Auszüge aus Ihrem Tagebuch

13. November. 2000
Liebes Tagebuch,
Ich weiß nicht wie ich es ihnen sagen soll. Niemand weiß es, noch nicht einmal Ilaine. Ich spreche Worte die niemand außer mir hier versteht. Meine Mutter weiß es, mein Bruder, mein Vater. Niemand sonst, wie werden sie nur reagieren. Sie hassen alle von Uns. Sie wollen das solche wie wir verschwinden. Wie Alex wohl reagiert? Er könnte es ahnen, meine hohen Wangenknochen, meine grünen Augen, meine braunen Haare, wie ich das 'r' rolle. Ich werde es, ihnen Morgen sagen.


14.November.2000
Liebes Tagebuch,
Ich habe es nicht gekonnt. Eigentlich bin ich doch keine Richtige. Was finden sie nur so schlimm daran, an Ausländern? Ich bin ein Mensch wie jeder Andere, genau wie sie. Ich habe das selbe recht zu leben, wie sie, oder etwa nicht? Vielleicht sollte ich doch wieder zurück. Aber ich lebe hier doch, fast mein ganzes Leben. Schade wäre es schon, zu gehen, alle meine Freunde hinter mir zu lassen, meinen Freund. Alex wäre bestimmt enttäuscht, zumindest solange er nicht weiß, wo meine Familie herkommt. Morgen werde ich mich trauen, morgen werden sie es erfahren.


15. November 2000
Liebes Tagebuch,
viele meiner Freunde haben recht ich bin ein Angsthase. Ich habe ihnen nichts gesagt. Allerdings was gibt es, denn zu sagen? Warum sollte ich das tun? Ich werfe doch nicht mein Leben weg. Das brauch ich ja schließlich noch. Man wie sarkastisch ich sein kann, wenn ich Schiß habe. Ich fühle mich so schlecht, niemand lügt gerne seine Freunde an. Zumindestens ich nicht. So schlimm können sie doch gar nicht reagieren. Manchmal wünschte ich mir ich wäre normal. Jetzt denke ich schon genau so wie sie. Ich muss mir merken das ich die selben rechte habe wie sie. Ich freu mich auf Morgen, Wandertag nach Nürnberg, shoppen! *freu Ich werde es übermorgen tun. Ich freu mich zu lange auf Nürnberg, um mir das zu versauen. Naja, dann eben übermorgen.


16. November 2000
Liebes Tagebuch,
Nürnberg war so toll! Ich war bei Kiwi, Sara, New Orleander, OMG ich glaube ich hab fast 200 $ ausgegeben. Das Taschengeld von 5 Monaten und 6 mal Babysitten. Ilaina und ich hatten so viel Spaß. Wie sie wohl morgen reagiert. So bald werden wir gemeinsam nicht mehr Spaß haben. Ich hätte mich, eigentlich nie mit ihnen anfreunden sollen. Aber sie waren so nett. Wie hätte ich, denn wissen sollen, dass sie so ticken; Ausländerfeindlich. Morgen ist der Tag, der mein Leben verändern wird. Sie werden mich hassen. Um nicht zu sagen verachten.


17. November 2000
Liebes Tagebuch,
Wie mies kann man eigentlich sein? Wie voreingenommen? Wie, wie, was weiß ich. 'Gegen dich haben wir nichts du bist okey. Aber die anderen sollen verschwinden. Die nemen uns bloß die Arbeit weg.' und dann hängt Alex noch die Krönung dran!!! 'Außerdem finde ich Russinen heiß, was sag ich jeder' Das ist vielleicht mal vor eingenomen. Als, ob alle Russen gleich aussehen! Bei so etwas könnte ich kotzen! Расисты und mit so etwas bin ich befreundet.

Auszüge aus Ilainas Stellungnahme

Sie ist selbst schuld, sie war meine beste Freundin. Ich hab ihr alles erzählt. Aber jetzt ist mir einiges Klarer. Jedes mal, wenn wir über Ausländer geflucht haben, war sie plötzlich ganz schnell, ganz still. So welche wie sie kotzen mich an. Ihre beste Freundin belügen. So tun als wäre es normal, in ein anderes Land ein zuwandern und Anderen die Arbeit weg zu nehmen. Wegen solchen wie ihr habe ich keinen Ausbildungsplatz bekommen. Außerdem was haben wir den so schlimmes gemacht. Sie hatte alles verdient, absolut alles. Sie war nicht nur eine Verräterin, nein sie war schlimmer. Sie war eine von unseren Feinden. Wenn ich daran denke was wir mit ihr gemacht haben muss ich laut los lachen. Was wir mit ihr gemacht haben, war doch harmlos. Uns wären noch tausend mal schlimmere Dinge eingefallen. Das war alles nur, sozusagener Freundschaftsrabatt. Ob ich es wieder tuen würde? Ja! Jeder Zeit sie hatte es verdient. Wo sie jetzt ist? Langsam, langsam! Erst einmal Schritt für Schritt. Von Anfang an. Wie sie an diesem Tag auf uns zu kam. Leicht geknickt, aber eher nicht, eigentlich fast normal. Wie sie mich angesehen hat, als ich sie gefragt habe was los ist. Als ob ich keine Ahnung hätte, als ob ich kein Recht mehr hätte es zu wissen. Sie hat gleich gemerkt- nachdem sie es erzählt hatte- das wir es nicht so meinen wie wir es sagen. Als ob wir sie tollerrieren würden nur, wiel wir mit ihr befreundet sind. Wie dämlich kann man sein. Pahh! So welche wie die – ja genau die nicht sie- ekeln mich an. Die haben kein Recht hier zu sein.

Auszüge aus dem Polizeibericht

[…] Ilaina Mayersen, 16 Jahre; Alex Wittfelder, 17 Jahre; Leon Mitterfelder, 16 Jahre sowie Kerstin Neustätter, 16 Jahre, wollen nichts über den Verbleib der 16 Jahrigen wissen, jedoch berichtet Ilaina Mayersen über die Geschehnisen vor dem Verschwinden...

Auszüge aus Ihrem Tagebuch

18. November 2000
Liebes Tagebuch,
Sie haben es nicht ernst gemeint. Als ob sie micht ernst haft tolleriren würden. Ilaina behandelt mich wie dreck. Aber das legt sich hoffentlich bald. Normalerweise dauert es nicht lange, bis sie sich wieder einkrigt. Ich meine warum sollte sie mich lange anzicken? Aber zu was anderem heute haben wir Latein raus bekommen. Eine 1s. Ilaina hatte wieder ne 4 und das Kommentar 'Der Salfelser soll mir gefälligs ne bessere Note gegen, schließlich ist der auch Deutscher und Deutsche müssen zusammen halten'. Wie beklopt ist den die Aussage? Als ob sie, nur weil sie Deutsche ist weniger lernen sollte? Wie manche Menschen so ticken ist schon krank!
Ich freu mich schon auf den Abschluss, wie will sie den da bestehen wenn sie denkt nicht lernen zu müssen? Ha (!) Dummheit tut manchmal echt weh.

19. November 2000
Liebes Tagebuch,
Ich war heute mal wieder bei Alex. Er war vollkommen abwesend. Er hat mich angestarrt und blieb einfach nur stumm. Plötzlich knallte er mir eine einfach so. Hallo? geht’s dem nicht mehr ganz gut? Ich hab angefangen zu weinen, es tat so weh, nicht die Ohrfeige eher dies Art von ihm, so aus dem Nichts heraus. Er hat mich einfach danch in den Arm genommen. Und gesagt es wäre meine Schuld, was ich mir anmaßen würde ihn so zu belügen. Aber auch das er mir nicht weh tuen wollte. Er konnte nur nicht verstehen warum ich ihm nichts gesagt habe. Verständlich oder wenn er so reagiert. Naja aber ich hätte es ihm schon früher sagen können dann wäre es zu keinem Missverständnis gekommen.

20. November 2000
Liebes Tagebuch,
Alle haben mich heute so komisch angeschaut. Keiner sagte warum. Keiner weshalb. Alex tat als sein nichts gewesen. Und trotzdem war er anders. Alle waren anders. Oder war ich es und die Andern normal? Keine Ahnung ich verstehe die Welt nicht mehr. Das Leben war so schön, so aufbrausend. Plötzlich ist da nichts mehr. Nur noch ein risiger Krater zwischen mir und meinen Freunden. Mir wird klar was anders war. Es war diese Ablehnung gegenüber mir, diese Ablehnung macht sie mir Fremd. Andere Freunde habe ich nicht mehr. Nur noch Bekannte. Die vier haben mir immer ausgereicht. Und trotzdem bin ich erleichter sie wenigstens etwas loszusein. Schon komisch, früher habe ich nie genau darüber nachgedacht, aber es hat micht gestört jedes mal, wenn sie jemanden verprügelt haben, der Ausländer war, das hat mich gestört. Schließlich wollen sie ja auch nicht im Urlaub verprügelt werden, weil sie dann dort Ausländer sind. Meine Mutter hatte Recht sie sind hohl, einfach nur hohl. Sie denken nie weiter als gerade jetzt, nie in die Zukunft, nie in die Vergangen heit.

21. November 2000
Liebes Tagebuch,
Morgen schreiben wir Geographie. Muss noch lernen, wünsch mir Glück. Hab ziemliche Angst, wie immer eigentlich. Doch das wird schon. Es geht immer gut. Zumindest bis jetzt, ging es das. Wünsch mir Glück.

22. November 2000
Liebes Tagebuch,
Der Test war so easy. Amerikanische Geographie also mal wirklich, wer schnallt das nicht. Ganz einfacht: 50 Staaten; 9,158,960 qkm Landfläche; 470,131 qkm Wasser; 9,629,091 qkm Gesamtfläche; 19,924 km Küstenlinie; höchste Erhebung:
Mount McKinley 6,194 m; Niedrigster Punkt: Death Valley -86 m ; Bevölkerungsdichte: 79,6 Einwohner per sqm; 291,960,406 Einwohner im August 2003; Bevölkerungszuwachsrate o.9 %; Lebenserwartung Männern 74.37 Jahre / Frauen 80.05 Jahre; Arbeitslosenrate 6.2% in Jul 2003; 56% Evangelisch, 28% Katholisch, 2%Jüdisch, 4% andere, 10% keine Religion; Sprachen: Englisch, Spanisch
Ja der Test ging schnell Vorbei, für mich. Ilain hat bis zum Ende gebraucht und trotzdem war ihr Blatt halb leer. Schade eigentlich, ich denke schon, das sie sehr klug ist. Aber sie will nicht, sie will nicht lernen. Es ist nicht so das sie es nicht kann, sie will einfachnicht.

23. November 2000
Liebes Tagebuch,
Wir haben heute in Englisch eine EX geschrieben. Ach wie ich das hasse immer, dann wenn ich nicht lerne schreiben wir irgend etwas. Aber auch erfreuliches, zumindest Teilweise. Wir haben Geographie raus bekommen eine 1s einfach, Ilain hat eine 4. Wie sie mich angestarrt hat, als hätte ich kein Recht auf diese Note und dann steht sie einfach auf und zerreist vor den Augen des Lehrers den Test. Als wäre das normal. Wie sie mich angesehen hat. Als hätte ich alles davon erlogen und ich wäre eine miese Heuchlerin. Das tat weh, sie ist schließlich meine beste Freundin. Ich kann mich noch gut erinnern wie sie in die alte Buche im Park unsere Namen eingeritzt hat und darunderstand All best friends forever. Forever ist auch endlich. Und das Ende war der 17. November. Eigentlich schade, wir waren so ein gutes Team.

Auszüge aus Ilainas Stellungnahme

Na und sie hatte es verdient das ich ihre EX zerreiße. Sie hatte die Note gar nicht verdient. Sie kommt nicht von hier und soll des wegen nicht bevormundet werden. Nein es liegt nicht daran das sie lernt wie immer alle sagen. Nein es liegt daran, das sie die Lehrer bevormunden weil sie für ihre Dummheit ja nichts kann. Ja Ausländer sind dumm, mehr nicht. Ausländer gehören nicht hier her. Nein mir ist es egal, das Deutschland ohne Ausländer fast leer wäre. Ist doch egal wenigsten wäre Deutschland dann deutsch. Sie sehen also ich sage es nicht einfach so, weil ich keine Ahnung habe, ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Aber weiter im Text. Ihr einen Jogurt in die Tasche zu schütten ist doch nicht strafbar. Genauso wenig wie die tote Ratte auf ihrem Tisch!

Auszüge aus Alex's Stellungnahme

Sie war fast drei Jahre meine Freundin und dann kommt sie irgendwann darauf mir zu sagen, dass sie eine Russin ist. Man, nein bessergesagt, frau ist die böld hat sie gedacht, das wäre ok für mich. Die hat doch nicht mehr alle Latten am Zaun. Manche Menschen haben echt Nerven. Meine Mutter meinte, sie könne ja nichts dafür wo sie herkommt. Ich denke doch! Sie hätte in ihrem Dreckskaff von Dedovsk bleiben können. Oder etwa nicht? Für mich ist sie gestorben schon lange. Seit diesem Tag. Aber es ist doch viel besser, sie zu hintergehen. Keiner greift freiwillig von vorne an, wenn er es auch von hinten könnte. Also zumindest seh ich das so. Wo sie jetzt ist? Das geht sie nichts an. Das ist eine Sache zwischen uns. Keiner von uns wird es ihnen sagen. Das ist ein Geheimnis. Ob sie lebt, natürlich. Wir gehen doch nicht, wegen einer wie der, in den Knast. Wie dumm, denken sie sind wir? Sie wollte schon immer einmal dort hin, wo sie jetzt ist. Ist das nicht toll. Jetzt hat sie doch was sie wollte!!!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.06.2012

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