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Die Magie der Wale



„Lass Dir erzählen mein Sohn.“ Mikes Großvater nennt ihn immer seinen Sohn, das gefällt ihm nicht. Trotzdem lauscht er weiter gespannt seiner Geschichte ohne ihn zu unterbrechen.

„Als junger Mann war ich der bekannteste und erfolgreichste Harpunierer auf einem Walfänger. Ich verfehlte niemals mein Ziel. Eines Tages fuhren wir hinaus auf das Meer. Wir sangen Seemannslieder und freuten uns auf die Jagd. Die Sonnenstrahlen wärmten das Deck und die Luft roch nach Salz. Bereits der erste Tag brachte uns einen großen Fang. Am Abend nach einer Feier ging ich in meine Koje schlafen. Ich wachte immer wieder auf. Drehte mich von einer Seite auf die andere, bis ich schließlich aufstand und an Deck ging. Auf das, was mich dann dort erwartete, war ich nicht gefasst.

Ich bewunderte den leuchtenden Sternenhimmel und den Mond, der sich im Wasser spiegelte, als mein Blick auf das Wasser fiel. Ein Wal neben dem anderen. Sie versammelten sich um das Boot. Große und Kleine. Ihr Gesang schmerzte in meiner Brust und mein Magen zog sich zusammen. Die Töne gingen durch Mark und Bein. So sehr dass es mir das Herz zerriss. Eine Träne kullerte meine Wange hinunter. Ihr Weinen war traurig und ich spürte ihren Schmerz, den ich ihnen über viele Jahre zugefügt hatte. Hunderte Wale glitten durch das Wasser. Ich blickte in ihre schwarzen Knopfaugen, die schon Millionen Jahre vor dem Menschen diesen Sternenhimmel sahen. In dieser Nacht wurde ich mir meiner Taten bewusst und fortan verfehlte ich jedes Ziel.”

Mikes Großvater schweigt. „Das war eine traurige Geschichte“
Etwas spiegelt sich in seinen Augen. Mike sieht genauer hinein und spürt den Blick der Wale.

Impressum

Texte: Leni Stromberg
Bildmaterialien: Leni Stromberg
Tag der Veröffentlichung: 15.11.2012

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