Cover

Vorwort
Diese Geschichte befindet sich noch in Bearbeitung, sie wird also regelmäßig vervollständigt.


Vorsichtig stieg ich die kalten Steinstufen des Treppenhauses hinauf. Langsam einen Fuß vor den anderen setztend, mit jedem Mal einen weiteren Schritt in die Richtung, in die ich am liebsten überhaupt nicht gehen wollte.
Ich war angespannt, jederzeit bereit herumzuwirbeln und die Treppe wieder hinunterzustürzen, sollte auch nur der kleinste Schrei aus einer der Türen an denen ich mich vorbeidrückte dringen.
Beinahe flehte ich um diesen Umstand, doch niemand erbarmte sich in dieser Nacht für mich zu schreien.
So schlich ich immer weiter, bis ich nach endlosen Minuten im 4.Stock stand.
An der Tür war keine Klingel, kein "Willkommen"-Schild, kein Name. Nichtmal eine Fußmatte lag vor der Schwelle, an der bereits die dreckig-beige Farbe abblätterte.
Ich legte mein Ohr an die Wand und lauschte. Nichts.
Den Schlüssel hatte ich in meiner Hosentasche verstaut, zog ihn heraus, betrachtete noch eine Weile stumm das Türschloss und schloss dann auf.
Die Tür öffnete sich, ich hielt den Atem an.
Zu recht.
"Wo warst du?", blaffte es mir auch schon entgegen.
Bevor ich auch nur den Hauch einer Antwort zustande brachte, knallte er die Tür hinter mir zu und schrie mich an. "Was denkst du eigentlich wer du bist? Glaubst wohl du könntest dir alles erlauben?! Warte nur bis ich dich in die Finger kriege!"
Dass hatte er sich wohl so gedacht. Ich würde mit Sicherheit nicht darauf warten.
Wendig wich ich seinem eisernen Griff aus. Eine Alkoholdunstwolke schwappte mir entgegen.
Gut

, dachte ich, er hat getrunken.


Schnell drängte ich an ihm vorbei. Sein zweiter Schlag hätte mich wohl getroffen, wäre da nicht die gut volle, mittlerweile leere (wie ich mit kurzem Blick auf den Wohnzimmertisch feststellte) Wodkaflasche gewesen.
Ich schloss meine Zimmertür hinter mir und sank keuchend zu Boden.
Mein Blick viel auf die Leuchtziffern meines Weckers, 3:42 Uhr.
Gepolter drang aus dem Flur, das klirren von Glas, die Haustür knallte zu.
Der Freund meiner Mutter hatte das Haus verlassen.
Vermutlich war er vorher noch über seine Schuhe gestolpert und hatte dabei die halbleere Bierflasche fallen lassen.
Vorsichtig öffnete ich meine Zimmertür und schaute hinaus. Er war wirklich weg. Hatte sich vermutlich zum nächsten Puff begeben, oder zu seiner Ex, vielleicht war er auch zu meiner Mutter gegangen, wer wusste das schon.

Ich ging in die Küche un schaltete das Licht ein, nein, ich wollte es anschalten.
Es blieb stockfinster.
Seufzend tastete ich nach den Glühbirnen, die ich vorsorglich unter der Spüle verstaut hatte.
"Verdammt", schrie ich auf und zog meine Hand zurück.
Fluchend tastete ich mich ins Badezimmer, dort ging immerhin noch das Licht.
Mit vor Wut funkelnden Augen betrachtete ich die Scherben einer der neu gekauften Glühbirnen, die jetzt in meiner linken Handfläche steckten.
"Na klasse", fauchte ich, zog sie heraus und hielt die Hand eine Weile unter kaltes Wasser.
Anschließend, öffnete ich die Badezimmertür so weit, dass das Licht dort durch den Flur bis in die Küche viel, wo sich jetzt sichtbar das Chaos vor mir ausbreitete.
Im Flur lagen, wie ich mir gedacht hatte, kreuz und quer Schuhe vom Freund meiner Mutter, die Scherben einer Bierflasche mitsamt ihrem Inhalt, in der Küche ein umgeschmissener Stuhl, in dem Schrank unter der Spüle (bei dem seit einem Wutausbruch von mir die Tür fehlte) zwei halbe und drei noch unbeschädigte Glühbirnen plus ein paar Blutstropfen.
Ich stöhnte auf.
Dann stellte ich den Stuhl wieder hin, stieg hinauf und drehte die kaputte Glübirne in der Küche heraus. Behutsam fischte ich eine neue unter der Spüle hervor und drehte sie rein.
Vom Stuhl gestiegen, den Lichtschalter gedrückt:
Tadaa! Es werde Licht.
Ich sammelte die großen Scherben im Flur und unter der Spüle auf und fegte den Rest mit Handbesen und Kehrschaufel zusammen.
Von den 2 unbeschädigten Glühbirnen wischte ich die Blutstropfen, auch die dritte an der Küchendecke vergaß ich nicht.
Damit war erstmal das Gröbste beseitigt.

Im Kühlschrank fand ich noch eine Dose Ravioli, den Dosenöffner fand ich nicht.
Mit einem Küchenmesser stach ich ein paar mal hinein, dann konnte ich die Dose halbwegs öffnen und die Ravioli in eine Schüssel schütten.
Ich schnappte mir eine Gabel und aß.
Die Wunde an meiner Hand hatte zum Glück bereits aufgehört zu bluten.

Während ich kaute, ließ ich in Gedanken den Abend Revue passieren.
Ich hatte einen draufgemacht. Getrunken und getanzt, geflirtet und mit irgendwelchen Mädels rumgemacht.
Irgendwann hatte ich mich abgeseilt.
War die Treppen hoch auf's Dach vom Club gestiegen und hatte mich dort auf eine Mauer gesetzt.

Ein Mädchen war mir hinterhergekommen.
Zuerst bemerkte ich sie gar nicht. Ich hatte meine vom Gras geröteten Augen geschlossen und mich ganz dem Kick des Joints hingegeben.
Bis sie mich ansprach.
"Hey.."
Ich öffnete die Augen und grinste sie schief an.
Sie setzte sich neben mich.
"Alles okay mit dir?"
Ich nickte nur.
"Wozu rauchst du das Zeug?", fragte sie, den Blick auf den Joint zwischen meinen Fingern gerichtet.
"Weil's mir Spaß macht."
"Hm.."
Ich verdrehte genervt die Augen.
"Bist du gekommen um mir hier 'ne Moralpredigt zu halten oder was? Dann kannste gleich wieder gehen!"
Ich sprang von der Mauer und ging zum Rand des Dachs.
Sie blieb sitzen, aber ihr Blick folgte mir.
Ich ignorierte es.
"Stress zu Hause?", fragte sie.
Ich sah sie an und zog die Augenbrauen hoch.
"Was ist das denn bitte für 'ne Frage?"
Sie zuckte sie Achseln.
"Obwohl es dich 'nen Scheißdreck angeht, ich hab immer Stress zu Hause", sagte ich.
Sie sah mich nur an.
So langsam ging mir das auf die Nerven.
"Was willst du eigentlich hier?"
"Sitzen", antwortete sie.
"Sitzen?" Ich zog wieder die Augenbrauen hoch.
Sie nickte.
Am Joint ziehend setzte ich mich auf den Boden.
Ich zog tief ein, hielt die Luft an und pustete den Rauch hinaus in die Nacht.
"Willste auch mal?", frage ich, obwohl ich ihre Antwort schon kannte.
"Nein, danke.", kam es wie erwartet zurück.
"Warum setzt du dich nicht auch her?", fragte ich.
Sie sprang elegant von der Mauer hinunter und kam zu mir. Schien ziemlich cool zu bleiben in meiner Gegenwart.
Ich musste mir eingestehen, so langsam begann mich ihr Verhalten zu faszinieren.
Welches Mädchen steigt einem Kerl nach auf's Dach, lässt sich nicht von seinen dummen Sprüchen irritieren und fixiert ihn ununterbrochen und ohne dabei verlegen zu werden mit Blicken?!?

Sie räusperte sich. "Man kann ganz schön weit gucken von hier oben".
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie sich neben mich gesetzt hatte.
"Joa", sagte ich. "Ist schon 'ne geile Aussicht."
Schweigend saßen wir da und betrachteten die Lichter der Stadt.
"Ich muss dann mal weg", sagte sie, nach einem Blick auf ihr Handy.
Jetzt war ich überrumpelt, was ich mir allerdings nicht anmerken lassen wollte.
"Eh, ja okay. Ähm, bist du öfters hier?"
Ich verfluchte mein Gestotter.
"Ich schenke Drinks aus, unten. Immer mittwochs bis samstags."
"Bist du nur beruflich da?"
"Nicht immer. Manchmal komm ich Dienstagsabends zum Tanzen, oder wenn ich frei hab."
"Achso, naja, dann sieht man sich ja vll nochmal"
Sie nickte nur und stand auf.
"Bis dann!", rief ich, als sie schon an der Treppe stand. Sie lächelte. "Bis dann!"
"Wie heißt du?"
Jetzt grinste sie. "Lyra. Und du bist Ryan, stimmt's?"
"Stimmt", antwortete ich, da war sie auch schon verschwunden.
Sie kannte meinen Namen.

, dachte ich noch.

Ich wurde je aus meinen Gedanken herausgerissen.
Plötzlich befand ich mich wieder in der Küche und kaute auf kalten Raviolis herum.
Doch das war nicht das Problem. Das Problem war der Freund meiner Mutter, der von mir unbemerkt wieder nach Hause gekommen war.
Diesmal war ich zu langsam.
Er packte mich am Kragen und schleuderte mich vom Stuhl. Ich knallte mit dem Rücken gegen ein Tischbein. Fluchend stand ich wieder auf.
"Na komm her, worauf wartest du noch? Wird Zeit das dir mal wieder einer zeigt wo's langgeht..", drohte er mir.
Ich holte aus und traf ihn mit der Faust am Kopf. Dummerweise traf ich nicht richtig, so das kurz darauf seine Faust gegen meine Rippen prallte.
Ich sog nach Luft und stürzte hinaus ins Treppenhaus.
Die ersten zwei Treppen flog, die anderen sechs stolperte ich hinunter.
Unten angekommen hing ich halb am Geländer, klammerte mich mit den Händen daran fest, während mein Körper unkontrolliert bebte.
Nach 10 Minuten gelang es mir stöhnend wieder auf die Beine zu kommen.
Dann taumelte ich nach draußen.

Die Straße war verlassen. Keine Autos, keine Menschen. Alles ruhig.
"Verflucht!", stieß ich durch meine zusammengebissenen Zähne und rieb mir die Seite.
Langsam tastete ich mich an Häuserwänden entlang durch die Straße in Richtung Innenstadt.

Am Bahnhof ließ ich mich auf den Boden sinken und versuchte ruhig ein- und auszuatmen.
So saß ich etwa eine halbe Stunde da.
Dann tauchte Joey auf.
"Ey man, wieder Schläge kassiert?"
Ich nickte und er setzte sich neben mich.
"Schöne scheiße. Willst du 'ne Weile bei uns bleiben?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Weiß nicht", antwortete ich.
Joey fuhr sich mit der Hand durch seine roten, halblangen Haare, die aussahen, als käme er geradewegs aus dem Bett.
"Bleib einfach ein paar Nächte bei uns. Das geht klar."
"Okay.", meinte ich.
Ich sah zur Bahnhofsuhr hinauf, sie stand auf Viertel nach sechs, ich stöhnte.
"Noch nicht gepennt, was?", grinste Joey.
"Nee, nicht wirklich. War erst zwanzig vor vier zu Hause, vorher inner Disse".
Ich zog eine Tüte Tabak aus der Hosentasche, drehte zwei Kippen und gab Joey eine.
Er nahm sie und gab mir Feuer, dann zündete er seine an.
"Deine Alte war nicht da oder?"
"Nein", sagte ich. "Sie ist zur Zeit eigentlich nie da."
"Und deine Schwester?"
Ich schüttelte den Kopf. "Auch nicht. Keine Ahnung wo sie ist. Wahrscheinlich treibt sie sich auch rum, hauptsache nicht nach Hause müssen. Der Rest ist scheißegal".
Joey nickte wissend mit dem Kopf.
"Hm, schon klar."
"Kommen die anderen noch?", fragte ich ihn.
"Bestimmt. Janis wollte gegen 8 hier auftauchen, die anderen, also Blade, Cash und Speedy lassen sich danach irgendwann blicken."
"Cool", sagte ich.
Schweigend saßen wir da.
Ich versank in meinen Gedanken.

Es war doch bitter zu wissen, dass die Welt sich nichts daraus machen würde, wenn die Menschheit nicht mehr existierte.
Wahrscheinlich wäre es ohne Menschen sogar besser.
Sie fügen sich nicht richtig ein, es ist gleichgültig, ob sie sterben oder nicht.
Je länger ich darüber nachdachte, umso deprimierender fand ich es.

"Hey Ryan! Wieder mal am philosophieren?"
Ich schrak hoch und sah Blade ins Gesicht.
Er war ein aufmerksamer Beobachter, mit rascher Auffassungsgabe.
"Volltreffer ins Schwarze, hab ich recht?", grinste er. Ich verdrehte gespielt genervt die Augen.
"Kommste mit Kaffee holen?", fragte er.
"Klar, wieso nicht." Ich stand auf.
"Joey?"
"Ich komm nicht mit, aber ich verschwinde hier auch mal", er nickte mit dem Kopf in Richtung zweier Polizisten, die uns bereits fixierten. "Wir sehen uns dann vorm Bahnhof." Er ging Richtung Nordbahnhof. "Und bringt mir 'nen Kaffee mit!"
Blade und ich nickten, dann machten wir uns auf Richtung Südbahnhof.

"Und wie spielt das Leben so?", fragte Blade, während wir über den Bahnhofsplatz schlenderten.
"Naja, Drogen, 'n Haufen Mädels, prügelnde Alkoholiker und Mütter die nie da sind. Also alles wie immer, würd ich sagen. Bei dir?"
"Mein Alter ist auf Montage in Köln, meine Mum kommt höchstens am Geburtstag oder an Weihnachten vorbei. Also sturmfreie Bude und ansonsten, meine Ausbildung läuft. Lässt sich gerade ganz gut leben."
"Klingt gut. Maler und Lackierer machst du, oder?"
"Jepp, zweites Jahr."
"Nicht schlecht", meinte ich.
"Was hast du eigentlich jetzt vor? Bist jetzt durch mit der Schule oder? Moment mal..", er sah mich fragend an. "Hast du jetzt dein Abi in der Tasche!?"
"Hm.", murmelte ich zustimmend.
"Hey man, ist doch geil! Durchschnitt?"
"2,0"
"Gratulation! Das müssen wir feiern, was machste heut' Abend?"
"Nichts", grinste ich.
"Na dann." Blade grinste zurück. "Heute Abend in der Disse?"
"Alles klar", antwortete ich.
"Ach übrigens", meinte er.
"Hm, ja?"
"Du kannst bei mir bleiben. Joey hat mir erzählt, dass du 'nen Schlafplatz gut gebrauchen kannst", er zwinkerte mir zu.
Wir betraten den Kiosk. "Vier Kaffee bitte, schwarz", bestellte ich.
"Und Blade..?", ich sah ihn an. "Danke!"
"Keine Ursache. Weißt doch, wenn was ist, komm vorbei." Er schlug mir freundschaftlich auf die Schulter.
Ich nahm die Kaffeebecher entgegen und zahlte. Wir machten uns auf den Weg zurück.

Blade schnappte sich im Vorübergehen eine Zeitung vom Zeitschriftenständer vor'm Kiosk und schlug sie im Gehen auf.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.07.2010

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /