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Fallstudie


Er war mein dicker grauer Stubentiger;
sehr hübsch gemustert, doch kein Überflieger.
Als meine rote Katzendame Saara
(die ich zum ersten Male an der Saar sah)
mit Eleganz auf eine Klinke sprang
und ihr das Türenöffnen so gelang,
versuchte er, das Kunststück nachzumachen:
Ich hörte ihn an meine Türe krachen.
Dann fiel er, wie sechs Kilo eben fallen
und wetzte, als wär nichts geschehn, die Krallen.


Ach!


Ach wär ich doch ein grau-gestromtes Kätzchen!
Im Sinn hätt ich meist ausgefall`ne Mätzchen.
Ich stieß vom Herd den Topf mit Schweinebraten,
denn der ist Frauchen immer wohlgeraten.
Nun fräße ich in Ruh mit Appetit,
solang, bis jene in die Küche tritt.

Ach wär ich doch ein heiß geliebtes Kätzchen!
Ich trüge auf der Brust ein weißes Lätzchen.
Am Tage lauert` tückisch ich im Garten,
würd stundenlang auf fette Beute warten.
Die Nächte würde ich genießen,
fest eingerollt zu Frauchens Füßen.

Ach wär ich doch ein dickes, freches Kätzchen!
Passt` mir ein Gast nicht, zielt ich mit dem Tätzchen
und zög ihm einen blutig - roten Kratzer!
Kein Mensch säh darin einen groben Patzer.
Selbst Frauchen spräche voller Ungeduld:
Natürlich ist der Gast das selber schuld!

Ach wär ich doch ein oft verschmustes Kätzchen!
Ich wär der Herrin allerliebstes Schätzchen.
Ich wickelte sie locker um die Pfoten,
ganz selten hätte sie mir was verboten.
Und irgendwann würd sie kapieren:
Die Herrin gibt’s auch bei den Tieren.


Für Katy
1994 - 2005


Vorbei


Vorbei mit Mäusefang und Vogelhaschen
und all den heitren Tagen.
Vorbei mit Sahneschlecken und mit Naschen
und auch mit Mückenschlagen.

Leer und verwaist steht nun das Kuschelplätzchen
und keiner maunzt um Futter.
Kein schneller Hieb mehr von dem frechen Kätzchen
und niemand stiehlt mehr Butter.

Noch immer spüre ich die zarten Schritte,
die oft zu mir dich trugen.
Sie geistern lautlos durch des Herzens Mitte,
wo sie einst Wurzeln schlugen.


Reingelegt


Ein neues Bett bekam mein Hund,
damit im Winter er gesund
und träumend kann die Knochen pflegen.
Doch konnte ich ihn nicht bewegen,
in dieser Koje auch zu liegen.
Er war partout nicht reinzukriegen!

Wo sie auch stand, da zog er Leine.
Ihm war als Lager lieber meine
mit Kissen ausstaffierte Liege.
Er nutzte sie als Hundewiege!
Ins Bett warf ich sein altes Kissen,
doch wollte er davon nichts wissen.

Ein halbes Jahr ging so ins Land.
Leicht angestaubt im Zimmer stand
noch immer unberührt das Neue.
Der Hund hielt meiner Couch die Treue.
Dann steckte ich ins Bett drei Knochen;
der Hund kam artig rein gekrochen.


Blumenmond

Dein Blick wirkt weise, fast verklärt.
Du hebst dein weißes Hundsgesicht
genießerisch ins Sonnenlicht.
Noch einmal wirst du reich beschert.

Du lebst nun lieber auf Distanz;
die meisten Stunden wird gedöst,
von Wunsch und Ziel fast losgelöst.
Von Zeit zu Zeit winkt mir dein Schwanz.

Mir scheint, dass Glück stets dort geschieht,
wo Überlegung uns entflieht.


Bitte


Dein Blick irrt unstet durch das Zimmer,
als ahntest Du, wie Deine Zeit
verstreicht und nur ein blasser Schimmer
verbleibt. Du bist noch nicht bereit;
Dein altes Herz pocht stark wie immer,
im Hirn macht der Verfall sich breit.

Bald ist die Winterzeit vorbei -
Vielleicht lacht dir ein neuer Mai.


Frist


Er steht als Statue, erstarrt,
mag lang Vertrautes nicht erkennen,
hört nicht mehr seinen Namen nennen
und weiß nicht mal, dass er verharrt,

in einem Kreis, der sich bald schließt.
Nur noch im Schlaf wird er lebendig,
die grauen Pfoten treten wendig,
als ob ihn neue Kraft durchfließt:

In seinen Träumen ohne Zeit,
macht er sich Blick und Wege weit,
und seine Welt wird wieder rund.

Wenn er erwacht, erscheint er müde.
Er war einst lebhaft, er war rüde;
jetzt ist er still – und doch ganz Hund.


Spurt


Er schleicht im Schneckentempo an der Leine,
die vierzehn Jahre merke ich ihm an.
Auf einmal sieht er vor sich eine kleine
gestromte Katze und mein Veteran
hat plötzlich antilopenleichte Beine.
So unvermutet jäh, wie sie begann,
so plötzlich endet auch die kurze Hatz:
Es war mal wieder alles für die Katz!


Wuff


Mich wunderte, dass er noch schlief
und nicht wie sonst, wenn ich ihn rief,
mir hocherfreut entgegen lief.
Stattdessen lag er still und schief

in seinem nächtlichen Quartier
am hellen Tage um halb vier!
Die Ärztin nahm ihn ins Visier
und gab dem schwer geplagten Tier

zwei Spritzen in die Hinterbacken;
zwecks Ausmerzung der Schmerzattacken
in dem verspannten Hundenacken.
Jetzt kann er wieder richtig springen!


Hundstage

Von draußen höre ich dein Bellen,
du lebst die letzten Sommertage,
weißt nichts von den verdammten Zellen
und ahnst nicht die prekäre Lage.
Ich selbst verdränge diese/s Schwellen
und auch die ewig gleiche Frage.
Er kommt uns früh genug;
der letzte Atemzug.


Die Seele eines Hundes


Du lehrtest mich:
Den Augenblick zu leben,
im Spielen, Trauern, Lieben, Hassen
und sich mit Leib und Seele hinzugeben.

Selbst noch im letzten Atemzug,
war Dein Vertrauen groß genug,
um ohne Argwohn loszulassen.


Dein Platz

Die Wohnung schweigt. Mein Echo fehlt
und jeder Raum scheint unbeseelt.
Kein Fordern, Spielen, Necken;
aus allen Zimmerecken
springt mir die Leere ins Gesicht.

Du ruhst an Deinem Lieblingsort,
dort zwischen Aronstab und Kiefer.
Nur etwas tiefer.


Hundeelend


Du warst mir dreizehn Jahre treu ergeben.
Ein Freund, der kaum von meiner Seite wich
und mit der Zeit mir im Charakter glich.
Wir teilten Hof und Haus und unser Leben.

Ganz plötzlich traf dich einer Krankheit Bürde.
Man sagte mir, ich habe keine Wahl.
Dein Hundedasein sei dir nur noch Qual.
Ich wünschte uns den Abschied voller Würde.

Du folgtest ohne Arg mir, selbst ins Grauen
und harrtest ruhig aus in meinen Armen.
Ich spürte, wie der Herzschlag im noch warmen,

beseelten Körper so wie immer schlug.
Du ahntest nichts von Tod und von Betrug.
Dann schliefst du ein. Wie immer voll Vertrauen.


Whippet


Graziles Tier mit Seidenfell
und aufgewecktem, sanften Blick.
Du ranntest nicht, du flogst pfeilschnell;
bezaubertest mit Charme und Chic.

Hast mir gelauscht mit Rosenohr
und dich mit Haut und Haar ergeben.
Ich weine, weil ich dich verlor.
Zu kurz sind Hundeleben.

Für Jonas


Saara


Welch Glück, wir hörten deiner Stimme Klage!
Du saß't als Häufchen Elend auf dem Ast.
Man hatte dich entsorgt wie eine Last.
Das brachte dich in diese üble Lage.

Ein Wunder fast! Vom struppig rauen Wesen
zur roten Kätzin voller Eleganz,
dein Blick erstrahlte als Smaragdenglanz.
Wie schnell bist du vom Jammer doch genesen!

Fünf Jahre schöpftest du nur aus dem Vollen.
Mit List hast du dein Frauchen ausgetrickst
und bist zur Jagd auf Mäuse ausgebüxt.

Dann schlug das Schicksal zu. Ein Tag im Mai,
ein Zwitschern, Haschen, schon war es vorbei.

Ich glaub, du hättest es nie anders wollen.


Verinnerlicht


Mein Blick schweift über Blumen, Sträucher, Bank,
verfängt sich schließlich an dem kleinen Fleck,
an dem die Erde etwas tiefer sank.
Manchmal vergesse ich: Du bist längst weg.


Der Geburtstag


Wie oft hab ich an dich gedacht!
Du hast dich unterm Zaun hindurchgedrückt
und bist in eisig kalter Nacht
zwecks Spurverfolgung heimlich ausgerückt.

Ich fand dich erst am nächsten Tag.
Dein Blick war starr, dein Körper steif gefroren.
Wie nah er mir am Herzen lag!
Ich hatte einen guten Freund verloren.

Am Mittag kamen die Geburtstagsgäste
und gratulierten mir zum Wiegenfeste.

Pucky 1976 - 1986


Hundsgemein


Du sagst, du willst für mich das Allerbeste,
wenn du mich an den Brüsten fast erdrückst
und meinen Hals mit Strass und Silber schmückst!
Das passe gut zur neuen Nappaweste.

Ich darf zum Kuscheln deine Bettstatt nutzen;
ich bin stets frisch gebadet und gestylt,
wie es sich schickt, wenn man die Laken teilt.
Was ich nie darf: mein hübsches Fell beschmutzen.

Kaum lässt du mich im Wald kurz von der Leine,
schwups, bringe ich die Hundewelt ins Reine.
Mir stinkt, Madame, zu menschlich dein Odeur

und schon passiert ein tierisches Malheur.
Ich wälze mich verzückt in Schlamm und Kot
und scheiße auf dein Reinheitsangebot!


Schneck lass nach


Am Beet, gleich unter den vermoosten Steinen
verschläft ein schwarzer, vollgefressner Schneck
den Tag. Er aß die jungen Pflänzchen weg.
An jedem Abend sucht er nach der kleinen

zartrosa Schneckenfrau mit süßem Flunsch,
die auf der gleichen Wellenlänge kriecht
und ganz dezent nach Schneggaroma riecht.
Als Nackedei drängt ihn der heiße Wunsch,

die Schöne möge doch ein Haus besitzen,
in dessen Stübchen einst die Bübchen sitzen,
die sie ihm neben vielen Töchtern schenkt.

Und während er nur an das eine denkt
und den verschleimten Fuß fast kopflos lenkt,
geschieht es, dass ihn flugs ein Vogel fängt.


Am seidenen Faden

Mein Blick erstarrt. Ich halte inne;
Fast scheint es mir, als ob ich spinne.
Acht Beine auf der weißen Wand;
die Augen punktuell gebannt.
Der Körper fett und schwarz behaart,
mein Blutdruck kommt rasant in Fahrt.
Ein Glas muss her, ein Blatt Papier,
als Kerker für das Spinnentier.
Zehn Zentimeter Radius
erfordern mein Geschick.
Ich muss es fangen, ohne zu verletzen.
Im Garten darf es sich vernetzen.


Lork, Krott, Hutsche, Broz


In Frühjahrsnächten wandern sie in Scharen;
die Gattin trägt den Gatten auf dem Rücken.
Ich möchte sie vor Ungemach bewahren
und muss mich dazu immer wieder bücken.
Sie glotzen nur, trotz tödlicher Gefahren
und ignorieren quakend alle Tücken.
Behutsam setz ich eine in das Gras.
Schon rollen Reifen, wo sie eben saß.


Mimese


Im Baum haust ein Chamäleon.
Mal zeigt es Haut im Bronzeton,
mal präsentiert es sich als Blatt.
Sein rechtes Auge blickt zu mir,
das linke späht nach Beute.
Da sitzt das regungslose Tier
und meine innre Stimme warnt:
So wechselhaft und gut getarnt
erinnert es mich glatt
an ganz bestimmte Leute.


Meise unterm Pony


Frau Meise trug ein hübsches Häubchen;
darunter barg sie jenes Schräubchen,
das leider etwas locker saß.
Sie hatte Ziele, doch das Maß
ging ihr schon längst verloren.
Sie wähnte sich hochwohlgeboren,
sah sich mit großer Kinderschar
als Gattin ihres Traummanns Star.

Wenn sie im Sommer jubilierte,
ihr kleines Herz vor Schmerz vibrierte,
verging dem Schwarm die Zeit im Flug-
er war ein Star und er war klug.
Er hielt sich auf bei seinesgleichen
und ließ sich dort das Wasser reichen.
Frau Meise aber hielt dran fest,
dass er sich mit ihr trauen lässt.

Sie ignorierte jeden Freier
und schrie empört: Hol dich der Geier!
Bis sie begriff, dass jener Star
für Meisen unerreichbar war,
vergreiste sie in ihrem Nest.
Ein Kater gab ihr dann den Rest,
als er sie sie hungrig niederschlug
und sie zur Abendtafel trug.


Starallüren


Er putzt mit Sorgfalt sein Gefieder,
bis seine schwarzen Federn schillern.
Getänzel unterstreicht sein Trillern
und seine imitierten Lieder.

Der Dachfirst ist sein Lieblingsplatz,
auf dem er gern die Flügel spreizt
und nicht mit Kapriolen geizt.
Die Meise, Buchfink oder Spatz

betrachtet er auf seine Weise:
Er blickt herab. Und über ihm zieht leise
der Bussard seine Kreise.


Arrogans und Arroganter


Der Ganter mag die Feldgans Klärchen.
“Wir sind das ideale Pärchen!
Wir sind die Schönsten, Klügsten, Besten,
mit langem Hals und weißen Westen!

Was sind schon Hühner oder Enten!
Es mangelt ihnen an Talenten.”
So schnattert es tagaus, tagein.
Familie Gans hat ganz vergessen:
Auch Gänse werden gern gefressen.
Gans mundgerecht: als Gänseklein.


Futterneid


Hastig pickt die Amselmutter
unterm Kirschbaum Winterfutter.
Kommt ihr treuer Amselmann,
hackt sie ihn, so fest sie kann.
Hungrig, mit gesenktem Kopf,
flüchtet dieser arme Tropf
sich in einen Lorbeerstrauch,
bis die Gattin fertig ist
und ihm gestattet, dass er frisst.
Das ist bei den Amseln Brauch!


Luscinia

Ein Küken zwitscherte ein altes Lied,
und wie es Liedern leider oft geschieht:
Verzerrt erklang die schöne Melodie;
das Küken traf die rechte Tonart nie.

Frau Nachtigall, die das Gekreische hörte,
das deutlich ihren Sinn für Wohlklang störte,
versuchte flugs, dem Küken beizubringen,
das Vogellied in Harmonie zu singen.

Auf einem Birkenast gleich in der Nähe,
saß schlecht gelaunt die alte Rabenkrähe.
Sie schrie, bis sich die Stimme überschlug:
Ich hab von dieser Diva bald genug!

Warum versucht sie ständig zu belehren?
Man muss sich gegen solche Vögel wehren!
Schon warf sie nach der Nachtigall mit Dreck.
Die schwang sich in die Lüfte und flog weg.

Die schönen Weisen sind nun längst verstummt.
Nur eine junge hübsche Drossel summt
ein fast vergessnes, altes Liebeslied,
das ungehört in ferne Weiten flieht.

Impressum

Texte: Janna Ney
Bildmaterialien: Janna Ney
Tag der Veröffentlichung: 17.06.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Lord, Pucky, Sandy, Rex, Speedy, Wiedu, Leloo, Schnurre, Schneewittchen, Black Devil, Katy, Saara, Schlingel und alle anderen.

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