an Leroy und Williams.
„Wir werden hineingehen und sehen, ob wir noch was zu essen für sie haben.“
Jethro Leroy, nahm es als ganz natürlich hin, das Lucy in der Küche aß. Er wunderte sich auch nicht darüber, dass sie zwischen ihrem „Dienstpersonal“ saß. Er fand es erfrischend und flirtete ein wenig mit Grace, die ganz rote Wangen bekam.
Es machte sie noch hübscher, dachte Jack.
Nach dem Essen entschuldigte sich Lucy und ging hinauf zu ihrem Zimmer, nachdem Jack sich darin umgesehen hatte.
„Was ist mit Laura, Jack?“, verlangte Lucy mit leiser stimme zu wissen. Jack wies auf ihr Schlafzimmer. „Lassen sie uns drinnen sprechen.“
Lucy nickte und bat ihn herein. Er betrat den großen, luftigen Raum. Ein großes Bett dominierte die eine Seite des Raums und auf der andren Seite, befand sich eine gemütliche Sitzecke. Lucy öffnete ein Fenster und gab Jack zu verstehen, dass er sich setzen sollte.
„Ich bin Tom Watson letzte Nacht gefolgt“, sagte Jack und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er hob schnell die Hand, um Lucy daran zu Hindern etwas zu sagen.
„Er hätte der Killer sein können. Ich musste auf Nummer sicher gehen, dass er auch wirklich Wegritt. Er ritt zu seinem Haus. Es war bereits fünf. Doch es war niemand da. Er rief nach Laura, draußen, drinnen, doch niemand war da. Ich beschloss nachzusehen. Tom war erst feindselig, doch als ich ihm meine Beweggründe offen legte, wurde er Zugänglicher. Ich versprach ihm, Diego nichts über den…, wahren.., Grund seines Besuches hier zu erzählen, sondern Lauras verschwinden vorzuziehen.“ Jack schaute Lucy eindringlich an und Beugte sich zu ihr vor.
„Warum?“, fragte Lucy leise und musterte sein Gesicht.
„Weil ich ihnen kein Wort glaube, Lucy“, sagte er wütend und haute wütend mit der Faust auf den Tisch. „Ich hasse es angelogen zu werden und ich weiß, wenn man mich belügt, Miss Lucy – Campbell – ich – bin – bei – meiner- Tante- aufgewachsen- und - habe – ein- Verhältnis- mit- Tom- Watson. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit der Wahrheit?“
Lucy starrte ihn mit offenem Mund an und wendete ihr Gesicht schnell von ihm ab.
Sie faltete ihre Hände im Schoß, um zu verbergen das sie zitterten.
Jack stöhnte auf und berührte sie entschuldigend am Unterarm. Sie schaute auf seine Hand, welche auf ihrem Arm ruhte.
„Ich kann nicht“, sagte sie plötzlich ernst und entriss sich seiner Berührung.
„Dann kann ich auch nichts tun.“
„Nein das können sie nicht.“
„Weil ich für Diego arbeite“, stellte Jack fest und rückte von ihr ab.
„Es ist eine Frage der Loyalität und des Vertrauens und es hängen Menschenleben daran.“
Jack nickte, als hätte er diese Antwort erwartet.
„Könnte Diego mir alle meine Fragen beantworten?“
Lucy wurde blass. „Vermutlich.“
Jack beobachtete, wie Lucy sich erhob und zum Fenster hinüberging und es schloss.
„Würde er es tun. Alle meine Fragen beantworten?“
Lucy lehnte ihren Kopf erschöpft gegen die Scheibe. „Vermutlich nicht.“
„Warum zögert er die Hochzeit hinaus, und lässt es so aussehen, als ob sie diejenige wären, die noch nicht heiraten will?“
Lucy fuhr herum und sah, das auch Jack aufgestanden war und einige Meter entfernt am Bettpfosten lehnte. Lucy wurde allmählich wütend.
„Was sind sie ein verdammter Hellseher?“, fuhr sie ihn an und kam auf ihn zu.
Jack sah sie forschend an, sagte aber nichts.
„Was ist nun mit Laura? Wir müssen sie suchen“, sagte Lucy aufgebracht und blieb einige Zentimeter vor Jack stehen.
„Wie schlau und Mutig ist ihre Freundin?“, fragte Jack.
„Sehr schlau und sehr Mutig. Warum fragen sie?“
Jack nickte gedankenverloren. „Ich habe Tom nichts gesagt, aber ich habe feine Kratzer am Türschloss gefunden. Wenn sie viel Pech hat, ist sie ins Visier des Killers geraten und er hat sie geschnappt. Was ich aber eher glaube ist, dass sie ihn gehört hat, denn es gab keine Leiche. Sie ist ihm irgendwie entkommen und versteckt sich. Nur wo?“
„Wie kommen sie drauf?“, fragte Lucy leise um seinen Gedankengang nicht zu Unterbrechen.
„Tom sagte, dass ihre Stiefel fehlen. Ich glaube kaum, dass dem Killer wichtig war, dass sie Stiefel trug.“
Lucy nickte. „Aber wenn es nur ein einfacher Einbrecher war?“
Jack schüttelte den Kopf. „Und warum ist sie dann nicht zum Sheriff gelaufen? Sie wusste es. Also wendete sie sich in eine ganz andere Richtung.“
Lucy runzelte die Stirn und überlegte. Plötzlich griff sie nach Jacks Handgelenken und schaute ihn mit Blitzenden Augen an.
„Der Zug, Jack“
„Als ich gestern Morgen in ihrem Haus war, habe ich ihn gehört. Nur sehr leise, aber Laura wohnt dort und weiß genau, wann er dort vorbeifährt. Ihr Angreifer, hat damit bestimmt nicht gerechnet“, schlussfolgerte Jack und genoss Lucys nähe.
„Kluge Laura“, murmelte Lucy und ließ Jacks Hände wieder fallen.
„Sie haben also keinesfalls ein Verhältnis mit Tom. Sonst wären sie nicht so auf Laura fixiert“, überlegte Jack plötzlich laut. „Also ist es eine andere Art von Beziehung. Arbeitet er in irgendeiner weise für sie? Und was tut er für sie, was Diego keinesfalls erfahren soll?
Das sie sogar sagen, das sie ein Verhältnis mit ihm haben. Ich könnte mir nichts schlimmeres Vorstellen und doch gibt es was Schlimmeres. Soll Tom Diego töten? Ist er ein Auftragskiller?“
Lucy wandte sich ab. „Unser Gespräch ist hiermit beendet“, sagte sie scharf.
„Also nein. Kein Auftragskiller. Hätte mich auch gewundert. Ich bin mir sicher, sie würden es gern selber erledigen.“
Lucy schwieg und drehte sich nicht um. Jack öffnete die Zimmertür. Plötzlich wurde ihm klar, dass es noch eine Person gab, die etwas wissen musste. Natürlich Laura. Leise schloss er die Tür hinter sich und ging nach unten.

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Texte: Cover stammt nicht von mir !!! Quelle: http://i67.servimg.com/u/f67/12/47/61/37/emil10.jpg
Tag der Veröffentlichung: 17.01.2011

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Widmung:
für Nena Du weißt warum *-*

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