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Es war finstere Nacht. Nur leicht hoben sich die Bäume von der Dunkelheit ab. Sie warfen keine Schatten.
Er wartete auf sie. Eine halbe Stunde nach Mitternacht gingen die letzten Lichter in der Wohnung aus. Es war eine Wohngemeinschaft für straffällige Jugendliche.
Sie würde heute als Einzige keinen Schlaf finden.
Er schloss die Augen, nur um sie abrupt wieder zu öffnen.
Es hatte hinter ihm im Gebüsch geraschelt.
Er stieß einen Schrei aus, ähnlich einem Fledermausschrei, den das menschliche Ohr nicht wahrnehmen kann.
"Nazeko, ich dachte schon du wärst unachtsam", zischte eine Stimme.
"Kotu, was machst du hier? Du solltest doch längst wieder unten sein!"
"Meinst du da, wo das Feuer nie aufhört zu brennen und sich niemand herumtreibt außer dem Teufel und uns?", flüsterte Kotu und in seinen Augen flackerte unberechenbare Sehnsucht auf.
"Jedenfalls habe ich zu tun und keine Zeit, um welche zu verschenken", erwiederte Nazeko.
"Ich weiß", meinte Kotu. "Weint sie schon? Ich mag es, wenn ihre Träume anfangen zu sterben und sie ein Teil unserer Welt werden."
"Ich bevorzuge Schreie unter Qualen", entgegnete Nazeko trocken.
"Und ich dachte du warst ein Grabflüsterer", grinste Kotu spöttisch. Dennoch sah er Nazeko fragend an. Dieser spürte den Blick.
"War ich auch. Ich starb Flüche flüsternd. Und du?"
"Ich war Freiwilliger"
"Du hast dich frei gegeben? Dann könntest du doch noch leben!"
Ein erstaunter Unterton lag in Nazekos Stimme.
"Hättest du diesen Weg gewählt, weiterleben?", fragte Kotu.
Nazeko dachte einen Moment lang nach.
"Nein, ich habe das Leben nie respektiert."
Sie schwiegen.

Während Kotu wieder hinaus in die Nacht verschwand, machte Nazeko sich in Richtung Wohnhaus auf.
Er schlich durch die Wohnung und lauschte, dann öffnete er eine Tür, leicht angelehnt, hinter der bedrückende Stille lag und glitt hinein.
Auf einem alten Sofa in der hintersten Ecke des Zimmers saß ein Mädchen.
Sie hatte braune, lange Haare und sah ihn mit ihren grünen Augen ausdruckslos an.
Etwas im Raum verwirrte Nazeko.
Eine seltsame Atmosphäre lag in der Luft. Nicht die, die er als Feuerengel normalerweise gewohnt war zu verursachen.
Er starrte das Mädchen an, sie starrte zurück.
"Du kannst mich also sehen", stellte Nazeko fest. "Immerhin, nicht alle erkennen einen wie mich, wenn sie ihn sehen."
"Tja, dann gehöre ich wohl zu den Ausnahmen. Du bist ein Feuerengel", sagte das Mädchen.
Nazeko biss sich auf die Lipen.
Das konnte sie nicht wissen, das war nicht geplant.
Wenn er jetzt einen Fehler machte, war er verloren.

"Warum sagst du nichts?"
Das Mädchen war aufgestanden.
"Ich wusste schon gar nicht mehr, wie schön ihr seid."
Sie strich ihm mit ihren Fingern durch's Haar, wanderte seinen Nacken hinunter.
Nazeko wagte nicht sich zu bewegen.
Sie hatte auf ihn gewartet, sie kannte die Feuerengel, was hatte das alles zu bedeuten?
Ihre Hand lag jetzt still auf seinem Rücken, unter seinem T-Shirt, zwischen den Schulterblättern.
Nazeko schluckte.
"Wie alt bist du?", fragte ihn das Mädchen,
"19", antwortete er knapp.
"Und wie heißt du?", fragte sie weiter.
"Nazeko. Wie ist dein Name?"
"Fynn. Aber du heißt doch in Wirklichkeit ganz anders." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

Woher wusste sie das alles?
Nazeko entschied sich dazu, weiterhin zu schweigen.
"Wie ist dein richtiger Name?"
"Simon", innerlich verfluchte Nazeko seine schnelle Zunge.
Sie zuckte zusammen, tat aber so, als wäre nichts gewesen.
"Und wie heißt du noch?"
Jetzt verstand Nazeko nicht.
"Wie meinst du das?"
"Deine andere Feuerengelgestalt, dein zweites Seelenstück."
Sie wusste wirklich zu viel, aber er musste ihr antworten, er konnte nicht anders. Seine Zunge löste sich von allein, seine Stimme gehorchte ihm nicht mehr.
"Kotu", antwortete er.
Er wusste selbst nicht genau warum er das sagte, geschweige denn, ob es die Wahrheit war.
"Was weißt du über uns?", brachte er schließlich mühsam heraus.
"Wenn ein Feuerengel zu dir kommt, kannst du entweder wählen, ob du sterben willst oder du hast keine andere Wahl. Wenn man stirbt, spalten sich Körper und Seele zu je zwei Teilen und werden zu Feuerengeln.
Deinesgleichen arbeitet für den Teufel und manche Menschen nennen euch Todes- oder Schwarzengel, manchmal auch Dämonen."
Sie sah das Erstaunen in seinem Gesicht und lächelte.

Nazeko war wie gelähmt.
Sie wusste mehr als er selbst auch nur ahnte...
"Woher weißt du das alles?", platzte er schließlich heraus.
Sie lächelte wieder.
"Ich war auch ein Feuerengel."
"WAS?"
Sie lächelte immer noch, brachte ihn völlig aus der Fassung.
"Du warst? Wie kann es sein, dass du jetzt ein Mensch bist?"
Ihr Lächeln machte ihn wahnsinnig.
"Es gibt immer einen Weg zurückzukehren."

Es dauerte eine Weile bis Nazeko merkte, dass sie den letzten Satz nur gedacht hatte..

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Tag der Veröffentlichung: 10.08.2010

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