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Vor einiger Zeit ging alles in meinem Leben bergauf. So gut wie jeder Traum, den ich hatte, wurde erfüllt. Davor war ich eine richtige Träumerin.
Ich träumte, wann immer sich mir die Gelegenheit bot. Einige von euch würden nun sagen: Also ständig.
Die Leute, die das sagen würden hätten, so beschämend es im Nachhinein auch ist, recht.
Ich habe zu jeder Tages- und Nachtzeit geträumt. Egal wo. Mein Leben lief nie dort ab, wo ich war, sondern dort, wo ich sein wollte.
Und was für ein Leben es war! Wenn mir im Winter kalt war, so stellte ich mir vor, an einem schönen sonnigen Strand zu liegen. Es kam mir dann immer so vor, als könnte ich die Sonne wirklich auf meiner Haut spüren, und die Wellen kommen und gehen hören.
Wenn im Frühling die Bäume und Blumen begannen zu blühen, waren meine eigene kleine Welt und die Realität immer am nächsten beieinander. Dann legte ich mich auf eine Wiese und genoss den gesamten Tag einfach nur diese Momente.

Als ich dann jedoch langsam anfing erwachsen zu werden, wurden diese Träume immer seltener, und irgendwann träumte ich sogar nur noch abends vor dem Schlafengehen. Jedoch stellte ich mir nun auch nicht länger vor, unter einem Baum zu liegen und das Leben zu genießen, sondern, wie es wäre wenn mein Leben ein Comic wäre. Meine Freunde und ich als Superhelden. Gemeinsam retteten wir die Unschuldigen und am Ende bekam jeder von uns einen süßen Freund oder eine hübsche Freundin.
Irgendwann war es dann aber soweit, dass ich auch im echten Leben einen süßen Freund bekam. Anstatt abends zu träumen, telefonierte ich lieber so lange mit ihm, dass ich am Ende dann todmüde ins Bett ging, wo ich direkt einschlief.
Wenn wir mal nicht telefonierten, und ich auch sonst nichts anderes machte, dann wollte ich nicht träumen. Das Einzige, was ich dann tat, war, mir zu wünschen, ich würde doch telefonieren.
Es interessierte mich nicht einmal, dass ich das Träumen schon verlernt hatte.

Inzwischen ist die Beziehung zu Ende. Am liebsten würde ich nun abends wieder in mein Bett gehen, mich gemütlich einkuscheln und von neuen Abenteuern träumen. Doch das kann ich nicht mehr. Ich habe eine ganze Zeit lang nicht träumen wollen. Immerhin war diese Beziehung länger als drei Jahre intakt. Drei Jahre, in denen ich erwachsen geworden bin und mich komplett von meinem kindlichen Ich verabschiedet habe.
Ich wünschte, ich könnte noch ein letztes Mal von einem Abenteuer träumen, denn alles, was mir geblieben ist, sind Erinnerungen. Und wer weiß wie lange ich sie noch halten kann?
Vielleicht verfliegen auch sie einmal genauso wie meine Kindheit. Ohne das man selbst etwas merkt. Ohne, dass man es aufhält.

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Tag der Veröffentlichung: 22.03.2010

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