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 ~~~ Der Abschied des Zwerges ~~~



Stille.
Einsamkeit.

Nichts störte. Kein Hauch des eisigen Windes blies um die schroffen Felsen des Rabenberges und kein Kampfesgeschrei drang zu ihnen hinauf. Sie waren allein, er und der Elb - tot.

Der Elb war tot!

Entkräftet und vor Fassungslosigkeit wie gelähmt, sackte der Zwerg vor dem Silberhaarigen auf die Knie. Mit gesenktem Kopf und leerem Blick starrte er auf den geschundenen Leib. Der schlanke Körper trug seine Wunden. Wunden, an denen der Krieger selbst hätte sterben sollen, doch er lebte. Er lebte, weil dieser sture Elb wieder einmal das getan hatte, was nur er wollte. Wie damals, als er sich abwendete und das Volk Durins im Stich ließ. Wie noch vor kurzer Zeit, als er die Gemeinschaft der Zwerge in seinen Kerkern festhielt, obwohl ihm die Dringlichkeit der Unternehmung bekannt war…

...und jetzt wieder. Er hatte dem Schwarzhaarigen das Leben gerettet, ohne diesen vorher gefragt zu haben, ob er das wollte.

“Du verdammter sturer…”, knurrte der Zwerg mit belegter Stimme auf, bis diese brach, und ballte die Hände zu Fäusten. Langsam glitt sein Blick hinauf in das bleiche Gesicht des Fürsten, welcher mit dem Rücken an den Stein gelehnt dasaß, als wolle er nur eine Rast einlegen. Kein Wimpernschlag störte mehr seinen Blick und das Funkeln der Sterne war aus diesen eisblauen Augen gewichen. Das getrocknete Blut seiner Opfer, welches Haut und Haare während des Kampfes getroffen hatte, konnte dem Antlitz nichts von seiner Schönheit rauben.

Der Krieger schluckte hart. Fast scheu hob er seine Hand, berührte sacht die Wange des Elbs und zärtlich strich er mit den Fingerspitzen darüber. Noch barg der Silberhaarige Wärme in sich und seine Haut fühlte sich seidig an. Nur die Farbe seiner Lippen verriet bereits, das der Quell seines Lebens versiegt war.

Der Schwarzhaarige keuchte geräuschvoll auf, wurde ihm doch bewusst, dass er eben die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Nie zuvor hatte er zu hoffen gewagt, diesen Mann jemals in seinem Leben zu berühren. Er erinnerte sich an den Kuss, den dieser ihm schenkte, als er sein Leben für das des Zwerges gab. Warm und weich - mehr als nur freundschaftlich hatte es sich angefühlt.

Tief in seinem Inneren spürte der Krieger diesen Knoten, welcher geschnürt war aus Wut und Verzweiflung, aus tiefer Trauer und unendlicher Liebe. Er wurde größer, breitete sich mit Macht in ihm aus und schien bersten zu wollen in der schmerzenden Enge seiner Brust.
Gequält sank der Schwarzhaarige in sich zusammen und beugte sich nach vorn, bis seine Stirn an des Elbs schweigendem Herzen ruhte. Heiße Tränen suchten sich ihren Weg durch geschlossene Augen. Breite starke Schultern bebten unter dem Leid, welches sich seinen Weg nach draußen bahnte.

“Du bist noch hier”, hauchte der Zwerg zitternd. “Ich kann dich spüren.”

‘Ja, noch bin ich bei dir’, klang die Stimme des Silberhaarigen beruhigend in seinem Kopf.

“Du darfst nicht gehen. Nicht jetzt”, schüttelte der Zwergenmann den Kopf, ohne die Verbindung zu dem Elb zu lösen.

‘Es war meine Entscheidung. Du sollst leben. Führe dein Volk in eine friedliche Zukunft und sei meinem Sohn ein besserer Verbündeter, als ich es dir jemals war.’

Ein Vibrieren erfüllte die Luft, leicht und kaum spürbar. Kribbelnd strich die Wärme über des Kriegers Haut gleich einem zarten Streicheln, umhüllte ihn und fuhr über seinen Nacken.
Erschauernd unter diesen Eindrücken sah der Mann auf und direkt in die toten Augen des Fürsten. Verzweifelt und flehend suchte das tiefe Blau nach einem Funken. Nach einem Flackern, welches versprach, dass der Hauch des Lebens wieder in den Elbenmann einziehen würde.

‘Es ist vorbei. Ich muss gehen”, flüsterte die Stimme des Silberhaarigen sanft.

“Sag mir nur eines”, zitterte der Zwerg. “Warum?”, konnte er das Lächeln in des Elbs Stimme fühlen, als er die Antwort vernahm: ‘Das weißt du. Von Anbeginn. Und es wird niemals enden, Thorin.’

Bebend fuhr der Schwarzhaarige auf, packte den leblosen Körper am Kragen und zog ihn dicht zu sich heran. Momente lang flog sein gequälter Blick über des Elbs Gesicht und blieb schließlich an dessen Lippen haften. Ohne Scheu bedeckte er diese mit den seinen und schloss die Augen, während das blaue Eis ohne Ziel in den Himmel starrte.

Erschüttert löste sich der Krieger von der kühlen Haut und sah auf - der Elb hatte die Augen geschlossen. Kalt rann eine einzelne Träne über dessen Wange.

“Thranduil”, hauchte der Zwerg, schloss den Silberhaarigen fest in seine Arme und scheute sich nicht mehr, seinem Schmerz freien Lauf zu lassen.


 

 

 ~~~ Ende ~~~ 

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Bildmaterialien: Crédit to Artist
Tag der Veröffentlichung: 23.11.2016

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