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Kapitel 1- 'Bin ich verliebt?'

Trotzig knallte ich die Tür meines Zimmers zu und warf mich aufs Bett. Ich hatte mich schon die ganze Woche auf diesen Abend gefreut, da meine beste Freundin Hanna und ich auf eine Hausparty eingeladen worden waren, die von einer der beliebtesten Jungen der Schule organisiert worden war.
„Vielleicht bekommst du ja dort deinen ersten Kuss.“, kamen mir Hannas Worte noch einmal in den Sinn. Es störte mich nicht im Geringsten, dass ich mit meinen 16 Jahren noch nie einen Freund gehabt hatte, doch Hanna war fest entschlossen Amor zu spielen und mich zu verkuppeln.
Partys waren generell nicht mein Ding, doch ich wäre definitiv lieber auf diese Party gegangen, als mit meinen Eltern und alten Bekannten zu Abend zu essen. Allein schon deshalb, weil ich nicht daran interessiert war Marlon, den Sohn der Freunde meiner Eltern, kennenzulernen.
„Leila?“, meine Zimmertür wurde zaghaft geöffnet und meine Mutter erschien, „Machst du dich bitte langsam fertig? Die Gäste kommen in einer halben Stunde.“
Ich stöhnte demonstrativ auf und rollte mich von meinem Bett runter. Genervt begann ich mir geeignete Klamotten herauszusuchen und wühlte in meinem Kleiderschrank, der so unordentlich war, dass ich nicht einmal bemerkt hätte, wenn Jemand einen Böller hinein geworfen hätte. So sah eigentlich mein gesamtes Zimmer aus. Überall lagen verstreut Klamotten, Cola- Dosen und mein Schreibtisch war unter der Masse an Schulsachen kaum noch zu erkennen. Meine Eltern hatten schon vor langer Zeit eingesehen, dass es einfach unmöglich war, mich zum aufräumen zu bewegen, doch sie beschwerten sich trotzdem nicht weniger.
Zufrieden mit der Wahl meines Outfits, trottete ich ins Bad und frischte mein Makeup auf. Wie immer versuchte ich meine dunkelbraunen Haare hochzustecken, doch ich ließ es immer wieder, weil ich fand, dass ich viel zu große Ohren hatte.
Mein Handy vibrierte und ich las mir die Whatsapp-Nachricht von Hanna durch.

Die Party ist der Hammer! Schade, dass du nicht auch hier bist. Ich wünsche dir viel Glück bei eurem Abendessen und hoffe du hast Spaß :) wir sehen uns morgen!  Xoxo <3

Angestrengt versuchte ich mir auszumalen wie Hanna gerade flirtete und einen Drink nach dem Anderen exte. Sie war nun mal eine absolute Draufgängerin, was ich für ihre 17 Jahre definitiv für unangemessen hielt.
'Jedem das Seine' ,
Hätte sie wohl an dieser Stelle kommentiert. An der Tür klingelte es und ein lautes Seufzen entfuhr mir. Noch ein letzter Blick in den Spiegel, um mich zu vergewissern, dass meine dunkelblaue Bluse auch richtig saß und schon verließ ich das Bad, um die Treppe hinunter in den Flur zu gehen.
Ich frage mich, ob dieser Marlon gut aussieh.. weiter konnte ich meinen Gedanken nicht zu Ende denken, da meine Eltern mich schon gepackt hatten und unseren Gästen vorstellten. Höflich reichte ich jedem die Hand, bis ich auf Marlon traf. Ich sah in ein helles, freundliches Gesicht, das mich lächelnd von oben bis unten musterte. Seine blonden Haare waren leicht zur Seite gegelt und seine hellen Augen strahlten eine außergewöhnliche Wärme aus.

„Schön dich kennenzulernen. Ich heiße Marlon. Du musst Leila sein?“, selbstsicher reichte er mir die Hand und ich schüttelte sie. Alle gemeinsam gingen wir aus dem Flur in unser großes Esszimmer, in dem meine Mutter bereits den Tisch gedeckt hatte. Ganz im Gegensatz zu mir war sie ganz und gar nicht unordentlich oder schlampig. Das Besteck hatte sie vorher eine ganze Weile lang poliert und generell verbrachte sie viel Zeit damit aufzuräumen und alles perfekt aussehen zu lassen. Unser Haus war zwar sehr klein, jedoch reichte es für meine Eltern und mich vollkommen aus. Ich liebte es hier zu wohnen, da meine beste Freundin Hanna nicht weit weg lebte und wir in unserer Gegend zwar viel Natur genießen konnten, aber trotzdem nicht weit von Geschäften und der Innenstadt entfernt waren.


So saßen wir also alle an dem großen Tisch und in Gedanken versunken starrte ich auf die dunkelrote Tischdecke vor mir. Unsere Eltern unterhielten sich lautstark über alte Zeiten während sie genüsslich aßen und lachten. Zwischendurch fiel auch mein Name, denn wie Eltern so waren, mussten sie ja immer darüber reden wem von beiden Elternteilen die Kinder am ähnlichsten sahen.
Ich war meiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, doch charakterlich hatte ich definitiv mehr von meinem Vater geerbt. Glücklicherweise war ich nicht die Einzige, die von oben bis unten von den Erwachsenen analysiert wurde. Auch Marlon blieb nicht verschont, was für mich eine gute Gelegenheit war ihn mir genauer anzuschauen. Er trug ein hellblaues T-shirt und wirkte insgesamt sehr gepflegt und anständig.

„Wie alt bist du jetzt Marlon?“, fragte meine Mutter auf einmal interessiert. Ich hatte mittlerweile bemerkt wie sie Marlon die ganze Zeit musterte. Wahrscheinlich stellte sie sich in ihm schon ihren zukünftigen Schwiegersohn vor. Typisch. Meine Eltern dachten auch, dass jeder Junge mit dem ich sprach, ein Heiratskandidat war.
„Ich werde in 2 Monaten 18.“, lautete seine Anwort.
„Achso, unsere Leila ist jetzt 16. Und wie stellst du dir deine Zukunft so vor? Hast du schon Berufspläne?“
Unbemerkt rollte ich mit den Augen. War ja klar. Sie musste ja natürlich abchecken, ob mein Zukünftiger auch mit 'beiden Beinen im Leben' stand.
„Also im Moment konzentriere ich mich voll und ganz auf mein Abitur. In einem halben Jahr bin ich fertig und würde dann gerne Architektur studieren.“
Mit dieser Antwort war meine Mutter voll und ganz zufrieden. Beeindruckt nickte mein Vater mir zu.
„Da hörst du mal Leila. Du solltest dir auch schon mal Gedanken über deine Zukunft machen, du bist ja auch schon bald mit der Schule fertig.“
Wütend verengte ich meine Augen zu zwei Schlitzen, entspannte mich dann aber sofort wieder und entgegnete gespielt höflich.
„Ich setze mir eben kleine Ziele und arbeite mich dann vorwärts. Hauptsache ist, dass ich mein Abitur zu Ende bringe und dann entscheide was ich studiere.“
Okay. Lüge. Ich hatte nicht vor zu studieren, denn eine Ausbildung reichte mir vollkommen aus, doch auf eine Diskussion mit meinen Eltern hatte ich im Moment überhaupt keine Lust und das sollte sie wohl zufrieden stellen.„Naja wir wollen dich ja nicht unter Druck setzen.“, lächelte meine Mutter.
„Das war eine gut durchdachte Antwort Leila. Vielleicht solltest du ja Anwältin werden.“, lachte Marlons Vater Gideon.
„Also im Argumentieren ist unsere Leila unschlagbar. Sie ist unglaublich redegewandt. Hörst du Leila? Ein Jurastudium solltest du mal in Betracht ziehen. Deine Noten sind ja auch super und wenn du dich ein wenig anstrengst, könnte das etwas werden.“, versuchte mein Vater mich zu überzeugen.
Ich kam mir immer mehr vor wie im Theater. Wieder lächelte ich und versicherte darüber nachzudenken, obwohl die Antwort für mich schon lange feststand. Jurastudium? Ausgeschlossen. Ich war einfach kein Karrieremensch und wollte auch nicht den ganzen Tag arbeiten ohne mein Leben zu genießen. Mein Vater war als Zahnarzt nicht häufig Zuhause und meine Mutter war als Grundschullehrerin auch viel mit ihrer Arbeit beschäftigt.
„Leila? Willst du Marlon nicht mal dein Zimmer zeigen?“, auf diese Frage war ich nicht vorbereitet gewesen. Es war selbstverständlich, dass Marlons Mutter diese Frage gestellt hatte, da meine Mutter niemals freiwillig zugelassen hätte, dass jemand mein Zimmer betrat.
„Ehm..“, stotterte ich, „Ich hab nicht aufgeräumt und es ist ziemlich unordentlich..“
„Das stört mich nicht.“, unterbrach mich Marlon.

Sein Ernst?!
„O-okay..“ Zusammen gingen wir die Treppen hoch in Richtung Zimmer. Das ganze Haus glänzte und war schon fast peinlich ordentlich, doch mein Zimmer bildete einen absoluten Kontrast dem gegenüber.
„Ehm.. also ich hab ja gesagt, dass es chaotisch ist.“, lächelte ich etwas beschämt, als ich Marlon anbieten wollte auf meinem Bett Platz zu nehmen, das unter einem Berg von Klamotten und Zeitschriften vergraben lag.
Lachend räumte Marlon einige Sachen beiseite und setzte sich neben mich.
„Also ich hab ja erwartet, dass es unordentlich sein würde, aber das?“, amüsiert deutete er auf den herumliegenden Kram, „Findest du hier überhaupt irgendetwas wieder?“
Gespielt entrüstet antwortete ich: „Aber natürlich! Das hat alles schon seinen Platz. Und wenn hier alles ordentlich wäre, wo sollten dann die Ratten leben?“
Sichtlich amüsiert zog Marlon die Augenbrauen hoch.
„Na draußen vielleicht?“
Nun musste auch ich laut loslachen. „Wenn du mich so kritisierst, dann musst du aber ganz schön ordentlich sein.“
„Wenn du mal zu mir kommst, dann kannst du dich ja selbst überzeugen.“, lächelte Marlon freundlich.
Erst jetzt fiel mir auf wie blau seine Augen eigentlich waren.
„Ich hoffe es wird auch dazu kommen.“, erwiderte ich etwas schüchtern.
„Ganz sicher!“, entschlossen blickte Marlon mich an. Eine kurze Stille entstand, die ich schnell durchbrach.
„Hast du Lust einen Film zu gucken?“ Ich stand auf und kramte in meinen DVD's. Da ich ein absoluter Horrorfilmfreak war, befanden sich auch nur die brutalsten Filme in meiner Sammlung, die ich Marlon einzeln vorschlug. Dieser schüttelte vehement den Kopf.
„Bitte nicht! Ich hab in meinem ganzen Leben gerade mal einen Horrorfilm gesehen und selbst da hab ich wahrscheinlich 70% der Zeit weg geschaut!“ Lachend wählte ich also einen der wenigen Actionfilme, die irgendwo herum lagen und legte die DVD ein.

 

Wir machten es uns auf meinem Bett bequem, obwohl ich mich insgeheim fragte, ob Marlon sich in meinem Chaos überhaupt wohl fühlen konnte, und schauten uns den Film an. Eigentlich hätte ich erwartet, dass es während dem Film peinlich still sein würde, doch Marlons Gegenwart war alles andere als peinlich. Ich fühlte mich wohl und da ich der Typ Mädchen war, der während eines Filmes alles kommentieren musste, was meine Freunde oft in den Wahnsinn trieb, gefiel es mir umso mehr, dass auch Marlon nicht stillschweigend dasaß. Lachend zogen wir über jede der Handlungen der Hauptpersonen her, obwohl wir in der Situation wahrscheinlich nicht anders reagiert hätten.

Draußen wurde es langsam dunkel und Marlons Mutter rief uns von unten zu:
„Marlon? Mach dich bereit, wir wollen bald fahren.“Traurig sah Marlon erst zu mir, dann zur Tür.
„Wir gucken nur noch den Film zu Ende!“, rief er seiner Mutter entgegen, die mit einem 'okay' antwortete. Enttäuscht, dass sich der nette Abend dem Ende zuneigte, spulte ich den Film demonstrativ ein paar Minuten vor.„Wenn der Film zu Ende ist, hat sie gesagt.“, lächelte ich vielsagend.
„Ich hoffe wir sehen uns noch öfter?“, erwartungsvoll sah Marlon mich mit seinen blauen Augen an. Obwohl mir seine Anwesenheit deutlich gefiel und ich ihn auch hübsch und freundlich fand, hatte ich trotzdem Angst, dass das alles langsam zu intensiv wurde. Marlon kam mir vor wie ein klasse Kumpel, aber nicht mehr, doch das musste ja normal sein. Man verliebte sich ja nicht sofort. Jedenfalls dachte ich das. Meine Erfahrungen mit Jungs ließen schließlich zu wünschen übrig. Was würde Hanna an dieser Stelle sagen?

'Was noch nicht ist, kann ja noch werden. Er ist süß, hübsch und single. Worauf wartest du?'

Ja das müsste es wohl sein. Und sie hätte Recht. Worauf wartete ich? Darauf alt und allein mit zwanzig Katzen zu sterben? Somit antwortete ich zögernd:
„Ja wir werden uns sicher öfter sehen!“ Bevor ich erst wirklich realisieren konnte, was mir geschah, spürte ich schon Marlons weiche Lippen auf meinen. Langsam löste er sich wieder von mir und verließ mit einem zuckersüßen Lächeln den Raum. Vollkommen perplex saß ich also auf meinem Bett und ließ das gerade passierte nochmal revue geschehen. Er hatte mich geküsst und es war mein erster Kuss gewesen, doch.. er war nicht annähernd wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Kein elektrisches Gefühl oder ein Schwall von Gefühlen war über mich gekommen. Der ganze Hype um den ersten Kuss und die ganzen Liebesfilme, die mir schon immer zum Kotzen gewesen waren, waren nichts als überbewertete Filme, über etwas, das im Endeffekt nicht mehr war, als... ein einfacher Kuss.
Marlon hatte mich total überrumpelt. Wir kannten uns doch kaum, obwohl der Abend mit ihm echt lustig war. Wir hatten beide den selben Humor, lachten über die selben Dinge und verstanden uns gut. Ob das für einen Kuss überhaupt reichte? Nun ja.. meine Eltern würden sich ja eh niemand besseren als den Freund ihrer Tochter vorstellen und ich mochte Marlon ja auch. Resigniert schüttelte ich den Kopf. Ich machte mir einfach viel zu viele Gedanken. Es war ein Kuss nicht mehr. Von Beziehung war nie die Rede gewesen und er hatte ja nicht einmal meine Handynummer. Keep cool Leila.

                                     
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Oh mein Gott, Leila! Das ist doch eine tolle Nachricht! Ich freu mich richtig für dich. Ich würde diesen Marlon so gern sehen! Ich wette es dauert nicht mehr lange und ihr Zwei seid ein Paar.“,
Hanna schrie so laut durchs Telefon, dass ich den Hörer etwas weiter weghalten musste. Typisch Hanna. Sie neigte einfach dazu die Dinge zu dramatisieren.
„Beruhig dich. Es war nur ein Kuss und ich bin ja auch nicht verliebt oder so. Jedenfalls glaub ich das. Außerdem kennen wir uns kaum.“
„Ach Leila, das kannst du doch gar nicht beurteilen! Das war dein erster Kuss, das kann dir doch nicht nichts bedeuten. Außerdem wette ich denkst du die ganze Zeit über ihn nach und zerbrichst dir den Kopf wie es weiter gehen soll, stimmts?“
Mist. Hanna kannte mich wohl besser, als ich befürchtet hatte. „Ja...“, antwortete ich demnach zögernd.
Na also! Dann bist du verliebt.“
Oh man. Vielleicht hatte Hanna ja Recht. Vielleicht war ich wirklich verliebt und würde bald mit Marlon zusammen kommen.
„Ich hatte mir das verliebt sein anders vorgestellt. Irgendwie... dramatischer... also einfach anders.“, erwiderte ich in leicht geknicktem Tonfall.
„Ach du bist einfach eine hoffnungslose Träumerin. Du liest zu viele Bücher. Diese 'Ich geh mit dir bis ans Ende der Welt und würde für dich sterben'-Liebe existiert nur in unserer Fantasie.“
Mit dieser Antwort hatte Hanna mich überzeugt. Vielleicht war das ja die höchste Stufe an 'verliebt sein', die ich in der Lage war zu geben. Seufzend klemmte ich den Hörer zwischen meine Schulter und meinem Kopf und öffnete eine weitere Coladose.
„Vielleicht hast du Recht... vielleicht hast du Recht. Aber er hat ja nicht einmal meine Nummer.“, bemerkte ich trostlos.
„Schonmal deinen Facebook account gecheckt? Ich wette auf alles, dass er dir eine Freundschaftsanfrage gesendet hat.“
Nachdenklich kramte ich meinen Laptop hervor und ging damit auf Facebook. Insgeheim hoffte ich wirklich, dass Marlon mir eine Freundschaftsanfrage gesendet hatte und dies bestätigte sich kurze Zeit später.
„Ja!“, entfuhr es mir ein wenig zu enthusiastisch.
Was hab ich gesagt? Und? Ist er online?“

Zu erst bestätigte ich die Freundschaftsanfrage und ging dann auf Marlons Profil. Er hatte so gut wie keine Bilder hochgeladen, abgesehen von seinem Profilbild, auf dem er mit einigen Kumpels auf der Couch saß. Ein, wie ich fand, gelungenes Bild.
Man Leila, sag schon. Schick mir den Link zu seinem Profil!“, quengelte Hanna, worauf ich ihr wirklich den Link schickte und dann auch schon eine Nachricht von Marlon erhielt:

Hey :)

„Hanna, Hanna!! Was soll ich schreiben? Er hat 'hey' geschrieben und einen lächelnden Smiley!“, rief ich in den Hörer.
„Wow das ging schnell. Das ist ja schon mal positiv. Also. Du darfst nicht sofort zurück schreiben, sonst kommt das als würdest du auf seine Nachricht warten. Warte immer einen kurzen Moment und schreib dann. ..Ich hab gerade den Link erhalten. Ist das der in der Mitte? Hübsch, hübsch. Das muss man ihm lassen.“


Ich achtete mittlerweile schon kaum noch auf das was Hanna sagte. Meine Aufmerksamkeit war ganz an meinen Laptop gerichtet. Zögernd antwortete ich auf Marlons Nachricht:

-Hey :)
-Hey :-)
-Wie geht’s dir?
-Gut und dir?
-Ja auch gut.. hör mal.. wegen dem Kuss heute. Es tut mir Leid, wenn ich dich überrumpelt habe. Das war nicht meine Absicht.
-
Ist schon okay! Hab mich ja auch nicht gewehrt :)

Hanna platzte beinahe vor Enthusiasmus, als ich ihr den Chat vorlas. Noch eine ganze Weile chatteten Marlon und ich, während Hanna sich am Telefon die Nägel lackierte und mir Tipps gab. Ein kurzer Blick auf die Uhr, die bereits 3:40 anzeigte, ließ mich zusammen fahren.
Es war Zeit schlafen zu gehen und Marlon hatte ja morgen Schule. In einer Woche waren Sommerferien und da die Zeugnisse schon fertig waren, hatten Hanna und ich abgesprochen morgen zu schwänzen und uns bei mir einen schönen Tag zu machen. Zwar nicht sehr anständig, doch meine Noten erlaubten mir das ab und zu auch mal.

Meine Eltern würden arbeiten und eine Entschuldigung war eh unnötig, da die Fehlstunden bereits eingetragen waren. Folglich verabschiedete ich mich von Hanna und Marlon und machte mich bettfertig.. was natürlich nicht bedeutete, dass ich dabei war einzuschlafen. Die ganze Zeit schwirrte mir das Gespräch von Marlon und mir im Kopf herum. Wir hörten zwar nicht die selbe Musik oder interessierten uns für die selben Filme, aber trotzdem verstanden wir uns gut und er war sehr aufmerksam und anständig, was ich von den Jungen aus meiner Schule nicht behaupten konnte. Außerdem hatte er nach meiner Nummer gefragt und mir versichert, mich mal anzurufen. Ich spürte zwar nicht dieses Herzrasen oder Kribbeln in meinem Bauch, wie ich es erwartet hatte, wenn man verliebt war, aber das würde sich bestimmt noch ergeben. Jedenfalls... ging ich davon aus. 

 



Kapitel 2 - 'Liebe geht durch den Magen'

Ein nervtötender Lärm riss mich unsanft aus dem Schlaf. Es dauerte einige Sekunden bis ich klar denken konnte und realisierte, dass das Geräusch durch das Betätigen des Klingelknopfes ausgelöst wurde. Wie von einer Biene gestochen sprang ich auf, worauf sich für einen kurzen Moment alles drehte und sich mein gesamtes Zimmer grün färbte.
Als ich mich wieder gefangen hatte, rannte ich halb stolpernd die Treppe hinunter zur Haustür und riss diese ruckartig auf.
„Man Leila. Ich stehe schon ganze fünf Minuten hier und klingle. Sag mir nicht, dass du gepennt hast. Es ist schon 12 Uhr Mittags. Wir waren verabredet.“
Langsam aber sicher kamen meine gesamten Erinnerungen wieder zurück und ließen mich laut aufstöhnen. Ich hatte nicht besonders viel Schlaf abbekommen diese Nacht und den Wecker musste ich wohl überhört haben.
„Komm rein...“, erwiderte ich in schläfrigem Tonfall.
Wie gewohnt hüpfte Hanna in mein Zimmer und verschlafen trottete ich ihr nach.
Wie kann man nur früh Morgens so munter sein?!
Sie schnappte sich eine Coladose und reichte mir einen Energydrink, während sie auf mein Bett hüpfte und sich in meine Decke kuschelte.
„So. Jetzt erzähl mal. Hat Marlon dir schon eine 'Guten Morgen'-SMS geschickt?“
Marlon. Kuss. Handynummer. Meine Müdigkeit hatte sich mittlerweile so eingeschränkt, dass sich meine Gehirnzellen wieder schneller betätigen ließen.
"Um ehrlich zu sein ist mir das gerade ziemlich egal. Wir fahren in drei Tagen schon nach Spanien und ich hab auch noch nicht angefangen zu packen. Vielleicht wäre es sinnvoller mich jetzt darauf zu konzentrieren...", versuchte ich das Thema zu wechseln, doch Hanna ließ sich nicht beirrern und fing laut an zu lachen.
"Das ist nicht dein Ernst? Leila? Ich kenn dich leider viel zu gut. Wir sind seid 10 Jahren befreundet und du packst nie.. und ich meine niemals drei Tage vor der Abreise. Du machst das eh alles einen Tag vorher. Und jetzt gib mal dein Handy."
Und schon hatte Hanna mein Handy gepackt und gab meinen Pin ein. Ihr Gesichtsausdruck erhellte sich und ein zufriedenes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.
"Na sag schon!", drängte ich sie.
"Ach. Ich dachte es interessiert dich nicht?", provozierte sie mich spielerisch.
"Tut es auch nicht, aber die Nachricht,- insofern er mir eine geschickt hat-, ist ja an mich gerichtet, also wäre es auch sinnvoll, wenn ich sie lese.", verteidigte ich mich, obwohl ich insgeheim wirklich gespannt darauf war, was Marlon geschrieben hatte.
"Überzeugt..", gab Hanna nach und reichte mir das Smartphone.


Hey :) Ich konnte kaum aufstehen heute, aber Schule ist nun mal Pflicht.. wie auch immer :) Ich wollte eigentlich auch nur fragen, ob du Lust hast heute mit mir Eis essen zu gehen? Achja hier ist Marlon :D


"Mh.", mehr konnte ich zu dieser Nachricht auch wirklich nicht sagen. Ob ich Lust hatte mit ihm Eis essen zu gehen? Nicht wirklich,aber wir wollten uns ja eigentlich eh treffen.
"Was heißt 'Mh'?! Du gehst heute!.. Obwohl wir ja eigentlich den Tag zusammen verbringen wollten, aber weil ich ja so eine gute Freundin bin, helfe ich dir, dich auf das Date vorzubereiten."
Und schon sprang die quirlige Hanna vom Bett und durchwühlte meinen Kleiderschrank. Auch sie war an mein Chaos gewohnt und es störte sie nicht großartig. Wenn ihre Eltern nicht so streng darauf achten würden, dass ihr Zimmer ordentlich bliebe, würde es bei ihr nicht sehr viel anders aussehen.

Top für Top, Hose für Hose und Pulli für Pulli flogen wahllos durch mein Zimmer.
"Das ist doch süß!", bemerkte Hanna und hielt mir ein hellblaues Top mit Spitze unter die Nase. 
"Auf keinen Fall!", protestierte ich, "Das habe ich von einer Tante geschenkt bekommen. Ich hab's bis jetzt nicht ein einziges Mal angehabt und das wird sich auch nicht ändern. Das Top rutscht immer so weit runter, dass ich mir vorkomme, wie auf dem Straßenstrich... kannst es behalten."
"Wenn du meinst.. ich liebe es jetzt schon.", lachte Hanna und suchte weiter nach einem Outfit, doch ich durchbrach ihre Suche.
"Man ich zieh einfach irgend ein T-Shirt und eine schwarze Jeans an und das wars. Wir gehen in eine Eisdiele und nicht ins Restaurant."
"Ach Leila.. du musst noch so viel lernen.", lächelte das strohblonde Mädchen. 



                     •´¨*•.¸¸.•*´¨•.¸¸.•´¨*•.¸¸.•*´¨•.¸¸.•

Etwas schüchtern betrat ich die kleine Eisdiele, die direkt an einige Geschäfte grenzte. Ich konnte es nicht glauben, dass ich mich von Hanna hatte überreden lassen eine dunkelrote Bluse und eine schwarze skinny Jeans anzuziehen. Ich hatte Marlon bereits erblickt und steuerte mit einem fast erzwungenen Lächeln auf ihn zu.
"Hallo Leila, du siehst toll aus. Setz dich doch.", begrüßte Marlon mich herzlich.
Er trug ein weißes T-Shirt und eine dunkelblaue Jeans und obwohl es ziemlich schlicht war, hatte es doch einen leicht eleganten Touch. 
Ich erwiderte seine Begrüßung und setzte mich auf den beige farbenen Stuhl. 
"Und? Ausgeschlafen?", setzte Marlon breit grinsend ein Gespräch an.
"Ehm ja.. naja.", antwortete ich zurückhaltend, "Und du? Wie war die Schule?"
"Ach du weißt ja. Die letzten Schultage bestehen ja eh nur aus Filmen und Notenbesprechungen. In den Urlaub fahren wir leider nicht. Ich hab gehört ihr fährt nach Spanien in drei Tagen?"
"Ja Stimmt. Ich freu mich so sehr. Ich liebe Reisen und neue Orte und Kulturen entdecken. Wenn ich könnte, würde ich mein Leben lang nur Reisen.", träumte ich vor mich hin.
"Ja stimmt. Das wär toll. Mit dem Mädchen, das man liebt, einfach weit weg fahren. Irgendwo ans Meer."
Die Angst vor dem Gespräch mit Marlon hatte sich mittlerweile in Luft aufgelöst. Endlich hatte ich etwas gefunden, was uns beide verband und was wir beide mochten. Träumen. Reisen. Etwas Erleben.
Marlon und ich unterhielten uns noch eine ganze Weile über die verschiedensten Orte, die wir schon gesehen hatten und je mehr er erzählte, desto mehr fand ich, dass wir beide doch perfekt zusammen passten. 
Gerade wollte ich ihm von dem Trip nach Kroatien erzählen, den meine Familie und ich vor einigen Jahren unternommen hatten, als ich beinahe an meinen eigenen Worten erstickte. 
Nicht weit vor mir stand mein Deutschlehrer, der gerade einige Worte mit dem Kellner wechselte. Alles in mir bebte und mein Herz machte für einige Sekunden einen Aussetzer. Ich war heute nicht in der Schule gewesen und wegen Schwänzen wollte ich in den letzten drei Tagen vor den Ferien keine Probleme bekommen.
Marlon hatte bemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmte und drehte sich nach links. Herr Biedermann kam seelenruhig an unseren Tisch maschiert und wie eingefroren starrte ich ihn an. 
Jetzt würde ich Probleme bekommen. Riesen Probleme...



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Tag der Veröffentlichung: 20.07.2014

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