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kapitel 1
Ich saß im Zug und ließ meine Blicke über die Natur gleiten. Es huschten unzählig viele kahle Bäume an mir vorbei. Manchmal konnte ich weiter entfernt eine Fabrik sehen. Wolken hatten den Himmel grau gefärbt und es musste nicht mehr lange dauern, bis es anfing zu regnen.
Meine Gedanken schweiften davon. Sie übertönten jede Stimme, jedes Gehuste oder Gelache, und jedes Gesicht.
Vor meine Augen traten Bilder aus dem letzten Jahr. Die Zugfahrt zog Erinnerungen mit sich, die alles wieder aufwühlten und eigentlich längst geheilte Wunden wieder zum Aufklaffen brachten.
Denn vor ungefähr eineinhalb Jahren war ich genau diese Strecke auch gefahren. Das letzte Mal.

Ich stand am Bahnhof, hatte meine Augen geschlossen und genoss die Wärme. Sam stand hinter mir und schlang seine Arme um meine Taille. Seinen Kopf hatte er auf meine Schulter gelegt, sein Atem war ruhig. Auch er genoss die Sonne und die letzten gemeinsamen Minuten.
„Du wirst mir fehlen.“, flüsterte ich.
„Du mir auch.“
Meinen Wünschen nach zu urteilen, wollte ich noch den Rest des Nachmittags stehend in der Sonne verbringen. Doch der Zug näherte sich und hielt schließlich an.
Sam und ich hatten grade noch Zeit genug, um uns zu umarmen.
Ich prägte mir jedes Gefühl, das ich dabei verspürte, genau ein. Der Geruch von seiner blauen Sweatshirtjacke stieg mir in die Nase und ließ mein Herz schneller schlagen.
Wir sahen uns tief in die Augen, dann gab er mir einen Kuss auf die Stirn.
„Pass gut auf dich auf.“ Er lächelte.
Auch ich versuchte glücklich zu wirken, selbst wenn die Sehnsucht mich innerlich zerriss.
„Das werde ich tun!“

Die gesamten Sommerferien hatte ich mit Sam verbracht. Es waren wieder einmal die wunderschönsten sechs Wochen gewesen, doch der Abschied war umso schwerer.
Er wohnte in Berlin, in einer für mich riesiggroßen Metropole. Mir waren die großen Menschenmengen aus aller Welt nicht bekannt und deswegen war es umso spannender, meine Zeit dort zu verbringen.
Im Gegensatz zu ihm wohnte ich in einem kleinen Dorf auf der Insel Rügen an der Ostsee. Für mich war es normal, dass ich jedes Gesicht kannte und ich jede Nachbarn beim Namen nennen und grüßen konnte.
Außerdem war bei uns die Luft nicht so verschmutzt und der größte Unterschied war: Das Meer.
Es war eine angenehme Angewohnheit, dass man morgens das Haus verlassen und einige Meter weiter direkt das Meer sehen konnte.
Aber grade weil es so ein Kontrast war, fand ich es spannend, wenn ich in Berlin sein durfte. Immerhin war dort das Shoppen viel schöner und umfangreicher, was man von meinem kleinen Dörfchen nicht behaupten konnte.

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Tag der Veröffentlichung: 02.02.2011

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