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Gedämpft hörte der Schokolatier wie die Ladenglocke läutete als ein Gast sein Geschäft betrat.
So spät noch?

, fragte er sich und blickte aus dem Fenster. Sanft klopfte der Regen gegen die Fensterscheibe während die Sonne sich langsam hinter den rot-braunen Herbstbäumen versteckte. Der Schokolatier stellte die Kanne, die mit heißer Schokolade gefüllt war, beiseite und lief rasch nach vorne in den Laden.
„Guten Abend...“, sagte der eilig und verlangsamte seine Schritte auf halbem Weg als er eine liebreizende junge Frau über seine Kirschpralinen gebeugt sah.
„... Werte Dame“, setzte er nach. „Was kann ich für sie tun?“
Gelassen richtete sie sich auf, das kastanienbraune Haar wellte sich um ihre schmalen Schultern.
„Lieber Schokolatier, ich würde gerne eine Tasse ihrer besten flüssigen Schokolade kosten“, sagte sie den Blick auf einen schmalen Schokoladenkuchen mit Himbeerstückchen gerichtet. Der verlegene Mann deutete eine Verbeugung an und verschwand in seiner Vorratskammer. Einige Minuten später kam er mit einer einfachen Porzellantasse und einer weiteren silbernen Kanne zurück.
Die Dame heftete ihren Blick auf ihn der die Kanne sanft in die Hand nahm und ihren Inhalt langsam in die Tasse fließen ließ. Es war kein Geräusch zu vernehmen als die Schokolade den inneren Tassenrand hinunter glitt.
„Bitte“, sagte er und reichte ihr die Tasse. Der süßliche Duft der warmen Schokolade strich ihr langsam über die Haut und kitzelte ihre Nase. Zärtlich sog sie den sanften Geruch ein.
„Riecht nach Orange... und ein bisschen nach Zimt“, sagte sie mit geschlossenen Augen.
„Sie haben eine feine Nase und einen guten Geruchssinn“, sagte der Schokolatier kopfnickend. „Es ist Herbst. Um diese Jahreszeit ist das meine begehrteste Sorte.“
Die junge Frau schloss ihre schmalen Finger um den Tassenhenkel und führte die Tasse zögernd an ihre Lippen. Die Augen hatte sie noch immer geschlossen. Ihre Lider zuckten nur leicht, wenn der warme Schokoladenrauch darüber glitt.
Sie muss eine wahre Genießerin sein

, dachte er überrascht. Ruhig beobachtete er wie die Schokolade die Lippen der Frau benetzte. Nur wenige Menschen nehmen sich die Zeit die warme Schokolade zu riechen und ihren Duft über die Haut kitzeln zu lassen.


Die Erinnerung an den Geschmack verleitete ihn dazu die Augen ebenfalls zu schließen. Er schmeckte die Schokolade, den zarten, süßen Geschmack der Orangen und des Zimtes. Geschmeidig glitt die Schokolade seine Kehle hinunter und die verschiedenen Geschmäcke spielten mit seiner Zunge. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen und die Härchen auf seinem Körper stellten sich voller Begehren auf und kitzelten ihn. Der Schokolatier hörte nur gedämpft, wie eine Stimme zu ihm vordrang. Zögernd löste er sich von seiner Benommenheit, schluckte den Geschmack der Schokolade hinunter und öffnete dann etwas schüchtern die Augen.
„Verzeiht, was sagtet ihr, Dame?“, fragte er leise.
Die Lippen der Frau umspielte ein zartes Lächeln, denn sie hatte seine geistige Abwesenheit sehr wohl bemerkt. Sie stelle die Tasse, in der etwas Schokolade war, auf den Tresen ab und richtete sich auf.
„Ich werde im tiefsten Winter wiederkommen, guter Mann. Zum einen, um ihre begehrteste Sorte für die kältesten Jahreszeit zu kosten und zum anderen um sie einfach wieder zu sehen.“
Und noch bevor er überhaupt erstaunt den Mund öffnen konnte, hatte die schöne Frau schon seinen Laden verlassen und ließ nur ihr süßliches Parfüm zurück, das sich mit dem Duft der warmen Schokolade vermischte.

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Texte: Text: Copyright by Christina Huhn
Tag der Veröffentlichung: 21.08.2011

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