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So sehr interessiert mich das

 

Einmal tief einatmend, sitze ich an meinem neuen Schreibtisch, in meinem neuen Büro und atme die neuen Düfte ein, welche um mich herum in der Luft liegen.

Weswegen ich auch etwa einen Moment später einen unglaublichen Hustanfall bekomme und ein Fenster öffne. „Oh mein Gott, was für ein Mief…“

Man merkt, dass die Räumlichkeiten noch nicht wirklich fertig umgebaut wurden. Aber es reicht allemal – solange man darauf achtet, dass das Fenster immer lange genug offen steht.

Ich sollte vielleicht dafür sorgen, dass hier mal ein Klempner nach dem Rechten sieht… wenn ich das Geld dafür erübrigen kann.

Dennoch setze ich mich erst einmal in den Sessel. Ab heute gehört er offiziell mir. Nachdem der Mann, dem er gehört hat, elendig verreckt ist – Gott hab ihn selig – und ihn mir somit ebenfalls hinterlassen hat.

Ja, ja… gegen manche Tode kann ich wirklich nichts tun, auch wenn ich sie kommen sehe. Umso schöner wenn man sein Wissen nutzen kann, nicht wahr?

Gerade als ich mir noch überlege, wie ich wohl am besten das Schild für meine neue Detektei anbringe und wie es aussehen soll, klopft es an der Tür. „Herein!“, rufe ich, da ich mir denken kann, wer es sein wird.

„Hey“, ruft meine beste Freundin zurück, mit Unmengen an Tüten und Taschen bepackt, aus irgendwelchen teuren Boutiquen, während sie mit dem Türgriff kämpft, mich aber dennoch anlächelt. „Und, wie gefällt dir dein neues… Büro?“

Irgendwie wirkt sie etwas irritiert, als sie sich endlich aufrecht hinstellt und den Raum begutachtet.

„Was?“, frage ich sie. „Ich hab jetzt nicht so viel Zeit für dich, Lenny, also mach’s bitte kurz.“

„Logisch…“, kommt es nur von ihr. „So kurz wie meine Freude, was? Ich wusste doch, hier war mal was anderes drin…“ Ihr Blick wirkt skeptisch.

„Milena… das ist für gewöhnlich fast immer der Fall, wenn man in der Stadt nach einer Immobilie sucht. Die bauen nicht ständig neu – sie bauen lediglich aus. Oder ziehen um.“

„ich weiß!“, entgegnet sie jedoch nur. „Nur ziehen die meisten Leute, welche ein Büro suchen, auch tatsächlich in ein Büro.“

Ich verdrehe etwas genervt die Augen. „Das ist doch… fast ein Büro.“

Als ich jedoch aufstehe um an das Waschbecken zu gehen, welches sich an der Seite des Raumes befindet, sehe ich ihre Nasenflügel zucken. „Jap, sicher. Bis auf diesen Geruch, den du vermutlich nie wieder hier herausbekommen wirst, es sei denn du reißt es nieder und baust es neu – denn schließlich war das hier eine öffentliche Toilette, du Hirni!“

„Na und?! Wen interessiert’s?“, meine ich nur, als ich mir die Hände wasche. „So kann ich es jetzt zumindest Toiro taufen.“

Damit wirkt sie nun eher überfordert und zieht fragend eine Augenbraue nach oben. „‚Toiro‘?“

Der Blick den ich ihr nun zuwerfe, soll ihr sagen wie offensichtlich das eigentlich sein sollte – manchmal frage ich mich, ob wir uns wirklich schon seit über zehn Jahren kennen. „Na, ‚Toiletten-Büro‘, was sonst?“

„Ah… klar, was auch sonst.“ Abschätzig sieht sie sich in meinem Toiro um. „Und wann gedenkst du, die Renovierung vorzunehmen?“

„Hm… weiß noch nicht. Muss erst ein bisschen Geld auf die hohe Kante legen – bin ja schon froh, dass ich das hier so günstig erstehen konnte.“

Dazu sehe ich sie verstehend nicken, zucke jedoch etwas ertappt zusammen, als sie ihre nächste Frage stellt. „Verständlich. Ich frage mich ja ohnehin, wie du es geschafft hast, den Kaufvertrag unterzeichnet in der Hand zu haben, direkt bevor der alte Mann einen Herzinfarkt erlitten hat?“ Sie verschränkt die Arme vor der Brust – ihre Einkäufe stehen nun auf dem Boden neben ihr – und sieht mich erwartungsvoll an. „Hast du da nicht etwas zu beichten?“

Doch ich verdrehe nur erneut die Augen. „Okay, schön, ich hab’s gewusst. Aber ich hätte ihm nicht helfen können, das wusste ich – also hab ich mir eben selbst geholfen, ist doch kein Verbrechen…“

„Ach, nein?“, entgegnet sie empört.

Allerdings kann ich sie da nur anstarren. „Sicher hätte ich ihm auch sagen können, dass er bald stirbt und mir die Papiere unterzeichnen soll, aber dann hätte er höchstens noch sein Testament unterzeichnet, nachdem er es hätte ändern lassen, sodass ich niemals sein Toiro bekomme.“

„Wer will so ein Ding überhaupt?!“, platzt sie nun heraus. „Hier ist jemand drin verstorben – wenn du gewartet hättest, hättest du das Loch in der Wand vermutlich noch billiger bekommen!“

Blinzelnd sehe ich von ihr zu meinem Schreibtisch. „Kein Grund ausfallend zu werden…“

Einige Momente später, kann ich sie seufzen hören. „Was ist nur los mit dir… naja, egal, ich werd‘ dann erstmal flüchten – wir sehen uns sowieso morgen“, sagt sie noch und packt dann ihren Kram, ehe sie durch die Tür verschwindet. Bevor diese allerdings ins Schloss fallen kann, steckt sie ihren Kopf noch mal zu mir herein. „Und viel Spaß noch mit deinem Mief-Loch!“

Na, vielen Dank auch. Beruhigend streichle ich die alarmierend feuchte Wand neben mir. „Keine Sorge Toiro, sie hat’s nicht so gemeint – sie ist immer so fies. Das kommt, weil sie keinen Kerl hat – manchmal reicht einkaufen zum Kompensieren nicht mehr aus.“

Warum ist sie eigentlich noch immer meine beste Freundin? Ach ja… sie kennt mich und ist dennoch meine beste Freundin.

Aber sie hat ja wirklich Recht. Es war ein öffentliches Klo, bis jemand eher schlecht als recht versucht hat, sich daraus ein Büro zu zimmern. Ehe er fertig war, ist er dann hier drin verstorben.

Traurig ist eigentlich nur…

 

Dass es mich gar nicht interessiert.

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Tag der Veröffentlichung: 15.07.2015

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