Cover

Meine Liebe zu Dir

Ein warmer, schwüler Sommertag. Der Tag neigte sich dem Ende zu. Caitlin machte sich auf den Weg zu ihm. Als sie ins Auto stieg und den Motor starten wollte, spürte sie wieder dieses Bauchkribbeln. Nervös strich sie sich durch die Haare. „Wie ein Teenager“, dachte sie und fuhr grinsend los. Wie schön es doch war einen Partner zu haben. Jemandem seine ganze Liebe schenken zu können. Doch das Schönste war jedoch geliebt zu werden. Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt. All die Jahre und jetzt hatte sie endlich das bekommen, was sie sich immer gewünscht hatte. Das Leben meinte es wohl doch endlich gut mit ihr.
Als sie sein Haus erreichte und ausstieg konnte sie es kaum erwarten ihn endlich wieder in die Arme schließen zu können. Langsam betätigte sie die Klingel. Er öffnete und hatte sein strahlendes Lächeln aufgesetzt, was sie so sehr an ihm liebte.
„Endlich bist du hier.“ Sagte er, schloss sie in die Arme und küsste sie zärtlich. „Ich habe für uns gekocht“, flüsterte er ihr zu.
„Na da bin ich mal gespannt.“ Prustete sie los und so machten sich die zwei Verliebten auf den Weg in das kleine, aber doch ansehnliche Haus.
„Setz dich, mein Schatz.“
Als die beiden zu ende aßen, machten sie es sich auf dem Sofa gemütlich.
Zärtlich strich er ihr über den Arm. „Caitlin, ich muss mit dir reden.“ Sie merkte, dass ihm etwas auf dem Herzen lag. Einfühlsam fragte sie, was denn los sei.
„Ich muss zurück zur Armee und sie werden mich wieder in den Krieg einsetzen.
Sie brauchen neue Männer, da der Zustand sich drastisch verschlechtert hatte. Es tut mir so schrecklich leid, dich hier alleine lassen zu müssen, doch das Land braucht mich. Verstehst du das?“
Es entstand eine lange Pause. Da erwiderte sie endlich auf seine Frage: „Du kannst mich nicht alleine lassen, Ben. Ich bitte dich. Tu mir das nicht an! Du weißt, wie gefährlich das ist! Ich möchte dich nicht verlieren!“ Eine Träne kullerte über ihre Wange. Was solle sie tun, wenn er wirklich ginge? Weiß er nicht, wie weh er ihr damit tat? Sie in der Ungewissheit zurück zu lassen?
Er sagte dazu nicht viel und sie sah den Schmerz in seinen Augen. „Ich muss“, war seine Antwort und er küsste sie auf die Stirn. Und dann versprach er ihr, dass er wieder kommen würde, denn er liebe sie viel zu seh, um sie jemals allein lassen zu können. Und so schliefen sie gemeinsam ein.
Es dauerte nicht lange bis zum Tage der Abreise. Sie stand mit ihm am Bahnhof und so warteten sie auf den Zug, der ihn in den Irak bringen sollte. In den Krieg. Und niemand hatte Gewissheit, ob er je wieder kommen würde. Als der Zug langsam in die Halle einrollte spürte sie den heftigen Stich. Mitten ins Herz. „Es ist soweit.“ Seine Stimme blieb ruhig, doch trotzdem spürte sie seine Angst. „Ich komme wieder. Ich liebe dich. Vergiss das nie. Du bist die jenige, die meinem Leben einen Sinn gegeben hat, ich möchte dich nie verlieren, Caitlin. Denn du bist alles für mich.
Es tut mir so leid, jetzt gehen zu müssen, ich werde immer an dich denken. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute.“
Sie wollte ihn noch einmal bitten zu bleiben, doch sie hörte nur ein „Schschsch“, und schon spürte sie, wie er seine Lippen auf die ihren presste. Er drückte sie und sagte ihr noch einmal, wie sehr er sie doch liebte und stieg schlussendlich in den Zug ein. Nun konnte sie ihre Tränen nicht mehr unterdrücken. Sie spürte, dass sich etwas verändern würde.
Schon 2 Jahre lebte sie glücklich mit ihm. Als sie an der Schwelle zwischen Leben und Tod stand, lernte sie ihn kennen. Sie hatte keinen Sinn mehr in diesem Leben gesehen. Das Pech schien sie wahrlich zu verfolgen. Glück war ein Fremdwort. Sie hatte viele Freunde, war beliebt und besaß einen ordentlichen Beruf. Doch seitdem ihre Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen, als sie gerade mal zehn Jahre alt war, und sie bei ihrem Großvater aufwachsen musste, spürte sie eine große Leere in sich, denn er war es, der ihr alles nahm, ihre Kindheit, ihren Verstand, ihr Leben.
Von ihm wurde sie misshandelt, geschlagen und gedemütigt.
Sie erlebte die Hölle auf Erden. Er gab ihr das Gefühl wertlos zu sein, dieses Gefühl hielt teilweise bis heute an. „Du kleine Miststück! Zu was wirst du es schon bringen? Du bist genau wie dein Vater! Nämlich rein garnichts!“ Dies waren wohl seine häufigsten Worte. Doch die Misshandlungen, die fast täglich geschahen, waren wohl das Schlimmste. Sie fing an sich vor dem männlichen Geschlecht zu ekeln und sie verlor das Vertrauen an die Welt.
Nie konnte sie sich vorstellen, jemals wieder Liebe empfinden zu können oder sogar intim mit jemandem zu werden. Als ihre Depressionen unerträglich wurden, sie sich nur noch erbärmlich, wertlos und klein vorkam, sie auf der Brücke stand und springen wollte, kam er, Ben.
Er hielt sie davon ab, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Wofür sie ihm wohl für immer dankbar sein wird. In Gedanken hatte sie ihn „Meinen persönlichen Schutzengel“ genannt. Er kümmerte sich rührend um sie, nahm sie bei ihm auf und gab ihr das Gefühl etwas besonderes zu sein.
Sie konnte nicht aufhören, Gott zu danken, dass er zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war.
Bei ihm lernte sie das wahre, schöne Leben kennen. Sie erfuhr das erste Mal was es bedeutete zu lieben. Und geliebt zu werden.
Dank Ben gab sie dem Leben nochmal eine zweite Chance.
Und jetzt ließ er sie alleine. Aber sie wusste, dass er das richtige tat.
Er musste seinem Land dienen, auch wenn es sie schmerzte.
Die nächsten sechs Monate waren schrecklich für sie. Jeden Abend las sie seine Briefe durch, die pünktlich jeden Montag erschienen. Sehnsüchtig wartete sie auf seine Rückkehr. Es ist bald so weit. Bald würde sie ihn endlich wieder in die Arme schließen können.
Als diesen Montag wieder ein Brief von ihm eintraf, riss sie ihn gespannt auf und las:
„Meine liebe Caitlin. Es geht mir wirklich gut, außer das mein Herz blutet. Mach dir keine Sorgen um mich. In sieben Tagen bin ich schon wieder bei dir, und kann endlich wieder dein wunderschönes Antlitz bewundern.
Ich vermisse dich und ich liebe dich so sehr, vergiss das nie.
In Liebe und tiefer Sehnsucht, dein Ben.“
Noch sieben Tage. Wie schön das klang.
Die folgenden sechs Tage verliefen sehr schnell. Sie überlegte sich, wie sie ihm einen wunderschönen Empfang bereiten könnte. Sie freute sich so sehr darauf, ihn endlich wieder sehen zu können. Er würde sofort sehen, wie sehr sie sich verändert hatte, denn diese wundervolle Nachricht, wollte sie ihm nicht per Brief mitteilen. Er solle selbst sehen, was geschehen war.
Sie konnte nachts nicht mehr schlafen, sondern malte sich ständig aus, wie er aus dem Zug springen würde und sie endlich wieder seine Lippen auf ihren spüren wird.
Als sie in Gedanken mal wieder bei ihm war, klingelte das Telefon. Eine unbekannte Nummer zeigte das Display an. Sie hob den hörer und meldete sich mit ihrem Nachnamen.
Eine tiefe Männerstimme sprach: „Mrs Kapoor, ich bin Josh Brown und ich komme von den Marines. Es tut mir sehr leid, ihnen mitteilen zu müssen, dass ihr Freund Been Green heute morgen gefallen ist. Bei einer Schießerei wurde er getroffen und starb an den schweren Verletzungen. Es tut mir wirklich leid und mein tiefes Beileid. Sie und das restliche Land können Stolz auf ihn sein.
Er ist in Würde gestorben. Es ist schwer, für uns alle.“
Ohne etwas zu sagen legte sie den Hörer auf die Gabel. Sie saß wie erstarrt da. Sie konnte diese grauenvolle Nachricht noch nicht realisieren. War das wirklich geschehen?
Er solle doch morgen schon wieder bei ihr sein? Hier, neben ihr sitzen, ihre Hand halten.
Wenig später fing sie hemmungslos an zu weinen. Wieso nahm ihr das Schicksal das, was ihr am wichtigsten war? Er hatte ihr das Leben gerettet. Und sie hatte ihn gehen lassen.
Sie konnte nicht aufhören zu weinen. Wieso er? Leise schluchzte sie:
„Du wirst doch Vater, Ben.“ Und in diesem Moment wusste sie, dass er sie hörte.

3 Monate später gebar sie einen gesunden Jungen, der den Namen David trug. Sie wusste nicht wie, aber irgendwie schaffte sie es weiterzuleben. Ohne ihn. Sie besuchte ihn so oft wie möglich auf dem Friedhof. Sie erzählte ihm, was David für Vortschritte machte. Sie wusste, dass er stolz auf sie und auf seinen Sohn gewesen wäre.
Dieses Mal, als sie ihn besuchte, fing sie wieder an zu weinen. Wie sehr sie ihn doch vermisste. Sie war alleine, in dieser Welt. Sie spürte die Ähnlichkeiten zwischen David und seinem Vater, was sie einerseits freute, doch andererseits sie sehr schmerzte. Als sie den Friedhof verlassen wollte, sprach sie noch einmal zu ihm: „Ich liebe dich. Für immer. Dir verdanke ich mein Leben, doch du musstest mit deinem bezahlen. Du fehlst mir, Ben. Danke für alles. Danke, dass du mir einen so wundervollen Sohn geschenkt hast und danke, dass du mir gezeigt hast, was es bedeutet zu lieben.“

Und so lebte sie mit David weiter, der ein prächtiger Junge wurde. Sie erzählte ihm so oft wie möglich von seinem Vater und was für ein wunderbarer Mann er doch war.
Sie lehrte ihm die wahren Dinge des Lebens und versuchte ihm tagtäglich zu erklären, dass Liebe stärker als der Tod ist.
Sie spürte Ben jeden Tag bei sich.
Wie sehr sie ihn doch liebte, und das bis zu ihrem Tod.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.12.2010

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /