Unbekanntes
Mein Leben konnte man gut mit einer Melodie vergleichen. Sie war zuerst still, sanft. Und dann, als du in mein Leben tratest, wurde sie laut und aufregend. Meine Liebe zu dir entfachte. Doch du spieltest nicht fair.
Es war ein regnerischer Tag an dem ich ihn kennenlernte. In meinem Kopf spielte eine verträumte, süße Melodie und anfangs achtete ich auch nicht auf ihn. Zuerst war er nicht in meinem Blickfeld, und schien so unsichtbar zu sein, und ich hätte ihn gar nicht erst ansehen sollen, oder überhaupt den Kontakt mit ihm suchen sollen. Ich wusste ja nicht, was für ein Fehler das war. Er würde mein Leben auf den Kopf stellen und nichts würde für mich mehr so sein wie vorher. Und seine Freunde natürlich auch. Die lernte ich aber als ‚normale‘ Menschen kennen. Denn sie sahen auch aus wie normale Menschen, obwohl du das ja auch tatest. Aber sie waren Jungen von meiner - unseren - Schule.
Und ich blickte auf und sah ihm in die Augen, als er den Klassenraum betrat. Es war Schuljahresanfang, aber in unserem Jahrgang war er der einzige, der neu war. Wenn ich es mir recht überlegte, war er sogar der einzige, der jemals neu in unsere Klasse oder in unseren Jahrgang gekommen war, denn eigentlich suchten die Eltern sich bessere Schulen, als die Privatschule Böhmsheimer in der Nähe von der Nordsee, aus. Sie hatte keinen allzu guten Ruf und sah auch nach nichts aus. Außer nach Hässlichkeit und Langeweile. Nur Eltern, die nicht viel Geld hatten und ihre Kinder nicht in öffentliche Schulen schicken wollten, schickten sie hierher, weil es einfach billig war. Eigentlich konnte man die Schule auch zu einer öffentlichen machen, weil alles hier eigentlich so war wie in einer öffentlichen Schule, und überhaupt nichts da war, was auf eine Privatschule hingedeutet hätte. Dass hier auf dem Schulhof einer einen schon einmal abstechen wollte, und es auch fast geschafft hätte, verbesserte den Ruf nicht wirklich.
Ich sah ihn also an und grüne Augen starrten zurück. Ein schöneres Grün hatte ich noch nie erblickt, und wenn ich nie sage, dann meine ich das auch so. Es war eine Art Smaragdgrün. Aber die Art, wie er starrte, war schon komisch. Eindringlich, fast schon … gruselig? Ich bekam Gänsehaut auf den Armen und schaute weg. Ich hasste es, angestarrt zu werden, von wem auch immer. Das mochte ich schon seit Kindesalter nicht, und so konnte ich meine Mutter auch nie mit einer Aufführung stolz machen, weil ich dann nur rot werden würde und nichts herausbringen würde. Aber sie verstand mich, fand dass nicht so schlimm, ich machte sie ja auch anders stolz. Und normalerweise war ich nicht schüchtern, da war nur diese eine Sache. Anstarren. Ich starre auch nicht einfach so wildfremde Menschen an! Vielleicht manchmal. Also schaute ich schnell die braunen Tische und Stühle an, schaute mit voller Konzentration die graue Wand an, die ab und zu eine kleine Aufschrift von Schülern enthielt, und ließ meinen Blick nur zum grau gefliesten Boden schweifen. Ich sah die grauen Vierecke so an, als ob ich sie somit zum Leben erwecken könnte.
Diese Schule war eine Welt der Einöde. Sie war grau, langweilig und ihr Stil war auch nicht grade der Beste. Plötzlich schweifte mein Blick -ohne mein Zutun- zu ihm zurück, fast so, als ob er mich dazu zwingen würde. Seine Augen blitzten vor … Freude? So sah es jedenfalls anfangs aus, doch irgendwie schauten seine Augen auch nicht wirklich nett aus. Nun zwang ich mich also auch den Rest von ihm zu begutachten. Er hatte schwarze, perfekt gestylte Haare, für die er wahrscheinlich Stunden gebraucht hatte, damit sie nicht zu aufgedonnert und einigermaßen normal wirkten, damit sie nicht unecht waren und er hatte eine schwarze Lederjacke über einem weißen Hemd und eine schwarze Jeans an. Dazu normale schwarz-weiße Turnschuhe. Alles waren Markensachen. Fast wie ein normaler Junge, der ziemlich eingebildet war, und doch kam er mir anders vor.
Er hatte etwas an sich, was nicht menschlich war. Aber ich kam anfangs einfach nicht darauf. Ich wusste zwar, dass da etwas war, aber das sollte ich erst im Sonnenlicht erfahren. Er warf keinen Schatten. Keinen Schatten, und normalerweise tat das doch jeder Mensch.
Für mich stellte sich die Frage, ob er denn überhaupt kein Mensch sei, oder ob meine Augen mir einen Streich spielten. Ich fand es unheimlich, und ich dachte mir, dass ich mich wahrscheinlich nicht getäuscht hatte, denn es kam mir einfach nur logisch vor.
Als er also vor unserem Jahrgang - oder unserer Klasse - stand, schweifte sein Blick von Tisch zu Tisch, denn er brauchte ja einen freien Platz. Stehen in der Schule wäre auch sehr unschön. Es waren auch noch ein paar Plätze frei - Schüler breiten sich halt gerne aus. Er nahm den Platz neben Svenja ein, an der Wand - ich saß am Fenster-, sehr weit von meinem Platz entfernt. Und irgendwie war ich froh darüber. Sehr froh sogar.
Wahrscheinlich hatten sich alle Mädchen Hals über Kopf in ihn verliebt, oder taten es gerade und merkten nicht dass er komisch war. Anders war. Ich fand ihn ehrlich gesagt auch ziemlich toll, er war halt schön, süß und hatte vom Aussehen her, das was Mädchen an Jungs mochte, aber ich persönlich ließ es mir nicht anmerken. Sonst würde er sich vielleicht noch irgendetwas Unsinniges denken. Immerhin interessierten sich ja nicht alle Mädchen für ihn, auch wenn er wahrscheinlich der neue Schulschwarm werden würde.
Die ganzen Unterrichtsstunden schweiften, wie so oft, an mir vorbei. Man konnte es fast mit einem vorbeiziehenden Nebelschweif vergleichen, auch wenn es eher ein ‚Schulstoffschweif‘ war. Der Stoff war mir nicht spannend genug, ich wusste das meiste schon, ich würde wahrscheinlich nicht einmal zuhören, wenn ich es versuchen würde. Ich würde eher anfangen Bilder zu malen, mir Geschichten ausdenken oder irgendwelche Zettel schreiben, die ich dann in den Müll bringen könnte. Ich ließ den Blick einmal über die Klasse schweifen. Und dann streifte sein Blick meinen und es schien … Ja, wie schien es denn? Es schien so, als ob er mich auslachen würde.
Den Sinn in meinen Gedanken verstand ich nicht. Warum sollte er mich auslachen? Wenn auch nur mit den Augen. Vielleicht da ich wahrscheinlich eine von vielen Verehrerinnen war?! So war das aber nicht, doch ein anderer Grund fiel mir nicht ein, und so nahm ich mir vor, diesen Blick einfach zu vergessen. Es wäre sowieso verkehrt gewesen, nachzuhaken. Dumm. In meinem Kopf ertönte eine Stimme, die mir zuflüsterte, dass ich mich ja auch getäuscht haben könnte. Dass er mich nicht auslacht, wenn auch nur mit den Augen, dass vielleicht nicht ich, oder überhaupt etwas anderes gemeint sein könnte. Und doch wollte ich das nicht glauben.
Der Gong ertönte schrill und laut, ich sah noch einmal zu seinem Platz, doch der war schon leer. Ach, auch noch ein Spitzensportler? Also sah er gut aus und war sportlich. Außerdem konnte er einen mit seinen Blicken auslachen. Sehr toll. Wirklich, es war ja fast so, als ob er perfekt sei. Und das einzige, was ich mir sagte war nicht sehr beruhigend. Ich war verwirrt und ging schnell aus der Klasse. Ich brauchte einen klaren Kopf.
Einfach nicht beachten. Er würde nicht gut für mich sein. Es würde nicht gut für mich sein, mit ihm zu reden. Kontakt zu haben. Freunde sein kam gar nicht erst in die Tüte. Das sagte ich mir.
Verbotener Gedanke
Es war ein windiger Herbsttag, an dem er das erste Mal mit mir sprach. Die bunten Blätter wirbelten durch die Luft, so als ob sie tanzen würden. Manche legten sich schnell auf dem grauen Asphalt ab und schliffen dann über ihn, fast so, als ob sie keine Lust hätten, ihren wilden Tanz durch die Lüfte fortzusetzen. Es war nicht warm und ich fror sowieso so leicht, also hatte ich mich in einen dicken lilanen Wollpulli gehüllt und meine Arme um meinen Körper geschlungen, als ich aus dem Auto stieg und mich von meinem Vater verabschiedete.
Ich schnappte mir meine Schultasche, drehte mich schnell um und hastete Richtung Schulgebäude. Dort würde es wärmer sein, immerhin wehte dort kein Wind, wie hier draußen.
Nach dem halben Weg nahm ich mir kurz Zeit und schaute mich um, und alle Schüler, die ich ansah, hatten auch lange Oberteile an, aber dafür keine Jacken. Vielleicht war es ja doch nicht so kalt? Und dann sah ich ihn in einem schwarzen T-Shirt an der Wand gelehnt stehen. Eigentlich normal, aber er hatte keine Jacke an, nicht einmal seine schwarze Lederjacke, die bestimmt nicht sehr warm war!
Kopfschüttelnd wand ich den Blick ab und ging weiter geradeaus, bemerkte gerade aus den Augenwinkeln heraus, dass auch er sich in Bewegung setzte und beschleunigte meine Schritte, tappste die vier Treppenstufen aus Stein hoch und drückte gegen die Tür, bis mir auffiel, dass ich ziehen musste! Peinlich, aber so etwas passierte mir öfters. Aber ich war mir sicher, dass ich da noch den Trick herausfinden würde und dass das bald nicht mehr passierte. Schnell zog ich an der Tür und trat mit gesenktem Blick ein, hoffentlich hatte niemand etwas davon mitbekommen! So schnell ich konnte, hob ich den Blick und senkte ihn erneut, nur um mich zu vergewissern, ob mich jemand beobachtete oder ob jemand Witze über mich riss. Das war aber zum Glück nicht der Fall und so eilte ich beruhigt den Gang in Richtung Mädchentoilette hinunter, bis ich bemerkte, wie jemand neben mir herlief. Erschrocken blieb ich stehen und drehte mich zur Seite um. Es war, welche Verwunderung, der neue Schüler.
„Hallo.", begrüßte er mich mit einer schönen, samtigen, tiefen Stimme, die mich irgendwie verzauberte und ich begrüßte ihn höflich mit einem 'hey', woraufhin er sich nach meinem Namen erkundigte.
„Ich bin Alency und du?", langsam bewegte ich mich weiter und unbewusst kam die Antwort auf mich zu. Oder eher gesagt nicht auf mich, sondern auf den bezaubernden Jungen neben mir.
„Oh Neal!", kreischte sie mit ihrer hohen Stimme und warf sich ihm um den Hals, um ihm gleich darauf einen roten Abdruck auf der Wange zu hinterlassen. „June, ich unterhalte mich grade.", sagte er eindringlich zu ihr und sah sie so an, dass ich seine Augen nicht sehen konnte. Später erfuhr ich auch warum. Denn er tat es
! Und als er es
tat, hatte er den Kopf absichtlich von mir weggedreht, so dass ich nicht sah, wie seine Augen sich von dem wunderschönen grün in ein tiefes schwarz färbten, durch das ein dunkelroter ‚Farbblitz' schoss. Immerhin würde er diese ganze Show auch noch bei mir abziehen, und nicht mit dem hübschen Mädchen mit den roten Haaren und den grünen Augen. Aber ihr grün war matt, nicht vergleichbar mit dem, dass seine Augen hatten. Sie war schlank und irgendwie dachte ich, sie würde gleich einen Knicks machen, wie sie das im Mittelalter taten. Das trat leider nicht ein und sie zog nur eine Schnute und schritt beleidigt von dannen. Dann wandte Neal sich wieder zu mir und ein Lächeln umspielte seine Lippen, die er zusammendrückte, um sich scheinbar ein Lachen zu verkneifen.
„Nun, ich denke, meinen Namen kennst du jetzt schon, immerhin hat die reizende June ihn dir verraten." Die reizende?! Also ich kannte June nur als hochnäßige, zickige Obertussi. In meinen Gedanken bildete sich da nichts reizendes, oder hatte ich ihre liebevolle, nette, reizende Seite übersehen? Ich denke mal nicht und nickte nur. „Ja, ich denke, wenn Neal dein Name ist, bin ich richtig informiert worden."
Ein breites Grinsen umhüllte seine Mundpartie und er bejahte meine Feststellung, dann erfüllte Stille die Luft zwischen uns und ich bemerkte, dass wir uns wieder von der Mädchentoilette wegbewegten. Na toll, war da mein einziger Gedanke und ich verdrehte die Augen, was er nicht bemerkte, da meine blonden Haare eine Wand zwischen meinen und seinen Augen bildeten.
Der Gong der Schulglocke unterbrach die Stille zwischen uns und vibrierte Sekunden nach aufhören des Tons noch in der Luft. Eilig steuerten wir auf unseren Klassenraum zu und ich war froh, ihn endlich los zu sein. Es war seltsam, aber ich hatte das Gefühl, als ob ich Angst vor ihm haben müsste. Als ob er mir etwas antun wollte, ohne Grund. Und so schnell dieses Gefühl gekommen war, verschwand es auch. Ich versank wieder in der Aussicht des immergleichen grünen Stück Rasens, der einmal um das Schulgebäude herumführte und an den Eingängen abrupt aufhörte, sah die Wolken an, die aussahen, als ob sie Löwen, Tiger, Pilze - ich hasste Pilze!-, Alligatoren oder böse Augen wären. Waren heute nur solche Wolkenbilder am Himmel, solche, die Sachen abbildeten, die ich nicht mochte oder vor denen ich Angst hatte? Ungläubig schüttelte ich leicht den Kopf und dann befielen mich Kopfschmerzen. Ganz langsam fing es an. Lästig. Das Stechen nahm zu und irritiert schüttelte ich den Kopf, so als ob ich sie so verscheuchen könnte. Natürlich wirkte es nicht und so schloss ich einfach nur meine Augen und konzentrierte mich auf einen Gedanken, der mich irgendwie verwirrte.
Wie kriege ich ein Date mit Neal?
Ich verstand mich selbst nicht mehr. Verdammt nochmal, ich musste Angst vor ihm haben. Angst!
Verrückt?
Anders als die anderen war ich nicht in Neal verknallt. Ich hatte so ein Gefühl, dass ich Angst vor ihm haben sollte und diese Angst verwahrte ich sicher, so dass ich kein anderes Gefühl für ihn bekommen konnte. Ich wollte mich nicht in ihn verlieben, das hatte ich erst gar nicht vor, denn wenn ich es tat, dann wäre ich verloren. Ich wollte nicht, dass ich wie die anderen aus meiner Klasse war, wollte nicht in Neal verliebt sein und ich war es auch nicht.
Zeitweise kam in mir Verzweiflung hoch und ich dachte, ich sei verrückt. Wer konnte schon darüber urteilen, ob jemand anderes gefährlich war, wenn man ihn nicht wirklich kannte, grade mal zehn Wörter mit ihm geredet hatte? Ein Gefühl konnte täuschen, aber es könnte auch einfach nur das Rettungsschiff sein, welches einen schützen sollte. Außerdem war er in meinem Alter und wirklich gefährlich konnte er wohl auch nicht sein. Zu diesem Entschluss kam ich und behielt ihn bei.
Stirnrunzelnd starrte ich auf meine lila Chucks und bemerkte einen kleinen, braunen Fleck. So schnell wie ich ihn gesehen hatte, so schnell waren auch die Hausaufgaben, vor denen ich saß, vergessen. Englisch konnte mich nicht leiden und ich hatte Gegenhass entwickelt und schlug mich immer mit einer erbärmlichen vier herum.
Mit meinem Zeigefinger rubbelte ich über den kleinen Fleck und versuchte ihn weg zu bekommen. Leider vergeblich und so gab ich schließlich auf und tastete nach meiner Fernbedienung, um den kleinen Fernseher, der in meinem Zimmer stand, an zu machen.
Ich zappte durch die Kanäle und blieb schließlich bei ‚Mitten im Leben‘ stehen. Es war nicht wirklich meine Lieblingssendung, aber es kam nichts besseres im Fernsehen und somit war meine Auswahl am Programm mit einem Klick entschieden. Seufzend stand ich auf und schmiss mich auf mein Bett, genau in diesem Moment klingelte es.
"Aley! Mach du auf!", rief meine kleine Schwester Aliya durch den Flur, aber das konnte sie vergessen und ich schrie zurück: "Aliley, mach du doch bitte auf."
Somit war entschieden, wer aufmachen würde, denn Aliya tat immer dass, was ich ihr sagte, weil sie dachte ich würde unserer Mum sonst erzählen, dass sie mit zehn schon einen Freund hatte und dass widerrum wollte sie nicht. Mum sollte nichts von ihrer kleinen Kinderbeziehung wissen, denn sonst hätte sie wahrscheinlich Hausarrest bekommen. Wer hat denn schon mit zehn einen Freund, der auch noch zwei Jahre älter ist? Ich fand, Kindergartenbeziehung und heutzutage geht ja eh alles schneller. Im Großen und Ganzen kümmerte es mich nicht wirklich, sollte sie doch ihr Leben leben, so wie sie es wollte. Jeder hatte seine eigenen Vorstellungen davon, was in seinem Alter richtig war.
Insgeheim beglückwünschte ich mich für diese Erkenntnis und schmunzelte leicht.
"Aley, da ist so ein Typ, der will zu dir.", kaum hatte ich es gehört, brüllte ich meine Antwort:"Dann lass sie zu mir."
Mit allem außer dem, was dann folgte, hatte ich gerechnet. Aber nicht damit, dass sie anfangen würde zu heulen:"Aber die sind so gruselig und Mama hat gesagt, ich darf niemanden, den ich nicht kenne reinlassen! Bitte Aley, komm runter, die machen mir wirklich ganz dolle Angst!"
Ein Seufzen stahl sich durch meine Lippen und ich rappelte mich auf. Dann ging ich Stufe um Stufe die Treppe hinunter, drückte Aliya kurz und sanft, zeigte ihr, dass ich nicht böse auf sie war und öffnete die Tür. Vor mir stand kein anderer als Neal und hinter ihm andere Typen.
"Alenya.", es hörte sich boshaft an, nicht nett, da war keine Spur Freundlichkeit in seiner Stimme. Und jetzt war gar keine Wut auf Aliley mehr da, ich wusste, dass Neal und Konsorten nicht ziemlich nett aussahen und an ihrer Stelle hätte ich vermutlich auch angefangen zu weinen.
"Neal.", antwortete ich ebenso kalt und funkelte ihn an, während ich mich so in die Tür stellte, dass der Zugang den Jungs vor meiner Haustür verwehrt blieb.
Ich hörte ein Klicken und uwsste, dasss Aliya sich in ihrem Zimmer eingeschlossen hatte und ich später einige Zeit bei ihr bleiben musste, damit sie sich wieder beruhigte. Ich würde über das glatte goldblonde Haar von ihr streichen und sie in den Arm nehmen, außerdem noch ganz fest drücken.
Aliya sah aus wie ein Engel, nur ohne die Locken und eigentlich war sie auch einer. Sie würde auf jeden Fall in den Himmel kommen, dessen war ich mir ganz sicher.
Neal räusperte sich und deutete auf mich. "Ich geh hier nicht weg, du und deine Freunde kommen bei mir nicht rein.", zischte ich ihm wütend entgegen und er war wohl ziemlich verdutzt, denn normalerweise lag ihm ja jeder zu Füßen. "Du hast meiner kleinen Schwester Angst gemacht und das kann ich nicht so gut leiden.", fuhr ich fort, ließ meine Stimme weiterhin unterkühlt klingen. "Und jetzt geh von unserem Grundstück."
Ich wusste nicht warum, aber ich hatte plötzlich so einen Hass auf Neal entwickelt, dass ich ihn nie wieder sehen wollte. Und das nicht nur, weil er meinem kleinen Engel Angst gemacht hatte. Eines wusste ich ganz sicher: Dieser Junge würde nie, niemals, in mein Haus kommen, nicht einmal einen Schritt über die Türschwelle treten, denn sonst würde ich ihn höchstpersönlich in die Hölle katapultieren.
Er hatte Glück. Die Sonne schien nicht, es schien, als ob sie sich vom einen auf den anderen Moment wegen ihm verzogen hatte. Er machte also nicht nur mich unglücklich, sondern auch sie. Ich knallte die Tür zu und verriegelte sie mehrmals, dann lief ich hoch und pochte an die Zimmertür von Aliya.
"Aliley, ich bins, ich hab die Jungen weggeschickt."
Und dann tröstete ich sie, streichelte ihr sanft über den Rücken und erfuhr dabei so ziemlich alles, was gerade in ihrem Leben passierte. Zugegeben, ich wusste, dass Aliley schon mit ihren jungen Jahren viele Verehrer hatte, denn sie war einfach wunderschön, geradezu perfekt. Aber dass gerade das ihr zu schaffen machte, hätte ich nicht geahnt. Und ich schämte mich dafür, dass ich es als ihre Schwester nicht gemerkt hatte. Irgendwie bekam ich das Gefühl, dass sie so ziemlich großen Groll gegenüber dem männlichen Geschlecht hegte und es war mir recht so. Dann würde sie später sich wenigstens nicht mit jedem erstbesten Kerl in die Kiste springen.
Ich und Aliley machten den ganzen Tag noch etwas zusammen, bis sie schlafen sollte und dann beendete ich meine restlichen Hausaufgaben.
Plötzlich ertönte ein schrilles Klingeln und ich zuckte unwirrkürlich zusammen. Was zum Teufel war das?!
Stirnrunzelnd stand ich auf und bemerkte, dass es das Telefon war und schalt mich selbst einen Dummkopf.
Schmunzelnd über mich selbst schüttelte ich mit dem Kopf und nahm ab, bevor ich noch Aliya weckte, mit dem ganzen Geklingel.
Als mir im ersten Moment niemand antwortete, bekam ich einen Schock, wahrscheinlich da ich gerade rückblickend all die Horrorfilme mit Telefonanrufen und dem Rest im Kopf abspielte, als sich Granny meldete.
Granny war meine Oma und das liebevollste Wesen der ganzen Welt, nach Aliley natürlich. Sie backte ständig Kekse und Kuchen, hatte immer warmen Kakao aufgesetzt und verwöhnte uns nach allen möglichen Varianten.
Sie war einfach großartig und für ihr Alter noch ziemlich attraktiv. Die grauen Haare standen ihr und sie war immer noch fit wie ein Turnschuh. Meine Granny liebte uns sehr und wir sie auch, manchmal wünschte ich, Mum würde uns auch mal Kekse und Kuchen backen, außer an unseren Geburtstagen und an Weihnachten.
Doch Granny war komisch am Telefon, sie wisperte etwas von Träumen, kaum verständlich bei ihrer leisen Stimme, dann erhob sie plötzlich ihre Stimme und schrie beinahe ins Telefon:"Alency, pass auf dich auf! Du schwebst in großer Gefahr!", danach legte sie auf und ließ mich, ängstlich und zitternd, alleine.
Was war in Granny gefahren?!
Nachtbesuch
Ein Kribbeln durchfuhr mein Körper und es bildete sich eine Gänsehaut. Kauernd saß ich in einer Ecke eines mir unbekannten Zimmers. Dunkelheit umhüllte mich und ich kniff die Augen zu.
Die Dunkelheit war mein größter Feind und ich hatte tierische Angst vor ihr. Wie ein Feind, der dich langsam benebelt und dann zuschlägt, seine fiesen Krallen in dich sticht und dir nur noch mehr Angst macht.
Ein schwacher Lichtschein waberte unterhalb der Tür zu mir ins Zimmer, kam nicht gegen die tiefschwarze Dunkelheit an und blieb, wo er war. Der goldene Türknauf drehte sich, langsam, viel zu langsam und dann wurde ich geblendet. Das Licht war zu viel für meine Augen, die sich gerade mal an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Ich zuckte zusammen und mir entfuhr etwas, das sich mit einem Jaulen am ehesten vergleichen lassen würde. Ich kauerte mich noch mehr zusammen und drückte mich in die gefürchtete Dunkelheit. Eine Silhouette verdeckte das Licht, groß, schlank, muskulös. Mir entrang ein Wimmern.
Was wollte er von mir? Der Junge kam auf mich zu und ich wusste, dass ich ihn kannte, aber ich konnte ihn nicht zuordnen.
"Wer bist du?", hauchte ich, doch es erklang nur ein böses Lachen und er drückte mein Kinn mit seinem Zeigefinger nach oben, sodass ich in seine Augen starrte, die mich anzogen, wie keine anderen Augen zuvor. Der Junge war scharf. Und nicht auf chinesische Art und Weise.
"Püppchen, das weißt du doch.", mehr sagte er nicht, schwieg. Ich fragte, was ich hier machte, doch er lachte nur böse und dann kamen andere, viele, und alle starrten mich unverschämt an, als ob ich eine Barbiepuppe wäre. Nein, eigentlich wie etwas zu Essen.
Der eine kam auf mich zu, er stank nach Schweiß, war ungepflegt und hielt seinen schmatzenden Mund an mein Ohr, in das er flüsterte: "Süße, da hat er nicht zu viel versprochen."
Ich wusste, dass das eine Drohung war, eine unausgesprochene. Und ich schrie.
Heftig keuchend saß ich kerzengrade in meinem Bett und hörte Schritte, sowie Licht, welches im Flur angemacht worden war.
Akinna saß neben mir und drückte meine Hand, während sie mich anstarrte. Als die Tür mit einem Knallen aufging, zuckte sie noch nicht einmal um die Augenpartie herum und starrte weiterhin zu mir, ohne zu blinzeln.
Meine Mutter stürzte auf mich zu und schloss mich in die Arme, während sie mir durch die Haare wuschelte, da sie dachte, es würde mich beruhigen.
"Warum hast du geschrien? Was ist passiert?" Ich öffnete den Mund, um zu antworten, jedoch kam kein Ton heraus und ich musste mich einmal geräuschvoll räuspern, damit ich wenigstens leise reden konnte. Ich erzählte ihr, dass ich nur einen ziemlich schrecklichen Albtraum gehabt hatte, der mir ziemlich real vorkam und mich völlig in Panik versetzt hatte. Akinna drückte derweil meine Hand und ich lächelte ihr zu, wobei ich mir ziemlich blöd vorkam, da Aki zum ersten Mal bei mir geschlafen und ich mich gleich vor ihr blamiert hatte. Jetzt würde sie bestimmt allen erzählen, dass ich ein wenig wirr im Kopf war und mitten in der Nacht schrie, weil ich Albträume hatte.
Mama machte uns warme Kakaos zum Einschlafen, die wir gehorsam austranken.
Danach quatschten wir noch über Mädchenzeugs, weil ich nicht einschlafen wollte und sie es nicht konnte.
"Wollen wir noch einen Film schauen?", fragte ich sie im leisen Flüsterton und Aki nickte, welches ich im schwachen Lichtschein nur schwer erkennen konnte.
Sie stand auf und ging zur Tür, ich folgte ihr in Trippelschritten und wir öffneten die Tür und schlichen uns hinunter ins Wohnzimmer, da da unsere DvDSammlung war.
Als ich auf ein loses Brett trat und es quietschte, zog ich Akinna zur Seite, obwohl ich selbst noch nicht einmal wusste warum.
Dann hörten wir zwei schwere Schritte und einen Atem, der leise und gleichmäßig ging.
Ich unterdrückte ein Quietschen und drückte meine Hand blitzschnell auf Akinnas Mund, damit sie uns nicht verriet. Mit der anderen drückte ich ihre rechte Hand, damit sie merkte, dass wir schon rauskommen würden. Ich wusste zwar nicht wie und hatte auch keinen Plan, aber momentan musste ich Aki und mich soweit retten, wie es mir möglich war.
Ich zog sie immer weiter Richtung Wand, als mir ein Gedanke in den Sinn kam: Das konnte nicht nur einer sein, das müssten mehrere sein und sie würden an den Wänden stehen. Außerdem hatten wir ein Problem: Wenn sie das Licht anmachen würden, würden sie uns sofort sehen.
Fieberhaft dachte ich nach, welche der zwei Durchgänge wohl schneller zu erreichen wäre.
Ich entschied mich für den, durch den wir nicht gekommen waren, und stupste Aki in die Seite. Sie folgte mir auf den Spitzen ihrer Zehen und so leise wie möglich bewegten wir uns auf den Durchgang zu.
Doch ich blieb plötzlich abrupt stehen, da nicht zwanzig Zentimeter von mir entfernt jemand heftig geatmet hatte. Akinna schrie und ich bemerkte so nebenbei, dass sie es auch gehört haben musste. Schritte kamen auf uns zu, umzingelten uns. Wir saßen in der Falle.
Und Akinna schrie weiter und weiter. Warum hörten meine Eltern sie nicht und kamen, um uns zu retten?!
Eine Träne rollte über meine Wange. Man kam nicht mit vielen Komplizen, um etwas Wertvolles zu stehlen - man kam, um jemanden mitzunehmen.
Granny war also doch nicht verrückt.
Granny!
Ich spielte mit dem Gedanken, Aki loszulassen und zum Telefon zu hechten, doch mir wurde bewusst, dass ich somit ihr Leben aufs Spiel gesetzt hätte. Und dann tat ich etwas unglaublich dummes: Ich zog Aki wieder mit mir, ließ sie nur kurz los, um einen Typen von Schrank an die Seite zu schieben, dem ich zuzischte: "Verpiss dich."
Dann bewegten wir uns auf den Lichtschalter zu und ich drückte ihn.
Als ich mich umdrehte, war niemand mehr da. Die verrutschte Blumenvase auf dem Couchtisch war der einzige Beweis, der mir half, mich nicht selbst für verrückt zu erklären. Aki stand mit weit aufgerissenen Augen da, zitterte am ganzen Körper und war schneeweiß, trotz dass sie normalerweise ziemlich braun war.
Meine Arme legten sich wie selbst um sie und dann rollten ihre Tränen und schienen nicht zu versiegen. Eine Stunde und etwas mehr standen wir da, ich versuchte sie zu beruhigen. Ich würde ihr erzählen müssen, dass dies nur ein böser und ziemlich realer Traum gewesen sein musste. Ich nahm eine Komödie. die uns zwar kein bisschen aufheitern würde und wir gingen wieder ins Bett. Lange lag ich noch wach, legte mir eine Erklärung zurecht, wie ich es ihr erklären sollte. Würde sie mir glauben oder denken, ich würde sie anlügen? Ich könnte ihr erzählen, es wäre bestimmt ein Traum gewesen, den ihr Unterbewusstsein aus einem Teil meines Albtraums gesponnen hatte.
Könnte es klappen? Wenn nicht, hätte ich ein großes Problem. Doch wer sollte ihr glauben, wenn ich der Geschichte nicht zustimmen würde und da Mama, Papa und Aliya nichts gehört hatten, würde es ihr niemand glauben.
Ermüdet ließ ich meinen Kopf in das flauschige Kissen sinken, das sich anfühlte wie eine Wolke. Meine Decke zog ich mir hoch, doch das Zittern hörte nicht auf.
Und erst recht nicht, als es knartschte.
Einbildung Alency, Einbildung.
Keine Einbildung. Der Türgriff erbebte und wurde runtergedrückt, die Tür öffnete sich wie von Geisterhand.
Sommerwind des Herbstes
Nachdem ich am nächsten Morgen aufwachte, löste ich behutsam Aliyas Arme von mir und schob ihr ein Kuscheltier hin, welches sie sofort heftig umklammerte. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht und ich sah hinunter auf Akinna, die schon wach lag und nicht sehr erfreut aussah. Jetzt würde wohl meine Erklärungsstunde kommen, dachte ich bei mir selbst und deutete lautlos auf die Tür.
Ich stand auf und Aki folgte mir, wir gingen hinunter und in die Küche. Meine Eltern teilten mir und Aliley auf einem Zettel mit, dass sie bis zum Nachmittag weg sein würden und wir uns was bestellen durften zum Mittagessen, falls wir keine Lust hatten, uns etwas zu kochen.
Unmerklich nickte ich und machte mir und Akinna Cornflakes, die wir auch zügig aßen. Aki hatte tiefe Augenringe und ich konnte es ihr nicht verübeln, ich sah wahrscheinlich nicht besser aus.
Dann räusperte sie sich und fing an mit mir zu reden: "Was war denn das gestern Nacht?" Ihre Stimme war piepsig, brachteilweise kurz ab und ließ manche Buchstaben anders als andere klingen, sie hörte sich gar nicht mehr so selbstbewusst an, wie sonst. Ich schaute sie verwirrt an und meinte dann nur kurz, dass ich einen Albtraum gehabt hätte.
"Als wir eine DVD holen gegangen sind, da waren hier Leute, Alency, du warst dabei!", verzweifelt blickte sie mich an und ich unterdrückte den Drang, ihr Recht zu geben und erklärte nur, dass ich alleine hinuntergegangen war, eine DvD geholt hätte und wieder hochgekommen wäre, sie jedoch schon geschlafen hätte und sich umherwälzte. "Du hattest wahrscheinlich einen Albtraum.", beendete ich meine ausgedachte Erzählung und tauchte meinen Löffel nocheinmal in die Milch und aß weitere Cornflakes.
"Es war doch so ... real.", sie machte eine kleine Pause und ich nickte ihr zu, sagte, dass mein Traum davor auch real war und dass sich ihr Unterbewusstsein diesen Traum aus Teilen aus meinem Traum gesponnen hatte, womit sie sich zufrieden gab.
Wir warteten bis Aliya aufgestanden war, gefrühstückt hatten und gingen dann hinaus. Zum Mittagessen kochte ich, da wir alle nichts bestelltes haben wollten und es gab Lasagne. Aliya und ich liebten Lasagne und Akinna mochte sie auch, somit gab es kein Essensproblem und alle waren glücklich. Ich machte mir jedoch weiterhin Gedanken darüber, was letzte Nacht geschehen war. Ein Schauer lief mir über den Rücken bei der Vorstellung, es könne noch einmal geschehen. Gut schlafen würde ich nicht mehr können, das wusste ich jetzt schon. Guter Schlaf adieu.
Genervt verdrehte ich die Augen und ließ den Tag auf mich zu kommen.
Nachdem das Essen gegessen war, gingen wir noch in den Garten und ich ließ die Sonnenstrahlen auf meiner Haut spielen, tanzend über mein Gesicht gleiten und genoss es.
Dieser Tag würde ruhig bleiben, das spürte ich, als sich eine mollige Wärme in mir ausbreitete. Ich lächelte, grinste schon fast der Sonne entgegen und fühlte mich pudelwohl.
Nichts würde diesen Tag, der heute stattfand, mir vermiesen und ich hatte nur noch eine Aufgabe vor mir, die aber schnell in den Hintergrund rückte. Grandma hatte sich vertan, ich schwebte nicht in Gefahr, nichts würde passieren.
Ich stand auf und tapste auf die Schaukel zu, die in unserem Garten stand. Ein leichter Windhauch umspielte meine nackten Beine, ließ das lilane Kleid um sie flattern und brachte ein wenig Kühle mit sich, die bereitwillig entgegengenommen wurde. Die Haare waren zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden und ich war froh darüber, dass sie mir nicht um die Ohren wirbelten.
Dann stutzte ich.
Die letzten Tage waren so herbstlich und kalt gewesen, dass ich mich immer dick eingepackt hatte und jetzt war es über zwanzig Grad warm? Was Mutter Natur sich wohl dabei gedacht hatte? Ich schüttelte diese Gedanken ab, war einfach froh über einen warmen Tag, den mir der Himmel geschickt haben musste und ich genoss ihn.
Ich vergaß alles um mich herum und schrak ziemlich zusammen, als mir jemand auf die Schulter klopfte.
"Was?", schrie ich hyterisch, rechnete mit dem Schlimmsten, doch es war nur Aki, die mir mitteilte, dass sie abgeholt wurde.
Wir verabschiedeten uns und dann setzte ich mich aufs Gras, dachte darüber nach, was ich noch machen könnte und mir kam eine Idee.
Schnell war das Telefon an meinem Ohr und die Nummer gewählt.
"Gran?", wisperte ich, als mein Telefon mir deutete, dass abgehoben wurde.
Ich wiederholte mich noch ein paar mal, dann ertönte Grans Stimme: "Lauf weg, komm zu mir Kind!"
Danach war die Leitung tot.
Gran!
Ich hastete völlig überstürzt ins Haus, jedoch wurde mir bewusst, dass sie vielleicht nur verwirrt war, deshalb versuchte ich mich wieder zu entspannen und rief Cassy an.
Schnell stimmte sie mir zu und ich lief in mein Zimmer zu meinem Kleiderschrank, um mich zum Ausgehen aufzuhübschen.
Dunkelheit
"Nein!", meine Stimme überschlug sich, als ich schrie. Meiner Kehle entweichte ein schrilles Kreischen und ich zitterte unübersehbar. "Lass mich in Ruhe!", meine Stimme hallte von den Wänden der kleinen Gasse wider, die ich zu meinem Fluchtweg auserkoren hatte. Erst jetzt bemerkte ich, wie die Tränen an meinen Wangen runterliefen und von meinem Kinn aus auf den Boden tropften.
Der Abend war so schön gewesen, ich war mit Cassy in einem Club gewesen, hatte mich jedoch schon früher verabschiedet, weil ich gegenüber Aliley ein schlechtes Gewissen hatte, immerhin war ich einfach gegangen und hatte sie zu einer ihrer Freundinnen geschickt.
Doch nun hastete ich völlig verwirrt zum anderen Ende der Stadt, hoffte, dass sie nicht in unserem Haus gewesen und Aliya was angetan hatten. Doch war meine Sorge nicht unbegründet? Immerhin war es wahrscheinlich nur ein Taschendieb, den gab es hier ziemlich oft und er würde nicht wissen, wo ich wohnte. Das könnte nur ein Stalker oder jemand wissen, der mich gut kennt, denn meine Adresse gab ich nicht frühzeitig raus.
Ich war mir bewusst, dass ich besser stehen bleiben und meine Handtasche ausliefern sollte, doch irgendein Instinkt trieb mich dazu, meine Beine weiter und weiter rennen zu lassen, ohne darauf zu achten, dass die Seitenstiche, die ich seit fünf Minuten hatte, mich umbringen würde. Zu allem Überfluss stolperte ich jetzt auch noch und war schon darüber erstaunt, wie schnell ich doch in High Heels laufen konnte, doch für solche Gedanken hatte ich keine Zeit. Ich versuchte mich aufzurappeln, doch der Abstand zwischen meinem Verfolger und mir hatte abgenommen und so wagte ich keinen Blick zurück, um zu sehen, wer mein Jäger war.
Das Klackern meiner Absätze erschien mir ungewöhnlich laut und ich wunderte mich, dass niemand mehr auf den Straßen waren und keiner mein unmenschliches Kreischen hörte. Mein Atem wurde schneller, genau wie mein Herzschlag, doch das, was mich trieb war nicht stark genug und obwohl ich eine gute Ausdauer hatte, konnte ich nicht mehr, trotz allem Adrenalin in meinem Körper. Mein Blut rauschte in meinen Ohren und ich konnte nur noch nach Luft schnappen, so wie ein verdurstender Hund Wasser schlabbern würde.
Ich schickte ein kurzes Stoßgebet zum Himmel, jedoch hatte Gott mich wohl auf dem Kieker, denn nach weiteren endlos scheinenden Sekunden knickte ich um und fiel hin. Mein Blick glitt in die Richtung, aus der ich gekommen war und ich saß wie vom Donner gerührt da. Mein Verfolger joggte langsam auf mich zu, ein hämisches Grinsen auf dem Gesicht, von dem ich mehr nicht erkennen konnte, da die Dunkelheit den Großteil davon verschluckte, kam immer näher und ich konnte mich nicht bewegen. Ich war ihm ausgeliefert und er sah nicht wie ein normaler Kleinkriminelle aus, der hatte schon mehr auf dem Kasten.
Panisch kniff ich die Augen zusammen und flüsterte leise Worte in den Wind: "Nein, bitte nicht. Bitte lassen Sie mich in Ruhe, bitte."
Ein tiefes Lachen erfüllte die Luft, ließ alles noch gefährlicher erscheinen. Zentimeter um Zentimeter schob ich mich rückwärts und hoffte nur, in die richtige Richtung zu rutschen. Als ich gegen etwas Hartes stieß, erschrak ich mich zuerst, merkte jedoch nach kurzem Tasten, dass es eine Hauswand war.
Zehn Meter trennten mich und ihn nur noch und panisch sah ich mich nach einem Hauseingang oder etwas in der Art um, zu meinem Glück befand sich einer zwei Meter links von mir.
Ich stand so schnell wie möglich auf und hechtete dahin, fing an, Sturm zu klingeln.
Plötzlich packte mich etwas am Arm, quetschte mir den ziemlich zusammen und zog, so dass ich mich schnell mit der einen Hand fest am Türgriff krallte.
"Du kommst jetzt schön mit!", hauchte mir die tiefe Stimme ins Ohr und ich stieß einen Schrei aus und ließ den Türgriff los, um noch einmal auf die Klingel zu drücken.
Mit Scwhung schwang die Tür auf und eine müde aussehende Frau stand davor, schaute mich ziemlich verärgert und genervt an, doch als sie meinen Gesichtsausdruck sah, packte sie meinen freien Arm.
In dem Moment, in dem sie mich berührte, ließ mein Verfolger los und wenige Sekunden später fuhr ein Auto mit rasender Geschwindigkeit an uns vorbei.
Verwundert fragte mich die Frau, was los sei und ihre braunen Haare wippten hin und her.
"Ich ... ich wurde ... Oh mein Gott! Ich wurde verfolgt!", realisierte erst jetzt, was eigentlich geschehen war.
Texte: Handlung und Figuren sind meine.
Tag der Veröffentlichung: 21.01.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Alice, danke für das Cover und danke, dass du mir als erste deine Kritik gegeben hast.