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Kapitel 1

Yuma saß seit geraumer Zeit, wie jeden Tag seit Wochen – oder waren es schon Monate – hier auf seinem Stein am Meer und schaute den Wellen zu, die sanft durch die Steine an den Sandstrand rollten. Zumindest sah es für die meisten so aus. Er war nicht wirklich hier. Marcus, sein bester Freund, hatte ihn hier abgeliefert, weitab von allen und allem. Neuer Name und keine Presse. Wer sollte hier, in diesem Dorf, schon auf die Idee kommen, dass ein Schauspieler in der Klinik untergebracht war. So ergab er sich nun seinem Schicksal und harrte hier aus, was anderes blieb ihm aber auch nicht übrig. Weglassen würden sie ihn erst wieder, wenn er gesund wäre und einsehen würde, dass er nicht schuld am Tod seines Kollegen war.

 

Nicht schuld, das klang wie blanker Hohn in seinen Ohren. Sein Pferd war durchgegangen und hatte Vincent so schwer verletzt, dass dieser in seinen Armen verstorben war. Vincent. Er war nicht nur sein Schauspielkollege und Partner im Film gewesen, sondern auch sein Geliebter. Auch wenn ihn das Gericht freigesprochen hatte, so fühlte er sich mehr als schuldig. Der Schmerz saß so tief, dass er kurz darauf seinem Wunsch nachkam, Vincent zu folgen.

 

Eine Überdosis Tabletten hätte ihm die Vereinigung mit seinem Geliebten ermöglichen sollen, aber Marcus hatte so etwas schon geahnt und ihn gefunden, seitdem saß er hier auf der Insel Rügen im Norden Deutschlands fest. In eine Kurklinik mit psychosomatischem Schwerpunkt hatte Marcus ihn unter anderem Namen einweisen lassen. So versuchten nun täglich Ärzte, Psychologen, Therapeuten und andere, ihn in ein normales Leben zurückzuführen. In ein Leben, an dem er gar kein Interesse mehr hatte. Er hatte sich selbst alles genommen, er war selbst daran schuld und diese Schuld konnte ihm niemand abnehmen. Marcus war am Anfang noch ein paar Wochen bei ihm geblieben, aber dann musste er wieder seinen eigenen Verpflichtungen in Auckland nachkommen.

 

Yuma seufzte und warf einen Kiesel ins Wasser. Dass es bereits dunkel wurde, hatte er nicht gemerkt und es war ihm wie alles andere auch völlig egal.

»Herr Palmer, Sie holen sich doch den Tod hier draußen. Es ist November und schon ganz schön kalt hier.« Sein Pfleger und Kindermädchen, wie er ihn nannte, hatte ihn sanft an der Schulter gehalten. »Kommen Sie bitte mit.«

Yuma hob den Kopf und sah hoch zu ihm, ohne sich zu erheben.Dieser Blick. Andy Heinrich fröstelte jedes Mal, wenn Brandon Palmer ihn so ansah. Diese unendliche Leere und Traurigkeit, die in diesen schönen blauen Augen lag. »Bitte, Herr Palmer. Ich bekomme doch nur Ärger, wenn Ihnen was passieren sollte.« Wieder berührte er ihn und Yuma erhob sich und folgte ihm.

 

Seit dieser Brandon Palmer hier war, war Andy ihm zugeteilt worden. In Absprache mit der Klinikleitung war er für ihn zuständig, bis dieser wieder entlassen werden sollte, und das konnte noch dauern. So wie er gehört hatte, noch sehr lange. Bisher hatte Brandon nämlich keinerlei Fortschritte gemacht. Meist sprach er gar nicht oder nur sehr wenig, was wohl auch daran lag, dass er der deutschen Sprache nur mäßig bis gar nicht mächtig war. Andy fungierte in diesem Fall, da er jahrelang in den USA gelebt hatte, als Übersetzer. Er kannte Brandons Krankheitsbild und konnte nachfühlen, wie es ihm ging.Etwas widerwillig war Yuma hinter Andy durch den nassen Sand zurück in die Klinik gestapft.

 

»Sie müssen nicht bis zum Essen bei mir bleiben, Herr Heinrich.« Yuma sah ihn an. »Oder haben Sie Angst, dass ich mir mit dem Buttermesser die Pulsadern aufschneide?«

 

Ehrlich gesagt, hatte Andy davor Angst und war deshalb immer in seiner Nähe. »Wollen Sie mich denn nicht endlich Andy nennen?« Wieder trafen ihn die Blicke, die er nicht zuordnen konnte.Yuma sagte nichts. Er wusch sich seine Hände und setzte sich zum Essen.

 

»Ich hab’ hier Ihren Plan für morgen. Wir machen mit den anderen einen Ausflug in einen Dorfladen hier auf der Insel. Wird Ihnen gefallen, ist nett dort«, erzählte Andy begeistert und hoffte, dass sich in seinem Patienten irgendetwas regen würde. »Gibt da einiges zu sehen, aber die Spezialität ist die Blaubeermarmelade, die jeden Tag frisch gekocht wird.«

 

Blaubeeren im November? Was sollte denn das sein? Sicher gab es um diese Jahreszeit Blaubeeren, aber nur in Auckland, da es dort nun Sommer war, und nicht im kalten verregneten Deutschland. »Kein Interesse«, kam es nur knapp von Yuma und er biss von seinem Brot ab. Er aß nur, weil Andy so lange bleiben würde, bis der Teller leer war.

 

»Es wurde Ihnen verordnet, Herr Palmer. Es gehört zur Therapie. Ich werde Sie

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Liam Parker
Lektorat: Simone Adam / Bernd Frielingsdorf
Tag der Veröffentlichung: 16.05.2015
ISBN: 978-3-7368-9503-4

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Leseprobe zum eBook, erschienen April 2015 Copyright © 2015 MAIN Verlag, Chattenweg 1b, 65929 Frankfurt Texte © Liam Parker ISBN: 978-3-95949-017-7 Umschlaggestaltung: Cobu Graphics by Rica Aitzetmüller www.cover&books.weebly.com Umschlagmotiv: Unsplash / pixabay.com - GNU-Lizenz Korrektorat: Bernd Frielingsdorf Lektorat: Simone Adam Satz: Ingrid Kunantz Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlags www.main-verlag.de www.facebook.com/MAIN.Verlag order@main-verlag.de Sämtliche Personen und Geschehnisse in dieser Geschichte sind frei erfunden und Ähnlichkeiten daher nur zufällig.

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