Beloved Escort
Schatten
Ria Wolf
Spezial
Roman
Beloved Escort - Schatten
by Ria Wolf
Copyright: 2018 Marita Böttcher, 33829 Borgholzhausen
Alle Rechte vorbehalten
Buchcoverdesign © 2018: Sarah Buhr / www.covermanufaktur.de
Lektorat/Korrektorat: Korky, 33334 Gütersloh
Buch ISBN: 9781980289524
Hinweis:
Dieser Roman enthält erotische Szenen und in entsprechenden Situationen expliziten Sprachgebrauch. Diesbezüglich empfindlichen Lesern empfehle ich, dieses Buch nicht zu lesen.
Sämtliche Personen und Handlungen in diesem Roman sind frei erfunden. Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Buch erwähnt werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Besitzer.
Inhaltsverzeichnis
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
Über die Autorin
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1. Kapitel
Phil
Sorgfältig zog er den Knoten der Krawatte fest, knöpfte die Manschetten zu und schlüpfte in sein schwarzes Jackett. Das Brennen in seinem Körper war erloschen. Jetzt bestand er nur noch aus kalter Asche. Die erhofften Empfindungen, wenn er sich verkaufte. Es hatte auch dieses Mal funktioniert. Wenigstens bis zu diesem Stadium. Das Wichtigste fehlte aber noch.
Sein Blick streifte Tessa, eine Stammkundin. Sie lag noch immer mit gespreizten Beinen und Armen auf dem Bett und rührte sich nicht. Völlig erschöpft von ihren Orgasmen. Hintern und Rücken glänzten von ihrem Schweißfilm. Manchmal erschreckte ihn, dass weder die Personen, noch das, was er mit ihnen trieb, innerlich etwas in ihm berührten. Manchmal. Für einen winzigen Moment. Heute gab es den nicht.
Trotzdem legte er bei Einzeldates Wert darauf, den Frauen zu beweisen, dass ein einziger Mann durchaus genügte, um sie zu befriedigen. Wie Tessa gerade. Aber mit diesen Beweisen kämpfte er auf verlorenem Posten gegen die weibliche Natur, die sich stets nach mehr sehnte. Keiner reichte auf Dauer einer. Auch Tessa buchte gelegentlich zwei bis drei Escorts.
Er strich über ihren Oberarm. „Steh auf, Honey! Du sagtest, du hättest nur zwei Stunden Zeit. Die sind seit fünfzehn Minuten überschritten.“
„Scheiße“, murmelte sie ins Kissen. „Aber verdammt geniale Scheiße. Hilf mir auf. Ich bin so fertig, ich kann mich nicht mehr rühren.“
Er schob einen Arm unter ihren Brustkorb, zog sie zur Bettkante und half ihr auf die Füße. Kraftlos klammerte sie sich an sein Revers, versuchte die Balance zu halten. Wirr fielen ihr dunkle Locken ins Gesicht. An ihrer Wange und ihrem Kinn klebten noch Reste seines Samens. Mit seinem Taschentuch wischte er die Spuren fort und strich ihr die Haarsträhnen aus den Augen. Ihre Lippen umspielte ein schiefes Grinsen.
„Meine Kiefer werden drei Tage schmerzen, von deinem dicken Teil. Aber es ist trotzdem immer wieder göttlich“, nuschelte sie. „Du bist immer wieder göttlich. Auch wenn du nie tust, was ich von dir verlange.“
Er würde nie wieder tun, was jemand verlangte. Wer ihn buchte, musste in Kauf nehmen, dass er den Ablauf bestimmte. Manche Wünsche und Neigungen berücksichtigte er, aber niemand sagte ihm, was er zu tun und zu lassen hatte. Einzig den Verhaltensregeln des Escort-Service beugte er sich, weil sie gut waren und seinen Vorstellungen entsprachen. Erstklassige Erscheinung und Manieren, zumindest vor und nach dem Ficken. Keine Verletzungen verursachen, weder mental noch körperlich. Keine Schmerzen, die die Toleranzgrenze der Kunden überschritten. Und Termine nicht näher als fünfzig Kilometer am eigenen Wohnort, damit das Privatleben nicht versehentlich mit dem Escort Geschäft kollidierte.
Tessa zupfte an seinem Revers. „Ich will dich behalten, Thor! In einer Zweitwohnung! Ich muss nur am Wochenende bei meinem Mann sein. Ich kaufe dir auch alles, was du haben willst.“
Seine Nackenhaare stellten sich auf. Er löste ihre Finger von seinem Jackett und schob Tessa auf Abstand.
„Niemand behält mich! Und ich habe es nicht nötig, mich aushalten zu lassen. Wenn ich dich jetzt um die Bezahlung bitten darf!“
Enttäuschung blitzte in ihren Augen auf, bevor sie sich umdrehte und Geldscheine aus ihrer Handtasche neben dem Bett zog. Sie hob die Hand, als wolle sie ihm die Scheine an die Brust werfen. Scharf sah er sie an. Ihre Hand erstarrte in der Luft. Unter seinem Blick sackten ihre Schultern ein Stück abwärts, dann senkte sie die Hand und gab ihm das Geld brav, wie es sich gehörte. Hätte sie es geworfen, wäre das ihr letzter Termin bei seinem Escort-Service gewesen!
Er rollte die achthundert Euro ein, die aus sechzehn Fünfzigern bestanden, schlang ein Gummiband darum und steckte das Bündel in seine Jackentasche. Dann verließ er das Zimmer, ohne Abschiedsgruß. Behalten! Und das auch noch, obwohl sie verheiratet war! Wie typisch für das weibliche Geschlecht! Konnte ihn eine Frau nicht einmal positiv überraschen?
Mit dem Einrasten des Türschlosses in seinem Rücken begann er aus der innerlichen Asche aufzustehen. Die Wiedergeburt setzte ein. Wenn er auf die Straße hinaustrat, würde es sein, als strecke er Flügel dem neuen Leben entgegen. Der Freiheit. Das bescherte ihm eine Gefühlsexplosion, besser als jeder Erguss. Allein, um das immer wieder zu spüren, verkaufte er sich noch.
Auf dem Bürgersteig vor dem kleinen Hotel sog er die Luft tief in seine Lungen. Von der Kopfhaut bis zu den Zehen durchlief ihn ein Kribbeln, das zu heftigen heißen Wogen anschwoll. Er musste sich an der Hauswand abstützen, das Gefühl erfasste auch seinen Schwanz, machte ihn steinhart. Willkommen im neuen Leben Philip Hawks.
Mit dem frischen Lebensgefühl folgte er zwei kurzen Seitenstraßen, passierte tiefer liegende Hauseingänge und überdachte Hofeinfahrten. Sein Blick schweifte über verwahrloste Gestalten, die diese trockenen Plätze zu schätzen wussten, weil sie im Bahnhof nicht gern gesehen waren. Jüngere Männer warteten auf Fickkunden, ältere auf Almosen oder einfach das Ende des Tages. Wer würde es heute sein?
Diskret studierte er die Gesichter. Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, aber auch Selbstgefälligkeit bei einem der hoch gewachsenen Burschen. Die Auswahl war groß. Er ging an dieser Gruppe vorbei, bog um die nächste Ecke und wusste sofort, dass er gefunden hatte, was er suchte. Aus struppigem rotbraunen Haar und wildem Bartwuchs starrte ein circa Dreißigjähriger lethargisch auf das Steinpflaster. Einziges sichtbares Hab und Gut, eine blaue Isomatte, ein dicker olivgrüner Parka über zerrissener Jeans, schwarze Wollmütze und eine Flasche Korn an der Seite. Dessen Blick erfasste Phils Schuhe, glitt höher und heftete sich auf die deutlich stramme Wölbung in Phils Schritt. Dann sah er ihm ins Gesicht. Phil fischte die Geldrolle aus seiner Tasche und warf sie ihm in den Schoß.
„Mach was draus. Lass diese womöglich letzte Chance nicht ungenutzt.“
Ungläubig starrte der Kerl die Geldrolle an, bekam sonst vielleicht zwanzig bis fünfzig Euro für eine Nummer. Er machte Anstalten aufzustehen. Stoppend hob Phil eine Hand und ging allein weiter. Er wollte keine Gegenleistung. Und wie der Typ den Geldsegen anwendete, blieb seinem IQ überlassen.
Phil schlug einen Bogen Richtung Bahnhof. Im nahe gelegenen Parkhaus stand sein Auto. Die Erregung seiner Wiedergeburt klang ab und der ganze Energieverbrauch ließ seinen Magen knurren. Vor dem Eingang des Bahnhofs hielt er an einem kleinen dreirädrigen Imbisswagen.
„Hi Conrad. Einen bunten Salat, bitte.“
Das Grinsen des ergrauten Verkäufers zeigte eine doppelte Zahnlücke bei den unteren Schneidezähnen. „Natürlich, wie immer, Meister Thor.“
Die Anrede amüsierte Phil. Denn sie basierte nicht darauf, dass Conrad sein Pseudonym kannte, sondern in ihm ein Double des Schauspielers Chris Hemsworth sah, der in einigen Filmen den Gott Thor verkörperte.
Conrad schöpfte aus einem gekühlten Fach seine knackige Salatmischung, füllte sie in eine großzügige Plastikschale und gab etwas American Dressing drauf. Dazu reichte er Phil Serviette und Plastikgabel.
Phil fischte zwei Euro fünfzig aus seiner Hosentasche und hielt sie ihm hin. Abwehrend hob Conrad die Hände.
„Nee! Gratis, wie immer Meister Thor. Ohne dich würde ich doch in der Gosse verrotten. Nur dank dir kann ich jetzt die besten Hotdogs und den gefragtesten Salat von Hannover verkaufen und zufrieden in einer warmen Wohnung schlafen.“
Wäre Conrad ihm nicht vor drei Jahren beim Salatkauf um den Hals gefallen, hätte er dessen Gesicht nicht mehr in Erinnerung gehabt. Es lag nicht in seiner Absicht, zu beobachten, was die Beschenkten mit ihrem unerwarteten Geldsegen anstellten. Er wollte nur etwas von dem Glück weitergeben, das ihm widerfahren war. Entweder sie nutzten die Chance für einen Neustart oder nicht.
„Danke Conrad. Pass weiter gut auf dich auf.“
„Sag das meinem Zahnarzt!“, rief Conrad ihm fröhlich hinterher. „Nächsten Monat habe ich mir die Zahnbrücke zusammengespart!“
Ohne sich umzudrehen, hob Phil einen Daumen in die Höhe. Wenige Minuten später tauchte er in die Kühle des Parkhauses ein. Im zweiten Parkdeck lehnte er sich an die Motorhaube seines schwarzen Mercedes und widmete sich mit einem guten Gefühl seinem Salat. Die Eierscheiben und Tomatenstücke suchte er als erstes heraus.
„Hey Lackaffe! Rück mal deine Kohle raus oder wir verbeulen erst deine Karre und dann deine Fresse! Vielleicht auch umgekehrt.“
Ihm rutschte ein leiser Seufzer raus, als er die Salatschale nahe der Windschutzscheibe abstellte. Sorgfältig wischte er sich Finger und Mund mit der Serviette ab. Dass ihm diese drei Idioten aus der Seitenstraße folgten, war ihm nicht entgangen. Der kräftig wirkende junge Bursche mit dem selbstgefälligen Blick und zwei seiner Freunde. Herausfordernd wippte der Rädelsführer vor ihm auf den Sohlen seiner billigen Turnschuhe und knackte mit den Fingerknöcheln.
Phils Hand schnellte vor und legte sich um seinen Nacken. Eine übergangslose Drehung, etwas Druck und das Gesicht des Typen krachte auf den schwarzen Lack seiner Motorhaube. Am Kragen der stinkenden Jacke zerrte Phil ihn wieder hoch und stieß ihn seinen Freunden entgegen, die ihren Kumpel auffingen und ihn geschockt anstarrten. Blut rann aus der gebrochenen Nase und von den Lippen des jammernden Angreifers.
„Nur ich mache Beulen in meine Karre! Und jetzt verpisst euch!“
Wie schon ihre Körperhaltung verraten hatte, waren die beiden anderen nur Mitläufer. Wäre es anders gewesen, hätte das Phil aber auch nicht beeindruckt. Prügeleien waren ihm nicht fremd, wenn das auch lange zurücklag. Der Unterschied zu damals bestand darin, dass er sich mit Krafttraining gestählt hatte, um nie wieder unterlegen zu sein.
Die Typen stützten ihren Freund und sahen zu, dass sie wegkamen. Wenigstens für diesen weisen Entschluss reichte ihr Grips.
Er befasste sich wieder mit seinem Salat und schenkte der Beule im Firmenblech keine weitere Beachtung. Sein Freund und Escort Manager Lukas war mit solchen Schäden vertraut, wenn sonst auch eher von Dates, die eine unvergessliche Nummer auf der Motorhaube enthielten.
Sandy
„Na, Oskar. Wie war dein Tag?“
Sie nahm den improvisierten Zaun, der aus einem simplen Regalbrett bestand, aus dem Durchgang zu ihrem Wohnzimmer und stellte es an die Wand. Der Kopf ihrer griechischen Landschildkröte schnellte unter dem Wärmestrahler zu ihr herum. Zumindest war es für Oskar ein beachtliches Tempo. Er kroch von seinem flachen Kalkstein und stakste ihr auf seinen kurzen Beinchen entgegen. Der Stein war sein Lieblingsplatz, egal, ob der Strahler eingeschaltet war oder nicht und sie klopfte sich innerlich immer noch auf die Schulter, dass sie das Ding impulsiv am Feldrand aufgesammelt hatte. Scheiß was auf den abgerissenen Henkel ihrer Escada Tasche, die zweifellos nicht für so ein Gewicht kreiert war.
„Bist du neugierig, was ich dir mitgebracht habe?“
Sie hockte sich nieder und hielt ihm den Strauß aus Wiesenblumen hin, die das tatsächliche Mitbringsel tarnten.
„Hast du das denn verdient, nachdem du deine Dschungelecke schon wieder verwüstet hast? Du weißt, die Äste gehören in deine gute Stube und nicht mitten in mein Wohnzimmer. Ach, natürlich hast du das verdient, mein Süßer.“
Hätte sie nur Löwenzahn und Wegerich gepflückt, wäre sicherlich intensiver nachgeforscht worden, wofür sie das mitnahm. Nach einem Strauß aus Wiesenblumen krähte kein Hahn, hoffte sie. So verbargen sich die Löwenzahn- und Wegerichblätter für Oskar als Zierkraut zwischen den Blumen.
Oskar schnappte gezielt nach einem Löwenzahnblatt. Bevor er es erreichen konnte, zog sie den Strauß fort.
„Aah, du Genießer. Aber nein, ich muss erst den Straßenstaub abwaschen. Komm mit in die Küche.“
Im Flur streifte sie die Schuhe von den Füßen und kickte sie Richtung Garderobe. An dem Tapsen der Krallen und dem gelegentlichen Scharren seiner Panzerunterseite auf dem Laminat hörte sie, wie Oskar ihr folgte. Sie ließ kaltes Wasser in das Spülbecken laufen, sortierte die entsprechenden Blätter aus dem Strauß und warf sie in das Wasser. Ungeduldig krabbelte Oskar über ihre nackten Füße.
„Geduld, mein Schatz. Erst muss ich mich noch umziehen.“
Im Schlafzimmer streifte sie ihr Businesskostüm ab, zog eine schwarze Leggings und ihre grau melierte Sweatjacke an und band ihr Haar mit einer Spange zum Pferdeschwanz zusammen. Oskar war ihr hinterhergelaufen und zockelte ihr auch wieder zur Küche nach. So mangelte es ihm zum Glück nicht an Bewegung.
Behutsam schwenkte sie die Blätter durch das Wasser, schüttelte es anschließend so weit wie möglich ab und nahm ein Handtuch mit ins Wohnzimmer. Auf ihrem Couchpolster breitete sie das Handtuch aus, legte Oskars Mahlzeit darauf und wartete, dass ihr Mitbewohner sie erreichte. Es erstaunte sie immer wieder, wie schnell eine Schildkröte werden konnte, wenn es ums Fressen ging. Sie hob ihn auf das Handtuch und legte sich daneben. Während Oskar sich über die saftigen grünen Blätter hermachte, strich sie ihm mit einem Finger über den prähistorisch anmutenden Kopf. Sie liebte dieses skurrile Tier, auch wenn sie lieber eine Katze zum Kuscheln hätte. Aber die Beschaffung des Futters würde auffallen und ihr Haustier verraten. Für Oskar ließ sich alles im Vorbeigehen besorgen oder mit einem gewöhnlich wirkenden Einkauf von Salat und Gemüse tarnen.
Zur absoluten Sicherheit des Tieres müsste sie eigentlich ganz auf seine Gesellschaft verzichten. Es war nicht auszuschließen, dass die Spione ihres Vaters eines Tages ihre Wohnung inspizierten, wenn sie im Büro war und sie wollte Oskar nicht an eine Tür genagelt vorfinden, wie ihre Katze in New York.
Der herrschsüchtige Arm ihres Erzeugers reichte weit. Er duldete nichts Lebendiges, an das sie ihr Herz hängte. Nichts, was er ihr nicht zugestand. Und das bekam sie bei Vergehen auf sadistische Weise zu spüren. Seine Rache, weil sie sich weigerte den Mann zu heiraten, den er für sie ausgesucht hatte, war bitter und würde wohl solange anhalten, wie er lebte. Oder bis sie sich von ihm verheiraten ließ. Dass sie sein, vor einigen Monaten erworbenes, Kosmetikunternehmen hier in Deutschland repräsentieren musste, war Bestandteil seiner Unerbittlichkeit. Er wusste, wie sie in ihrem Job als Krankenschwester in New York aufgegangen war und die Nähe ihrer Mutter und Freunde geliebt hatte.
Ich zerstöre alles, woran du hängst, wenn du dich nicht an meine Regeln hältst! Seine Warnung war angekommen. Außer dem leidvollen Ende ihrer Katze hatte ein Unfall ihrem ersten festen Freund die Beine zerschmettert. Er würde nie wieder auf den Rollstuhl verzichten können. Sie hatte ihn trotzdem nicht aufgeben wollen, doch Bobby beendete ihre Beziehung rigoros und weigerte sich sie zu sehen, seit ihm gesteckt worden war, dass er den Unfall ihrem Vater zu verdanken hatte.
Gott verdammt! Alle mussten nach Angus McKaultys Pfeife tanzen! Das war zum kotzen! Dass ihre Mutter überhaupt von ihm getrennt leben durfte, basierte nur darauf, dass er sie wegen einer jüngeren Frau abgeschoben hatte. Vermutlich gab es neben seinen weiteren drei Exgeliebten, keine, die glücklicher darüber war, wegen einer Jüngeren verlassen worden zu sein. Und als besonders glückliche Fügung empfand sie selbst, dass sie nicht den Familiennamen des Arschlochs trug, weil er ihre Mutter ja nie geheiratet hatte. Leider stand sie trotzdem unter seiner Fuchtel, wie ihre fünf Halbschwestern, die alle schon nach seiner Wahl verheiratet waren.
Sie legte ihren Kopf neben Oskar, um einem geliebten Freund in die Augen sehen zu können. Um ihm noch näher zu sein. Hier war sie mit ihm allein und unbeobachtet. Durch die Fenster könnten nur Fassadenkletterer in ihre Wohnung blicken. Hier brauchte sie ihre Gefühle für ein Lebewesen nicht verbergen.
Erstaunlicherweise schien es McKaulty nicht zu stören, wenn sie sich auf One-Night-Stands einließ. Das hatte zumindest bis jetzt noch keine Folgen gehabt. Der Erste war nur ein betrunkener Ausrutscher gewesen. Anschließend hatte sie um den Kerl gebibbert, dass ihn ein Unfall heimsuchen könnte. Aber es geschah nichts. Wochen später sah sie ihn mit einer anderen Frau und es ging ihm hervorragend. Daraufhin wagte sie ein bewusstes Vergnügen mit einem Anderen und auch der erfreute sich noch bester Gesundheit.
Aber mit keinem davon hatte sie es in ihrer Wohnung getrieben, sondern in deren Auto oder Bett. Und mit keinem traf sie sich ein zweites Mal. Offensichtlich duldete ihr Vater nur nicht, dass sie für ein Individuum Gefühle entwickelte. Er wollte sie zur Einsamkeit verdammen. Seelisch verkümmern lassen.
Überhaupt nichts Lebendiges in ihrem privaten Umfeld zu haben, dem sie sich anvertrauen konnte, würde sie verrückt machen. Oskar war ein spärlicher Ersatz, aber er bewahrte sie davor durchzudrehen und verriet seine Existenz nicht durch Haare auf ihrer Kleidung oder Futterdosen. Ohne ihn käme sie sich wie eine sterile Marionette vor. Und da Schildkröten sehr alt werden konnten, lebte Oskar hoffentlich noch, wenn ihr Vater längst verrottet war.
Ein One-Night-Stand oder auch One-Day-Stand, schließlich musste das nicht zwangsläufig nachts stattfinden, wurde längst wieder Zeit. Das letzte Mal lag schon ein halbes Jahr zurück und sie vermisste Befriedigung, die sie sich nicht allein verschaffen musste. Allerdings waren diese One-Stands auch ein zweischneidiges Schwert. Dann konnte sie zwar ein lebensechtes Glied in sich spüren, statt eines Dildos, aber das bedeutete noch lange nicht, dass der Eigentümer des Freudenspenders auch zufriedenstellend damit umzugehen verstand. Oder wenigstens mit seinen Fingern, oder der Zunge. Keiner der beiden One-Stands war ihr besonders prickelnd in Erinnerung geblieben. Das Risiko ins Klo zu greifen, wenn sie sich einen Kerl gönnte, war unverhältnismäßig hoch.
Aber sie sehnte sich danach, warme männliche Haut zu streicheln, sich in Arme zu kuscheln und verführerisch geküsst zu werden. Am besten von einem starken Mann, dem ihr Vater nichts anhaben konnte. Bei dem sie sich geborgen fühlen durfte.
Okay, die Erfüllung der letzten beiden Sehnsüchte ging über einen One-Night-Stand hinaus. Doch das war, was sie sich wirklich wünschte. Das musste leider Träumerei bleiben. Aber wenigstens die drei ersten Positionen sollten ein Date beinhalten. Als Minimum. Genialer Sex, den sie noch lange in schöner Erinnerung behielt, wäre natürlich ein Sahnehäubchen auf so einem Date.
Wie mochte wohl Philip Hawks mit Frauen umgehen? Der Vermieter ihrer Büroräume. Er war groß, hatte breite muskulös wirkende Schultern, schmale Hüften, blondes Haar zu sonnengebräunter Haut und ein kantiges männliches Gesicht. Uff. Ein feuchter Frauentraum. Wenn sie ihm begegnete, bisher ausschließlich in der Eingangshalle seines Gebäudes, strahlte er etwas aus, das ihre Beine zum Zittern brachte und ihren Puls an den Rand der Kapitulation trieb. Wenn ihre Intuition sie nicht täuschte, bedeutete das, dass er ein Mann war, der ihr eindrucksvoll in Erinnerung bleiben könnte.
Andererseits sah er so unrealistisch gut aus, dass sie zwangsläufig nach einem Stöpsel Ausschau hielt, bei dessen Öffnen die Luft aus Hawks wich und ihn als aufblasbare Illusion entpuppte. Zumindest könnte sie ihn dann zusammenrollen, mit nach Hause nehmen und sich an ihm austoben.
Leider hatte dieser wandelnde Frauentraum bisher durch sie hindurchgesehen. Schon fast auf beleidigende Weise. Entsprach sie nicht seinem Typ oder war er schwul? Letzteres würde sie auch nicht wundern. Die meisten Kerle, die ihr gut gefielen, waren schwul.
Ach, verdammt. Wenn er weiterhin keine Reaktion auf sie zeigte und bevor sie sich mit einem Fehlgriff frustrierte, sollte sie vielleicht doch dem Tipp einer Bekannten in Hannover folgen und einen Callboy mieten. Tessa schwärmte in höchsten Tönen von einem Escort-Service, bei dem sie alles erleben konnte, was sich eine Frau in Sachen Sex wünschte. Aber dafür extra nach Hannover fahren?
Na ja, wenn sie hier an den Männern verzweifelte, konnte sie immer noch darauf zurückkommen. Dass sie für ihr Vergnügen dann eben bezahlen musste, war egal. Ihr Gehalt von Angus war pervers hoch, damit sie nicht wagte, in Sack und Asche herumzulaufen. Seine unmissverständliche Anweisung, die er ihr am Flughafen in New York mit auf den Weg gegeben hatte. Sonst würde er dafür sorgen, dass ihre Mutter in der Gosse landete. Arschloch, Arschloch, Arschloch!
Hmm. Tessa plante eine Party in einigen Wochen. Eine besondere Party, wie ihr Augenzwinkern verraten hatte. Eine von der ihr Mann nichts erfahren durfte und die jede teilnehmende Frau zweitausend Euro Eintritt kosten sollte. Zweitausend Euro Eintritt! Total dekadent. Als Begründung führte Tessa an: Wer bereit war, so viel zu zahlen, schwieg auch darüber, was auf der Feier geschah. Maske und Abendkleid waren noch Pflicht und als Eintrittskarte benötigte sie ein Gesundheitszeugnis, das nicht älter als eine Woche sein durfte. Na, wenn das alles nicht nach einer spektakulären Party klang. Leider erfuhr sie erst mehr, wenn sie dort auftauchte. Aber wenn ein Gesundheitszeugnis erforderlich war, deutete das doch irgendwie auf sexuelle Aktivitäten hin. Und, dass Tessa kaum über etwas anderes reden konnte wie Sex, auch.
Oskar kam der Sofakante bedenklich nahe. Damit er nicht herunterfiel, setzte sie ihn auf den Boden und schaltete den Fernseher an. Klasse! Eine Herzschmerzschnulze. Sie würde auch gern tiefgehenden Herzschmalz erleben, jetzt, mit einem Freund nackt hier auf der Couch. Sie switchte zu einem Doku-Sender um und zog sich die Decke über den Kopf. Solange Angus lebte, konnte sie sich verliebtes Sofakuscheln mit einem Mann abschminken.
2. Kapitel
Phil
Zugeknöpfte rosa Strickjacke über weißer, hochgeschlossener Bluse. Ein grauer Glockenrock, der bis Mitte der Waden reichte und braune Stiefeletten, die sie vermutlich für modisch hielt, aber ihre schönen Beine eher dürr wirken ließen. Kein Kleidungsstil, der darauf abzielte männliches Interesse zu wecken. Höchstens das von kleinbürgerlichen Spießern. Sie saß an der Bushaltestelle gegenüber, mit geschlossenen Knien und leicht gebeugtem Rücken zwischen einer Seniorin und zwei schrillen Teenagern.
Weitere Leute fanden sich an der Haltestelle ein und versperrten ihm die Sicht auf die spießige Maus. Seine unangebissene Pizzaecke fiel in den Papierkorb neben der Kaufhaustür. Essensreste zwischen den Zähnen waren jetzt kontraproduktiv. Er hatte die ideale Frau gefunden.
Vier dicht befahrene Fahrspuren trennten ihn von der verklemmten Süßen inmitten des Rudels aus selbstbewussten modischen Teenies und teilnahmslos vor sich hinstarrenden Ottonormalverbrauchern. Er drückte den Taster für die Fußgängerampel. Durch eine Lücke zwischen den Leuten konnte er erkennen, wie ihre unberingten Finger eine braune Laptoptasche auf ihrem Schoß umklammerten.
In der monoton dahinrollenden Blechlawine war noch kein Bus zu sehen. Es wäre ärgerlich, wenn die Maus wegfuhr, bevor er sie erreichte. Endlich wurde es Grün. Mitten in dem Strom aus loseilenden Menschen hielt er auf die Haltestelle zu und lehnte sich schließlich lässig an den dünnen Pfosten, der ihr am nächsten war. Diskret begutachtete er sie nun aus der Nähe. Sein erster Eindruck hatte ihn nicht getäuscht. Sie schien sich ihrer schlummernden Schönheit unter dem dick auftragenden Brillengestell und zu einem unvorteilhaften Pferdeschwanz gebundenen goldblonden Haar nicht bewusst zu sein. Im Gegenteil. Jede ihrer Regungen verriet, dass sie sich neben den modisch aufgemotzten und geschminkten Teenie Mädchen minderwertig fühlte. Sie sackte noch mehr in sich zusammen, als eine perfekt gestylte Blondine zu ihnen trat, die einem Modemagazin entsprungen sein könnte. In dieser Gruppe mit ihrem dunkelblauen Businesskostüm so auffällig wie er mit seinem grauen Maßanzug. Jedes männliche Augenpaar richtete sich auf sie.
Dieser schönen selbstbewussten Blondine lief er öfter über den Weg. Im Entree seines Bürohauses. Sandy Barlow. Für die Verwaltung ihres deutschen Kosmetikvertriebs hatte sie die gesamte dritte Etage gemietet. Aber wenn er sich nicht täuschte, arbeiteten sie nur zu zweit dort. Sie selbst und eine Angestellte. Wofür brauchte sie eine ganze Etage? Aber das sollte ihm egal sein. Den Vertrag hatte ihr Anwalt mit ihm abgeschlossen und sie zahlte pünktlich die Miete.
Miss Barlow war eine Augenweide, aber sie wusste sich bereits perfekt in Szene zu setzen und zweifellos auch, wie sie auf Männer wirkte, wie sie von ihnen alles bekam, was sie wollte.
Ein ungewohnter Anblick, sie, an einer Bushaltestelle. Sonst rauschte sie mit einem schwarzen AMG durch die Stadt. Und der Strauß Wiesenblumen in ihrer Hand passte auch nicht zu ihr. Entweder hatte sie das Unkraut vor Langweile im nahe gelegenen Park ausgerissen, dort blieben einige Flächen naturbelassen, oder ein armer Trottel hatte mit dem Kraut versucht, bei ihr zu landen.
Sie grüßte ihn mit einem kurzen Nicken und ein Aufleuchten in ihren Augen verriet, wie stets bei ihren flüchtigen Begegnungen, dass er präzise in ihr Beuteschema passte.
Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die biedere schüchterne Maus. Diese war, was er wollte. Wellen der Vorfreude rieselten schon durch seinen Körper. Allein die Vorstellung, wie sie durch und unter ihm erblühte, ihre Möglichkeiten und unbekannte Freuden entdeckte, ließ ihn hart werden.
Zischend öffnete sich die Tür eines Linienbusses. Übereifrig und mit einschmeichelndem Lächeln gewährten die Männer der Businessblondine Vortritt. Übersahen das wirkliche Juwel unter den anwesenden Frauen. Das Mäuschen ließ sich bis ans Ende der siebzehn Köpfe zählenden Schlange zurückdrängen. Fragend und voller Unsicherheit sah sie zu ihm, die Laptoptasche wie einen rettenden Anker an ihre Brust gepresst. Offensichtlich rechnete sie damit, dass er sie auch einfach übersah. Mit einer einladenden Geste forderte er sie auf, vor ihm einzusteigen. Ihre Wangen nahmen eine zauberhafte Rötung an.
Dicht hinter ihr bestieg er den Bus und atmete den Hauch ihres Parfüms ein. Nein, kein Parfüm. Nur der Magnolienduft eines Duschgels. Das unschuldig Blumige passte zu ihr. Jetzt noch. Bestimmt war eine Katze die einzige Gesellschaft, mit der sie zusammenlebte. Der sie bisher all ihre Geheimnisse und Sehnsüchte anvertraut hatte und mit der sie beim Fernsehen über Männer seufzte, die sie jetzt noch glaubte, nicht haben zu können. Die Katze schloss er nicht nur daraus, dass diese Frau dem Klischee dafür entsprach. Seine Vermutung fand Bestätigung in dem hellen Haar, das an ihrer Strickjacke hing und obwohl er sich damit nicht auskannte, ordnete er das nicht einem Hund zu.
Sie fand einen Sitzplatz mittig des Busses. Er wählte einen Stehplatz im hinteren Abschnitt, wo er alles im Blick hatte. Nach geschätzten zehn Minuten hielt der Bus auch vor seinem Bürogebäude. Die Businessblondine war schon fast draußen, als sie über ihre Schulter zu ihm sah und eine Augenbraue fragend wölbte. Vermutlich, weil er sich nicht rührte. Vielleicht hatte sie gehofft, sie erhielte Gelegenheit, ihn mit ihren perfekten Attributen zu bezirzen. Das konnte sie sich abschminken. Sie verkörperte den selbstverliebten Typ Frau, den er nur anfasste, wenn sie ihn bezahlten.
Langsam rollte ihr Gefährt weiter durch den zähflüssigen Verkehr. Bei der Stadtbibliothek stieg die schüchterne Maus aus. Er folgte ihr mit großem Abstand, beobachtete, wie eine Tür hinter ihr zufiel. Wann war er das letzte Mal in einer Bibliothek gewesen? Tatsächlich noch nie. Seine Leseleidenschaft begrenzte sich auf Tageszeitung, E-Mails und Geschäftsunterlagen. Trotzdem standen in seinem Regal einundzwanzig Bücher. Die hatte er allerdings nur wegen der schönen antiken Einbände gekauft, die gut als Dekoration in sein privates Büro passten. Und sie rochen angenehm. Nach altem Leder und ebenso altem Papier. Worum es im Inhalt ging, hatte ihn nie interessiert. Er könnte nicht mal die Titel nennen.
Der Duft im Inneren der Bibliothek erinnerte ihn sogleich an seine Bücher. Das war aber auch das Einzige, was ihm hier gefiel. Irgendwie hatte er erwartet, eine beeindruckende, verschnörkelte Halle mit deckenhohen Bücherregalen zu betreten, wie er sie auf Bildern im Internet gesehen hatte. Leider war hier alles sehr nüchtern und modern gehalten. Schummrige Winkel würde er hier wohl vergebens suchen.
Rechts von ihm stieg die rosafarbene Strickjacke die Treppe zur nächsten Etage hinauf. In einem Spiegel zu seiner Linken überprüfte er noch einmal den Sitz seiner Haare und seines Anzuges. Der kurze Bart hatte ihm gutgestanden, doch glattrasiert fühlte er sich wohler. Das war wesentlich hygienischer. Beweise überquellender Leidenschaft ließen sich rückstandsloser abwischen. Vielleicht sollte er die Haare auch wieder kürzen lassen. Es gefiel ihm nicht mehr, wie sie eine Handbreit über dem Kragen hingen und auch sonst immer schwerer zu bändigen waren.
In dem Spiegel beobachtete er, wie sein biederes Mäuschen in der oberen Etage gleich rechts zwischen Bücherregalen verschwand. Auf geht’s, rosa Strickjäckchen. Deine Reaktionen werden bestimmt unterhaltsam sein.
Ohne Eile stieg er die Treppe hoch und bog zwischen denselben Regalreihen ein. Ziemlich am Ende davon stand sie, zog ein Buch heraus und ging damit zu einem Tisch mit vier Stühlen und Leselampe. Er sah sich die Einordnung an, aus der sie das Buch gezogen hatte. Sachbücher über Verhaltensanalytik. Umpf. Verhalten ließ sich am besten learning by doing studieren.
Ihm stand nicht der Sinn danach, Zeit mit der Suche nach dem, was er haben wollte, zu verschwenden. Im Parterre peilte er die Bibliothekarin hinter ihrem Tresen an, raunte ihr zu, wonach er suchte und bekam mit einem schelmischen Grinsen eine detaillierte Beschreibung, wo er fand, was er begehrte. Am besagten Ort wählte er zwei Bücher aus. Blätterte sie flüchtig auf dem Weg zur rosa Strickjacke durch und machte in jedem Band an einer passenden Stelle dicke Eselsohren, bevor er sie wieder schloss. Hinter dem Stuhl neben seinem Mäuschen blieb er stehen.
„Darf ich mich zu Ihnen setzen? Ich lese nicht gern allein.“
Ihr Kopf schnellte zu ihm herum und ihre Lippen öffneten sich zu einem lautlosen ‚Oh‘. Eine perfekte samtige Blüte, die vermutlich noch nie dickeres lebendes Fleisch umschlossen hatte, als einen Finger. Das Blut begann in seinem Unterleib zu pulsieren.
Sie schluckte lautstark. „Ich … ich … es gibt doch so viele andere Plä… .“ Nicht sonderlich diskret kniff sie sich in den Arm. „Natürlich dürfen Sie sich setzen.“
„Dankeschön.“ Er tat, als bemerke er ihre Verlegenheit nicht, nahm neben ihr Platz, legte die Auswahl seiner Bücher vor sich auf die Tischplatte und verdeckte wie zufällig mit dem Arm den Titel des obersten.
„Hat meine hübsche Lesegesellschaft auch einen Namen, bei dem ich sie nennen kann, wenn ich ihre Hilfe brauche?“
„He … helfen? Y … Yvonne.“
Das war mit Sicherheit keine Sprachstörung. Seine Präsenz brachte sie aus der Fassung. Bei vielen Frauen hatte er diesen Effekt schon erlebt.
„Yvonne, reizend, Sie kennenzulernen.“
Er schlug seine Bücher nebeneinander beim Vorwort auf und registrierte jede von Yvonnes Regungen. Wie sie ihn aus dem Augenwinkel musterte, den Duft seines Aftershaves aufnahm und vergeblich versuchte, sich auf ihre Publikation zu konzentrieren. Er bezweifelte, dass sie sonst einen zitternden Finger benötigte, um nicht in der Zeile zu verrutschen. Innerlich schmunzelte er über ihre Verwirrung, die allein seine Nähe auslöste. Ein bezaubernder, vergänglicher Zustand.
Fünf Minuten ließ er ihr, um sich zu sammeln. Fünf Minuten, in denen sie nicht eine einzige Seite weiterkam. Zeit für den nächsten Schritt. Er schlug seine Bücher bei den Eselsohren auf. Ein leises Quieken drang aus Yvonnes Kehle.
Auf der ihr nächstgelegenen Buchseite nahm das Bild eines nackten männlichen Unterleibs zweidrittel des Platzes ein. Ihr Blick huschte zu seinem zweiten Buch, das bei dem Foto eines kopulierenden Paares aufgeschlagen war. Die Perspektive zeigte einen halb in eine Pussy eingedrungenen Schwanz. Das Atmen von Yvonne hörte sich gehetzt an.
Sie räusperte sich. „Ha … haben Sie die Eselsohren in die Seiten gemacht?“
War das etwa das Einzige, was sie irritierte?
„So respektlos würde ich nie mit Büchern umgehen. Anscheinend hat sich an diesen Stellen schon jemand anderes weitergebildet. Tut mir leid, dass ich Sie mit dem Anblick dieser Buchverstümmelung schockiere.“
„Das … das ist es nicht. Nicht nur. Würde es Ihnen etwas ausmachen, weiterzublättern?“
„Ich habe doch noch gar nicht gelesen, was auf diesen Seiten steht.“ Gespielt verblüfft sah er sie an.
„Dann tun Sie es schnell, bitte“, gab sie mit belegter, piepsiger Stimme von sich. „Es sind ja nur zwei Zeilen.“
Phil grinste in sich hinein und freute sich auf ihre nächste Reaktion. Als könne er nur schwerfällig lesen, fuhr er den Satz Wort für Wort mit dem Finger entlang und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Yvonnes Blick kaum von dem männlichen Geschlechtsteil wich. Dann blätterte er bei beiden Büchern eine Seite weiter.
Ein verkrampftes Schlucken samt Keuchen drang an sein Ohr. Das zuvor noch schlaffe Glied zeigte sich nun in voller Erregung und deutete wie ein Pfeil auf Yvonne. Bei dem anderen Buch über erotische Varianten schlossen sich die Lippen der Frau um eine Gliedspitze. Seine kleine Maus wirkte, als würde sie gleich aufspringen und die Flucht ergreifen.
Er legte eine Hand auf sein Herz und mimte Reue. „Oh, Verzeihung. Wie gedankenlos von mir. Womöglich haben Sie noch nie mit einem Mann geschlafen und sind mit männlicher Anatomie nicht vertraut?“
Trotz funkelte in ihren Augen auf. „Natürlich habe ich schon mit einem Mann geschlafen!“
Hmm, dann brauchte er zum Glück später nicht mehr ganz so zaghaft mit ihr umgehen.
„Aber?“
„Wieso aber?“
„In Ihrer Feststellung hat ein ‚Aber‘ mitgeklungen“, ging er sanft, wie ein Doktor Sommer für taktvolle Sexualberatung, auf sie ein.
Sein Ton zeigte die gewünschte Wirkung. Die Schleuse zu ihren Geheimnissen öffnete sich.
„Aber … es war ziemlich dunkel … und wir waren von einer Bettdecke bedeckt, als er sich und mich von der Unterwäsche befreite.“
Im Dunkeln, unter einer Bettdecke! Die schlimmste Form von langweiligem Sex!
Sie deutete mit roten Wangen auf seine Bücher. „Warum sehen Sie sich das überhaupt an?“
„Ich bilde mich gern weiter und hoffe, hier drin etwas zu finden, was ich noch nicht weiß.“
Er drehte sich ihr ganz zu, stütze seinen linken Ellenbogen auf den Büchern ab und agierte als freundlicher Kummerkasten. „Haben Sie mehrmals mit dem einen oder weiteren Männern geschlafen?“
Verlegen rieb sie über ihren Oberarm. „Nein.“
Hervorragend. „Warum nicht?“
„Ich … ich tauge nicht für … für Sex.“
Genau die Selbstzweifel, die sie für ihn so interessant machten. „Wieso glauben Sie das?“
„Er sagte …“, ihre Unterlippe begann zu zittern. „Er sagte, ich läge da wie ein Brett und wäre das Deprimierendste, was ein Mann erleben kann.“
Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne, vermutlich um das Zittern zu beherrschen, und sah auf ihre ineinander verkrampften Finger hinunter. Was für ein Arschloch hatte sie sich denn da für ihr erstes und einziges Mal geangelt? Sanft strich er ihr am Wangenknochen entlang und fing eine Träne ab, bevor sie ihre Lippen erreichte.
„Wie lange hatte der intime Akt mit dem Kerl denn gedauert, kleine Schönheit?“
Verblüfft riss sie die Augen auf. „Ich bin nicht schön! Es ist nett, dass Sie das sagen, aber Sie brauchen mich nicht anzulügen, um mich zu trösten! Der Akt kam mir ziemlich kurz vor, aber vielleicht ist das ja immer so? Als wir meine Wohnung betraten, war es zehn vor elf. Um zwei nach elf zog er sich an und ging.“
Der Typ musste ein wahrer Egoist gewesen sein und hatte ihr die Schuld für seine Unzulänglichkeit in die Schuhe geschoben.
„Sind Sie bereit, Ihre Schönheit zu entdecken? Und wie begehrenswert Sie tatsächlich sind?“
Sie schnaubte. „Wie soll das denn gehen? Sie sind doch kein Zauberer, der aus einer langweiligen Ente einen aufregenden Schwan, so wie diese Kostümtussi an der Haltestelle, machen kann!“
„Das benötigt keinen Zauber. Sie sind ein aufregender Schwan, der sich nur unter den Federn eines bezaubernden Entleins versteckt.“
Er stand auf und hielt ihr seine Hand hin. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen, was Sie verbergen.“
Verkrampft blieb sie sitzen. „Ich kenne ja nicht mal Ihren Namen.“
„Philip Hawks. Ich handele mit Immobilien in dieser hübschen Stadt und würde mich freuen, wenn Sie mich Phil nennen.“
Auf ihren Zügen spiegelte sich ihre Zerrissenheit wider. Der Wunsch, herauszufinden was aus ihr zu machen war und die Sorge, mit ihm zu gehen, obwohl sie sich keine zwanzig Minuten kannten. Die Neugier überwog. Sie ergriff seine Hand.
Fünfzehn Minuten später hielt ihr Taxi vor seinem geschätzten Styling Salon. Phil führte sie hinein. Mariano, der Inhaber und über die Jahre zu einem guten Freund mutierte Stylist, sah ihnen erst verblüfft entgegen, dann verdrehte er theatralisch die Augen.
„Das volle Programm, Mariano.“
„Habe ich mir schon gedacht“, näselte sein Freund affektiert. Zur Begrüßung umarmte er Phil kurz und zischte ihm dabei ins Ohr: „Ich möchte einmal erleben, dass du für so etwas erst einen Termin vereinbarst.“
„Diese Situationen ergeben sich nach wie vor spontan, mein Lieber. Hast du meine Lieblingskleider und Accessoires nachbestellt?“
„Wie könnte ich wagen, keinen Vorrat bereit zu halten“, säuselte Mariano in seiner besten Schwulenmanier.
Mariano war ein Genie in Sachen Frisuren und Make-up. Sein Styling rückte alle Vorzüge der jeweiligen Frau ins richtige Licht. Nur eine Stunde später war Yvonne kaum noch wiederzuerkennen. Das blonde Haar war luftig aufgesteckt, dünne lockige Strähnen umspielten ihr Gesicht und das Make-up ließ sie wirken, wie ein wunderschönes Porzellanpüppchen. Es brachte ihre blassblauen Augen zum Strahlen wie Sterne und verwandelte ihre Lippen in feucht glänzende rote Rosenblätter.
Fassungslos starrte sie in den Spiegel des Hinterzimmers, wo Mariano ihr das Make-up aufgelegt und sie in ein Kleid samt passenden Schuhen gesteckt hatte. Die Wartezeit war Phil gelegen gekommen, um seine Haare kürzen zu lassen. Jetzt sah er vom Türrahmen zu, wie sie sich im Spiegel bewunderte und andächtig über den weißen Seidenjersey des Abendkleides strich. Ihre Haltung auf den weißen High Heels verriet, dass sie bisher keine getragen hatte, aber auch diese Unsicherheit würde bald vergeben.
„Gefällt Dir, was Du siehst, Yvonne?“, hakte er mit seinem bewährten verführerischen Raunen nach.
„Es ist unglaublich … es ist, als sähe ich eine Fremde vor mir.“
„Keine Fremde. Du hast den aufregenden Schwan in dir ans Licht gelassen.“
Ihre Hände glitten über ihre vollen Brüste. Die Nippel zeichneten sich durch den Stoff ab, schienen fast hindurch. Seine Mitte begrüßte das mit raschem Anschwellen.
„Es … es ist etwas zu dünn und durchsichtig.“
Der fließende Seidenjersey gab jede ihrer Formen preis. Sie hatte einen flachen Bauch, einen knackigen Birnen-Po und eine natürliche Wespentaille. Ihre Brüste waren nicht sonderlich voluminös, wirkten aber rund und fest. Er trat hinter sie und Mariano verdrückte sich mit einem Grinsen nach vorne, zu seinem Frisierteam.
„Das Kleid ist genau richtig für einen aufregenden Abend, an dem du entdecken kannst, was deine Sehnsüchte stillt. Moment, ich zupfe es noch etwas zurecht.“
Im Spiegel konnte er beobachten, wie verlegen sie das machte, aber ihr auch gefiel. Sanft kratzte er mit den Fingernägeln über ihre unteren Rundungen und wie nicht anders erwartet, öffneten sich ihre Schenkel in der jetzt vielleicht noch unbewussten Hoffnung auf mehr. Seine Finger glitten um ihre Hüfte, zu ihrem Bauch. Er zog ein bisschen an dem Stoff, als würde er tatsächlich den Sitz korrigieren, und setzte das bis zu ihrem Ausschnitt fort. Wie zufällig streiften seine Finger ihre Brustknospen.
Yvonne machte einen tiefen vibrierenden Atemzug, entzog sich ihm jedoch nicht. Nächste Phase. Unmissverständlich umkreiste er ihre Nippel, streichelte und zwirbelte sie sanft, bis sie hart aufgerichtet waren. Leise keuchend lehnte sich Yvonne an ihn.
„Hast du diese Empfindungen auch bei deinem kurzen Stelldichein gespürt?“
„Nein“, seufzte sie.
„War dir genug, was du in der Dunkelheit, unter der Decke erlebt hast?“
„Ich … ich weiß ja nicht, ob es für Frauen nicht immer so ist.“
„Hattest du einen Höhepunkt? Ein Gefühl, das du gern noch einmal spüren würdest?“
„Nein.“
Das hätte ihn bei der Beschreibung ihres intimen Treffens auch gewundert. Er ertastete den seitlichen Schlitz des Kleides an ihrem Oberschenkel. Fuhr unter den Stoff und direkt zu ihrer Scham. Der simple Baumwollschlüpfer in Form eines Bikinihöschens hatte sich schon durch das Kleid abgezeichnet und überraschte ihn nicht. Herausfordernd rieb er den Stoff über ihre Klit und durch ihre Pforte. Mit der anderen Hand zwirbelte er ihre Nippel immer fester. Yvonne stöhnte hingerissen, ihre Finger krallten sich in den Saum seines Jacketts.
„Sieh dich an, schöner Schwan“, raunte er in ihr Haar. „Öffne die Augen und sieh dir an, wie eine Schönheit zu vollem Leben erblüht. Ein Leben ohne Selbstzweifel.“
Mit glasigem Blick starrte sie in den Spiegel, während er sie weiter stimulierte. Vorne im Ladenbereich wurde die Musik lauter gedreht. An ihrer Po-Spalte rieb er seine harte Mitte, damit ihr bewusst wurde, wie ein Mann auf sie reagierte. Und ihr Hinterteil erwiderte die Berührung hektisch, wollte ihn in sich haben. War sie sich dem bewusst? Nein. Ihr Blick war noch voller Staunen, ohne Verführung.
Er nahm eine Schere vom Schminktisch und durchtrennte ihren Slip an der Hüfte. Haltlos rutschte das hässliche Teil bis zu ihrem Knöchel hinab. Endlich hatten seine Finger freie Bahn und stießen in sie. Yvonne stöhnte abgehackt auf, wiegte ihr Becken in seinem Rhythmus.
„Ich will, dass du dir etwas ansiehst, Schwänchen“, raunte er in ihr Ohr, entzog ihr seine Finger und drehte sie um. „Aber vorher, möchte ich deine Brüste schmecken.“
Er streifte den Stoff von einer Brust und schloss seine Lippen um ihren Nippel, dann saugte er kräftig daran.
Sie quiekte heiser auf, griff in sein Haar und mit der anderen Hand tastete sie
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 16.08.2020
ISBN: 978-3-7487-5372-8
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
„Brenne mit mir und lass uns gemeinsam aus den Flammen aufsteigen.“
Als ’Thor‘ ist er beim Escort - Service der Mann für härtere Spiele. Privat jagt Phil gern spießige Frauen, um ihnen ihr wahres Ego zu zeigen. In allem geprägt, von den Schatten seiner Vergangenheit. Seine Mieterin Sandra ist der pure Gegensatz seines Beuteschemas, gleicht dem Ursprung seines Übels wie eine Kopie. Warum weckt ausgerechnet sie ungewohnte Regungen in ihm?
Mehr als One-Night-Stands kann Sandy sich leider nicht erlauben. Ihr Vater zerstört alles, woran sie ihr Herz hängt. Bei Phils Anblick kommt ihre Libido besonders in Schwung. Ein Typ für feuchte Frauenträume und verliebtes Herzflattern. Letzteres muss sie zu seinem Schutz ignorieren, aber mit ihm schlafen würde sie gern einmal. Den Wunsch verdrängt sie lieber, nach einem Besuch in seinem Penthouse. Doch das ist gar nicht so einfach, wenn Körper und Herz in seiner Nähe verrückt spielen.