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Über die Autorin

 

  Jenna Rick wurde 1977 im Harz geboren und ist dort mit Sagen, Märchen und allerlei mystischen Orten aufgewachsen. Heute lebt sie mit ihrer Familie im Norddeutschen Nirgendwo des Heidekreises.

 

Ihr erster Liebesroman "Ausweg Liebe" erschien im Herbst 2014, gefolgt von "Shooting zum Glück" im Winter 2016. Die Bücher wurden bereits mehrere zehntausend Mal gekauft und gelesen. Ihre Erfolgsstory ging mit "Groupie-Alarm!" 2017 weiter, wir wünschen viele gemütliche Stunden mit Jennas Romanen.

 

Wenn Ihnen also die Geschichte von Anouk und Connor gefällt, unterstützen Sie doch einfach die Autorin mit einer Rezension und sagen Sie es weiter. Herzlichen Dank!

Prolog

 

Im Klassenraum einen Luftballon platzen lassen - erledigt

Den Lehrertisch mit Knoblauch einreiben - erledigt

Schule schwänzen - erledigt, erledigt, erledigt

Eine Party versauen - erledigt

Bungee Jump ins Wasser - erledigt

Karaoke mit einem Fremden - erledigt

Im Bikini zum Briefkasten laufen

Mit Haien tauchen

Heuschreckenschokolade aufessen

Vogelspinne auf die Hand nehmen

In einen Vulkan spucken

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Einen Rockstar küssen...

Kapitel 1

  „Du bist dran!”, forderte Ina mit einer unwilligen Handbewegung.

Sie bohrte ihren atemraubenden Blick direkt in das Gewissen ihrer besten Freundin. Unschuldig blinzelte Anouk zurück. Sie wusste natürlich genau, dass Ina ihre Mutliste meinte, denn sie brachte dann immer den gleichen Spruch. Inas Liste war längst abgearbeitet und Anouk damit überfällig. Gespielt lässig lehnte sie sich in die Kissen ihrer Designercouch. „Du bist so albern”, versuchte Anouk sich herauszureden. „Wenn ich das alles wirklich gewollt hätte, wäre es längst erledigt.”

 

Ina wusste genau, wie sie einen Fisch an die Angel bekam. Sie kramte in ihrer Handtasche und zückte zwei Eintrittskarten. Ein klein wenig interessiert beugte Anouk sich nun wieder nach vorn und griff nach den Tickets.

Backstage-Karten für diese Rockband, die mit jedem Lied besser wurde - Continuum Ice.

Ina kam als PR-Beraterin leicht an solche Dinge. Anouk musste dagegen meist auf Papis Beziehungen hoffen, wenn sie etwas Besonderes erleben wollte. Doch die Freundschaft mit Ina war keine Zweckgemeinschaft. Mit ihren vollkommen unterschiedlichen Charakteren hätten sie sie sonst nicht so lange aufrechterhalten können.

 

Als sie das erste Mal im Gymnasium aufeinandergetroffen waren, wurden sie mit ihrer Namensähnlichkeit konfrontiert.

„Ani!”, hatte ihre Großmutter sie gerufen. An diesem Mittwoch stand sie pünktlich zum Unterrichtsschluss an der Schule.

Anouk hatte sie nicht sofort entdecken können. Kein Wunder, da die Großmutter gerade bei den parkenden Autos unter den alten Linden mit einer Bekannten plauderte.

Trotz des Gesprächs behielt die alte Dame immer den Ausgang im Auge und rief ihre Enkelin bei ihrem Kosenamen.

 

Anouk war gerade in der fünften Klasse und die vielen Schüler drängelten rücksichtslos an ihr vorbei. Ein wenig orientierungslos suchte sie die Umgebung mit den Augen ab.

Eine Gruppe Mädchen wollte eben das Schulgelände verlassen. Die Teenies tuschelten und kicherten und eine von ihnen erläuterte besserwisserisch: „Hey Leute, Ani ist Ina rückwärts!”

Kichernd spotteten sie über das unbekannte Mädchen, das am liebsten im Erdboden versinken wollte. Bis die eine mit dem superlangen Zopf herablassend meinte: „Na dann bis Morgen, Ani – äh – Ina!”

 

Die geifernde Mädchenclique verschwand – bis auf besagte Ina, die ihrer unbekannten Mitschülerin ein offenes Lächeln schenkte.

Anouk fand, sie müsste das aufklären: „Ich heiße Anouk. Nur meine Großmutter nennt mich Ani!”

 

Ina nickte mit purer Ironie im Blick. Denn Ina tat immer, was sie wollte. „Dann bis morgen, Ani!”, gab sie trotzig von sich. Was Anouk nicht wissen konnte, war, dass Ina ganz tief im Innern mächtig stolz auf ihren eigenen Namen war und auf all das, was man daraus machen konnte. Seitdem hatte Ina die etwas schüchterne Anouk unter ihre Fittiche genommen und ihre Freundschaft konnte nichts erschüttern.

 

Ina zog die Karten zurück und wedelte damit vor Anouks Gesicht. „Wenn du mir ein heißes Foto mit einem Typen von der Band bringst, lade ich dich zu einem Urlaub unter Palmen ein.”

Anouk fand die Idee haarsträubend. „Wir sind doch viel zu alt, um Groupie zu spielen!”

Ina schüttelte die blonden Haare. „Dafür ist man nie zu alt. Außerdem ist sechsundzwanzig völlig okay, um noch auf den Putz zu hauen.”

„Du bist wirklich eine ganz furchtbare Freundin“, jammerte Anouk. „Ich zwinge dich doch auch nicht zu solchen Aktionen.“

Ina stöhnte. „Ja, leider. In der Hinsicht bist du echt 'ne Schlaftablette.” Trotzdem winkte sie großzügig ab. „Aber ich verzeihe dir. Deine anderen Vorzüge überwiegen.”

Anouk kniff die Augen zusammen. „Ach ja, und die wären?”

 

Ina überlegte, wie sie es formulieren konnte. Es bedeutete ihr viel, dass Anouk mit ihren Zauberaugen direkt in ihre Seele schauen konnte. Mit diesem klaren Blick konnte Anouk sie regelrecht erden. Manchmal war das echt nötig. Dank ihr konnte Ina ihre wilde Seite ausleben, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Mit Anouk durfte sie sein, wie sie war. Weiblich, frei und furchtbar lebendig. Nie ließ ihr Interesse nach. Nie bekam sie Angst, dass Anouk sich eine neue beste Freundin suchen würde. Sie war einfach megatreu.

 

Und genau jetzt verfiel Ina fast wieder diesem unschuldigen Augenaufschlag. Was hatte sie noch einmal wissen wollen? Gleich fiel es ihr wieder ein. „Am besten an dir finde ich, dass du so treu-doof bist und auf alle meine verrückten Ideen reinfällst.” Sie streckte die Zunge raus und grinste leicht anzüglich. „Und dass du mit deinen üppigen Kurven ganz andere Männer ansprichst als mein langer schlanker Körper. Dadurch erkenne ich meine Beute leichter.” Dieses mutwillige Zwinkern in Inas Augen deutete Anouk als eines ihrer kleinen Spielchen.

 

Erst stöhnte Anouk gespielt aufgebracht, dann schnappte sie nach ihrem flauschigen Polsterkissen und warf es Ina direkt an den Kopf. Augenblicklich wirbelten Inas lange blonde Haare durcheinander. Bevor sie es erahnen konnte, flog ihr auch schon das zweite Kissen entgegen. Lachend begann eine ausgedehnte Kissenschlacht.

 

Zum Schluss lagen sie kichernd nebeneinander. Völlig erschöpft, denn beide waren es nicht gewohnt aufzugeben. Anouk seufzte. „Du bist meine schlimmste beste Freundin.”

Dafür streichelte Ina ihr fürsorglich durchs Haar. „Ich weiß.”

 

 

Kapitel 2

  Der Samstagabend kam schneller, als es Anouk lieb war. Ina hatte geklingelt und stürmte im erstbesten Moment mit einer Sektflasche ihre Wohnung. „Das kannst du nicht anlassen. Zu viel Stoff!”, waren ihre ersten Worte.

 

Anouk zog die perfekt gezupften Augenbrauen hoch. „Es ist Winter. Und mir ist schon jetzt kalt.”

Um Mitleid zu schinden, zeigte sie ihrer Freundin die Gänsehaut auf ihrem Unterarm. Ina lenkte schnell ab und grinste zufrieden. „Kein einziges Haar zu sehen! Du hast ein sehr gutes Epiliergerät.”

Sie schickte Anouk zum Umziehen. „Auf zum Kleiderschrank!”

Stöhnend folgte Anouk. Ihre Freundin kannte wirklich kein Tabu.

 

Erstaunlich war, dass Ina nicht lange brauchte, um das Passende herauszuholen. Der Schrank war picobello aufgeräumt und sie wusste genau, was da drin verborgen lag. Statt der schwarzen, ärmellosen Bluse mit dem tiefen Ausschnitt, die Anouk gerade trug, reichte Ina ihr das dunkelrote Korsett aus Satin. Es war nicht ganz so frivol wie sein Name, aber es akzentuierte ihre weibliche Figur. „Darin erfriere ich!”

„Phhhh”, Ina schnaubte. „Wann denn? Wenn du aus dem Taxi steigst?”

 

Sie zog Hot Pants aus dem unteren Regal. „Das wird ein bisschen knapp mit den halterlosen Strümpfen.” Doch als Anouk sich umgezogen hatte, war nicht einmal der Rand der Strümpfe erkennbar.

„Heiß!”, hauchte Ina. Anouks langes, dunkelbraunes Haar lag in dicken Wellen auf ihren Schultern bis hinab zu ihrem Dekolleté. Smokey Eyes Make-up beherrschten beide Freundinnen perfekt.

 

Etwas eingeschüchtert drehte Anouk sich noch einmal vor dem Spiegel. „Bisschen billig.”

„Da ist gar nichts billig dran. Und das kann auch jeder sehen. Etwas gewagt, aber das war ja auch unser Ziel.”

 

„Na wenn das mal nicht nach hinten losgeht!” Anouk ahnte Schlimmes.

Sie kannte das Lighthouse im Zentrum von Berlin gut. Es gehörte zu einer Hotelkette und war der Upperclass vorbehalten. Da kam heute Abend niemand ohne Einladung hinein. Der Manager des Hotels, Jörn Mairperg wusste mit extremen und reichen Gästen umzugehen. Und mit den Extremreichen. Er richtete die besten Partys aus, der Laden war berühmt und berüchtigt.

 

Das Hereinkommen in die Location stellte jedoch kein Problem dar. Die große Frage lautete eher, wie Anouk einen Musiker abschleppen würde.

Ina hätte damit überhaupt keine Schwierigkeiten. Vielleicht war genau das die Lösung? Konnte sie so sein wie Ina?

 

Connor hatte langsam genug. Was schiefgehen konnte, lief ausgerechnet heute aus dem Ruder. Seine Bandmitglieder begannen zu flüstern, um ihn nicht weiter aufzuregen. Dass sie aber so stupide waren und ihm, während sie über ihn sprachen, kurze Blicke zuwarfen, hätte er nicht erwartet. „Raus mit der Sprache!”, brummte er seine Bandkollegen an.

 

Tony, der Gitarrist, warf den Tagesspiegel auf einen Stapel Zeitungen zurück. „Es geht um Sophia.” Er legte eine kleine Pause ein, um herauszubekommen, ob Connor News über seine Exfreundin und Ex-Duettpartnerin überhaupt verkraften würde oder ihm direkt den Kopf abriss.

Seelenruhig wartete Connor ab. Konnte es schlimmer werden? Tony wagte den Schritt. „Sie ist mit ihrer Hitsingle in den Top Ten gelandet.”

Connor konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Sophia St. Michaels war nicht mehr die wichtigste Person in seinem Leben. Von Tag zu Tag wurde sie ihm gleichgültiger. Er machte jetzt andere Musik. Härter, lauter. Ausdrucksstärker. „Sollte mich das stören? Leute, ganz ehrlich. Ich gönne ihr den Erfolg. Mir ist egal, dass sie jetzt mit wem anders singt.” Langsam stand er auf, denn jetzt interessierte ihn doch die Chartliste.

 

Wie in Schreckstarre sahen seine Freunde zu, wie Connor den Artikel mit Sophias Foto darunter überflog.

Der Reporter erkundigte sich nach Sophias Arbeitsweise ohne Connor. Sie antwortete, dass sie noch nie so glücklich mit dem Ergebnis gewesen sei. Es wäre direkt ein Befreiungsschlag für ihre künstlerische Seite.

Connor schluckte. So war das also! Er blickte in die Gesichter seiner Bandkumpels. Und genau damit hatten sie gerechnet. Connor war so leicht aus der Fassung zu bringen, wenn es um Sophia ging.

 

„Falls von euch auch jemand so denkt, möge er es mir bitte direkt ins Gesicht sagen. Euer kollektives Schweigen kann ich nicht ausstehen.” Seine Aufforderung war ernst gemeint und er sah jeden Einzelnen seines Teams direkt an. Niemand blickte betreten oder gar beschämt zu Boden. Sie antworteten unmissverständlich mit ihren ehrlichen Blicken. Mick trat auf ihn zu und warf die Zeitung kurzerhand in den Müll. Dann legte er, wie zur Beruhigung, Connor die Hand auf die Schulter. „Vergiss diese Tussi. Die hatte deinen Sound gar nicht verdient.”

 

Die Tür wurde ein Stück geöffnet. Der Programmchef lugte durch den Spalt. „Leute, ihr könnt gleich raus. Und denkt bitte daran, der Auftritt landet im Netz. Also, seid ihr bereit?” Es war mehr eine Aufforderung als eine Frage.

 

Unschlüssig blickte die Band auf Connor. Der Fall Sophia stand für ihn definitiv auf einem anderen Blatt. Er hatte damals mit allem abgeschlossen. Er hoffte, dass das alles einfach nur noch ein kleines Nachbeben war. Ein kaltes Lächeln verzerrte sein Gesicht. Auf Sophias Niveau würde er sich nicht herablassen. Im Gegenteil, hier und jetzt war er gewillt sein Bestes zu geben, um seine Zuhörer von seiner Musik zu überzeugen. „Wenn heute nicht wenigstens ein Mädchen in Ohnmacht fällt...!”, drohte er ihnen.

Die Band quittierte Connors Aufforderung mit einem gemeinschaftlichen Grölen.

 

Das Konzert fand in dem alten Gebäude statt, welches sich unmittelbar an das Hotel angliederte. Ungeduldig zog Ina Anouk durch die Menschenmenge bis vor die Bühne. Die beeindruckend großen Fenster im Dach spiegelten das bunte Licht der Strahler unter dem schwarzen Nachthimmel. Von den hohen Wänden hallten die vielen Stimmen wider.

 

Ein Ellenbogen boxte Anouk in die Seite.

„Können wir nicht dort hinüber gehen?”, bettelte Anouk ihre Freundin an. „Au!” Das war ihr Fuß, der jetzt einen ordentlichen Tritt abbekommen hatte. Inas abschätzender Blick sagte ihr alles. „Schätzchen, vergiss es.” Enttäuscht nahm Anouk den Lichtwechsel wahr und akzeptierte das drängelnde Publikum.

 

Unter gedämpftem Scheinwerferlicht ließ Tony seine E-Gitarre aufheulen. Die ersten Töne von „Too Strong” wurden ohne Klatschen vom Publikum aufgenommen. Niemand wagte es, den satten Sound zu stören. Das Schlagzeug schickte einen fetten Rhythmus unter die Melodie. Langsam schob sich Connor zwischen seinen Bandkollegen durch. Er hatte früh gelernt, dass gleich der erste Ton sitzen musste. Keinen erstickten, peinlichen Laut erlaubte er seiner Kehle. So begann er, seinen eigenen Song mit diesem kraftvollen Vibrieren.

 

Die Lautsprecher warfen den Sound ungezügelt auf das Publikum. Nun erst kreischten die Fans auf und begrüßten Continuum Ice auf ihre Art.

 

Anouk spürte, wie ein Feuer in ihrem Bauch ausbrach und sich eilig durch ihre Adern züngelte. Darauf war sie nicht gefasst gewesen. Die Stimme umhüllte sie vollends und übernahm die Kontrolle über ihren Geist. Der Sinn hinter dem englischen Text weckte die Sehnsüchte. Anouk übersetzte mühelos in ihre Muttersprache:

 

Kein Tag ohne dich,

keine Nacht ohne dich,

kein Streit ohne dich,

keine Zeile ohne dich...

 

Ina feierte neben ihr, während Anouk sich auf eine merkwürdige Art verraten fühlte. Ihre Beine wiegten sie zu Connors Musik. Es störte sie auch nicht mehr, dass sie ständig angerempelt, geschubst oder getreten wurde.

 

Ina ergriff ihre Hand und zog sie in die Luft, um ihre Feierlaune zu steigern. In diesem Augenblick fühlte Anouk tiefste Eifersucht. Auf alle, die Connors Musik hören durften. Erschrocken sah sie sich um. Wirklich jeder genoss das Konzert. Einige Mädchen wurden ohnmächtig aus der Menge gehoben und von zwei überforderten Männern der Security abtransportiert. Beharrlich haftete sich ihr Blick auf den Frontmann, der einen Song nach dem anderen schmetterte. Seinen E-Bass immer im Griff. Keine fünf Meter von ihr entfernt.

Alle lachten über den Spruch, den er zwischen zwei Liedern riss. Was hatte er gesagt? Anouk hatte es nicht verstanden, so sehr war sie versunken in den Tiefen seiner Stimme.

 

Beim nächsten Song tanzte Ina ausgelassen weiter. „Genau das, was ich heute gebraucht habe.” Sie war kurz davor, wie eine Katze zu schnurren.

Anouk konnte sich nicht auf Knopfdruck pushen wie ihre beste Freundin. Zu sehr nahm Connors Stimme ihre Emotionen gefangen. Sie zuckte leicht mit den Schultern. Was bleibt mir anderes übrig?, dachte sie. Wenn Ina nicht wäre, würde ich womöglich Strümpfe stricken, statt meine Ängste zu überwinden.

 

Nach dem Konzert und den lauthals geforderten Zugaben schlängelten sie sich zur Bar durch. Ihre Freundin reichte ihr ein Glas Sekt. „Gleich beginnt die Autogrammjagd.” Mit einem etwas bissigen Blick forderte sie Anouk heraus. „Und vergiss nicht. Wir sind Groupies. Verrückte Fans. Wir wollen uns heute mit Continuum Ice amüsieren.”

Das eigentliche Ziel sprach sie nicht aus. Ein Foto im Bett mit einem Star.

 

Hastig stürzte Anouk ihr Getränk herunter. Sie würde das heute definitiv hinter sich bringen, wenn sie die Möglichkeit dazu bekam. Sonst zog Ina sie ewig damit auf. Und wer wusste schon, wessen Konzerttickets als Nächstes auf Inas Schreibtisch flatterten?

 

Unschlüssig sah sie sich um und entdeckte ein paar Hardcorefans. Sie streckten ständig ihre Köpfe nach oben, um die Band auch ja als Erste zu entdecken. Die Klamotten waren offenherzig und etwas schräg. Die Make-ups und gepushten Brüste sollten sie offensichtlich reifer wirken lassen. Waren die überhaupt schon volljährig? Anouk probierte gelangweilt deren kindische Gesten an Ina aus. Sofort machte ihre Freundin mit, wedelte genauso mit den Händen oder schob lasziv ihre Hüfte zur Seite. „Das wird ein Kinderspiel”, versprach Ina ihrer manchmal viel zu braven Freundin.

 

Ein Raunen durchlief den Raum. Die Musik wurde etwas gedrosselt und an drei Tischen nahmen die Bandmitglieder Platz. Tony fläzte sich auf den Stuhl rechts außen. Daneben gesellte sich Mick, wie immer etwas peinlich berührt von diesem Andrang der Autogrammjäger. Connor klopfte ihm zufrieden auf die Schulter. Das Konzert war besser gelaufen, als er es sich vorgestellt hatte. Hingegen nervten ihn diese Autogrammstunden genauso wie Mick.

Nicolai, der Keyboarder, schob sich seinen Stuhl zurecht. Mit den Fingern begann er sofort eine unsichtbare Klaviertastatur auf dem Tisch zu bedienen. Connor, der ihn noch nie mit unbeweglichen Händen gesehen hatte, reichte ihm einen Kugelschreiber.

 

Durch ein Mikrofon eröffnete der Programmchef die Signierstunde. Auf den Autogrammkarten prangte der Stempel des Hotels, eine Investition in die Zukunft. „So, Continuum Ice steht euch zur Verfügung. Nicht drängeln bitte.” Einige weibliche Fans fingen an zu kreischen. Bestimmt zum dreißigsten Mal an diesem Abend.

 

Die Musiker schrieben und schrieben, fragten nach den Namen und bedankten sich bei den Fans, dass sie sich Zeit für ihre Musik nahmen. Tatsächlich verteilten sich die Autogrammjäger auf alle vier Musiker. Die Jungs waren auch wirklich zu heiß, war die allgemeine Meinung der wartenden Fans.

 

Anouk hatte sich automatisch bei dem Sänger angestellt. Sie sehnte sich direkt danach, dass er einmal ihren Namen aussprach. Allein bei der Vorstellung krabbelte ein ganzer Ameisenstamm über ihren Rücken. Hoffentlich würde Ina ihre Gedanken nicht durchschauen, sonst würde sie Ani unter Druck setzen, Connor zu stalken. Die Nerven, Ina das auszureden, hatte Ani heute nicht.

 

Sie stand fast vor ihm und dieses kichernde Mädchen vor ihr bedrängte ihn regelrecht. Mann! Das dauerte. Ihre Kommentare nahmen kein Ende. „Ich fand dich schon mit Sophia zusammen toll. Hast du ihr neues Lied gehört? Ist das von dir?”

Anouk stöhnte, es reichte ihr definitiv. Sie kopierte die Art des Mädchens und mischte sich direkt ein. „Hallooooo! Das Lied ist voll Schrott und hat nichts mit Connors Songs von heute zu tun.”

 

Ihr entging Connors kurzes Grinsen nicht. Schnell schrieb er eine kleine Widmung auf die Karte des Mädchens und gab ihr dazu noch ein Bandbook. „Vielen Dank für dein Interesse an uns. Du hast bestimmt noch eine Menge Fragen. Das meiste findest du hier drin.” Er tippte auf das dicke Journal und reichte ihr dann seine Hand.

Anouk zeigte ihr ungeduldig den Weg.

 

„Und wer beehrt mich nun?”, erkundigte sich Connor offen. Endlich mal kein kreischender Teenager. Obwohl das Bild nicht so ganz hinkam. „Anouk”, hauchte sie erschrocken. „Können Sie...”, begann sie mit erstickter Stimme. „Kannst du...”

Verdammt, sie hatte einen kompletten Blackout. Er sah sie neugierig an. Connor blickte direkt in ihre Augen. „Also, Anouk. Schreibt man dich mit OU oder mit doppeltem U?”

 

Verwirrt begann sie mit ihren verlängerten Wimpern zu blinzeln. Er kannte beide Schreibweisen? Niemand wusste das. Nicht einmal die Lehrer damals in der Schule hatten das hinbekommen. „Mit OU bitte.” Und dann platzte es aus ihr heraus. „Bitte mach nie wieder so blöde Kommerzmusik wie mit deiner Ex-Partnerin.”

 

„Was?” Connor hörte auf zu schreiben und sah wachsam zu Anouk hinauf. Der Schock über ihre Worte stand ihr ins Gesicht geschrieben. Ihre dunklen Augen waren weit aufgerissen und ihre Wangen bekamen eine gesunde Röte. „Sorry. Aber mir geht deine Musik durch Mark und Bein. Und wenn du dann so was machst, dann fehlt etwas.”

Mick stupste Connor an. Er hatte längst mitbekommen, dass die Autogrammstunde ins Stocken geraten war. Diese Frau konnte ein guter Zeitvertreib für den Abend werden. Connor liebte es, wenn er angehimmelt wurde. Mick zog eine Chipkarte hervor, auf der die Buchstaben VIP prangten. Connor nickte leicht zustimmend seinem Drummer zu.

 

Sogleich reichte Mick ihr die Einladungskarte. „Magst du nachher noch ein bisschen mit uns feiern?” Erstaunt nahm Anouk die Chipkarte an, hielt aber den Arm ausgestreckt. „Ich bin nicht allein hier”, lehnte sie ab. Ina stand schräg hinter ihr. Sie konnte es nicht fassen, wie blöd ihre Freundin manchmal war. „Nimm sie und hab Spaß. Ich kann auch ohne dich.”

 

Mick prüfte Ina von oben bis unten. Blond, schlank und megasexy. Er holte eine weitere Karte hervor und drückte Anouk die zweite ebenfalls in die Hand. „Bis später?”, fragte er. Anouk nickte rasch. Connor zog ihren Blick direkt auf sich, als er ihr das Autogramm reichte und kurz festhielt. Doch er sagte nichts mehr, sondern erwartete bereits die nächste Autogrammjägerin am Tisch.

 

Nachdem Anouk und ihre Freundin weg waren, musste er dringend Mick den Kopf waschen. „Du bist ein elender Groupiesammler. Das wird dir noch mal zum Verhängnis.”

Eifrig schrieb Mick weiter am Autogramm. „Meinst du die Blonde oder die Brünette?”

„Beide?”, spöttelte Connor.

Verschmitzt zog Mick die Augenbrauen hoch und grinste das nächste Mädchen an.

 

Ina verschleppte Anouk auf die Tanzfläche der Disco nebenan. Mit diesen VIP-Karten konnten sie fast überall hin. Die Partyzone war zweigeteilt, in Normalsterbliche und Stars. Die Trennung fand durch muskelbepackte Security statt. „Oh, ich steh auf durchtrainierte Körper”, flötete Ina und fuhr sich durch die Haare. Sie konnte sich kaum zusammenreißen und bewunderte offen den gestählten Mann gleich neben sich. Als stumme Antwort zog er die Stirn kraus.

 

„Du bist nicht sein Typ”, mutmaßte Anouk laut. Sie mochte es, ihre hübsche Freundin in den Mittelpunkt zu schieben. Dass sie dabei selbst auffiel, stärkte ihr eigenes Selbstbewusstsein.

Ihre Freundin war nicht direkt beleidigt, sie bewegte sich ein bisschen zur Technomusik aus den Lautsprecherboxen.

„Ich bin Jedermanns Typ.” So viel Selbstliebe konnte Anouk nicht nachvollziehen. Ina fuhr fort: „Der Mann ist nur pflichtbewusst. Er riskiert seinen Job nicht einfach so.”

Tatsächlich, Ina verteidigte den Kerl, der nicht wagte, ihr auch nur ein Augenzwinkern zu schenken. Er verstand jedes Wort deutlich und konnte sich nicht entscheiden. Aber die Blondine würde er heute Nacht nicht aus den Augen lassen!

 

Sie tobten sich auf dem Parkett aus, bis Mick sie antanzte. Er konnte sich gut bewegen und flirtete mit beiden gleichzeitig. Gut gelaunt lud er sie auf einen Drink in die Lounge ein. Mit der linken Hand auf Inas hauchdünnem Kleid und der rechten an Anouks nacktem Unterarm schob er sie an dem Personenschutz vorbei.

 

Connor lehnte lässig am Tresen und hielt sich an seinem Bier fest, während der Hotelmanager ihn wegen eines Auftrittes in privatem Kreis bedrängte. Es widerstrebte Connor, den Schmusesänger für die High Society zu spielen.

 

Jörn Mairperg übernahm oft die Vermittlerrolle zwischen eigensinnigen Künstlern und Personen, die nicht wussten, wohin mit ihrem vielen Geld. Da prallten manchmal zwei Lebenseinstellungen aufeinander. Er unterdrückte ein frustriertes Stöhnen. „Klar wird das mal wieder ein Konzert für das verwöhnte Töchterchen. Ich kenne aber die Gästeliste. Und da werden einige bekannte Größen aus dem Musikbusiness anwesend sein.”

 

Von der anderen Seite ertönte Tonys Stimme. „Mensch Connor, sei nicht blöd.” Er bekam wirklich alles mit und war immer zur Stelle. „Wir machen einfach eine Akustiksession. Mit deiner Stimme klingt alles bombastisch. Wir nehmen nur die Wirkung der Instrumente zurück.”

Connor fühlte sich ab und zu von Tony überrannt. „Ihr stellt euch das alles so einfach vor!”, urteilte er den Vorschlag ab.

Jörn Mairperg versuchte ihnen entgegenzukommen. „Probt es doch erst mal.”

„Genau!”, bestätigte Tony prompt.

 

Connor trank sein Bier aus und bestellte sich gleich ein neues. Als er sich umdrehte, fiel sein Blick auf gut gefüllte Hotpants, die er heute schon einmal bewundern konnte. Die langen Beine steckten in schwarzen Stiefelchen. Seine Gedanken schossen davon. Ob sie damit friert? Ich könnte ihr bestimmt einheizen.

 

Er beschloss die Abwechslung auszunutzen, um von Tony, dem Verräter, wegzukommen. „Mal sehen, ob du deinen Vorschlag in der Probe morgen Nachmittag umsetzen kannst”, beendete Connor das Gespräch und gesellte sich nun doch lieber zu der Gruppe um Mick und die Frau mit den heißen Shorts.

 

Leider musste er erst einmal irgendwie an Nicolai vorbei. Der knutschte heftig mit seiner Freundin, dem Model Svetlana herum. Sie saß auf einem Barhocker und sein Keyboarder tätschelte ihre Schenkel. Manchmal verstand Connor nicht, wie Nicolai selber mit seinem teils russischen Blut zurechtkam. Regelmäßig quälte er Keyboards oder Klaviere mit seinen flinken Fingern. Er konnte sie kaum stillhalten. Sobald dann seine Freundin in der Nähe war, spielte er auf ihrer weißen Haut weiter. Sie war wirklich ausgesprochen hübsch. Ein sanftes rundes Gesicht mit dunklen Augen und rot markierten, vollen Lippen. Diese Frau verstand es mit Nicolais Gemüt umzugehen.

 

Die Band wusste dessen enorme Musikalität zu schätzen. Aber dieses Gefummel der beiden war wirklich nicht mit anzusehen. Con zwängte sich zu der doch großen Gruppe weiblicher Fans durch, die Mick umringte, und schnappte nach dieser frechen Autogrammjägerin und einer weiteren jungen Frau, die neben ihr stand. Jeweils einen Arm um die Hüften links und rechts war doch schon mal ein guter Anfang.

 

„Hey Ladys, amüsiert ihr euch?”

„Hi Connor”, seufzte die Rechte ihn an.

„Super Party!”, hauchte Anouk und ahmte das süße Mädchen neben sich nach. Connor stutzte, verlor aber trotzdem sein strahlendes Lächeln nicht.

Die junge Unbekannte freute sich offen über Connors Interesse. „Ja wirklich. Ich habe schon mit zwei Schauspielern und Jamie Owen getanzt...” Der Soulsänger aus Großbritannien war heute auch hier? Egal!

 

Höflich hörte Connor zu. Dann wurde er langsam des Smalltalks müde. „Ladys, ihr habt ja gar nichts mehr zu trinken.” „Stimmt!”, schmollte Anouk. Normalerweise stand sie nie

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Jenna Rick
Bildmaterialien: Covergestaltung: Cathleen Fröhlich unter Verwendung von: © alliesinteract: 10705033 - Musikkapelle-Silhouette © schenzai: portrait-487067_1920 © Unsplash: concert-336695_1920 © Ana White: BIG set of Blots and ink splashes © Jhoen: Familiar Font
Lektorat: Bookrix
Tag der Veröffentlichung: 24.06.2017
ISBN: 978-3-7438-1961-0

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Liebe Muse, ein herzliches Dankeschön für die Inspiration zum Groupie-Alarm. Und zwar vom ersten Schubs zur Idee bis hin zum Schlusswort. Und einen lieben Dank an BookRix für die tolle Betreuung und das Korrektorat.

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