Teil 5
Thomas schüttelte den Kopf und lachte. "Du bist ein verrücktes Huhn!" Seine nassen Sachen lagen noch am Boden. Jenna hob sie auf um sie im Trockner zu geben. "Na Hauptsache, Du erwartest jetzt nicht von mir, dass ich anfange zu gackern! Ich schaff jetzt Deine Sachen in den Trockner, dann brauch ich erst einmal einen Kaffee." Wenig später saßen beide am Küchentisch, er rittlings auf einem Stuhl mit den Armen auf der Lehne verschränkt und beobachtete, wie sie ihren Kaffee genüßlich trank. "Trinkst Du Deinen Kaffee immer schwarz?" Mit einem schelmischen Grinsen nickte sie. "Das ist aber nicht sehr gut für Deinen Magen!" Jenna verleierte ihre Augen. "Du hörst Dich schon an wie meine Oma damals. Sie kippte immer soviel Milch in den Kaffee, dass es sinnvoller gewesen wäre, den kaffee in die Milch zu schütten, wenn Du weißt was ich meine." Er nickte. "Wie alt bist Du eigentlich, Jenn?" Und er ahnte schon, dass sie wieder eine Spitze in seiner Richtung austeilte. Seine kleine Jenna war jedenfalls nicht auf dem Mund gefallen. "Verglichen zu Deinem Alter, bin ich wohl noch ein Quark im Schaufenster. Ich bin 29. Wird das jetzt ein Verhör? Was willst Du noch wissen? Meine Kleidergröße oder meine Lieblingsblumen? Mit wievielen Männern ich schon geschlafen habe? Oder ob ich schon verheiratet war?" Dieses Biest, in einem zuckersüßen Ton hatte sie ihre Fragen gestellt. "Und warst Du? " Ein Kopfschütteln war seine Antwort. "Warum nicht? Lebst Du deshalb so zurückgezogen?" Täuschte er sich oder verkrampfte sie sich grad an ihrer Tasse? "Nein, das hat andere Gründe. Die Männer, welche ich bisher kennengelernt hatte, waren immer nur oberflächlich und auf Sex fixiert. Fast so wie Du! Aber Du bist auch wieder anders. Ich war schon bei Deinem Anblick im Wald von Dir faszieniert. So einem Mann wie Dir bin ich noch nie begegnet!" Seine rechte Hand suchte die ihre und begann sie zu streicheln. "Jenna, warum warst Du so gelassen, als ich Dir erklärt habe, dass ich ein Vampir bin? Andere Frauen wären in Ohnmacht gefallen oder hysterisch geworden. Wieso Du nicht?" Eine Weile überlegte sie, ob sie es ihm verraten sollte. "Ich bin kein normaler Mensch, zumindest nicht so wie Du es Dir dachtest. Seit ich 13 war bekam ich häufig Visionen. Meine Eltern dachten ich wäre schizophren oder so etwas. Sie wollten, dass ich zum Psychiater gehe. Irgendwie hatte ich es dann geschafft, die Visionen abzublocken oder ich hab mich eingeschlossen um sie allein in Ruhe zu sehen." Thomas bemerkte gleich die Veränderung ihrer Gefühle. "Was war dann geschehen?" Jenn versuchte ihre Tränen zurückzuhalten. "Ich sah, wie meine Mutter von einem Unbekannten überfallen worden ist. Er hatte ihr das Herz herausgerissen und ihre Kehle aufgeschnitten. Ich wollte sie warnen, aber natürlich glaubte sie mir nicht und ging trotzdem zur Arbeit. Und dann geschah es haargenauso, wie ich es vorhersah. Seitdem ging mir mein Vater aus dem Weg und ich wußte, dass er mir die Schuld daran gab. Wir zogen in ein anderes Land, nahmen einen anderen Namen an und er versuchte alles zu vergessen. Er war aber daran schon zerbrochen. Als ich 18 war starb er. Von da an versuchte ich möglichst alle Visionen abzublocken oder versteckte mich vor den anderen um mich nicht zu verraten. Sehr schnell merkte ich, dass es mir am besten ging, wenn ich allein war." Thomas ärgerte sich über die Ignoranz der Menschen,Übernatürliches als eine Krankheit abzutun. "Wußtest Du, dass es uns in Wirklichkeit gibt?" Sie rang sich ein Lächeln ab. "Nein, aber ich hatte immer insgeheim die Hoffnung jemanden zu finden, der genauso ist wie ich oder auch anders als die Menschen. Doch irgendwann gab ich sie auf, genauso wie ich mich. Ich zog mich zurück und blockierte jede Vision die mich erreichen wollte. Irgendwann hörten sie auf." Er nahm ihre Hand, die er immer noch hielt und hauchte einen Kuss darauf. "Wie lange ist das jetzt schon her?" Jenna stand auf um sich noch eine Tasse Kaffee zu holen. "Circa 8 Jahre." Sie stellte ihre Tasse auf den Tisch. Bevor sie sich jedoch setzen konnte, zog Thomas sie auf seinem Schoß. "Erzähl mir, was Du als Kind gern getan hast." Jenna schmiegte sich an ihm und schaute verträumt während sie sprach. " Ich war ein Wildfang, ständig unterwegs mit den Jungs aus der Nachbarschaft. Wir hatten jeden Unfug angestellt, den es nur gab. Einige Baumhäuser versuchten wir zu bauen, dabei hatte ich mir ständig irgendwelche Verletzungen zugezogen. Später dann fing ich an, alle verletzten Tiere mit nach Hause zu nehmen und zu pflegen. Aber am liebsten ging ich im Spätherbst mit meiner Oma abends im Dunkeln spazieren. In den Gärten blühten überall noch die letzten Herbstastern. Ich liebe den Geruch den die Astern verbreiten und der sich mit der frostigen Luft vermischt. Oder im Sommer, wenn die orientalischen Lilien blühen. Und wenn im Frühjahr der Flieder blüht, denke ich immer an diese Zeit zurück, in der ich noch ein normales Leben hatte. Meine Oma liebte den Duft des Flieders genauso sehr wie ich. Oh Gott meine arme Oma. wenn ich daran zurückdenke, was ich ihr manchmal für Streiche gespielt hatte....... Leider hatte ich ihr nie gesagt, wie sehr ich sie geliebt habe." Eine kleine Träne stahl sich ihr aus dem Auge. "Ich bin sicher sie wußte es auch so. Ich nehme an, sie lebt nicht mehr?" Jenna nickte. "Sie starb kurz vor meinem 13. Geburtstag. Danach fingen meine Visionen an. Ich weiss aber nicht ob es mit dem Tod von ihr im Zusammenhang steht. Tja so in etwa verlief meine Kindheit. Und dann vor 2 Jahren bekam ich plötzlich einen Brief von einem Notar. Darin stand, das ich noch einen Onkel hatte, der kürzlich verstorben war. Er war ein Halbbruder meines Vaters. Tja und mit einem Schlag war ich über Nacht eine Multimilionärin und Besitzerin dieser schicken kleinen Villa mit einem riesigen Garten mitten im Nirgendwo. Keine Nachbarn und andere Leute, vor denen ich mich verstecken mußte. Mein kleines Paradies!" Thomas sreichelte Jennas Rücken. "Faszinierend, mit welch einfachen Dingen Du glücklich bist." In Gedanken stellte er sich gerade vor, wie Jenna durch den Garten lief und ihre Arme ausbreitete um die Blumen zärtlich im vorbeigehen zu streifen oder wie sie den Flieder umarmte und seinem Duft verfiel. In dem Moment hörte er sie herzlich lachen und sah sie an. "Thomas, ich glaub Du verwechselst mich mit einer Elfe! Du solltest Deine Bilder nich so offen in Deinen Gedanken zeigen. Was ist mit Dir? Wie alt warst Du als man Dich verwandelt hat? Oder wurdest Du so geboren? Können Vampire überhaupt Kinder bekommen?"
Tag der Veröffentlichung: 24.03.2010
Alle Rechte vorbehalten