Kapitel 1
Die Apokalypse
Freitag, 21. Mai, 8:01 Uhr. Wie jeden Morgen verließ Arminius Busserle frisch geduscht sein Haus, um in der nahen Konditorei einen Milchkaffee zu trinken. Und wie jeden Morgen war Arminius mit nichts anderem bekleidet als einem Handtuch. Er fühlte sich großartig. Der Geruch frisch geschnittenen Grases erregte ihn. Plötzlich sah er seinen Schatten immer größer werden. Um ihn herum begannen die Menschen zu schreien.
„Keine Panik“, rief Arminius mit hochrotem Kopf, „mein Handtuch ist sehr groß.“
Der Schatten wuchs und wuchs und Arminius begann bereits an seiner Aussage zu zweifeln, als er begriff, dass es nicht sein Schatten war. Über ihm gondelte ein venezianisch anmutendes, gelbes Raumschiff. Oder besser: Über jedem Menschen befand sich so ein Ding.
Die Menschen schrien. Jene, die weg rannten, wurden currenti pedes mittels eines Ionenstrahls dematerialisiert. Jene, die stehen blieben, wurden von einer Bratpfanne erschlagen. Es gab kein Entkommen. Das Ende der Menschheit war gekommen. Die Engelschöre sangen, bekamen eine geklatscht und verstummten beleidigt.
Arminius war damit beschäftigt zu verstehen, was gerade geschah, als die sich über ihm befindliche Luke beim Öffnen inne hielt.
„Er hat ein Handtuch, Sir.“
„Er hat was?“
„Er hat ein Handtuch, Sir. Ein sehr großes sogar.“
Der Kommandant des Raumschiffs wandte sich seinem Navigator zu.
„Sie meinen, er könnte ein Prophet sein?“
„Ja, Sir, ein sehr großer sogar.“
„Er könnte aber auch keiner sein. Erschlagen Sie ihn vorsichtshalber.“
„Sir.“
„Ja?“
„Sollten wir nicht erst prüfen, ob er uns freundlich gesonnen ist? Immerhin steht die große Frage
noch aus. Sie wissen“, der Navigator räusperte sich, „das Leben, das Universum, alles
. Die Überlieferung besagt, dass er kommen wird, allein mit einem Handtuch bekleidet, und uns die große Frage nennt.“
Der Kommandant dachte kurz nach.
„Okay, geben wir ihm eine Chance. Aber beim ersten Anzeichen von Feindseligkeit wird er eliminiert.“
„Zu Befehl, Sir.“
Und so kam es, dass Arminius der einzige Mensch auf Erden war, der die Zeit hatte, die Apokalypse in ihrem ganzen Ausmaß zu beobachten.
„Sir, er ignoriert uns.“
„Hupen Sie mal.“
Ein tiefes Röhren erschallte am Himmel und riss Arminius aus seinen flüchtigen Gedanken. Er blickte nach oben und sprach: „Oh, was für ein Glück, meins ist ein Taxi.“
„Sir, er winkt.“
„Er macht was?“
„Er winkt, Sir.“
„Das kann alles Mögliche bedeuten. Warten wir auf ein eindeutigeres Zeichen.“
„Jetzt hat er den Daumen ausgestreckt, so, als ob er mitgenommen werden wolle.“
„In welche Richtung zeigt der Daumen?“
„Nach Nord-Westen, Sir.“
„Das ist entgegengesetzt zu unserer Rückflugroute. Das schmeckt mir nicht.“
Während um ihn herum die Welt unterging, blickte Arminius verwundert auf die Unterseite des regungslos über ihm schwebenden Raumschiffs.
„Mann, sind die blind. Sehen meinen Prachtdaumen aus der Entfernung nicht.“
Also entschied Arminius um der besseren Wahrnehmbarkeit willen, mit dem größten seiner Finger zu schwenken, jenen mittig gewachsenen.
„Sir, er zeigt uns den Mittelfinger.“
„Was? Bodenlose Frechheit! Sofort mit dem Ionenstrahl erschießen!“
„Mit Verlaub, zum Kalibrieren des Strahls benötige ich einen Moment, Sir.“
„Navigator, schießen Sie sofort! Kalibriert oder nicht, aus dieser kurzen Entfernung werden wir den Schuft auch mit einem nicht kalibrierten Ionenstrahl in seine Moleküle zersetzen.“
Katapautz!
- Ein helles Licht blitzte auf, schlug knapp neben Arminius in die Straße ein und löste den Asphalt in seine, mit dem menschlichen Auge nicht wahrnehmbaren, Einzelteile auf.
„Oh, die Straße ist weg. Das muss der Transportstrahl sein. Schnell hin.“
„Sie haben ihn verfehlt. Schießen Sie nochmal!“
Katapautz!
- Ein weiterer Blitz schoss aus dem Himmel, exakt auf den Punkt zu, an dem sich Arminius befunden hatte, bevor er auf den vermeintlichen ersten Transportstrahl zugesprungen war.
Wieder löste sich ein Teil der Straße auf.
„Oh, jetzt ist er da“, sagte Arminius und sprang zurück.
„Wieder daneben, Navigator. Schießen Sie, verdammt!“
Katapautz!
- Wo Arminius einen Augenblick vorher noch gestanden hatte, zersetzte sich ein weiteres Stück Straße.
„Mann, können die den Transportstrahl nicht eine Sekunde an einem Ort lassen?“, sprach's und sprang wieder zurück.
Katapautz!
- Ein weiterer Ionenschuss ging ins Leere.
„Sir, er sieht jede meiner Handlungen voraus. Das Handtuch, die Vorsehung, er muss ein Prophet sein.“
Zähneknirschend gab der Kommandant nach.
„So soll es also sein. Feuer einstellen. Holen Sie ihn ins Schiff.“
Kapitel 2
Das Treffen der dritten Art
Das gelbe Raumschiff gehörte beileibe nicht der neuesten Generation seiner Gattung an, aber es verfügte bereits über ein automatisches Ladewahlsystem. Der Navigator brauchte nur das Zielobjekt zu definieren und automatisch wählte der Bordcomputer von den 22 zur Verfügung stehenden Lademethoden jene aus, die gemäß Größe, Gewicht, Konsistenz und Natur des Objekts, sowie einiger situativer und ökologischer Parameter am geeignetsten war.
Quietschend rollte sich die Kette des Flaschenzugs auf.
Der Kommandant näherte sich mit einer Mischung aus Abscheu und Neugier der Öffnung. In wenigen Sekunden würde er, Kommandant Mrzk, Sohn des tapferen Mrzk und der lieblichen Mrzk vom Planeten Mrzk, einziger bewohnter Planet des Fart-Sonnensystems, einem wahrhaften Handtuchträger gegenüber stehen.
Ein kurzer Blick hinüber zum Navigator Mrzk, dessen Innereien heftig vor Aufregung pulsierten. Auch für ihn war es das erste Mal.
Es war kein Zufall, dass der Kommandant und der Navigator denselben Namen hatten. Der Grund lag einfach darin, dass auf Mrzk alle Mrzker Mrzk hießen.
In den ersten Tagen ihrer Kultur gaben sie jedem Angehörigen der Gesellschaft noch unterschiedliche Namen. Stefan, Maria, Susanne. Schnell bewies sich dieses System als verbesserungswürdig, denn der Name sagte überhaupt nichts über die Person aus, die vor einem stand. In einer zweiten gesellschaftsevolutiven Phase wurde der Name mit einer Eigenschaft erweitert, die der Person anhaftete. Ein ehrhafter Stefan, eine jungfräuliche Maria oder eine wilde Susanne signalisierten dem Ehepartner im Voraus, ob es sich um eine gute Partie handelte. Marias starben aus.
Die dritte gesellschaftsevolutive Phase begann, als die Mrzker auf intelligente, außerplanetarische Lebensformen trafen. Sie benannten sich nach den für sie wichtigsten Eigenschaften: ihr zentraler Charakter und ihre Herkunft. Diese wurden seitdem geführt, während ihre ursprünglichen Namen sich entweder in Schall oder in Rauch auflösten.
Von all dem wusste Arminius natürlich nichts.
„Willkommen an Bord, Fremdling“, sagte der Kommandant. „Ich bin Kommandant Mrzk und dies ist Navigator Mrzk.“
„Heißt euer Friseur zufälligerweise auch Mrzk?“, scherzte Arminius, in der Hoffnung, das Eis zu brechen.
Der Navigator flüsterte seinem Kommandanten ins Ohr: „Sir, er muss ein Prophet sein. Woher sollte er sonst wissen, wie unser Friseur heißt?“
„Ich gebe zu, neugierig zu sein, was er von uns weiß“, antwortete der Kommandant leise.
„Oh, Mann, ihr seid ...“ Aus Arminius' Worten erklang blanke Euphorie. Der Kommandant hielt überrascht inne. Sollte der Erdling tatsächlich ein Prophet sein, der die Frage auf das Leben, das Universum, alles
, kannte, und somit auch den Kommandanten und seine siegreichen Taten? Sichtlich gerührt wienerte der Kommandant an der blau-gelb gepunkteten, parabelförmig nach oben gekrümmten Antenne, die ihm aus seinem linken Ohr wuchs und welche ihn für einen Kundigen eindeutig als Sohn des Stammes der Mrzk erkennen ließ.
„ … ihr seid Außerirdische!“
Das war der Moment, als alle Neugier starb. Zumindest auf dem Raumschiff.
Einen Augenblick und zwei Türen später.
„Ein Idiot! Wir haben einen Idioten an Bord.“
„Sir, ich habe den Vorfall dem Hohen Rat gemeldet.“
„Dürfen wir ihn ins All schießen?“
„Der Hohe Rat wünscht, den Handtuchträger zu sehen. Wir sollen ihn unverzüglich dorthin bringen.“
„Welch Treibstoffverschwendung. Nun gut, Navigator, nehmen Sie Kurs auf den Sitz des Hohen Rats.“
Kapitel 3
Zeit und Raum
Arminius blickte hinaus in schwärzestes Schwarz.
„Das ist also das Weltall.“
„Nicht ganz“, sagte der Navigator. „Das ist Pandora
.“
„Die mit der Büchse?“, fügte Arminius hinzu, stolz, eine Vasenscherbe griechischer Mythologie zu kennen.
„Nicht die mit
der Büchse. Sie ist
die Büchse.“
Unverständnis füllte wie so oft Arminius' Blick.
„Fremdling, halt dich fest, es geht durch das Zeit-Raum-Kontinuum.“
Jäh wurde das Raumschiff gedreht, geschüttelt und gerührt. Riesige Eiswürfel flogen haarscharf an den Außenbordmotoren vorbei. Der Navigator lenkte kühl das Schiff in das Zentrum der Milchstraße und bog in ein Rohr, das wie ein riesiger, spiralförmiger Strohhalm aussah.
„Das Tor zur Welt.“
Sprachlos betrachtete Arminius das unbeschreibbare Bild, das sich ihm bot.
„Wir verlassen jetzt Pandora und betreten die wirkliche Welt.“
Das Raumschiff folgte großen, konzentrischen Kurven. Alle 360 Grad verdoppelte sich die Wirklichkeit. Arminius stand plötzlich neben sich. Weitere Handtücher tauchten auf, die die Hüften weiterer Busserles zierten. Arminius fand das zunächst schlichtweg genial. Doch schon bald begannen die multiplen Persönlichkeiten, sich um den Mittelpunkt des egozentrischen Weltbilds zu streiten.
Um etwas Ordnung in das Gezeter zu bringen, benannte Arminius flugs seine Doppler als Karl-Otto, Kelvin und Cornelia und teilte jedem Namen eine Redezeit zu.
Mit jeder Runde im Strohhalm wurde das Raumschiff voller.
Erschöpft vergab Arminius schon bald Namen doppelt und dreifach. Die Zeitklone, ihrem Urgeschöpf keinerlei Respekt zollend, quatschten vergnügt durcheinander. Am meisten nervte Arminius der pseudointellektuelle Stuss, den seine geistigen Kopien von sich gaben.
„Nu haltet doch mal die Fresse. Man versteht ja sein eigenes Wort nicht“, befahl Arminius barsch.
„Na dann selber Fresse, wir sind doch dein eigenes Wort“, bemerkten vier Kelvins schelmisch.
„Wer sind wir denn, dass wir uns selbst das Wort verbieten?“, mokierten sich zeitgleich sieben Cornelias.
„Hähähä, ein König will er sein oder doch lieber der Hofnarr?“, fügten acht, sich vermeintlich zu Philosophen erkoren fühlende Karl-Ottos hinzu, während sich zwei Friedwarts in der Nase und sechs im Kreis stehende Augusts gegenseitig im Ohr bohrten.
Noch bevor Arminius reagieren konnte, löste sich einer nach dem anderen auf und schon bald erfüllte wohltuende Stille den Raum. Während Navigator Mrzk ein klein wenig besorgt Zeuge der Auswüchse menschlichen Schwachsinns geworden war, hatte Arminius bereits in der von ihm als Respektlosigkeit fördernd eingestuften Strohhalminnenwandfarbe die Ursache der Ungezogenheit seiner Kopien gefunden.
„Wegen der Zeitspiralen kann es zeitweilig zu seltsamen Erscheinungen kommen“, sagte der Navigator.
Arminius verstand kein Wort von dem gerade Gehörten, das vergeblich am Trommelfell klopfte, um Einlass ins Gehirn gewährt zu bekommen.
„Das Zeit-Raum-Kontinuum ist eine Sicherheitsvorkehrung, damit Unbefugte Pandora nicht verlassen. Pandoras Rand ist leicht gekrümmt. Die intrapandorianischen Elemente prallen gegen die Hülle, werden in einem anderen Winkel zurückgeschleudert, überlagern sich und erzeugen ein dreidimensionales Bild, das die Wesen innerhalb Pandoras als unendliches Universum wahrnehmen. In Wirklichkeit sind es Zerrbilder ein und derselben, endlichen Welt.“
Arminius war sichtlich überfordert.
„Ja, aber wenn Pandora endlich ist, wie sieht es dann außerhalb aus?“
Der Navigator lächelte: „Friedlich.“
Der Erdling dachte noch über die ihm unzureichend scheinende Antwort nach, als das gelbe Raumschiff zur Landung auf dem Planeten des Hohen Rats ansetzte.
Kapitel 4
Die Genesis
Arminius betrat einen komplett weißen Raum. In ihm befanden sich vier Mäuse, die abrupt das Gespräch beendeten.
„Nehmen Sie doch Platz, Herr … ?“, sagte eine spitzbärtige Maus.
„Busserle, Arminius Busserle“, antwortete der Erdling. „Da ihr sprecht, müsst ihr Micky, Minni, Mack und Muck sein.“
„Wir sind der Hohe Rat“, korrigierte die einzig langhaarige Maus Arminius' Worte.
„Wir sind ganz besonders clevere, hyperintelligente pandimensionale Wesen“, präzisierte sein bebrillter Kollege.
„Das
soll der große Prophet sein?“, fragte der beflügelte, vierte Nager, der Arminius entfernt an eine Fledermaus erinnerte.
„Das zu erkunden sind wir hier“, sagte der Spitzbärtige mit ruhiger Stimme.
„Entblößt den Erdling“, befahl der Langhaarige.
Das Handtuch fiel zu Boden.
„Oh, ein Weibchen“, sagte entzückt der Bebrillte.
„Wie, was heißt Weibchen? Setz dir mal die Brille andersrum auf, du Maulwurf!“, erregte sich Arminius.
Der Langhaarige wandte sich dem Spitzbärtigen zu: „Als unsere Ahnen von dem Propheten sprachen, der das fehlende Glied, die Frage auf die Antwort sein sollte, wusste ich nicht, dass sie es wörtlich meinten.“
Der Spitzbärtige winkte und der Fledermausige entnahm Arminius etwas Blut.
„Gleich wissen wir mehr.“
Blankes Entsetzen erfüllte das Gesicht der vier Mäuse, als sie die Untersuchungsergebnisse sahen.
„Pandora muss defekt sein.“
„Das kann nicht sein.“
„Wie erklärst du dir sonst, dass die DNA dieses Wesens in Millionen von pandoranischen Drehungen nur einen einzigen genetischen Schritt vollführt hat: von der Ursuppe zum Bonobo?“
Es folgte ein abfälliger Blick des Langhaarigen, der es Arminius erschwerte, das niederschmetternde Urteil der DNA nicht auf sich zu beziehen.
„Handtuch hin oder her. In diesem Code finden wir niemals die Frage auf die Antwort über das Leben, das Universum, alles“, sagte der Bebrillte enttäuscht. „Der Code ist fast identisch mit den Ausgangswerten Pandoras.“
„Das gibt's doch nicht! Welch ein Fehlschlag!“, rief der Langhaarige wütend. Seine Faust donnerte auf den Labortisch. Ein Gefäß mit einer schwefelähnlich riechenden Flüssigkeit kippte auf eine Bakterienzucht, deren Deckel in Flammen aufging. Es geschah an diesem Tag, dass der Himmel zerbrach und die Luft zu Feuer wurde. Billionen von Bakterien ließen ihr Leben. Selbsternannte Propheten sollten diesen Tag des Feuers die Apokalypse nennen und mit der Geschichte vom Jüngsten Tag richtig Asche machen.
„Äh, worum geht’s?“, fragte Arminius, wie so oft in seinem Leben.
Die vier Mäuse schauten kurz zum Erdling rüber. Dann nickte der Spitzbärtige dem Beflügelten zu.
„Auch wenn es Zeitverschwendung ist, jemandem etwas zu erklären, der gleich dematerialisiert wird“, begann das Flattertier, „hier also kurz der Sinn deines Lebens: Auf der Suche nach dem unendlichen Wissen haben die Weisen Lunkwill und Fook den großen Computer Deep Thought
gebaut. Von ihm erfuhren sie, dass die Antwort auf das Leben, das Universum, alles
, '42' lautet. Um diese Antwort aber zu verstehen, bedarf es der dazugehörigen Frage, die zu ermitteln den Bau eines noch leistungsfähigeren Computer erforderte. Sein Name ist Erde. Dein Planet und seine Bewohner bildeten die Matrix eines organischen Computers, der ein Zehn-Millionen-Jahre-Forschungsprogramm durchführte. Alle waren Teil dieser Matrix, außer dir, wie es scheint, denn du bist, genetisch gesehen, ein Primat.“
„Dann kann ich doch auf die Erde zurück, als Adam sozusagen“, schlug Arminius nervös vor.
„Und wo soll die Eva herkommen?“, fragte der Bebrillte.
„Äh, könnt ihr sie nicht aus meiner Rippe machen?“
Die vier Mäuse steckten die Köpfe zusammen. Tuscheln. Dann wandte sich der Bebrillte Arminius zu.
„Ja, das geht theoretisch, aber … “, - Nach zweimaligem Danebengreifen nahm der Bebrillte Lupe und Pinzette und zog Arminius' Hodensäcklein hoch. - „ … aber ohne Genitalien ist die Menschheit faktisch ausgestorben. Das Projekt ist also gescheitert.“
„Sagst du! Kann man das nicht universal-demokratisch feststellen?“, warf Arminius schnell ein.
„Was feststellen?“, fragte der Bebrillte überrascht.
„Ob das Projekt tatsächlich gescheitert ist“, antwortete Arminius mit zittriger Stimme.
„Wie soll das Finden eines solchen demokratischen Urteils vonstatten gehen?“, fragte der Spitzbärtige mit ernstem Interesse.
„Ich hab da Erfahrung“, entgegnete Arminius. „Es ist ganz einfach: Ihr bringt mich auf die Erde zurück und ich schick allen Wesen im Universum eine Nachricht.“
„Und dann?“
„Nichts 'dann'. Auf die Art und Weise hab ich noch jede rumgekriegt.“
„Mittels der Tastatur?“ Der Langhaarige betrachtete Arminius' ausgeprägte Fingermuskulatur. „Das erklärt natürlich die seltsamen Proportionen deines Körpers.“
Der Beflügelte lachte. „Das würde fast so lange dauern, wie jedes einzelne Wesen im Universum zu besuchen und es zu beschimpfen.“
„Hat sich das nicht mal so ein Unsterblicher vorgenommen?“, fragte der Bebrillte.
„Ja, hier war er schon zwei Mal“, lachte der Langhaarige.
„Also müssten wir dem Menschen ewiges Leben zuteil werden lassen, damit er seine Aufgabe erfüllen kann“, schloss mit nachdenklichem Blick der Spitzbärtige.
„Eine sehr gute Idee!“, freute sich Arminius. „Geht das?“
Der Spitzbärtige schaute seine Kollegen an. Ein gemeinsames Nicken. Die Entscheidung war einstimmig getroffen.
„Kommandant Mrzk, bringen Sie den Erdling zurück auf seinen Planeten.“
Das Raumschiff hatte den Sitz des Hohen Rats seit Langem verlassen. Die vier Mäuse hatten sich in einen großen, aus enormen Steinquadern errichteten Saal begeben, der dem Pandora-Projekt gewidmet war. Vor ihnen befand sich ein riesiges, hölzernes Laufrad, auf dem in großen Lettern 'Keine Panik!'
stand. Durch ein kleines Fenster, hoch oben in der Wand, schien etwas Licht in den dunklen, verstaubten Raum.
„Ich fand, dass wir mit dem letzten Erdling, der hier war, der Frage nach dem Leben, dem Universum, allem
, wesentlich näher waren“, sagte der Spitzbärtige.
„Dem stimme ich zu. Wie hieß er doch gleich?“, fragte der Bebrillte.
„Arthur“, erinnerte sich der Geflügelte.
Der Spitzbärtige bestieg das Laufrad und ging einige Schritte. Langsam drehte sich das in die hölzerne Innenseite des Laufrads eingelassene Archiv. Als vor dem Nager eine geleeartige Masse erschien, auf der „Arthur“ stand, blieb er stehen.
„Wo ist Kommandant Mrzks Raumschiff in diesem Moment?“
„Er hat den Erdling abgesetzt und Pandora bereits verlassen.“
„Gut. Neues Spiel, neues Glück“, sagte der Spitzbärtige.
Auf Knopfdruck wurde die geleeartige Speichereinheit in die Wand eingezogen.
„Deep Throat?“
„Bitte?“, donnerte die Wand.
„Formatiere Pandora und lade Arthurs Backup.“
Hommage an Douglas Adams mit Verweisen zu seinem Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“.
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"Die kafkaeske Titelstory 'Das Konzept' hätte dem Altmeister der verstörenden Literatur zur Ehre gereicht. Dass Jacob Nomus in Sachen Sprache und Erzählkunst ein solch hohes Niveau erreicht, ist mehr als nur bemerkenswert."
Literaturmagazin 'Asphaltspuren'
"Jacob Nomus' Anthologie ist intelligent und abwechslungsreich. Die überaus unterhaltsame Kurzgeschichtensammlung zeigt sich dabei mysteriös, amüsant, gelegentlich auch morbide - vor allem aber höchst philosophisch."
Onlinemagazin 'Buchwurm'
Tag der Veröffentlichung: 25.05.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Gewidmet Douglas Adams, dem Schöpfer einer vierteiligen Trilogie