Michael Weisser
Dialog mit
Klaus Michael Heinze
Kanzler der
University of Applied Sciences Kiel
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Always the beautiful answer /
who asks the more beautiful question?
(Edward Estlin Cummings / 1894-1962)
Klaus Michael Heinze ist nicht nur Kanzler einer Hochschule sondern zugleich Initiator des Kunst-Campus. Die Idee, vielfältige Formen von Gegenwartskunst auf dem Gelände der University of Applied Sciences in Kiel und in zahlreichen Innenräumen als ein Gesamtwerk zu positionieren ist in dieser Konsequenz sicher bundesweit einmalig und könnte zur Nachahmung anregen.
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Recording Michael Weisser
Michael Weisser im Dialog mit
Klaus-Michael Heinze
Kanzler der University of Applied Sciences Kiel
Herr Heinze, in ihrer Funktion als Kanzler der Fachhochschule Kiel haben Sie eine ganz außergewöhnliche, vermutlich sogar einzigartige Kulturinitiative geschaffen, nämlich das Projekt »Campus-Kunst«, das diesen Ort zu einem »Kunst-Campus« qualifiziert hat.
MW: Ihre Fachhochschule, direkt an der Kieler Förde gelegen, hat eine besonders inspirierende Ausstrahlung. Dies auch, weil sie unter Ihrem Engagement zu einem Ort der zeitgenössischen Kunst mit unterschiedlichsten Medien geworden ist. Wann und wie ist es dazu gekommen?
KMH: Das ist eine lange Geschichte, die schon vor über zwanzig Jahren ihre Wurzeln hat. Denn schon im Jahr 1991 bin ich als einer der ersten Mitarbeiter der Fachhochschule Kiel auf das Ostufer umgezogen, um hier den neuen Hochschulcampus für die Fachhochschule Kiel zu entwickeln. Wir fanden dort in der Industriebrache nur die von der Howaldt Deutsche Werft und anderen gewerblichen Unternehmen zurückgelassenen Montagehallen und Büroräume vor. Das ganze Quartier, das heute unseren Campus bildet, war heruntergekommen. In den Folgejahren wurden dann die vorhandenen Gebäude soweit möglich umgebaut und einige Neubauten entstanden. Heute studieren hier rund 6.000 Menschen und fast 400 haben hier ihren Arbeitsplatz.
Eine weitere Wurzel wurde in diesen Jahren auch schon gelegt: Gefördert vom Land Schleswig-Holstein startete im Jahr 1995 das »Kunstlaboratorium«, zu dem zehn renommierte Künstlerinnen und Künstler eingeladen wurden. In der künstlerischen Auseinandersetzung mit diesem historischen Areal, den verlassenen Gebäuden und der Hoffnung auf einen Neubeginn wurden Konzepte entwickelt, die sich aus damaliger Sicht als kaum realisierbar darstellten. Heute sind einige dieser Gedanken visionär und wertvoll für die Entwicklung des Campus gewesen, der sich nun, nach gut zwanzig Jahren, zu einem attraktiven Standort entwickelt hat.
MW: Aber wie kam es für Sie persönlich zum Engagement für die Kunstsammlung auf dem Campus?
KMH: Im Jahr 2001 wurde ich zum Kanzler der Muthesius Kunsthochschule gewählt. Dort habe ich erlebt, welche Möglichkeiten sich bieten, wenn die Kunst in den öffentlichen Raum eingreift. So habe ich mehreren studentischen Projekten durch ganz konkrete Hilfestellung die Möglichkeit gegeben, sich zu erproben.
Im Jahr 2006 bin ich mit diesen Erfahrungen an die Fachhochschule Kiel zurückgekehrt. Hier hatte sich zwar baulich einiges getan, aber die Qualität des Campus hatte sich kaum verändert. Da ich als Kanzler nicht nur für die Finanzen und das Personal der Hochschule zuständig bin, sondern auch für die baulichen und sozialen Belange der Hochschulangehörigen, habe ich bei meiner Wahl versprochen, dem Campus etwas Seele zu verleihen. Und das ist mir tatsächlich in den zurückliegenden Jahren ein Stück weit gelungen.
MW: Nun sind ja aber Dinge entstanden, die allein mit gutem Willen und viel Elan nicht zu schaffen sind. So ein Projekt muss gewollt werden. Wie steht Ihre Hochschule dazu?
KMH: Ja, zu allererst hat man nicht wirklich geglaubt, dass ich es ernst meine mit meinen Ideen. Doch das hat sich schnell geändert. Die Fachhochschule Kiel hat sich zu ihrer Vision offiziell bekannt: »Wir sind die Exzellenz-Hochschule für Lehre im Norden!« In acht Leitsätzen sind unsere Themenfelder beschrieben und der siebente Leitsatz formuliert unseren Kulturauftrag: »Unsere Hochschule nimmt ihren Kulturauftrag in Stadtteil und Region an. Das heißt: Unsere Hochschule befindet sich in einem historisch geprägten Stadtteil von Kiel. Daraus erwachsen Verpflichtungen. Mit ihrer Computer-Schausammlung, dem Mediendom und der Sternwarte, dem Bunker-D sowie der Nähe zur alten howaldtschen Gießerei hat sie sich zu einer bedeutenden Kulturträgerin in Dietrichsdorf und dem Ostufer entwickelt. Diese Aufgabe wird sie ausbauen und zu einem Markenzeichen entwickeln.«
Mit diesem Auftrag konnte ich den Campus zu einem Kulturort mit einer stattlichen Anzahl von Kunstwerken in öffentlichen Räumen entwickeln und dabei die beiden historischen Hochbunker zu neuem Leben erwecken.
MW: Es fällt ja schon beim Betreten des Hochbunkers »Bunker-D« auf, dass hier etwas ganz Besonderes entstanden ist. Der Besucher betritt kein Mahnmal, das zum Gedächtnisort erstarrt ist, sondern hier pulsiert das kulturelle Leben. Wie ist Ihnen das geglückt?
KMH: Das Konzept vom Bunker-D ist ein Glücksfall, weil sich mehrere Strömungen trafen und vereinten. Im Jahr 2006 führte der AStA bei unseren Studierenden eine Umfrage durch, wie sie sich den Campus wünschten und was noch fehlen würde. Als Ergebnis wurde schnell deutlich, dass es keinen Ort gab, an dem man sich treffen und austauschen konnte.
Die Idee des studentischen Cafés auf dem Campus war geboren, hatte aber keinen konkreten Ort, um real zu werden. Gerade im Kanzleramt gestartet, kam ich mit meinem Vorschlag, den Jahrzehnte leer stehenden Hochbunker hierfür herzurichten, gerade recht.
Innerhalb nur eines halben Jahres haben dann unzählige Helferinnen und Helfer aus allen Hochschulgruppen den Bunker entrümpelt und zur ersten »Bunker-Woche« im Oktober ein Café und ein Kino in der dritten Etage sowie eine Bar und eine Kleinkunstbühne in der ersten Etage hergerichtet. Die zweite Etage war mit vielen ausdrucksstarken, farbigen Gemälden junger Frauen zur Galerie mutiert und von da ab war klar, dass der Bunker-D bestens für Kunstausstellungen geeignet ist.
Seitdem ist die zweite Etage für Ausstellungen hergerichtet. Es stehen zwei 55 Quadratmeter große Ausstellungsräume und ein in der Mitte gelegener, fensterloser Raum von 16 Quadratmeter zur Verfügung. Die Bunkerräume sind weitgehend im Originalzustand erhalten, was eine ganz besondere Atmosphäre schafft.
Zurückgefragt an Sie, Herr Weisser, wie haben Sie unseren Campus bei unserer ersten Begegnung im März 2012 empfunden?
MW: Ich war erst einmal überrascht, dass es so etwas gibt. Kultur an einem Ort der Technik, das klingt wie ein Widerspruch und ist deshalb besonders spannend. Hier gibt es Lehre und Lernen, die die Chance haben, über den Tellerrand zu blicken. Hier gibt es Kunst im Außenraum und einen funktional und geschmackvoll umgestalteten Bunker mit anspruchsvollen Räumen für Kunstausstellungen, mit einem Kinoraum und einem Café. Dazu gibt es auf dem Gelände einen Mediendom, in dem mit neuester Technik dreidimensionale Filme entwickelt und projiziert werden und es gibt ein Computermuseum mit einer Sammlung von Hardware und Software, mit einem Archiv, mit Fachkompetenz, Führungen und Bildungsangeboten.
Bei dieser ersten Begehung ist mir die Idee für eine eigene Ausstellung gekommen, über deren Thema und Umfang wir schon während des Rundgangs gesprochen haben. Auf ihrem Campus geht es um Mensch und Technik, um historische, analoge und um zukünftige, digitale Identitäten in einer »smarten« Welt. Hier geht es um Zukunft und Visionen. Da lag mein Titel »analoge und digitale Identitäten« auf der Hand.
KMH: Und wie haben Sie auf die Bunkeratmosphäre reagiert? War die hinderlich oder inspirierend für ihr Projekt der Identitäten?
MW: Den Bunker als Relikt, als Erinnerungszeichen zu einem sehr dunklen Kapitel unserer deutschen Geschichte ganz bewusst zu erhalten und in vielen Details atmosphärisch zu gestalten, hat mich sehr beeindruckt. Der graue Sichtbeton, die rauen Durchbrüche, die neu gesetzten Mauern … nicht verputzt oder übergestrichen, nicht verdeckt, sondern authentisch, offen sichtbar und einsehbar bis in das rohe Baumaterial, das erzeugt eine intensive Atmosphäre. Manchmal ist innen wie außen der alte Beton durch den Rost der in den Wänden liegenden Stahlmatten abgesprengt. So wird Zeit spürbar. Vergangenheit und der Prozess des Vergehens werden fühlbar und doch ist dieser Bunker kein Mahnmal. Sondern mit buntem Leben und Aufbruchstimmung erfüllt.
In einem Raum ist noch der originale Schriftzug »pst!! Feind hört mit« zu lesen. Das lässt assoziieren (wer ist der Feind), setzt Emotionen frei und auf diese Emotionen habe ich mit speziellen Werken bei meiner ersten Ausstellung reagiert.
KMH: Ja genau, das haben die Gäste Ihrer Ausstellung empfunden, denn gerade hier ist die ständige Veränderung spürbar. Insoweit passte Ihr Ausstellungstitel »ich:meiner:mir:mich – analoge und digitale Identitäten« als Bilder, Klänge und Worte sehr gut zum Kulturkonzept unserer Hochschule. Die Ausstellung habe ich am 21. September 2012 eröffnet und es war der Anfang einer bis heute sehr inspirierenden und erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen uns beiden.
Heute ist Ihre künstlerische Handschrift ja an vielen Orten auf unserem Campus zu erleben, denn wir haben gemeinsam einige Ideen realisiert. Es gibt ja nicht nur die »33!Denk!Bänke« mit den QR-Codes und die QR-Sequenz im Flur zum Senatssaal, sondern auch
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: © bei den Autoren
Bildmaterialien: © bei Michael Weisser - MikeWeisser@yahoo.de - 2017
Tag der Veröffentlichung: 02.01.2017
ISBN: 978-3-7396-9143-5
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