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Der verwunschene See



Isabelle ging spät hoch in ihre Räumlichkeiten. Nachdem sie sich gewaschen hatte, schlüpfte sie unter ihre kuschelige und bereits angewärmte Daunendecke und schlummerte fast augenblicklich ein und begann zu träumen.

Die Geschichte von dem geheimen Ort im Hyde Park hatte sie aufgewühlt. Neugierig geworden, sattelte sie ihren schwarzen Hengst Aaron und ritt wie
der Wind durch die Stadt. Die Häuser zogen an ihr vorbei bis sie den Park endlich erreicht hatte, welcher sich dunkel vor ihr ausbreitete.
„Wohin soll ich mich nur wenden?“, murmelte sie vor sich hin.
Aaron wusste es ganz genau und bewegte sich durch die schmalen, grünen Wege.
Vorbei an den großen Rosenhecken und Holundersträuchern, an den kleinen Büschen mit den ungewöhnlich hellblauen Blüten und den weißen Bänken, auf denen tagsüber die Liebespaare zusammen saßen und lachten.
Sie kamen, an in der Dunkelheit seltsam wirkenden, Statuen vorbei.
Belle spürte ein nervöses Ziehen im Bauch.
Vorfreude oder Angst? Sie wusste es nicht genau.
Und dann hatten sie die Mitte erreicht.
Doch hier war nichts.
Oder doch? Belle stieg ab und drehte sich im Kreis.
„Nun mein Lieber?“, fragte sie Aaron.
„Wo ist nun die große Überraschung?“
Als dieser sich plötzlich auf sie zu bewegte und ihr einen kräftigen Stoß gab.
Mit einem Mal fühlte sie von den Füßen gerissen.
Sie schwebte einen Augenblick in der Luft, als sie mit einem Ruck auf ihrem Allerwertesten landete.
Ihr Pferd stand immer noch vor ihr und sah sie stumm an.


„Und was war das bitte gerade! Willst du mich etwa ärgern auf deine alten Tage?“
Und doch musste sie lachen.
Aaron hatte das bisher noch nie mit ihr gemacht. Komisch, warum gerade jetzt?
Als sie sich umsah, fiel ihr jedoch die Kinnlade herunter.
Sie befand sich nicht mehr an der selben Stelle wie gerade eben.

Vor ihr breitete sich ein wunderschöner blauer See aus.
Es war noch sehr dunkel, doch was sie dann erblickte, befand sich jenseits all Ihrer Vorstellungskraft.
Mit einem Mal erblühten die vielen großen Seerosen. In jeder Blume befand sich eine winzige Elfe in pastellfarbenen Kleid und einem kleinen Lichtstab. Diese kleinen Geschöpfe streckten und reckten sich und begannen vor sich her summend ihr Werk.
Überall um den See herum wurde alles erweckt. Dutzende von Glühwürmchen flogen durch die Luft und erleuchteten den Ort in einer Art und Weise wie es Belle noch nie gesehen hatte.
Während ihr Aaron mit seinen Nüstern über die Wange fuhr, staunte sie über dieses Wunder.
Auf den Blättern der Bäume begann der Nachttau zu funkeln wie kleine Diamanten, in denen sich das Licht sammelte und zurück warf.
Auch die Blüten der Sträucher öffnen sich und gaben ein mildes Licht und leise Glockenlaute von sich. Immer mehr erhellte sich die Gegend und glitzerte und funkelte unter dem großen Vollmond.
Die Nachtgeschöpfe des Waldes kamen an den See, um zu trinken.
Ein kleines Eichhörnchen kam an Belle heran und schnupperte an ihr.
Als sie sich jedoch bücken wollte, um es zu streicheln, kicherte das Tier nur und sprang davon. So ein freches Ding, dachte sie und ging ans Wasser heran.
Sie tauchte mit einer Hand in das kühle Nass.
"Nun, es ist sehr angenehm. Ob ich es wagen soll?"


Sie dachte nicht lange nach. Voller Vorfreude schlüpfte sie aus ihrer Reitkleidung.
Nackt, wie Gott sie geschaffen hatte, stieg in den funkelnden See.
"Oh, ist das herrlich."
Mit kräftigen Zügen schwamm sie hinaus.
Sie tauchte ein paar Mal unter und begab sich dann auf ein riesiges Seerosenblatt, welches ihr Gewicht ohne Mühe hielt.
Ohne Scheu, das sie jemand sehen könnte, legte sie sich auf den Rücken und genoss den Zauber um sich herum.
Die kleinen Elfen tanzten über den See und hinterließen glitzernden Feenstaub auf dem Wasser.
Nach einer Weile schwamm Belle wieder zurück ans Ufer.
Auf der anderen Seite jedoch, hatte ein großes Augenpaar seit ihrer Ankunft all ihre Bewegungen verfolgt.

Nackt wie eine Göttin stieg sie an Land. Langsam perlte das Wasser an ihrer schlanken, elfenbeinfarbenen Gestalt herunter. Kleine, glitzernde Pfützen hinterließ sie im grünen und weichen Gras.
Ihre Haut schien mit Diamanten übersät.
Ihr Körper glitzerte und leuchtete sogar noch nachdem sie sich abgetrocknet hatte.
Ganz erstaunt, sah sie an sich herunter.
Ein paar Glühwürmchen kamen auf sie zu, umschwirrten ihre langen dunklen Haare und hoben es in die Luft. Es kitzelte so sehr, dass sie leise anfing zu lachen, doch im nu war ihr Haar trocken und ummantelte ihren nackten, funkelnden Körper wie ein Schleier.
"Ich muss träumen", murmelte sie.
"Cecile wird mir das nicht glauben."

Plötzlich vernahm sie ein leises Rascheln am anderen Ende des Gewässers.
Ihr Herz blieb ihr fast stehen.
Vor Schreck wurden ihre Beine ganz weich und ihr Blut pulsierte in ihren Adern.
Ihre Augen weiteten sich als plötzlich ein großer schwarzer Schatten aus dem Wald an das Ufer trat und gierig von dem kühlen Nass trank.
Ich muss auf der Stelle aufwachen, dachte Belle, konnte sich jedoch nicht rühren.
Sie begann zu zittern, als sie an ihre eigene Blöße dachte.
Als der Schatten genügend zu sich genommen hatte, blickte er auf und Belle direkt in ihre Augen.
Minutenlang bewegte sich keiner von beiden.
Sie standen regungslos da und betrachteten sich gegenseitig.

Der riesige weiße Wolf mit silberblauen Augen schien verwundert darüber, dass sie nicht weglief.
Er sieht mich an, als hätte er noch nie einen Menschen erblickt, dachte Isabelle.
Stolz und wunderschön stand sie vor ihm und glich eher einer Mondgöttin als einem Menschen.
Langsam bewegte sich das riesige Tier auf sie zu, während sich Belles Herzschlag beschleunigte.
Nur noch eine Armeslänge trennten sie voneinander. Seine lange Schnauze kam direkt an sie heran und sog ihren Duft ein.
Ein Gefühl der Aufregung breitete sich in ihrem Bauch aus.
Seine Kopfhöhe befand sich fast auf ihrer. Sie erschrak, als sie sah, dass er an seiner Vorderpfote eine große, stark blutende Wunde hatte.
Langsam streckte sie ihren Arm vorsichtig aus, murmelte dabei beruhigende Worte, als Aaron hinter ihr leise zu wiehern begann. Ein leises knurren erfolgte darauf vom Wolf.
Dann wurde alles um sie herum plötzlich dunkel.

Mit einem Mal kitzelte etwas an ihrer Nase. Als Belle ihre Augen aufschlug, stand die Sonne bereits hoch am Horizont. Sie gähnte und räkelte sich wohlig im Bett.
Welch außergewöhnlicher Traum. Es schien alles so wirklich gewesen zu sein.
Ein kurzer Blick unter ihre Decke genügte.
Ihre Haut sah aus wie eh und jeh.
Ein leises Klopfen entführte sie aus ihren Gedanken, dann öffnete sich die Tür und ihre Zofe betrat ihr Schlafgemach.


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Texte: Die Rechte sind nur mir vorbehalten.
Tag der Veröffentlichung: 27.01.2011

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