Cover

WhitePaperCollection – Edit.22

 

 

 

Michael Weisser

 

Interview mit

 

Erik Roßbander

Schauspieler

Regisseur, Stage-Coach

 

 

über

Theater und Leben

Macht, Geld, Hass, Liebe, Tod

Shakespeare!

 

 

*

 

 

 

 

 

 

Always the beautiful answer /

who asks the more beautiful question?

(Edward Estlin Cummings)

Der QR-Code


Scan mit QR-App i-nigma

„Shakespeare“
Zitate - eine typografische Sequenz zum Interview mit dem Schauspieler Erik Roßbander (bremer shakespeare company)

© Michael Weisser 2017

Erik Roßbander


Als Schauspieler und Regisseur ist er ständig in Bewegung - und „Lebe unernst“ ist sein Motto!

Seit 1990 wirkt Erik Roßbander als Ensemblemitglied in der “bremer shakespeare company”, deren vereinendes Ziel es ist, den aufrechten Gang zu praktizieren, gutes Theater zu machen und davon leben zu können.

In dieser Company sieht Roßbander ein Theater, in dem die künstlerische Substanz und die ungebrochene Neugier auf den Autor Shakespeare, die Demut vor seinem Größe und die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden, in den Vordergrund gerückt sind.

Mit erfrischender Offenheit spricht er in diesem Interview über Ehrgeiz, seine Prägung durch die DDR, den Mauerfall und seine Begeisterung für

“Die Erfindung des Menschlichen”, die er in den Werken des englischen Dramatikers gelungen sieht.

Für Erik Roßbander ist die Schauspielerei seine Selbstvergewisserung, der er mit Empathie, sozialem Engagement, hohem Anspruch und Konsequenz nachgeht.



Das Interview I


 


„Ich habe keinen Sporn,
Die Flanken meines Willens anzustacheln, nur

Hastigen Ehrgeiz, der sich überschlägt

Und fällt am andern."

Tragödie "Macbeth" 1. Akt, Szene 7 (1605/06)


 

MW: Herr Roßbander... Sie sind Schauspieler und seit 1990 Ensemblemitglied der „bremer shakespeare company“. Sie waren selbst schon in der Rolle des Macbeth auf mancher Bühne... das einleitende Zitat werden Sie kennen!

Wie halten Sie es privat und beruflich mit dem „Ehrgeiz“. Woher beziehen Sie ihre Motivation zum Handeln? Welche Kräfte treiben Sie an?

 

ER: Ich freue mich, dass Sie die Kategorie Ehrgeiz gleich in der ersten Frage thematisieren, ist doch tatsächlich mein Leben von Ehrgeiz angetrieben, durchzogen und partiell auch überschattet.

Nun ist gegen das Streben nach Erfolg, Anerkennung, Einfluss, Führung, Wissen oder Macht generell nichts einzuwenden, doch ich persönlich und Schauspieler im Allgemeinen ticken doch noch etwas anders.

In meiner Familie in Dresden war Ehrgeiz eine ständige Antriebskraft. Meine Eltern, beide Kriegskinder und aus einfachen Verhältnissen stammend, haben, um studieren zu können, nach dem Krieg an der ABF sofort das Abitur nachgeholt. Mein Vater hat später Kernphysik studiert und wurde, dank seines beruflichen Ehrgeizes, ein weltweit geachteter Strahlenschutzexperte. Meine Mutter begann Journalismus zu studieren, vielleicht nicht die beste Idee unter den Bedingungen der Diktatur des Proletariats, ließ dies dann der 4 Kinder wegen auch bleiben und kehrte später als Studienberaterin an der TU Dresden ins Berufsleben zurück.

Darüber hinaus war mein Vater auch Junioren-DDR-Meister im Boxen. So war auch der sportliche Leistungsgedanke fortan ständiger Bestandteil des Familienlebens.

Die höchste Schulbildungsstufe war in der besten DDR der Welt die Eintrittskarte für ein Studium an Hochschulen und Universitäten. Und ein Studium auf diesem Niveau war das einzig Erstrebenswerte, um wenigsten partiell aus dem gleichgeschalteten Sumpf des real existierenden Sozialismus herauszukommen. Und das genau war mein Ehrgeiz!

Nun haftete mir das Stigma des Intelligenzlersohnes an, und als solcher war ich im Arbeiter-und Bauernstaat, Leistung hin oder her, erst zweite Wahl bei der Vergabe der wenigen, heiß begehrten Plätze am Gymnasium (EOS). Offiziersbewerber wurden aber geradezu durchgewunken. Also log ich, dass sich die Balken bogen, und bekam als zukünftiger Offizier der NVA einen Platz am Gymnasium.

By the way: nicht ein einziges männliches Mitglied der Familie war je beim Militär, alle haben sich gedrückt. Mich selbst ekelte der Gedanke, Wehrdienst machen zu müssen! Und dass ich bei der Musterung schließlich als "dauernd Wehrdienst untauglich" aussortiert wurde, ist wieder so eine Pflanze des Ehrgeizes. Das mir damals für die damit verbundene Frechheit, trotz eines Attestes wegen Rückenschmerzen, nicht der Kopf abgebissen wurde, wundert mich noch heute.

Später an der Schauspielschule, ich bin sehr zum Missfallen meines Vaters meiner inneren Stimme und nicht, als einziges seine Kinder mit Abitur, seinem Vorbild gefolgt, war der Ehrgeiz der ständige Begleiter, und das vier Jahre lang!

Wieder lag es an den wenigen Plätzen, die für solch ein für DDR-Verhältnisse geradezu luxuriöses Studium bereit standen. Der permanente Leistungsdruck und der Albdruck, nicht zu genügen und wieder rausgeworfen zu werden, tat sein Übriges. Die Konkurrenz untereinander ist natürlich auch Grund genug für Ehrgeiz, schließlich will jeder den Hamlet spielen und nicht Güldenstern.

Hinzu kamen jetzt aber noch ideologische Zwänge und Erpressung seitens der Schulleitung, die man nicht mehr so spielerisch wie zuvor parieren konnte. Und das vor dem Hintergrund, dass man längst innerlich mit der DDR abgeschlossen hatte und ein heftiger Ehrgeiz darin bestand, sich nicht auf dem Weg zur Trauminsel Theater von Stasie oder Partei "ans Bein pinkeln zu lassen"!

By the way: in einer geschlossenen Gesellschaft Theater zu spielen, ist ein großartiges Erlebnis. Die Zuschauer waren höchst motiviert, alle Feinheiten des Textes und dessen Doppeldeutigkeiten zu verstehen, und alle optischen, zum Teil geschickt versteckten Botschaften zu lesen. Das habe ich so nur damals erlebt.

Aber eine geschlossene Gesellschaft war auf Dauer für mich inakzeptabel, also bestand der nächste Ehrgeiz darin, ohne hysterisch sofort die Ausreise zu beantragen und ohne andererseits zur "Maulhure" zu werden, den geeigneten Zeitpunkt für die Ausreise zu finden.

Meine Frau, die ich 86 kennen lernte, sah das genauso, und so stellten wir Mitte Oktober 88, vierzehn Tage nach Geburt unseres Sohnes, gemeinsam den Antrag auf Ausreise. Wir dachten, das würde ca. 2 Jahre dauern. Dass im Herbst 89 die Mauer fiel, war unser großes Glück. Und so konnten wir ohne Repressalien das Land verlassen und, der Fügung folgend, nach Bremen gehen!

Bremen und die Bremer Shakespeare Company erwies sich als der große Glücksfall unserer Biografie! Wir waren noch jung, bestens ausgebildet, mit mehrjähriger Theatererfahrung versehen, kamen in eine spannende Theatergruppe und - endlich kommt die dunkle Seite des Ehrgeizes ins Spiel!

Wie heisst es, um bei "Macbeth" zu bleiben, in der 4. Szene des 2. Aktes: "Maßloser Ehrgeiz, der verzehrt sich selbst/ Das Lebensmark."

Und genau das ist uns passiert: die Company hatte damals noch bei weitem nicht die heutige gesellschaftliche Akzeptanz und auch noch keine finanzielle Unterstützung. Alles hätte jederzeit zu Ende sein können. Und so nahm unser Ehrgeiz, die Company erfolgreich zu machen und somit unser neues Leben in Bremen zu sichern, geradezu hysterische Formen an - für den Preis, dass wir uns als Paar aus den Augen verloren und uns fast getrennt hätten. Dafür, dass es doch anders kam, bin ich sehr dankbar.

Unsere Lektion haben wir schmerzhaft, doch wirkungsvoll gelernt: alles maßvoll zu tun, und selbstzerstörerische Übertreibung zu erkennen und zu

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: © bei den Autoren
Bildmaterialien: © MikeWeisser@yahoo.de - Bremen 2017
Tag der Veröffentlichung: 06.03.2017
ISBN: 978-3-7438-0100-4

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /