Michael Weisser
Medienkünstler
im Interview mit
Thomas Hammerl
Musikjournalist, Buchautor
Tour-Promotor
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Always the beautiful answer /
who asks the more beautiful question?
(Edward Estlin Cummings / 1894-1962)
„Dea Alba Part I.“ – 20:12 und „Dea-Alba Part II.“ – 20:45
Computermusik von SOFTWARE (Mergener/Weisser)
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„Wenn der bekannte Musikkritiker und Kommunikationsspezialist Thomas Hammerl aus Augsburg Fragen stellt, dann geht es von der Oberfläche schnell in die Tiefe. Hammerl hat bis heute weltweit mit vielen Kreativen aus dem Musikbusiness zu tun und zählt zu den profiliertesten Fachjournalisten, der in nahezu allen bekannten Magazinen wie Stereo, HiFiVision seine Artikel veröffentlicht hat und auch stets über die Musikformation SOFTWARE berichtete.“
Michael Haitel, Verleger (August 2015)
Thomas Hammerl
mit Michael Weisser
Mastermind der Musikformation SOFTWARE
Thomas Hammerl: Hallo Michael, wir haben lange nicht mehr voneinander gehört. Ein guter Grund, mich einmal wieder bei dir zu melden. Seit 1997 bin ich Inhaber von Hammerl Kommunikation, einer Agentur für Öffentlichkeitsarbeit im Musikbereich. Bei mir geht es konkret um Tour-, Festival- & CD-Promotion im Print- & im Online-Bereich. Ich bin also dem Musikbusiness treu geblieben und arbeite heute für Künstler wie Deep Purple, Lenny Kravitz, Ian Anderson, Beach Boys, Jean-Michael Jarre, Chris de Burgh, Meat Loaf, Roger Hodgson, Foreigner und andere.
Wenn man ständig mit solchen „Kreativen“ zu tun hat, dann kommt irgendwann die Frage auf, was „Kreativität“ ist, welche Bedeutung sie hat und wie sie unsere Zukunft verändern wird – das sind Überlegungen, die auch dich immer beschäftigt haben und vermutlich auch heute noch beschäftigen.
Ich plane ein Buch zum Thema Kreativität in Musik, Kunst und Design und möchte mich im Vorfeld zu diesem Thema ganz allgemein austauschen – so auch mit Dir. Mich interessiert, was Dich zu Deiner speziellen Arbeit bewegt, was Dich inspiriert, was Dich motiviert und wie Du mit deiner Kreativität umgehst.
Einer Vorankündigung im Internet habe ich entnommen, dass das literarische Werk von Herbert W. Franke neu aufgelegt werden soll und dass in diesem Zusammenhang euer gemeinsamer Roman „DEA ALBA“ wieder veröffentlicht wird. Franke ist ja ein Pionier nicht nur der deutschsprachigen SF sondern auch der Computerkunst – es gibt also einige Schnittpunkte in eurer Kreativität.
DEA ALBA war 1988 das erste Buch im Suhrkamp Verlag, das zusammen mit einer Musikkassette herausgegeben worden ist. Diese Kombination war innovativ und hat damals Furore gemacht. Seither hat sich viel verändert. Die Musikkassette gibt es faktisch nicht mehr und auch die CD ist nicht mehr das Maß aller Dinge, da viele Menschen mittlerweile Musik nur noch virtuell konsumieren. Mich interessiert deshalb, welchen Weg Du für die geplante Franke/Weisser/Software Ausgabe 2016 gefunden hast, um heutzutage die Musik mit dem Buch zu verbinden? Überhaupt: Welche Entstehungsgeschichte liegt hinter diesem ersten Kassettenbuch in der deutschen Medienlandschaft von 1988 und wohin geht es bei Dir in der Zukunft?
MW: An Künstler wird immer wieder die Frage herangetragen, was es mit der Kreativität auf sich hat. Man muss aber ganz klar festhalten, dass wir diese Fähigkeit keinesfalls gepachtet haben, sondern dass in allen Lebens- und Arbeitsbereichen vielfache Ausprägungen von Kreativität gefragt sind und auch in hohem Maß täglich stattfinden, sonst könnten wir uns nicht den sich wandelnden Lebensbedingungen anpassen. Die Kunst wird dabei gerne überbewertet. Ich bin sogar der Meinung, dass sich in der Kunst mindestens genau so viel Banalität, Übertreibung, Eitelkeit, Überschätzung und Überheblichkeit die Beine vertritt wie im Verein der Bierdeckelsammler – wenn nicht sogar noch mehr.
Kunst ist im Grund eine Form von Arbeit und jede Arbeit gehört wertgeschätzt und auch kritisiert. Aber ich weiß, was Du meinst. Kunst ist ein Ort gewisser Privilegien und Freiheiten. Die Kunst hat es sich auf die Fahnen geschrieben zu experimentieren und das ist auch mein persönlicher Ansatz. Ich möchte Forschen und sehe mich im Risiko des Experiments und nicht im Mainstream.
TH: So gesehen bist Du wie Herbert W. Franke mit Kopf und Herz Forscher und Entdecker, das ist eine eurer Schnittmengen. Aber: Herbert W. Franke wohnt südlich von München, Du in Bremen – das sind mehr als 800 Kilometer Distanz. Wie habt Ihr im Jahr 1987 miteinander am Text für euren Roman DEA ALBA gearbeitet – zu einer Zeit, als es noch keine e-Mails gab und die Datenfernübertragung noch in den Kinderschuhen steckte?
MW: Wir hatten damals beide den gleichen Computer und haben beide den gleichen Texteditor benutzt. Der Text wurde als Datei auf eine Diskette kopiert und die Diskette wurde ganz konventionell mit der Post als Brief verschickt. Hin und her. Und der Text wuchs und wuchs, bis der Roman fertig war.
TH: Wofür steht DEA ALBA, der Titel eures crossmedialen Projektes?
MW: „dea alba“ ist lateinisch und bedeutet „die weiße Frau“. Die weiße Frau habe ich als Synonym für Verlockung und Fremdartigkeit gewählt, denn die Idee dieser „phantastisch klingenden Geschichte“ liegt in der Begegnung des Menschen mit einer fremden Spezies.
Nach langer Reise durch das Weltall ist der Mensch zur Begegnung mit fremdem Leben bereit ... es gibt eine Bewegung, doch von welcher Art ... man trifft auf ein schillerndes Ornament der Phantasie ... und erkennt, dass hinter der Suche nach dem Fremden eigentlich die Suche nach sich selbst liegt. Das Risiko, bei dieser Suche „verzehrt“ zu werden, nehmen wir, getrieben von unserer Neugier, auf uns.
TH: Zuerst gab es Dein Gedicht „Zielposition erreicht“. Es handelt von der intergalaktischen Begegnung des Menschen mit dem Fremden, oder besser mit einer Fremdheit. Hat sich aus dem Gedicht der Roman entwickelt oder wie ist das Werk entstanden?
MW: Am Anfang war eine poetisch formulierte Vision (nennen wir sie ein Gedicht), hinzu kam eine sphärische Musik, die auf den Text hin komponiert wurde. Den Text habe ich selber in unserem Studio in die Musik eingesprochen und die Produktion wurde auf Musikkassette kopiert. Diese MC habe ich an Herbert W. Franke geschickt und den Vorschlag gemacht, ob wir nicht im Team das Gedicht zu einer Geschichte erweitern.
TH: Dabei gab es zwei Kooperationen, nämlich die von Peter Mergener und Michael Weisser als Software-Music-Team und die von Herbert W. Franke und Michael Weisser als Autoren-Team. Warum hast du die Geschichte des Buches nicht selber geschrieben?
MW: Es hat mich sehr gereizt, wieder einmal Neues auszuprobieren. Und neu war auch die Idee, gemeinsam mit jemandem über die neue Technik des Computers zu schreiben. Da war der Kontakt zu Herbert W. Franke, dessen Bücher ich sehr schätze und der mir den Kontakt zum Suhrkamp Verlag vermittelt hat, da waren zwei gleiche Computer und die Chance einer ganz neuen Form von Kommunikation und da war Peter Mergener mein Musikerfreund, mit dem ich wenige Jahre vorher das Electronic-Music-Projekt SOFTWARE gegründet hatte. In allen Fällen ging es um Innovation, um Risiko, um Experiment, um die Vernetzung dieser Chancen und um die Frage, ob man gesteckte Ziele erfüllen kann.
TH: Wenn zwei Autoren gemeinsam an einem Buch arbeiten, kann das kompliziert werden. Das gleiche gilt bei der Zusammenarbeit von Produzent und Musiker. Wie wird bei unterschiedlichen Auffassungen eine Einigung erziel, beziehungsweise wie hat eure Zusammenarbeit im konkreten Fall geklappt?
MW: Die Zusammenarbeit war makellos. Es hat uns großen Spaß gemacht. Wir waren hoch motiviert und natürlich neugierig, wie sich unser gemeinsamer Text und die gemeinsame Musik von mal zu mal veränderte und wuchs. Das Ganze begann wie gesagt mit dem Gedicht, das ja nicht nur Text ist, sondern auch zur Musik inspiriert. Die Musik war spacig mit sanften Teppiche, einperlenden Sequenzen, freien Melodien und für die Zeit mit ganz neuen Klangfarben. Das war eine sehr gute Basis für die Idee, eine dramatische Situation zu entwerfen, an deren Ende die Begegnung mit dem „Undenkbaren“ stand.
Was ist wirklich „neu“, was liegt jenseits unserer Vorstellungskaft? Und: Können wir so eine Situation überhaupt denken, fühlen und ertragen?
TH: Wie hat sich dieser Spagat zwischen dem Bekannten und dem zu beschreibenden Neuen
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG Texte: © bei den Autoren 2016 Alle Rechte vorbehalten Widmung:Impressum
Bildmaterialien: © bei Michael Weisser 2016 - MikeWeisser@yahoo.de
Tag der Veröffentlichung: 25.11.2016
ISBN: 978-3-7396-8482-6
Die WhitePaperCollection sammelt und veröffentlicht Interviews und Dialoge mit Persönlichkeiten aus den Bereichen Kunst, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.
Die Themen sind Kreativität, Innovation, gesellschaftlicher Wandel, digitale Welt, Sehnsucht, Motivation, Neugier, Vision, Zukunft und erfülltes Leben.
Gewidmet ist dieses ePaper allen Musikern von SOFTWARE wie Peter Mergener, Klaus Schulze, Georg Stettner, Steven Toeteberg (Billy Byte), Fran White, Pamela Lambert und allen Sammlern und Liebhabern von elektronischer Musik und Science Fiction.