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Kapitel 1: Fremde

London

19 Jahrhundert

 

 

Nachdenklich sah sich William Scott, der Bürgermeister der Stadt Nalderic, im Raum um. Er musterte sorgfältig jedes Gesicht und einige blickten ihm entgegen.

Es war später Abend und William hatte eine Vollversammlung aufgerufen, um die jüngsten Ereignisse mit den Bürgern zu besprechen.

Nachdem sie eine Weile diskutiert hatten, versuchten sie nun eine Lösung zu finden, doch niemand hatte eine wirklich realistische Idee.

Viele hatten schon davon geredet, sich der Gefahr entgegen zu stellen und zu kämpfen, doch William würde ein solches Selbstmordkommando nicht gestatten.

Alle die hier versammelt waren, waren einfache Bürger, die kaum ein Messer schwingen konnten, geschweige denn, eine richtige Waffe bedienen.

Sie waren eine friedliche Stadt, was ihn eigentlich Stolz machte, doch saßen sie nun in der Falle.

Die Schattenwesen hatten sie erreicht.

Diese Biester, die alles in Stücke rissen, was ihnen unter die Nase kam, hatten sich am Rande der Stadt versammelt und schlugen in unregelmäßigen Abständen zu.

Normalerweise stellten die Schattenwesen ein geringeres Problem dar, da sie Einzelgänger waren und so niemals in Scharen auftauchten.

Doch seit einigen Monaten, hatten sie sich zusammengerauft und terrorisierten jetzt gemeinsam die Stadt.

Werwölfe und Vampire kämpften jetzt gemeinsam an der Seite von Schatten.

Außerdem hatten sie es geschafft, einen Magier zu rekrutieren, der vielen anderen Wesen seinen Willen aufzwang und sie somit unter Kontrolle hielt.

Vollkommen in seine Gedanken vertieft, hatte William nicht bemerkt, wie sich die Tür des Saales geöffnet hatte und zwei Gestalten hereingekommen waren.

Nun jedoch zogen sie seine Aufmerksamkeit auf sich, da sie, so unauffällig wie möglich, versuchten zu ihm durchzudringen.

Die eine Gestalt war ein junger Mann, der einen langen Mantel trug und dessen Stiefel bei jedem Schritt mit einem leisen Klopfen auf dem Boden aufsetzten.

Der Mann blickte sich abschätzend um und behielt so viel im Auge wie ihm möglich war.

Seine rechte Hand umfasste etwas an seinem Gürtel, was wegen dem Mantel aber nicht zu erkennen war.

Angestrengt versuchte William trotzdem zu erkennen, was es sein könnte, als sich plötzlich die stechenden Augen des Mannes auf ihn richteten. Der Mann bemerkte Williams Blick und ließ von dem Gegenstand ab.

Er blickte einmal kurz über die Schulter und ging dann weiter auf William zu.

Dieser schluckte einmal schwer. Was wollten diese Männer?

Dann fiel ihm auf, dass er sich den anderen noch gar nicht angesehen hatte.

Seine Augen huschten zu dem Begleiter des Mannes und neugierig musterte er ihn.

Der andere war ebenfalls in einen Mantel gehüllt, doch endete dieser nicht bei den Schultern, sondern ging in eine Kapuze über, die tief ins Gesicht gezogen worden war.

Auch sonst war nicht viel von dem Besitzer des Mantels zu erkennen, da die Hände in schwarzen Handschuhen versteckt waren und die Füße ebenfalls von hohen Stiefeln geschützt wurden.

Dieser Mann blickte stur zu Boden, und trotzdem wich er den Leuten aus.

Er eine merkwürdige Gangart, viel eleganter und weniger stockend als alle anderen, die William bis jetzt hatte laufen sehen.

Obwohl nichts von dem Mann zu erkennen war, strahlte er geradezu pure Anspannung aus.

Seine Schultern waren gerade und auch seine rechte Hand hielt sich auffällig über der linken Seite.

Bestimmt trugen beide Waffen bei sich.

Verängstigt rückte sich William in seinem Stuhl zurecht. Dann sah er sich noch einmal im Raum um.

Niemandem sonst schienen die beiden aufgefallen zu sein. Alle waren in Gespräche untereinander vertieft, noch immer darüber am rätseln, wie das Problem am besten aus der Welt geschafft werden konnte.

Nervös blickte William zurück zu den beiden Fremden.

Sie hatten ihn fast erreicht.

Der Blick des Mannes, der ihm als erstes aufgefallen war, ruhte jetzt auf ihm.

Ein letztes Mal holte William tief Luft, dann standen sie neben ihm.

„William Scott?“, fragte der Mann mit einer tiefen Stimme.

Sein Gefährte blickte William nicht einmal an, er stellte sich mit dem Rücken zu ihnen hin und behielt die Menge im Auge.

William nickte.

„Mein Name ist Ryan Ambrose, das dort drüben ist mein Freund Miraz. Wir sind gekommen, um Ihnen mit den Schattenwesen zu helfen!“, erklärte der Mann.

William konnte nicht anders, als argwöhnisch zu schnauben.

Ryan blickte ihm jedoch mit ernster Miene entgegen, also räusperte William sich kurz und sagte dann:

„Wie wollt Ihr beiden alleine helfen? Wir sind eine ganze Stadt und wissen nicht weiter.

Woher kommt Ihr eigentlich? Wieso seid ihr ausgerechnet hier?“

Ryan blickte sich kurz um, dann sagte er:

„Hören Sie, wir können Ihnen helfen und Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als sich helfen zu lassen! Ich werde Ihnen hier nichts weiter erklären, dass ist mir zu unsicher, aber wenn Sie morgen in die alte Fabrikhalle in der Division Street am westlichen Stadtrand kommen, werde ich Ihnen alles sagen, was Sie wissen müssen!“

William schwieg.

„Sie wissen, wo Sie uns finden. Doch wenn Sie kommen, kommen Sie alleine. Zwei Männer dürfen Sie begleiten, damit Sie sich sicher fühlen, doch wenn wir erfahren, dass noch mehr dabei sind, und glauben Sie mir, wir würden es erfahren, ist der Deal geplatzt und wir lassen Sie mit den Biestern alleine! Das ist das letzte, was Sie wollen, soviel kann ich Ihnen sagen!“

Verwirrt sah William seinem Gegenüber entgegen. Von welchem Deal redete er? Bevor William noch etwas sagen konnte, machte Ryan kehrt, und er und Miraz verließen rasch das Gebäude.

Nachdenklich sank William in seinen Stuhl zurück. Er hatte keine Wahl. Er musste diese Männer wieder aufsuchen.

Kapitel 2: Jäger

 

Draußen stand eine Kutsche mit schwarzen Pferden, die nervös mit den Füßen über den Boden scharrten. Auf dem Trittbrett saß eine dunkle Gestalt. Ryan ließ sich neben ihr

nieder und Miraz stieg in die Kabine. Ohne etwas zu sagen, fuhren sie los.

Nach einer halben Stunde kamen sie bei einer alten Fabrikhalle an.

Ryan sprang vom Bock und gleichzeitig öffnete sich die Tür der Kutsche. Miraz, Ryan und der dritte Mann liefen gemeinsam zu einer Stelle, an der ein Feuer brannte. Eine Frau saß auf dem Boden neben dem Feuer. Ryan und die anderen setzten sich dazu. „Und? Wie ist es gelaufen?“, fragte sie. Der Mann, der die Kutsche gesteuert hatte, gab ihr einen flüchtigen Kuss, dann sah er Ryan an.

„Sie werden Morgen hier hin kommen! Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm alles erklären werde.“, erklärte Ryan.

„Hast du ihm von uns erzählt?“, fragte der Mann.

„Nein, Damien. Du wirst morgen mit mir hier warten, doch Kendra sollte nicht dabei sein. Sie müssen nichts von ihr wissen. Vielleicht brauchen wir später jemanden, den sie nicht als einen von uns erkennen.“, erklärte Ryan.

„Was ist mit mir?“, fragte Miraz.

„Du wirst Kendra nachher wegbringen und dich dann in der Umgebung verstecken, damit wir wissen, wenn es mehr als drei Leute sind, aber du wirst dich nicht zeigen, denn ich möchte nicht, dass sie sofort wissen, dass du auch ein Schattenwesen bist. Sie trauen bestimmt keinem Vampir!“

Miraz nickte.

„In Ordnung. Wie soll ich euch wissen lassen, wenn es mehr als drei sind?“

„Mhh. Am besten sorgst du dafür, dass die anderen, sollte es welche geben, dann ein bisschen länger schlafen, wenn du verstehst was ich meine. Aber töte sie nicht!“, entschied Ryan.

Miraz nickte erneut, dann sah er sich plötzlich nervös um.

 „Was ist los?“, fragte Ryan, während er schon seine Waffe zog. Ein silberner Colt.

Er zog zwei Silberkugeln aus seinem Gürtel

„Miraz?“, zischte Ryan.

„Es kommt jemand. Ich glaube…!“, doch bevor er weiter reden konnte, sprang etwas auf sie zu.

 Ryan drehte sich blitzschnell um, doch zu spät. Das Wesen hatte sich schon auf ihn gestürzt. Er riss die Arme hoch und versuchte so, die Bestie von sich zu drücken.

Miraz warf sich knurrend gegen die Bestie und beide rollten von Ryan. Es war ein Werwolf.

Miraz hatte seine Zähne gebleckt und seine Augen waren weiß geworden.

Er fauchte den Werwolf an, doch dieser knurrte nur.

Ryan richtete sich auf und richtete den Lauf seines Colts auf den Werwolf.

„Lass ihn in Ruhe. Du bist ein normaler Mensch, und wir können dir helfen“.

Der Werwolf sah Ryan kurz an, doch dann stürzte er sich wieder auf Miraz.

Dieser hechtete zur Seite. Ein normaler Mensch hätte es niemals rechtszeitig geschafft.

Der Werwolf sprang ins Leere.

„Deine letzte Chance!“ schrie Ryan.

Doch wieder setzte der Wolf zum Sprung an. Ein Schuss durchschnitt die Luft und der Werwolf fiel wie ein Stein zu Boden. Ryan ließ die Waffe sinken.

Er sah Miraz an. Dessen Eckzähne schrumpften und seine Augen bekamen wieder Farbe.

„Mistviecher!“, zischte er.

„Stimmt! So, jetzt macht euch ab. Bring Kendra in dein Anwesen! Flieg mit ihr, damit ihr so schnell wie möglich dort seid. Es ist bereits dunkel. Aber wenn es geht, seht euch noch einmal hier um, nicht dass noch mehr von diesen Biestern auf uns lauern!“

Kendra und Miraz nickten.

Gerade wollten sie das Lager verlassen, als Ryan und Damien nervös riefen: „Pass auf sie auf!“

Miraz winkte einmal kurz, zum Zeichen, dass er verstanden hatte, und verschwand dann, gemeinsam mit Kendra in der Dunkelheit.

Sie liefen neben einander her, ohne ein Wort zu sagen. Nach einer Weile jedoch durchbrach Miraz die Stille, indem er fragte:

„Ist alles in Ordnung? Du bist so still!“

Wütend schnaubte Kendra. Erstaunt sah Miraz sie an.

„Bin ich wirklich so schwach? Oder eher gesagt, sehe ich so schwach aus?“, zischte sie.

Verständnislos sah Miraz sie an.

„Nimm es mir nicht übel, aber ich kann definitiv alleine auf mich aufpassen. Diese dummen Kommentare von wegen, sei bloß vorsichtig, gehen mir sowas von auf die Nerven!“, knurrte Kendra wütend. Miraz schwieg und überlegte. Dann plötzlich machte er einen Hechtsprung auf Kendra zu und drehte ihr die Arme auf den Rücken. Sie kam noch nicht einmal zum Schreien, denn schon hatte er eine Hand auf ihren Mund gedrückt. Erschrocken keuchte sie. Er kam mit seinem Mund ganz nah an ihr Ohr und flüsterte:

„Du kannst also auf dich selbst aufpassen. Ich sehe es!“

Dann ließ er sie los. Wütend sah sie ihn an: „Was soll das? Du hast mich beinahe zu Tode erschreckt!“ Er grinste leicht und machte einen Schritt auf sie zu.

„Du sagtest, du kannst dich wehren. Ich wollt dir nur demonstrieren, dass du es nicht kannst!“

 Ihr Blick entspannte sich. „Tu mir ein Gefallen und mach das nie wieder.“

Er nickte.

„Das war unfair! Bei dir ist das was anderes. Du zählst nicht. Du bist einfach zu schnell!“

„Die anderen Schattenwesen sind auch nicht langsamer!“, antwortete Miraz nur und ließ das Gespräch dann auf sich beruhen. Er wollte sich nicht mit Kendra streiten.

Sie umrundeten einmal das ganze Gebiet.

„So, jetzt ist es so weit. Bereit zum fliegen?“, fragte Miraz und grinste. Sie nickte und trat einen Schritt auf ihn zu. Dann legte sie ihm die Arme um den Hals und er legte einen Arm um ihre Taille. Er sah sie noch einmal an und stieß sich dann vom Boden ab.

Kaum waren sie emporgestiegen, wurde die Luft dünner und kälter.

Nach etwa fünf Minuten waren sie an einem großen Anwesen angekommen.

Miraz ließ sich auf den Boden hinab sinken. Er ließ Kendra los, und sie nahm ihre Arme von seinem Hals. Dann sahen sie sich kurz an, nickten und gingen zum Anwesen.

Doch noch bevor sie es ganz erreicht hatten, bedeutete Miraz Kendra stehen zu bleiben. Er schnupperte und zog sie dann in den Schatten eines Baumes.

„Hör zu, da ist jemand drin, der da eigentlich gar nicht drin sein darf. Ich werd nachsehen wer dort ist. Du bleibst hier. Sobald irgendetwas ist, schrei so laut du kannst!“

 Sie nickte und drückte sich noch ein bisschen näher zum Baumstamm hin.

Kapitel 3: Besucher

 

Schnell glitt er hinter dem Baum hervor und pirschte zum Anwesen. Wieder schnupperte er. Ein Kind. Und eine erwachsene Frau. Keine große Gefahr also. Er drehte sich um und winkte Kendra zu sich. Schnell kam sie hinter dem Baum hervor und lief zu ihm. „Ein Kind und eine erwachsene Frau. Beide ziemlich schwach, weil sie schon lange nichts mehr zu essen hatten. Komm mit, aber bleib immer hinter mir!“

Sie nickte und hackte sich bei ihm unter. Zusammen betraten sie das Anwesen. Sofort hörte Miraz wie jemand den Atem anhielt und mühsam versuchte keinen Ton zu machen. Er lenkte sofort aufs Wohnzimmer zu und schaltete das Licht ein. Tatsächlich. Eine Frau zwischen dreißig und Vierzig. Sie hatte lange blonde Haare und blaue Augen. Außerdem durchschnitt ein ziemlich langer Kratzer ihr Gesicht. Ängstlich sah sie zu Miraz und Kendra.

Neben ihr stand ein kleines Mädchen. Um die acht Jahre alt.

Das Mädchen hielt ängstlich die Hand der Mutter umklammert.

Miraz lächelte und sagte: „Hallo. Wie ich sehe, suchen sie ein geeignetes Versteck.“

 Die Frau nickte und Tränen schwammen in ihren Augen.

Besorgt legte Miraz den Kopf auf Seite.

„Meinetwegen können sie heute Nacht hier bleiben. Das Anwesen ist groß genug. Aber erzählen sie, was passiert ist.“ Die Frau nickte dankend und sie und das Kind ließen sich auf die eine Couch nieder und Kendra und Miraz auf die andere.

„Also, ich heiße Beth und das ist meine Tochter Lyz. Wir beide sind schon seit Tagen auf der Suche nach einem geeigneten Ort, wo wir bleiben können. Auch heute Nacht waren wir auf der Suche. Doch dieses Mal, wurden wir gestört. Ich weiß nicht was es war, ich weiß nur, das es ein sehr schnelles und haariges Wesen war“.

 „Werwolf!“, murmelte Miraz in sich hinein. Unsicher sah ihn die Frau an.

„Entschuldigen sie, fahren sie fort!“ sagte Miraz und sah nachdenklich zum Kamin.

“Oh nein, warten sie, ich mach zuerst Feuer und bring ihnen was zu essen.“

Eine halbe Stunde später brannte ein Feuer im Kamin und Beth und Lyz waren genüsslich am kauen. Nach einer Weile fuhr Beth fort:

 „ Also, wie gesagt, da war ein… Werwolf… er hat mich angegriffen, und dann hab ich Lyz genommen und bin einfach nur gerannt. Bis wir dann hier ankamen. Es sah so verlassen aus, da dachte ich…!“

Miraz nickte. „Ist schon okay. Sie dürfen hier bleiben. Solange sie niemandem davon erzählen wo sie sind, und was sie eventuell sehen! Verstanden?“

Beth nickte und trank einen Schluck Saft.

Miraz wandte sich an Kendra: „Hier seid ihr sicher. Ich werde Ryan Bescheid geben, und dann wieder kommen. Solange ich weg bin, will ich, dass du auf dich und die beiden hier aufpasst.“

 Kendra nickte und Miraz stand auf.

 „Sie entschuldigen mich. Ich muss mich beeilen!“

Und mit diesen Worten verließ er das Anwesen. Als er draußen war, sah er sich kurz um, und verwandelte sich dann in eine Fledermaus. Als Fledermaus war er noch schneller als in Menschengestalt. Nach wenigen Minuten hatte er das Fabrikgelände erreicht.

Erst als er direkt bei Ryan war, verwandelte er sich zurück. Ryan und Damien machten einen Satz in die Höhe.

„Man, spinnst du? Wie kannst du dich einfach hierhin schleichen!“

Miraz musste lachen.

„Ich hab mich nicht angeschlichen, ich bin hergeflogen. Hör zu, es hat sich jetzt einiges geändert. Wir haben Besuch bekommen. Von einer Frau und ihrer Tochter, die von einem Werwolf angegriffen wurden!“

Sofort wurde Ryan ernst. „Oh. Können sie bei dir wohnen?“ Miraz nickte.

Plötzlich sagte Damien: „Wo ist Kendra?“

Miraz wandte sich an ihn: „Sie ist bei mir Zuhause. Sie ist in Sicherheit. Ich habe Schutzbände über das Haus gesprochen. So schnell kommt da keiner rein!“ Damien nickte und entspannte sich ein bisschen.

„Dann wird’s Zeit, dass du wieder zurückfliegst. Morgen vor dem ersten Sonnenstrahlen kehrst du zurück! Der Plan bleibt für Morgen früh erst einmal der Selbe. Wenn alles hier geklärt ist, wirst du dann zurück fliegen und wir werden später zu euch stoßen. Pass auf die drei Damen gut auf!“, sagte Ryan.

Miraz nickte: „Das mach ich immer! Macht’s gut und seht zu, dass ihr heut Abend ohne mich nicht drauf geht!“

Beide nickten, und Miraz verwandelte sich wieder und flog zurück zum Anwesen.

 Kurz vor dem Gelände verwandelte er sich zurück. Dann betrat er das Anwesen. Noch immer saßen Kendra, Beth und Lyz im Wohnzimmer.

 Als Miraz den Raum betrat stand Kendra auf und ging zu ihm.

„Wo sollen die beiden schlafen? Sie sind sehr mitgenommen und brauchen Ruhe.“, sagte sie. Miraz nickte und bedeutete Beth und Lyz, ihm zu folgen. Er leitete sie in eines der Gästezimmer im zweiten Stock. Hier würden die beiden nicht mitkriegen, was er und Kendra reden würden, und dennoch konnte er hören, wenn etwas los war.

„Ähm, entschuldigen sie, ich möchte nicht aufdringlich sein, aber ist alles in Ordnung? Sie sehen so… seltsam aus!“, sagte Beth zögerlich.

Miraz hielt inne und bedachte sie mit einem kurzen Blick.

„Also, jetzt nicht direkt komisch. Aber ihre Augen. Sie sind so… anders, irgendwie so… stechend. Sie sehen aus wie flüssiges Metall!“

Plötzlich stockte Beth. Ihr schien erst jetzt klar zu werden, was sie da gerade gesagt hatte.

„Machen sie sich darüber keine Gedanken, dass werden sie noch früh genug erfahren!“, antwortete er, dann wünschte er ihnen eine gute Nacht und ging wieder zu Kendra. Sie saß auf der Couch und sah ins Feuer.

„Ich komm gleich wieder, ich brauch nur auch was zu trinken.“, sagte Miraz und nach einem Nicken von Kendra verschwand er in der Küche. Jetzt erst bemerkte er, was für einen Durst er hatte. Er öffnete einen Schrank und holte einen Beutel mit blutroter Flüssigkeit heraus. Die Flüssigkeit schüttete er in ein Undurchsichtiges Glas und ging damit zurück ins Wohnzimmer. Dort angekommen, ließ er sich auf der Couch nieder und leerte das Glas mit einem Schluck. Er spürte, wie ihm das Blut warm durch die Kehle floss. Sein Körper entspannte sich und er seufzte leise.

 „Was glaubst du, was für Wesen uns dieses Mal erwarten?“, fragte Kendra, den Blick immer noch im Feuer.

„Ich denke da an Werwölfe. Alles was wir bisher erfahren haben, passt, außerdem sind wir schon einem begegnet und die Frau will auch einen gesehen hab. Eigentlich eine recht deutliche Sache. Ein Rudel, mit vielen Tieren.“ Kendra schwieg.

Kapitel 4: Vorbereitungen

 

 

Am nächsten Tag wachte Ryan auf, noch bevor es ganz hell war. Er stand auf, streckte sich und drehte dann eine Runde ums Gelände, um alles zu prüfen. Niemand war zu sehen.

 Also ging er wieder zurück zum Lager und suchte seine Tasche. Sie lag in der Kutsche und schnell schlich er dorthin um Damien nicht zu wecken. Er holte ein Leib Brot und ein Stück Wurst heraus. Ryan seufzte kurz, dann setzte er sich wieder ans Lagerfeuer, legte noch einen Holzscheit auf die Glut, und biss dann in das Brot. Neben ihm regte sich Damien. Er drehte sich um und öffnete dann die Augen. „Ryan? Wieso schläfst du nicht? Es ist viel zu früh.“, sagte er und rieb sich müde die Augen.

„Es ist schon hell. Das reicht. Außerdem haben wir nicht so viel Zeit. Denk dran, heute bekommen wir Besuch.“

Damien stöhnte. „Aber doch nicht so früh. Jedenfalls hoff ich für sie, dass es nicht so früh wird. Ach shit, ist ja gut, ich steh auch auf!“ Und nach einem kurzen Moment leistete Damien ihm Gesellschaft.

 „So, wir sollten uns vielleicht überlegen, was für Waffen wir wollen!“, durchbrach Ryan die Stille, die seit einigen Minuten über dem Lager herrschte.

 „Mhh, am besten wären welche mit einer starken Durchschlagskraft. Vermutlich haben wir es mit einem Rudel Werwölfen zu tun, nachdem was Miraz uns gestern erzählt hat. Keine Chance also für Colts. Wir brauchen Schrotflinten und Silberkugeln.“, sagte Damien. Ryan nickte.

„Ich bin deiner Meinung, doch sollten wir uns auch noch anhören, was der Bürgermeister uns zu erzählen hat. Vielleicht sind es ja noch ein paar andere Schattenwesen!“

So verbrachten sie einige Zeit laut überlegend an der Feuerstelle, während sie darauf warteten, dass Miraz kam.

Dieser erschien dann auch und kam wachsam auf sie zu.

„Morgen Jungs. Ausgeschlafen?“, fragte er und sah sich um.

„Lang genug auf jeden Fall. Wie steht es bei dir? Geht’s den Mädchen gut?“, wollte Ryan wissen und beobachtete Miraz, der sich noch immer aufmerksam umblickte. Dieser schien jedoch nichts Ungewöhnliches zu bemerken, denn schon wandte er sich mit voller Konzentration seinen Gefährten zu.

„Bei ihnen ist alles in Ordnung. Alle drei schliefen noch, als ich gegangen bin, doch Kendra weiß Bescheid und sie wird nach unseren Gästen gucken.

Ich denke ich werde mich jetzt zurückziehen, denn so lange werden unsere Besucher nicht mehr auf sich warten lassen. Wisst ihr schon etwas wegen den Waffen?“

„Wir dachten an Schrotflinten und Silberkugeln. Und natürlich unsere Dolche und Schwerter. Über den Rest wollen wir uns Gedanken machen, wenn wir mehr wissen. Vielleicht kann William Scott uns etwas über die Schattenwesen erzählen!“, erklärte Ryan.

„In Ordnung. Dann bis später, es kommt jemand. Fünf Minuten entfernt!“

Und mit diesen Worten machte Miraz kehrt und verschwand in der Dunkelheit des Fabrikgeländes.

Kapitel 5: Die Jagd beginnt

 

 

Wie Miraz gesagt hatte, tauchte William Scott mit zwei Männern nur fünf Minuten später auf.

Die Männer waren groß und Ryan bemerkte die Muskeln an ihren Armen. Sie waren zweifellos überdurchschnittlich stark und er überlegte, dass Mirazs und sein Auftreten gestern den Bürgermeister erschreckt hatten.

„Guten Tag William!“, sagte Ryan und beobachtete dessen Begleiter. Sie sahen sich nervös um, anscheinend auf der Suche nach etwas.

„Äh… hallo. Entschuldigen sie, aber wo ist der andere Typ von gestern, dieser Miraz?“, fragte William Scott ohne Umschweife.

„Er ist anderweitig beschäftigt. Dafür ist ein anderer Freund von mir hier: Damien. Er gehört auch zu unserer Gruppe und hilft mir beim planen.“, erklärte Ryan drohend.

Scott sprach Miraz nicht mehr an.

Stattdessen fragte er: „Gut, dann erklären sie mir bitte, wie sie sich das alles vorgestellt haben. Wie wollen sie uns helfen?“

Damien antwortete: „Sie werden uns mit Waffen ausrüsten und wir werden die Viecher auf unsere Art und Weise erledigen!“

Ein Moment der Stille folgte, dann ergriff Ryan das Wort:

„Erzählen sie uns zuerst, was sie über die Schattenwesen wissen. Wie und wann greifen sie an, wie sehen ihre Opfer aus, gibt es ein bestimmtes Verhaltensmuster oder wissen sie sogar vielleicht, um welche Art von Schattenwesen es sich handelt?“

„Nun ja, eigentlich schon. Anfangs waren es vereinzelte Angriffe, also nichts Besonderes. Hier und da ein Werwolf oder ein Vampir. Doch vor einigen Monaten hat sich etwas verändert. Werwölfe und Vampire haben sich zusammengeschlossen und auch Schatten. Und da ist noch ein Magier, den sie rekrutiert haben. Sie terrorisieren die Stadt in einem undurchschaubaren Ablauf. Wir können uns keinen Reim darauf machen. Wir haben versucht mit dem Magier zu verhandeln, doch er meinte, es würde nichts geben, das wir ihm geben könnten, was sein eigentliches Ziel überbieten würde. Wie dieses aussieht, hat er uns jedoch nicht erzählt.“, berichtete William Scott.

„Verdammt. Es sieht deutlich schlimmer aus, als wir es uns vorgestellt haben. Aber, wieso wissen sie so viel über die ganze Sache? Es gibt zwar einige Leute, denen die Schattenwesen bekannt sind, doch sie scheinen mir übermäßig informiert!“, stellte Damien argwöhnisch fest.

„Nun, das ist eigentlich ganz einfach. Mein Vater tötete einige dieser Viecher und warnte mich immer vor ihnen. Er ist vor ein paar Monaten verschwunden. Seit dem hege ich… nun ja, einen persönlichen Groll auf diese Dinger. Ich hoffe sie kümmern sich, trotz der… ich sage mal, unerwarteten Umständen, um dieses Problem, so wie sie es angekündigt haben!“, sagte Scott angespannt.

„Natürlich. Zwar handelt es sich ein wenig um etwas anderes, als das, womit wir gerechnet haben, doch noch immer sind wir ihre einzige Chance. Wir werden uns schon um diese Biester kümmern. Doch zuerst, brauchen wir Waffen. Wir werden uns kurz beraten und ihnen dann einige Dinge aufzählen, die sie uns besorgen müssen. Es ist wichtig, dass wir alles bekommen, was wir verlangen, weil wir sonst nicht arbeiten können, haben sie mich verstanden?“, fragte Ryan.

Scott nickte.

„Gut. Geben sie uns einen Augenblick Zeit und warten sie hier. Wir kommen gleich wieder.“, sagte Ryan, winkte Damien und die beiden verschwanden im Schatten der Fabrikhalle.

Miraz stieß zu ihnen.

„Verflucht, Ryan, das ist echt übel. Hexenmeister, Werwölfe, Vampire und Schatten. Warum haben die sich zusammen getan? Irgendetwas muss passiert sein!“, meinte Miraz aufgebracht.

„Ich stimme dir zu, doch sollten wir später darüber reden. Was ist mit Waffen?“, meinte Ryan.

„Also, Schrotflinten. Dann noch Petroleum und vielleicht auch ein paar Eisenstäbe. Sonst noch was?“, zählte Damien auf und sah die andern beiden fragend an.

„Blutgetränkte Seraph Klingen!“, sagte Miraz.

„Ach ja, genau. Die vergaß ich. Meinst du solche haben die hier?“, fragte Ryan nachdenklich.

„Nein, deswegen sag ihnen einfach, sie sollen Cataner besorgen. Um den Rest kümmere ich mich!“, antwortete Miraz.

„Gut. Das dürfte alles gewesen sein. Gehen wir zurück. Miraz, du kannst schon mal ins Anwesen zurückfliegen und nach den Mädchen gucken. Wir kommen dann nach!“, sagte Ryan und nachdem Miraz sich nickend verabschiedet hatte und verschwunden war, gingen er und Damien zu Scott und dessen Begleitern zurück.

„Wir haben uns entschieden. Es sind einige besondere Wünsche dabei, doch wir benötigen alles. Sie müssen alles in Bewegung setzen, um die Dinge zu kriegen.“, sagte Ryan und Damien zählte auf, was sie benötigten. Scotts Begleiter nickten, zum Zeichen, dass sie verstanden hatten.

Nach einer förmlichen Verabschiedung, bei der sie ausmachten, dass Ryan die Sachen im Laufe der nächsten Tage holen kommen würde, brachen die drei Bürger zurück in ihr Dorf auf.

Ryan und Damien gingen zu den Pferden und nachdem sie diese vor die Kutsche gespannt hatten, machten sie sich auf den Weg zu Mirazs Anwesen.

Keiner von ihnen sprach und eine bedrückende Stille durchzog ihren Weg. Schließlich meinte Damien: „Ich glaube, dieses mal wird das alles ein ganz schön hartes Stück Arbeit, oder? Ich mein, wenn es stimmt was Scott gesagt hat, dann haben sie sich tatsächlich zusammengeschlossen. Es wird bestimmt nicht lustig. Vielleicht sollten wir ab jetzt ein wenig Gehalt verlangen, sodass wir auch was davon haben.“

Zwar erschien ein leichtes Lächeln auf Damiens Gesicht bei diesen Worten, dennoch verschwand es schnell und seine Züge verhärteten sich, als ob er diese Möglichkeit ernsthaft in Erwägung zog.

„Damien, du weißt genau, warum wir das tun. Es geht uns hierbei weniger um das Geld, sondern vielmehr um die Schattenwesen. Beziehungsweise Revenger. Wir müssen einfach dieses Amulett finden und wenn sich hier schon so viele von den Schattenwesen zusammengeschlossen haben, scheint das ein guter Anhaltspunkt zu sein.“, sagte Ryan, um dies Damien noch einmal in Erinnerung zu rufen.

„Du hast natürlich Recht, aber ein bisschen Anerkennung wäre zur Abwechslung auch mal nicht schlecht!“

Ryan schwieg, denn er konnte Damiens Gefühle sehr gut nachvollziehen.

Kapitel 6: Schattenwesen

 

Nach einiger Zeit trafen Damien und Ryan schließlich bei dem Anwesen ein und nachdem Miraz sie eingelassen hatte, standen sie vor Beth, Kendra und Lyz.

Die Frau und das Mädchen sahen sie unruhig und etwas verängstigt an.

„Sie sind also… also sie… sie jagen… diese Tiere?“, brachte Beth schließlich unter einigem Stottern hervor.

„Es sind keine Tiere. Es sind mehr… Menschen die zu Monstern wurden. Naja, jedenfalls die meisten von ihnen.“, erklärte Ryan.

„Natürlich sind nicht alle Monster. Es gibt auch diejenigen, die sich geändert haben!“, fügte Miraz hinzu. „Leider ist das eher eine Seltenheit und grundsätzlich sollten sie den Schattenwesen eher aus dem Weg gehen!“, meinte Damien.

Miraz warf ihm ein gezwungenes Lächeln zu, in dem auch ein kleines bisschen Wut mitschwang.

Damien grinste verlegen zurück, schwieg jetzt aber.

„Mir würde auch im Traum nicht einfallen, mich diesen Dingern zu nähern. Woher kommen die überhaupt?“, fragte Beth plötzlich.

„Wie Ryan schon sagte, sie waren einmal Menschen. Werwölfe entstehen durch den Biss eines anderen Wolfes, oder durch Fortpflanzung zweier Werwölfe. Magier haben sich mit der dunklen Magie beschäftigt, haben irgendwelche Rituale durchgezogen und durch Teufelsanbetungen und Opfergaben schließlich eine Art innere Macht erlangt. Sie sind sehr stark, doch leider immer von dem Bösen besessen. Ich sah noch nie einen gut gesinnten Magier. Die Schatten sind in der Tat Geister, die nicht ihre ewige Ruhe fanden. Man sagt, sie hätten mit dem Fährmann Charon keine Einigung gefunden. Und die Vampire… nun ja, sie sind, wie auch die Werwölfe, von einem anderen Vampir gebissen worden. Doch um ein richtiger Vampir zu werden, müssen sie das Blut ihres Schöpfers getrunken haben. Erst dann ist man ein Vampir. Wer nicht  das Blut des Schöpfers trinkt, ist ein Jüngling, ein Naerym. Als nächste Stufe ist man dann halt ein Vampir, also wenn man das Blut des Schöpfers trinkt. Die Vampire sind deutlich stärker und schneller als die Naerym, doch müssen sie sich auch mehr tarnen als sie, da sie deutlicher von den Menschen abweichen, zum Beispiel dadurch, dass sie Blut trinken. Ein Naerym kann unter Menschen leben ohne das ihnen auffällt, dass etwas nicht stimmt. Natürlich muss auch er sich von Blut ernähren, doch braucht er es weniger oft als ein Vampir. Über dem Vampir steht nur noch ein Ältester. Er hat schon seine eigenen Naerym beziehungsweise Vampire erschaffen und hat so einen weiteren Schritt Richtung Unterwelt getan. Ein Ältester ist an Stärke und Schnelligkeit nicht zu übertreffen. Sein Problem besteht darin, dass er doppelt bis dreimal so viel wie ein Vampir trinken muss. Er benötigt fünf - sechs Mal am Tag Nahrung. Das einzige, was diesen Durst ein bisschen eindämmen kann, ist das Blut eines Vampires. Sollte ein Ältester von einem Vampir trinken, braucht er dies nur einmal in einer Woche zu tun und er hält durch. Das Problem dabei ist, dass die Zähne eines Ältesten, einen Vampir vergiften. Er stirbt. Es gibt nur ein- zwei Ausnahmen, bei denen der Vampir den Biss eines Ältesten überlebt hat.

Damit die Welt nicht im Chaos versinkt, haben auch die Vampire, und natürlich die andern Schattenwesen, gewisse Regeln.

Ein Ältester darf nur fünf eigene Naerym erschaffen. Ob diese dann zu Vampiren werden, hängt halt davon ab, wie sie sich entscheiden, ob sie von ihm trinken oder nicht.

In jeder Stadt herrscht mindestens ein Ältester. Sie stellt so etwas wie sein Territorium dar. Begegnet ein Vampir einem Ältesten, hat er sich diesem zu unterwerfen, jedenfalls soweit wie die Höflichkeit es verlangt. Ein Naerym ist natürlich am niedrigsten gestellt. Um ehrlich zu sein, finden sie nicht wirklich viel Respekt gegenüber ihrer Schöpfer oder anderen Vampiren. Sie gelten als Halblinge oder wie ich eben schon sagte, als Jünglinge. Sie sind meist stümperhaft und voreilig. Sie werden so gut es geht von den anderen gemieden, da sie immer noch mehr Mensch als Schattenwesen sind.“

Mit einem nachdenklichen Blick durch den Raum beendete Miraz seinen Bericht.

Beth sah ihn sprachlos an und auch sonst war der Raum ruhig.

„Wieso wissen sie so viel darüber?“, fragte plötzliche eine leise, piepsige Stimme.

Alle im Raum drehten sich zu dem kleinen Mädchen um, das Miraz wachsam studierte.

„Nun ja, es gibt halt einiges, das ich erlebt habe, da erfährt man schon mal die einen oder anderen Dinge!“, erklärte Miraz lächelnd. Nachdem er Beths Blick gespürt hatte, kontrollierte er wieder schnell seine Gesichtszüge.

Das Gerede über Vampire und Blut und die Tatsache, dass er heute noch nichts gegessen hatte, hatten seine Eckzähne deutlich wachsen lassen. Er hoffte, dass sie nichts bemerkt hatte.

„Kommen auch daher ihre Augen?“, fragte Beth dann mit kalter Stimme.

Miraz zögerte und sah dann zu Ryan. Dieser blickte ihm entgegen, als wolle er ihm sagen, dass er das nur allein entscheiden konnte.

„Ich denke, wenn sie bei uns bleiben, sollten sie einiges über mich erfahren.“, antwortete Miraz langsam.

Die anderen sahen betreten zu Boden und nervös sah Beth ihn an.

„Ach, da kommen sie aber früh mit, nachdem wir schon eine Nacht hier waren.“

Unmerklich versuchte sie ihre Tochter ein wenig hinter sich zu schieben.

Miraz bleckte die Zähne und seine Augen wurden weiß.

Entsetzt keuchte Beth auf und schob Lyz endgültig hinter sich.

Miraz riss sich wieder zusammen und blickte Beth dann herausfordernd an.

„Ich werde ihnen nichts tun!“, sagte er dann, mit einem leicht verzweifelten Lächeln.

„Doch, versuchen sie meiner Geschichte ohne Vorbehalte zu folgen. Ich bin nicht wie die andern.“

„Sie meinen doch nicht etwa…?“, stotterte Beth entgeistert.

Nachdem Miraz langsam genickt hatte, blickte Beth entsetzt zu den anderen. „Wussten sie das? Wenn ja, wieso töten sie ihn nicht, ich dachte sie jagen diese Dinger? Wie können sie dann mit einem zusammenleben?“

„Er ist kein Ding und außerdem sollten sie vielleicht erst einmal zuhören, bevor sie sich gleich so aufblasen!“, zischte Kendra sie auf einmal an.

Beth schürzte die Lippen schwieg aber.

Nach einem letzten kleinen Seufzer begann Miraz zu erzählen…

 

Kapitel 7: Miraz' Geschichte

„Vor langer Zeit, etwa vierhundert bis fünfhundert Jahre zuvor, lebte ich als Mensch mit meiner Frau und einer kleinen Tochter, die erst wenige Monate alt war in Paris. Ich war ein Bauernjunge, hatte es jedoch weit gebracht, da meine Frau eine Adelstochter war und ich sie zum Glück davon überzeugen konnte, jemanden wie mich zu heiraten. Zu Beginn waren ihre Eltern deutlich abgeneigt, meinem und ihrem Ersuch den Segen zu geben, doch wussten sie wohl, dass sie mich auch ohne ihre Zustimmung heiraten würde. Ich bewunderte sie für ihren Mut, denn damals war es alles andere als üblich, dass einer Frau ihr Willen gelassen wurde. So kam es dann dazu, dass wir heirateten. Ihre Eltern unterstützen uns nach einiger Zeit und wir konnten uns ein schönes Stück Land anlegen. Nach einigen Jahren des Zusammenlebens gebar meine damalige Frau unsere Tochter Lynn. Eines Nachts, einige Monate, nachdem meine Tochter geboren war, ging ich auf unseren Feldern spazieren. Ich brauchte Ruhe, um mich von der Anstrengung eines kleinen Kindes zu erholen.“ Bei diesen Worten grinste Miraz Beth kurz an, doch diese zeigte keine Reaktion, woraufhin er sich beeilte, mit der Geschichte fortzufahren: „ Nun, auf jeden Fall war ich in besagter Nacht dann draußen. Es war eine Sternenklare Nacht und der Mond ließ den Weg vor mir hell erleuchtet daliegen. Ich war ganz fasziniert von diesem Anblick, sodass ich zu spät bemerkte, wie eine gekrümmte Gestalt auf mich zukam. Als ich sie entdeckte, ergriff mich zuerst ein kaltes Gefühl der Angst, da ich das Messer, meine einzige Waffe, sicher in unserem Haus versteckt hatte und nun völlig hilflos dastand. Als nächstes übermannte mich der Gedanke, dass dieser Mensch, ob Frau oder ob Mann, scheinbar in keiner guter Verfassung war, geschweige denn, in einer solchen, in der er mir zur Gefahr werden könnte, schließlich arbeitete ich schon mein ganzes Leben körperlich hart, was meinem Körper ein großes Maß an Stärke zuteil werden ließ. Nachdem ich ihn aber weiter auf mich zu humpeln sah, erfüllte mich ein Gefühl von Mitleid. Ich wollte diesem Menschen helfen. Nach einigen Momenten erreichte mich die Person, ein alter Mann, der irgendwie… merkwürdig aussah. Erneut ergriff mich ein Gefühl des Unbehagens, doch ich ignorierte es und erkundigte mich nach dem Befinden des Mannes.

Als er mich ansah, kam es mir vor, als blickte ich in die Augen eines Wahnsinnigen. Sie waren hell erleuchtet, das schwarz der Pupillen war nicht zu sehen, es war, als hätte dieser Mann überhaupt keine Pupillen. Als er dann zu mir sprach, sah ich mich langen scharfen Eckzähnen gegenüber und ein Schauer nach dem anderen überlief meinen Körper. Ich wollte schreien und weglaufen, ich wollte zu meiner Frau und meiner Tochter und sie irgendwie vor diesem Ding beschützen, doch die Angst lähmte mich und der Schrecken behielt mich dort wo ich war.

Der Mann sprach wirres Zeug, doch einiges von dem was er sagte, konnte ich verstehen. Er redete von Schande und von Ehre, die er retten musste. Er redete vom Erschaffen und von Vampiren. Ich wollte meinen Ohren nicht glauben. Schließlich hat er mich am Arm gepackt, so fest, dass dieser nach wenigen Sekunden taub geworden war, und hatte mich aufgebracht geschüttelt. Dann schien ihm plötzlich etwas einzufallen. Er sah mich an, als hätte er mich zum ersten Mal gesehen. Dann wurde er ganz still, sah mir noch einmal tief in die Augen, was meinen Geist vernebelte und schlug dann seine Zähne in meinen Hals. Ich konnte spüren, wie er das Blut aus mir heraussog, als hinge sein Leben davon ab, vielleicht tat es das auch.

Nachdem er endlich von mir abgelassen hatte, sank ich kraftlos zu Boden. Ich hörte ein seltsames Geräusch, wie das Zerreisen von Leder, dann befand sich plötzlich sein blutender Arm vor meinem Gesicht. Er befahl mir zu trinken, doch Übelkeit erfüllte mich, bei dem Gedanken, dass gleiche zu tun, wie dieses Wesen. Ich fragte mich, ob ich jetzt auch einer wie er war, doch ich spürte nicht das geringste Verlangen, sein Blut zu trinken, im Gegenteil.

Als er merkte, dass ich mich nicht überreden ließe, packte er mich im Nacken und zog mich hoch. Er roch an mir und blickte dann in Richtung meines Hauses. Er sagte mir, was mir sowieso die ganze Zeit durch den Kopf ging, dass zwei Menschen auf mich warteten, meine Frau und meine kleine, unschuldige Tochter. Er drohte mir, sofort hinüber zu gehen, und sie zu töten, wenn ich nicht trank. Ich weigerte mich weiterhin, in der Hoffnung, dass er nicht tun würde, was er gesagt hatte, doch als er mich mit sich zog, in die Richtung meiner Familie, gab ich auf. So schwer es mir fiel, ich trank von ihm, was mein Schicksal dann besiegelte. Ich wurde zum Vampir. Nachdem der erste Schritt getan war, ließ der Mann mich los. Er erklärte mir die Regeln, er erzählte mir, wie es in seiner Welt zu ging. Sein Problem damals war gewesen, dass er, trotz seiner langen Jahre, nur ein Vampir geblieben war. Er sehnte sich unter seines gleichen nach mehr Anerkennung und musste jemanden finden, den er zum Vampir machen konnte.

Nachdem er mir alles erklärt hatte, fühlte ich, wie mich ein anderes Gefühl, nicht mehr das Gefühl, sie beschützen zu wollen, zu meinem Haus zog. Es war Hunger und sogar auf diese Distanz konnte ich hören, wie das Herz meiner Frau in einem gleichmäßigen Rhythmus gegen ihre Brust schlug. Voller Verzweiflung hatte ich meinen Schöpfer gefragt, wie ich mit dieser Gier in mir bei meiner Familie leben sollte, ohne diese anzugreifen. Er schwieg erst, dann erklärte er mir, dass dies nicht möglich sein würde. Nachdem ich das unumgängliche erkannt hatte, tötete ich ihn. Ich tat es schnell, in einem Moment, in dem er nicht damit rechnete, da es schien, als hätte meine Verzweiflung mich vollkommen bewegungsunfähig gemacht. Ich brach ihm das Genick, trank noch einmal von ihm um meinen Durst zu stillen und dann versuchte ich mich meinem Haus zu nähern, da ich es nicht akzeptieren konnte, meine Familie nie wieder zu sehen. Ich war überzeugt davon, dass ich mich mit der entsprechenden Willenskraft meinen Durst stellen könnte, doch je näher ich dem Haus kam, desto ungehaltener wurde ich. Ich hielt mich drei Nächte in Folge im gleichen Abstand zum Haus auf, immer in der Hoffnung, die Gier würde nachlassen. Am ersten Morgen lief meine Frau verzweifelt draußen rum, suchte mich, rief nach mir. Ich antwortete ihr nicht, da ich sie nicht verletzen wollte. Die folgenden zwei Tage liefen genauso ab, wobei ich Wild jagte, um zu trinken. Ich musste schnell erkennen, dass dies eine schwache Linderung des Durstes war und gab nach der dritten Nacht auf. Ich machte mich auf den Weg ins Dorf und tötete insgesamt fünf Menschen. Ich trank soviel, wie sie hergaben und mein Hunger war besänftigt. Doch als ich sah, was ich getan hatte, rannte ich fort. Ich rannte vier Tage lang ohne Pause. In der fünften Nacht brach ich dann an einem Bach zusammen. Am Morgen traf ich auf drei Wanderer. Keiner von ihnen überlebte. Ich saß lange Zeit einfach nur am Wegrand, bis ich dann akzeptierte, dass dies nun mein Leben sein würde. Ich ließ mich in der Nähe eines großen Dorfes nieder und hielt mich dort immer so lange auf, wie mein Durst es mir ermöglichte. Am Anfang zögerte ich das Trinken so weit es ging hinaus, in der Hoffnung, so weniger Schaden anzurichten. Dies war ein Fehler, wie ich mit der Zeit herausfand, da auf diese Weise viele Menschen mehr als nötig starben. Irgendwann änderte ich meine Taktik und trank jeden Tag ein bisschen, gerade so viel, dass das Opfer noch weiter leben konnte. So lebte ich fast vier Jahunderte lang. Natürlich musste ich alle paar Jahre meinen Aufenthaltsort ändern, um nicht aufzufallen. Ich reiste quer durchs Land und fand mich dann vor einigen Jahren in London wieder. Die Zeiten der Dörfer waren vorbei, es gab mittlerweile Städte und alles war so durcheinander und voll, dass ich länger an einem Ort bleiben konnte. Nach etwa einem Jahr hier, traf ich dann auf Ryan. Er stellte eigentlich das Opfer dieser Nacht dar, schien daran aber irgendwie keinen Gefallen zu finden.“ Beide Männer grinsten kurz. „ Jedenfalls schien er zu wissen was ich war und hielt mich auf. Er stellte mich in der dunklen Gasse, in der ich ihn abgefangen hatte, zur Rede. Er erinnerte mich, dass ich einmal ein Mensch gewesen war und bot mir an, dass er mir helfen würde.

So kam es, dass ich bei ihm blieb. Anfangs war es schwer, doch schon lange war meine Gier nicht mehr so beherrschend wie früher. Ich trank nur noch einmal am Tag und dann auch nur soviel, wie ich einem Opfer entwenden konnte, dennoch war Ryans ständige Anwesenheit eine schwere Aufgabe für mich. Ein paar mal kam es auch dazu, dass ich mich nicht beherrschen konnte, doch Ryan war vorsichtig und konnte sich selbst verteidigen. Er hatte keine Angst vor mir und hatte mich auch im Griff. Schließlich entwickelte sich unser Bündnis zu einer Freundschaft und schon lange dürstet es mich nicht mehr so stark nach Blut. Als Damien und Kendra dann noch zu uns gestoßen sind, schaffte ich es wieder, unter Menschen zu leben. Am Anfang brachte ich es nicht über mich, den Beiden zu sagen, was ich wirklich bin. Ich schob alle Anzeichen auf Krankheiten und ähnliches, doch natürlich kamen sie nach einiger Zeit dahinter. Sie waren zuerst schockiert, doch nachdem sie gesehen hatten, wie groß meine Selbstbeherrschung geworden war, akzeptierten sie mich. Ich hatte eine neue Familie gefunden, was mein Bedürfnis nach Blut noch einmal unwichtiger machte. Ich konnte wieder leben. Nach einiger Zeit begannen wir dann, zu jagen. Wir entwickelten mit der Zeit Techniken, sammelten Erfahrungen und wurden schnell ein eingespieltes Team. Meine Fähigkeiten als Vampir brachten uns oft große Vorteile beim Kampf gegen unsere Feinde. Ich begann mein Schicksal nicht mehr als Fluch zu sehen, sondern akzeptierte es als meine Persönlichkeit.

Wir brachten es in unserem Handwerk zur Perfektion und retteten vielen Menschen das Leben.

Es gab aber auch einige Momente, in denen ich Rückfälle erlitt. Ich sah das Leid, das meine Artgenossen gebracht hatten und begann mich wieder selbst zu hassen. Ohne die Unterstützung meiner Freunde, wäre ich vermutlich in mein altes vor sich hin sieden zurückgefallen. Doch sie bauten mich auf und machten mir wieder und wieder klar, dass ich anders war als die anderen.

Mein Leben macht wieder einen Sinn, ich sehe mich als Teil dieser Gruppe und ich werde weiterhin gegen die Schattenwesen und für die Menschen kämpfen.

Wenn du mich als Ding siehst, Beth, dann kann ich dir nicht helfen, doch bitte ich dich, mich kennen zu lernen und mich zu akzeptieren, denn ich bin nicht wie sie, ich gehöre zu eurer Seite und ich kämpfe für Gerechtigkeit.“

Als Miraz geendet hatte, war es ganz still im Raum. Beth musterte ihn eine lange Zeit, dann stieß sie irgendwann die angehaltene Luft aus und nickte leicht.

„Ich denke, ich verstehe, was du durchgemacht hast. Ich hätte dasselbe für meine Tochter getan und ich bewundere dich dafür, dass du einen Weg aus deinem Schicksal gefunden hast. Verzeih mir  meine voreiligen Äußerungen.“

Miraz neigte leicht den Kopf, als Zeichen, dass er verstanden hatte.

Gedankenverloren strich Beth ihrer Tochter über den Kopf und in der Bewegung lag etwas Beschützendes und zugleich Entschlossenes.

Kapitel 8: Warten

Noch während sie alle in der Küche saßen wurde Miraz seltsam still. Kendra hatte für alle ein Mittagessen gekocht, mit den Lebensmitteln, die sie in Miraz’s Kühlschrank finden konnte. Alle saßen schweigend am Tisch und aßen Kartoffeln mit Gemüse und jeder hatte ein Stück Fleisch auf dem Teller. Lediglich Miraz saß am Kopfende des Tisches, ein undurchsichtiges Glas in der Hand und nippte hin und wieder an seinem Mittagessen, während er gedankenverloren auf eine Stelle auf dem Tisch starrte.

Unterdessen beobachte die kleine Lyz ihn die ganze Zeit. Ihre Mutter Beth warf ihr ständig böse Blicke zu, doch das Mädchen starrte weiter den Vampir an.

Nachdem alle gesättigt waren, erhob sich Miraz rasch vom Tisch und verließ das Anwesen. Ryan sah ihm nachdenklich hinterher, half Kendra dann aber beim Abräumen und Reinigen der Teller. Beth sah erschöpft zu Lyz rüber.

Damien, der ihren Blick gesehen hatte, zwinkerte ihr kurz zu und fragte dann, an Lyz gewandt: „Hey, Lyz. Willst  du dir nicht mal die Pferde mit mir ansehen? Die sind ganz lieb!“

Lyz nickte begeistert, dann sah sie ihre Mutter fragend an.

„Geh ruhig, Schatz.“ Sagte Beth nach einem langen Blick auf Damien. Dieser nickte noch mal kurz und lief dann mit Lyz nach draußen zur Koppel, wo die Pferde standen.

Beth folgte Ryan und Kendra in die Küche und hörte, wie sie flüsterten:

„Du weißt es auch. Es kann nur daran liegen!“, zischte Kendra.

„Wir wissen es nicht! Wir sollten nichts überstürzen. Wir suchen schon so lange!“, antwortete Ryan leise. Gerade wollte Kendra ihm antworten, als sie Beth erblickte und verstummte. Ryan wandte sich zu ihr um und lächelte.

„Ich habe Angst um Lyz. Wegen diesem Miraz.“, sagte Beth ohne Umschweife.

Kendra’s Miene verzog sich, doch sie drehte sich um und schwieg.

„Beth, sie müssen sich keine Gedanken machen. Er ist schon sehr lange bei uns und hat jedem von uns schon mindestens ein Mal das Leben gerettet! Er ist anders und jeder von uns würde für ihn einstehen.“, erklärte Ryan mit ruhiger Stimme.

„Das mag sein. Aber ich möchte kein Risiko eingehen. Ich will, dass er weiß, dass er sich von meiner Tochter fern halten soll! Ich muss meine Tochter beschützen!“

Mit diesen Worten verschwand Beth aus dem Zimmer und lief die Treppen hinauf in den Raum wo sie die Nacht mit ihrer Tochter verbracht hatte.

Ryan seufzte leise und Kendra blickte wütend in den leeren Gang hinaus.

„Sie sollte nicht so böse sein! Miraz hat ihnen einen Platz zum schlafen gegeben und war gut zu ihnen! Es ist nicht richtig wie sie sich verhält!“, knurrte Kendra leise.

„Ich weiß, aber sie macht sich Sorgen um ihre Tochter. Ich werde mit Miraz reden. Er wird es verstehen.“, sagte Ryan und ging nach einem kurzen Blick auf Kendra hinaus. Er brauchte eine Weile, dann fand er Miraz auf einem hohen Baum sitzend. Er warf kleine Steine in Richtung Boden. Sie steckten tief in der Erde drin.

Ryan pfiff kurz und Miraz sah hinab und sprang dann zu seinem Gefährten hinunter.

„Wir müssen reden!“, sagte Ryan bestimmt und sah Miraz in die Augen.

Diese wurden weiß und Miraz grinste höhnisch. Seine spitzen Eckzähne stachen hervor.

Ryan zuckte nicht zurück. Er beobachtete seinen Freund ruhig.

Miraz riss sich zusammen und sagte: „Lass uns ein Stück gehen.“

Die beiden fingen an, um das Gelände zu laufen, zunächst schweigend, doch nach einiger Zeit begann Ryan:

„Du weißt, dass Beth dir nicht traut. Sie hat Angst um ihre Tochter.“

Miraz verzog das Gesicht.

„Erklär das nicht mir, sondern der Kleinen!“

Verwirrt sah Ryan ihn an, doch Miraz hob lediglich den Finger und zeigte in Richtung Koppel.

Lyz stand neben Damien, der die Pferde streichelte. Eine ihrer Hände lag auf der Flanke des Pferdes, doch sie schaute keineswegs darauf was sie machte, sie starrte die ganze Zeit auf Miraz.

Ryan seufzte leise. „Sie ist sehr neugierig.“, sagte er nach einer Weile und Miraz nickte stumm.

Sie liefen eine weitere Runde um das Gelände und schließlich begann Miraz zu reden.

„Es war diese Geschichte. Meine Geschichte. Es hat mich sehr aufgewühlt noch einmal auf die ganzen Dinge zurück zu blicken. Die Erinnerung an mein kleines Mädchen. Und jetzt ist auch noch ein kleines Mädchen hier. Das ist nicht leicht.“

Ryan nickte langsam, schwieg jedoch.

Miraz fuhr fort: „Es ist ziemlich deutlich. Ich denke wir wissen es beide. Wir wissen es alle. Das Amulett. So viele Schattenwesen auf einmal. Und ein Hexenmeister! Es muss eine Spur geben. Aber was hat diese Stadt damit zu tun? Vielleicht..“, doch Miraz konnte nicht zu Ende sprechen. Plötzlich ertönte ein hoher Schrei und Damien rief laut in ihre Richtung.

Miraz spannte sich an, seine Zähne wuchsen und seine Augen wurden weiß. Er zischte: „Werwolf“ und war im nächsten Moment von Ryan’s Seite verschwunden.

Ryan rannte auf die Kuppel zu, fand Damien und Lyz. Damien hatte sich vor Lyz gestellt, hielt sie schützend hinter sich.

Ryan sah zwei Werwölfe vor ihnen, doch schon im nächsten Moment wurden sie zur Seite gerissen.

Miraz war im Flug gegen sie gesprungen und riss beide Wesen um, sodass alle drei gegen die Holzhütte knallten, die neben ihnen stand.

Ryan schrie: „Damien, bring Lyz rein und hol ihre Mutter. Sag Kendra sie soll bei ihnen bleiben, ich helfe Miraz, sieh du nach, ob du noch mehr hier findest!“

Damien warf sich Lyz, die immernoch schrie, über die Schulter, und rannte ins Anwesen hinein. Ryan warf sich einem der Wölfe entgegen. Er feuerte seinen Colt ab, streifte das Biest aber nur an der Schulter, es hechtete in seine Richtung, er rollte sich ab und konnte ihm gerade noch ausweichen. Schnell sprang er auf die Füße, versuchte noch einmal auf das Wesen zu feuern, doch sein Colt klickte nur. Ohne Zögern ließ er ihn fallen und zog einen Dolch mit gefährlich langer, spitzer Klinge heraus. Der Wolf sprang erneut auf ihn und Ryan schaffte es, dem Tier die Kehle aufzuschneiden. Blut spritze über ihn und er duckte sich, um nicht unter dem leblosen Körper zu landen.

Ein Stück weiter kämpfte Miraz mit Händen und Zähnen gegen den Wolf.

Miraz war zu schnell für das Tier. Es schnappte und schlug nach ihm, doch Miraz blieb keine Sekunde an einer Stelle stehen. Schnell hatte er dem Werwolf den Rücken und die Seite aufgeschlagen. Einen Moment später drückte er den am Boden liegenden Wolf, mit der Hand an seiner Kehle, nach unten und hielt ihn auf dem Boden. Seine Arme waren angespannt, doch er war nicht mal außer Atem.

Der Wolf knurrte und versuchte Miraz‘ Arm abzubeißen, doch er konnte sich nicht aus dessen Griff befreien.

Ryan kam zu ihnen und begann zu dem Werwolf zu sprechen:

„Du bist ein Mensch. Das weißt du! Wir können dir helfen! Verwandel dich und wir werden dich am Leben lassen. Erzähl uns alles und wir werden dafür sorgen, dass dir nichts geschieht!“

Miraz und Ryan warteten, doch in den Augen des Werwolfes war lediglich der animalische Überlebenstrieb zu sehen.

Miraz sah kurz zu Ryan, dann drehte er mit einem Ruck sein Handgelenk, sodass es laut knackte.

Ryan wandte sich ab und ging zu dem anderen Wolf. Er sah auf ihn hinab und schüttelte leicht den Kopf.

„Lass sie uns verbrennen“, sagte Miraz leise.

Einige Augenblicke später loderten die beiden Körper, die sie aufeinander gestapelt hatten.

Damien stieß zu ihnen. „Nichts mehr sonst zu sehen.“, sagte er und sah auf die Flammen.

„Ich geh noch mal nachschauen“, meinte Miraz und verschwand.

Damien und Ryan standen schweigend da.

Nach einer Weile fragte Damien: „Was hat das alles zu bedeuten? Der zweite Werwolf Angriff in zwei Tagen. Hier passiert etwas!“

„Miraz dachte an das Amulett“, sagte Ryan kurz angebunden.

Damien’s Augen weiteten sich überrascht.

Ryan schwieg jedoch und nachdem Miraz alles überprüft hatte, gingen die Drei zurück ins Anwesen.

Die beiden Frauen saßen im Wohnzimmer.  Beth hatte die Arme um ihre Tochter gelegt, die sich ängstlich an die Mutter kuschelte.

„Es ist jetzt wieder alles in Ordnung!“, sagte Ryan und setzte sich.

Damien und Miraz ließen sich ebenfalls nieder, wobei Miraz drauf achtete, so weit wie möglich von Beth und ihrer Tochter entfernt zu sein.

„Was hat das zu bedeuten?“, fragte Kendra leise.

„Ich denke es könnte ein Anzeichen für das Amulett sein“, antwortete Miraz und sah sie aufmerksam an.

Auch Kendra reagierte überrascht.

Verständnislos sah Beth von einem zum andern. Ryan begann zu erklären:

„Es gibt da eine Legende. Über ein Amulett. Das Amulett der Vínjáry. Es heißt, dass diejenigen, die im Besitz dieses Amulettes sind, die Macht  über Wesen erlangen, die so mächtig sind, dass kein Mensch und kein Schattenwesen gegen sie ankommt. Diese Wesen , die angeblich die ältesten sind, die es auf der Erde gibt, stehen in einer besonderen Verbindung zur Natur. Sie werden als sehr mächtig beschrieben, weil sei ihre Kraft aus der Natur ziehen, welche sie selbst, so sagt man, als ihre ehrwürdige Mutter bezeichnen. Wer dieses Amulett findet, falls die Legende stimmt, besitz die Macht, über das ausgehen des Krieges zu entscheiden. Wir suchen es schon lange und wir vermuten, dass diese Anhäufung von Schattenwesen, diese unerklärlichen Angriffe, damit zu tun haben. Wenn wir dieses Amulett finden könnten, könnten wir die Menschen vor den Schattenwesen endgültig beschützen.“

Es war still im Raum.

Nach einer Weile sagte Beth: „Aber sie wissen nicht, ob es dieses Amulett gibt?“

„Wir hoffen darauf, dass es wirklich existiert. Mehr können wir eh nicht tun, aber es ist ein Anfang.“, antwortete Kendra.

Beth streichelte gedankenverloren über Lyz‘ Haare.

Einige Zeit lang saßen sie alle still in dem Raum, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.

Schließlich stand Kendra auf und sie und Damien gingen hinauf. Kurze Zeit später folgten Beth und Lyz.

Miraz und Ryan blieben stumm sitzen.

Nachdem das Holz ganz runter gebrannt ist, welches Kendra im Laufe des Tages im Kamin entzündet hat, verkündete Ryan:

„Ich werde Morgen die Waffen holen. Ich möchte das du mit mir gehst. Damien soll hier bleiben und aufpassen. Wir brauchen Waffen. Und dann müssen wir uns morgen Schritt für Schritt überlegen wie wir vorgehen.“

„Du solltest schlafen. Das wird ein langer Tag.“, antwortete Miraz und sah in die Glut im Kamin.

Ryan verabschiedete sich und ging, um seine Kräfte für den nächsten Tag zu sammeln.

Miraz blieb im dunklen Raum zurück und dachte an das Amulett.

Impressum

Texte: Luisa Weich
Bildmaterialien: Florian Wunsch

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