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Für meine besten Freundinnen - danke für Alles



Es war einmal eine kleine Eule namens Finchen, die mit ihren Eltern auf dem höchsten Baum im großen Wald lebte. Dieser Baum war die Heimat für viele Bewohner des Waldes, vor allem aber für die Freunde und Familie von Finchen. Die Astlöcher gehörten der Eichhörnchenfamilie und ihrem Sohn Piet, die mächtigen Wurzeln, die Schutz vor Menschen boten, wurden von der Igelfamilie bewohnt, zu der der Igeljunge Flynn gehörte. Um den Baum herum, geschützt vor Regen und Kälte, lebte die Familie von Lia, dem Rehkitz. Alle waren zufrieden mit dem hohen Baum, der sie beschützte. Alle – außer den Tierkindern. Sie durften nicht darauf spielen und in den Wald durften sie auch nicht gehen, denn dort lebten die großen Brummbären, die nicht gestört werden wollten.

Eines Tages als Finchen ihre ersten Flugversuche von Lias Rücken unternahm, kamen Flynn und Piet von ihrem Versteckspiel unter den Wurzeln hervorgekrabbelt und leisteten den Mädchen auf der Wiese Gesellschaft.
„Autsch!“ Finchen war von Lias Rücken gerutscht und unsanft auf dem Boden gelandet. Flynn musste sich das Grinsen verkneifen, doch sein Schwanz wackelte verräterisch. Das Rehkitz beugte den Kopf und stupste die kleine Eule an.
„Alles in Ordnung Finchen? Hast du dir wehgetan?“
„Hrmpf, nein! So schnell tu ich mir nicht weh. Bitte heb mich nochmal hoch, ich geb´ nicht so leicht auf!“
Doch Lia schüttelte den Kopf. „Nein, für heute reicht es. Sieh doch nur, der Himmel färbt sich schon rosa und du bist immer noch wach. Du solltest längst schlafen!“
Finchen wollte gerade zum Protest ansetzen, als ihre Mutter, Bea, auf sie zugeflogen kam. Liebevoll streichelte sie mit ihrem großen Flügel den flauschigen Kopf ihrer Tochter.
„Nun komm, meine Kleine. Dein Vater und ich gehen gleich auf die Jagd und du musst ins Bett.“
„Aber Mami, ich bin doch noch gar nicht müde!“, protestierte die kleine Eule.
„Bitte, bitte, bitte kannst du uns nicht noch eine Geschichte erzählen? Dann geh´ ich auch freiwillig ins Nest!“
Die Mutter blickte den hohen Baum entlang, ihr Blick blieb an ihrem Mann hängen, der ihr aufmunternd zuzwinkerte. Bis zum Anbruch der Dunkelheit war noch genug Zeit. Sie seufzte.
„Aber nur eine!“
Die Kinder freuten sich, kuschelten sich aneinander und blickten erwartungsvoll die große Eule an. In ihren Augen spiegelten sich die ersten Sterne. „Es war einmal…“


„Es war einmal, vor langer Zeit, in unserem großen Wald, eine Gruppe von Tierkindern wie ihr es seid. Ein Hase, ein Frosch, ein Schmetterling und ein Spatz. Sie lebten bei einem Baum ganz in der Nähe. Eines Tages, der Schmetterling kam gerade von einem Erkundungsflug mit dem Spatz zurück, erzählten sie den Anderen, von einem wunderschönen Platz mitten im Wald, mit einer grünen Wiese, voll mit blühenden Blumen, einem flachen Fluss und vielen Höhlen, die weit unter die Erde führten. Der ideale Spielplatz für die Tiere des Waldes, da er versteckt lag und große Tiere nicht durch das dichte Gestrüpp kamen. Bewacht wurde diese Lichtung von einer kleinen, aber weisen Schnecke, die darauf achtete, dass alles mit rechten Dingen zuging. Der junge Spatz, der sich den Luftweg gemerkt hatte, führte die Tiere zu dieser Lichtung, auf der sie von nun an jeden Tag von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang spielten. Sie verbrachten viele glückliche Tage dort, doch nach und nach wurde der Weg zur Lichtung vergessen. Viele der Tiere der nachkommenden Generationen versuchten, den Spielplatz wiederzufinden, doch kehrten sie alle erfolglos zurück.“

Finchen gähnte und kuschelte sich enger an ihre Freundin. Ihre Mutter lächelte.
„Ich bin sicher, eines Tages wird die Lichtung wiedergefunden, wenn man nur genau sucht. Und jetzt Finchen, ist es Zeit für dich, ins Nest zu gehen. Dein Vater und ich sind bald wieder da.“
Bea stieg in die Luft und nahm die schläfrige Jungeule sanft zwischen ihre Krallen. Gemeinsam flogen sie zum Nest auf dem hohen Baum, wo Finchen sich fest ins Heu kuschelte und einschlief. Sie träumte von einem Abenteuer mit ihren Freunden und dem Spielplatz im Wald.


Finchen wachte auf, als ihre Eltern sich bereit zum Schlafen machten. Bald müsste auch sie ihre Gewohnheiten umstellen, um nachts zu jagen und über die friedlich schlafenden Waldtiere zu wachen. Doch jetzt würde sie die Zeit, die ihr noch blieb, mit ihren Freunden verbringen. Sie hatte große Pläne und so rief sie am Waldboden ihre Freunde zu einem geheimen Treffen zusammen.
Gähnend krabbelte Piet den Stamm herunter und stupste den zusammengerollten Flynn an.
„Los komm, Finchen will uns etwas erzählen!“ Der Igel öffnete ein Auge.
„Hm? Nur noch fünf Minuten Mami!“
Kurzerhand rollte sein Eichhörnchenfreund vorsichtig die Igelkugel aus dem Bau. Geblendet vom Tageslicht öffnete dieser die Augen. Lia, das Rehkitz, musste lachen. Sie war schon lange wach und hatte auch schon gefrühstückt. Auf ihrem Rücken saß der kleine Flauschball, Finchen, die sich die kleinen Flügel eng an den Körper gedrückt hatte.

„Hört mal alle her! Ich habe eine tolle Idee. Wir suchen die Waldlichtung, von der Mama uns gestern erzählt hat!“
Begeistert von sich selbst blickte sie ihre Freunde an, doch es war noch zu früh, und bis auf Lia dauerte es eine Weile, bis sie verstanden hatten.
„Aber Finchen, wie sollen wir denn wissen, wo wir hingehen müssen? Der Wald ist sooo groß und wir sind klein! Und du kannst noch nicht fliegen!
„Ich kann sehr wohl fliegen!“,
rief Finchen empört.
„Schaut gut zu!“
Sie breitete ihre Flügel aus, reckte den Schnabel hoch und hüpfte in die Luft. Angestrengt schlug sie mit den Flügeln und schaffte es, sich in der Luft zu halten. Weiter hoch kam sie jedoch nicht. Die anderen Tierkinder staunten nicht schlecht, als sie sich auf Lias Rücken sinken ließ.
„Wow Finchen, das war ja super!“
Stolz streckte die kleine Eule ihre Flügel und verbeugte sich.
„Da seht ihr, ich kann fliegen! Und bald kann ich euch von ganz oben beobachten. Oh bitte, lasst uns nach der Lichtung suchen. Hier ist es so langweilig.“
Die vier Freunde sahen sich an. Schließlich hatte Flynn eine Idee:
„Piet, du kannst auf jeden Baum klettern und Ausschau nach der Lichtung halten. Du könntest sehen, wenn irgendwo im Wald ein paar Bäume anders stehen. Und du Lia, du kannst das Wasser doch riechen, oder? Denn wenn auf der Lichtung ein Bach ist, muss er ja aus dem großen Fluss kommen. Wenn wir diesem Fluss folgen, müssten wir die Lichtung sicher erreichen!“
Lia legte den Kopf schief, schloss die Augen und atmete tief ein. Erstaunt riss sie ihre Augen wieder auf.
„Ich… ich kann das Wasser riechen!“
Aufgeregt lief sie im Kreis und stampfte mit den Hufen.
„Und was kann ich? Ich will auch was Tolles können!“
Finchen hüpfte ungeduldig auf dem Rücken ihrer Freundin auf und ab. Flynn überlegte. Plötzlich grinste er.
„Finchen, du siehst so gut, du kannst uns vor Gefahren warnen und uns zum Essen führen!“
Lia drehte den Kopf und stupste Finchen sachte an.
„Siehst du, du musst mir helfen. Du bist superwichtig!“
Stolz reckte die Jungeule ihr Köpfchen. Dann wandte sie sich an den Igel.
„Und was kannst du?“
Flynn grinste und rollte sich zu einer Kugel zusammen.
„Ich beschütze euch!“

Piet blickte seine Freunde an.
„Also dann brechen wir morgen früh auf, noch bevor die Sonne aufgeht. Dann schlafen unsere Eltern noch und deine kommen gerade zurück.“
Er grinste und sein flauschiger Schwanz zuckte vor Freude.
„Wir finden die Lichtung und dann werden wir Helden sein!“
Die vier Freunde verabredeten sich für den nächsten Morgen, hinter dem hohen Baum, sodass niemand den Beginn ihres Abenteuers mitbekommen würde. An diesem Tag verbrachten die Tierkinder viel Zeit mit ihren Eltern, da sie nicht wussten, wie lange sie weg bleiben würden. Die Geborgenheit im Nest war angenehm, doch der Wunsch nach einem Abenteuer war stärker. Flynn, Lia, Piet und Finchen saßen abends in ihren Nestern, träumten vom nächsten Tag und malten sich aus, was sie auf ihrer Reise erleben und wie die Lichtung wohl aussehen würde. Doch so einfach, wie sie sich das alles vorgestellt hatten, sollte es nicht werden.

Früh am nächsten Tag, die Sonne schickte ihre ersten Strahlen über den Himmel, machten sich die Freunde auf den Weg in ihr Abenteuer.
Lia führte mit ihrer Nase die Gruppe an, mit Finchen auf dem Rücken, die mit scharfen Augen alles beobachtete. Piet hüpfte von Ast zu Ast und bestimmte die Richtung, in die sie gingen. Flynn trippelte neben dem Rehkitz her, immer bereit, seine glänzend schwarzen Stacheln aufzustellen.

Schon bald wurde das Blätterdach der Bäume immer dichter, und die Sonne hatte Mühe, ihre Strahlen bis zum Boden zu schicken. Unbeirrt gingen die Freunde weiter in den tiefen Wald, der immer dunkler wurde. Hier wuchsen die Bäume noch viel höher als in ihrem Teil des Waldes, die Äste verzweigten sich mehr und es blühten viele Blumen, die mit ihrem Duft die Freunde in ihren Bann zogen. Vorsichtig geworden schritt Lia voran, streckte ihre Nase in die Luft und schnupperte nach dem Geruch des Wassers. Plötzlich drehte sie den Kopf nach rechts, roch erneut und lächelte ihre Freunde an.
„Gefunden!“, rief sie stolz. „Hier entlang!“
Als sie einen Berg hinunterliefen, rollte der kleine Igel sich zu einer Kugel zusammen. Piet nutzte die Gelegenheit und gab seinem Freund einen kräftigen Schubs, sodass dieser den Berg herunterrollte. Alle lachten, als Flynn sich entkugelte und auf seinen kleinen Pfoten den Weg entlang schwankte. Um den Schwindel zu vertreiben, schüttelte er den Kopf und schaute zu seinen immer noch grinsenden Freunden.
„Nochmal!“, jubelte er, als er sie nicht mehr doppelt sah. Piet wollte schon auf ihn zu rennen, als Lia ruckartig stehen blieb und er in ihre langen Beine krachte. Erschreckt vom plötzlichen Stillstand der Freundin flatterte Finchen zu Boden und wurde von Lia und Piet mitgerissen, die das Gleichgewicht verloren hatten. Zu dritt kugelten sie den Berg runter und blieben ineinander verheddert ein Stück vor Flynn liegen. Der hielt sich den Bauch vor Lachen als er sah, wie die Drei versuchten, sich aufzurichten.

Als sie es endlich geschafft hatten, fragte Piet Lia, warum sie so plötzlich stehen geblieben war.
„Ach, ich dachte dass sich der Geruch verändert hätte.“
„Riechst du etwa das Wasser nicht mehr?“
Flynn blickte ängstlich zu dem Rehkitz hoch.
„Doch doch, aber… Es roch nach etwas Großem, aber ich habe es noch nie zuvor bemerkt. Ich kenne diesen Duft nicht!“
Piet zuckte die kleinen Schultern. „Kannst du es noch riechen?“
„Nein, es ist weg. Dafür wird der Geruch des Wassers immer stärker. Lasst uns weitergehen!“
Und so setzten sich die vier Freunde wieder in Bewegung. Nach kurzer Zeit hörten sie ein kräftiges Rauschen und hinter einem großen Beerenstrauch zeigte sich ein breiter Fluss. Am Ufer, das mit Schilfrohren und Seerosen bewachsen war, blieben die Tierkinder stehen.
„Oh wow, der ist aber sehr breit! Und seht mal, ich kann die Fische sehen. Sind die so schön bunt.“
Sie bestaunten die ungewohnten Flussbewohner, die friedlich im Wasser schwammen – bis Lia einen Fuß eintauchte. Erschreckt stoben sie auseinander. Lia kicherte.
„So kalt ist das ja gar nicht. Und flach genug, dass wir durchschwimmen können.“ „Aber wieso denn durchschwimmen? Können wir nicht einfach am Ufer entlang gehen?“ Piet beäugte misstrauisch das klare Wasser.
„Naja“, antwortete Lia, „eine Weile schon, aber ich kann riechen, dass er sich teilen wird. Und wir müssen dem rechten Zweig folgen.“
Flynn machte sich groß und stellte seine Stacheln auf. „Keine Angst Freunde, ich gehe zuerst!“
Sprach´s und hüpfte in den Fluss. Zuerst sah es aus, als ob er ganz leicht durchschwimmen könnte, doch als er schon fast das andere Ufer erreicht hatte, wurde er von der Strömung mitgerissen. Hilferufend trieb er im Wasser und versuchte, gegen den Strom zu schwimmen, doch er war nicht stark genug. Eichhörnchen, Reh und Eule rannten am Ufer nebenher, aber sie konnten ihm nicht helfen. Verzweifelt suchten sie nach langen Stöcken um den Igel aus dem Wasser zu fischen, aber die kräftigen Äste hingen so hoch, dass sie sie nicht erreichen konnten.

Auf einmal drehte Finchen den Kopf. Sie hatte ein Geräusch gehört, von schweren Pfoten, die trommelnd auf dem weichen Waldboden aufschlugen. Mit ihren scharfen Augen suchte sie den Wald ab, als plötzlich ein großer brauner Bär aus dem Gebüsch geschossen kam. Erschreckt flatterte sie in die Luft, doch bevor sie sich freuen konnte, dass ihre Flügel sie in die Höhe trugen, prallte Lia gegen sie, die entsetzt zurückgewichen war. Der Bär, oder besser die Bärin, rannte auf den Fluss und damit genau auf die Stelle zu, an der sich Flynn an einem Stein festhielt! Bevor einer der Freunde den Igel warnen konnte, streckte die Bärin eine massige Pfote aus und fischte den Igel mit einem Schwung aus dem Wasser und drückte ihn zum Trocknen an die Brust. Die Stacheln, die Flynn zum Schutz aufgerichtet hatte, schien sie gar nicht zu spüren.

„Ist alles in Ordnung, mein Kleiner?“
Flynn hatte schreckliche Angst. Er wusste nicht, ob er sich fürchten oder freuen sollte. Das Wasser stellte keine Gefahr mehr für ihn dar, aber die Bärin schon! Aßen Brummbären kleine Igel? Er hoffte nicht. Sanft setzte sie den Igel ab, der schnell zu Lia rannte und sich hinter ihren Beinen versteckte. Mutig flatterte Finchen vor und schwang sich auf Augenhöhe der Bärin, doch weit genug von deren Tatzen entfernt.
„Wer bist du und was willst du von uns?“ fragte sie.
Es fiel ihr zunehmend schwerer, den kleinen Körper in der Luft zu halten, doch sie würde nicht zu Boden fliegen bevor sie sicher sein konnte, dass keine Gefahr bestünde. Kari lächelte gütig.
„Habt keine Angst, ihr Kleinen. Ich bin Kari, Brummbärenmutter und Beschützerin von diesem Teil des Waldes. Ich hörte eure Hilferufe und kam zu sehen, ob ich helfen könnte. Ich dachte ich würde euch nicht rechtzeitig erreichen, aber zum Glück habe ich es noch geschafft.“
Sie wandte sich zu Flynn, der neugierig hinter Lia hervorspitzelte.
„Geht es dir gut?“
Flynn, der wieder mutig war, lief nach vorne.
„Natürlich!“, rief er mit Stolz in der Stimme. Dann sagte er leiser: „Vielen Dank, liebe Brummbärenmutter. Ich hatte wirklich Angst.“
Er lief rot an. Kari guckte gerührt.
„Ach du liebes Igelchen, du musst keine Angst haben. Der Wald ist nur dann gefährlich, wenn man sich überschätzt. Lieber erst etwas überlegen, bevor man sich übermütig in eine Abenteuer stürzt.“ Flynn wurde vor Scham noch röter. „Hm ja, ich werde es mir merken. Versprochen!“
Die Brummbärin lächelte. „Nun, dann ist ja gut. Wenn ihr möchtet, könnt ihr den Rest des Tages und die Nacht bei uns Bären verbringen und uns von euerm Abenteuer erzählen. Wir haben auch guten Honig!“
Finchen flatterte auf den Rücken ihrer Freundin und überlegte kurz. Diese nickte ihr zu, und so stimmte sie dem Vorschlag zu. Piet war begeistert. „Juhu, wir lernen die Bären kennen!“ Zu viert folgten sie Kari, die sie an einer schmalen Stelle über den Fluss führte, tiefer in den Bärenwald hinein.


Kari führte die Tierkinder zu einer großen Höhle im Wald, in der viele Bären in jedem Alter lebten. Braune und schwarze Bären beäugten Eichhörnchen, Reh, Eule und Igel misstrauisch und machten der großen Bärenmutter Platz. Im hinteren Teil der Höhle spielten die Bärenkinder und zwei davon kamen auf sie zu gerannt.
„Mami Mami, wer ist das? Wo kommen sie her? Was wollen sie?“ Kari lachte.
„Darf ich euch die zwei neugierigsten Kinder vorstellen? Meine Zwillinge, Mimi und Matti.“

Sie wandte sich zu Finchen und ihren Freunden. „Ich muss noch ein paar Dinge erledigen, aber danach komme ich zu euch und ihr erzählt mir von eurem Abenteuer. Spielt bis dahin ein wenig zusammen.“
Sie drehte sich um und lief aus der Höhle ins Licht. Sofort hoben die Zwillinge Flynn und Piet hoch und trugen sie noch tiefer unter den Berg. Finchen flatterte auf Lias Kopf und zusammen folgten sie ihnen. Als sie am Ende angekommen waren, staunten sie nicht schlecht. Überall lag Spielzeug herum, weiches Moos polsterte den Boden und durch eine Öffnung in der Decke konnte man den Himmel sehen, an dem schon die ersten Sterne standen. Finchen setzte sich ein wenig abseits der anderen Kinder auf den Moosboden und betrachtete den Sternenhimmel. Sie vermisste ihre Eltern so schrecklich! Wenn sie wieder daheim wäre, würde sie nie wieder so weit weg gehen. Eine dicke Träne kullerte über ihre Wange. „Ich will nach Hause!“, schluchzte sie. Lia ging zu ihrer Freundin und stupste sie an. „Ach wein´ doch nicht Finchen, wir sind bestimmt bald wieder daheim. Willst du denn nicht die Lichtung finden?“ „Doch natürlich will ich. Aber ich vermisse meine Eltern, meinen Baum und mein Essen!“ Lia legte sich auf den Boden und kuschelte sich eng an ihre Freundin.
„Schlaf Finchen, morgen ist ein neuer Tag und morgen finden wir die Lichtung, ich verspreche es dir!“
Beruhigt schloss die kleine Eule ihre Augen. „Gute Nacht, Lia.“ „Gute Nacht, Finchen.“

Piet und Flynn beobachteten die Mädchen, die zusammen auf dem Moos schliefen. Sie waren noch nicht müde, und so spielten sie mit den Zwillingen bis Kari zurückkam. Liebevoll hob sie ihre Kinder hoch und trug sie zum Schlafplatz.
„So, und jetzt erzählt mal, warum ihr euch so weit in den Wald hineinwagt!“ Und Piet erzählte ihr von dem Plan, die Lichtung wiederzufinden und als Helden zurückzukehren.


Am nächsten Morgen verabschiedeten sich Eichhörnchen, Eule, Reh und Igel von den Bären und gingen zurück zum Fluss.
Kari hatte ihnen erzählt, dass es nun nicht mehr weit sei, weniger als ein Tag. Gut gelaunt marschierten die Tiere den Fluss entlang, während der Wald immer grüner wurde, die Blumen bunter und die Sonne ihre Strahlen durch das Blätterdach schickte und die Tiere wärmte. Finchen, die ihre Flügel jetzt vollkommen unter Kontrolle hatte, flog voraus, suchte ihren scharfen Augen die Umgebung ab und pickte leckere Beeren von den Sträuchern. Piet hüpfte von Ast zu Ast und behielt seine Freunde im Auge, die ein paar Meter unter ihm entlang liefen. Lia beobachtete Flynn, der mit seinen kleinen Füßen vor ihr trippelte. Sie beugte sich zu ihm runter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Beide grinsten frech. „Du, Piet? Komm doch mal kurz her!“ Misstrauisch kletterte Piet vom Baum runter, als er in die Gesichter seiner Freunde blickte. „Was gibt’s denn?“
Während er auf Lia zulief, schlich sich Flynn von hinten an und packte seinen Freund fest mit beiden Pfoten. Lia tauchte beiläufig einen Huf ins Wasser. „Nun sag schon, was ist denn so wichtig, dass ich meine Bäume verlassen muss?“ Mit Schwung zog Lia ihren Huf aus dem Wasser und spritzte Piet nass. Triefend stand er vor ihnen und schüttelte sich. „Na warte, das gibt Rache!“ rief er und schlug mit seinem flauschigen Schwanz ins Wasser, sodass Lia und Flynn ebenfalls nass wurden. Lachend stürzte sich Finchen ins Getümmel und schon entbrannte die schönste und wildeste Wasserschlacht, die der Wald je gesehen hatte.

Erschöpft und pitschnass lagen die Tiere später auf dem mit weichem Moos bedeckten Waldboden und ließen sich von der warmen Sonne trocknen. Keiner achtete auf die Umgebung und so sprangen sie erschreckt auf, als plötzlich ein großer roter Fuchs vor ihnen stand.
„Naaaa, meine Kleinen, was macht ihr denn so allein hier draußen? Hat euch denn eure Mami nicht beigebracht dass es gefährlich ist, sich ohne Erwachsene so weit in den Wald zu begeben?“
Böse grinsend leckte er sich das Maul. „Du siehst aber lecker aus!“, sagte er und machte einen Satz auf Piet zu. Quiekend machte er einen großen Satz zurück. „Ich… ich schmecke aber gar nicht gut! Zu viel Fell!“ Der Fuchs lachte. „Ach, mach dir darüber keine Sorgen. Flauschig und saftig jung gefällt mir am Besten!“ Er schlich weiter in geduckter Haltung auf das Eichhörnchen zu und setzte zum Sprung an.

Doch bevor die Tierkinder etwas unternehmen konnten, krachte es im Gebüsch und die Bärenzwillinge Mimi und Matti brachen daraus hervor. Drohend bauten sich die beiden vor dem Fuchs auf, der nur halb so groß war wie sie. „Verschwinde Fuchs, und such dir dein Essen woanders.“ „Oder sollen wir dir zeigen, was wir mit Tieren machen, die unsere Freunde essen wollen?!“ Fauchend machte der Fuchs einen Schritt zurück, blieb jedoch in Angriffshaltung. Matti brüllte laut und da drehte der Fuchs sich um und verschwand jaulend im Wald. Die Zwillinge klatschten sich ab. „Freunde gerettet – erledigt!“


Piet, dem das alles zu viel wurde, lies sich ins Gras plumpsen. Finchen fand als erstes ihre Sprache wieder. „Danke! Aber was macht ihr denn hier?“ Mimi druckste rum. „Naja, wir wollten diese Lichtung auch sehen… und dann sind wir euch gefolgt.“ Matti grinste. „Da habt ihr ja nochmal Glück gehabt, nicht wahr?“ Finchen nickte. „Dann kommt doch mit uns, weit kann es nicht mehr sein!“
Freudig schlossen sich die Bärenkinder den Anderen an und so machten sich alle zusammen auf den Weg. Der Fluss plätscherte jetzt sanft vor sich und nach einer weiteren Stunde bildeten die Bäume einen großen Bogen, unter dem man hindurch gehen konnte. Im Gras davor saß eine kleine Schnecke.

„Eintritt ist nur denen gestattet, die durch Mut und Freundschaft bewiesen haben, dass sie würdig sind.“
Entschlossen trat die Gruppe gemeinsam einen Schritt vor. „Wir haben viel zusammen erlebt und unsere Freundschaft ist daran gewachsen. Lass uns durch!“
Die Schnecke betrachtete Finchen, die gesprochen hatte, aufmerksam. „Ich sehe… nun, dann tretet ein und lasst euch verzaubern!“ Staunend traten die Tierkinder unter dem Bogen durch und verteilten sich auf dem Spielplatz. Dieser bestand aus einer Wiese mit hohem Gras, prima geeignet zum Versteckspielen, Moosstellen mit duftenden Blumen, die zum Ausruhen einluden, der Fluss, der so flach war, dass man leicht hindurchlaufen konnte und viele Hügel und Äste zum herumklettern.

Die Tierkinder spielten stundenlang dort und als sie sich auf den Heimweg machten, gab ihnen die weise Schnecke eine Karte mit, mit der sie die Lichtung immer wieder finden würden. Als sie bei den Bärenhöhlen vorbeikamen, verabschiedeten sich die Zwillinge mit dem Versprechen, sie oft zu besuchen und gemeinsam zur Lichtung zurück zu kehren.


Am Ende des Tages hatten die vier ihren großen Heimatbaum erreicht, da sie einer Abkürzung gefolgt waren, die auf der Karte verzeichnet war. Als die Eltern ihre Kinder erblickten, flogen, rannten, krabbelten und hüpften sie auf sie zu und nahmen sie liebevoll in die Arme. Bea stupste ihre Tochter an.
„Na, habt ihr die Lichtung gefunden, ihr kleinen Ausreißer?“
„Ja Mama, und es tut uns wirklich Leid, dass wir einfach so gegangen sind, ohne Bescheid zu sagen.“ Bea schmunzelte. „Jeder muss mal ein Abenteuer erleben. Doch für die Zukunft merkt euch, dass ihr uns sagt, wenn ihr eine Reise vorhabt.“ „Versprochen! Und, Mama?“ Finchen grinste ihre Mutter an, breitete die Flügel aus und schwang sich mühelos in die Luft. Sprachlos guckte Bea zu, wie die kleine Eule sich in der Luft hielt und alle versammelten Tiere brachen in Applaus aus. Anschließend erzählten die Kinder von ihren Abenteuern und die Erwachsenen hörten gespannt zu. Für die Heimkehrer wurde ein großes Fest gegeben und alle wurden zu Helden erklärt. Sie feierten die ganze Nacht und den nächsten Tag, und als es dann wieder dunkel wurde, gingen alle zu Bett und träumten von der Lichtung.

Die Bärenkinder kamen oft zu Besuch und nahmen die vier mit zur Lichtung, die nie wieder in Vergessenheit geriet. Die Karte wurde am großen Baum angebracht, sodass jeder sie sehen konnte. Im Laufe der Jahre machten sie sich noch oft auf die Reise, besuchten die Brummbären und fanden neue Freunde. Als die vier Freunde erwachsen wurden und ihre eigenen Familien hatten, erzählten sie ihren Kindern von den Abenteuern, die sie erlebt hatten und die Geschichten wurden so von Generation zu Generation weiter gegeben. Nie wurde vergessen, wer den schönsten Platz des Waldes wiedergefunden hatte.

Impressum

Texte: Isabel Freiberger
Bildmaterialien: Isabel Freiberger
Tag der Veröffentlichung: 17.01.2013

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