Charles räkelt sich auf dem Mäuerchen, das den Pool von der Terrasse trennt, und lässt sich die Sonne auf den schlanken Körper scheinen. Auf das, was nun kommt, spekuliert er schon die ganze Zeit. Ein Blick aus den halb geschlossenen Augen zu den anderen bestätigt ihm, dass sein Traum nun Wirklichkeit wird. Gerade eben sind Trevor und Alec mit ihrem Liebesspiel fertig geworden, und der Drehplan sieht es nun vor, dass er sich von Raffael di'Angelo, dem 19jährigen gut bestückten Deutschrussen, der einem Italiener täuschend ähnlich sieht, vor der Kamera zuerst zu einem Drink einladen und anschließend auf dem Beckenrand verführen lässt. Auf dessen Freudenspender freut sich Charles ganz besonders. Während er die Augen schließt und Desinteresse heuchelt, sieht er Patrick, Andre und Robert, wie sie zwei Kameras vorbereiten und die Lichttechnik rund um den Pool aufbauen. Gleich ist es also so weit. Stevie Rumble, seines Zeichens Produzent, hat es sich nicht nehmen lassen, in diesem Film höchstpersönlich Regie zu führen. Da er selbst in über hundert Filmen mitgewirkt und den Status einer Pornoikone errungen hat, ist das eigentlich ein Garant für eine erfolgreiche Produktion - und für den Ruf der daran Beteiligten, von denen einer oder zwei vielleicht die neue Generation der Stars anreichern werden.
„Machst Du Dich bitte fertig, Charles?“, ruft Violette, die Maskenbildnerin der Firma. Statt einer Antwort steht er auf und schlurft ins Bad, das den Darstellern als Umkleide dient, sofern man so etwas wie eine Umkleide überhaupt benötigt. Dort sucht er sich ein paar extra-große Kondome und eine Tube Gleitcreme aus dem Schrank hervor, legt sie auf sein Tablett, das jeder Darsteller besitzt, um seine persönlichen Habseligkeiten während der Szene aufzubewahren, und schraubt dann einen Einwegaufsatz auf den Duschschlauch, um eine letzte Analspülung durchzuführen. Dann lässt er sich von Violette drehfertig machen und placiert sein Tablett auf dem Mäuerchen.
„Ich nehme meine eigenen Gummis“, erklärt er Stevie.
„Jeder braucht so seine Marotten“, grinst dieser und deutet auf die gelbe Luftmatratze, die verloren mitten im Pool schwimmt.
„Reinspringen, bisschen vor der Kamera herumbalgen, dann ab auf die Matratze und Augen zu. Raffael, Du kommst von rechts mit Ständer ins Bild, lass Dir von Tristan einen blasen vorher, schaust ihm zu, dann schwimmst Du zu ihm und Action!“, erklärt Stevie seine Vorstellungen der Szene. Charles nickt gelangweilt, schließlich ist er ein Profi.
Er drückt sein Tablett einem der herumstehenden Jungs in die Hand, schiebt sich einen Gummi in den Bund seiner Badehose, und wartet auf das rote Licht an der Kamera. Dann läuft er betont jungenhaft ins Bild, hechtet ins Wasser, taucht wieder auf und planscht ein bisschen herum. Von rechts kommt Raffael mit einer roten Boxershorts ins Bild, in der man seinen Ständer deutlich sehen kann. Er lächelt arrogant und kratzt sich demonstrativ zwischen den Beinen, während er Charles beim Baden beobachtet. Als dieser sich auf die Luftmatratze legt, steigt Raffael lässig ins warme Wasser und nähert sich Charles. Sie küssen sich, Raffael greift ungeniert zwischen Charles Beine und befingert ihn. Dann zieht er ihm die Badehose aus und beginnt zu blasen. Charles gleitet ins Wasser, der zweite Kameramann setzt sich auf den Rand und filmt, wie Charles unter Wasser taucht und ihm die Boxershorts von den Hüften zieht. Raffael schiebt Charles knutschend und fummelnd in Richtung des flachen Bereichs, wo das Wasser nur einen knappen Meter tief ist, und bugsiert ihn auf dem Beckenrand. Schnitt. Tristan nähert sich mit dem Tablett und cremt Charles ein. Dann streift Charles Raffael das Kondom über und gibt noch etwas Gleitcreme darauf. Kamera ab, es geht weiter.
Raffaels Schwanz ist prall bis zum Bersten, als er ansetzt und vorsichtig in Charles eindringt. Auch er ist ein Profi, er weiß, dass es nicht für jeden leicht ist, mit seinem Riesen umzugehen. Als er bis zum Anschlag in Charles steckt, hält er für einen Moment inne, um seinem Partner die Zeit zu lassen, sich an ihn zu gewöhnen, aber er hat das kurze Zucken in Charles' Gesicht gesehen und weiß, dass er jetzt loslegen darf. Sein Regisseur möchte, dass dieser Film ein Verkaufsschlager wird, also muss er eine Spitzenleistung erbringen. Außerdem will er auch ein Star sein. Dass er nur 300 Euro pro Szene bezahlt bekommt, während Charles 500 Euro erhält, weiß er nicht, nicht umsonst wird in dieser Firma nie über Geld gesprochen. Also zieht er Charles ordentlich durch. Dieser beginnt zu stöhnen, und nach ein paar tiefen Stößen schreit Charles vor Lust. So wundert es keinen, dass Charles nach ein paar weiteren Stößen seine Atmung nicht mehr unter Kontrolle bekommt und nach Luft schnappt. Dass er plötzlich zu krampfen beginnt, merkt auch Raffael erst, als Charles blau anläuft und nicht mehr stöhnt, sondern unkontrolliert zuckt. Noch während Stevie nach einem Krankenwagen telefoniert, stirbt Charles auf dem Beckenrand.
Die herbeigerufene Polizei entpuppt sich schon bald als gewöhnungsbedürftig. Polizeimeister Bernhard Vaupel ist ein zirka fünfzigjähriger, untersetzter Mann mit grauem Haarkranz, dessen Aufklärungsquote in Steinwalden nahezu einhundert Prozent beträgt. Das ist auch kein Wunder, wenn man davon ausgeht, dass in diesem kleinen Ort mitten in einem verschlafenen Hochtal im Herzen des Saarlands, sämtliche Verbrechen in 2005 aus einem verschwundenen Kasten Bier im örtlichen Supermarkt, dem verlorenen Pudel der Gattin des Grundschullehrers Hannemann und einem Benzindiebstahl an der Esso in der Saarbrücker Straße bestanden. Ansonsten ist hier tote Hose, und es ist nur der Sicherheitspolitik des Saarbrücker Innenministers zu verdanken, dass der Polizeiposten Steinwalden nicht schon längst geschlossen ist. Außer Bernhard Vaupel ist heute noch genau ein Polizeianwärter im Dienst, ein gewisser Andreas Michael, der aber in der Wache am Telefon geblieben ist. Wenn es sich um einen größeren Einsatz handelt, so muss Vaupel Verstärkung aus der zehn Kilometer entfernten Kreisstadt herbeitelefonieren. Aber das scheint heute nicht nötig zu sein, denn der ebenfalls aus der Kreisstadt erschienene Notarzt hat soeben den Tod von Rudolf Oliver alias Charles Olivier festgestellt. „Herzversagen“ steht in seinem Bericht, also handelt es sich wohl um einen tragischen Zufall.
Vaupel ist auch weniger an der Tatsache interessiert, dass ein junger Mann auf dem Beckenrand eines Pools an einer Herzschwäche gestorben ist, sondern vielmehr daran, was diese vielen jungen, teilweise nur mit einem Handtuch bekleideten Männer an einem warmen Junivormittag ausgerechnet in Steinwalden tun - und wofür man dafür drei Kameras braucht. Deswegen macht er sich auf die Suche nach dem Verantwortlichen und findet diesen in Stevie Rumble, der vor einem geöffneten Koffer sitzt und in irgendwelchen Papieren kramt.
„Guten Tag, mein Name ist Vaupel, ich bin hier der Dorfpolizist“, biedert er sich an.
„Angenehm, Scott“, antwortet Rumble.
„Ich han emol ene Fraach“, verfällt Vaupel fast umgehend in den Slang der Steinwaldener.
„Wat san Se eigentlich? Ene Jugendgrupp?“
„So in etwa... wir sind hier für Filmaufnahmen“, erklärt Rumble.
„Wat für en Film machen Se denn? Ene Krimi?“, fragt Vaupel interessiert nach. Klar, der freitägliche Tatort ist Pflichtprogramm für den allein stehenden Polizeimeister.
„Wir sind eine Hardcore-Porno-Produktionsfirma“, lächelt Rumble. Vaupel schaut sich verdattert um. In genau diesem Moment kommt Violette ins Zimmer, die Maskenbildnerin der Firma, die genauso breit wie hoch ist und deren Körbchengröße irgendwo zwischen „E“ wie „Euter“ und „Z“ wie „Zeppeline“ variiert. Ihr „Guten Morgen“ klingt wie eine Mischung aus verrosteter Kreissäge und Fran Drescher. Vaupels Blick wandert von
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Juan Santiago
Tag der Veröffentlichung: 08.12.2013
ISBN: 978-3-7309-8125-2
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Lucius, meinen über alles geliebten Partner und Mann.
Grundsätzlich gilt:
Dieses Buch ist Erwachsenenliteratur und Erwachsenen vorbehalten. Teile dieses Buchs beinhalten Rechte, Copyrights sowie geistiges Eigentum von Wolfram Alster sowie Main-Verlag und Antheum Verlag und werden mit freundlicher Genehmigung verwendet. Alle Rechte sind jedoch vorbehalten. Dieses Buch ist darüber hinaus urheberrechtlich geschützt.
Kontakt:
Fanbase: https://www.facebook.com/ShahinElHoussaine
Email: js@main-verlag.de
(c) MAIN Verlag, Chattenweg 1b, 65929 Frankfurt/Main, 2013
ISBN-13: 978-1492327110
XXL-Leseprobe der
Originalausgabe, Juli 2013
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Autors
Titelbild: © Francesco M. Curá, Curá Photography, www.curaphotography.com
Sämtliche Personen und Geschehnisse in dieser Geschichte sind frei erfunden und Ähnlichkeiten daher nur zufällig.