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Die Reise nach London


Am nächsten Tag begannen nun die Vorbereitungen auf das große Ereignis. Duchess Josephine plante nicht nur für einen kurzen Aufenthalt in die Hauptstadt zu reisen, sondern für die ganze Saison.
Dieses Ereignis war die erste Gelegenheit seit ihrer Heirat, an dem sie dorthin reisen konnte, ohne große und breite Begründungen ihrem Mann gegenüber zu geben, welcher den Ton seit seinem Umzug aufs Land mied. Und diese Zeit würde sie lang und breit auskosten.
Diener wurden ins große Stadthaus voraus geschickt, damit dort ein ordentlicher Empfang vorbereitet würde.
Das kleine Örtchen Winwick lag eine Tagesreise entfernt und trotz der vielen Gesellschaften auf dem Lande, langweilte sich die Duchess oft.
In diesen Tagen jedoch, war sie sehr beschäftigt. Näherinnen, Juweliere, Schuhmacher wurden beauftragt und gingen tagtäglich ein und aus.
Cecile und Isabelle wurden ausgestattet wie kleine Prinzessinnen.
Kleider aus goldenen Brokat, roten und grünen Samt, weißer und rosafarbener hauchzarter chinesischer Seide sowie kleine Diademe mit Diamanten, Smaragden, Saphiren mit passenden Ketten und funkelnden Ohrringen wurden gekauft.
Dazu wunderschöne Schuhe und kleine Stiefelchen aus den besten Stoffen und Leder.
Es wurden Abendkleider und auch Tageskleider angefertigt, dazu passende Mäntel mit kleinen aus Spitze oder Samt bestehenden Handschuhen.
Die Reise nach London wurde groß und lang vorbereitet, bis ins kleinste Detail.
Vier herrlich ausgestattete weiß silberne Kutschen mit jeweils vier prächtigen Schimmeln, machten sich auf den Weg. Der Duke und die Duchess teilten sich eine Kutsche, die aussah wie eine übergroße silberne Krone und deren Pferde beflügelt waren.
Isabelle und Cecile saßen in einem Gefährt, dass einer Perle ähnelte.
Die Haare der Schimmel funkelten und glitzerten wie der Abendhimmel.

Im Großen und Ganzen verlief die Reise recht ruhig. Während die Lordschaften die vorliegenden Tage in Ruhe besprechen konnten, redete Cecile unaufhörlich auf ihre Stiefschwester ein.
Sie war so aufgeregt, weil sie noch nie in einer großen Stadt gewesen war.
In einem Reiseplaner ging sie alle, aber auch wirklich alle Sehenswürdigkeiten durch, welche sie besuchen mussten.
Unbedingt mussten sie zu Madame Tussaud, in den Hyde Park und ins Theater.
Dort wurde gerade das Stück Dr. Jekyll und Mr. Hyde aufgeführt, welches in der ganzen Stadt für große Aufregung sorgte.
Der hohe Adel begab sich all abendlich in die Vorstellungen, welche restlos ausgebucht waren.
Hoffentlich erhielten sie auch genügend Einladungen nach dem großen Ball.
Eine Einladung bei Almacks war bereits gesichert und Cecile war sehr aufgeregt. Hoffentlich würde sie den Patroninnen dort genügen und einen wunderschönen und liebevollen Gentleman kennen lernen.
Nachdem ihr ihre Freundinnen schon viel von der männlichen Rasse begeistert erzählt hatten, sie jedoch daheim kaum männliche Gäste bis auf entfernte Cousins besuchten, wollte sie sich unbedingt verlieben.
Am liebsten in einem waschechten Prinzen, erzählte sie Isabelle immer wieder. Und wenn diese fragte, warum es unbedingt ein Prinz sein solle, dann antwortete sie nur:
„Ein Prinz von königlichen Geblüt, mit edlen Gesichtszügen und hoheitlichen Benehmen, ist doch das schönste was man auf der Welt haben kann!“
Sie verstand nicht, warum Isabelle so eigenartige Fragen stellt. Wollte nicht jede Frau einen Prinzen heiraten? Doch, ganz sicher.
Sie schaute aus dem Fenster und sah die vorbeiziehenden Wälder und Wiesen. Begeistert erblickte sie eine Herde Rehe in der Ferne, eine Weide mit herrlichen Pferden und in einem See eine Entenmutter mit ihren kleinen Küken.
Sie seufzte und träumte mit offenen Augen von dem großen Ball, wie sie als Prinzessin in einem eleganten weiten Kleid und kleinem Krönchen den Saal betrat.
Die Menschen sahen sie staunend an, während ein gutaussehender junger Mann in edlem Abendanzug ihr entgegen trat, sie bei der Hand nahm und auf die Tanzfläche führte.
Träumen ist erlaubt, dachte sie.
An Schlaf konnte sie vor Aufregung eh nicht denken.

Es war später Abend als die kleine Reisegruppe im Londoner Stadthaus eintraf.
Die Dienerschaft lief aufgeregt hin und her, während der bereits seit vielen Jahren in den Diensten des Duke of Feenwick stehende Butler James seine Herrschaften in Würde begrüßte und sie in die Halle geleitete.
„Herzlich Willkommen Mylord.
Eure Gemächer wurden bereits für die Nacht hergerichtet und ein Bad vorbereitet.
Die Diener werden Eurer Gepäck ordentlich wegräumen. Ich habe mir erlaubt, einen kleinen Imbiss vorzubereiten.“
Wäre er nicht der Butler des Hauses, würde auch er vor Freude über das ganze Gesicht strahlen.
Jedoch ließ seine Würde ihm das nicht zu, so dass man lediglich beim genaueren Hinsehen ein leichtes Zucken um den Mund erkennen konnte.
Isabelle grinste James breit an und zwinkerte ihm zu, als sie an ihm vorbei ging.
Sie konnte es einfach nicht unterlassen ihn zu necken.

Beim Eintreten in das Gebäude wurde die Macht des Dukes sichtbar, als dieser just in diesem Moment begann die Räumlichkeiten zu verwandeln.
Aus dem unscheinbaren Bodenbelag wurde mit einem Mal ein großer orientalischer weicher Teppich mit märchenhaften Mustern. Groteske und verschnörkelte Wandmalereien entstanden, den Gemälden wurde Leben eingehaucht.
Auf den Bildern fingen die Bäume an sich im Wind zu bewegen, Pferde rannten über die Weiten der Steppe und die Ahnen flüsterten leise miteinander.
Kleine Glühwürmchen sammelten sich zu hellen Lichtern zusammen.
Ein Zauber zog durch die Räumlichkeiten, der die Gesichter aller Hausbewohner zum Leuchten brachte und sogar die Duchess schmunzelte ein wenig.
Nachdem jeder seine Garderobe abgelegt hatte, begab man sich ins große Esszimmer.
Auf einem edlen mahagonifarbenen Tisch mit ebensolchen Stühlen, mit roten Samtbezug, befand sich bereits ein edles Porzellangeschirr mit Silberbesteck sowie etliche kleine dampfende Schüsseln.
Nur ein Blick auf die herrlichen Köstlichkeiten und schon fing Isabelles Magen an zu knurren.
Es gab kleine Hühnerkeulen mit knusprigen Rosmarinkartoffeln, Garnelen und Lachsstücke in saftiger Soße, grünen Spargel a la Gourmet und vieles mehr.
Zum Nachtisch wurden kleine Törtchen, Eis mit exotischen Früchten und verschiedene Cremes gereicht. Das Abendmahl verlief sehr ruhig an diesem Abend, denn ein Jeder war in seinen eigenen Gedanken versunken.
Höflich wartete Isabelle ab bis alles abgeräumt wurde und begab sich mit einer Entschuldigung auf ihr Zimmer.

Sie war bisher nur einmal als Kind in London gewesen und hatte den Butler sehr ins Herz geschlossen. Daher beschloss sie noch einmal kurz in der Küche vorbeizugehen.
James und Hilda, die Köchin, saßen dort in einer gemütlichen Sitzecke und schlürfen jeder aus einer großen Tasse.
„Oh meine liebe Belle, da bist du ja."
Die Köchin sprang auf und umarmte die junge Frau liebevoll.
"Sieh einer an was für ein bezauberndes Geschöpf aus dir geworden ist. Du bist das ganze Ebenbild deiner Mutter.“
Einen kurzen Moment blickte sie Belle ganz traurig an und erinnerte sich an die verstorbene erste Frau des Dukes, deren anmutiges und liebevolles Wesen Jedermann stets berührte.
Im nächsten Augenblick jedoch lachte sie wieder.
„Du bist viel zu dünn, Mädchen.
Aber das scheint heutzutage modern zu sein.
Ich hoffe du hast beim Essen ordentlich zugelangt?“, sie schüttelte kurz den Kopf und schwatzte weiter auf Belle ein.
„Nun ist aber gut, Hilda. Unsere Kleine muss doch ganz erschöpft von der langen Reise sein. Setz dich zu uns. Ich denke, dir täte eine große Tasse Kakao ganz gut!“, unterbrach sie der Butler und rückte einen Stuhl bereit.
Belle lächelte.
„Ich habe fast vergessen, wie gut du kochen kannst. Ihr könnt euch beruhigen. Ich esse für zwei, aber zunehmen tue ich nie.
Hm, dein Kakao ist der Beste auf der ganzen Welt. Wenn du mir dein Geheimrezept doch nur verraten würdest?“, bettelte sie auf die Köchin ein.
Doch diese lächelte nur verschmitzt. „Dann wäre es ja kein Geheimrezept mehr, meine Liebe.“
Die Drei saßen noch sehr lange beieinander.
Nachdem sie sich schon etliche Jahre nicht mehr gesehen hatten, gab es viel zu berichten. James und Hilda erzählten ihr von der Stadt und den Veränderungen.
Immer mehr Zauberer hatten sich dort angesiedelt, Stadthäuser gekauft und London in einen scheinbar verwunschenen Ort verwandelt.
Die Zauberei wurde überall in der Öffentlichkeit sichtbar. Alte Häuser wurden somit in Handumdrehen in halbe Paläste verwandelt.
Im Hydepark versammelte sich die Highsociety und fuhr regelmäßig mit ihren verzauberten Kutschen und Pferdegespannen aus.
Es hieß je schöner um so besser.

Außerdem, so erzählte der Butler ihr, soll es einen verwunschenen Platz im Park geben, den jedoch keiner bisher gefunden hatte.
Isabelle ging spät hoch in ihre Räumlichkeiten. Nachdem sie sich gewaschen hatte, schlüpfte sie unter ihre kuschelige und bereits angewärmte Daunendecke. Sie schlummerte fast Augenblicklich ein und begann zu träumen...

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Texte: Die Rechte sind nur mir vorbehalten.
Tag der Veröffentlichung: 25.01.2011

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