Am Anfang warst du so klein, ich wusste nicht mal, dass es dich überhaupt gab. Eines Morgens erwachte ich mit Übelkeit und musste ins Bad laufen. Zuerst wollte ich es nicht glauben, doch schon meine Tage waren überfällig. Meine Hand wanderte sofort zu meinem Bauch, doch spüren konnte ich nichts. War es wirklich wahr oder nur ein Traum. Das Haus durfte ich nicht mehr allein verlassen, zu groß war die Angst meiner Eltern, dass mir wieder was passieren könnte. Mein Vater setzte mich an der Schule ab als er wegfuhr, ging ich sofort einen Test kaufen. Dieser war wie zu erwachten positiv, eine kleine Träne lief über meine Wange, denn ich wusste nicht, was ich machen sollte.
Meinen Eltern konnte ich das doch nicht sagen.
Einige Wochen vergingen und ich konnte es nicht mehr verbergen, meine Mutter sah mich eines Morgens als ich mich umziehen wollte. Mein dicker Bauch war nicht zu übersehen. Sofort verstand sie, was da los mit mir war. Zum nächsten Frauenarzt schleppte sie mich. Natürlich konnte er nur ihre Vermutung bestätigen. Meine Hand war die ganze Zeit schützend über meinen Bauch gelegt. So viele Fragen stellten sie mir, nicht nur sie sondern auch die Polizei.
Sie wollten wissen, wer der Vater von dir war. Wie hätte ich auf die Frage antworten können. Mit Tränen in den Augen lief ich in mein Zimmer und schloss mich ein. Sowohl mein Vater als auch die Polizisten redeten auf mich ein, doch ich gab keine Antwort. Was sollte ich ihnen sagen?
Du hattest doch keinen Vater nur einen Erzeuger. Du wurdest während einer Straftat gezeugt, dein Vater war ein Verbrecher, der mir sowas schlimmes angetan hatte. Niemand wusste davon, wie sollte ich ihnen das sagen.
Irgendwann kam eine Polizistin, mit der ich dann redete. Sie verstand meine Gefühle, das hatte ich zumindest gedacht. Ein langer Weg kam auf mich zu und du wuchst immer mehr in meinem Bauch.
Eines Nachts bekomme ich ein Gespräch zwischen meine Eltern mit, was sie da sagen will ich nicht glauben.
Ich wäre noch zu jung. Ich bin jung, ja ich bin selbst noch ein Kind, aber sie können dich mir doch nicht einfach wegnehmen. Du gehörst doch schon zu mir. Du hast mich verstanden, denn ich spüre, dass du mich trittst. Ich liebe dich doch so sehr, nie will ich dich hergeben, wie können sie nur sowas sagen. Ich trage dich und unter meinem schlagenden Herz bist du groß geworden. Mein Körper beschützt dich doch und sie wollen dich von meinem Schutz wegnehmen. Nein ich werde das nicht zulassen, eine Mutter kann doch ihr Kind, ihr Baby nicht hergeben. Ich war so glücklich bis zu dem Moment, sie zerstören gerade mein ganzes Leben. Der Schmerz ist für uns beide zu groß und du beschließt auf diese grausame Welt zu kommen.
Meine Eltern bringen mich ins Krankenhaus und du kommst zur Welt. Der Arzt will dich mitnehmen, doch ich kann dich nicht gehen lassen. Ich schreie, denn es zerbricht mir das Herz. Ich will dich doch nicht verlieren, jede Sekunde sollst du bei mir sein. Doch der Arzt nimmt dich einfach mit. Von der Geburt bin ich schrecklich erschöpft, doch meine Stimme versagt nicht, erst als du in meinem Armen liegst, verstummt sie. Mit deinen großen Augen schaust du mich an und ein Lächeln zeigt sich.
Ich fange an mit weinen, zu glücklich bin ich in diesem Moment. Du liegst in meine Armen, ganz nah an meinem Herzen. Das Pochen wiegt dich in den Schlaf, obwohl ich so müde bin, will ich nicht schlafen, zu groß ist die Angst dich zu verlieren. Das leise Pochen deines Herzen ist wie Musik in meinen Ohren. Immer noch weine ich vor Glück, du bist alles für mich, obwohl du noch so klein bist.
Die Polizei betritt den Raum und ich weiß nicht was los ist. Die Polizistin von damals streckt die Arme nach dir aus, doch ich will dich nicht hergeben. Ganz fest halte ich dich in meinen Armen ohne dir weh zu tun. Doch sie entreißt dich mir. Ich halte die Arme weiter so als würdest du drin liegen. Durch die Bewegung und den Verlust meines Herzens erwachst du und schreist dir die Seele aus deinem kleinen Körper. Jeder Schrei von dir ist wie ein Stich in mein Herz. Du rufst nach mir und ich kann nicht zu dir, sie schauen nicht nach dem was wir wollen. Es ist ihnen egal, zu jung bin ich und dein Vater ist ein Verbrecher. Deine Stimme versagt nicht, du bist eben meine kleine Tochter.
Ich will nichts mehr essen, nichts mehr trinken, kein Mensch kommt mehr an mich ran. Jeder der mir irgendwie zu nahe kommt, wird mit meiner Faust belohnt. Die Ärzte gaben mich schon längst auf, meine Eltern ließen mich im Stich und dich sehe ich seit dem schrecklichen Augenblick nicht mehr. Ein Stück meines Herzen fehlt, ohne dich bin ich kaputt.
Meine kleine Tochter bitte vergib mir, dass ich dich nicht halten konnte. Bitte, verzeih mir, ich bin zu schwach. Ich kann nicht mehr, ich ertrage es nicht mehr, es tut zu weh. Ich hoffe für dich, dass du das vergessen hast, dass du mich nicht suchst. Denn du wirst mich nie finden. Ich habe einen Entschluss gefasst ohne dich will ich nicht mehr leben. Es hätte sowieso keinen Sinn mehr, ich hoffe nur, dass es dir gut geht, dass du glücklich bist. Denn ich kann nie mehr glücklich werden, deshalb gehe ich auch diesen Schritt.
Was werden die anderen sagen, sie hat die Vergewaltigung nicht vergessen können, sie ist krank. Aber bestimmt wird niemand sagen, sie hat den Verlust ihres Babys nicht verkraftet. Die Regierung hat sie in den Tod geschickt.
Ihr hätte man das Kind nicht wegnehmen dürfen, es war ihr Todesurteil.
Alle sagen junge Mütter dürfte es nicht geben, mich dürfte es nicht geben, dich dürfte es nicht geben. Doch das denke ich nicht, ich bin froh, dass ich dich auf die Welt gebracht habe. Nie hätte ich dich in den Tod geschickt, sowie meine Eltern mich.
Es tut mir leid, dass mein Herz dir kein Lied mehr sein kann. Ich kann nur hoffen, dass du mir verzeihst. Mit meinem Blut schreibe ich auf mein Herz, dir gehörst du hin. Mein letzter Gedanke ist, wie sehr ich dich liebe. Dann entgleitet mir mein Bewusstsein.
Tag der Veröffentlichung: 06.03.2010
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