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Der Fund

Das Pausenklingeln ertönte. Professor Binns schreckte ein wenig zusammen und sah sich leicht irritiert um, bevor er die Schüler dann in die Pause entließ, ohne seinen angefangenen Satz überhaupt beendet zu haben. Hermine mochte Geschichte der Zauberei eigentlich. Sie fand die Themen recht interessant. Zum Beispiel die Riesenverfolgung, die sie gerade behandelten. Dass die Riesen damals als so gefährlich eingestuft wurden, dass sogar gezielt nach ihnen gesucht wurde, um sie auszurotten. Hermine verstand nicht, wie man bei solch interessanten Themen einfach lieber auf seinem Pult schlief oder sich mit seinem Nachbarn unterhielt, sodass sie selbst Probleme hatte, dem Unterricht noch gänzlich zu folgen.

Allerdings musste auch sie zugeben, dass Professor Binns die Klasse nicht gerade gekonnt unterhielt. Sie fragte sich manchmal, ob er die Schüler vor ihm überhaupt richtig wahrnahm, oder ob er sie genau so sah, wie sie ihn. Als Gestalt, durch die man hindurch blicken konnte. Außerdem kam es ihr so vor, als würde der Professor sich die Themen eher selbst erzählen, als sie den Schülern zu vermitteln.

Dennoch verstand sie nicht, wie man dem Unterricht überhaupt keine Aufmerksamkeit schenken konnte. So wie Harry und Ron, die die ganze Stunde lang auf ihr Papier gekritzelt hatten. Und dann nicht einmal Notizen! Nein. Harry hatte eine schlechte Zeichnung eines kompletten Quidditchspielfelds gemalt, während Ron… ja… was hatte Ron eigentlich auf sein Papier gekritzelt? Um ehrlich zu sein, hatte sie es nicht definieren können.

Hermine war immer noch beim Einpacken ihrer Tasche, während Ron und Harry schon an der Tür auf sie warteten. Sie beeilte sich rasch ihr Zeug zu verstauen, hängte sich die Tasche über die Schulter und folgte den beiden nach draußen auf den Flur.

„Ganz im Ernst, die Stunde Geschichte der Zauberei hätte ich auch genauso gut noch im Bett bleiben können.“, murmelte Ron schließlich und gähnte dann ausgelassen, woraufhin er sich einen tadelnden Blick von Hermine einfing.

„Wie wollt ihr beiden bitte eure ZAG’s bestehen, wenn ihr nie aufpasst!“ Hermine konnte einfach nicht anders, als die beiden dahingehend zu belehren. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass die beiden mit ihrem Benehmen gerade darauf hinaus wollten.

„Ich verstehe nicht, warum ihr es nicht einfach mal versucht. Schließlich ist die Riesenverfolgung wirklich interessant! Wenn ihr dem Thema mal eine Chance geben würdet-“

„Wir geben dem Thema ja eine Chance.“, unterbrach Ron sie auch schon. Sie presste nur die Lippen aufeinander, um sich einen weiteren Kommentar zu verkneifen. Eigentlich müsste sie mittlerweile daran gewöhnt sein, dass ihre beiden Freunde sich nie wirklich lang mit den Themen Schule und Lernen und Unterricht auseinandersetzten. Aber ihr pflichtbewusst denkendes Gehirn konnte einfach nicht umhin das zu bemängeln.

„Aber Binns könnte jedem mit einer Schlafstörung verhelfen, Nachts gut einschlafen zu können, solange er nur über die Riesenaufstände redet.“, entgegnete Ron leichthin.

„Riesenverfolgung.“, sagte Hermine betont und ein wenig genervt. „Wirklich Ronald, wenigstens ein bisschen zuhören kannst du doch wohl.“

„Das übernimmst du doch schon für uns. Du hast immerhin seitenweise mitgeschrieben, das reicht für uns drei.“ Ron deutete dabei von sich, auf Harry und dann auf Hermine. Diese schüttelte jedoch nur den Kopf.

„Ihr solltet vielleicht langsam mal lernen aufzupassen, denn für die Prüfungen dürft ihr schön eure eigenen Notizen benutzen. Meine bekommt ihr jedenfalls nicht!“, schnaufte sie und schritt dann erhobenen Hauptes ein wenig schneller, als die Jungen. Sie kannte diese Faulheit von Ron und Harry nur zu gut. Aber sie würde ihnen nicht immer alles hinterher tragen und sie mit ihren Sachen lernen lassen, die sie sich schwer erarbeitet hatte und für die weder Ron, noch Harry irgendwas gemacht hatten. Das fand sie einfach nicht fair.

Leider war ihr Abgang jedoch nicht so würdevoll, wie erhofft, denn natürlich konnten auch Ron und Harry gut einen Schritt schneller laufen und waren dabei sogar fast noch schneller, als sie selbst.

„Komm schon Hermine, Ron meinte das nicht so.“, sagte Harry schlichtend, doch Hermine schaltete erst einmal auf taub. Sie wusste, egal, was die beiden zu ihr sagen würden, im Endeffekt hatte sie dann wieder so viel Mitleid mit ihnen, dass sie sie ohnehin mit ihren Aufschriften lernen lassen würde. So wie immer.

„Ja! Deine Mitschriften sind nun mal besser als unsere. Du bist nun mal einfach intelligenter, als Harry und ich.“, sagte Ron in so überzeugendem Ton, dass Hermine ein Schmunzeln zurückhalten musste.

„Als wir beide zusammen!“, setzte Harry noch hinzu und auch, wenn sie es hasste, dass sie so leicht zu beeinflussen war, konnte sie ohnehin nicht lange genug sauer auf die beiden sein. Schon damals nicht, im dritten Jahr, als sie ihr vorgeworfen hatten eine schlechte Freundin zu sein, weil sie Harrys Feuerblitz an Professor McGonagall gegeben hatte, damit sie ihn auf gefährliche Zauber untersuchen konnte. Sie hatte es getan, weil sie Angst um Harry hatte und dann hatten die beiden Wochenlang nicht mehr mit ihr gesprochen. Sie hatte es ihnen nie so sehr verübelt, als dass sie ihnen hätte lange böse sein können. Oder als Ron ihr vorgeworfen hatte, Krumbein hätte seine Ratte gefressen. Im Nachhinein hatten sie sich alle dann vermutlich gewünscht, Krumbein hätte das mal gemacht. Es hätte ihnen zumindest die „Wiedergeburt“ Voldemorts erspart.

„Ist schon gut.“, murmelte sie schließlich ergeben und schmunzelte. „Wir haben jetzt frei. Kommt ihr mit in die Bibliothek?“, startete sie dann einen anderen versuch, die beiden irgendwie zum Lernen zu bewegen. Oder zumindest dazu Hausaufgaben zu machen. Aber beide schüttelten nur unisono den Kopf und sahen sie bedauernd an.

„Angelina hat für heute Nachmittag ein Quidditchtraining angesetzt.“, grummelte Ron. Ach ja, richtig. Quidditch. Noch eine Sache, die Hermine nicht verstand. Ron hatte sichtlich Probleme damit, schon allein Quidditch zu bewältigen und war auch nicht besonders gut in dem Sport. Zumindest nicht in den letzten beiden Spielen, soweit sie das beurteilen konnte. Aber er war trotzdem noch in der Mannschaft und hing dann noch seinen Hausaufgaben hinterher. Generell verstand sie nicht, was alle an dem Zauberersport so toll fanden. Aber da sie damit gegen 90% der Zaubererbevölkerung reden würde, hatte sie es schon aufgegeben ihre Meinung zu Quidditch zu äußern.

„Dann bis später.“, sagte sie nur, wenn auch nicht ganz so begeistert und lief dann die Treppe nach unten in die Bibliothek, während Ron und Harry nach oben in den Gemeinschaftsraum gingen, um ihre Schultaschen dort abzustellen und ihre Besen zu holen.

 

In der Bibliothek war es angenehm still. An den Tischen saßen vereinzelt Schüler über Bücher und Pergamente gebeugt. Hannah Abbott saß mit Ernie MacMillan am Tisch, der sich gerade zu ihr herüber beugte, um ihren Aufsatz besser lesen zu können. Seit einiger Zeit schon sah man die beiden ständig miteinander. In Hogsmeade, auf den Fluren, in der Bibliothek. Allerdings wollte Hermine keine falschen Schlüsse ziehen. Schließlich war sie auch ständig mit Harry und Ron zusammen.

Sie zog beim Laufen ihren Hausaufgabenplaner aus ihrer Tasche und besah sich die Seiten. Alle erledigten Hausaufgaben waren bei ihr durchgestrichen, die noch zu erledigenden waren rot markiert. Sie hatte einen Zauber auf den Planer gelegt, damit die rote Markierung verschwand, sobald sie etwas durchstrich. Es war ziemlich praktisch und viel einfacher so den Überblick zu behalten.
Für die nächste Woche stand noch ein Aufsatz für Verwandlung an. Dafür hatte sie jetzt Zeit. Also suchte sie sich einen Tisch in der Nähe der Abteilung mit den Verwandlungsbüchern und platzierte ihre Sachen dort auf einem Tisch, bevor sie dann durch die Regalreihen schritt und die Buchtitel überflog. Auch, wenn sie die Bibliothek mittlerweile beinahe auswendig kannte und eigentlich wusste, wo sie das gewünschte Buch fand, lief sie gerne einfach so durch die Reihen, um zu sehen, ob sie vielleicht ein Buch entdeckte, was sie anderweitig interessieren könnte. Doch heute scheinbar nicht, denn etwas, das sie noch nicht hier in dem Regal gesehen hatte, stand nicht hier. Also schritt sie weiter und schnappte sich dann „Lehrbuch der Verwandlung für Fortgeschrittene“, was sie seit diesem Jahr häufiger zu Rate zog und lief wieder zurück an den Platz, an den sie ihre Tasche gestellt hatte.

Hermine setzte sich auf einen Stuhl und schob dann ihre Tasche ein wenig bei Seite, damit sie mehr Platz zum Schreiben hatte, als plötzlich etwas mit einem Knall zu Boden ging. Unwillkürlich zuckte sie zusammen. Ihre Augen zuckten durch die Regalreihen, doch Madam Pince schien zu weit weg zu sein, um das Geräusch gehört haben zu können. Hermine dachte erst unsinnigerweise, sie hätte ihre Tasche auf den Boden fallen lassen, aber die stand immer noch auf dem Tisch. Sie stand auf und lief einmal um den Tisch herum, um zu sehen, was ihr nun herunter gefallen war, als sie plötzlich ein Buch auf dem Boden liegen sah. Aber keines, das sie sich geholt hatte. Verwandlung für Fortgeschrittene lag immer noch auf dem Tisch, neben ihrem Blatt Pergament. Jemand musste es hier liegen gelassen und vergessen haben und sie hatte es gewiss nicht gesehen, als sie eben gerade ihre Tasche auf dem Tisch abgestellt hatte.

Hermine bückte sich und hob das Buch vom Boden auf. Es war dick und auch dementsprechend schwer. Außerdem sah es alt aus. Der Rand war abgegriffen und den Buchtitel konnte man schon gar nicht mehr entziffern.

Nur leider hatte Hermine eine riesengroße Schwäche für Bücher und ganz besonders für die alten, dicken Bücher, die nach interessantem Inhalt aussahen, als dass sie das Buch einfach wieder in ein Regal gestellt hätte. Da ihr das Buch zu schwer in den Armen wurde, setzte sie sich wieder hin und legte es vorsichtig auf den Tisch. Beim Aufschlagen der ersten Seite, flog ihr einiges an Staub entgegen. Sie hustete und wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, in der Hoffnung, den Staub damit irgendwie von ihrem Gesicht fern zu halten.

Die Buchseiten waren Handgeschrieben, aber so fein säuberlich, dass man die einzelnen Worte ausgesprochen gut lesen konnte. Auf der ersten Seite stand ausführlich geschrieben, dass es sich in diesem Buch um Magie handelte, die gleichermaßen faszinierend, wie auch gefährlich sein konnte. Hermine fragte sich, ob das nicht eigentlich auf alles in der magischen Welt zu traf. Drachen waren unfassbar faszinierend, aber ungefährlich waren sie ja auch nicht. Unbeirrt blätterte sie also weiter. Aber tatsächlich standen in dem Buch Zauberformeln, Tränke und andere Dinge, von denen Hermine noch nie etwas gehört hatte. Ein Zauber, der dich mit Toten kommunizieren lässt. Ein Trank, der die Seele des Trinkenden in einen anderen Körper projizierte. Alles in allem standen hier Dinge, bei denen Hermine nur den Kopf schütteln konnte. Ob vor Fassungslosigkeit oder vor Unglauben, wusste sie selbst noch nicht so recht. Doch das Meiste hier drin, schien ihr so surreal. Das konnte einfach nicht wahr sein. So etwas gab es nicht. Und schon gar nicht als Buch hier in Hogwarts, wo es so herum lag, dass absolut jeder es in die Finger bekommen und lesen konnte. Das musste einfach ein schlechter Scherz von dem Autor sein. So ungefähr wie die unzähligen Wahrsagebücher, die kompletter Irrsinn waren. Wie das Fach selbst.

 

„Hallo Hermine.“

Die Angesprochene schreckte zusammen und klappte aus Reflex das Buch zusammen, wodurch sie eine neue Staubwolke auffliegen ließ.

„Ginny! Was gibt’s?“, fragte Hermine und schob das Buch rasch bei Seite, sodass es jetzt fast hinter ihrer Tasche lag, wo Ginny es nicht sehen konnte. Irgendwie war ihr unwohl dabei, wenn sie daran dachte, dass jemand dieses Buch in die Finger bekommen und diese Zauber und Tränke wirklich ausprobieren könnte. Wer wusste schon, was dabei wirklich passierte?

„Ich hab dich hier sitzen sehen und dachte, ich leiste dir mal ein wenig Gesellschaft.“, sagte die Rothaarige grinsend, bevor sie sich auf dem gegenüberliegenden Stuhl von Hermine setzte. Diese lächelte ihre Freundin milde an. Zumindest kam Ginny in die Bibliothek und lernte. Dabei nahm sie sich zum Glück weder Ron, noch Fred und George als Vorbild.

„Was versteckst du da?“ Ertappt sah Hermine zu Ginny. Sie hatte gerade umständlich versucht ihre Tasche von dem Tisch zunehmen und das Buch gleich mit, wobei sich beides gleichzeitig anzuheben als erheblich scher herausstellte. Schließlich dachte Hermine aber daran, dass das Buch eh nur ein blöder Witz sein konnte und dass es hier außerdem um Ginny ging. Ihre beste Freundin. Also nahm sie ihre Tasche herunter und ließ das Buch auf dem Tisch liegen.

„Irgendjemand hat das vorhin hier vergessen. Ist ein seltsames Buch.“, murmelte sie. Ginny zog skeptisch die Augenbrauen nach oben.

„Sieht nach etwas aus, das seit Jahren nicht mehr angefasst wurde.“, sagte sie ein wenig naserümpfend. So verstaubt, wie es war, hatte sie wohl recht.

„Was ist so merkwürdig daran? Es gibt doch einige alte Bücher hier in Hogwarts.“, fragte Ginny dann.

„Das ist es nicht. Es ist merkwürdig, wegen den Dingen, die in dem Buch stehen.“ Als Hermine nichts weiter dazu sagte, nahm Ginny seufzend das Buch zu sich und blätterte ein wenig darin herum. Hermine beobachtete sie interessiert. Ginnys Gesichtsausdruck ging von gelangweilt über zu amüsiert, bis hin zu Ungläubigkeit und... war das da Faszination auf ihrem Gesicht?

„Mine das ist… meinst du das funktioniert echt?“, fragte die Rothaarige, scheinbar genauso hin und her gerissen zwischen dem, was sie davon glauben sollte und was nicht, wie Hermine selbst.
Diese wog nun den Kopf hin und her.

„Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt glaube ich aber nicht daran. So ein Buch wäre sonst nichts, was man einfach in einer Schulbibliothek aufbewahrt.“, entgegnete sie.

„Außer, jemand hat es aus der Verbotenen Abteilung mitgehen lassen.“, gab Ginny zu bedenken. Diesen Gedanken fand Hermine allerdings ziemlich beunruhigend. Wenn sie wirklich ein Buch aus der Verbotenen Abteilung in den Händen hielten, sollten sie es wohl lieber schleunigst wieder zurück dorthin bringen.

„Mir scheinen die Zauber darin allerdings ein wenig zu unrealistisch. Außer Professor Trelawney glaubt doch niemand wirklich, dass man mit Toten kommunizieren könnte. Das ist ein Wunschdenken, genauso wie das Lesen in Teetassen.“ Nein, das Buch konnte nicht wirklich ernsthafte Informationen enthalten. Dessen war sich Hermine fast sicher. Ginny jedoch schien noch nicht komplett überzeugt zu sein. Sie tippte sich nachdenklich an die Unterlippe und blätterte weiterhin in dem Buch.

„Dann lass es uns ausprobieren.“, sagte sie nach einem Moment.

Spekulationen

 „Was?“, japste Hermine. Ginny wollte diese Zauberformeln anwenden? War sie noch ganz bei Trost? Doch ihre Freundin grinste nur.

„Ich dachte, du glaubst, dass es nur Schwachsinn ist.“, konterte sie.

„Tu ich auch!“, erwiderte Hermine trotzig.

„Was ist denn dann dabei?“, fragte Ginny schulterzuckend.

„Hier. Wir könnten den Trank brauen.“ Sie schob Hermine das Buch zu. Hermine überflog kurz Inhalt und Wirkung des Tranks. Er würde einen ein paar Momente aus seiner eigenen Zukunft zeigen, wenn sie es richtig verstanden hatte.

„Ich weiß nicht…“, seufzte sie, überhaupt nicht einverstanden damit, dass sie möglicherweise einen Trank aus einem Buch brauten, das in die Verbotene Abteilung gehören könnte.

„Wenn es wirklich funktioniert, dauert die Wirkung ohnehin nicht länger als 10 Minuten und seinen wir mal ehrlich… bist du kein Stück neugierig, wie deine Zukunft im Moment aussieht. Ich meine… falls das wirklich funktionieren sollte?“, fragte Ginny und ihre Augen leuchteten dabei. Sie hatte recht. In dem Buch stand, dass der Trank nicht länger, als 10 Minuten wirkte. Und was die Zukunft anging… Auch wenn Hermine es nicht glauben wollte, aber wenn es doch funktionierte… Was, wenn du Zukunft die sie sahen A: ein riesige Lüge oder B: die Wahrheit, aber grauenvoll war?

Allerdings dachte Hermine nicht wirklich daran, dass es funktionieren könnte.

„Also gut.“, seufzte sie schließlich ergeben. Ginny sah sie strahlend an.

„Ich hab morgen Zaubertränke. Ich lasse einfach ein paar Sachen aus den Schränken mitgehen und dann treffen wir uns in der Besenkammer, hinter dem Wandteppich von Babbitty Rabbitty im dritten Stock.“, sagte sie und stand dann schneller auf, als dass Hermine doch noch einen Rückzieher hätte machen können. Ginny nahm das Buch mit sich – vermutlich, um sich noch einmal anzusehen, welche Zutaten sie dafür zusammen suchen muss – und Hermine blieb allein und nachdenklich in der Bibliothek zurück.

Doch wollte sie sich jetzt eigentlich nicht auf das Buch konzentrieren, sondern vielmehr auf ihr Pergament mit ihrem Verwandlungsaufsatz, das immer noch komplett leer war.

 

Am nächsten Nachmittag, nach dem Unterricht, ging Hermine zu der Kammer hinter besagtem Wandteppich im dritten Stockwerk. Sie war extra pünktlich und hoffte das alles schnell hinter sich zu bringen.
Als sie die Tür zur Besenkammer öffnete, saß Ginny schon drinnen. Allerdings nicht allein.

„Hannah?“, fragte Hermine, überrascht ihre Mitschülerin hier zu sehen. Diese grinste leicht. Fragend blickte Hermine von Hannah zu Ginny.

„Ich brauchte Affondilwurzeln und die gabs nicht in Snapes Vorräteschränken. Also bin ich zu den Gewächshäusern, aber Professor Sprout wollte mir nicht glauben, dass ich die für eine Hausaufgabe in Zaubertränke brauche. Auf dem Weg zurück hab ich Hannah getroffen. Sie hat Sprout dann abgelenkt und ich hab mir die Wurzeln geschnappt.“, erklärte Ginny ihr kurz angebunden, wieso genau Hannah Abbott plötzlich mit hier saß.

„Und sie weiß, was wir hier machen?“, hakte Hermine noch einmal nach, nur um sicher zu gehen. Ginny nickte.

„Jep. Ich habs ihr erklärt und sie hat sich bereit erklärt, hier mit zu machen.“ Hermine wusste nicht wirklich, was sie dazu sagen sollte, also sagte sie einfach nichts.

„Ich hab schon immer gedacht, wie genial es wäre, zu wissen, wie meine Zukunft so aussieht.“, gestand Hannah schließlich. Hermine lächelte die Hufflepuff leicht an.

„Mach dir nur nicht zu viele Hoffnungen. Mine ist überzeugt davon, dass der Trank ein Flop wird.“, sagte Ginny schmunzelnd. Dann holte sie wie auf Kommando das Buch heraus. In die entsprechende Seite hatte sie ein Lesezeichen geklemmt, sodass sie diese leichter finden konnte.

„Du sagst, was wir machen sollen.“, sagte sie dann und reichte das Buch Hermine. Diese seufzte leise. Sie hoffte inständig, dass sie sich mit diesem Gebräu nicht vergiften würden.

„Also gut. Dann mal los.“, sagte sie, wenig begeistert.

Während Hermine den beiden Mädchen Anweisungen gab, wie sie was zurecht schneiden sollten und es dann in den Topf warf, wobei sie immer die Temperatur im Blick behielt, musste sie zugeben, dass es ihr sogar Spaß machte. Selbst, wenn der Trank nichts bringen würde, irgendwie war es nett mit Hannah und Ginny hier zu sitzen, die wilde Spekulationen darüber anstellten, wie ihre Zukunft wohl aussehen würde.

„Mine wird Ron heiraten.“, sagte Ginny grinsend. „Damit sie sich in meine Familie einheiratet und wir endlich Ums-Eck-Geschwister werden können.“ Hermine lachte leise. Komischerweise musste sie feststellen, dass sie die Vorstellung, Ron zu heiraten, gar nicht mal so abschreckend fand. Sogar ganz sinnlich. Sie mochte Ron ja schon immer irgendwie. Auch, wenn er sie manchmal auf die Palme brachte. Oder vielleicht sogar war es das, was ihre Beziehung mit definierte.

„Und sie macht im Ministerium eine neue Abteilung auf, in der sie für die Elfenrechte kämpft.“, meldete sich Hannah zu Wort. Damit hatte sie sogar ins Schwarze getroffen. Es war genau das, was Hermine machen wollte. Oder zumindest ansatzweise. Was brachten ihr schon Ministeriumsjobs? Sie wollte irgendetwas für die Allgemeinheit tun. Irgendwem helfen. Zum Beispiel eben den Elfen.

„Und dann wird sie kläglich scheitern und auf der Straße weiterleben.“, witzelte Ginny.

„Was denkst du Hannah, mit wem lebst du zusammen?“, fragte Hermine dann, um von sich selbst irgendwie abzulenken, denn die Vorstellung, dass sie in der Zukunft keinen Job hatte, nagte schon irgendwie an ihr.

„Ich weiß es nicht.“, gestand sie. Ginny stieß sie jedoch in die Seite.

„Ich wette in der Zukunft heißt du nicht mehr Hannah Abbott, sondern Hannah MacMillan.“, sagte sie und wackelte mit den Augenbrauen. Hannah lief rosa an, grinste jedoch.

„Möglich.“, sagte sie gedehnt. „In jedem Fall würde ich gerne Kinder haben. Zwei vielleicht. Aber unbedingt einen kleinen Jungen!“, sagte sie verträumt.

„Kinder wären schon toll.“, stimmte ihr auch Hermine zu, während sie sich wieder halb auf den Trank konzentrierte. Jetzt zwei Mal nach links rühren, vier Mal nach rechts. Nun den Trank 5 Minuten ziehen lassen.

„Und bei dir Ginny? Du und Michael? Denkst du, dass das in der Zukunft noch existiert?“, fragte Hannah die Rothaarige. Diese zuckte etwas unbeholfen mit den Schultern.

„Eher nicht. Michael und ich… das ist glaube ich mehr so eine Phase.“, erwiderte diese und sah Hermine dabei schwer bedeutend an. Sie wusste so ungefähr, was in dem Kopf ihrer Freundin vor sich ging. Schließlich hatte sie Ginny geraten, von Harry abzulassen und sich mal mit anderen Jungen zu treffen. Michael Corner war dabei gar keine so schlechte Wahl. Er sah gut aus und Ginny und er konnten sich gut über Quidditch unterhalten. Aber laut Ginny war es das auch schon an gemeinsamen Themen. Und Hermine konnte sich auf keinen Fall vorstellen, sich ihr ganzes Leben lang über nichts anderes, außer Quidditch zu unterhalten. Sie zweifelte auch daran, dass das mit Ginny und Michael ewig halten würde, aber noch drückte sie den beiden die Daumen. So lange Ginny damit glücklich werden würde, war es ihr nur recht.

„Muss noch etwas in den Trank?“, fragte Ginny dann. Hermine blickte in das Buch und schüttelte dann den Kopf.

„Nein, er ist fertig.“, sagte sie und zuckte zusammen, als Ginny aufgeregt in die Hände klatschte.

„Na dann mal los!“, sagte sie voller Vorfreude und kramte dann in ihrer Tasche. Nach einigen Sekunden hatte sie ein paar Behälter herausgezogen. Einen Becher, ein Schälchen und eine größere Phiole.

„Ich hatte leider nicht erwartet, dass noch jemand drittes dazu kommt, also hab ich für dich nichts mit, außer dem hier.“, sagte sie entschuldigend zu Hannah und hielt ihr die Phiole entgegen.

„Macht überhaupt nichts.“, sagte diese jedoch nur.

Hermine wurde mittlerweile allerdings zunehmend nervöser.

„Leute, ich hab echt kein gutes Gefühl bei der Sache.“, murmelte sie. Aber Ginny schob das nur mit einer Handbewegung bei Seite.

„Jetzt sei nicht albern. Was soll schon groß passieren?“, fragte sie dann und füllte Hermine die dunkelgrüne Flüssigkeit aus dem Kessel in den Becher, dann Hannah etwas in die Phiole und sich selbst etwas in das Schälchen.

„Auf drei?“, fragte sie. Alle nickten.

„Okay. Eins… Zwei…“

„Warte!“, sagte Hermine und Ginny stoppte mit Zählen. Hannah, die die Phiole schon gefährlich nahe an ihre Lippen gelegt hatte, stoppte und ließ sie wieder sinken. Beide sahen sie Hermine abwartend an.

„Was ist, wenn wir vergiftet werden? Und uns dann niemand hier findet?“, fragte sie unruhig. Ginny schmunzelte.

„Keine Sorge, das ist mein Treffpunkt mit Michael, wenn wir ungestört sein wollen und der kommt in spätestens zwei Stunden hier her, also…“, Ginny hob die Schultern. Hermine war zwar nicht vollkommen beruhigt, aber zumindest etwas ruhiger. Hoffentlich ist das hier nicht eine komplett bescheuerte Idee. Denn manche Inhalte in dem Trank, sollte man so eigentlich nicht zu sich nehmen.

„Okay.“, murmelte sie trotzdem. Sie wollte jetzt nicht wieder die Spaßbremse raushängen lassen.

„Na dann… Drei.“, sagte Ginny und die drei Mädchen legten unisono die Behälter an die Lippen und schluckten das Zeug runter.

Es brannte höllisch im Hals und schmeckte bitter. Nur bitter. Sonst schmeckte es nach rein gar nichts. Es war einfach nur widerlich und löste einen furchtbaren Hustenreiz in Hermine aus.

Auch Hannah hatte das Gesicht verzogen. Nur Ginny starrte Abwartend auf die kleine Schüssel in ihrer Hand.

„Es passiert nichts.“, stellte sie fest und man konnte ihr die Enttäuschung förmlich ansehen.

„Schade.“, seufzte sie. „Wäre auch zu sch-“ Ginny stoppte mitten im Satz. Sie riss die Augen mit einem Mal weit auf.

„Ginny?“, fragte Hermine fast schon ein wenig panisch. Ihre Freundin antwortete ihr nicht.

„Gin?“ Sie beugte sich nach vorn, um Ginnys Gesicht besser erkennen zu können, was hier im Dunkeln in dieser Kammer wirklich schwierig war. Doch plötzlich fing der komplette Raum an sich zu drehen. Hermine wollte etwas sagen, aber ihre Zunge fühlte sich an wie Blei. Und plötzlich war es nicht nur ihre Zunge, die sich so schwer anfühlte. Der Raum drehte sich immer schneller, bis Hermine nicht mal mehr einen Farbunterschied erkennen konnte. Sie sackte zur Seite weg und dann wurde ihr schwarz vor Augen.  

Nicht ganz so, wie erwartet.

Als Hermine ihre Augen aufschlug, sah sie einen Moment lang alles verschwommen. Doch nach wiederholtem Blinzeln und Augenreiben erkannte sie, dass sie in einem Zimmer lag. Auf einem Bett. Nur hatte sie keine Ahnung, in wessen Zimmer. Es war nicht der Krankenflügel, auch nicht der Mädchenschlafsaal. Hatte sie sich vielleicht so eine schwere Vergiftung zugefügt, dass sie ins St. Mungo musste? Mit einem Mal saß sie Kerzengerade im Bett. Aber nein… nein. Als sie Mr. Weasley im St. Mungo besucht hatten, war das Zimmer nicht so farbig gewesen. Und nicht so unordentlich. Hatte sie jemand entführt? Panik kroch in ihr auf. Wo. War. Sie. Hier? Wessen Wohnung war das?

Hermine stand aus dem Bett auf. Der Boden war gefliest und sie hatte eigentlich erwartet, dass es beim Auftreten kalt an den Füßen sein würde, doch scheinbar gab es hier eine Fußbodenheizung, denn der Boden hatte eine angenehme Wärme. Das kam ihr ziemlich zu Gunsten, denn von einem kalten Boden wären vermutlich ihre Füße kalt geworden und von kalten Füßen bekam sie meist Schluckauf.

Das Nächste, was Hermine feststellte war, dass sie nur ein übergroßes Shirt und ein Höschen Trug. Wo waren ihre Klamotten geblieben? Die, die auf dem Boden verteilt lagen, waren jedenfalls nicht ihre.

Das Zimmer hatte außerdem, wie ihr gerade auffiel, zwei Türen. Beide waren geschlossen. Sie überlegte, ob es schlau war, hier raus zu gehen. Doch nach einigem Grübeln dachte sie daran, was schon passieren sollte. Falls sie entführt worden war, würde sie definitiv um ihre Freiheit kämpfen. Auch, wenn sie keine Ahnung hatte, wo ihr Zauberstab war.

Sie überlegte, welche Tür wohl die sein würde, durch die man am ehesten hier raus kam. Wobei sie vielleicht doch noch nach anderen Klamotten sehen würde. Oder mindestens nach einer Hose. Und vielleicht einem BH.

Schließlich entschied sie sich erst einmal für die Tür, die näher an ihr an war. Allerdings war das ein kompletter Reinfall, denn dahinter befand sich nur ein Badezimmer. Wobei es hier zumindest ordentlich war. Und hier lagen auch Klamotten, die vielleicht eher für ihre Größe gemacht waren. Eine Hose, die ihr für ihren Geschmack ein wenig zu Eng war. Aber zumindest war es eine Hose, also zog sie sie über. Die Bluse war ihr dann doch nicht Blickdicht genug, also zog sie nur den BH unter und behielt das übergroße T-Shirt an. Ein Gähnen entwich ihr und sie entschloss sich dafür, dass Wasser im Gesicht sie wacher machen und ihren Kopf vielleicht klarer werden lassen würde. Sie lief hinüber zum Waschbecken, drehte den Wasserhahn auf und klatschte sich eine Ladung kühles Wasser ins Gesicht. Dann sah sie wieder auf und direkt in den Spiegel überm Waschbecken. Ein fataler Fehler, denn was sie dort sah, erschreckte sie so sehr, dass ihr ein spitzer Schrei entfuhr. Sie stolperte Rückwärts, stieß dabei gegen den Rand der Badewanne und geriet ins Taumeln. Sie verlagerte ihr Gewicht nach vorn, damit sie nicht in die Wanne fiel. Auch keine sonderlich geistreiche Idee, denn dadurch fiel sie prompt nach vorn. Bevor sie jedoch auf dem Boden aufkam, wurde sie von irgendjemandem abgefangen. Doch statt sich darüber Gedanken zu machen, musste sie erst einmal den Schock verdauen. Als sie gerade eben in den Spiegel gesehen hatte, hatte sie zwar sich selbst gesehen, nur war sie älter. Irgendwie erwachsener und sah reifer aus. Ihre Haare standen ihr nicht so unbändig vom Kopf und die Phase mit den Pickeln hatte sie scheinbar auch überwunden. An ihren Aussehen konnte sie zwar nicht viel aussetzten – bis auf die Hasenzähne, die hatte sie immer noch – aber sie war definitiv älter! Mindestens 10 Jahre, wenn sie schätzen würde. Vielleicht waren es auch 20.

„Hermine, ist alles okay?“, fragte dann eine männliche Stimme, die ihr jedoch vage bekannt vorkam. Doch sie konnte die Stimme gerade weder einordnen, noch konnte sie auf die Frage antworten antworten. Sie war zu verwirrt. Was ging hier vor sich?

„Ich hab dich schreien hören. Was ist passiert?“, wollte der andere wissen. Ja, das war eine ausgesprochen gute Frage. Was war passiert?

Hermines Gesicht wurde zwischen zwei Hände genommen und sie wurde damit gezwungen den Fremden, der ihr gar nicht so fremd erschien, anzusehen. Das erste, was sie wahrnahm, waren rote Haare. Ron? War das hier vor ihr Ron?

Aber nein. Bei genauerem Hinsehen stellte sie fest, dass es sich zwar um einen Weasley handelte, dieser allerdings nicht Ron war.

...

„Babe?“

Ginny grummelte etwas vor sich hin und gähnte. Warum war sie so müde? Es musste mitten am Tag sein. Aber dennoch fühlte sie sich, als hätte sie die ganze letzte Nacht nicht geschlafen. So kaputt und ausgelaugt.

„Babe, bist du wach?“, erklang wieder ihr nerviger Wecker an ihr Ohr.

„Nicht jetzt, Michael. Lass mich schlafen.“, murrte sie und drehte sich auf die Seite. Verdammt, das Bett auf dem sie lag fühlte sich an wie eine Wolke! Wie war sie überhaupt in ein Bett gekommen?

„Michael?“, kam es verwundert zurück. Ginny runzelte die Stirn. Hatte er jetzt seinen Namen vergessen oder was? Sie beschloss nicht darauf einzugehen, sondern so zu tun, als wäre sie wieder eingeschlafen. Vielleicht würde Michael sie dann ja weiter in diesem Himmelsbett schlafen lassen.

Aber Pustekuchen. Kurz darauf begann sich die Matratze unter Michaels Gewicht zu wölben, als dieser auf ihr Bett kam, das sie eigentlich für sich allein haben wollte.

„Hey, Gin… Aufwachen.“, murmelte er sanft und strich ihr die roten Haare aus dem Gesicht. Ginny lächelte leicht. Wenn sie mit Michael allein war, war er immer liebenswürdig, kümmerte sich um sie, hörte ihr zu. Nur, wenn sie in der Öffentlichkeit waren, ließ er manchmal den Macker raushängen. Und das passte ihr so ziemlich gar nicht. Harry hingegen war komplett anders. Er war eher bescheiden, wenn es um seinen Ruf ging. Das fand sie überaus sympathisch an ihm. Aber Hermine hatte ihr schließlich gesagt, sie solle sich auch mal nach anderen Jungen umsehen. Tja, den Rat hatte Ginny befolgt.

Trotzdem kuschelte sie sich nun an Michael und murmelte: „Wo hast du eigentlich dieses wahnsinns Bett her?“, fragte sie ihn und atmete tief ein.

Und dann fiel ihr ein Fehler auf. Dieser Mann neben roch nicht nach Michael. Kein Bisschen. Michael Geruch war weniger herb, als dieser hier. Das hier war nicht Michael! Ginny öffnete auf der Stelle die Augen und blickte einem dunkelhäutigen Mann entgegen, der sie mit seinen ebenso dunkelbraunen Augen ansah. Beinahe wünschte sie sich, der Mann dort neben ihr wäre Dean Thomas, auch wenn sie selbst das gerade sehr merkwürdig fände. Aber das Schicksal meinte es scheinbar nicht sonderlich gut mit ihr. Das hier war eine erwachsenere Ausgabe von…

„Zabini?“, fragte sie perplex und rückte instinktiv von ihm ab, wobei sie die Breite des Bettes fehl einschätzte und hinten herunter fiel.

„Was zur Hölle machst du hier?“, fragte sie ihn wütend und ignorierte die Tatsache, dass sie gerade halb auf dem Boden lag. Sie rappelte sich auf und sah ihn mindestens so verwirrt an, wie er sie.

„Ich ehm… wohne hier?“, sagte er und musterte sie mit einem Blick, der ihr deutlich machen sollte, dass sie sich gerade vollkommen irre aufführte.

„Okay, dann… Was zur Hölle mache ich hier?“, fragte sie aufgebracht. Warum war sie in Blaise Zabinis Haus? Dieser sah sie jetzt allerdings noch verwirrter an und sah aus, als zweifelte er gerade ernsthaft an ihrem Verstand.

„Du wohnst auch hier…“, erwiderte er stirnrunzelnd. „Ist alles okay? Du wirkst irgendwie so.. neben dir.“ Ginny führ sich vollkommen verstört durch die Haare und sah Blaise an, als wäre er eine Fata Morgana. Sie hoffte ehrlich gesagt auch, dass es das war. Nur eine Einbildung.

Ihr Kopf schmerzte wie verrückt. Wie konnte das zusammenhängen? Es musste an diesem merkwürdigen Trank liegen. Er hatte scheinbar doch funktioniert. Und jetzt sah sie ihre Zukungt. Verdammt… Hermine hatte recht gehabt. Das war eine schlechte Idee gewesen! Andererseits… 10 Minuten sollte die Wirkung andauern. Also musste sie nur 10 Minuten mit Blaise Zabini in einem Leben verbringen und dann würde sie in ihrer Gegenwart alles dafür tun, dass das niemals passieren würde. Wie war ihr jetziges Ich überhaupt in diese missliche Lage gekommen?

„Ich glaub.. ich weiß nicht.“, murmelte Ginny, als ihr auffiel, dass sie auf seine Frage noch nicht reagiert hatte. Okay Ginny... ruhig bleiben. Blaise stand auf und kam zu ihr herüber. Er legte vorsichtig einen Arm um ihre Schulter und Ginny musste sich zusammenreißen diesen nicht abzuschütteln. Zabini und sie hatten nichts am Hut, außer, dass er sie ab und an mal als Blutsverräterin bezeichnete und ihren Bruder zusammen mit Malfoy schlecht machte, wie eben alle Slytherins. Und seine Mutter mit ihren ganzen toten, aber reichen Ehemännern war ihr ziemlich suspekt.

„Falls du drüber rede willst, bin ich immer für dich da. Das weißt du, oder?“, fragte er und sah sie aus so treuen Augen an, dass sie es nicht einmal übers Herz brachte ihn in diesem Moment abstoßend zu finden. Auch wenn ihr gefühlt jeder andere Mann lieber gewesen wäre, als Blaise Zabini, er schien sich in diesem Moment wirklich Sorgen zu machen.

„Schon okay.“, murmelte sie. „Du musst nicht meine Schulter zum Ausheulen spielen.“ Blaise lächelte leicht.

„In guten, wie in schlechten Zeiten. Weißt du noch?“, fragte er. Ginny sah ihn irritiert an.

„Was?“, fragte sie perplex. Das klang irgendwie, wie…

„Unser Ehegelöbnis.“, erinnerte er sie. Oder eher eröffnete er ihr. Denn sie wusste davon überhaupt nichts. Und diese Information traf sie vollkommen unvorbereitet. Am liebsten hätte sie laut aufgelacht. Nicht das auch noch! Ihr Zukunfts-Ich musste ja ziemlich verzweifelt gewesen sein, damit es Blaise Zabini geheiratet hatte. Was für ein Hippogreif hatte sie da denn geritten? Sie konnte Blaise doch überhaupt nicht leiden! Blaise konnte sie genau so wenig leiden. War das gerade ein schlechter Scherz? Ginny schluckte schwer. Wenn sie hier wirklich gerade ihre Zukunft sah, dann war sie scheinbar in ihrer kompletten Zukunft auf Droge.

„Ich muss…“ Ginny hielt inne. Ich muss mit Hermine sprechen, wollte sie sagen, aber sie hatte keine Ahnung, wo Hermine sich im Moment befand. Andererseits… waren es doch nur 10 Minuten in der Zukunft. Davon wären jetzt noch… 20 Sekunden übrig. Maximal.

Ginny schloss die Augen und zählte rückwärts. Gleich würde sie gewiss aus diesem Albtraum aufwachen. Gleich in Fünf… Vier… Drei… Zwei… Eins…

Sie öffnete ihre Augen. Und sah Blaise an, der sie wiederum abwartend musterte. Verdammt. Warum war sie nicht wieder in der Gegenwart.

„Hast du ne Ahnung, wo Hermine steckt?“, fragte sie ihn schließlich ein wenig nervös davon, dass sie immer noch hier war. Aber vielleicht verlängerte sich die Zeit hier um.. ein paar Minuten? Gleichzeitig hoffte sie, dass die Frage nicht allzu blöd war. Blaise jedoch sah sie verdutzt an.

„Was willst du denn von Granger?“, fragte er und kam nicht umhin abschätzend drein zu blicken. Ginny verzog das Gesicht. Und mit so einem Kerl war sie verheiratet?

„Ich will mit ihr reden!“, sagte sie ungeduldig. Und zwar sofort, wenn es denn möglich war. Blaise sah sie verdutzt an.

„Warum das denn? Ich dachte du hasst sie.“, entgegnete er und nun war es an Ginny, ihn überrascht anzusehen.

„Ich… was?“, fragte sie kopfschüttelnd. Sie hasste Hermine? Diese Vorstellung war so absurd, dass sie unwillkürlich lachen musste. Was sich vermutlich ein wenig verrückt anhörte, denn Blaise ging ein paar Schritte rückwärts und beäugte sie merkwürdig.

„Sag mir einfach, wo sie steckt. Es ist dringend!“, sagte sie dann. Blaise zuckte mit den Schultern.

„Versuchs mal im Ministerium.“, schlug er dann vor. Aber natürlich! Vermutlich hatte Hermine ihre Elfen-Stiftung verwirklicht und arbeitete jetzt in der Abteilung für die Realisierung der Rechte der Elfen, oder wie auch immer Hermine sie nun genannt hatte.

„Danke.“, sagte sie ehrlich, drehte sich auf dem Absatz um und rannte in den Flur, um irgendwie zum Ministerium zu kommen.

„Gin?“, fragte Blaise. Sie blieb stehen und lief wieder einige Schritte rückwärts, um ihn ansehen zu können.

„Du weißt, dass du ewig brauchst, wenn du zum Ministerium läufst, oder?“, fragte er sie stirnrunzelnd. Woher sollte sie das denn wissen? Sie war gerade mal fünfzehn Minuten hier und wusste bis vor zwei noch nicht einmal, dass sie verheiratet war! Am liebsten hätte Ginny ihm das gegen den Kopf geknallt, aber sie riss sich zusammen, lächelte nur und meinte: „Klar weiß ich das.“

Blaise nickte, ging zum Bett, griff irgendwas vom Nachttisch und kam dann wieder, mit ihrem Zauberstab in der Hand, den er ihr entgegen hielt.

„Apparieren geht schneller.“, kommentierte er. Natürlich. Apparieren. Nur gab es dabei das winzige Problem, dass Ginny noch nie appariert war. Zumindest nicht, soweit sie sich erinnern konnte. Sie war ja theoretisch erst 14.

„Klar.“, sagte sie nur. Trotzdem drehte sie sich wieder um, denn sie würde definitiv laufen müssen. Apparieren konnte sie schließlich nicht.

„Gin?“, hielt Blaise sie erneut auf.

„Was?“, platzte sie heraus. Blaise hob die Augenbrauen und musterte sie von oben bis unten.

„Willst du dir nicht vielleicht etwas anderes anziehen?“, fragte er dann. Ginny Blick huschte daraufhin über ihre momentane Kleiderwahl, die schlichtweg nur aus einem Nachthemd bestand.

Ja gut…

Kakao und Pfannkuchen

 Hannah starrte bestimmt schon seit einer halben Stunde entgeistert ihr Spiegelbild an. Nachdem sie irgendwo in einem fremden Haus von einem Hund geweckt wurde, der ihr gründlich das Gesicht abgeleckt hatte und den sie nur mit Mühe von sich runter bekommen hatte, war sie orientierungslos ins Bad gestolpert um sich die Hundesabber vom Gesicht zu waschen. Bis sie ihr Gesicht gesehen hatte zumindest.

Sie war so komplett irritiert gewesen, dass sie sogar den Speichel in ihrem Gesicht vergaß. Für einen Moment war sie davon überzeugt gewesen, dass jemand anderes sie ansehen würde. Jemand, der nicht sie war. Dann war sie sich sicher, dass sie nur träumen würde. Doch nachdem sie sich so lange in ihren Arm gekniffen hatte, bis es ordentlich wehtat, hatte sie auch diese Möglichkeit ausgeschlossen.

Hannah konnte einfach nicht fassen, dass sie da wirklich gerade ihrem zukünftigen Ich entgegen sah. Das würde also die Hannah in… geschlagenen 15 Jahren sein. Sie musste zugeben, sie hatte schon befürchtet mit 30 ihre ersten Falten zu bekommen. Zumindest ärgerte sie ihr Dad immer damit. Sobald sie einmal schmollte, sagte er ihr, sie solle damit aufhören, sonst würde sie bald Falten bekommen. Aber ihre Haut hatte sich ganz gut gehalten.

Und dann brach die Neugierde und Euphorie über sie herein. Das ganze letzte Schuljahr hatte sie damit verbracht über eine Zukunft mit sich und Ernie MacMillan nachzudenken. Ob diese real geworden war? Würde sie hier in der Zukunft vielleicht mit Ernie verheiratet sein? Sie blickte prüfend an ihren Finger. Ein leiser, enttäuschter Seufzer entfuhr ihr.

Kein Ring. Hannah war sich sicher, dass sie einen Ehering niemals abnehmen würde. Nicht einmal zum Schlafen. Also blieb ihr nur die logische Schlussfolgerung, dass sie überhaupt nicht verheiratet war. Dann müsste sie sich die Frage nach Kindern wohl auch nicht stellen. Vielleicht hatte es ja zumindest mit Ernie geklappt.

Hannah verließ ein wenig hibbelig das Badezimmer. Sie wollte unbedingt wissen, was sie in ihrer Zukunft erwartete, bis sie wieder rausgerissen und in die Gegenwart geschmissen wurde. Sie wollte so viel davon mitnehmen, wie nur irgendwie möglich.

Als sie den Flur des Hauses betrat, stieg ihr ein Geruch von Pfannkuchen in die Nase. Machte er ihr etwa Frühstück? Wie süß! Ein kleines Lächeln trat auf Hannahs Gesicht, während sie sich die Wände im Flur genauer ansah. Überall hingen Bilder. Manche selbst gemalt, wie es schien. Die Meisten hiervon sahen aus wie Bilder, die von Kinderhand gemalt wurden. Ein paar wirre Striche und Farbkleckse, die wohl ein Bild ergeben sollten, aus denen jedoch keiner so wirklich schlau wurde. Auf den Regalen wiederrum standen Bilderrahmen, in denen Bilder von einem kleinen Mädchen waren. Hannah erkannte sich selbst darin wieder. Diese Bilder stammten aus dem Fotoalbum, das ihr Dad für sie angelegt hatte. Sie selbst als kleines Mädchen winkte aus dem Bilderrahmen heraus der mittlerweile erwachsenen Hannah zu. Diese ließ ihren Blick weiter über die Kinderfotos schweifen. Sie vermischten sich irgendwann mit denen eines Jungen, den sie allerding an den Fotos aus seiner Kindheit nicht ausmachen konnte. Als sie weiter lief standen dort dann jedoch einige Bilder, die ihr ein wenig Klarheit über die Situation verschafften. Zu ihrem Bedauern stellte sie fest, dass das auf den Bildern nicht Ernie war. Sondern jemand, mit dem sie so gar nicht gerechnet hatte.

Sie nahm ein Bild in die Hand, wo sie mit ihrem – scheinbar – festen Freund auf einem Sofa saß und Geschenke auspackte. Der Weihnachtsraum in der linken Ecke des Bildes verriet ihr, dass wohl Heilig Abend war. Und der junge Mann auf dem Bild überraschte sie.

„Neville Longbottom?“, stieß sie verwirrt aus. Wie kam sie denn zu einer Beziehung mit Neville Longbottom? Sie hatten doch überhaupt nichts miteinander zu tun. Sie wüsste nicht, dass sie jemals mit Neville gesprochen hatte, geschweige denn ihn irgendwie attraktiv fand. Auch wenn sie zugeben musste, dass auch Neville einen hübschen Sprung weg von seinem Teenageraussehen gemacht hatte. Aber eigentlich kannte sie Neville überhaupt nicht.

Von der Küche her – zumindest vermutete Hannah, dass es die Küche war – kamen Schritte und keine zwei Sekunden später stand Neville höchst persönlich in weißer Kochschürze und vom schlafen verstrubelten Haaren vor ihr.

„Hast du mich gerufen?“, fragte er und musterte sie interessiert. Hannah war in diesem Moment ein wenig überfordert. Also schüttelte sie einfach langsam den Kopf und stellte das Bild, welches sie in der Hand hielt, wieder zurück auf seinen ursprünglichen Platz. Tatsächlich. Das hier war Neville Longbottom. Bei Merlins ungewaschenen Unterhosen, sie verstand die Welt nicht mehr!

Neville hingegen nickte nur und meinte: „Die Pfannkuchen sind gleich fertig. Ich hab dir auch einen Kakao gemacht. Oder ist dir heute Morgen eher nach Kürbissaft?“

„Kakao ist super.“, erwiderte Hannah lahm. Ihr Mund fühlte sich trocken an. Diese Zukunft hatte sie nun wirklich nicht erwartet. Sie hatte sich vollkommen auf eine Zukunft mit Ernie vorbereitet. Sie war sich so sicher gewesen, dass dies hier jetzt weniger eine Überraschung, sondern mehr ein Schubs ins kalte Wasser für sie war.

Neville Longbottom. Heiliger Hippogreif!

...

Hermine sah ihren Gegenüber immer noch stutzig an. Sie hätte ja vieles erwartet. Aber das? Ihr blickte niemand geringeres entgegen, als… ja… wer eigentlich? Fred? George? Sie hatte immer schon Probleme gehabt die beiden Zwillinge auseinander zu halten.

Sie sah sich um. Vielleicht lag hier irgendwo ein Mrs-Weasley-Pulli mit einem ‚F‘ oder ‚G‘ drauf, die ihr einen Hinweis darauf geben konnten, wen sie hier vor sich hatte.

Aber nichts dergleichen fand sie hier.

„Ich.. ich…“ Hermine schüttelte den Kopf. Auf seine Frage, was passiert war, fand sie im Moment keine wirklich plausible Antwort.

„I-Ich weiß nicht… es ist einfach nur…“, sie stockte und schloss die Augen. Es war alles so verwirrend und wollte überhaupt nicht in ihren Kopf rein. Sie konnte einfach nicht verstehen, wie dieser Trank wirklich funktionieren konnte. Wie?

Sie hatte erwartet, dass George - oder Fred - sie vielleicht weiter mit Fragen löchern würde, doch stattdessen zog er sie an seine Brust und strich ihr beruhigend über den Rücken. Wenn sie ehrlich war, war das gerade gleichermaßen seltsam, wie auch angenehm.

„Schon okay.“, murmelte er.

„Heute ist ein großer Tag, ich verstehe schon. Mir würde es auch schwer fallen.“, setzte er noch hinzu. Doch statt irgendwie ein wenig Klarheit zu bringen, verwirrte er Hermine damit nur noch mehr. Großer Tag? Was für ein großer Tag?

Nach kurzem Zögern erwiderte sie Freds – oder Georges – Umarmung, einfach weil sie das Gefühl hatte, so ein wenig Halt zu bekommen. Dieser strich ihr einfach nur sanft über den Rücken und sagte überhaupt nichts mehr. Einerseits fand sie die Stille recht angenehm, andererseits wünschte sie sich gerade jetzt er würde ihr irgendwas erzählen. Wie es dazu kam, dass sie hier bei ihm war. Waren sie ein Paar? Verheiratet? War er überhaupt Fred oder war er George? Warum war heute ein großer Tag?

Und vor allem: Was war in den letzten 10-20 Jahren ihres Lebens geschehen?

Allerdings würde sie diese Fragen vorerst für sich behalten. Sie musste Ginny und Hannah finden! Nur wo sollte sie anfangen zu suchen? Sie war sich fast sicher, dass der Zwilling ihr gegenüber keine Ahnung hatte, wo Hannah steckte. Sie selbst hatte schon recht wenig mit Hannah zu tun, aber Hermine wäre sehr überrascht, wenn Fred und George überhaupt etwas mit dem Namen Hannah Abbott anfangen könnten. Also blieb ihr nur übrig, nach Ginny zu fragen, auch wenn diese Frage mit Sicherheit äußerst lächerlich wäre. Schließlich war Ginny ihre beste Freundin und Hermine wüsste sicher, wo sie sich befand.

„Wenn du willst, kann ich mit ins Ministerium kommen.“, bot der Zwilling ihr dann an, bevor sie ihn auch nur ansatzweise nach Ginny fragen konnte. Hermine hob überraschte ihre Augenbrauen. Ins Ministerium? Wenn er sagte, dass heute ein großer Tag war und dass dieser ihr schwer fallen würde… dann hatte sie doch kein Verbrechen begangen. Oder etwa doch?

„Ministerium?“, fragte Hermine, während ihre Stimme vor Nervosität gleich eine Oktave höher war.

„Ja… Ich kann in deinem Büro warten und dir Glück wünschen.“ Hermine starrte ihn immer noch verwirrt an, hoffte allerdings, dass sich diese Verwirrung in ihrem Gesicht nicht allzu sehr widerspiegelte. Zumindest arbeitete sie im Ministerium. Das schien schon einmal nicht allzu negativ zu sein. Aber wofür brauchte sie dann Glück?

Trotzdem nickte sie. Es konnte ihr nicht schaden, wenn zumindest einer mit kam, der wenigstens ein Bisschen Ahnung hatte. Der Zwilling ließ sie wieder los und lächelte ihr kurz aufmunternd zu, bevor er aufstand und ins Schlafzimmer lief. Hermines Kopf schmerzte von den ganzen ungelösten Fragen. Und mal ganz davon abgesehen wunderte sie sich, warum sie immer noch in der Zukunft hing. Sollte sie nicht eigentlich nach 10 Minuten wieder in der Gegenwart sein? Aber sie war immer noch hier. Irgendwas musste da schief gelaufen sein…

„George…“, hielt sie den Zwilling noch einmal zurück und hoffte inständig, dass sie den richtigen Namen gewählt hatte. Dieser blieb jetzt jedoch wie angewurzelt stehen. Und zwar wirklich. Er versteifte sich vollkommen. Hermine presste die Lippen aufeinander. Hatte sie den falschen Namen gesagt und er war nun beleidigt? Allerdings konnte sie sein Gesicht nicht sehen, da er immer noch mit dem Rücken zu ihr stand.

Nach einigen Sekunden drehte er sich jedoch zu ihr um und sah sie entgeistert an.

„Was?“, fragte er mit zittriger Stimme. Hermine vermutete, dass er vor Entrüstung so klang und ruderte schnell zurück.

„Wie?“, versuchte sie einen auf unschuldig zu machen. Es passierte Molly doch auch ständig, dass sie die beiden verwechselte. Fred – allem Anschein nach – schluckte schwer.

„Du hast… seinen Namen gesagt.“, murmelte er. Hermine jedoch schüttelte rasch den Kopf.

„Tut mir leid.“, sagte sie entschuldigend. „Das war keine Absicht. Wirklich nicht! Ich bin nur so durcheinander heute…“ Und das entsprach sogar der Wahrheit. Sie war vollkommen durcheinander und diese Fehler würden ihr heute vermutlich noch den ganzen Tag passieren.

Fred sah sie einen Moment noch mit emotionslosem Blick an. Dann wandte er sich von ihr ab.

„Du solltest dir was anderes anziehen.“, meinte er noch tonlos, bevor er das Zimmer verließ.

Hermine wusste noch nicht ganz, was es war, aber irgendetwas an Freds Verhalten war merkwürdig. George und er machten sonst alle Nase lang Witze darüber, tauschten ihre Identität oder veralberten ihre Mutter damit. Allerdings war sie auch noch auf dem Stand von vor… gut 15 Jahren. Vielleicht waren auch die Zwillinge erwachsen geworden – selbst, wenn sie das nie für möglich gehalten hatte.

 

Sie wusste ja nicht, was sich alles hier verändert hatte.  

Feier des Tages

 Nachdem Ginny sich schnell eine Hose und einen Pullover übergezogen hatte, lief sie nach draußen. Auch wenn sie immer noch keine Ahnung hatte, wo sie war und wie sie von hier aus in Ministerium kommen sollte, war sie froh aus der Wohnung raus zu sein, in der Blaise und sie wohnten. Es überraschte sie ein wenig, dass er in einer Wohnung wohnte, in der auch noch Muggel lebten. Allerdings überraschte es sie noch mehr, dass sie selbst Blaise Zabini geheiratet hatte. Tatsächlich war ihr beim Anziehen auch der Ehering an ihrem Finger aufgefallen. Am liebsten hätte sie ihn abgenommen und weg geschmissen, aber irgendwas sagte ihr, dass es besser wäre dieses Spiel hier mitzuspielen, bis es vorbei war. Sie hoffte nur inständig, dass sich das Ende nicht allzu lange hin zog.

Das Problem mit dem Zaubereiministerium war zudem, dass sie nicht einmal wahllos jemanden auf der Straße nach dem Weg fragen konnte, denn Muggel dürften von der Zauberei nichts wissen. Sie stieß einen frustrierten Laut aus. So würde sie heute definitiv niemanden mehr finden. Sie ging im Kopf jede Möglichkeit durch, die ihr gegeben war, um irgendwie ins Ministerium zu kommen. Sie könnte versuchen zu apparieren, was sie jedoch noch nie in ihrem Leben gemacht hatte. Sie könnte es riskieren dabei zu zersplintern oder es vielleicht auch einfach gar nicht hinbekommen. Sie könnte sehen, ob sie in London war und wenn nicht, wie sie dahin kam und dann sehen, wie sie ins Ministerium kam. Sie könnte den Fahrenden Ritter rufen. Allerdings wusste sie weder, ob dieser noch existierte, noch wollte sie mit ihm fahren. Das eine Mal letztes Jahr hatte ihr gereicht. Danach war ihr Stunden lang übel gewesen und sie war heilfroh, dass sie sich nicht übergeben hatte. Die letzte Möglichkeit, die ihr noch einfiel, war Blaise darum zu bitten mit ihr zu gehen. Auch wenn es ihr absolut nicht gefiel, aber die letzte Variante war definitiv die einfachste. Einige Minuten lang blieb sie noch unschlüssig draußen stehen, in der Hoffnung, dass ihr noch eine Blitzidee in den Kopf schießen würde oder vielleicht Hermine einfach vor ihrer Nase auftauchte und sie selbst sie nicht mehr suchen musste. Schließlich gab sie sich jedoch geschlagen, drehte sich wieder um und lief zurück zu dem Mehrfamilienhaus.

Allerdings war sie vorhin so schnell aus der Wohnung geflüchtet, dass sie jetzt keine Ahnung mehr hatte, in welchem Stockwerk die Wohnung war. Weiter oben in jedem Fall, aber wo genau, das hatte sie vergessen. Sie hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht es sich zu merken, weil sie davon ausgegangen war, dass sie hier nicht noch einmal her kam. Das hier war keine Zukunft, in der sie noch länger bleiben wollte.
Die Frage nach dem Stockwerk, in das sie gehen musste, war fürs erste allerdings ihr geringeres Problem, wie sich herausstellte, denn Ginny hatte nicht einmal einen Schlüssel für die Eingangstür. Sie überlegte ihren Zauberstab raus zu holen und das Schloss einfach mit Hilfe von ‚Alohomora‘ zu öffnen, doch waren hier zu viele Muggel und das war ihr doch ein wenig zu heikel. Glücklicherweise gab es hier Klingeln, wie sie feststellte, die auch noch mit Namen bedruckt waren. Sie fuhr mit den Augen darüber, bis sie das Schild mit dem Namen ‚Zabini‘ fand, woneben der Knopf der Klingel war, den sie dann drückte. Etwas rauschend und mit einem Knacken unterlegt, als wäre die Verbindung schlecht, ertönte dann Blaise‘ Stimme.

„Hallo?“, fragte er ein wenig verwirrt. Vermutlich klingelte sonst niemand bei ihnen. Würde Ginny auch nicht wundern. Bei Zabini würde sie auch nicht klingeln, wenn sie ihn nicht gerade dringen bräuchte.

„Ich bins..“, meinte sie dann schließlich laut, damit er sie auch ja verstand. „Ich hab meinen Schlüssel vergessen.“, erklärte sie ihm die Tatsache, warum er ihr jetzt die Tür öffnen musste. Sie hörte ihn leise lachen oder zumindest klang es so. Dann kam ein summendes Geräusch von der Tür, welches Ginny erst einen Moment lang irritierte. Sie schreckte einen Schritt zurück und starrte auf die Tür, die immer noch nicht auf ging. Als das Summen aufhörte, trat sie wieder einen Schritt näher.

„Zabini?“, fragte sie laut, aber er antwortete nicht. Sie drückte wieder auf die Klingel.

„Blaise?“, wiederholte sie.

„Warum stehst du immer noch draußen?“, fragte er sie verwirrt.

„Die Tür hat gesummt.“, stellte sie klar und man konnte ein wenig ihre Verzweiflung aus der Stimme hören. „Sie ist nicht aufgegangen, sie hat nur gesummt.“ Das war definitiv ein merkwürdiges Geräusch gewesen. Wie ein Schwarm Bienen, der sie angreifen wollte.

Stille war die Antwort darauf. Sie dachte schon, er wäre wieder weg, doch dann antwortete er: „Ginny, du musst an der Tür ziehen. Sonst geht sie natürlich nicht auf.“ Er klang ein wenig so, als würde er einem Kleinkind erklären, dass der Mond rund war, obwohl man sich das selbst erschließen könnte.

Wieder ertönte das laute, summende Geräusch von der Tür und diesmal befolgte Ginnys Blaise‘ Rat und zog an der Tür, welche sich daraufhin tatsächlich öffnete. Sie lief ins Treppenhaus und schritt die Treppen nach oben, doch allzu weit kam sie nicht denn mitten auf dem Weg kam ihr Blaise schon entgegen. Er hatte eine Lederjacke über sein schwarzes Shirt gezogen und den Zauberstab in der Hand. Überrascht blickte Ginny ihn an. Konnte er Gedanken lesen oder wieso wusste er, dass sie wollte, dass er mit kam? Oder musste er vielleicht wo anders hin.

„Es tut mir leid.“, meinte Blaise da plötzlich, als er vor ihr zum Stehen kam. Dann legte er die Hände um ihre Wangen und bevor Ginny hätte reagieren können, küsste er sie. Ginny versteifte sich prompt. Sie wusste zwar mittlerweile, dass sie mit Zabini verheiratet war, aber sie wollte sich zum einen erst gar nicht daran gewöhnen und zum anderen ihn auch nicht küssen. Schon schlimm genug, dass sie vermutlich seinen Nachnamen trug. Vielleicht war sie aber auch schlau genug gewesen und hatte ihren behalten. Ginny Zabini klang nämlich irgendwie nach einer falschen Schlange und sie hoffte inständig, dass das nicht ihr heutiges Image vertrat..

Sie vergaß sogar zu fragen, was genau ihm leid tat, so sehr war sie damit beschäftigt, nicht das Gesicht zu verziehen. Aber Blaise erklärte sich schon selbst, bevor sie überhaupt daran denken konnte.

„Ich hab vergessen welcher Tag heute ist.“, sagte er entschuldigend, als ob das irgendetwas ändern würde. Doch für Ginny ergab das nicht mehr Sinn, als vorher. Ja.. welcher Tag war denn heute? Sie hatte keine Ahnung. Sie könnte nicht mal das Jahr benennen, in dem sie sich befand. Allerdings hatte sie irgendwie das Gefühl, dass der Tag heute wichtig sein würde. Hoffentlich war es nicht ihr Hochzeitstag und Blaise dachte, sie würde beleidigt sein, weil er nicht daran gedacht hatte und sie nun zum Essen ausführen wollen. Dafür hatte sie jetzt wirklich keinen Nerv.

„Ist gar kein Problem.“, sagte sie rasch, bevor er dachte, es würde ihr etwas ausmachen. „Ich muss nur Hermine finden und danach… können wir zur Feier des Tages etwas Essen gehen oder.. was wir sonst so machen, eben.“ Sie hoffte inständig, dass sie vorher mit Hermine zusammen eine Lösung hierfür gefunden hatte und mit Blaise keinen Hochzeitstag feiern musste. Nachher wollte er noch mehr, als nur Küssen und selbst damit hatte sie schon Probleme.

Doch Blaise sah sie jetzt noch irritierter an, als vorher.

„Feier des Tages?“, fragte er perplex. „Ich meine.. Die meisten feiern diesen Tag zwar, aber ich dachte, dass dich das mehr mitnehmen würde.“ Jetzt war es an Ginny ihn verdutzt anzublicken. Hatte er sie etwa zur Hochzeit gezwungen? Hatte sie nicht aus freien Stücken geheiratet? War sie gar nicht glücklich mit Blaise? Das würde zumindest einiges erklären. Aber so hatte Blaise vorhin nicht geklungen, als er etwas über ihr Ehegelöbnis gesagt hatte.

„Ich… eh… verstehe nicht, was du meinst. Warum sollte mich der Tag mitnehmen?“, fragte Ginny ihn schließlich, nachdem sie ihn mehrere Sekunden lang einfach nur komplett irritiert angesehen hatte. Blaise‘ Augenbrauen wanderten weit nach oben.

„Na weil… ehm, Ginny, hast du…“ Blaise bracht ab, als Schritte im Treppenhaus zu hören waren. Schnell ließ er seinen Zauberstab im Ärmel seiner Jacke verschwinden, als keine fünf Sekunden später ein alter Mann an ihnen vorbei lief. Er grüßte sie höflich, lief jedoch weiter, ohne stehen zu bleiben. Blaise und Ginny warteten, bis der Mann aus der Tür verschwunden war. Etwas leiser fuhr ersterer dann fort.

„Geht’s dir wirklich gut?“, fragte er und Ginny konnte sowohl Sorge, als auch mächtige Verwirrung in seinem Blick erkennen. Nun, zumindest war sie nicht die einzige, die verwirrt war. Sie verstand nicht einmal die Frage. Worum bitte ging es denn hier?

Am liebsten hätte sie ihn angeschrien und ihm gesagt, dass es ihr verdammt noch eins überhaupt nicht gut ging, sie einfach nur mit Hermine reden und aus diesem Albtraum hier aufwachen wollte, aber sie hielt sich zurück.

„Mir geht es bestens!“, sagte sie schließlich, etwas zu bissig, um es wirklich glaubhaft klingen zu lassen. Blaise blickte sie etwas verunsichert an.

„Ich weiß, ich hatte neulich gesagt, dass ich nicht verstehe, warum alle immer noch so einen Terz daraus machen, aber ich meinte damit nicht, dass ich es nicht verstehen würde, wenn du immer noch trauerst. Gerade jetzt, wo alle noch einmal daran erinnert werden, wie viele gestorben sind. Ich schätze für die Angehörigen der Toten ist das heute nicht nur ein Freudentag.“ Bei Blaise‘ Worten hatte Ginny das Gefühl ihr Herz würde einen Moment lang aussetzen. Jemand war gestorben? Wann? Und wenn Ginny trauern sollte… Wer von denen, die sie kannte, war dann gestorben?

Langsam bekam sie Kopfschmerzen von den ganzen Fragen, die ihr aufkamen und die sie sich nicht beantworten konnte. Es war zu viel passiert in den letzten Jahren, zu viel, was sie im Moment noch nicht wusste. Sie wusste nicht ganz, wie sie rausbekommen sollte, was genau passiert war, ohne dass sie klang, als hätte sie in der Nacht ihr Gedächtnis verloren. Wobei sie sich genauso fühlte. Doch Blaise einfach zu fragen, wer denn genau gestorben war, würde ihn vermutlich doch langsam wirklich an ihrem Gedächtnis zweifeln lassen. Wenn er das nicht ohnehin schon tat.

Ginny hatte sogar für diesen Moment vergessen, dass sie überhaupt mit Hermine sprechen wollte, so sehr hingen ihre Gedanken bei den Toten und der Frage, wen sie verloren hatte. Wer von den Menschen, die ihr wichtig waren, würde in der Zukunft sterben?

„Vielleicht sollte ich meine Familie besuchen gehen.“, murmelte sie schließlich und blickte Blaise an. Der wirkte plötzlich nervös, sagte jedoch nichts dagegen.

„Sicher.. Das wäre gut.“, meinte er langsam, räusperte sich dann und wich ihren Blick aus. „Ich werde einfach hier warten und-“, doch Ginny schnitt ihm das Wort im Sprechen ab. Sie brauchte ihn, um dorthin zu kommen. Sie hatte immer noch absolut keine Ahnung, wie man apparierte oder wie man von hier weg kam.

„Du kommst mit!“, sagte sie forsch und etwas zu laut, denn es hallte an den Wänden im Treppenhaus wieder. Blaise seufzte theatralisch, doch leistete er keinen weiteren Widerstand.

„Das wird lustig.“, flüsterte er nur leise.

Nicht Ich

Hannah setzte sich an den kleinen Tisch in der Küche. Das Haus war generell sehr klein, womit sie allerdings keinerlei Probleme hatte. Sie war jemand, der kleine Häuser sehr gemütlich fand. Selbst wenn sie kaum Platz boten. Auf dem Tisch standen Pfannkuchen, sowie zwei Becher aus denen es dampfte. Aus dem einen hing ein Teebeutel, was wohl Nevilles sein musste und im anderen war demnach Kakao drin, den Hannah sich mehr oder weniger gewünscht hatte. Sie wusste immer noch nicht, was sie von alldem hier halten sollte. Sie würde auch wahnsinnig gerne wissen, wie es hierzu gekommen war.

„Du kannst dich ruhig schon hinsetzen.“, meinte Neville dann plötzlich und deutet auf den Stuhl, auf den sie sich setzen sollte, während er den letzten Pfannkuchen in der Pfanne umdrehte. Hannah tat wie ihr geheißen und setzte sich. Sie starrte auf den Teller Pfannkuchen vor ihr. Wäre sie nicht gerade etwas enttäuscht darüber, dass ihr Zukünftiger sichtlich nicht Ernie war, dann wäre ihr aufgefallen, wie gut die Pfannkuchen rochen.

„Hat Amata dich geweckt?“, fragte Neville, als er sich zu ihr an den Tisch setzte. „Ich glaube, ich hab beim Rausgehen die Tür nicht richtig zu gemacht.“ Einen Moment lang war Hannah verwirrt, bis ihr einfiel, dass sie von einem Hund geweckt wurde. Hieß dieser Amata oder gab es hier noch jemanden im Haus?

„Der Hund hat mich geweckt.“, versuchte sie es also so. Neville nickte.

„Wir hätten sie besser erziehen sollen.“, sagte er dann und grinste leicht. Hannah lächelte verhalten. Sie hatte keine Kinder, war nicht verheiratet und dafür hatte sie einen Hund. Dabei mochte sie Hunde noch nicht einmal wirklich. Das einzige, was sie an dem Hund mochte, war der Name. Amata, so hieß eine Figur aus ihrer Lieblingsgeschichte von den Märchen von Beedle dem Barden. Den Namen wollte sie eigentlich ihrem Kind geben, wenn sie eines bekommen sollte und es ein Mädchen war. Jetzt hieß ihr Hund so. Das war ein eher schwacher Trost.

Dann fiel Hannah etwas anderes auf. Sie sollte 10 Minuten in der Zukunft sein. Das hier waren nun schon definitiv mehr als 10 Minuten. Wieso war sie noch hier? Panik stieg in ihr auf. Sie glaubte nicht, dass das so sein sollte. War irgendwas mit dem Trank schief gelaufen? Könnte sie jetzt vielleicht nie mehr zurück? Würde sie nie ihr Leben erleben können und würde jetzt vielleicht ihr restliches Leben in dieser Zukunft stecken, die sie sich nicht erklären konnte?

„Neville.. weißt du wo Hermine steckt? Oder Ginny?“, fragte sie ihn schließlich. Dieser musterte sie fragend.

„Wo sie wohnen weiß ich nicht, aber wo sie arbeiten.“, gab er nach einem Augenblick der Überlegung zurück. Es war ihm anzusehen, dass er sich fragte, warum Hannah das plötzlich wissen wollte. Diese war sich allerdings nicht wirklich sicher, ob Ginny und Hermine heute zu ihrer Arbeit gehen würden. Vermutlich nicht, wenn es ihnen nur ein wenig so ging, wie ihr selbst. Wenn sie selbst keine Ahnung hatten, wo sie hin mussten oder wie ihr Leben gerade aussah, dann würden sie vermutlich auch nicht zu ihrer Arbeit erscheinen. Trotzdem war es besser irgendwo anzufangen nach ihnen zu suchen, als hier sitzen zu bleiben und Däumchen zu drehen.

„Wo arbeiten sie?“, fragte Hannah drängend. „Und wie komme ich am besten da hin?“, setzte sie noch hinterher. Neville blickte sie nun wirklich verdutzt an. Als hätte sie die wichtigste Information irgendwie übersehen.

„Wieso willst du zu Hermine und Ginny?“, fragte er, statt ihr auf ihre Fragen zu antworten. Hannah unterdrückte ein frustriertes Seufzen. Sie wollte sich jetzt nicht großartig erklären, so wirklich erklären konnte sie es ja auch nicht.

„Das kann ich dir jetzt nicht sagen. Aber es ist wichtig.“, sagte sie. Zu ihrem Glück nickte ihr Gegenüber nur und stellte keine weitere Frage mehr. Er nahm es einfach so hin. Dabei musste es Neville vermutlich gerade sehr seltsam vorkommen, wie sie sich verhielt. Aber er fragte nicht nach und dafür war Hannah ihm gerade sehr dankbar.

 

Hermine hatte mehrere Anläufe gebraucht, um endlich ein halbwegs normales Outfit aus dem Kleiderschrank zu ziehen. Entweder besaß sie nicht viele Klamotten oder hatte nur ein paar hier bei Fred untergebracht. Dieser wartete schon im Flur, als sie endlich aus dem Zimmer trat, frisch angezogen in einer blickdichten, weißen Bluse und einem längeren, dunklen Rock. Würde sie noch eine rot-gelbe Krawatte dazu tragen, könnte es fast ihre Hogwartsuniform sein, nur ein wenig eleganter.

Fred blickte sie nicht einmal an und wirkte plötzlich eher distanziert. War er wirklich so schrecklich beleidigt, nur weil sie Georges Namen benutzt hatte und nicht seinen?

Doch Hermine machte sich über etwas ganz anderes Gedanken. Fred hatte vorhin etwas von einem großen Tag geredet und sie wusste immer noch nicht, was genau heute so großartiges passieren sollte. Sie wollte Ginny und Hannah finden, aber wusste nicht, wie sie das Fred erklären sollte, ohne dass er sie für verrückt hielt. Mal ganz davon abgesehen, dass er immer noch sauer zu sein schien.

„Hör mal… es tut mir leid. Ich bin ein wenig durcheinander, vielleicht werde ich ja alt und mein Gedächtnis funktioniert nicht mehr so richtig.“, versuchte sie einen kleinen Scherz, doch Fred lachte nicht.

Er hielt ihr schließlich nur seinen Arm hin, damit sie seit-an-seit-apparieren konnten und Hermine griff danach, als auch schon ihr Sichtfeld verschwand und sie kurz darauf im Ministerium an kam. Sie hatte das Gefühl, als hätte sich ihr Magen verdreht und ihr war schwindelig. Einen Moment lang blieb sie einfach an Ort und Stelle stehen und versuchte die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken.

„Ist alles okay?“, fragte Fred. Da erst bemerkte sie, wie sehr sie sich an seinem Arm festgekrallt hatte, den sie nach dem Apparieren nicht wieder losgelassen hatte. Schnell lockerte sie ihren Griff und nickte rasch.

„Ja.. Alles in Ordnung.“, murmelte sie. Fred sah nicht überzeugt aus, aber zumindest hatte sich sein verärgerter Blick zu einem besorgen geändert. Hermine lächelte leicht, nur um ihre Worte zu unterstreichen und wollte dann los laufen, um zu ihrem Büro zu gehen, als ihr einfiel, dass sie nicht einmal eine Ahnung hatte, wo sie arbeitete oder was sie überhaupt im Ministerium machte. Das war ein riesiges Problem, denn das Ministerium war alles andere, als klein.

Ihr Blick flog kurz zu Fred, der sie abwartend musterte. Er wusste vermutlich, als was sie arbeitete und dann könnte sie relativ leicht das Stockwerk rausfinden und sich anhand potentieller Namensschilder an den Türen voran arbeiten, bis sie bei ihrem Büro ankam. Doch wie sollte sie ihn fragen, ohne dass er bemerkte, dass etwas nicht stimmte?

Doch Freds Blick hatte sich nun auf etwas anderes gelegt. Er blickte auf ein Banner über einer riesigen Skulptur, welche inmitten der Eingangshalle stand. Das Banner war riesig und magisch verzaubert, denn auf ihm erschienen in Sekundenabständen immer wieder neue Bilder von Personen. Die meisten von ihnen kannte sie nicht. Manche, so erinnerte sie sich, waren ihr aus Hogwarts bekannt, nur vom Sehen her allerdings, denn sie konnte den Gesichtern keine Namen zuordnen. Sie wollte sich nicht weiter daran aufhalten, als plötzlich ein Bild von jemandem erschien, den sie kannte. Hermine stutzte und blickte einen Moment lang verwirrt das Bild an, bis es verwischte und eine andere Person an seiner Stelle auf das Banner projiziert wurde.

„Fred..“, murmelte sie leise und blickte diesen jetzt unsicher an. Eine dunkle Vorahnung beschlich sie und sie hoffte, dass sie zur Abwechslung einmal komplett falsch mit ihren Gedanken lag. „Warum war da gerade ein Bild von dir?“

Fred starrte immer noch auf die Gesichter auf dem Banner, doch bei Hermines Frage senkte er den Blick und sah sie an, als wüsste er nicht, ob er sie schlagen oder lieber Abstand von ihr halten sollte.

„Der Witz mit dem Gedächtnisverlust war vorhin schon nicht lustig und ist es jetzt immer noch nicht.“, sagte er, sichtlich bemüht ruhig zu bleiben. Sie konnte den Zorn in seiner Stimme deutlich hören und er machte ihr Angst. Sie hatte Fred noch nie so wütend erlebt. Er war immer der witzige Typ, der mit George seine Späßchen machte und jetzt war seine Stimme voller Bitterkeit und Abscheu.

„Die Idee mit den Bildern kam doch von dir. Du solltest doch ganz genau wissen, dass das dort nicht ich war.“

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Tag der Veröffentlichung: 20.06.2016

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