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Prolog

München, 11. April 2015

 

Als ich erwachte, wusste ich, daß es heute anders sein würde. Nicht einer dieser langweiligen Freitage, an denen ich mich mit Carlos, einem meinem Informanten, treffen würde, um mir Informationen über die aktuellen Geschehnisse in San Sebastian geben zu lassen, sondern irgendwie... anders. Wir waren in einer Cocktailbar am Pasinger Bahnhof verabredet. Carlos liebte dieses karibisch-mexikanische Flair, ich hingegen hasste es. Schlechte Musik, zu viele Leute, die zu viel tranken und auch noch stolz darauf waren. Zum Glück musste ich nicht allzu oft dorthin. Ich traf Carlos zwar wöchentlich, aber ich konnte mich immer wieder auf Sicherheitsgründe rausreden, die verhinderten, daß wir eine feste Location wählten. So musste ich diesen Laden nur einmal alle zwei, drei Monate ertragen.

 

Das Sausalitos war gut gefüllt, als ich es nach Einbruch der Dunkelheit betrat, um an dem für mich reservierten Tisch Platz zu nehmen. Direkt nebenan stand eine große Tafel, die für bestimmt 20 Personen eingedeckt war. Hoffentlich war das irgendeine Firmen- oder Familienfeier und kein Junggesellinnenabschied oder noch schlimmer, irgendwelche Kiddies, die zum Vorglühen kamen, bevor sie in die nächste Diskothek weiterzogen, hoffte ich inständig. Es nervte mich schon genug, daß der DJ schlechte Schlager in noch schlechteren Houseversionen in einer Lautstärke abspielte, die mich schier taub machte. Für meine empfindlichen Ohren war das Treffen im Sausalitos immer eine Qual. Carlos hingegen schien es zu genießen. Vermutlich gingen wir immer dann hierher, wenn er mir irgendwelche Fehlinfos beschafft hatte, die er mir dann als richtig verkaufen wollte, denn hier hatte ich keine Chance auf den Einsatz meiner Gabe des Sehens. Die Atmosphäre hier war für die Art geschärfter Sinne, wie ich sie benötige, um Carlos mittels Gedankenlesens der Lüge zu überführen, Gift. Zu viel blinkende Lichter für meine Augen, zu laut für meine Ohren - und zu viel Alkohol und frittiertes Essen für meinen Geruchssinn. Eindeutig zu viel Ablenkung, keine Konzentration möglich. Ich musste seine Angaben also zuerst überprüfen, bevor ich sie meinem Vorgesetzten weitergeben konnte. Das kostete mich unnötig Zeit und war echt ärgerlich. Aber Carlos lieferte für gewöhnlich zuverlässig und war auch sonst ein treuer Informant. Auch wenn die Nachbearbeitung nervte, es war ja nicht so, daß wir uns immer in solcherart Lokalitäten trafen. Es war also verschmerzbar für mich.

 

 

 

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Impressum

Texte: MAIN Verlag
Tag der Veröffentlichung: 18.04.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Fürs Sprück - und für alle, für die Herz und Seele wichtiger sind als die Hülle :)

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