Michael Weisser
Medienkünstler
im Interview mit
Michael Haitel
Verleger und IT-Spezialist
*
Always the beautiful answer /
who asks the more beautiful question?
(Edward Estlin Cummings / 1894-1962)
Scan mit QR-App i-nigma
Link zum PDF „i:Codes“ mit farbigen Abbildungen
Das digitale ICH!
Über die Geburt einer neuen Spezies im Weissen Rauschen.
Ein Interview mit Augenzwinkern von
Michael Haitel, IT-Spezialist und Verleger in Murnau am Staffelsee mit Michael Weisser, Autor und Medienkünstler in Bremen.
(8/2016)
Seit 2007 experimentiert er mit Funktion und Ästhetik des QR-Codes. Michael Weisser ist Medienkünstler, Visionär und SF-Autor. In der Phantastischen Bibliothek von Suhrkamp erschienen »Syn-Code-7« (1982) und »Dig-It« (1983) sowie als erste Verbindung von Musikkassette und Buch das neuen Medium »Dea-Alba« (1988) in Kooperation mit Herbert W. Franke.
Ab 1984 entwickelte Weisser die E-Musikformation »software«, realisierte 1988 bei der ars electronica das SF-Projekt »im weissen Rauschen« arbeitete rund 15 Jahre lang als Creative Director für das Klaus Schulze Label IC (Innovative Communication), produzierte Elektronik und WorldMusic, baute Bild- und Klangarchive auf und konzentrierte sich ab 2000 wieder auf Bildende Kunst mit digitalen Medien. Auf der Grenze von analog und digital verbindet er Bild, Klang und Wort. Im QR-Code, den er künstlerisch zu »i:Codes« gestaltet und mit dem er »InspirationsInseln« vernetzt, sieht Weisser das digitale MetaZeichen des 21. Jahrhunderts.
MH: Servus, Mike. Ich möchte ein paar Worte über dein aktuelles Kunstprojekt mit dir wechseln. Du malst nicht und zeichnest nicht, sondern beschäftigst dich mit Medienkunst, mit dem Computer, dem Internet und besonders mit dem QR-Code. Was passiert da bei dir im Atelier?
MW: Der QR kürzt »Quick Response« ab und steht für eine schnelle Antwort. Er ist das META-Zeichen des 21. Jahrhunderts und reagiert direkt. In einer Zeit, in der alles immer schneller, perfekter und wirtschaftlicher sein soll, steht er für das Credo von Optimierung.
Wir kennen den QR-Code aus der Zeitung, von Werbezetteln, Verpackungen, Plakatwänden und Produkten. Er hat sich, wie Marienkäfer im Juni, explosionsartig in unserem Alltag verbreitet. Beim QR handelt sich um einen zweidimensionalen Code, der aus kleinen, schwarzen Quadraten, sogenannten Zellen, gebildet wird. Diese Zellen codieren Informationen in binärer Form.
Der QR-Code wurde von dem japanischen Unternehmen Denso im Jahr 1994 entwickelt, um die Barcodes abzulösen, denn diese eindimensionalen Strichcodestreifen waren nicht mehr in der Lage, die vielen Daten von Produkten zu speichern. Die Firma Denso arbeitet für den Automobilhersteller Toyota und der neue Code sollte den gesamten Arbeitsprozess in den Fertigungsstraßen und den Lagern der Automobilproduktion steuern. So beauftragte Denso den Leiter der Abteilung für visuelle Erkennungssysteme, Masahiro Hara, mit der Entwicklung einer Innovation, die schnell und fehlerfrei verschlüsselte Daten in großem Umfang erfasst und zur Weiterverarbeitung bereitstellt.
MH: Wie muss man sich diesen Prozess konkret vorstellen?
MW: Jedes Bauteil eines Autos wird mit einem kleinen QR beklebt. Dieser Code ist in der Lage, bis zu 4.296 alphanumerische Zeichen zu codieren. Der Code wird automatisch von einem Reader gelesen und die Daten gehen in die Prozessteuerung ein. Mit den Buchstaben und Zahlen des QR lassen sind nahezu unendlich viele Varianten von Beschreibungen bilden, sodass letztlich alle Objekte unserer Welt über diesen QR-Bildcode darstellbar sind.
MH: Aber das betrifft die Wirtschaft. Wie ist der QR in die Kultur oder wie in deinem Fall sogar bis in die Kunst eingedrungen?
MW: Der QR ist ideal für die mobile Kommunikation des 21. Jahrhunderts geeignet, weil man prinzipiell an jedem Ort und zu jeder Zeit dieses kleine Quadrat mit dem Smartphone oder dem Tablet und einer Reader-App lesen und nutzen kann. Der QR kann Aktionen des Handys ausführen wie eine Telefonnummer wählen, Kontaktdaten direkt auf das Smartphone ins Adressbuch zu übernehmen, die SMS-Funktion aufrufen, GPS-Daten über den Standort weiterleiten oder gezielt eine bestimmte Web-Site anwählen, von der Texte, Bilder, Filme, Animationen oder Audioinformationen abgerufen werden.
Entscheidend für die Verbreitung des QR-Codes außerhalb der Wirtschaft und entscheidend für sein Eindringen in das tägliche Leben war die Entwicklung der mobilen Telefonie und besonders die Entwicklung des Smartphones mit seinen schnellen Funknetzen ab dem G3-Standard.
Das G3S-Smartphone von Apple, das im Juni 2009 mit Touchscreen, erhöhter Leistung und verbesserter Kamera auf den Markt kam, gab den Anstoß und das folgende G4 mit seinem hochwertigen Retinadisplay festigten ab Juni 2011 den sensationellen Erfolg.
Mehr als 1,7 Millionen Exemplare wurden allein in den ersten drei Verkaufstagen abgesetzt.
Im Jahr 2011 explodierten weltweit die spielerischen Experimente mit dem QR-Code. Viele Firmen und Initiativen bemühten sich darum, den weltgrößten QR auf Hausdächern, auf Fußballfeldern oder in freier Landschaft zu gestalten. Es ging um eine spektakuläre Größe, die man möglichst aus dem All über Google Earth sehen und lesen sollte.
Aber auch Grafiker und IT-Unternehmen waren vom QR fasziniert und es gab kaum ein Themenfeld, in dem der QR ab 2012 nicht genutzt wurde, um für sich, das Unternehmen oder ein Produkt zu werben. 1)
MH: Und wie kam der QR aus den Fabrikhallen und vom e-Business in die zeitgenössische Kunst?
MW: Das war und ist ein schwieriger Weg, denn die Künste sehen sich gern als höhere Dimension menschlichen Seins, die mit der schnöden, Geld raffenden Realität offiziell nichts zu tun haben wollen. Geld machen will die Kunst schon und sie muss es auch, um leben zu können, aber es soll nicht nach Geldverdienen aussehen. Und der QR-Code
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: © bei den Autoren
Bildmaterialien: © Michael Weisser - MikeWeisser@yahoo.de - 2017
Tag der Veröffentlichung: 02.01.2017
ISBN: 978-3-7396-9148-0
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