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Lulu auf Achse

 

Charlotte räkelte sich in der Morgensonne in den obersten Ästen eines Baumes. „Uhaaa, das wird sicherlich ein traumhafter Tag! Keine Regenwolke zu sehen, ein leichter Wind im Gesicht, Sonne auf dem Pelz, ja, so lässt es sich leben!“ Charlotte guckte noch ein Weilchen den Wolken am Himmel hinterher, bis sie bemerkte, dass ihr kleiner Bauch ganz morgenhungrig knurrte. Suchend sah sie nach unten zur Futterstelle, aber da waren nur Wasser, ein paar abgenagte Äste von gestern und sonst nichts. Dabei war sie doch so hungrig! Hatten die Tierpfleger sie vergessen? Unvorstellbar! Beleidigt hüpfte sie vom Baum, lief zur Futterstelle, trank dort Wasser und sah noch einmal überall ganz gründlich nach, ob sie ihr Frühstück nicht irgendwo übersehen hatte - Ebbe. Nichts. Bloß ein winziges, klägliches Blatt von gestern an einem Ästchen, das Charlotte wohl übersehen hatte. Sie fraß es auf - davon bekam sie erst recht Hunger, weil sie jetzt den Geschmack im Maul hatte. Sie setzte sich auf die Kante des Futtertroges und dachte nach. Mittlerweile waren die ersten Besucher eingetroffen und hatten Charlotte entdeckt. „Ohhhh, ist der aber niedlich, guck mal Mama, der hat eine schwarze Nase!“ „Die!“ , verbesserte die Mutter ihr Kind, „hier steht: Bitte werfen sie kein Futter in das Gehege unserer Koaladame Charlotte, sie ist sehr wählerisch und verträgt nur Eukalyptusblätter! Das ist die Pflanze, nach der immer deine Hustenbonbons riechen, aber im Moment kann ich davon nichts im Gehege sehen.“ „Ich auch nicht!“, dachte Charlotte beleidigt. „Dämliche Leute! Meinen die denn ich sitze hier umsonst so dumm an der leeren Futterstelle herum, hä? Können die nicht mal bitte jemandem Bescheid sagen? Die haben mich vergessen, das ist eine bodenlose Gemeinheit! Ich will Frühstück!“ Das Nachdenken brachte nicht so furchtbar viel – irgendwann stand Charlotte auf, verschwand in den Büschen durch die der Zaun zum Nachbargehege verlief und rief nach Lulu. Nach Lulu dem Zwergpony. „Lulu! Lulu, wo bist du denn!“ „Wasch schreischt du denn scho, Charlotte! Ich bin gerade beim Frühschtück geweschen.“ Lulu schluckte das Stück Möhre runter. „Ist was Wichtiges?“ „Und ob. Du, ich hab' kein Frühstück bekommen. Ich hab' ja soo Hunger. Kann ich nichts von dir abhaben?“ „Schon. Hier gibt es Hafer und Heu und Mohrrüben. Aber magst du sowas denn?“ Der kleine Koala überlegte. „Weiß ich nicht, darf ich mal probieren?“ Lulu brachte Charlotte eine Mohrrübe. Charlotte probierte, knusperte daran, biss auch noch ein zweites Mal hinein weil ihr Magen gar so knurrte, aber dann sagte sie zu Lulu: „Ich danke dir, es schmeckt auch gar nicht so schlecht, aber zarte Eukalyptusblätter wären mir doch lieber!“ Lulu schnaubte. „Ohh, verstehe, da kann ich dir auch nicht helfen. Hat denn niemand bemerkt, dass du kein Frühstück bekommen hast?“ „Nein, niemand! Man hat mich einfach vergessen!“ Lulu wieherte leise, dann zwinkerte sie Charlotte zu. „Na komm, wir machen jetzt einen kleinen Ausflug!“ „Was?“ „Hast schon richtig gehört! Einen kleinen Ausflug machen wir! Komm rüber, da hinter dem Busch, da kann’s keiner sehen wenn du kletterst! Komm zu mir rüber, ich weiß eine Stelle, an der ist unser Zaun nicht ganz dicht. Da gehen wir durch und dann suchen wir dein Futter, Ok?“ Die kleine Koaladame wurde ganz aufgeregt bei dem Gedanken. „Au ja, das machen wir!“ „Na dann los! Komm rüber!“ Im Schutze der Büsche krabbelte nun ein kleiner Koala ins Ponygehege, dann schlich Charlotte, immer schön hinter Lulu bleibend, mit dem Pony zu einem Türchen im Zaun. Das Türchen selbst war dicht, aber daneben, da lag der lose Maschendraht auf dem Metall der Tür auf. Lulu stupste mit der Nase dagegen und eine nicht unbedeutende Lücke tat sich auf. „Nach dir, Charlotte, aber leise und schnell!“ Charlotte schlüpfte in die Freiheit und hielt dann Lulu von außen den Zaun auf. Zum Glück lag das Türchen nicht an einem der Hauptwanderwege, so dass die beiden Ausreißer vorerst unbemerkt blieben. „So,“ sagte Lulu, während sie sich auf die Erde niederließ, „dann steig mal auf und halte dich gut fest, krall’ dich gut in meine Mähne, das rate ich dir!“ Charlotte wusste noch gar nicht so recht wie ihr geschah, sie kletterte auf den Rücken des Pferdchens und krallte sich in die Mähne wie geheißen. Da wieherte Lulu auch schon: „Los geht’s! Juhuuuu!“ und düste mit Hufgeklapper davon. Jetzt allerdings hatten die ersten Besucher sie bemerkt. „Papa, siehst du, da reitet ein Koala auf einem Pony!“ „Jaja, mein Junge, glaub mir, du kannst versuchen was du willst, es gibt jetzt kein Eis!“ „Ok, Papa, aber lauf etwas schneller, ich will wissen, wo der Koala hinreitet!“- Dem Vater des kleinen Jungen fiel fasst sein Wurstbrot auf die Erde. Ein älterer Herr tippte seiner Frau auf die Schulter und wies dann auf Lulu. „Elfriede, guck mal, hier reiten die Koalas frei herum!“ - „Luuuluuu! Ich kann mich bei dem Tempo kaum festhalten! Weißt du denn überhaupt, wo du hinwillst?“ Lulu lachte. „Klar, ich bin nachts öfter mal ausgebrochen! Ich will zum Futterhaus! Aber da vorne sind erstmal die Elefanten. Hast du schon mal Elefanten gesehen?“ Und Lulu lief näher an das Elefantengehege. Eine Schulklasse stand davor. Lulu stupste einem der Kinder etwas in die Seite und der Junge machte auch Platz weil er meinte, jemand wolle besser gucken können. War ja genau genommen auch so. Lulu schob sich in die Lücke und Charlotte beguckte staunend die Elefanten. Sie hatte tatsächlich noch niemals welche gesehen. „Ey, Thomas, da neben dir steht ein Pferd!“ Die Kinder hatten Lulu und Charlotte bemerkt. Neugierig guckten sie alle zu dem kleinen Koala auf dem Ponyrücken. „Du, die sind bestimmt ausgebrochen!“ „Glaub ich nicht, das ist bestimmt Show, ein Koala und ein Pferd!Das geht doch sonst gar nicht!“ „Frag doch jemanden, da drüben ist ein Zoowärter!“- Charlotte zuckte zusammen. „Ein Wärter! Ach du Schreck! Lulu, wir müssen verschwinden!“ Und Lulu gab Gas, das „Hey, stehen geblieben!“ des Tierpflegers verhallte wirkungslos hinter ihnen. Mit einem Riesensatz hüpften sie in ein kleines Wäldchen, unter dichten Tannen machten sie eine Verschnaufpause weil Lulu schon fast nicht mehr konnte. Es war fürchterlich warm geworden und bei dem Tempo das sie an den Tag gelegt hatten wurde ihnen heiß. Lulu kletterte über einen niedrigen Zaun und ging an einem kleinen Tümpel trinken. Ein großer Goldfisch guckte sie aus dem Wasser doof an, denn ein Pferdchen war er nicht gewöhnt, er lebte schließlich im Schildkrötenteich. Charlotte sprang zu Boden und planschte im Wasser. Sie versuchte, den Goldfisch zu erwischen, aber der drehte sich einfach um und schwupps war er verschwunden. „Spielverderber!“, schimpfte Charlotte beleidigt hinterher. Dann bemerkte sie etwas. „Lulu, was liegt denn da auf dem Stein?“ „Die nennt man Schildkröten, aber die quaken gar nicht, so wie die anderen Kröten im Amphibienhaus!“ „Aha. Du? Was sind Annphobien und wie bist du da hingekommen?“ Lulu schnaubte und erklärte dann wissend: „Amphibien sind Frösche und Kröten und Molche und so. Einmal hatte jemand das Haus nachts nicht zugemacht, da hab' ich mich reingeschlichen und sie besucht.“ Die Koaladame staunte. „Toll, was du dich alles traust, Lulu!“ Die Menschen am Schildkrötenteich hatten sich ungläubig in einer dichten Traube um den Zaun geschart, als sie das Pony und den Koala entdeckten. Aber Lulu und Charlotte blieben nicht lange. Als es ihnen zu mulmig wurde weil ihnen zu viele zusahen, drehten sie um und verschwanden auf dem Weg, auf dem sie gekommen waren - hinten über den Zaun und ab in den Wald.Charlotte bekam langsam Zweifel. „Lulu, kennst du dich eigentlich aus hier?“ „Ehrlich gesagt - hier nicht. Aber wenn mich nicht alles täuscht dann müssen wir über diese Mauer und dann durch das Eselgehege - O-o, das wird nichts!“ Lulu hatte die Vorderhufe bereits auf der Mauer, da fiel ihr Blick hinunter und statt der vermuteten Esel liefen dort in einem Sandsteingehege einige Löwen gemessenen Schrittes hin- und her. „Da springen wir wohl besser nicht rein! Wir müssen uns einen anderen Weg suchen - Mist, da vorne kommen Pfleger, wir müssen da hinten lang, Aaaachtung!!“ Und Lulu gab Gas. Charlotte konnte sich gerade noch festhalten. Mit einem Riesensatz sprang Lulu über eine Hecke, dabei wusste sie gar nicht, was dahinter war. Platsch!! Hoch spritzten die Wassertropfen, als Lulu und Charlotte ins Flusspferdbecken fielen. Flusspferdmama Lisa und Findus, ihr Söhnchen, die beide im flachen Wasser dösten, sprangen erschrocken auf. Lulu strampelte mit den Beinchen bis sie Boden unter den Hufen hatte, dann sah sie sich nach Charlotte um. Nichts zu sehen. „Ach bitte, Frau Flusspferd, könnten sie mir helfen? Meine kleine Freundin kann doch nicht schwimmen!“ Frau Lisa Flusspferd beruhigte sich wieder. Nein, diese beiden waren nicht gefährlich! Lulu blickte sich, während die Flusspferddame Charlotte im Wasser suchte, die ganze Zeit scheu zur Hecke hin um. Sie erwartete jeden Augenblick die Wärter in ihren grünen Hosen. Mama Flusspferd kam aus dem Wasser geplatscht, eine triefnasse Koaladame vorsichtig mit dem Maul tragend. Sie legte die kleine, zappelnde Charlotte auf die Erde. „Tja, nun finden uns die Pfleger wohl!“, seufzte Lulu. „Ach so ist das!“, lachte die Flusspferdmutter. „Ihr seid ausgebüxt! Na, da kann man doch was machen! Findus!“ Lulu sollte sich hinlegen, die kleine Charlotte, die sich langsam erholte und über das Wasser schimpfte daneben, dann legten sich die beiden Flußpferde so vor die beiden, dass man das winzige Pony und den Koala hinter den mächtigen Rücken von der Hecke aus nicht mehr sehen konnte. Gerade noch rechtzeitig! Schon hörten sie, wie zwei sich am Rand des Geheges unterhielten. „Bin mir ganz sicher, Edgar, dass sie hier reingesprungen sind! Die müssen da drin sein, zumindest nasse Spuren im Sand!“ „Du Esel, da sind Nilpferde drin’, natürlich sind da überall nasse Spuren im Sand! Außerdem, soweit ich weiß können Koalas nicht schwimmen. Wenn Charlotte ins Wasser gefallen wäre, das könnte böse ausgehen. Und zumindest Lulu müsste man sehen wenn sie hier reingesprungen sind, es gibt nämlich keinen Weg, auf dem ein so kleines Pony hier heraus finden könnte!“ Der zweite Tierpfleger stöhnte genervt. „Und wo sind sie dann, bitteschön?“ „Wenn ich das wüsste! Lass' uns mal bei den Affen gucken!“ Weg waren die beiden. „Uff, das war knapp, aber wie kommen wir jetzt hier raus?“ Die Flusspferddame schien das nicht zu beunruhigen. „Genau so, wie ihr reingekommen seid! Kommt, aufsteigen!“ Lisa nahm Lulu auf den Rücken, Findus die Koaladame, dann schwammen die beiden Flusspferde an die Beckenkante, genau an die Stelle an der das Pony und der Koala über die Hecke gehüpft waren. „So, und jetzt hüpft rüber und viel Spaß noch. Springt aber nicht wieder einfach irgendwo rein, das nächste mal könnten es die Eisbären sein!“, warnte Mutter Flusspferd noch. Lulu und Charlotte bedankten sich, sagten „Tschüss!“ und hopsten wieder auf den Weg. „Und nun, Lulu?“ „Keine Ahnung, aber ich bekomme langsam Hunger!“ Die kleine Koaladame spürte, wie ihr eigener, leerer Magen sich immer leerer anfühlte. „Erinnere mich nicht daran! Lass' uns doch einfach da drüben unter den Bäumen durch und sehen, wo wir hingeraten!“ Lulu runzelte die Stirn. „Gefällt mir nicht, da ist so viel Lärm, aber du hast Recht, was Besseres weiß ich auch nicht!“ Unter hohen Tannen hindurch näherte sich das flüchtige Duo einer Gegend, in der die Menschen sehr viel lachten und sehr laut waren. Viele bunte Dinge standen auf einer großen Wiese herum. Dort rannten und spielten viele Menschenkinder. Etwas abseits gab es einen eingezäunten Bereich, in dem Ponys und Ziegen frei herumliefen und von den Menschen gefüttert und gestreichelt wurden. „Los, Charlotte, da können wir uns erstmal verstecken! Ich glaub’ ich pass’ durch die Zaunlatten durch!“ Sie beeilten sich, zu dem Gehege am Rande des Platzes zu kommen. Die Menschen staunten nicht schlecht, als ein Pony und ein Koala versuchten, in den Streichelzoo einzubrechen. Lulu quetschte sich durch die Zaunlatten und stand schon bald zwischen anderen Ponys am Futtertrog und fraß genüsslich. „Wer bist denn du? Bist du neu?“, fragte sie ein gescheckter Hengst, der neben ihr stand. „Nö, ich bin gleich wieder weg, wir holen bloß Futter für meine Freundin, die Koaladame!“ „Was ist ein Koala?“ „Das da!“ Lulu deutete mit der Nase auf Charlotte, die sich auf das Dach der Ponyhütte gerettet hatte, um nicht von knuddelwütigen kleinen Kinder gejagt zu werden. „Was für Futter holt ihr denn?“, fragte der kleine Hengst, der immer nur ans Essen dachte. „Eukalyptusblätter!“ „Äh- Ja.“ Der kleine Hengst wußte natürlich nicht, wovon Lulu sprach. Woher denn auch. „Na dann, viel Spaß! Zum Futterhaus müsst ihr da am Affenhaus vorbei und durch den Kräutergarten, dann seid ihr da, das weiß ich vom Ponyreiten, wir laufen da manchmal vorbei!“ Das Zwergpony strahlte. Endlich wusste sie wieder den Weg! „Oh, danke! Charlotte, komm, ich weiß wo wir lang müssen!“ Charlotte kletterte rasch an einem Seil herunter das vom Dach der Hütte hing, dann rannte sie zu Lulu und, abgeschirmt durch den netten kleinen Hengst, kletterten sie wieder aus dem Gehege. „Mama, das kleine Pferd und der Plüschbär hauen ab!“ Aber da waren Lulu und Charlotte schon längst über alle Berge.

 

Die Zooleitung befand sich bereits in heller Aufregung. Im ganzen Zoo schwärmten die Tierpfleger und Helfer umher und suchten die beiden Ausreißer. Ein Koala und ein Zwergpony die zusammen ausbrechen, sowas hatte es in der ganzen Zoogeschichte noch nie gegeben! Immer wieder berichteten ihnen Besucher, wo sie die beiden gesehen hatten: am Schildkrötenteich, am Löwenkäfig, am Spielplatz und beim Streichelzoo und hinterm Affenhaus. Manchmal hatte sogar ein Zoowärter die beiden selbst gesehen, aber niemand hatte bisher geschafft, das kleine, hellbraune Zwergpony Lulu und seinen kleinen, hungrigen Reiter einzufangen.

 

„Psst, jetzt ganz leise! Da vorn ist schon das Futterhaus, die Tür ist auf! Wir müssen noch hier am Garten vorbei! Das Beste wird sein wir schleichen uns hier am Rand entlang durch den Thymian!“ Lulu wartete noch zwei Spaziergänger ab, bevor sie die schützende Deckung aufgab und sich am Rande des Kräutergartens in den Schatten drückte. Charlotte folgte ihr. Das Pferdchen stapfte munter durch herrlich duftende, violett blühende Sträucher. Dem Koala dagegen streiften die Blüten und Ästchen mitten durchs Gesicht. „Hahaha- tschi!“ „Ruhig! Charlotte, reiß' dich zusammen, wir sind ja gleich da!“ Und wirklich! Ungesehen, denn alle waren ja auf der Suche nach Lulu und Charlotte, drangen die beiden bis zur Eingangstür des Vorratshauses vor. Die alarmierten Tierpfleger hatten alles stehen und liegen gelassen, um bei der Suche zu helfen. Vorsichtig stupste Charlotte die Tür auf, während Lulu die Umgebung im Auge behielt. „Schnell, rein! Da kommt wer!“ Zwei Schatten, ein kleiner und ein noch kleinerer, verschwanden im Inneren. Mit einem Mal hörten sie hinter sich die Tür zuklappen und den Riegel zuschieben und jemand schimpfte: „Immer müssen die zwei die Tür auflassen! Muß man denn immer hinter den beiden herlaufen?“ Charlotte guckte Lulu bedrückt an. „So- jetzt sitzen wir in der Falle. Na Toll.“ Das Pony zuckte mit den Schultern. „Aber wir sind doch am Ziel! Riechst du hier irgendwo Eukalyptus?“ Charlotte schnupperte „Ja, ganz schwach! Aus der Richtung da!“ „Na, dann geh’ hin und such! Wie wir hier rauskommen, das findet sich später - Ohhmm, Hafer! Ein ganzer Sack voll! Bis später Charlotte, guten Appetit!“ Charlotte tastet sich vorsichtig durch das Dämmerlicht des unbeleuchteten Raumes, immer auf den schwachen Duft von Eukalyptus zu. Endlich, nach langem Suchen fand sie eine Kiste, aus der es köstlich nach ihrem Essen roch. Aber die Kiste war verschlossen. „Lulu! Hilf mir doch mal bitte!“ Noch immer kauend kam Lulu angetrabt. „Was gibt’s denn?“ „Ich hab den Eukalyptus, aber die Kiste ist zu!“ „Geh’ mal zur Seite, das haben wir gleich!“ Lulu stellte sich vor die Kiste, trat einmal mit beiden Hinterhufen dagegen und eines der Bretter gab nach und zerbrach. „Bitteschön! Wenn noch was ist - du weist ja, wo ich bin!“ Lulu mampfte zufrieden und trabte wieder davon. Endlich! Triumphierend angelte Charlotte nach einem Zweig, der aus der geborstenen Kiste ragte und zog ihn heraus. Lecker! Genüßlich begann sie, ihr verspätetes Frühstück zu vertilgen. Charlotte hatte gerade den abgenagten Zweig fallen gelassen und sich den nächsten aus der Kiste geangelt, da ging die Tür auf und Licht fiel herein. Blitzschnell versuchte Charlotte, sich hinter drei Säcken mit Nager - Trockenfutter zu verstecken, natürlich nicht ohne den frischen Zweig Eukalyptus. „Edgar, ich hatte dreimal darum gebeten, daß du heute Charlotte fütterst! Jetzt haben wir den Salat! Du bringst jetzt Eukalyptus ins Koalagehege und ich nehme mir zwei Zweige um Charlotte damit zu locken!“ Charlotte zitterte in ihrem Versteck. Hoffentlich fand sie niemand! Ängstlich biss sie ins nächste Blatt. Jemand schaltete die Deckenlampen an. „He, Otto, guck mal! Der Hafersack da ist aufgerissen und da sind Hufabdrücke! Die beiden Racker werden sich doch nicht selbst bedient haben?“ Sie verschlossen die Tür hinter sich. „Jetzt sitzen wir in der Falle!“, dachte Lulu. Kurz darauf entdeckte Otto auch schon das Pony hinter einer Kiste, denn Pferdchen, wie klein auch immer, können sich nur sehr schlecht in Regalen und hinter Kisten und Säcken verstecken. „Na, du Ausreißer? Gut gefrühstückt? Wo ist denn deine kleine Freundin?“ „Sag ich dir nicht!“, wieherte Lulu, während sie aus dem Raum geführt wurde, aber das verstand Otto natürlich nicht. Charlotte kauerte sich in die hinterste Ecke ihres Verstecks. Aber Edgar entdeckte bald auch die aufgeschlagene Kiste. Es kam noch jemand zweites, um ihm suchen zu helfen, aber außer einem abgenagten Zweig fanden sie zunächst nichts. Charlotte hörte ihr Kramen und Rumpeln und ihr kleines Herzchen pochte wie wild. Ängstlich klammerte sie sich an ihren Zweig. „Das gibt es doch garnicht, das Tier muss hier sein!“, sagte eine freundliche Frauenstimme. „Sag mir wo!“, antwortete Edgar. Die Frau blickte sich suchend um. Plötzlich stieß sie einen leisen Pfiff aus. „Sag mal, bekommen Meerschweinchen eigentlich Eukalyptus?“ „Wieso fragst du? Natürlich nicht!“ „Nur so. Da liegt nämlich welcher, bei den Sachen für die Meerschweinchen!“ Ein längeres Schweigen trat ein und das Koalaherz schlug immer heftiger. Jemand nahm die Säcke vor der zitternden Koaladame weg. „Da ist sie ja! Sag Otto Bescheid, er soll sie holen!“ Die Frau ging und Otto kam. Er nahm die völlig verängstigte Charlotte auf den Arm, streichelte ihr den Kopf, redete ihr gut zu und trug sie in ihr Gehege zurück um das längst viele, viele Menschen standen. Am Futtertrog lag ein großer Haufen Eukalyptus und das versöhnte Charlotte schließlich wieder. Als Otto sie abgesetzt hatte schnappte sie sich sofort einen Zweig und lief zum Zaun. „Lulu?“ „Ja, was gibt’s, ich war gerade beim Trinken! Haben sie dich auch gekriegt?“ „Ja. Aber ist nicht so schlimm! Dafür ist jetzt mein Eukalyptus da! Wie geht es dir?“ „Och, ganz gut, es gab einen großen Eimer Möhren, aber ich hoffe, dass sie den Ausgang nicht finden! Sie sollen glauben, dass ich gehüpft bin, deshalb klettere ich jetzt schon die ganze Zeit auf einem Baumstumpf in der Nähe des Zaunes herum, damit sie glauben, ich sei von da gesprungen! Hoffentlich machen die den Zaun nicht dicht, sonst sind meine nächtlichen Ausflüge passè!“ „Na, viel Glück Lulu. Du, Lulu?“ „Ja?“ „Wenn sie den Zaun nicht reparieren - darf ich dann nochmal mit?“ Lulu wieherte vor Lachen. „Freiheit geschnuppert? Klar, wenn’s nochmal klappt, dann kannst du mit! Dann zeig’ ich dir die Giraffen!“ „Was ist das?“, wollte Charlotte wissen. „Zeig' ich dir dann schon! Wart’s ab! So, jetzt hab ich aber zu tun! Ich muss mich noch mal unbedingt auf die faule Haut legen - und dir rate ich: Tu das Selbe, sonst holst du dir bei der Hitze ja ‘nen Schlag. Oh Mann, es gibt Tage, da wünschte ich, ich wäre ein Nilpferd!“ Damit trottete Lulu das Zwergpony davon und Charlotte kletterte mit ihrem Eukalyptuszweig in ihren Lieblingsbaum. Zufrieden ließ sie sich die Sonne auf den Pelz scheinen und knusperte an den zarten, grünen Blättchen. Charlottes Welt war wieder in Ordnung, ja und jetzt musste sie in der Tat erstmal tief schlafen und sich erholen. Sie klemmte den Eukalyptuszweig in eine Astgabel über sich, dann rollte sie sich zusammen, schlief schon bald tief und fest und träumte bunte Koaladamenträume.

 

 

Svante- Lucia Hauschildt

 

Impressum

Texte: Svante-Lucia Hauschildt
Bildmaterialien: pixabay
Tag der Veröffentlichung: 28.06.2016

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