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„Diese vermaledeite Bank“, dachte er sich, als die Morgenstunden ihm näher waren als die Nacht. Er saß auf der Bank, die ihn immer wieder zu sich zog wenn sein Herz zerbrach. Der Mond strahlte sein Licht auf die farblichen Facetten seines Haars. Die dadrin verworrenen schmalen blonden Strähnen glitzerten wie kleine Glasperlen. „Diese vermaledeite Bank“, schoss ihn erneut durch den Kopf. Sie war am Wegrand eines Sees angebracht und in einiger Entfernung konnte man das leuchten der Straßenlaternen auf der Hauptstraße erkennen. Das Leuchten wich vor dem See zurück und ließ ihn in seiner nächtlichen Stille ruhen. Es belästigte ihn nicht und damit auch nicht den jungen Mann auf seiner hölzernen Bank. Er verband viel mit diesem Ort, hier stand er einst mit ihr und hielt sie auf. Hinderte sie daran ihr Leben wegzuwerfen. Die Tränen, die über seine Wangenknochen fließen und sich dann im freien Fall auf seiner Kleidung und Arme verteilten erinnerten ihn an die Nässe. An die nasse Kleidung die er trug als er sie aus dem stillem Wasser holte. An die Luft, die er einatmete als er die Wasseroberfläche durchbrach. Daran, dass er sie berührte. Sie war so kalt. Sie war so ruhig. Sie war nicht mehr der Mensch mit dem er vor wenigen Stunden sich stritt. Die Feier war in vollen Gange und er hatte Angst vor der Bindung. Er hatte Angst sich zu verkaufen. Es war keine Frage der Liebe, sondern eine Frage des Geistes. An diesem Abend verlor leider die Liebe und der rationale Geist gewann. Bei ihr war es genau umgekehrt und das Herz gewann und trieb sie in die Fluten, weil sein Geist das alles nicht verstand. Es wäre eine Tragödie geworden wenn sein Herz nicht noch aufgewacht wäre. Hätte es nicht so geschmerzt als Sie ging und so laut gegen ihn geflucht, dann wäre er nicht da gewesen, dann hätten seine Hände nie ihren Puls gesucht und seine Augen nie ihren Kampf mit dem Grund gesehen. Aber das Schlimmste wäre gewesen, dass seine Lippen sich nicht an die ihren gepresst hätten, um ihr den Hauch des Lebens zu schenken, während seine Fäuste ihren Brustkorb immer wieder pressten. Sie war für ihn die Eine und das wurde ihm nun klar. Sein Herz schlug wild, aber sein Atem war schwach. So war seine Kraft am Ende, als sie erwacht. Für ein Lächeln von ihm zu ihr reichte es noch und auch für ein Lächeln von ihr zu ihm. Es war wieder gut, sein Herz war beruhigt, ihr Herz war geheilt.
„Diese vermaledeite Bank“, hämmerte es wieder in seinen Kopf. „Dieser vermaledeite See“, hallte es nach. Seine Hände zitterten, als er sich von der Bank erhob. Es war so, als wenn er ihre Schritte geht, als wenn er ihren Weg erneut beschritt. „War es das was sie einst fühlte auf diesem Weg?“ fragte er sich, „Nein, das kann es nicht sein, das hätte sie nicht überlebt, allein diese Gefühle…“. Die feuchte Erde wich unter seinen nackten Füßen. Sie verkrampften, als sie in das kalte Wasser eintauchten. Es betäubte seine Glieder und kroch seinen Körper hoch. Er fühlte nicht die Nässe des Sees, sondern nur die Kälte die ihn ergriff. Nur noch das Licht des Mondes schien ihm, in den letzten Sekunden, durch die Wasseroberfläche des Sees entgegen. Die Kälte wanderte in seinen Oberkörper, unaufhaltsam zu seinem Herzen, es fror und das beständige Schlagen wandelte sich in ein Zittern und das Zittern endete im Nichts. Er spürte das Nichts für eine Sekunde, bis es ihn verschlang.
Ein Wagen hielt an der Hauptstraße an und eine junge schöne Frau stieg aus. Sie wandte sich zur Bank und konnte nicht erkennen ob sie für sich alleine steht. Ihre zittrigen Beine schritten vorsichtig durch den morastigen Boden. Sie hat ihn schon so häufig von hier nach Hause geholt, aber die Bank gähnte sie leer an. Vor ihrem inneren Auge sah sie keine Zukunft mehr für ein wir, aber ihr Herz schmerzte so sehr, als er von Zuhause fort ging. Sie setzte sich auf die Bank und legte ihre Hände beidseitig von ihr ab. Ihre rechten Finger spürten etwas und das etwas gab unter dem Druck ihrer Hand knisternd nach. Die linke Hand erfühlte etwas metallisches. Es war das Medaillon von ihrem Jahrestag, das erkannte sie sofort. Sie klappte es auf und sah sich selbst auf einem kleinen Bild. Der Beweis für ihre schöneren Zeiten. Jetzt hob sie mit der andere Hand den knisternden Brief auf und las die niedergeschriebenen Zeilen darauf:

>>„Heute sind es schon zwei Jahre mein Liebling. Unsere Herzen haben sich einst in einer dunklen Nacht gefunden und sie sollten sich auch in einer dunklen Nacht voneinander trennen. Ich verstehe nicht wie du zweifeln kannst an unsere Liebe. Wie dein Herz nicht hören kann wie sich meins nach ihm verzehrt. Wie du nachts, wenn du auf meiner Brust liegst, nicht mitbekommst dass sie einen gemeinsamen Takt vorgeben. Sie waren einst getrennt und wurden wieder vereint. Deshalb musizieren sie gemeinsam so rhythmisch in uns. Aber du hörst nur, dass ich schnarche und nicht die Sonate, die unsere Herzen spielen. Ich wünsche dir doch nur dass du glücklich bist, dass du findest was du suchst, dass du immer am Strahlen bist. Doch ich kann dir dieses Leben nicht geben und aus diesem Grund hat mein Herz nun den Takt verloren. Es kann nicht mit ansehen, wie deins mit einem anderen Herz musiziert. Kann nicht verstehen warum das alles passiert. Es wollte doch nur eins: “Für immer und ewig, im selben Takt, mit deinem sein.“<<

Als sie die letzte Zeile las strich ihre Hand sanft über das Papier und sie ergänzte den Brief um einen weiteren Satz, bevor sie sich von der Bank erhob und los ging. Sie kannte den Weg, denn sie ging ihn schon zum zweiten Mal. Ihre Kleidung war durchtränkt von Tränen, aber es interessierte Sie nicht. Sie vermengten sich einfach mit dem kalten Wasser des Sees. Zuerst wurden Ihre Beine kalt, danach ihre Glieder schwer und letztendlich schien der Mond nur noch einmal ganz hell zum Abschied. Ihr Herzschlag verkrampfte sich in ein Zittern und endete dann im Nichts. Sie spürte das Nichts für einen Moment, bis es sie verschlang.
Die Stille und der Mond blieben die einzigen Zeugen neben dem Wind. Er strich sanft über den Brief der Verliebten und deckte ihre letzte Zeile auf:“ Zwei Herzen, ein Takt, verstummten heute gemeinsam, für immer und ewig.“

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Tag der Veröffentlichung: 06.05.2011

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