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Prolog



Der steinlose Krieger, mit der ernsten Miene und dem sehnigen Körperbau, saß an einem Holztisch vornübergebeugt und grübelte nach.
Lemoni, das wilde, unvernünftige Kind, bereitete ihm Kummer. Sie hatte nichts als Flausen und Unsinn im Kopf. Kaum, dass sie mit ihren kleinen Beinchen auf ein Pferd kraxeln konnte, war sie samt Tier und seinen Nerven in die Schneewüste entschwunden.
Es hatte zwei quälend lange Tage gedauert, bis man sie wohlbehalten und recht vergnügt bei einem Drachenweibchen gefunden hatte. Das Tier hatte sich ihrer angenommen und es gewärmt.
Es hatte eine Weile gedauert, das Ungetüm zu überzeugen, Lemoni herauszurücken. Erst das Mädchen selbst hatte den Drachen besänftigen und verhindern können, dass er die Krieger kurzerhand aufgefressen hätte.
Barrns Schläfen fingen heftig an, zu pulsieren, als er an die Szene und an die Mienen der umstehenden Krieger zurückdachte, die sich über die seltsame Freundschaft entsetzt gezeigt hatten. Ein Mädchen mit einem weinenden Juwel und ein Drache was für eine Ungeheuerlichkeit. Seit jenem Vorfall mied man sie in dem kleinen Lager der letzten freien Juwelen noch mehr als sonst. Schon zuvor waren sie nur leidlich willkommen gewesen, aber jetzt ließ man sie die Ablehnung und den Argwohn deutlich spüren. Noch immer galten weinende Juwelen als Unglücksbringer und das Barrn zudem steinlos war, trug auch nicht zu mehr Sympathie bei. Die Feindseligkeit der anderen Juwelenträger nahm mit jedem Tag, den sie in dem Versteck verbrachten, zu.
Barrn atmete geräuschvoll aus. Sie mussten ihre Zuflucht bald verlassen, denn die Übergriffe und Beschimpfungen nahmen zu, sie waren hier nicht mehr sicher.
»Barrn«, erklang es amüsiert. »Ich glaube, ich kann deine Sorgenfalten, die du gerade machst, vermehren.«
Der steinlose Krieger neigte seinen Nacken und die angespannte Muskulatur brannte unter seiner Haut. Sein Diener Skat, der ihn mit diesem wissenden Grinsen angesprochen hatte, trat neben ihn und legte ein großes Breitschwert auf den Tisch. Die silberne Klinge funkelte im Feuerschein.
Barrn starrte ratlos auf die Waffe, die aus einem besonders massiven Material gefertigt worden war.
Bevor er nach dem Grund fragen konnte, warum der Diener es für nötig hielt, ihm das Schwert auf den Tisch zu knallen, löste Skat das Rätsel auf: »Na, wen habe ich damit wohl erwischt?«
Barrns Stirn umwölkte sich. Er hatte eine Ahnung, die ihm gar nicht gefallen wollte. »Lemoni?«
»Richtig«, kommentierte sein Diener die Antwort.
Ungläubig streckte der Steinlose seine Hand aus und betastete die Waffe. Nein, er hatte sich nicht geirrt, es war keine Attrappe, sondern ein scharfes, schweres Schwert.
»Sie ist sechs! Woher hat sie es? Und eine noch bessere Frage, auf die ich eigentlich keine Antwort haben möchte, was hatte sie damit vor?«
Der Krieger, der im Gegensatz zu seinem Herrn ein mächtiges Kampfjuwel trug, verzog genüsslich seine Mundwinkel nach oben: »Du wirst es nicht glauben, sie hat damit trainiert!«
Barrns Gesicht wurde noch eine Spur finsterer. »Wieso habe ich das Gefühl, dass du diesen Unfug gutheißt, Skat?«
»Sie ist sehr talentiert. Du müsstest sehen, wie sie mit den Waffen umgehen kann. Sie ist noch so jung, aber bereits eine kleine Kriegerin, und das trotz ihres Steins. Einfach unglaublich!«
Barrn sprang auf und sein Stuhl fiel polternd um. Mit einer fließenden Handbewegung pfefferte er die Klinge von der Holzfläche. »Das Einzige, das unglaublich ist, dass du einen solchen Unfug nicht verhinderst! Ich will nicht, dass Lemoni mit scharfen Klingen übt!«
Der Gescholtene bückte sich nach der Waffe, hob sie auf und platzierte sie energisch zurück auf den Tisch. »Sie ist eine Kriegerin! Und in der heutigen Zeit, in der die Schattenkönigin die Macht an sich gerissen hat, ist es gut, dass sie sich zu verteidigen weiß. Es wird ihr Überleben sichern! Oder willst du sie etwa wehrlos unseren Feinden überlassen? Soll sie gefangen genommen und in ein Energielager verschleppt werden, so wie es vielen Diamantaner ergeht, seit deine Lilith das Land regiert? Willst du das? Ja?!«
»Sie trägt ein weinendes Juwel«, verteidigte sich Barrn, der unter der heftigen Ansprache und dem versteckten Vorwurf zusammengezuckt war, »ihr Stein ist kein Kriegerstein. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ein weinendes Juwel kämpfen und töten muss. Ihr Juwel ist nicht für das Blutvergießen geboren worden«
Skats Ausdruck wechselte von erregt zu traurig. »Dafür weiß ich, was passieren wird, wenn sie es nicht lernt.«
»Sie ist ein kleines Kind«, murmelte Barrn und schob die Klinge fort. Er ertrug den Gedanken nicht, dass Lemoni in ihrem zarten Alter mit Blut und Tod in Berührung kommen sollte. »Nein«, wiederholte er daher. »Ich will das nicht.«
Der ältere Krieger umfasste sein dunkelgraues Juwel, welches durch das vergossene Blut zahlreicher Schlachten einen intensiven Schimmer bekommen hatte: »Dem Bösen ist es gleichgültig, wie alt sie ist, Barrn.«
Der Steinlose schüttelte abwehrend seinen Kopf. »Nein, meine Entscheidung ist getroffen.«´
»Du bist ein Narr, Barrn. Die Schergen der Schattenkönigin sind uns dichter auf den Fersen, als du es wahrhaben willst.«

Schattenkrieger



Lilith hetzte mit ihrem Rappen über den schneebedeckten Innenhof. Ihr rabenschwarzes Haar wehte im eisigen Wind und ihre blasse Haut rötete sich. Mit der rechten Hand führte sie den großen Langbogen, während sie mit der Linken den Pfeil anlegte.
Mit einem langgezogenen Schrei löste sie das Geschoss und der Pfeil schlug über den Kopf eines Diamantaners ein, der sich bibbernd weggeduckt hatte.
»Ts, ts«, schollt die schwarzgekleidete Reiterin den Mann, der sich kreidebleich gegen die Mauer presste. »Hab ich dir nicht befohlen, dich nicht zu rühren?«
»Bitte Herrin«, flehte jener, aber die Kriegerin zeigte sich unerbittlich. Mit regungsloser Miene und einem kalten Befehlston wandte sie sich dem Mann zu, der lässig am Gatter gelehnt hatte. »Hanak, bring den Mann ins Energielager.«
Der Angesprochene nickte. Seine grauen Augen stachen mitleidslos aus seinem kantigen Gesicht hervor, als er über den Zaun sprang, zu dem Häuflein Elend ging und ihn grob packte.
Der Mann schrie gellend um Gnade, während er fortgeschleift wurde.
Lilith seufzte auf und wischte sich die Schneeflocken aus ihren Augen. Sie ließ den Bogen sinken und warf ihn schließlich samt Pfeilköcher achtlos in den Schnee.
Sie war müde und ihr Schattenjuwel dürstete es nach einem Diamanten.
Sie sprang von dem Rücken des Tieres, welches heftig schnaubte und von der harten Zügelführung seiner Reiterin blutigen Schaum spuckte.
Mit einem gelangweilten Wink befahl sie ihren Wächtern die Diamantaner, die halb ohnmächtig vor Angst an der Mauer kauerten, fortzuschaffen. Ihr war irgendwie die Lust vergangen, gefangene Rebellen zu quälen.
Den, den sie dort an der Wand stehen sehen wollte, entzog sich ihrem Einfluss. Sie hatte Truppen und Spione ausgesandt, aber Barrn blieb verschwunden. Selbst die Drohung mit der Todesstrafe, falls ein Diamantaner einen Steinlosen verstecken sollte, war erfolglos geblieben. Es schien beinahe so, als hätte der Krieger nie existiert.
Ärgerlich trat sie Tür zu ihrem Gemach auf, streifte die Lederrüstung ab und setzte sich auf die Bettkannte ihres Himmelbetts. Ihr Juwel glitzerte grell auf, als sie mit ihren Händen den Holzrahmen des Gestells bearbeitete. Der Bastard war nicht tot, er verbarg sich samt dem Mädchen irgendwo dort draußen und sie würde ihn kriegen! Ganz sicher!
»Herrin?«, ertönte es zögerlich durch die Holztür. Lilith erkannte sofort Hanaks dunkle Stimme wieder und ließ sich auf die Matratze sinken.
»Ja, komm rein.«
Sie hörte seine Schritte, dann beugte sich sein gutaussehendes, aber grausames Antlitz über sie. Sie mochte seinen Anblick. Ihr Schattenkrieger war voller Bösartigkeit, jede Pore seines Körpers strömte den bittersüßen Duft des Todes aus.
Fasziniert streckte sie ihre Finger nach oben und berührte sein rabenschwarzes Juwel. Er zuckte kaum merklich zusammen und seine Mimik entglitt ihm nur für einen Bruchteil, bis sie wieder starr und unbewegt dalag, aber Liliths geschärften Sinnen entging nichts. Sie genoss sein ungewolltes Erschaudern.
»Du bist wunderschön«, hauchte sie und verbesserte sich. »Nein, ihr beide seid bezaubernd. Du und dein Juwel.«
Der Krieger setzte sich neben sie. Er wirkte äußerst verschlossen und es ärgerte sie, dass er nicht auf ihr Kompliment reagierte.
»Hanak«, fuhr sie ihn gereizt an. »Was ist los?«
Er lächelte matt. »Nichts.«
Wütend über seine offensichtliche Lüge richtete sie sich wieder auf. Sie mochte es nicht, wenn man ihr etwas verschwieg.
»Rede schon.«
In ihrem Tonfall war die Mahnung deutlich herauszuhören. Sie würde eine weitere Ausflucht nicht akzeptiere und ihre Bestrafungsmethoden waren allseits bekannt und gefürchtet.
Diesen Umstand schien sich jetzt auch der Krieger wieder ins Gedächtnis gerufen zu haben, denn er leckte sich über die Lippen und antwortete rau: »Es gibt Gerüchte über einen Steinlosen und ein Mädchen, das mit Drachen reden kann.«
»Barrn«, zischte Lilith und jegliche Wärme entwich ihren Zügen.
Der Steintragende nickte bedächtig.
»Ich will ihn haben! Lebend! Töte das Mädchen, aber bring ihn mir unversehrt.«
»Sicher«, sagte Hanak leise und war im Begriff aufzustehen, aber sie hielt ihn zurück.
»Wohin willst du?«
»Ihn jagen und fangen.«
Sie zog ihn zurück aufs Bett. »Gleich, mein Schöner, aber jetzt bin erst ich dran.«

Impressum

Texte: Tajell Robin Black
Tag der Veröffentlichung: 26.01.2013

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