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Ein unerwartetes Treffen




London, 19. November 1889
Ich wachte von einem scheppernden Geräusch auf. Ich richtete mich auf und erblickte sofort Hattie, die Dienerin meiner Tante Lady Hallday. "Was machst du hier schon so früh?",fragte ich sie. Sie wurde etwas rot und murmelte eine Entschuldigung, während sie hastig die Tür öffnete und verschwand. Ich seufzte. Diese Dienerinnen waren doch immer so ängstlich! Wenigstens hat sie meine Waschschüssel mit warmem Wasser gefüllt, dachte ich, während ich mir mein Gesicht wusch. Danach zog ich mir ein hellblaues Kleid an. Normalerweise musste mir eine der Dienerinnen beim Ankleiden helfen, aber es war ja keine da. Kaum hatte ich das Kleid angezogen, da rauschte auch schon Lady Hallday in mein Zimmer. "Guten Morgen, liebes Kind!", sagte sie munter wie immer. "Guten Morgen, Tante", grüßte ich sie zurück. Ich hatte es eigentlich ziemlich gut bei meiner Tante und deren Tochter Wendy. Ich hatte ein prachtvolles Zimmer und meine Tante kaufte mir andauernd Kleider, obwohl ich doch nicht so viele brauchte. Auch Wendy war mir gegenüber stets freundlich, nur war sie etwas eifersüchtig auf mich, da ihre Mutter mir genauso viel Aufmerksamkeit schenkte wie ihr. Wenn Lady Hallday so früh am Morgen wach war, hatte das etwas zu bedeuten. "Aleese, Schätzchen, du hast doch hoffentlich nicht die Einladung von Lord Westerfield zum heutigen Tee vergessen, oder?", fragte Lady Hallday zuckersüß. Wie immer versuchte sie so, mich aufzuheitern. Nur leider misslang ihr das. Wieder ein Tee bei Lord Soundso! Langsam hatte ich es satt, dass meine Tante versuchte, mich mit einem der Männer der höheren Gesellschaft zu verheiraten und selber damit in eine noch höhere Gesellschaft zu steigen. Ja, natürlich war meine Tante nett, doch sie dachte wie alle am Ende doch nur an sich selbst. Ich hörte auf, so viel nachzudenken, und ging mit meiner Tante runter in den Salon, wo auch schon Wendy mit dem Frühstück wartete. Wir begrüßten uns gegenseitig und fingen dann mit dem üppigen Frühstück an. Wendy schwärmte währenddessen über die kommende 'wunderbare Teeparty'. Wahrscheinlich würde sie wieder die Augen von keinem Mann lassen können. Wendy war eine Schönheit mit ihren dunklen Haaren und den grünen Augen, die so Manchem den Kopf verdrehen konnten. Lady Hallday war ebenfalls eine schöne Blüte gewesen, so sagte man sich. Jetzt jedenfalls war diese Blüte am welken. ICH war jedenfalls keine Schönheit mit meinen ungebändigten, rot-blonden Locken und meinen trüben, wasserblauen Augen. Das Gespräch über die Teeparty und meine eigenen Gedanken waren mir schließlich zu viel und ich ging in den 1.Stock, wo mein Zimmer lag.
Schon zwei Stunden später erschien Hattie an der Zimmertür und sagte leise:"Lady Hallday hat mir aufgetragen, Ihnen beim Ankleiden zu helfen." "Gut", sagte ich, obwohl ich es nicht so meinte. Also wurde ich wieder angekleidet, diesmal in weiße Seide. Ich wunderte mich, warum wir eigentlich so früh zu dem Tee gingen. Normalerweise war die Teezeit von vier bis halb sechs Uhr nachmittags. Als ich die Treppe hinunterstieg, erwarteten mich schon Wendy und meine Tante. Diese schimpfte gerade mit einem Diener wegen irgendetwas. Plötzlich drehte sie sich um und sagte: "Da bist du ja endlich, Liebes!" Ich hätte die Augen verdreht, wenn das nicht unglaublich unhöflich gewesen wäre. "Tante, warum brechen wir schon so früh auf?" "Aber, aber, Aleese! Es ist nicht nur ein Tee! Wir sind schon viel zu spät!",rief meine Tante ungeduldig und wedelte mit der Hand. Jetzt meldete sich auch Wendy zu Wort:"Aleese, mach schneller! Der Tee bei Lord Westerfield ist sehr wichtig!" "Aber ihr habt mir doch nichts gesagt!", protestierte ich, folgte aber den Beiden schnell zu der Kutsche vor dem großen Haus.

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei mir- einschließlich die des Covers (Big Ben)
Tag der Veröffentlichung: 13.11.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch allen, die -wie ich- England lieben

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