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Vorwort



Der leblose Körper glitt aus meinen Händen, fiel auf den Boden unter mir.
Das Laub unter ihm wurde zerdrückt, und die Blätter neben dem leblosen Körper wurden aufgewirbelt.
In diesem Moment fühlte ich mich stark, unendlich stark, ich vergaß alle Sorgen um mich herum.
Alles was mir Trauer berreitete, war aus meinem Kopf gestrichen, für den einen Moment.
Als hätte es diese Erinnerungen nie gegeben.
Mit einem Lächeln auf den Lippen sah ich mich um.
Irgendwo musste es doch noch einen geben?
Doch der Rausch in meinem Kopf verschwand allmählich wieder.
Angeekelt sah ich auf meine Finger, auf denen Blutspuren waren, genauso wie auf dem Boden.
Ich war ein Monster!
Ein abscheuliches Monster!
Und dann kam der Schmerz, kroch langsam und qualvoll in mir hoch.
Ich brach in Tränen aus.
Er war Schuld. Nur er allein!


1. Kapitel



Langsam blätterte ich durch die Bücher.
Meine Augen glitten in Windeseile über die Buchstaben hinweg.
Und dann musste ich lachen.
Diese Vampirbücher brachten mich wirklich immer wieder zum lachen.
Wehmütig schwoben meine Gedanken weg.
Ryan.
Er war so mutig, so ...
"Josina! Gedenkst du dich auch mal hier unten blicken zu lassen? Wir müssen bald los."
Ich verdrehte die Augen. Schnell zog ich mich an und lief ins Bad, um mich fertig zu machen. Der Spiegelbild zeigte mein Abbild, meine blonden Haare, die mir bis auf die Schultern fielen, meine grünen Augen und meine blasse Haut.
Das stimmte wohl oder übel bei all den Geschichten mit der blassen Haut.
Ich sah aus, als ob ich süße 16 wäre, und nicht 112, obwohl das kein beachtliches Alter war.
Ryan war immerhin schon 226 gewesen, und hatte vor mir zahlreiche Partnerinnen.
Nachdem ich mich in Windeseile fertig gemacht hatte, lief ich hinunter, und kam knapp vor Tamila zum stehen.
"Ich bin ja schon fertig."
Mein Pausenbrot hatte ich schnell in meiner Tasche verschwinden lassen, und war schon dabei mir meine Jacke an zu ziehen, als meine Mutter durch die Tür kam.
"Guten Morgen Schatz."
Sie lächelte mich an.
"Ja, morgen Mum." Schnell lief ich nach draußen, um so schnell wie möglich zu verschwinden, da sie mich wahrscheinlich wieder mit langen Geschichten voll geredet hätte, wenn ich noch drinnen stände.
"Tschüss Darina!", Tamalia verabschiedete sich von meiner Mutter, und kam dann zu mir nach draußen.
"Jetzt müssen wir uns beeilen!", grummelte ich, doch Tami fing an zu lachen:"Mit dir kommen wir nie zu spät!"
"Mit dir doch auch nicht!"
Sie nickte nur kurz, und schon waren wir an der Bushaltestelle angekommen.
Lange mussten wir nicht warten, denn der Bus kam kurz nach unserer Ankunft.
Langsam gingen wir durch den Ziamonikerbus zur hintersten Tür, und stellten uns dahin.
Der Bus fuhr los, und die Landschaft zog an uns vorbei, als ein Junge von 16 Jahren in mein Blickfeld trat, und sich mir zuwandte.
"Hallo, ich bin Jason!" ,stellte er sich freundlich vor, doch ich antwortete nur kurz: "Ja, hallo. Ich bin Josina."
Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
"Achso, du bist eine der Neuen! Schön, dich kennen zu lernen. Du hast übrigens einen sehr schönen Namen."
Genervt verdrehte ich die Augen, doch er sah es nicht.
"Ja, scheint wohl so. Tamila, wann soll ich dir die Stadt zeigen?"
Zum Glück verstand Tamila mich, und wir begannen angeregt uns zu unterhalten.
Jason schien enttäuscht, und ging langsam wieder zurück zu seinen Freunden.
Nach und nach näherten wir uns der Schule, und endlich kamen wir an.
Die Schule war nicht sehr hübsch von außen, sie hatte einen kleinen Pausenhof und drei große Gebäude. Auch schien sie schon sehr alt zu sein, aber ich wusste ja, dass es sie schon seit über 350 Jahren gab. Meine Urururgroßeltern waren immerhin auch schon auf dieser Schule gewesen. Die Außenwände waren nicht sehr schön an zuschauen, und die Fenster sahen auch aus, als ob sie mal wieder eine Reinigung vertragen könnten.
Tamila und ich gingen hinein, sie sah sich neugierig um.
Nachdem wir unsere Stundenpläne und Schulbücher aus dem Sekretäriat geholt hatten, stellten wir fest, dass wir die erste Stunde nicht zusammen hatten.
Ich musste zu Französich, und sie zu Latein.
Gleich in der ersten Stunde würden wir getrennt sein, aber danach hatten wir zusammen Mathe.
Als ich in den Klassenraum trat, richteten sich die meisten Blicke auf mich, doch ich ignorierte sie, so gut es ging.
Die Gespräche fingen langsam wieder an, und schon bald war der Raum wieder voll von einem Stimmengewirr.
Nun ging die Tür auf, und Jason kam herein.
Er steuerte direkt auf mich zu, und warf lässig seinen Rucksack auf den Platz neben mir.
Anschließend bemerkte er meinen Blick, und merkte an, dass es freie Platzwahl gab.
"Ja, ist klar.", grummelte ich leise, doch er schien es nicht gehört zu haben. Oder er wollte es nicht hören!
Hiernach betrat eine kleine, etwas rundlichere Gestalt den Klassenraum.
Er gab keine Begrüßung, und schrieb sofort seinen Namen an die Tafel.
Herr McCoullough.
Danach ging er die Anwesenheitsliste durch, und blieb bei meinem Namen stehen.
"Josina Lyall?!"
"Anwesend."
"Irgendwo her kenne ich den Namen. Habt ihr früher schon hier gewohnt?"
"Ja. Meine Großmutter hat hier gewohnt."
"Ah, du bist die Enkeltochter von Felicia? Und die Tochter von Darina?", schlussfolgerte er.
"Ja."
Er wusste ja nicht, wie es wirklich war, nachdem meine Großmutter hierhin zog.
Sie hatten gesagt, dass meine Mutter bei meinem Vater leben würde, obwohl sie die ganze Zeit woanders war.
Als dann vier Jahre vergangen waren zog meine Mum hierhin, doch sie wohnte nicht lange hier.
Bald darauf wurde sie mit mir schwanger, und nach 16 Jahren kamen wir wieder hierhin. Vor ein paar Tagen.
So war jedenfalls die Geschichte, die wir den Leuten erzählten.
Meine Mutter sah wie 18 aus, als sie hier weg ging, doch da gab es mich auch schon, obwohl alle dachten sie sei erst danach mit mir schwanger geworden. In der Zeit hatte ich in Frankreich mit Tamila gelebt.
Und schon fing der Unterricht an, der schnell verging.
Als ich aus dem Raum trat sprach mich ein Mädchen an.
Sie hatte schwarze Haare, grüne Augen und war leicht blässlich. Recht hübsch an zuschauen.
"Hallo, ich bin Saraya, und du bist Josina?!", sie sagte meinen Namen so, als ob er Abfall wäre, und ihr Blick war herablassend.
Na toll, eine Schulzicke. Das konnte ich ja echt gut gebrauchen.
"Ja, die bin ich wohl. Oder seh ich aus, als ob ich wer anders wäre?", gab ich genervt zurück.
"Sei doch nicht gleich so zickig!"
"Ich bin soviel zickig wie ich will.", mit diesen Worten wand ich mich ab, und ging Tamila entgegen, die schon in meiner Sichtweite war.
Zusammen liefen wir zum Mathematikraum, und setzten uns dort zusammen an einen Tisch.
Tamila blickte erfreut drein, da Mathe ihr Lieblingsfach war.
Auch diese Stunde verging, und auch der Rest des Schultages war schnell vorüber.
Leider musste ich ihr bald die Stadt zeigen, worauf ich keine Lust hatte.
Im Bus schloss ich die Augen und es blitzte schwarz auf.
Nebelschwaden stiegen auf, die Erinnerungen an diese eine Nacht tauchten vor meinen Augen auf.
Tränen stiegen mir in die Augen, und in Gedanken schrie ich immer wieder 'nein',
"Hey ... Josina! Josina! Alles in Ordnung? Josina!"
Jemand schüttelte mich leicht.
Ich riss die Augen auf.
"Ryan?", fragte Tami mitfühlend.
Ich nickte und blickte verstohlen zu beiden Seiten.
Hoffentlich hatte das niemand mit bekommen!
"Niemand hat es mit bekommen!", sagte Tamila, die meine Gedanken zu lesen schien.
Ich lächelte sie an, dann stiegen wir aus, und gingen nach Hause.
Dort begrüßte Darina uns herzlich und jeder ging seinen eigenen Dingen nach.
Doch dann erinnerte Tamalia mich daran, dass ich ihr die Stadt zeigen wollte, und so begaben wir uns auf den Weg zur Stadt.
Dort zeigte ich ihr alles, doch meinen Lieblingsplatz, einen alten Brunnen am Ende der Stadt verdeckt von einer Baumreihe, zeigte ich ihr nicht.
Der würde für immer nur mir gehören, da ihn niemand entdecken würde, der nicht weiß, wo er ist.


2. Kapitel



Langsam streckte ich die Hand aus, berührte das Blätterwerk.
Ein leises Rascheln ertönte, und in kurzer Zeit lösten sich die verschlungenen Blätter von einander, und gaben den Eingang ein.
Der Brunnen stand dort, in der Mitte des kleinen Platzes, wie in einem Märchen.
Grünes Pflanzengewirr zog sich rings um den Brunnen, und überall standen Blumen in voller Pracht.
Es war einfach wunderschön.
Dann lief ich mit kleinen Schritten auf den Brunnen zu, und gerade als ich ihn erreichte, schloss sich die Blätterpracht hinter mir wieder.
Ich würde meine Ruhe haben.
Keine Tamalia, keine Darina und auch niemand sonst.
Kein Ryan.
Meine Gedanken trieben ins Negative ab, und ich hielt sie zurück, denn ich wollte mir den Tag nicht verderben.
Gemächlich drehte ich die Kurbel, und nach einiger Zeit tauchte der Eimer aus der Dunkelheit des Brunnenschachtes auf, das Wasser glitzerte leicht im Sonnenlicht.
Als er in Griffweite war, hievte ich ihn hoch auf den Brunnenrand.
Nun schien das Wasser in allen Farben zu leuchten, und es glitzerte mit der Sonne um die Wette.
"Vraiment très beau.",wisperte ich leise vor mich hin.
Meine Hände bewegten sich auf das Wasser zu, und in kurzer Zeit durchbrachen sie die Wasseroberfläche, durchbrachen das Glitzern und Funkeln.
Nachdem ich meine Hände wieder aus dem Brunnenwasser gezogen hatte, trocknete ich sie an meiner Hose ab und nahm den Eimer, den ich vom Brunnenseil gelöst hatte, in beide Hände, um zu den Blumen zu gehen und sie zu gießen.
Tropfen für Tropfen platschte das Wasser nieder auf die Blumen, mal mehr und mal weniger. Fast immer im gleichen Rythmus.
Leise fing ich an zu summen, und ein Lächeln trat auf meine Lippen.
Es war einfach zu schön, um nicht wundervoll gelaunt zu sein.
Nachdem ich alle Blumen gegossen hatte, befestigte ich den Eimer wieder am Seil und ließ ihn runter.
Die Sonne wurde von Wolken verdeckt, und ich ging wieder zu dem Blättertor, damit ich nach Hause gehen konnte.
Das Tor öffnete und schloss sich hinter mir, und ich wand mich Richtung Wald.
Besonders langsam tat ich einen Schritt nach dem anderen vor, und so dauerte es seine Zeit, bis ich den Wald erreicht hatte, und zwischen den Stämmen verschwinden konnte.
Durch den Wald flog eine leichte Brise, und soweit ich außer Sichtweite des Waldrandes war, lief ich los.
Menschliche Augen hätten mich nicht sehen können, Augen von Vampiren schon.
Aber nur von den reinblütigen Vampiren.
Doch in diesem Städtchen war kein anderer Vampir derzeit unterwegs, sonst hätten wir es schon erfahren.
Ich beschleunigte mein Tempo, bis ich an unserer Haustür stand, und da diese auch von innen geöffnet wurde, raste ich einfach mitten ins Wohnzimmer, indem ich stehen blieb.
Zufrieden blickte ich auf die große Uhr, die im Wohnzimmer hing, und bemerkte, dass ich nur 14 Sekunden gebraucht hatte.
Die Tür des Wohnzimmers öffnete sich langsam und Darina trat ein.
"Josina! Du kannst hier doch nicht einfach so rein laufen! In der Küche sitzt Besuch, und die denken, du wärst nicht zu Hause!"
"Ist ja schon gut, ich komme einfach von vorne noch einmal herein."
"Wo warst du überhaupt?!"
"Mum, es geht dich garnichts an wo ich war, aber damit du glücklich wirst, ich war im Wald."
Ganz gelogen war das ja nicht.
Sie drehte sich nur um und ging wieder in die Küche.
Nachdem die Tür geschlossen war, blinzelte ich kurz, und öffnete die Tür des Wohnzimmers.
"So liebe Mutter, jetzt komme ich durch die Vordertür."
Doch sie sah nur den Besuch an. Mehr konnte sie ja auch nicht.
Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen, sie konnten alle nichts gegen mich tun.
Die Haustür öffnete ich auch langsam, und trat hinaus an die frische Luft.
Dann ging ich wieder auf den Wald zu, und blinzelte noch einmal.
Nun konnte ich kommen.
So kam ich langsam aus dem Wald heraus geschlendert, direkt auf die Haustür zu, und klingelte.
Darina öffnete, und ich trat ein.
"Hallo Josina."
"Hey Mum."
"Das sind Elias Stine, Finn Havington und Daniel Winchon.", stellte meine Mum den Besuch vor.
"Guten Tag.", begrüßte ich sie höflich und schüttelte jedem die Hand.
"Setz dich doch zu uns."
Und auf den Wunsch meiner Mum setzte ich mich hin.
Die Besucher redeten mit meiner Mutter über alles mögliche, und ich war froh, als ich mich nach einer halben Stunde entschuldigen konnte, mit der Ausrede, dass ich noch Hausaufgaben machen müsse.
In meinem Zimmer angekommen machte ich natürlich keine Hausaufgaben, sondern holte das Fotobuch unter meinem Bett hervor und blätterte die Bilder durch.
Vor neun Jahren waren sie aufgenommen worden.
Die meisten Bilder bildeten mich und Ryan ab.
Und dann platschte, wie eine Regentropfe, eine Träne auf die Fotofolie.
Schnell klappte ich das Büchlein zu, damit ich es mit meinen Tränen nicht ruinierte.
Eine salzige Träne nach der anderen kullerte nun meine Wange hinunter.


3. Kapitel



Der Tag verging, ein anderer kam.
Am liebsten hätte ich es getan, wäre dann einfach fort gelaufen, doch so einfach war das nicht. Vor der Vergangenheit konnte man nicht weglaufen.
In der Schule angekommen saß ich auf meinem Platz, lange bevor die Anderen eintrudelten.
Ich beobachtete das Geschehen um mich herum, und fragte mich, wie Menschen wohl lebten. Ich meine, ich war ja noch nie einer. Ich müsste Tami wohl mal fragen, wie es als Mensch so ist, wenn sie sich denn daran erinnern konnte.
Doch das würde ich erst zu Haus' tun, da wir hier umgeben von einer Menschenmasse waren.
Mr Robinson, unser Englischlehrer, betrat den Raum, gefolgt von einem Schüler.
Mein Blick schweifte kurz über dessen Gesicht, und setzte seinen Weg fort. Als ich ihn das zweite Mal mit meinem Blick streifte, sah ich genauer hin.
Er war schön.
Braune Haare, haselnussbraune Augen, leicht gebräunt und er sah sehr muskulös aus.
Mr Robinson sagte ihm gerade, er solle sich einen Platz aussuchen, als sein Blick auf meinen und Tamilas Tisch fiel.
Doch seine Aufmerksamkeit galt nicht mir, sondern ihr, dann lächelte er sie an und sie lächelte zurück.
Anschließend setzte er sich hin, und passte artig auf. Vielleicht hatte ich doch noch eine Chance?
Josina, ermahnte ich mich in Gedanken, es war nur ein Blick und ein Lächeln, mehr nicht. Das wird schon nichts weiteres bedeuten.
Nach und nach kehrte eine innere Ruhe in mir ein, und ich konzentrierte mich auf den Stoff, den ich schon öfters gehört hatte.
Aufeinmal packte mich etwas, und ließ mich aus dem Unterricht laufen, über das Schulgelände in den angrenzenden Wald. Als ich endlich wieder selbst bestimmen konnte, wohin ich gehen wollte, kam eine düstere Gestalt hinter den Bäumen hervor.
"Hallo Josina."
Ich starrte ihn ungläubig an, das konnte doch nicht sein oder? Wie konnte er nach so langer Zeit wieder auftauchen?
Wir hatten uns das letzte Mal vor 24 Jahren gesehen, und da auch nur ein paar Minuten, und jetzt tauchte er aufeinmal hier auf?
"Wieso machst du das?! Hättest du nicht bis zur Pause warten können?! Jetzt muss ich den Lehrern auch noch Erklärungen für mein plötzliches Verschwinden abliefern. Und jemanden dazu zwingen zu dir zu kommen ist nicht nett, dass solltest du doch inzwischen gelernt haben!", herrschte ich ihn an.
"Ich wollte dich nur wiedersehen.", seine Antwort fiel kurz aus.
"Ich hab dich so vermisst!"
"Ich dich doch auch!"
Ich stürzte ihm entgegen und fiel ihm in die Arme. Dann sah ich ihn genauer an.
"Du siehst müde aus.", stellte ich fest.
"Ich bin nie müde, dass müsstest du doch wissen.", erwiederte er nur.
Ich lachte leise auf. "Wie geht es dir?" "So wie immer, und dir?" "Ich ... mir geht es gut."
Krampfhaft versuchte ich ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern, doch es funktionierte irgendwie nicht.
"Was ist denn los?"
"Nichts..."
"Sag es mir!"
Ich seufzte und sagte nur kurz: "Ryan."
"Was ist mit ihm?"
Ich starrte ihn nur fassungslos an. Was war den mit ihm los?!
"Ryan ist doch tod.", brachte ich leise hervor.
Nun war er an der Reihe mich fassungslos anzuschauen.
"W...was? Nein. Wann?"
"Vor neun Jahren."
"Das ... das kann nicht sein. Deswegen hab ich ihn nirgendwo gespürt. Warum hat mir niemand Bescheid gegeben?"
"Ich dachte, dass hätte jemand."
"Warum starb er?!"
"Wegen mir."
Er starrte mich noch fassungsloser als vorher an: "Das kann nicht sein. Erzähl es mir! Bitte, erzähl mir die Geschichte!"
Ein paar Minuten wand ich mich innerlich, woltle diese Szene nicht ausgraben, die ich so tief vergraben hatte. Sollte ich es ihm erzählen, oder nicht? Es war sein gutes Recht, denn schließlich war er sein Bruder.
"Na gut, Dylon, ich erzähle sie dir. Aber erst ... erst nach dem Unterricht. Wir treffen und hier um 13.20 Uhr, O.K.?"
Er nickte nur, dann war er verschwunden.


4. Kapitel



Die Schulklingel erlöste mich von dem langweiligen Stoff, und ich sagte Tami, dass ich allein sein wollte. Sie nickte nur und verschwand.
Unbemerkt von den anderen Schülern verschwand ich in dem Wäldchen, in dem Dylon schon auf mich wartete.
"Du bist gekommen."
"Natürlich."
Ich führte ihn durch verschlungene Wege, damit auch niemand uns folgte, und stand bald darauf schon vor der Hecke. Meine Fingerspitzen berührten die Blätter sanft, und sie öffneten sich für mich.
"Du bist der Erste der es sieht.", murmelte ich.
Als ich mich zu ihm umdrehte, schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Er staunte über diesen wunderschönen Ort, der wie aus einem Märchen entsprungen zu sein schien.
Langsam ließ ich mich auf den Boden nieder und setzte mich im Schneidersitz hin. Er tat es mir nach.
"Nun fang mit der Geschichte an ... Bitte."
"Na gut. Es war vor neun Jahren ... vor neun langen Jahren.", begann ich, und wurde schon von einem kommenden Tränenbach abgehalten weiter zu erzählen. Er hatte mir alles bedeutet. Alles und noch mehr.
Ich erzählte und erzählte, und stockte immer mal wieder.
"Tamila und Darina haben mich nach Haus begleitet, und es hat schon drei Jahre benötigt, um mich zum Sprechen zu bringen.", endete ich und erschauderte bei der Erinnerung.
Danach hatte ich wirklich drei Jahre lang kein Wort gesagt, hatte nur so viel zu mir genommen, wie ich benötigte - das hieß, dass ich fast garnichts zu mir nahm in der Zeit.
"Das ist eine sehr traurige Zeit für uns alle.", dann stockte er, als ihm etwas einfiel. "Sagtest du neun Jahre ist es her?!"
Ich nickte nur und blinzelte die Tränen weg, um in sein erschrockenes Gesicht zu schauen.
"Das heißt ... das heißt ... Heißt es das?"
"Ja, so ist es."
Er starrte mich fassungslos an.
"Aber Josina, das kannst du ... das geht doch nicht!"
"Natürlich. So ist es nun einmal, und daran ändert sich nichts."
"Natürlich, natürlich.", er sah erschüttert aus.
Dann versuchte ich vom Thema ab zulenken, da es nicht sehr angenehm war: "Dylon, wie lange bleibst du bei uns?"
"Ich fürchte nicht lange, du weißt doch, ich bin immer auf Reisen."
"Ach richtig. Kannst du nicht noch ein bisschen bleiben?"
"Ich bleibe heute, und ich komme in einem knappen Jahr wieder, ja? Die nächste Reise hierher wird für mich die Letzte hierher sein. Und außerdem steht Lucinda vor dem Städtchen und wartet auf mich, sie wollte nicht mitkommen."
"Das ist schade. Richte ihr viele Grüße aus."
Ich stand auf und lief auf und ab.
Er tat es mir nach und meinte dann, er müsse gehen, aber er würde sich heute abend von mir verabschieden, dann ging er.
Traurig blickte ich ihm nach und lief dann, so schnell es ging, nach Hause.
Ich kramte in meinem Schrank und holte eine kleine verschlossene Kiste hervor, die mit vielen schönen Verzierungen beschmückt war.
Ranken zogen sich am Rand entlang, Blumen entfalteten in der Mitte ihre Blüte und ein R und ein J waren dort eingraviert, so verschlungen wie es nur ging.
Langsam strich ich über die Gravierungen, und öffnete das Schloss.
Ein Foto fiel mir in die Hände, ich und Ryan standen dort nah bei einander, unser Haus im Hintergrund, und auch das Meer war zu sehen. Ich hatte diesen Ort geliebt, geliebt wie sonst nichts außer Ryan.
Langsam drang ein Stimmengewirr zu mir durch und auf der Treppe polterte es.
Menschlicher Besuch war da!
Ich ließ die Kiste auf meinem Bett liegen und ging zu meiner Zimmertür um sie zu öffnen, und sah fassungslos in die Augen der Person mir gegenüber.
"Du!", brachte ich nur hervor, bevor ich die Tür zuschmiss und mich auf mein Bett legte.
Die Tränen flossen ein weiteres Mal.


5. Kapitel



Das Nächste was ich mit bekam war, dass die Tür weit aufgerissen wurde und Darina reinstürzte.
"Ach meine Kleine.", murmelte sie. "Schon so lange ist es her, und du trauerst immer noch? ich hoffe dass dein Vater dich ablenken kann, wenn er wieder hier ist."
Sie nahm mich in den Arm, und ich versuchte mich zu beruhigen. Als ich mich beruhigt hatte, schaute ich sie an.
"Dad kommt wieder?" Sie nickte.
"Wann?"
"In ein paar Tagen."
Dad war vor fünf Jahren ausgezogen, um die Welt zu erkunden. Er hatte ab und zu mal Postkarten aus Afrika, Australien, Frankreich, England und vielen anderen Ländern geschickt, und doch stand nie fest, wann er endlich nach Hause zurück kehren würde.
Schnell sprang ich auf und lief in den Flur, um die Postkarte zu sehen, die diesmal gekommen war, als ich mit jemandem zusammenstoß. Als ich diesen jemand sah, war ich glücklich es in Menschentempo getan zu haben, denn es wäre sonst eine Katastrophe über uns herein gebrochen.
"Hallo.", murmelte ich kurz und starrte auf den Boden.
"Hey Josina.", sagte er ganz einfach.
Woher wusste er meinen Namen?
"Ich bin Tyler.", stellte er sich dann vor, als ob er meine Gedanken gelesen hätte. Er fügte hinzu: "Tamila erzählte mir, dass du in der Schulstunde sehr abwesend warst, und da ich nicht wusste ob du meinen Namen mitbekommen hast, dachte ich es wäre besser, mich dir vorzustellen."
Ich hatte seinen Namen wirklich überhört!
Dann kam Tamila zu uns und nahm - als ob es natürlich wäre - seine Hand. Ich versuchte meinen Blick abzuwenden. Wie konnten die zwei nach so wenigen Stunden schon ein Paar sein?!
"Ah ja.", brachte ich hervor, dann sah ich wieder ihre Hände und sagte schnell: "Ich muss weg!"
Dabei rannte ich die Treppe runter und beschleunigte mein Tempo sofort, um zu meinem Lieblingsplatz zu gelangen.
Dort angekommen ließ ich mich auf das weiche Gras plumpsen.
Eine Biene summte umher und sammelte den Nektar der Blumen, während ich vor mich hin träumend in den Himmel blickte. Ein Schmetterling zog durch mein Blickfeld, und tauchte mit seinen schillernden Farben ein letztes Mal an meinem Blickfeldrand auf, um dann entgültig zu verschwinden.
Verschwinden, wie so viel in meinem Leben verschwand.
Verschwinden, wie er es tat? Wie er mich allein ließ, an diesem schrecklichen Ort namens Erde?!
Dann tauchten Tami und der Neue vor meinem geistlichen Auge auf.
Warum wollte ich die Beiden nicht zusammen sehen? Warum sollten sie, meiner Meinung nach, nicht zusammen sein?
War es Eifersucht? Und wenn ja, was für Eifersucht?
Eifersucht auf die Glücklichen, die alles haben, wo ich doch so viel verloren habe?
Eifersucht auf Tamila, weil ich ihn wollte?
Nein, das Letztere konnte unmöglich sein, oder?
Ich würde das Tamila gönnen, auch wenn sie ohne einen Partner genauso gut auskam wie mit, im Gegegnsatz zu mir.
Ich müsste mich noch verlieben, sonst ...
War ich egoistisch?!
Fragen über Fragen stapelten sich in meinem Kopf, hüpften auf und ab, sammelten sich und tauchten immer wieder vor mir auf. Fragen über Fragen quälten mich.
Liebst du etwa ihn? Hast du Ryan denn vergessen?
In Gedanken schrie ich: Nein! Ich habe ihn nicht vergessen, ich werde ihn nie vergessen!
Im Kampf mit meinen Gefühlen fielen meine Augen erschöpft zu, und ich glitt in eine alles umfassende Schwärze.
Wenigstens können wir schlafen, war mein letzter Gedanke, bevor ich mich selbst in der Finsternis verlor.


6.Kapitel



Das Licht, das durch mein Fenster fiel, streichelte mein Gesicht und ich wachte auf.
Wo war ich? In meinem Zimmer, es ist alles gut.
Langsam stand ich auf und ein Schwindelgefühl durchfuhr mich, so dass ich mich am Bett festhalten musste.
Das war komisch, eigentlich werden wir nie krank.
Langsam ging ich runter und in die Küche, in der meine Mum herum werkelte.
Als sie aufblickte um mich zu begrüßen, entfuhr ein Schrei ihrer Kehle.
"Was ist denn los Mum? Ist alles in Ord ..?" Sie unterbrach mich: "Josie?! Was ist mit dir? Warum hast du das getan?! Was ist mit dir?", schrie sie erneut.
"Was soll schon sein, mit mir ist nichts."
Anstatt mir zu sagen, was sie aufregte, packte sie meinen Arm und zog mich in unseren Flur bis ins Badezimmer.
"Das ist!", schrie sie und drehte mich um.
Ich erschrack und keiner von uns sagte eine lange Zeit was.
"Warum?", ich fuhr mit meinen Fingern meine faltigen Gesichtszüge nach.
Aus dem Spiegel blickte mir eine alte weißhaarige Frau entgegen, die sehr faltig war.
Über nacht 84 geworden, echt lustig.
Ich schnippte kurz mit den Fingern und meine Mum bewegte sich nicht mehr, nichts bewegte sich mehr.
Die Zeit anhalten zu können, war doch eine gute Fähigkeit. Ich versuchte meinen Alterungsprozess rückgängig zu machen, was ich eigentlich konnte, wie jeder reine Vampir. Doch es ging nicht.
Enttäuscht ließ ich die Zeit weiterlaufen und erklärte Darina, dass ich es nicht ändern konnte.
Entsetzen machte sich auf ihrem Gesicht breit.
Um abzulenken fragte ich: "Wo ist Tami?"
"In der Schule, wir wollten dich nicht wecken."
"Hmm."
"Wie soll das mit dir denn weitergehen?", fragte sie und strich mir sanft durch die Haare.
"Keine Ahnung.", seufzte ich.
Dann fiel mir etwas ein.
"Mum?! Kann es sein, dass alles so ... komisch ist, weil ich nur noch ein Jahr leben werde?!"
Sie schaute mich geschockt an, wahrscheinlich wollte sie es vergessen. Dann fing sie auch an abzulenken: "Hast du Hunger?"
"Mum!"
Sie hob entschuldigent die Hände und trat den Rückzug an, während ich im Bad blieb und mein missgestaltetes Gesicht betrachtete.
Leise schlich ich mich in mein Zimmer, doch ungestört konnte ich nicht sein. Tamila war zu Hause und kam hoch.
"Hey Süße."
Ich erwiederte nichts.
"Ist doch in Ordnung, das renkt sich bald wieder ein, bestimmt.", versuchte sie mir zuzusprechen.
"Nichts ist in Ordnung!"
Sie kam zu mir und nahm mich in Arm, tröstete mich. Bis sie unpassend einfügte: "Tyler weiß über uns bescheid."
Ich wurde wütend.
"Wie. Konntest. Du. Es. Ihm. Sagen?", zischte ich, und dann lauter: "Warum hast du das getan?!"
"Weil ich ihn liebe!"
Ich machte die Augen zu, wollte nur noch weg. Als ich sie aufschlug stand er in der Tür, grinste mich an.
"Was ist denn mit dir passiert? Über Nacht dein Angesicht deinem wahren Alter angepasst?"
"Halt die Klappe!"
Er lachte.
Dann seufzte ich. Ich sollte mich für sie freuen, und das würde ich jetzt auch. Einen Versuch war es wert.
"Tyler komm her, ich erzähle dir jetzt etwas über Vampire!"
Tamila erhob sich und schritt aus dem Raum, ließ uns alleine zurück.
"Es gibt reine und unreine Vampire.", fing ich gelangweilt an zu erzählen. "Die Reinen sind so geboren und die Unreinen wurden gebissen. Ich bin rein und Tami ist unrein. Unreine können andere nicht in Vampire verwandeln, das können nur wir. Außerdem können wir unser Alter ändern, also uns so aussehen lassen wie wir wollen, altersmäßig her, während dass Gebissene nicht können. Außerdem können wir uns fortpflanzen und sie nicht. Reine Vampire können nur dann leben, wenn ihr richtiger Partner lebt, und müssen mindestens alle zehn Jahre auch von seinem Blut kosten. Sonst ... sterben sie. Wir können uns von Menschenessen ernähren, aber trinken auch Blut. Das tuen wir aber momentan nicht, also keine Sorge. Aber bald wieder.", ich wollte ihm irgendwie Angst machen.
Dann, bevor ich weitererzählen konnte, ging die Haustür auf und ich lief nach unten.
"Daddy!"

Impressum

Texte: © by Jade Marie Alle Charaktere und die Handlung gehört mir!
Tag der Veröffentlichung: 20.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Anni, in der Hoffnung, dass wir immer Freundinnen bleiben, auch wenn wir uns oft streiten.

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