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Die Blutbraut Teil 4

Es war beinahe so als ob sie seine Worte hören konnte. Ihr zitternder Körper beruhigte sich mit der Zeit bis sie schließlich still in seinen Armen lag. Leise und regelmäßig verlief nun ihr Atem und Logan konnte es kaum glauben. Als er ihre Stirn fühlte war diese jedoch noch sehr heiß. Daher begann weiter mit ihr leise zu sprechen. Er hatte das Gefühl, als könnte sie ihn hören und als würden seine Worte sie letztendlich doch beruhigen.
So erzählte er ihr aus seinem Leben als er noch ein Kind gewesen war und frei und ohne Sorgen durch die Highlands reiten konnte. Logan berichtete ihr von seinen grünen Bergen und Tälern, von dem kristallklaren Wasser in den Flüssen und von den tiefen dunkelgrünen Seen in denen er geangelt hatte. Die Minuten vergingen und daraus wurden Stunden. Und der Mann an Alyssas Seite sprach immer weiter aus seiner Vergangenheit.
Der Sturm hatte sich gelegt und die Sonne erhob sich als blutroter Feuerball in der Morgendämmerung. Aufgrund des Regens hatten sich dichte weiße Nebelfelder gebildet. Sie lagen wie feine Spinnweben über der Erde, eingetaucht in ein rotgoldenes Licht schwebten sie wie Geister immer höher in die Luft hinauf bis sie sich schließlich komplett auflösten. Logan hielt seine Begierde nach Alyssas Blut in den Griff. Auch wenn es ihm reichlich schwer fiel neben ihr zu liegen, so breitete sich auch in ihm nach und nach eine zufriedene Ruhe aus. Obwohl er nicht wusste wie lange er diesen Zustand halten konnte, so genoss er den Augeblick der inneren Stille die ihn durchflutete. Als er nun Stunden später Alyssas Wange leicht berührte, fühlte sie sich kühl an. Ein leichter rosiger Hauch lag auf ihrem Gesicht und Logan atmete erleichtert aus. Das Schlimmste war überstanden.
Müde und zerschlagen von den vergangenen Ereignissen wollte er nur für einen Augenblick selbst die Augen schließen. Eine Minute später war er tief und fest eingeschlafen.
Mia, die später am Morgen das Zimmer betrat, schaute erstaunt auf das schlafende Paar. Sie beobachtete wie liebevoll aneinandergeschmiegt die Beiden auf dem Bett lagen. Leise näherte sie sich ihnen und nachdem sie Alyssa vorsichtig untersucht hatte und festgestellt hatte, dass es der jungen Frau besser ging, verließ sie auf Zehenspitzen wieder den Raum. Lächelnd ging sie in die Küche um Kaffee aufzusetzen. Das gesamte Haus befand sich noch im Schlaf und die Bewohner hatten es sich auch verdient. Sie setzte sich auf die Veranda mit einer großen Tasse Kaffee, genoss die Ruhe und den wunderschönen Sonnenaufgang.

***

Es war bereits später Nachmittag als Alyssa erwachte. Langsam öffnete sie ihre Augen und erblickte den Lichtdurchfluteten Raum. Sie erinnerte sich daran schon einmal hier gewesen zu sein, doch ihre Erinnerungen waren zu verschwommen. Als sie sich zur Seite drehen wollte um aufzustehen, bemerkte sie einen Arm, welcher auf ihrer Hüfte lag. Irritiert drehte sie ihren Kopf zur Seite und blickte erstaunt in Logans schlafendes Gesicht. Stirnrunzelnd überlegte sie krampfhaft warum sie sich hier befand als die Erinnerungen des Sturmes in aller Heftigkeit auf sie prallten. Alyssa musste leise stöhnen.
Sie hatte sich und den Jungen in große Gefahr gebracht und Logan hatte sie gerettet wie ihr schien.
Gerade er. Sie glaubte es kaum und betrachtete in seliger Ruhe wie er neben ihr schlief.
Falls er überhaupt schläft, dachte Alyssa.
Können Vampire schlafen?
Sie grübelte über ihre Worte und kam zu keiner Antwort. Da musste sie ihn wohl direkt fragen. Ein leichtes Lächeln erhellte ihr Gesicht. Obwohl sie nicht wusste, was es war, so fühlte sie in sich drinnen eine tiefe Glückseeligkeit. Ihr war es leichter ums Herz geworden. In ihren Betrachtungen ganz vertieft, streckte sie ihre Hand aus und zeichnete mit ihrem Zeigefinger Logans Wangenknochen nach. Seine Haut war leicht gebräunt und ein dunkler Bartansatz überzog sein schönes Gesicht. Alyssa staunte über ihn. Sie hatte sich einen Vampir immer ganz weiß vorgestellt. So wie in den Filmen eben. Doch Logan lag wie ein Mensch neben ihr. Sie seufzte leise und wollte sich vorsichtig aus seiner Umarmung befreien.
„Willst du mich wieder verlassen, Alyssa?“, sagte der Mann an ihrer Seite nun leise und ließ sie erstarren. Entgeistert blickte sie ihn an und beobachtete wie sich seine schwarzen Wimpern langsam hoben bis seine dunklen Augen in ihre sahen.
„Ich… äh…“, stotterte sie verlegen und entschied sich erst einmal nichts weiter zu sagen. Regungslos lagen sie beieinander und sahen sich an.
Alyssa hielt den Atem an, sie wusste nicht, was sie nun erwartete.
„Du brauchst keine Angst mehr vor mir zu haben. Ich werde dir nichts tun.“, sagte Logan und zum ersten Mal erhellte ein Lächeln sein Gesicht. Die junge Frau war fassungslos und wusste nicht, was sie sagen sollte.
Sagte er ihr die Wahrheit oder war das wieder eine seiner vielen Lügen?
„Ich weiß nicht so recht.“, antwortete sie zögernd.
„Du hast mein Leben gerettet, aber ich weiß nicht wie und ob ich dir vertrauen kann.“ Logan nickte.
„Ich verstehe dich. Daher werde ich dir alles über mich und meine Familie erzählen. Du kannst dann selbst entscheiden, ob du mir endlich dein Vertrauen schenkst.“ Verwundert über seine offenen Worte hielt sie es tatsächlich für eine gute Gelegenheit Klarheit zu bekommen.
„Ich möchte gern noch etwas vorher wissen. Was ist aus dem Jungen geworden?“, fragte sie zögernd und richtete sich im Bett auf.
„Es geht ihm gut. Aiden hat ihn aus dem Wasser gezogen.“ Logan überlegte ihr die ganze Wahrheit über die Rettungsaktion und die anschließenden Infusionen zu sagen, unterließ dies jedoch letztendlich.
Alyssa wurde ganz warm ums Herz als sie hörte, dass es dem jungen Seemann gut ging. Erleichtert ließ sie sich von Logan wieder in die Kissen drücken.
„Bist du bereit für eine Reise in die Vergangenheit?“, fragte er lächelnd und Alyssa nickte aufgeregt.


Schottland, Ende des 13. Jahrhunderts.

„Pass auf, gleich hab ich dich.“, tönte es von einer tiefen Männerstimme. Logan McEawan drückte sich noch tiefer in das Wurzelwerk der mächtigen Eiche hinein und kicherte leise.
„Buh!“, machte es nur einen Moment später vor ihm. Er wurde von starken Armen gepackt und aus der kleinen Höhle gezogen.
„Jetzt hab ich dich aber gefunden, du kleiner Schlingel!“ Und schon wurde er im Kreis durch die Luft gewirbelt, so dass er vergnügt und fröhlich vor sich her krähte.
„Schneller, Onkel, schneller!“, prustete er mit seiner Kinderstimme lauthals als Aiden bereits aufhören wollte.
„Du bekommst wohl nie genug, was?“, lachte der Mann nun laut.
„Aye, mach bitte weiter!“, bettelte er.
Die Beiden spielten auf der großen Wiese vor der Burg und als sich der Tag dem Ende neigte und die Sonne unterging, liefen sie heimwärts, wo bereits ein deftiges Abendessen in der großen Halle auf sie wartete.
Der kleine fünfjährige Junge lebte seit fast einem Jahr bei seinem Onkel nachdem seine Eltern bei einem großen Brand ums Leben kamen. Die erste Zeit hatte er sich allein und verlassen gefühlt, aber Aiden machte ihm das Leben auf der Burg leicht. Er hatte ihm ein junges Kindermädchen zur Verfügung gestellt. Die Beiden waren ein Herz und eine Seele und innerhalb der letzten Monate war der Junge immer lebhafter geworden und zusehends aufgeblüht.
Aiden spürte eine tiefe Verbundenheit zu ihm, da er mit seinen dreißig Jahren bereits Witwer war und keine Kinder besaß. Nachdem er vor einiger Zeit seine Frau und sein Kind verloren hatte, war er allein geblieben und kümmerte sich als Chief und Familienoberhaupt um seinen Clan, zu dem nun auch Logan gehörte. Dieser war ausgestattet mit einem immensen Wissensdrang, so dass Aiden überlegte einen Lehrer für ihn einzustellen und während des Abendessens beschloss er, dass dies eine gute Idee sein würde. Er wollte Logan zu seinem Nachfolger machen und würde ihn jegliches Wissen eines Clanoberhauptes beibringen. Außerdem sollte der Junge im Kampf ausgebildet werden, denn reiten konnte er bereits seit seinem dritten Lebensjahr. Liebevoll und in seinen Überlegungen vertieft, strich er über Logans Kopf während des Mahls.
„Hey Aiden, gib dem Kleinen noch eine Lammkeule. Er soll später einmal so groß und stark werden wie Peter hier!“, rief ihm Alex lachend entgegen.
„Es muss aber ein ordentliches Stück Fleisch sein. Der Junge sieht so hungrig aus!“, prustete Peter der Hüne. Die beiden Cousins führten sich auf wie Zwillinge. Man sah sie selten allein und wenn Einer einen Gedanken hatte, so führte der Andere ihn aus.
„Ja Onkel.“, nickte der Junge ihm nun zu.
„Ich will noch mehr!“
Aiden schüttelte den Kopf. Seine Männer machten sich einen Spaß und Logan schien tatsächlich noch einen Bärenhunger zu haben. Also legte er ihm noch eine Portion Fleisch mit viel Soße auf den Teller und sah zu wie der Junge eifrig alles verschlang. Anschließend leckte der Kleine seine Fingerchen ab und rülpste leise. Die Männer an der Tischrunde brachen in tosendes Gelächter aus, so dass auch Aiden mit einstimmte und der Junge breit in die Runde grinste.
In diesen Zeiten belasteten noch keine Sorgen den Clan der McEawans. Die Schotten fühlten sich frei und glücklich auf ihrem Hochland, da sie vor einigen Jahren mit den benachbarten Stämmen Frieden geschlossen hatten. Die Burg war ausgebaut worden und hatte sich zu einer stabilen und prächtigen Festung entwickelt. Sogar die Hütten der Untergebenen und Bauern wurden erneuert, so dass sich die allgemeinen Lebensumstände deutlich verbesserten und die Felder blühten. Logan wuchs in einer liebevollen und friedlichen Umgebung zu einem attraktiven jungen Mann heran. Er verbrachte die eine Hälfte seines Tages mit seinem Lehrer, welcher immer wieder neue Bücher anschaffen musste. Den Rest übte er sich in den Taktiken des Kampfes. Alex und Peter bildeten ihn so gut aus, so dass er es letztendlich geschafft hatte beiden Männern überlegen zu sein.
Einmal im Jahr nach der großen Herbsternte gab Aiden zu Ehren seines Clans ein großes Fest. So auch in Diesem.
Drei Tage und drei Nächte wurde auf der Burg und in der Umgebung gefeiert. Es fanden freundschaftliche Wettkämpfe statt und die Dudelsäcke spielten bis spät in die Nacht. In der Luft lag der Duft von Spanferkel und frischem Brot, es wurde gelacht und viel getanzt.
Logan hatte am dritten Abend ein junges hübsches Mädchen aus dem Dorf zum Tanz in der großen Halle aufgefordert als Alex und Peter mit finsteren Gesichtsausdrücken quer durch den Raum auf Aiden zugingen. Die beiden Männer gestikulierten mit ihren Händen wild in der Luft und während Logan interessiert sich den Hals während des Tanzes verdrehte, bemerkte er bei seinem Onkel eine Veränderung in der Haltung.
Das Mädchen an seiner Seite stupste ihn sanft an.
„Hey, ich dachte du willst mit mir tanzen?“, fragte sie ihn lachend.
„Aye!“, war seine wortkarge Antwort und er starrte weiterhin auf die drei Männer. Irgendetwas musste geschehen sein und er war begierig darauf zu wissen, worum es ging.
„Du hörst mir gar nicht zu Logan McEawan!“, schmollte das Mädchen. Unterbrochen in seinen Überlegungen blickte er sie an und blieb inmitten des Tanzes mit ihr stehen.
„Was mach ich denn nur mit dir?“, fragte er und musste dann grinsen. Ehe sie es sich versehen hatte, legte er seine Arme um ihre Taille und zog sie an sich heran. Erschrocken konnte sie in diesen Augenblick nicht reagieren. Logan küsste sie heiß und innig auf ihre vollen Lippen. Sein Kuss raubte dem Mädchen alle Sinne. Nur wenige Sekunden später ließ er sie auch wieder los. Er gab ihr einen Klaps auf den Po und verabschiedete sich. Mit rotem Kopf und heißen Wangen blickte das Mädchen hinter ihm her. Etwas verwirrt taumelte sie zwischen den Tanzenden hindurch bis ein anderer Bursche sie ergriff und erneut auf der Fläche umher wirbelte.
Logan folgte den drei Männern, welche sich in den Burgturm begaben. Er spürte, dass es sich um eine wichtige Angelegenheit handeln musste. Die schwere Eichentür hatte sich gerade vor ihm geschlossen, als er sie auch wieder öffnete und in das kleine Gemach eintrat. Aiden blickte ihm erstaunt entgegen, ließ ihn jedoch hinein als er erkannte, dass es sein Neffe war.
„Setz dich, Junge! Wir haben etwas Wichtiges zu besprechen.“, forderte er ihn auf. Alex und Peter saßen bereits auf ihren Stühlen, wobei Peter als Hüne fast den Raum mit seiner Größe ausfüllte.
„Was ist denn passiert?“, fragte Logan in die Runde.
„Wir wissen es leider nicht genau.“, begann Alex und zuckte mit den Achseln.
„Der Bauer Angus und seine Frau wurden tot aufgefunden. Man fand die beiden Leichen jenseits des Flusses und weil ihre Körper so eigenartig aussahen, hatte man sie auf die Burg gebracht, damit die alte Mairead sie sich ansehen konnte.“ Besorgt blickte er durch den Raum. Er senkte seine Stimme schließlich.
„Es befand sich kein Tropfen Blut mehr in ihren Körpern. Und Mairead als Heilerin hat Ahnung von diesen Dingen.“, flüsterte Alex und nickte bedächtig mit seinem Kopf.
„Das muss das grausamste Ritual sein, welches ich je in meinem Leben gesehen habe und wir haben keine Ahnung, wer dem Bauern und seiner Frau das angetan hat.“
„Wir müssen achtsam sein.“, sagte Aiden. Als Chief sorgte er sich um seine Angehörigen. Ob Bauer oder Adliger, jedes Menschenleben das seinem Haushalt angehörte und auf seinem Land lebte, war ihm wichtig.
„Ich werde ein paar Männer aussenden, die die Gegend auskundschaften. So etwas darf nicht noch einmal passieren.“, meinte er dann.
Die vier Männer begaben sich wieder aufs Fest, doch ihre Stimmung blieb getrübt.
Einige Tage nach dem großen Fest kehrten Aidens Männer von ihrer Suche nach den Mördern des Bauernpaares ohne Ergebnisse zurück. Logans Onkel ließ daher die Wachposten verstärken. Man musste besser auf der Hut sein. Außerdem wurden einige Männer zu den benachbarten Clans entsandt, welche dort die Lage überprüfen sollten.
Es waren gerade mal zwei Wochen vergangen als Logan ein lautes Gekreische aus der großen Halle vernahm. Er befand sich nach einem langen Trainingstag gerade auf seinem Zimmer und eilte nun geschwind die Treppen hinunter.
Eine einfache Frau aus dem Dorf stand inmitten des Saales und weinte laut vor sich her. Aiden saß an dem langen Tisch auf seinem hohen Stuhl und überblickte mit zusammengekniffenem Mund die Szene. Sein Gesicht war leichenblass. Als er Logan erblickte, winkte er ihn zu sich heran.
„Was ist los? Was will die Frau?“, fragte Logan.
„Es gab wieder einen Toten!“, presste Aiden hervor. Er zeigte mit seinem Finger auf die jammernde Frau.
„Ihr Mann besuchte vor ein paar Tagen seine Verwandten und sollte längst zurück sein. Er wurde heut morgen in Flussnähe tot aufgefunden. Mairead hat ihn sich angesehen. Der Mann war ebenso blutleer wie das Bauernpaar vor zwei Wochen.“
Logan stockte der Atem.
Was bedeuteten diese Morde nur? Er ahnte in diesem Moment, dass ihnen eine harte Zeit bevor stehen würde.
„Ihhhhhr…!“, kreischte die Magd nun auf.
„Tut endlich etwas. Ihr seid unser Chief und für die ganzen Morde verantwortlich.“ Hysterisch schleuderte sie ihre Worte Aiden entgegen und drohte mit ihrer kleinen Faust in der Luft. Im Normalfall hätten seine Männer die Frau ergriffen und sie gezüchtigt. Doch dies war kein Normalfall und sie hatte im Grunde recht.
Erstaunt zog Logan eine Augenbraue hoch und beobachtete seinen Onkel welcher seelenruhig auf seinem Stuhl saß.
„Ich werde mich darum kümmern!“, war seine einzige Antwort. Seine Wachen nahmen wie widerspenstige Magd bei der Hand und führten sie hinaus.
„Komm mit!“, herrschte Aiden nun seinen Neffen von der Seite an. Er wartete erst gar nicht lange auf ihn sondern ging schnellen Schrittes die Treppen hinauf. Nach mehreren Stufen und Gängen, denen Logan seinen Onkel nun folgte, riss dieser eine der vielen Kammertüren auf. Die alte Frau, welche gerade vor einem dicken Buch saß, blickte kaum auf.
„Hast du deinen Weg nun doch zu mir gefunden, Aiden McEawan?“, war ihre einzige Begrüßung.
Der Mann brummte als Antwort etwas vor sich her.
„Was hat es mit den Toten auf sich. Woran sind sie gestorben?“, forderte er Mairead nun auf ihm eine Antwort zu geben.
„Mein lieber Junge. Du stellst die falschen Fragen!“ Kichernd ging sie durch ihre Kammer. Diese war erstaunlich geräumig mit vielen kleinen Regalen in denen kleine und große Töpfchen und Tiegelchen standen. Überall lagen Kräuter herum, teilweise hingen sie getrocknet an den Wänden und verbreiteten einen starken Geruch. Ein schwarzer fetter Kater saß in der einen Ecke des Raumes und beäugte mit seinen gelben Augen interessiert die beiden Männer.
Aiden wartete geduldig bis sich die Alte ihm erneut zuwandte. Die grauhaarige kleine Frau warf ihm aus ihren schwarzen Augen einen funkelnden Blick zu.
„Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu. Es gab keinerlei Wunden an den leblosen Körpern. Lediglich zwei kleine Bisswunden am Hals.“ Verschwörerisch machte sie eine lange Pause.
„Sie wurden allesamt ausgesaugt!“, raunte sie den beiden Männern leise zu.
„Was redest du für ein dummes Zeug?“, brauste Aiden auf.
„So etwas habe ich noch nie gehört. Willst du etwa als Hexe bezichtigt werden?“
Doch Mairead bedachte den Chief weiterhin mit ihren funkelnden Blicken.
„Hört auf meine Worte.“, erhob sie nun ihre Stimme.
„In Schottland gehen Dämonen umher!“ Ein Donnerknall hallte durch das Gemäuer. In diesem Augenblick begann es heftig zu regnen. Bedächtig hob die Frau ihre Hände zur Decke. Doch Aiden schüttelte den Kopf. Er glaubte nicht an Hokuspokus und so verließ er mit Logan das Gemach.
„Was hältst du davon?“, sprach er seinen Neffen an.
„Wir sollten wirklich etwas tun. Es dürfen nicht noch mehr Menschen sterben. Aber ich glaube nicht an irgendein Teufelswerk.“, antwortete Logan.
„Ich möchte, dass du morgen eine Reise unternimmst, um den angrenzenden Länderein einen offiziellen Besuch zu erstatten. Versuche heraus zu finden was dahinter steckt. Eventuell befinden sich Fremde auf unserem Land. Wir können jede Hilfe gebrauchen.“ Logan nickte. Er war gern bereit alles für den Clan zu tun. Müde begab er sich nach einem ereignisreichen und langen Tag in sein Bett, um noch vor dem ersten Sonnenstrahl auf seinem Pferd zu sitzen. Alex und Peter begleiteten ihn. Die Männer begaben sich auf eine lange Reise durch das schottische Hochland.

***

Es war ein grauer und verregneter Herbsttag als die Drei die Festung der McEawans wieder erreichten. Als der Wald sich teilte und Logan zur Burg blickte, hingen an den Türmen schwarze Fahnen. Beunruhigt ritten sie durch das nahe gelegene Dorf in welchem keine Menschenseele zu erblicken war. Auch auf dem Burghof kam ihnen niemand entgegen. Eine Totenstille lag auf dem Land und beunruhigte die Reisenden zutiefst. Eilig lief Logan durch die große Halle und begab sich in den oberen Südflügel. Lediglich ein paar Bedienstete huschten ohne aufzublicken durch die Räume. Logan riss die Arbeitstür seines Onkels auf und als er ihn an seinem Schreibtisch erblickte, atmete er erleichtert aus.
„Ich dachte schon, dir wäre etwas passiert!“, platzte es aus ihm heraus.
Aiden erhob sich und kam ihm mit ausgestreckten Armen entgegen.
„Gott sei dank bist du Wohlauf!“
Erstaunt hob Logan seine Augenbrauen.
„Aye! Mir geht es gut. Was ist hier passiert?“ Erst jetzt sah er den müden Blick seines Onkels. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen und sein Gesicht war hager geworden.
„Der Tod geht auf unserem Lande umher und wir können ihm keinen Einhalt gebieten.“ Aus Aidens Stimme sprach tiefe Trauer.
„Immer mehr Menschen sterben und jeden Tag werden es mehr. Die Leute aus den Dörfern trauen sich nicht einmal mehr vor ihre Türen.“
Logan nickte bedrückt.
„Mein Besuch bei den anderen Clans hat eine ähnliche Lage ergeben. Dort häufen sich die Vorfälle an den angrenzenden Gebieten nahe unserem Land. Die Chiefs versichern, dass sie nichts damit zu tun haben und werden uns unterstützen.“
Bei diesen Worten legte sich ein leichter Hoffnungsschimmer auf Aidens Gesicht.
„Dann werden wir Boten aussenden, um eine Zusammenkunft zu vereinbaren.“ Entschlossen drückte er Logans Hand und begab sich zu den Vorbereitungen. Es sollten noch viele Tage vergehen bis sich alle Chiefs versammelt hatten. Auf der Burg herrschte rege Betriebsamkeit und die Zimmer waren überfüllt. Sogar in der Umgebung hatte man Zelte aufgebaut. Eine starke Armee war zusammen getroffen. Für einen kurzen Augenblick atmete das Volk der McEawans auf. Es würde bald von all den Grausamkeiten und dem Tod befreit werden. Auch wenn niemand wusste, woher der Angriff kam. In der großen Halle der Festung fanden Zusammenkünfte statt. Es wurden Schlachtpläne geschmiedet und wieder verworfen. Irgendwo jenseits des großen Flusses würde man auf einen unbekannten Feind stoßen und kein Schotte wusste, wie dieser aussah. Es wurde gemunkelt, die Engländer hätten eine neue Kriegsmethode entwickelt. Nur die alte Mairead betrachtete die Zusammenkunft mit skeptischem Blick.
So kam es, dass der Tag heran genaht war, an dem die große schottische Armee sich auf dem Weg begab. Auf dem Weg in eine Schlacht dessen Ausgang für Jedermann unbekannt war. Es war ein gewaltiger Trupp aus starken und gesunden Männern. Auf hohen Rössern und auch zu Fuß traten sie eine unbekannte Reise an. Aiden nahm sich seinen Neffen zur Seite.
„Ich möchte, dass du hier bleibst. Für den Fall, dass mir etwas passiert, muss für unser Volk gesorgt werden.“
Logan war damit ganz und gar nicht einverstanden. Er hatte ein wochenlanges hartes Training hinter sich und fühlte sich stark genug jedem Gegner entgegen zu treten. Doch jegliche Widerworte die er erhob, wurden von Aiden zunichte gemacht.
„Du wirst hier bleiben. Dies ist mein letztes Wort! Alex und Peter werden bei dir bleiben.“ Damit ritt er ohne noch einmal zurück zu blicken vom Hof und ließ einen wütenden jungen Mann auf der Festung zurück.
Mairead war an ihm heran getreten und betrachtete ihn stirnrunzelnd von der Seite. Sie legte ihre knorrige Hand auf seinen Arm.
„Sei froh, dass du hier bleiben musst. Eine ganze Armee reicht nicht, um diese Dämonen zu besiegen.“, sprach sie leise.
„Der Tod wartet auf die Schotten. Jetzt können wir nur noch beten.“
Ihre Stimme verursachte eine Gänsehaut auf Logans Rücken. Er schüttelte seine dunklen Vorahnungen von sich und bedachte die Alte mit einem scharfen Blick.
„Wir werden sehen, Mairead. Wir werden sehen!“
Die Tage auf der Burg vergingen langsam und in dumpfer Eintönigkeit. Von der schottischen Armee hatte man seit dem Tag ihrer Abreise nichts mehr gehört. Es gab keine Boten die Neuigkeiten übermittelten, wie es bei vorherigen Schlachten der Fall war. Einsam und verlassen lag das Anwesen im grauen Winternebel und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Mit jedem Tag der verging, wurde Logan unruhiger. Alex und Peter waren mit ihm auf der Burg geblieben und versuchten ihn jedoch ohne Erfolg abzulenken. Er hatte keine Ahnung wie es seinem Onkel ging und machte sich Sorgen. Einzig die Tatsache, dass nicht noch mehr tote Menschen in der Nähe der Festung gefunden wurden, machte die Zeit erträglicher. Er wusste, dass sich die Dinge hinziehen konnten. Und so wartete er und wartete.
Es wurde immer kälter im Land. Bald begann es zu schneien und noch immer gab es keine Neuigkeiten. Die Jahreswende kam und ging. Als die ersten Blumen ihre Köpfchen durch die schmelzende Schneedecke streckten, war Logan am Ende seiner Geduld angelangt. Er verteilte seine Aufgaben an Alex und Peter, welche ganz und gar nicht begeistert von seinem Vorhaben und waren ihn abrieten, sich allein auf dem Weg zu machen. Ja, sie drohten ihm sogar, ihn einzusperren, da er als Einziger den Clan übernehmen konnte, sollte Aiden nicht mehr leben zurück kehren.

Doch an einem morgen im Frühling sattelte Logan heimlich sein Pferd. Er wollte gerade den Stall verlassen als er plötzlich angesprochen wurde.
„Du wirst dich doch nicht allein auf die Suche nach deinem Onkel machen wollen?“ Mairead trat aus der Dunkelheit an ihn heran.
„Aye, das werde ich doch! Ich werde nicht weiterhin tatenlos hier auf der Burg hocken während mein Onkel Hilfe benötigt!“, brachte er stur hervor.
Was wollte die Alte nur von ihm? Sie würde ihn nie und nimmer von seiner Aufgabe abhalten können. Mit zusammen gekniffenen Augen starrte die Frau an dem stattlichen jungen Mann in Kriegsausstattung hinauf. Dann zuckte sie mit ihren Schultern.
„Nun denn, so sei es. Ich werde dich jedoch begleiten.“ Mit diesen Worten ging sie in eines der Ställe und kam mit einem beladenen Pferd wieder. Entsetzt fehlten Logan die Worte.
„Bist du von Sinnen? Ich geh in eine Schlacht. Da kann ich dich nicht gebrauchen!“, fauchte er Mairead an.
„Ich habe letzte Nacht böse Dinge gesehen. Da wo wir hingehen, gibt es keine Schlacht mehr. Aber eine Heilerin wird von Nöten sein. Du wärst selber Schuld wenn du mich hier ließest, Logan McEawan!“
Ihre bebende Stimme ließ ihn vorsichtiger werden. Was hatte diese alte Frau nur in ihren Träumen gesehen? Da sie sich nicht von ihm abhalten ließ, ihn zu begleiten, knurrte er nur widerwillig.
„Ich möchte mal wissen, wann du das letzte Mal auf einem Pferd einen Tagesritt hinter dir gebracht hast?“, höhnte er stattdessen.
Doch als sie den Burghof durchquerten, sprang die Frau behänd auf die friedliche Schecke. Das Pferd schüttelte kurz seinen Kopf und schon eilten die beiden Reiter im Galopp durch das große Eingangstor hindurch. Schweigsam ritten sie über die Wiesen und Felder.
Logan hatte nicht viel zu sagen, er war geistig bei seinem Onkel und Mairead schien ebenso in Gedanken versunken zu sein. Mehrmals beobachtete er sie von der Seite. Sie hielt sich erstaunlich tapfer für ihr Alter. Das Wetter war mild und am Abend erreichten sie den großen Fluss.
Logan starrte auf das fließende Gewässer.
„Wir müssen dort hindurch!“ Mairead zeigte mit ihrer Hand auf einen Wald auf der anderen Uferseite.
„Bist du dir ganz sicher?“, fragte Logan stirnrunzelnd.
„Zweifle niemals an meinen Worten. Ich habe den Weg gesehen und weiß wo sich die Armee befindet.“ Mit ihren schwarzen Augen blickte Mairead den jungen Mann an.
„Es ist von großer Wichtigkeit, dass wir hier heute Nacht keinen Halt machen! Wir müssen unbedingt weiter reiten!“
Logan dachte er hörte nicht recht.
„Die Tiere sind erschöpft und wir beide können eine Pause gut gebrauchen! Was redest du da für ein dummes Zeugs. Wir werden ganz sicher nicht weiter reiten.“
Doch Mairead schüttelte unwillig ihren Kopf. Sie kramte in ihrer Satteltasche und holte eine kleine Flasche heraus.
„Trink einen kräftigen Schluck daraus.“, forderte sie ihn auf und drückte sie ihm in die Hand. Danach beförderte sie eine Handvoll Kräuter ans Licht und gab den beiden Pferden davon zu fressen. Die Tiere schnupperten anfangs misstrauisch daran, schlangen die Kräuter dann jedoch mit scheinbar großem Appetit hinter.
Logan betrachtete die gesamte Szene mit wachsender Skeptik.
„Was soll das für ein Getränk sein?“, fragte er Mairead.
„Es gibt dir Kraft und hält die bösen Geister fern. Es ist von großer Wichtigkeit, dass wir heute Nacht unseren Weg fortsetzen. Und nun trink endlich.“
Logan zuckte mit den Schultern und nahm einen großen Schluck aus dem Gefäß. Das bittere Gebräu floss ihm scharf den Hals herunter, so dass er einen Hustenanfall erlitt.
„Willst du mich etwa umbringen, du alte Hexe?“, keuchte er mit hochrotem Kopf. Doch die Frau lachte nur leise.
„Das macht noch jemand ganz anderes!“, flüsterte sie vor sich her und trank ebenso aus der Flasche. Sie verstaute ihre Sachen wieder im Sattel und gab ihrer Schecke die Sporen.
Ein schlecht gelaunter junger Mann folgte ihr widerwillig. In seinen Kopf dröhnten ihre letzten Worte und hinterließen ein dumpfes Gefühl.
Mühsam durchquerten sie den Fluss. Es dämmerte bereits als Logan und Mairead den Wald betraten. Die großen Bäume taten sich dunkel und beinahe bedrohlich vor ihnen auf. Während sie langsam hindurch ritten, bemerkte Logan, dass er immer wacher wurde. Sein Körper erholte sich auf wunderbare Weise wie nach einem ausgedehnten Schlaf. Auch den beiden Pferden schien es ähnlich zu gehen. Die Alte hatte mehr Ahnung von Kräutern und der Heilkunst als er dachte und eine leichte Bewunderung für ihre Künste stieg in ihm auf. Als es immer dunkler wurde, kamen ihm jedoch erneut Zweifel an ihrem Tun.
„Wie sollen wir ohne Licht den Wald durchqueren?“, fragte er die Frau an seiner Seite.
„Sieh genau hin und sei still.“, flüsterte sie.
Von einem Moment zum anderen kam der Mond zwischen den Zweigen zum Vorschein und erhellte einen kleinen Teil des Weges vor ihnen. Erstaunt ritt Logan weiter.
„Es tut mir leid.“, flüsterte er dann einige Zeit später.
„Was meinst du?“, fragte die Frau.
„Ich wollte dich nicht eine Hexe nennen, denn das bist du nicht!“
„Wir werden sehen, wann du deine Meinung änderst und nun sei endlich still, mein Junge. Der Wald birgt Gefahren, die wir besser nicht herausfordern sollten.“
Doch Logan glaubte ihr nicht. Er zuckte mit den Schultern und ritt wortlos neben ihr weiter. Es war bereits nach Mitternacht und der Mond stand in all seiner gelben Herrlichkeit hoch am Horizont als ein plötzlicher Wind aufkam und durch den Wald fuhr. Ächzend und stöhnend knarrten die Bäume in der Dunkelheit. Wie bizarre geisterartige Gestalten bewegten sich die Äste.
Es ist alles in Ordnung, redete sich Logan ein. Trotz alledem fuhr ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Ein Käuzchen heulte in ihrer Nähe auf und machte die Situation kaum erträglicher. Der Wald schien sich in all dieser Finsternis zu unterhalten. Seltsame und fremdartige Geräusche aus dem Unterholz erreichten Logans Ohren. Es knackte und knirschte ohne Unterlass. Während er immer wieder zusammenzuckte, schien die Alte neben ihn taub dafür zu sein. Unbeirrt setzte sie ihren Weg fort und blickte stur gerade aus. Als der junge Mann ein eigenartiges Gesäusel hörte, war es um seine Beherrschung beinahe geschehen. Er konnte kaum zuordnen ob es von dem Wind kam oder einen anderen Ursprung hatte. Dann ertönte ein leises, kurzes jedoch bedrohliches Knurren genau neben ihm, um nur eine Sekunde später wieder zu verstimmen. Logans Puls raste und auf seine Stirn traten Schweißtropfen. Er hatte seine Hand auf sein Schwert gelegt und in seinem ganzen Körper breitete sich eine Anspannung aus. Er war auf einen Überfall vorbereitet, was auch immer auf sie zukommen würde.
Doch sie ritten immer weiter durch die Dunkelheit und nichts passierte. Der Mond bewegte seine Bahnen am Himmelszelt und der Wald gab immer wieder einen bedrohlichen Ton von sich. Angespannt und nervös verging für den jungen Mann nur mühsam die Zeit. Er glaubte immer wieder eine flüsternde Stimme an seinen Ohren zu hören, die seinen Namen rief. Doch wenn er sich gepeinigt umher blickte, konnte er niemanden ausmachen. Seine Sinne drohten ihm zu schwinden und nur mit Mühe hielt er sich auf seinen Sattel. Am liebsten wäre Logan brüllend und um sich schlagend durch die Bäume gelaufen, doch Mairead zuckte nicht einmal zusammen. Als die Nacht bereits schwand, nahm er dies kaum wahr. In seinem Kopf dröhnte es und sein Körper schmerzte vor Spannung.
Die alte Frau legte ihre Hand auf seinen Arm und sprach ihn leise an, doch er starrte sie regungslos an. Sie rüttelte an ihm, auch dies lies ihn aus seiner Lethargie nicht erwachen. Eine knallende Ohrfeige brachte ihn schließlich wieder zurück in die Wirklichkeit.
„Was soll das? Warum hast du das getan?“ Seine Wange brannte heiß und er bedachte die Alte mit einem wütenden Blick.
„Junge, du hast mir eine Heidenangst bereitet. Du warst gar nicht mehr ansprechbar.“ Ihr mitleidiger Blick blieb an ihm hängen.
Erst jetzt erkannte er, dass der Morgen dämmerte und die Nacht hinter ihnen lag. Logan schüttelte den Kopf und wollte somit die Ereignisse der vergangenen Nacht verdrängen. Der Schmerz in seinen Gliedern erreichte ihn nun mit doppelter Heftigkeit, so dass er sich im Sattel dehnte und streckte, um ihn zu vertreiben.
„Du hast dich tapfer gehalten. Doch du wirst noch viel mehr Mut brauchen.“
Mairead drückte ihm wieder die Flasche mit der bitteren Flüssigkeit in die Hand.
„Das wird deinen Körper stärken und deinen Kopf frei machen.“
Unwillig nahm er einen Schluck daraus und erneut durchschüttelte ihn ein kurzer Hustenkrampf. Kaum hatte er sich davon erholt, als er spürte wie der Schmerz bereits ein wenig nach ließ.
„So ist es gut.“, meinte die Alte und gab ihrem Pferd die Sporen. Logan folgte ihr und hoffte, dass sie bald ihr Ziel erreicht hatten. Er spürte tief in seinem Inneren eine wachsende Unruhe. Gefahr lag in der Luft und er hoffte, dass sie bald die Armee und somit auch seinen Onkel finden würden.
Nur kurze Zeit später bedeckten dünne Nebelschwaden den Waldboden und krochen mit den Reitern mit.
Die Bäume wurden immer lichter bis die Beiden schließlich das Ende des Waldes erreicht hatten. Die Sonne ging just in diesem Augenblick auf und schickte ihre roten Strahlen über die große weite Landschaft, welche sich vor ihnen ausbreitete.
Doch was sie hier erblickten, ließ ihnen ihr Blut in den Adern gefrieren. Vor ihren Augen befand sich ein blutgetränktes Feld. Durch die dünnen Nebelfetzen erkannten sie die leblosen Körper der Schotten, welche sich aneinander reihten. Es flogen bereits die Aasgeier über ihren Köpfen hinweg. Geschockt überblickten Logan und Mairead die Gegend. Dem jungen Mann ging ein Schauer durch den Körper und Angst erfasste ihn.
„Welche Kreaturen sind nur dazu fähig?“, flüsterte er leise in die Totenstille. Er saß von seinem Pferd ab und band es an einem Baum an. Die alte Frau tat es ihm gleich. Die Hände über den Kopf zusammen geschlagen, blieb sie neben ihm stehen.
Langsam bewegten sie sich durch die Reihen der Leichen. Der starke Verwesungsgeruch, welcher in der Luft hing, machte ihnen das Atmen schwer, so dass sie sich Tücher vor das Gesicht halten mussten. Nur langsam kamen sie vorwärts. Immer wieder prüften sie ob es noch Überlebende gab. Doch die schottische Armee lag in ihrem eigenen Fleisch und Blut zerstört auf der roten Erde. Von einem Gegner war nichts zu sehen. Grauen breitete sich in Logan aus und ließ ihn erstarren.
Es war bereits Mittag und die Sonne stand hoch am Horizont. Mairead wühlte sich immer weiter durch den Leichenberg auf der Suche nach Überlebenden und bemerkte nicht, dass der junge Mann stehen geblieben war.
Wenig später sah sie sich um und blickte ihn stirnrunzelnd an. Er stand einfach regungslos da und war zu keiner Bewegung mehr fähig. Mairead nuschelte etwas vor sich her und ging zu ihm zurück.
„Jetzt komm schon, mein Junge. Lass uns weiter suchen.“
„Es ist zwecklos.“, antwortete er tonlos.
„Sie sind alle tot.“
Doch die Frau gab nicht auf.
„Daran darfst du nicht denken. Es wird sicher noch Überlebende geben.“
„Siehst du das hier nicht?“ Logan zeigte mit einer Handbewegung auf den Totenacker. Zornig sah er auf sie herab. In ihm tobte ein Sturm der Gefühle, die er kaum noch unterdrücken konnte.
„Was hast du in deinen Träumen gesehen?“, fragte er schließlich mit bebender Stimme.
Doch Mairead schüttelte mit ihrem Kopf.
„Das würdest du doch nicht verstehen. Noch nicht.“ Wieder hatte ihre Stimme einen seltsamen Klang.
„Es gibt hier noch jemanden, der unsere Hilfe benötigt. Ich bin mir ganz sicher.“
Leben füllte mit einem Mal Logans Geist. Ihre Worte gaben ihn Zuversicht und er überblickte das weite Feld.
„Aiden!“, schrie er über plötzlich kraftvoll über die Landschaft, so dass die alte Frau neben ihm erschrocken zusammen zuckte.
„Verdammt, wo bist du?“
Brüllend nach seinem Onkel rufend, stolperte Logan nun vorwärts und ließ die Frau hinter sich zurück.
Erst wenn er dessen Leiche gefunden hatte, würde er sich mit dieser Tatsache auseinander setzen müssen. Doch so lange hoffte er auf ein Wunder. Selbst nach stundenlanger Suche, watete er unaufhörlich und nach seinem Onkel rufend weiter, als ihn plötzlich ein schwaches Stöhnen zu Ohren kam.
Er drehte sich zu Mairead um, welche ihm keuchend folgte. Doch von ihr kamen diese Laute nicht. Auch sie war plötzlich stehen geblieben. Dann zeigte sie auf etwas, dass weit vor Logan lag. Und tatsächlich ragte weit vor ihnen ein Arm in den Himmel, welcher sich mühsam bewegte und dann wieder abrupt zu Boden fiel. Logan zögerte nicht lange. Er stieg über die Toten hinweg bis er die Stelle erreicht hatte, an dem er den Arm gesehen hatte und blickte sprachlos auf den Körper vor seinen Augen.
Blutverkrustet und dreckverschmiert lag ein Mann vor ihm den er nicht kannte. Mairead hatte ihn schließlich erreicht und schob den sprachlosen Logan zur Seite. Sie kniete sich vor dem Mann hin und hielt ihr Ohr an seine Brust. Dann rümpfte sie ihre Nase.
„Es befindet sich kaum mehr als ein Hauch Leben in diesem Körper.“, sagte sie.
„Du musst wissen, was zu tun ist, Logan.“ Die Stimme der alten Frau hatte einen eigenartigen Klang. Beinahe ängstlich blickte sie zu ihm auf und wartete auf eine Antwort.
Unwillig packte dieser nun den Mann auf seinen Rücken und stampfte mit ihm zurück zu den Pferden, so dass Mairead nichts anderes übrig blieb als ihm zu folgen. Prustend und keuchend kam Logan einige Zeit später bei den Tieren an. Er legte den Körper auf den Boden ab als mit einem Mal die Pferde scheuten. Wild geworden rissen sie an ihrem Zaumzeug und wollten sich von den Bäumen, an denen sie angebunden waren, befreien. Logan und Mairead konnten die Beiden kaum beruhigen. Erst als die Alte ihnen wieder eine Handvoll ihrer Kräuter zu fressen gab, beruhigten sie sich. Doch noch immer waren ihre Ohren gespitzt und ihre braunen Augen blickten unruhig auf den bewusstlosen Mann im blutgetränkten Gras.
Mairead setzte sich vor ihm hin und begann mit einem wassergetränktem Tuch das Gesicht zu säubern. Nach und nach wurden die Gesichtszüge des Fremden immer erkennbarer. Plötzlich und mit einem leisen Schrei hockte sich auch Logan, welcher die Szene von weitem beobachtet hatte, neben die beiden hin.
„Aiden!“, flüsterte er heiser.
„Das ist Aiden.“
Er hatte auf ein Wunder gehofft und es war eingetroffen. Mehr tot als lebendig lag sein Onkel vor ihm und nur das leichte Heben und Senken seines Brustkorbes verriet, dass er noch atmete. Mairead flößte ihm nun etwas von dem bitteren Getränk in den Mund.
Und dann öffnete plötzlich Aiden seine Augen. Starr blickte er seinen Neffen an und packte mit unglaublicher Kraft dessen Arm.
„Du musst sie verbrennen! Alle. Sofort!“
Irritiert sah Logan zuerst seinen Onkel und dann Mairead an. Was meinte Aiden damit, er solle sie alle verbrennen. Und vor allem warum?
Wie sollte er eine so viele Leichen mit einem Mal verbrennen können. Vor allem da er niemanden zu Hilfe hatte.
Der panische Gesichtsausdruck in Aidens Gesicht gab ihm jedoch zu denken.
„Die Toten müssen sterben! Sonst sind wir alle verloren. Tue wie ich dir geheißen habe.“, flüsterte sein Onkel mit letzter Kraft bevor er wieder in tiefe Bewusstlosigkeit fiel.
Logan verstand seinen Onkel nicht. Was genau hatten seine Worte zu bedeuten? „Die Toten müssen sterben!“, murmelte er die Worte Aidens wiederholend.
„Hast du eine Ahnung was er damit gemeint hat?“
Logan blickte in das aschfahle Gesicht Maireads. Ihre schwarzen Augen hatten einen eigenartigen Glanz angenommen. Beinahe kam es Logan vor als würde die Farbe aus den Augen weichen. Mit zitternden Händen flößte die alte Frau seinem Onkel erneut etwas von der bitteren Flüssigkeit ein. Dann nahm auch sie einen Schluck aus dem Gefäß und hielt es ihm hin.
„Trink es aus, schnell. Pack alles zusammen und gibt den Tieren die letzten Kräuter zu fressen. Dann nimm dir deinen Onkel vor dir auf das Pferd. Ich weiß was zu tun ist.“
Sie kramte etwas aus ihrem Sattel hervor. Logan blickte sie immer noch irritiert an und wusste nicht, was zu tun war.
Was ging hier nur vor?
„Beeil dich, sonst sind wir dem Tod geweiht.“
Entsetzt sah er in ihre mittlerweile beinahe farblosen Augen. Alles Schwarze wich aus ihnen hinaus und wandelte sich in ein blasses Weiß.
Nun jagte die Alte ihm tatsächlich eine Heidenangst ein. Sie sah aus wie eine Hexe aus den Mythen, die er als Kind gehört hatte. Da er jedoch wusste wie sehr sein Onkel sich bisher auf die Heilerin verlassen hatte, erledigte er stillschweigend seine Aufgaben. Wie in Trance schwang er sich anschließend hinter seinem Onkel auf das Pferd. Der Wallach tänzelte unruhig auf der Stelle und ließ sich kaum von Logan beruhigen. Die Nüster des Tieres bebten angstvoll unter seiner Last.
Als Logan sich nach Mairead umblickte, stand die alte Frau mit einem hoch lodernden Ast in der Hand in der Abenddämmerung vor dem Totenacker. Der Geruch von Weihrauch stieg ihm in die Nase.
„Lasrach loisg!“, schrie sie auf Gälisch mit lauter Stimme und schleuderte mit einer unglaublicher Kraft die brennende Weihrauchfackel auf das Feld hinaus.
„Brenne!“, brüllte sie noch einmal.
Zuerst sah es so aus als würde der Ast erlöschen. Einen Herzschlag lang blickte Logan hinaus. Doch mit einem Mal loderte ein großes Feuer auf. Der junge Mann konnte es kaum glauben. Ging es hier mit rechten Dingen zu oder war diese alte Frau doch mehr Hexe als Heilerin?
Niemand konnte ohne weiteres ein so großes Stück Land in Brand setzen. Mairead sprang auf ihren Schecken und gab ihm die Sporen.
„Nun komm schon!“, rief sie Logan zu, welcher entsetzt beobachtet wie sich die Flammen in Windeseile ausbreiteten. Mit einem Mal brannte das gesamte Feld lichterloh. Hitze schlug ihm bereits entgegen. Die Luft flirrte und füllte sich mit einem beißenden Geruch der verbrennenden Körper.
„Was ist, wenn noch mehr Menschen überlebt haben?“, schrie er.
Mairead schüttelte nur bedauernd mit ihrem Kopf.
Es war zu spät.
Das ehemalige große Schlachtfeld stand in hoch lodernden Flammen. Die untergehende Sonne vermischte sich mit ihnen. Gutrot funkelten nun Erde und Himmel. Sie schienen miteinander verbunden.
Wie in Trance folgte Logan nun der alten Frau, welche ihren Schecken derart antrieb, dass es beinahe an ein Wunder grenzte, dass das brave Tier zu so einer Schnelligkeit fähig war. Hinter ihnen tönte das Raunen des Feuers und Logan hatte den Eindruck als würden die Toten stöhnen, ja beinahe kreischen. Ein Fauchen ertönte hinter ihren Rücken und Mairead gab ihrem Pferd derart die Sporen, so dass er Mühe hatte ihr zu folgen.
Das Fauchen schien die Beiden zu verfolgen und Logans Bauch krampfte sich zusammen. Sein Blut gefror ihm in seinen Adern.
„Nur nicht zurück sehen!“, schrie die alte Frau vor ihm.
„Blick bloß nicht zurück oder wir sind verloren!“ Ihre panische Stimme verlor sich im Wald und das Echo ihrer Worte hallte in Logans Ohren und breitete sich in seinem Körper aus. Was nur geschah hinter ihnen?
Doch immer weiter ritten sie in den Wald hinein und ließen das Grauen bald hinter sich. Die Pferde schienen mit einer immensen Kraft ausgestattet zu sein. Sie flogen beinahe über den Boden hinweg. Logan, welcher in einen eigenartigen Trance verfiel, nahm kaum wahr als sie das Ende des Waldes erreicht hatten, den Fluss überquerten und bald die Felder und Wiesen seines Clans überschritten. In seinem Schädel dröhnte das Stöhnen des Feuers, in seiner Nase befand sich der Geruch des Todes und in seinen Augen brannten die ungeweinten Tränen für die toten Schotten.
Auch als sie Stunden später die heimische Festung erreicht hatten, riss noch immer nicht der Nebel vor seinen Augen. Er bekam kaum mit wie der bewusstlose Aiden von Alex und Peter in seine Gemächer gebracht wurde und Mairead ihnen folgte, um den Verwundeten zu versorgen. Logan taumelte ihnen hinter her und hockte sich, noch immer in seiner verdreckten Kleidung vor Aidens Gemächern auf einen Stuhl und brütete vor sich hin. Es dauerte wiederum viele Stunden bis Mairead müde und zerschlagen die Tür öffnete und ihn erblickte. Logans Augen waren starr auf einen Punkt gerichtet, so dass er ihre Anwesenheit nicht bemerkte. Die Frau bückte sich zu ihm hinunter und legte ihre Hand auf seine Wange.
„Du brauchst dringend Ruhe, mein lieber Junge!“, sagte sie leise zu ihm.
Logan hob seinen Blick, doch seine Augen sahen durch sie hindurch. Da nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn in seine Gemächer. Sie drückte ihn auf sein großes Bett und er ließ sich auch dies gefallen. Mit einem weichen Tuch wischte sie ihm den Staub aus dem Gesicht und reinigte auch seine Hände.
„Wie geht es Aiden?“, flüsterte Logan, seine Augen starr auf die Wand gerichtet.
„Den Umständen entsprechend.“, blieb ihre einzige Antwort.
Der junge Mann nickte.
„Du musst jetzt unbedingt schlafen. Der Clan braucht dich nun.“ Mit diesen Worten drückte sie ihm einen Becher in die Hand. Logan nahm automatisch einen Schluck von dem süßen Getränk.
„Schlaf, Logan McEawan. Schlaf gut und erhole dich von den Strapazen. Dein Clan braucht dich mehr denn je.“, raunte die Stimme der alten Frau ihm ins Ohr.
Eine wohlige Wärme breitete sich in seinem Körper aus und als die Dunkelheit ihn in Empfang nahm, war er sehr dankbar dafür.

***

Es war früher Morgen als er seine Augen aufschlug und ihm allmählich bewusst wurde, dass er sich wieder auf der Burg befand. Die Sonne strahlte hell in sein Gemach und er hörte die Vögel auf den Dächern lebhaft zwitschern.
Die Ereignisse der vergangenen Tage befanden sich schleierhaft in seinem Gedächtnis. Logan blickte an sich herab und sah, dass ihm jemand die Kleidung abgenommen und ihn gewaschen haben musste.
Voller Energie und Tatendrang sprang er aus seinem Bett und kleidete sich geschwind an. Ohne Umwege begab er sich in Aidens Gemächer und öffnete nur kurze Zeit später dessen Kammertür. Dunkelheit und ein eigenartiger Geruch beinahe nach Verwesung empfing den jungen Mann. Er hatte Mühe sich daran zu gewöhnen. Erst einen Moment später, als er die Tür wieder geschlossen hatte, erblickte er die kleine Kerze, welche den Raum kaum erhellte. Auf einem Stuhl an Aidens Bett saß Mairead.
„Wie geht es ihm?“, fragte er leise die Heilerin.
Diese sah mitleidig an ihm auf.
„Ich befürchte sein Zustand ist sehr kritisch, Logan. Er nimmt überhaupt keine Nahrung zu sich und wird von Tag zu Tag schwächer. Nicht einmal das Tageslicht erträgt er.“ Sie machte eine kurze Pause.
„Er hat am ersten Morgen seit unserer Rückkehr geschrien und getobt, man würde ihn mit dem vielen Licht in seinem Zimmer töten wollen. Alex und Peter waren hier und konnten ihn kaum bändigen. Erst als die Fenster verdunkelt wurden, beruhigte er sich.“
Mairead´s Stimme zitterte leicht bei diesen Worten und Logan konnte es ihr kaum verübeln. Er erkannte, dass sie am Ende ihrer Kräfte angelangt war.
„Wie lange sitzt du schon bei ihm?“
„Es ist erst der dritte Morgen.“, war ihre tonlose Antwort. Logan zuckte zusammen. Hatte er so lange geschlafen? Die Heilerin benötigte dringend eine Ruhepause.
„Du wirst dich sofort in deine Räumlichkeiten begeben und dich ausruhen. Ich werde veranlassen, dass du reichhaltig zu Essen und ein Bad bekommst!“ Doch die alte Frau wollte aufbegehren.
„Dein Onkel…“, begann sie.
„Ich kümmere mich um ihn und du gehst nun schlafen.“ Er schob sie aus dem Zimmer und blickte ihr nachdenklich hinterher, als sie langsam und kraftlos den Gang entlang wankte. Nachdem er sich darum gekümmert hatte, dass eine junge Magd die Wache an Aidens Bett übernommen hatte und die Heilerin die versprochenen Dinge zugetragen wurden, begab er sich in die große Halle.
Alex und Peter betraten mit ihm gleichzeitig den großen Saal.
„Ist der feine Herr auch wieder aufgewacht?“, spöttelte Alex.
„Wir dachte schon, du würdest noch mindestens tausend Jahre schlafen.“, kam es auch von Peters Seite.
Die beiden Cousins stupsten sich gegenseitig an und grinsten von einem Ohr zum anderen. Doch als sie Logans ernsten Gesichtsausdruck erblickten, wurden sie wieder ernst.
„Mit deinem Onkel… das tut uns leid.“ Nachdenklich kratzte sich Peter am Hinterkopf.
„Mairead wird ihn heilen. Dessen bin ich mir sicher.“, antwortete Logan.
„Ich möchte, dass ihr weiterhin die Verwaltung der Burg übernehmt. Hat schon jemand Boten zu den Nachbarclans entsandt?“
Alex nickte nun.
„Mairead hat uns von dem Grauen auf dem Schlachtfeld berichtet.“ Ein Schauer durchlief die drei Männer als sie daran dachten.
„Gut.“, blieb Logans Antwort.
„Ihr wisst was zu tun ist. Ich kümmere mich um meinen Onkel.“ Mit diesen Worten verschwand er wieder in Aidens Gemächern. Die junge Magd, welche nicht einmal für eine Stunde bei seinem Onkel gesessen hatte, entfernte sich rasch und floh beinahe aus dem dunklen Gemach. Doch Logan war zu sehr in seinen Gedanken vertieft, als dass er die plötzliche Veränderung wahr genommen hätte. Er setzte sich an Aidens Bett und verfiel in tiefe Grüblereien.
Stundenlang hielt er Wache und gab ihm immer wieder von Maireads Kräutern. Doch Aiden spukte alles wieder aus und Logan wurde immer hilfloser. Er wusste nicht was er noch für seinen Onkel tun konnte. In seinem Kopf schwirrten unendlich viele Gedanken und Fragen an ihm. Er wollte wissen, welche Übermacht eine ganze schottische Armee danieder gemetzelt hatte. Das Heulen des Feuers, welches die Toten auf dem Schlachtfeld verbrannt hatte, summte in seinen Ohren und schien ihm etwas mitteilen zu wollen.
Doch er kam beim besten Willen nicht darauf, was es war. Logan spürte, dass ein großes Unheil in der Luft lag und konnte doch nichts tun, um dies aufzuhalten. Er verbrachte seine Tage und Nächte in Aidens Gemach. Mairead und Logan wechselten sich dabei mit ihrer Wache ab. Die Beiden gelangten jedoch an einem Punkt, an dem sie beide zur gleichen Zeit übermüdet und völlig zerschlagen waren, so dass Logan die gleiche Dienstmagd wie vor einigen Tagen beauftragte für einige Zeit bei seinem Onkel zu bleiben.
Doch die Magd zeigte sich störrisch und weigerte sich auch nur in dessen Nähe zu gehen. Er war überrascht aufgrund ihrer Reaktion. Da er jedoch gänzlich andere Probleme hatte als sich den Launen eines jungen Mädchens zu ergeben, überlies er ihr die Entscheidung seinem Befehl folge zu leisten oder aus dem Dienst entlassen zu werden. Und so blieb ihr keine andere Wahl als sich in Aidens Kammer zu begeben und sich dem Wunsch ihres Dienstherrn zu ergeben.
Logan schüttelte seinen Kopf und begab sich seinerseits in seine Gemächer. Nach einem langen entspannenden Bad und einem ausgiebigem Essen, legte er sich für einige Stunden hin und fiel auch schon innerhalb weniger Sekunden in einen tiefen Schlaf.

Logan stand auf dem Schlachtfeld der schottischen Armee und blickte in die weite Ferne. Die Sonne warf erbarmungslos ihre Strahlen auf den Acker und eine sengende Hitze umgab den jungen Mann. Die Luft flirrte rot vor seinen Augen und der Boden unter ihm schien zu brennen. Ein bestialischer Verwesungsgeruch drang in seine Nase und das Atmen fiel Logan immer schwerer. Die gefallenen toten Schotten unter ihm begannen sich zu bewegen und streckten ihre Arme nach ihm aus. Tiefes Grauen packte ihn und er wollte entsetzt davon laufen. Doch er stand wie erstarrt einfach da, unfähig sich zu bewegen. Eisige Kälte lief ihm den Rücken hinunter. Die Toten zerrten immer kräftiger an seinen Beinen. Mit blutüberströmten Händen packten sie ihn und ihre gepeinigten Stimmen drangen immer lauter in sein Ohr. Doch er konnte ihre Worte nicht verstehen.
Dann, ganz plötzlich, verstummten sie mit einem Mal und ließen ihn los. Verwirrt aufgrund der plötzlichen Stille blickte er sich umher. Ein Donnern hallte über das Feld hinweg und am anderen Ende erblickte er eine dunkle Gestalt, welche ihn anstarrte und sich dann langsam auf ihm zu bewegte.
Die Toten, welche ihn eben noch gepackt hatten, heulten mit einem Mal auf. Regung kam auf das Schlachtfeld. Die Schotten begannen zurück zu weichen. Da sie am Boden lagen, krochen sie auf eine eigenartige bizarre Weise immer weiter zurück, ja sie schienen sich beinahe hinter ihm zu verstecken.
Logans Verstand setzte in diesem Moment aus, so sehr hatte ihn die Angst gepackt. Er sah auf das Geschöpf, welches sich ihm auf eine ungewöhnliche Weise näherte. Seine Füße schienen den Boden kaum zu berühren.
Als es jedoch immer näher kam, erkannte er seinen Onkel. Freudig überrascht wollte er ihm entgegen eilen. Doch die Gestalt gab ein tiefes böses Knurren von sich, so dass er in seiner Bewegung inne hielt. Erschrocken blieb er stehen und wusste nicht recht wie er sich verhalten sollte. Aus glutroten Augen fixierte Aiden ihn, so dass dem jungen Mann alles Blut aus dem Gesicht wich. Dieses Geschöpf war nicht mehr sein Onkel. In seinen Zügen lag eine immense Mordlust, so dass Logan vor Schrecken die Beine weich wurden. Er wusste instinktiv, dass es kein Entkommen gab. Das Herz klopfte ihm vor Angst bis zum Hals und er fühlte sich gefangen wie ein Kaninchen im Fuchsbau. Er griff noch an seine Seite, doch sein Schwert war nicht an seinem Platz. Von einer Sekunde zur anderen gab Aiden einen markerschütternden Schrei von sich und flog auf Logan zu. Er packte ihn an den Hals und hob ihn hoch, so dass seine Beine in der Luft baumelten.
„Ich hab dich zum Fressen gern, Logan McEawan!“, raunte er ihm zu.

Schweißnass erwachte Logan in seinem Bett. Nur mühsam beruhigte er sich. Die Erinnerungen des Traumes waren so real, so dass er lange brauchte, um wieder klar zu denken. Der Geruch der Toten lag noch immer in der Luft und er konnte die Hitze des Schlachtfeldes körperlich spüren. Mit nacktem Oberkörper trat er ans Fenster und blickte hinaus. Das Land lag noch in Dunkelheit, jedoch verkündete bereits ein silberner Streif am Horizont den nächsten Tag. An Schlaf war heute nicht mehr zu denken, so dass er sich anzog, um nach seinem Onkel zu sehen. Der Traum hatte bizarre Ausmaße angenommen und er spürte noch immer die drohende Gefahr, in der er sich befunden hatte. Es schien beinahe so, als wäre dies ein Vorbote für noch mehr Grauen und Schrecken.
Logan unterdrückte seine Befürchtungen und trat leise in das Gemach seines Onkels ein. Eine kleine Kerze erhellte nur spärlich die Umgebung und dennoch erkannte er den leeren Stuhl vor dem Bett. Verwundert und leicht erbost über die Abwesenheit der betreuenden Magd machte er sich auf die Suche nach ihr, doch sie war weder in der Küche, in der großen Hallo noch sonst irgendwo auffindbar. Selbst die Haushälterin, welche bereits auf dem Beinen war, wusste nicht wo sich das junge Mädchen befand. Er hatte gerade mit ihr gesprochen als ihm Mairead entgegen kam.
„Du bist schon auf den Beinen, mein Junge?“, begrüßte ihn die alte Frau.
„Ich habe gute Neuigkeiten für dich.“ Interessiert an ihrem Bericht setzten sie sich in die große Halle, welche am frühen Morgen noch leer war. Lediglich ein paar Dienstboten huschten leise hin und her und verrichteten bereits ihr Tageswerk.
„Was hast du mir zu sagen? Sprich schon!“, forderte Logan sie ungeduldig auf.
„Ich war vorhin bei deinem Onkel. Sein Zustand hat sich deutlich verbessert und ich glaube, dass er es schaffen wird.“ In ihrer Stimme lag ein eigenartiger Ton, den Logan jedoch nicht wahr nahm. Hoffnung breitete sich in seinen Augen aus und er ergriff freudig die runzligen Hände der alten Frau.
„Das wäre ja wunderbar!“, rief er aus.
„Dann hat unser Clan seinen Chief bald wieder.“ Mairead blieb seltsam still bei seinen Worten.
„Es wird sicher noch eine Zeitlang dauern bis er wieder völlig genesen ist.“ Logan nickte heftig mit seinem Kopf.
„So lange er nur wieder gesund wird.“ Zwei Stufen auf einmal nehmend eilte er nun wieder zu seinem Onkel. Die Alte blickte ihn stirnrunzelnd hinterher.
Die Tage vergingen wie im Nu. Die frohe Botschaft, dass es dem Clanoberhaupt allmählich besser gehen würde, verbreitete sich wie ein Lauffeuer auf der Festung. Zwar wusste noch immer niemand was vor vielen Wochen mit der schottischen Armee passiert ist, doch die Menschen waren froh, dass sie ihren Chief bald wieder hatten. Logan und Mairead verbrachten immer noch viel Zeit am Bett seines Onkels. Dieser erholte sich langsam, war jedoch immer noch zu schwach um Gespräche mit seinem Neffen zu führen. Seinen wenigen Wortfetzen konnte Logan entnehmen, dass sein Onkel sich kaum mehr an die Schlacht erinnerte. So hoffte er intensiv, dass dies bei vollständiger Heilung eintreten würde.
Aiden ging es tatsächlich von Tag zu Tag besser. Die meiste Zeit hatte er tagsüber geschlafen und des Nachts einige wache Augenblicke erlebt. Dies veränderte sich zusehends, so dass er des Öfteren am hellen Tag erwachte und nach einem ausgiebigen Mahl verlangte. Doch je besser es Aiden scheinbar gesundheitlich ging, desto mehr verlangte er nach seiner Ruhe. Er verwies seinen Neffen und auch Mairead aus seinen Gemächern mit dem Befehl, sie sollten sich um die Belange des Clans kümmern. Tagelang schloss er sich ein und weigerte sich mit Logan zu sprechen. Sogar die Mahlzeiten mussten ihm vor die Tür gestellt werden, da er keine niemanden mehr einließ.
Die Menschen auf der Burg hatten von seinem merkwürdigen Verhalten vernommen und waren verunsichert. Sie verstanden nicht, was um sie herum passierte. Lediglich Logan, welcher nun gezwungen war sich wie ein Clanoberhaupt aufzuführen, konnte sie ein wenig beruhigen.
Gerade zu diesem Zeitpunkt, als das normale Leben auf dem Hochland langsam wieder einkehrte, begannen sich merkwürdige Dinge zu ergeben. Zwei Mägde verschwanden auf wunderliche Weise. Ihre Familien wussten nicht wohin sie sich gewandt hatten, da sie eines Abends nicht mehr heim gekommen waren. Die Suche nach den beiden jungen Frauen blieb erfolglos und Logan lief bedrückt und niedergeschlagen durch die Gemäuer.

Sein Onkel hatte sich in dem Turm des unbelebten Südflügels zurück gezogen, weit entfernt von dem Treiben auf der Festung. Noch immer ließ er keine Menschenseele in seine Nähe treten, so dass Logan ihn nicht um Rat fragen konnte. Als jedoch mit der Zeit wieder ein Dienstmädchen verschwand, begab er sich in den Turm. Logan benötigte dringend seine Hilfe und die McEawans benötigten ihren Chief. Es wurde Zeit, dass er seine Stelle und Aufgabe als Oberhaupt des Clans wieder übernahm.

„Lass mich Eintreten!“, forderte er ihn mit lauter Stimme auf und klopfte ohne Unterlass an der schweren Eichentür.
„Geh weg!“, blieb die einzige Antwort auf der anderen Seite.
Doch der junge Mann gab nicht auf. Er konnte sich nicht vorstellen, warum sein Onkel sich so gehen ließ und wollte nun endlich wissen, was er hatte und warum er sich seit Wochen vor allen versteckte. Er hatte eine Axt mitgenommen und schlug nun mit aller Kraft auf das Türschloss ein. Es krachte mehrmals und schon öffnete sie sich. Langsam drückte Logan die Tür nach innen auf und sah in den verdunkelten Raum hinein. Doch Aiden konnte er nicht erblicken.
„Lass diese Spielereien. Ich muss ganz dringend mit dir sprechen.“ Er drehte sich in der Raummitte und lugte in alle Nischen. Das große Bett stand leer und verlassen in der einen Ecke. Im Augenwinkel nahm er eine kurze Bewegung wahr.
„Aiden…“, begann er zögernd zu sprechen.
„Ich hatte dir doch gesagt, du sollst von mir fern bleiben!“, knurrte eine raue Stimme in der einen Ecke. Das klang ganz und gar nicht nach seinem Onkel. Doch Logan wollte nicht aufgeben. Langsam ging er auf den Schatten, welcher sich mit aller Gewalt an die Wand drückte, zu. Er gewöhnte sich langsam an die Dunkelheit und kam ihm immer näher.
Mit einem Mal schnellte eine Hand hervor und packte den jungen Mann mit einer immensen Kraft am Hals. Ehe Logan es sich versah, wurde er bereits herum gerissen und an die Wand, vor der er eben noch gestanden hatte, gedrückt. Er hatte keine Möglichkeit mehr sich zu rühren, so sehr er auf versuchte sich zu wehren. Sein Onkel hatte eine Stärke entwickelt, der er nichts entgegen zusetzen hatte.
„Ich habe dir doch gesagt, du sollst weg gehen!“, knurrte Aidens Stimme nun ganz nah an seinem Ohr.
„Doch du hörst ja nicht auf mich.“
Er wandte sein Gesicht zu ihm herum und starrte ihn wütend an. Logan lief im Gesicht hochrot an. Die Hand seines Onkels drückte ihm die Kehle zu, so dass er keine Luft mehr bekam. Gelbe lange Fingernägel bohrten sich in seine Haut. Mit weit aufgerissenen Augen blickte er Aiden an und erkannte seinen Onkel nicht mehr. Dessen Gesicht war ausgemergelt und bleich. Hohle Wangenknochen hoben sich hervor als hätte er seit Wochen gehungert. Logans Mund ging auf und zu, doch keine Luft konnte in seine Lungen dringen. Nicht ein Wort kam ihm über die Lippen. Beinahe schien es als würde die Zeit für einen Moment stehen bleiben. Er konnte sein Herz laut schlagen hören und es wurde immer langsamer. Sein Blut, welches ihm eben noch lautstark durch die Ohren rauschte, wurde immer leiser. Logan kam es vor als würde die Welt, die er einmal kannte, sich immer mehr von ihm entfernen. Die Umgebung begann vor seinen Augen zu verschwimmen.
Dann wurde er mit einem Mal abrupt los gelassen, so dass er in sich zusammen sackte und auf den Boden aufschlug. Logan rang laut nach Luft und bekam einen Hustenanfall.
Aiden verkroch sich wieder in eine der dunklen Nischen. Keuchend stützte Logan sich an der Wand ab bis sich seine Lungen mit der Zeit wieder beruhigt hatten. Der Schock aufgrund des Geschehens saß tief in ihm drin. Dieser Mensch vor ihm hatte sich derart verändert, so dass er seinen Onkel kaum wieder erkannte.
„Warum tust du das nur?“, murmelte er vor sich her und schüttelte immer noch unter Schock seinen Kopf.
„Ich will dir nicht weh tun, du solltest jetzt wirklich gehen.“ Die leisen Worte drangen in sein Ohr, doch Logan verstand nicht, was um ihn herum geschah. Es musste an der Krankheit liegen. Etwas anderes konnte er sich nicht erklären.
Sorgen breiteten sich in ihm aus.
Sorgen gepaart mit dunklen Vorahnungen.
„Wenn du krank bist, brauchst du Hilfe, Aiden. Ich werde Mairead um Rat fragen. Die Alte kann dir doch sicher etwas von ihren Kräutern zur Genesung geben.“ Stirnrunzelnd blickte er auf den zusammengekauerten Mann in der Ecke.
War dies der Mann, welcher ihn eben noch wutentbrannt gepackt hatte?
„Nein!“ Donnernd hallte Aidens Stimme durch den Turm, so dass Logan augenblicklich zusammen zuckte.
„Ich lasse niemanden zu mir!“
Dies ging alles nicht mit rechten Dingen zu. Logan konnte seinen Onkel nicht allein lassen. Er spürte, dass er ihn brauchen würde, auch wenn er sich so verändert hatte. Aiden war immer noch von seinem Blut. Er war der Chief der McEawans und so wie es aussah, benötigte er dringend Hilfe.
„Aus mir ist ein Ungeheuer geworden.“, flüsterte Aiden nun plötzlich.
Stutzig geworden horchte Logan auf. Was meinte er nur damit?
„Wenn du mir helfen willst, musst du es beenden!“, raunte er dem jungen Mann zu.
„Was kann ich nur für dich tun?“, antwortete Logan ihm.
„Dann bring es zu Ende!“, kam aus der Ecke zurück.
„Was meinst du damit? Was soll ich zu Ende bringen?“ Logan war ratlos. Tausend Fragen schwirrten in seinem Kopf umher.
„Das Töten!“
Stille breitete sich in dem Gemach aus. Die Vorahnungen in Logans Kopf nahmen Gestalt an und schwebten wie Geister vor seinen Augen.
„Welches Töten?“, krächzte er nun heiser. Schwindel erfasste ihn als er ein leises böses Lachen als Antwort erhielt.
„Meins!“, war die beinahe triumphierende Aussage von der Gestalt in der Nische. Krampfhaft zogen sich Logans Gedärme zusammen. Rasend schnell breitete sich der Schmerz in ihm aus.
„Wen hast du getötet?“ Seine Stimme versagte ihm den Dienst und seine Beine wurden immer weicher, so dass er sich erneut an der Wand abstützten musste.
„Sieh in der Scheune nach. Weiter hinten, unter den Heuballen, wirst du sie finden.“
Übelkeit überfiel Logan, so dass er hart schlucken musste. Er hielt es in dem Gemach nicht länger aus. Sein Onkel saß noch immer im Dunkeln und regte sich nicht mehr. Beinahe fluchtartig verließ der junge Mann den Raum. Er blickte vor dem Gemach wild umher und verriegelte dann von Außen die Tür. Ohne Umwege begab er sich in die Ställe, um nach dem Ort zu suchen, den ihm sein Onkel genannt hatte. Es war dämmerig und roch nach Moder und getrocknetem Grad.
Logan musste nicht lange suchen. Je mehr er sich dem genannten Ort näherte, desto stärker drang ihm ein eigenartiger Geruch in die Nase. Als er die Heuballen zur Seite schob, erstarrte er vor Schrecken. Unter ihnen lagen die verschwundenen toten Mädchen. Allesamt waren sie leichenblass und beim näheren Hinsehen konnte er zwei kleine rote Punkte an ihren Hälsen entdecken. Logan musste würgen. Eisige Kälte breitete sich in ihm aus und schoss ihm durch seine Glieder. Die Liebe, welche er einst für seinen Onkel empfunden hatte, verwandelte sich in Furcht. Angst und Verzweiflung vor einem Mörder, der einmal sein bester Freund und Begleiter gewesen war.

In seiner Hilflosigkeit schob er die Heuballen wieder über die toten Mädchen und hastete zu Mairead. Doch ihre Tür war fest verschlossen. Beinahe panisch begann er daran zu rütteln und lauthals zu klopfen.
„Mairead, wo bist du nur?“, schrie er nun bereits.
„Ist ja schon gut, ich komme.“, ertönte ihre Stimme von der anderen Seite und ihre schlürfenden Schritte kamen immer näher. Der Riegel wurde zur Seite geschoben und die schwere Eichentür öffnete sich langsam.
Als die Alte in das bleiche Gesicht des jungen Mann blickte, nickte sie nur.
„Komm rein mein Junge.“, forderte sie ihn auf.
„Erzähl mir, was passiert ist.“
Anfangs konnte Logan kaum sprechen. Ruhelos lief er in dem Raum auf und ab. Mehrmals versuchte er mit Sprechen anzusetzen. Zu tief saß der Schock aufgrund der Ereignisse in ihm. Doch mit der Zeit sprudelten die Worte aus ihm heraus und er ließ seinen Gefühlen den freien Lauf. Er hatte große Angst, aber er wollte seinen Onkel auch beschützen. Wenngleich dieser zu einem eiskalten Monster geworden war, so hatte er ihm auch viel zu verdanken. Logan hatte gar keine andere Möglichkeit als ihm zu helfen.
Mairead hörte seinen Bericht geduldig bis zum Ende an. Sie hatte ihm eine Tasse mit heißem Tee in die Hände gedrückt und mit der Zeit beruhigte sich der junge Mann.
„Du hast das richtige getan, mein lieber Junge.“, antwortete sie ihm nach einer langen Pause.
„Dein Onkel ist sehr krank. Wer oder was auch immer die schottische Armee niedergestreckt hat, es hat deinen Onkel erwischt. Ich habe in meinen Träumen schreckliche Dinge gesehen, die du dir kaum vorstellen kannst und ich weiß nicht, ob es ein Heilmittel für ihn gibt.“
Logan sackte innerlich noch ein Stück zusammen. Es gab für ihn keine Hoffnung mehr.
„Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun für ihn. Das verspreche ich dir, Logan McEawan!“, sagte Mairead dann jedoch mit einem bestimmenden und beinahe feierlichen Ton.
Der junge Mann straffte seine Schulter und richtete sich auf.
„Bis es soweit ist, werde ich dafür Sorge tragen, dass es zu keinen weiteren Unfällen kommt. Aiden wird von Alex und Peter bewacht werden. Sie werden die Einzigen sein, denen wir uns anvertrauen. Den Menschen auf der Burg werden wir mitteilen, dass er noch eine sehr lange Zeit für die Genesung benötigen wird.“ Logan nickte der Heilerin zu und drückte kurz ihre Hände bevor er sich auf den Weg zu seinen beiden besten Männern begab.

***

Alex und Peter erwiesen sich als loyal ihren Chief gegenüber und willigten bedenkenlos in dem Unterfangen ein. In abwechselnden Schichten übernahmen die Beiden mit Logan die Wache vor Aidens Gemächern, während die Heilerin in ihren Räumen nach einer Lösung aus dem Unheil suchte. Doch obwohl die Männer ihr bestes gaben und Tag und Nacht Wache hielten, ereigneten sich immer wieder für den Clan unerklärliche Vorfälle. Dann und wann verschwand ein Mensch und ward nie wieder gesehen. Und nur sie allein wussten, was mit ihnen geschehen war. Logan stattete seinem Onkel immer wieder einen Besuch ab und seine Besorgnis aufgrund seines Zustandes wuchs mit jedem weiteren Tag. Manchmal hockte Aiden nur in einer dunklen Ecke und gab keinen Ton von sich, an anderen Tagen schrie er Logan an, er solle ihn endlich töten.
Da er ein Monster sei und seinen eigenen Clan zu Grunde richtete. Er wütete dann in seinem Gemach und zerstörte alles was ihm in den Weg kam. In so einem Moment erzählte er seinem Neffen von seinem unbändigen Durst. Einem Hunger, wie er ihn noch nie in seinem ganzen Leben gespürt hatte. Schmerzen breiteten sich in seinem Körper aus und sein Schädel hämmerte und dröhnte in einem fort. Alles in ihm veränderte sich, seine Instinkte waren geprägt durch sein unbändiges Verlangen. Seine Augen passten sich der Dunkelheit an, in welcher sein Durst meist am Größten war. Er würde seinen Wächtern immer wieder entkommen, so berichtete er und Logan solle ihn doch endlich töten.
Doch der junge Mann liebte seinen Onkel viel zu sehr. Er sah wie dieser unter der Krankheit litt und welch große seelische Schmerzen es Aiden bereitete, so zu sein, wie er jetzt war.
Als er eines Tages wieder einmal das Gemach seines Onkels betrat, fand er eine Überraschung vor. Aiden stand in gewaschen und in frischer Kleidung am Fenster und blickte hinaus. Seine Haltung war gerade und Logan wusste nicht so recht, wie er sich verhalten sollte. Daher räusperte er sich, um auf sich Aufmerksam zu machen.
„Tritt näher, mein lieber Junge.“ Aidens Stimme war fest und klar. Er drehte sich zu Logan um und lächelte ihn an. Zwar war sein Gesicht noch immer sehr hell, aber er wirkte wach und beinahe gesund.
„Wie geht es dir heute Morgen?“, fragte Logan vorsichtig.
Wie oft hatte er es erlebt, dass sein Onkel äußerlich ruhig geblieben war, nur um sich einen Moment später in einen rasenden Berserker zu verwandeln. Doch Aiden lächelte weiter und ging auf Logan zu.
Er fasste ihn bei den Händen und drückte sie fest.
„Ich möchte mich bei dir bedanken. Du hast mir in einer schweren Zeit Beigestanden. Das hätte kein Anderer getan und ich bin dir somit etwas schuldig. Doch es wird Zeit, dass die Menschen ihren Chief wieder bekommen.“
Der junge Mann starrte überrascht seinen Onkel an. Dieser strahlte eine Ruhe und Gelassenheit aus, wie er es schon lange nicht mehr gesehen hatte.
„Bist du denn wieder gesund und kannst deine Aufgaben übernehmen?“ Stirnrunzelnd blickte er ihn an. Konnte er Aiden aus seiner Gefangenschaft entlassen und hatten die Morde endlich aufhören?
„Ich weiß, was du jetzt denkst, mein lieber Junge. Doch es wird keine weiteren Vorfälle geben. Du hast nichts zu befürchten.“
Immer noch mit einem feinen Lächeln um den Mund sah er Logan an. Die Kraft die Aiden ausstrahlte, sollte es Logan leicht machen, ihm wieder zu vertrauen. Doch ihm blieben leise Zweifel an seinem Vorhaben.
„Was ist aus deinem eigenartigen Durst geworden?“, fragte er ihn dennoch.
„Du musst dir darüber keine Gedanken mehr machen. Das habe ich im Griff.“ Aiden nickte ihm zu.
„Es wird Zeit, dass wir beide eine kleine Zusammenkunft einberufen. Lass uns hinunter in die Halle gehen und allen mitteilen, dass ich wieder wohlauf bin und die McEawans sich auf mich verlassen können.“

An diesem Tag fand ein kleines Freudenfest zu Ehren Aidens statt. Die Menschen auf der Burg jubelten und freuten sich, als sie ihren Chief gesund und körperlich genesen wieder sahen. Niemand sagte etwas über seine helle Gesichtsfarbe, dachte doch jeder, dass er für eine sehr lange Zeit danieder gelegen hatte.
Das Spiel der Dudelsäcke hallte über den Innenhof und der Geruch von gebratenem Fleisch lag in der Luft. Auf dem Hof und auch in der großen Halle wurde gegessen, gelacht und getanzt. Aiden ging durch die Reihen seiner Männer und hatte für jedermann ein gutes Wort übrig. Im nu gewann er die Herzen der Schotten und war wieder der Mann, den der Clan vor langer Zeit vertraute. Einzig Logan saß still auf seinem Stuhl und beobachtete mit wachsendem Misstrauen das Treiben. Als er Mairead erblickte, winkte er die alte Frau zu sich heran.
„Was denkst du? Ist er wieder ganz der Alte oder sollten wir vorsichtig sein?“ Er sprach die Dinge klar heraus, da er wusste, dass er ihr vertrauen konnte.
„Sei auf der Hut, Logan McEawan. Dein Onkel wird nie wieder der Alte werden. Für diese Art von Krankheit gibt es kein Heilmittel.“
Bedauernd schüttelte sie mit ihrem Kopf. Aufgrund ihrer Worte breitete sich eine dunkle Vorahnung in Logan aus. Er würde Alex und Peter die Aufgabe zuteilen, seinen Onkel rund um die Uhr zu beobachten. Bis er sich sicher sein konnte, dass es zu keinen weiteren Unglücken kommen würde.
„Ich möchte, dass du trotzdem weiter nach einem Mittel zu seiner Heilung suchst.“, forderte er Mairead auf.
„Egal was es ist, finde eine Möglichkeit Aiden zu helfen.“ Die Alte zuckte mit ihren Schultern.
„Ich werde sehen, was ich tun kann. Erwarte nicht zu viel.“
Doch Mairead kam mit ihrem Wissen nicht sehr weit, so dass sie nur wenige Tage nach ihrem Gespräch mit Logan einige Sachen zusammen packte, um sich auf den Weg zu einer entfernten Verwandten zu begeben, welche sich auf dem Gebiet der Heilkunst und Seherei sehr gut auskannte. Unterdessen wurde jeder Schritt den Aiden tat, genauestens beobachtet. Doch es blieb ruhig auf der Burg und in der Umgebung. Die Menschen kehrten zu ihren Arbeiten zurück und Aiden übernahm seine gewohnten Aufgaben. Die Tage vergingen ohne besondere Vorkommnisse und Logan wollte bereits aufatmen als eines Tages eine Dienstmagd an hohem Fieber erkrankte. Da Mairead immer noch unterwegs war, musste die Hebamme aus dem Dorf sich um das Mädchen kümmern. Sogar Aiden machte sich Sorgen und besuchte sie regelmäßig. Doch das Fieber breitete sich aus, so dass immer mehr Menschen danieder lagen. Und stets war es Aiden, der seinen erkrankten Leuten täglich einen Besuch abstattete. Als jedoch auch Alex und Peter erkrankten, war es mit seiner Ruhe endgültig vorbei. Er entsandte einen Boten, welcher die alte Mairead wieder zurück auf die Burg bringen sollte. Doch die Zeit verging und die Heilerin war viel zu weit entfernt, als dass sie innerhalb kurzer Zeit ihren Rücktritt hätte antreten können. Das Fieber wütete schwer, doch nach nur wenigen Tagen begannen sich die ersten Kranken wieder zu erholen. Logan konnte es kaum glauben, als nur kurze Zeit später der ganze Spuk ein Ende genommen hatte. Er hatte auf ein Wunder gehofft und dieses war eingetreten. Auch Alex und Peter hatten sich nach dem Fieber wieder erholt. Doch sie begleiteten nun Aiden auf Schritt und Tritt. Logan behandelten sie immer noch mit genügend Respekt, doch an ihrem Verhalten konnte er genau spüren, dass etwas nicht stimmte. Während sie früher stets mit ihren Sorgen und Problemen zu ihm gekommen waren, so blieben sie nun außergewöhnlich still ihm gegenüber und berichteten nur das Nötigste. Logan beschlich eine innere Unruhe, die er so nie erlebt hatte. Ihm kam es vor als würden die Menschen in seiner Umgebung ihn plötzlich mit anderen Augen ansehen. Manchmal hörte er ein Flüstern und ein Raunen durch die Räumlichkeiten schwirren, dann mit einem Mal verstummten die Stimmen und es breitete sich eine Totenstille aus. Seit dem großen Fieber kämpfte er beinahe jede Nacht mit schrecklichen Träumen. Immer wieder stand er auf dem blutüberströmten Schlachtfeld der schottischen Armee. Die Toten schienen ihm etwas zu sagen wollen, doch wie immer konnte er ihre Worte nicht verstehen. Ihr starker Verwesungsgeruch stieg in seine Nase und das nackte Grauen packte ihn und ließ sein Blut in den Adern gefrieren. Er zitterte am ganzen Körper als eine dunkle bedrohliche Gestalt plötzlich vor ihm auftauchte. Eine dunkle Kapuze lag tief im Gesicht seines Gegenübers, so dass er nicht erkennen konnte, mit wem er es zu tun hatte. Er gab ein böses Knurren von sich. Mit einem Mal riss das Monster vor ihm sein Maul auf und Logan erblickte dessen lange Eckzähne. Er wurde gepackt und zur Seite gerissen. Der Dämon drehte seinen Kopf an Logans Hals. Vor Angst schlotternd konnte sich der junge Mann nicht bewegen.
Mitten in der Nacht wachte er schweißgebadet auf. Sein Atem ging stoßweise. Noch immer konnte er den Geruch der Toten Schotten riechen. In seinem Kopf breitete sich ein starkes Hämmern aus, so dass er aufstand und an Fenster trat. Die kühle Nachtluft tat ihm gut, so dass er sich langsam beruhigte. Er spürte, dass es auf der Burg nicht mit rechten Dingen zuging. Und noch immer wusste er nicht was die Ursache war.

Die Tage und Wochen vergingen und er bemerkte eine Veränderung in Aidens Wesen. Sein Onkel wurde mit jedem Tag aggressiver, außerdem ging er ihm wann immer es ging aus dem Weg. Zunächst bemerkte Logan eine Veränderung in der Augenfarbe. Es kam ihm teilweise vor als würde Aiden ihn mit seinen roten Augen fixieren. Auch seine Haarfarbe wurde mit jedem weiteren Tag immer heller bis sie endlich ganz silbrig weiß glänzten. Die Veränderungen im Wesen seines Onkels warfen immer wieder neue Fragen in Logan auf. Und nun wollte er endlich Antworten. Er suchte ihn in seinen Gemächern auf, konnte ihn jedoch nicht finden. Also begab er sich in den Südturm und dort fand er ihn auch vor.
„Wir müssen miteinander reden, Aiden!“ Sein Onkel saß an einem dunklen Eichentisch, ein großes Buch lag vor ihm und er las darin.
„Sieht ganz danach aus als würdest du keine Ruhe geben.“, antwortete Aiden ohne aufzublicken.
Logan verdrängte die eigenartigen Gefühle, die bei diesen Worten in ihm auf stiegen. Er trat an den Tisch heran.
„Ich möchte wissen was hier vor sich geht?“ Aufmerksam betrachtete er den Mann vor sich. Dabei fiel ihm auf wie verblichen der Einband des Buches war.
„Du möchtest es also wissen?“ Noch immer blickte Aiden nicht auf.
„Das ist wohl dein gutes Recht. Als zukünftiger Anführer des Clans solltest du wirklich ganz genau wissen, womit du es zu tun hast.“
Aiden sprach langsam, beinahe bedächtig. Doch seine Worte verursachte eine Gänsehaut auf Logans Körper, so dass er sich automatisch anspannte. Erwartungsvoll sah er auf ihn herunter.
„Nun mein lieber Junge. Ich hatte meinen Durst wohl doch nicht ganz unter Kontrolle.“ Ein leises Kichern kam aus seinem Mund. Noch immer war Aidens Blick starr auf das alte Buch vor ihm gerichtet.
„Ich habe keinen Menschen mehr getötet. Du brauchst also keine Angst zu haben. Aber ich habe sehr wohl von ihnen getrunken.“
Logans Eingeweide krampften sich bei diesen Worten zusammen. Vor seinem geistigen Auge erblickte er den Dämon aus seinen Träumen mit dessen langen Eckzähnen.
„Immer wenn mein Hunger am größten war und ich meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle hatte, begab ich mich auf die Jagd. Du ahnst nicht, wie herrlich es sein kann zu jagen. Ich habe noch nie ein so wunderbares Gefühl empfunden wie dieses.“, sprach Aiden weiter.
Kaum zu einer Bewegung fähig blickte Logan wortlos auf ihn herab. Er konnte es nicht glauben, was ihm gerade berichtet wurde. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals und er rang nach Luft.
„Ich sagte dir doch, dass ich keinen Menschen getötet habe.“, fuhr Aiden aggressiver in seiner Stimme fort als er vernahm wie sehr sein Neffe aufgrund seiner Worte schlucken musste.
„Doch kurze Zeit nachdem ich sie gebissen hatte, wurden die Menschen krank und bekamen Fieber. Ich machte mir große Sorgen das mein Geheimnis sich verbreiten könnte und so besuchte ich sie täglich. Auch sie begannen sich zu verändern.“
Mittlerweile raste Logans Puls. Aidens Worte hallten in seinem Kopf immer wieder und die kalte Angst packte den jungen Mann und hielt ihn in ihren Fängen fest.
„Ich musste nach einer Lösung suchen. Das verstehst du doch? Ich habe ein altes Buch unserer Ahnen gefunden. In denen stehen Dinge über die Gebräuche der Druiden vor vielen Jahrhunderten. Zuerst haben wir es mit Tierblut versucht. Doch das konnte den Hunger der Meisten kaum stillen. Um nicht noch mehr Menschen mit der Krankheit anzustecken, habe ich eine Lösung gefunden. Die Angehörigen geben ihr Blut freiwillig. So lange niemand gebissen wurde, breitete sich die Krankheit nicht aus. Ich habe jeden Mann, jede Frau und jedes Kind einen Eid schwören lassen. Einen Eid, welcher zur Verschwiegenheit verpflichtet oder den Tod bringt, sollte er gebrochen werden.“
Mit einem Ruck ging Aidens Kopf hoch und er starrte Logan an.
„Ich gebe wirklich mein Bestes, um den Clan zu retten.“ Er stand auf und ging langsam um den Tisch herum auf Logan zu. Sein Äußeres schien sich mit jedem Schritt zu verändern. Es schien als würde er größer werden, sein Mund wurde dunkler und die weißen Spitzen seiner Eckzähne wurden sichtbar. Er kam ganz nah an den jungen Mann heran bis sie sich direkt in die Augen sahen.
„Doch ICH selbst hatte niemanden, der mir helfen konnte und eines kannst du mir glauben, mein lieber Junge. Ich habe einen unbändigen Durst!“
Mit diesen Worten verfärbten sich Aidens Augen rot. Einem Dämon gleich stand er vor ihm.
„Du riechst so unglaublich gut, Logan McEawan!“, raunte Aiden ihm zu. Sein gieriger Blick war auf seinen Hals gerichtet. Logan war zu keiner Regung fähig. Sein Körper war zu einer Säule erstarrt und sein Herz schlug hart gegen seine Rippen. Das Blut rauschte durch seine Ohren und das blanke Entsetzen breitete sich in seinem Körper aus.
„Tu das bitte nicht!“, flüsterte er noch heiser als er bereits am Hals gepackt wurde. Mit einer unglaublichen Kraft wurde er in sekundenschnelle vom Boden gerissen und Aiden flog mit ihm durch das Gemach. Logans Körper prallte auf die gegenüberliegende Wand und der plötzliche Schmerz raubte ihm den Atem. Aidens Gesicht war nun kaum noch erkennbar. Er stieß ein böses Lachen aus, so dass seine weißen langen Eckzähne nun gut erkennbar waren. Dann schnellte er mit seinem Kopf hervor und biss Logan mit einer kräftigen Bewegung in den Hals. Der junge Mann hing hilflos in der Luft. Er spürte wie ihm sein eigenes Blut warm an der Seite herab lief und er hörte das Schmatzen an seinem Hals. Nun wusste er genau, dass sein Ende heran genaht war. Die Qualen breiteten sich immer mehr in ihm aus. Es wurde immer dunkler vor seinen Augen und Logan merkte, wie ihm die letzten Lebensenergien ausgesaugt wurden. Dann wurde es schwarz um ihn herum.
Aiden starrte auf den leblosen Körper seines Neffens. Sein Gesicht war blutverschmiert und auch seine Sachen waren rot gefärbt. Alex und Peter betraten just in diesem Augenblick das Gemach im Südturm und blickten entsetzt auf ihren jungen Herrn herab.
„Was hast du nur getan?“, flüsterte Alex heiser. Er kniete sich zu Logan nieder und legte seinen Kopf auf dessen Brust, doch er konnte in seiner Aufregung keinen Herzschlag mehr vernehmen.
„Du hast deinen eigenen Neffen getötet!“
„Das habe ich nicht gewollt!“ Aidens Worte hallten durch die Stille. Gewitterwolken hatten sich mit einem Mal ausgebreitet und verdunkelten das Gemach. Plötzlich wurde es stürmisch, der Wind heulte um die Burg und die Wände begannen leise zu flüstern. Überall war ein leises Knarren und Wispern zu hören. Als würde die Ahnen auferstehen, um sich mit eigenen Augen das Unheil anzusehen.
Wie erstarrt sahen die drei Männer auf den jungen Mann, welcher regungslos auf dem steinernen Boden lag, herab. Der Donner grollte über dem Turm und als ein Blitz den Raum erhellte, stand eine triefnasse Mairead im Türrahmen. Ihr grimmiger Blick fuhr über die Männer.
„Bei all dem Elend, ich hoffe, ich bin nicht zu spät!“ Mit funkelnden Augen blickte sie auf Aiden, welcher diesen störrisch erwiderte.
„Wir Beide haben noch ein Wort miteinander zu sprechen, aber zuerst muss ich mich um deinen Neffen kümmern.“ Als die Alte das Gemach betrat, wurde noch eine weitere Gestalt im Gang sichtbar, doch es war zu dunkel, als dass man sie erkennen konnte. Die Alte betrat allein das Gemach und kniete sich vor Logan nieder.
„Alex! Peter! Bringt Logan in meine Gemächer.“, forderte sie die beiden anderen Männer auf. Diese gehorchten ihr aufs Wort und trugen den jungen Mann fort. Nur einen Augenblick nachdem sie den Raum verlassen hatten, trat auch schon der Fremde in den Raum. Der Körper war mit einem langen Umhang und einer Kapuze bedeckt.
„Ich werde euch nun allein lassen.“, sagte Mairead.
„Erklär Aiden bitte, was es mit der Zeremonie auf sich hat!“, forderte die Alte die andere Person auf und verließ eiligen Schrittes den Turm. Sie konnte nur hoffen, dass sie den jungen Mann noch retten konnte.
Die Gestalt blieb für einen Moment regungslos inmitten des Gemaches stehen. Sie schien Aiden, welcher immer noch blutverschmiert war, mit ihren Blicken von oben bis unten zu fixieren. Dann nahm der Fremde seine Kapuze ab.
Überrascht schnappte Aiden nach Luft. Das hatte er nicht erwartet. Seine Augen wurden ganz groß und er beäugte sein Gegenüber mit staunendem Blick. In diesem Moment fehlten ihm die Worte und da er nichts zu sagen wusste, starrte er weiterhin auf die Gestalt herab.
„Mein Name ist Melodie. Ich bin deine Blutbraut!“ Ihre klare Stimme verursachte auf Aidens Körper eine Gänsehaut. Die dunkelhaarige Frau war nicht mehr sehr jung, doch ihre Schönheit und die stolze Haltung ihres Körpers verrieten eine starke Persönlichkeit.


*******


„Als ich in dieser Nacht wieder aufwachte, war nichts mehr so wie es einmal vorher gewesen war. Ich hatte mich in einem Vampir verwandelt.“, sagte Logan zu Alyssa und betrachtete sie von der Seite. Die junge Frau war erstaunlich ruhig geblieben bei seinem Bericht über sein Leben. Sie nickte ihm aufmunternd zu.
„Ich dachte, ich wäre zu einem Monster geworden wie Aiden. Doch es gab tatsächlich eine Möglichkeit, einen Lichtblick im dunklen Tunnel der Angst, welcher unserem Clan die Rettung brachte. Die alte Mairead Davidson hatte einen Weg gefunden.“ Logan machte eine kurze Pause und starrte nachdenklich auf einen Punkt an die Wand.
„Nicht alle Schotten hatten sich in Vampire verwandelt, so dass die gesunden Menschen ihr Blut freiwillig ihren Freunden und Verwandten gaben. Daraus hat sich im Laufe der vielen Jahre und Jahrhunderte eine starke Gemeinschaft entwickelt. Und Aidens Verwandlung in einen Dämon konnte durch die Zeremonie mit einer passenden Blutbraut gestoppt werden.“
Grübelnd blickte Logan in Alyssas grüne Augen.
„Und du bist meine Blutbraut. Aber nur, wenn du dich mir freiwillig hin gibst, kann der Bann gebrochen werden und ich werde ein normaler Vampir bleiben. Ich kann weiterhin meinen Clan beschützen und für meine Leute sorgen. Menschen, die mir vertrauen und die mir lieb und teuer sind.“
Logan stand auf, ging um das Bett herum und kniete sich nun vor dem Bett hin.
Er nahm sanft Alyssas Hand und blickte in ihre erstaunten grünen Augen.

„Willst du, Alyssa Davidson, meine Frau werden?“

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Tag der Veröffentlichung: 16.05.2012

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