Cover

Impressum

Wolf wider Willen

Mission Rollentausch

Copyright Text © Ni Jica 2018

 

 

Kontakt: nijica@gmx.de

 

Covergestaltung: Ni Jica

Bildmaterial: © Mariusz Prusacyk - 123rf.com

 

Korrektur und Lektorat: Iris Biehl-Drucks

 

 
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und andere Verwendung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Vervielfältigungen und Veröffentlichungen sind nicht gestattet.

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden und entspringen meiner Fantasie. Ähnlichkeiten jeglicher Art wären demnach rein zufällig.

Bei diesem Buch handelt es sich um einen homoerotischen Roman und wendet sich an Leser, die an sexuellen Handlungen zwischen zwei Männern keinen Anstoß nehmen.

Und jetzt die letzte Anmerkung: Denkt im wahren Leben bitte immer an Safer Sex!

Prolog

- Julian -


Stöhnend vergrub ich mein Gesicht in den Händen. Die riesigen Fragezeichen in meinem Kopf wurden immer mehr. Da half es auch leider nicht, dass ich mich versuchte aufzuraffen und als Nächstes so tat, als würde ich höchst konzentriert auf das Whiteboard vor mir starren.

Ich wollte diese Gleichungen ja verstehen, aber mein Verstand weigerte sich kategorisch und schien in eine Art Streik getreten zu sein. Bereits der dritte Rechnungsweg ließ mich verzweifeln. Ich begann mit den Zähnen zu knirschen, eine lästige Angewohnheit, die meinen Zahnarzt irgendwann reich machen würde. Um dies nicht in allzu absehbarer Zeit geschehenen zu lassen, schnappte ich mir lieber einen Stift und kaute auf diesem weiter herum. Auch nicht besser, aber ich merkte, wie es mich beruhigte.

Durch die Hörsaalreihen ging immer wieder ein Raunen. Ich sah mich um und erkannte, dass ich nicht der Einzige war, der herauszufinden versuchte, was die mathematischen Zeichen zu bedeuten hatten. Es wurde viel geflüstert und aufgestöhnt. Halleluja, ich war nicht der einzige Idiot! Auch das ließ mich weiter herunterfahren.

Mein nächster Blick streifte schon viel relaxter zu dem Dozenten, der vorne am Pult stand. Dr. Langscheidt war ein wahrer Bilderbuchprofessor. Langweilig bis in die Haarspitzen und damit meinte ich nicht nur seine sehr offensichtliche altbackene Kleidung - inklusive der obligatorischen Flicken an den Ellenbogen auf seinem braunen Jackett. Ihr denkt, das sei nur ein altes Klischee? Weit gefehlt. Leider, denn ich hätte gerade nichts gegen etwas fürs Auge gehabt. So musste ich mich allerdings mit der Erscheinung dieses fast fünfzigjährigen Grauhaardackels begnügen, der dachte, er könnte hier irgendjemanden von seiner gespielten Überlegenheit überzeugen.

Nun ja, der arrogante Blick und die leichte Strenge in seiner Stimme wirkte bestimmt auf den ein oder anderen Studenten. Mir konnte es jedoch nur ein müdes Lächeln abringen. Ich kannte solche Männer zur Genüge. Zuhause bekamen sie den Mund nicht auf, da ihre Frauen das Sagen hatten und hier versuchten sie sich aufzuspielen. Pech gehabt, lieber Professor. Die Nervosität in deinen Augen und der riesige Stock in deinem Arsch verraten dich!

Mir war nach einem Blick auf ihn klar gewesen, dass ich ihn in die Kategorie unbrauchbar einsortieren konnte. Denn wenn ich eines konnte, dann war es Männer richtig einzuschätzen. Okay, für einen Halbwolf wie mich war das auch keine große Kunst, aber da ich bereits vor einigen Jahren dazu übergegangen war, mich nur noch als reinen Menschen zu sehen und wie einer zu leben, stufte ich dieses Talent eher als Können ein, als sie als angeborene Instinkte anzuerkennen. Im Tatsachenverdrehen war ich nämlich auch nicht schlecht, sobald es mir in den Kram passte. Schlechte Angewohnheit, ich weiß und daher lasse ich das Thema lieber.

Sahen wir uns mal lieber wieder den Prof an. Seine ganze Haltung und seine Ausstrahlung, ja, selbst seine Stimme verrieten mir, dass dieser Mann starr wie ein Brett im Bett sein würde. Nicht, dass ich ihn in meinem haben wollte, aber so funktionierte nun einmal mein Hirn. Ich sah, ich registrierte, ich verstand und dann handelte ich. Dass mein verklemmter Prof zudem auch eindeutig hetero war, spielte dabei für mich weniger eine Rolle. Ich wusste, dieses kleine Detail zählte schon sehr bald nicht mehr, wenn man einen Schwanz zum Stehen brachte. Männer, und wenn sie dann auch noch menschlich waren, waren wirklich sehr einfach gestrickt.

Wieder huschte ein Grinsen über mein Gesicht, als ich mir vorstellte wie sich unser stocksteifer Prof wohl bei einem Blowjob meinerseits anstellen würde. Würde er seine Maske der Selbstüberschätzung und Arroganz wohl ablegen, wenn ich ihn tief in den Rachen nahm? Wusste unser Dackel überhaupt, was ein richtiger Mundfick war?

Verdammt! Nun war ich geil und konnte mich noch weniger auf die Formel vor mir konzentrieren. Das war schlecht, denn ich war bereits einmal durch die Prüfung gerasselt und konnte mir beim besten Willen kein weiteres Mal mehr erlauben. Als ich mir gerade überlegte, wer von meinen Freunden mir wohl am besten den heutigen Stoff ins Hirn hämmern könnte, vibrierte mein Handy in der Hosentasche.

Da mir sowieso der Kopf rauchte und es mit der Konzentration nach dem Gedankenfick eh Essig war, griff ich ohne zu Zögern danach und betrachtete unauffällig das Display. Ein Bild von Louis blinkte mir entgegen. Na toll! Das bedeutete Arbeit für mich ... aber auch Kohle!

Ich packte flink meine Schreibutensilien - die ich eh nicht gebraucht hatte - zusammen und verließ rasch und so leise wie möglich den Hörsaal. Dr. Langscheidt registrierte dies natürlich trotzdem, räusperte sich pikiert, ließ mich ansonsten aber ungeschoren verschwinden. Braver Junge.

Ich denke, dass er ganz froh darüber war, nicht mehr meinem musternden Blick ausgeliefert zu sein, denn natürlich war es mir nicht verborgen geblieben, dass ich ihn des Öfteren schon ein klein wenig nervös gemacht hatte. Schade nur, dass sich dies niemals positiv auf meine Zensuren auswirkte. Ob ich vielleicht doch mal ... Nein! Pfui! Aus!

Ich schob meine unreinen Gedanken im gleichen Moment beiseite, als auch die schwere Tür des Hörsaals hinter mir zufiel. Immer noch mit einem Lächeln im Gesicht nahm ich endlich den Anruf an.

»Was kann ich für dich tun, Louis?«

»Schnucki!«, tönte es mir sogleich schrill entgegen. »Julian, mein Schatz, du weißt ja, dass ich dich ungern während deiner Vorlesungen störe ...«

»Ja, weil du weißt, dass ich unbedingt meine nächsten Prüfungen schaffen muss«, unterbrach ich ihn. Ich sprach extra ein wenig schärfer, weil er nun nicht unbedingt wissen musste, dass mir die Unterbrechung gerade recht kam. »Also, spuck es aus. Was gibt es so Dringendes?«

Louis druckste etwas herum und nun tat es mir leid, dass ich so streng gewesen war, denn der Kerl war trotz seines meist tuntigen Auftretens ein sehr liebenswerter Zeitgenosse. Eben ein Boss, der recht einfach zu händeln war.

»Ähm, ja ... also ... ein neuer Kunde hat dich für heute Abend gebucht«, rückte er endlich mit der Sprache raus.

Ich verdrehte genervt die Augen. »Ich hoffe, du hast nicht zugesagt.«

»Doch«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Das musste ich. Ist eine ganz heiße Nummer, den konnte ich nicht ablehnen und verschieben lassen wollte er sich auch nicht.«

»Fuck, Louis«, knurrte ich in mein Handy. »Du weißt, ich habe heute Abend Schicht im Tango? Mein Boss verzeiht mir bestimmt kein weiteres Mal, wenn ich meinen Dienst wieder tausche oder ich blaumache.«

»Aber ich bin auch dein Boss«, kam es etwas quengelig zurück. »Und bei mir verdienst du doch auch eindeutig besser als in dem Club.«

Das war ein Argument, dem ich schwer etwas entgegenzusetzen hatte, denn klar verdiente man mehr als Escort an einem Abend, als wenn man hinter einer Bar Dienst schob. Trotzdem, hier ging es eindeutig ums Prinzip.

»Louis, es war ausgemacht, keine Aufträge, wenn ich im Club eine Schicht habe.«

»Julian, du verstehst nicht. Der Kerl, von dem ich spreche, ist eine ganz andere Hausnummer, als deine anderen Stammkunden. Er ist reich. Nicht nur an Geld, sondern auch an Einfluss und ...«

»Louis, willst du mich verarschen? Die meisten deiner Klienten haben ein dickes Portemonnaie«, fiel ich ihm erneut ins Wort.

»Geld ist nicht alles«, wurde ich prompt belehrt. »Es gibt genug, die haben nichts anderes, aber dieser Mann ... Oh, Julian, dieser Mann weiß, wie er damit umgehen muss und hat zudem viel Macht. Wenn er uns als Kunde erhalten bleibt und uns weiterempfiehlt, dann wird meine Agentur zur besten in der ganzen Stadt. Ach, was red ich, zur Besten in ganz Deutschland! Du musst, du musst, du musst ihn zufriedenstellen!«

Die Dringlichkeit in seiner Stimme weckte sofort meine Aufmerksamkeit und Neugier. »Wie ist der Name dieses Wunderknaben?«, fragte ich.

»Kyle Montabaur«, kam es ehrfürchtig über Louis‘ Lippen.

Der Tonfall in seiner Stimme brachte mich fast zum Lachen, aber ich konnte es gerade noch zurückhalten, weil ich von meinen Überlegungen abgelenkt wurde. Der Name sagte mir eindeutig etwas, aber noch hatte es bei mir nicht richtig geklingelt.

»Mehr Infos«, forderte ich daher und bewegte mich endlich weg von der Tür des Hörsaals, denn ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass die Vorlesung demnächst vorbei sein würde. Was nun? Ach ja, Kaffeeautomat! Ich setzte mich schon in Bewegung, da grummelte es mir bereits wieder ins Ohr.

»Willst du mich verarschen? Kyle Montabaur! Einer der begehrtesten Junggesellen der letzten Jahre! Sein großer Bruder ziert derzeit jedes zweite Cover der Wirtschaftsmagazine und jeder weiß, dass Kyle Montabaur bald in seine Fußstapfen treten wird. Also Baby ehrlich, er gehört dadurch jetzt schon zur Spitze auf dem Börsenmarkt, zur Spitze des IT-Handels und zur Spitze des ...«

»Universums?«, konnte ich mir die Spitze nicht verkneifen und musste schmunzeln.

Ein Name hatte mich noch nie beeindrucken können. Und ein Name, der noch gar nichts eigenes geleistet hatte, schon mal gar nicht. Respekt und Anerkennung musste man sich bei mir verdienen und das geschah selten durch einen Zeitungsartikel oder einen Ruf. Ich war mit meinen vierundzwanzig Jahren schon zynisch genug um zu begreifen, dass es auf der Welt viel heiße Luft gab. Ich stand nun aber mal mehr auf die Kälte, daher tangierte mich das nicht.

»Lass den Unsinn«, fuhr mich Louis an, während ich zeitgleich den Kaffeeautomaten erreichte. Latte? Cappuccino? Oder Kakao?

Ich steckte eine Münze in den Automaten und ließ mich von Louis weiter über Mr. Wichtig belehren, wobei ich gar nicht wirklich zuhörte. Meine Entscheidung war längst gefällt. Louis kannte meinen Standpunkt und ich ließ mich da von ihm auch gar nicht beirren. Es gab meine Regeln nicht umsonst. Ich wollte und hatte jederzeit die Kontrolle über meine Aufträge. Zugeständnisse waren nichts für mich und da ich wusste, dass ich Louis‘ bestes Pferdchen im Stall war, genehmigte ich mir auch erst einmal einen tiefen Schluck meines neu erworbenen Kakaos, bevor ich mich dem Gespräch wieder zuwandte. Inzwischen war Louis verstummt und wartete.

»Nein«, presste ich nur tiefenentspannt aus meinen Lippen hervor und genoss den Zucker auf meiner Zunge. Ich liebte Zucker und wenn er dann auch noch samtig schokoladig in meinem Mund zerging, dann umso besser.

»Wie nein?«, wurde ich nun angeschrien, doch ich reagierte weiter gelassen darauf.

»Keine Terminvergabe, während ich im Club arbeite und keine am Sonntag«, gab ich wie bereits bei meinem Einstellungsgespräch zu Protokoll und legte dann einfach auf.

Mir war klar, dass Louis nun toben würde, nachdem er aufgehört hatte, fassungslos auf sein Handy zu starren, doch das ging mir peripher am analen Bereich vorbei. Kontrolle war alles und die hatte nur ich über meinen Körper und meine Zeit. Herr Montabaur wollte mich? Tja, dann würde er sich wohl oder übel einen Termin nach meinen Vorgaben geben lassen müssen.

Ich trank die letzten Schlucke meines Kakaos und warf dann den leeren Pappbecher in den Müllkorb neben dem Automaten. Mein breites Grinsen war während der ganzen Zeit nicht erloschen und auch das erneute Vibrieren meines Handys hatte es nicht auslöschen können. In meinem Leben hielt ich die Zügel in der Hand und die würde ich mir niemals wegnehmen lassen.

 

 

- Kyle -

 

Missmutig stand ich im Wartezimmer der Agentur As you wish und starrte eine nervöse Dame in den Vierzigern nieder. Mir war dabei sehr wohl bewusst, dass die zierliche Frau hinter dem Schreibtisch nichts für meinen Unmut konnte, doch das war mir in diesem Moment gerade herzlich egal. Man hatte mich abgelehnt, war meinem Wunsch nicht nachgekommen und das war etwas, was ich ... noch niemals erlebt hatte. Genau deshalb hatten mich meine Füße auch fast ohne mein Zutun hierher getragen.

»Herr Montabaur, unser Agenturchef Louis Gärtner wird Sie jeden Moment empfangen. Bitte, wollen Sie es sich nicht bis dahin bequem machen?«

Ich musste der Frau zugutehalten, dass sie trotz meines eiskalten Blicks versuchte, ihre Professionalität zu bewahren. Jedoch hatte ich andererseits auch keinerlei Ambitionen, hier länger als nötig zu verweilen. Ich war gekommen, um mir zu holen, was ich wollte und ich wollte es jetzt! Sofort! Natürlich lag es mir allerdings fern, wie ein verzogenes Kind zu wirken. Äußerlich betrachtet war ich ein gestandener Mann von zweiunddreißig Jahren und ein angesehenes Mitglied dieser Gesellschaft. In Wahrheit jedoch war ich weitaus mächtiger, als es sich die Menschen um mich herum überhaupt jemals vorstellen konnten. Das durften diese schwachen Kreaturen allerdings auch nicht erfahren.

»Frau Markwardt«, sprach ich sie daher erzwungen freundlich an, nachdem ich einen Blick auf ihr Namensschild am Schreibtisch geworfen hatte. »Es ist mir nur zu bewusst, dass ihr Chef bestimmt viele wichtige Termine hat, doch die habe ich auch und daher ...
wäre es sehr nett, wenn Sie mich sofort anmelden könnten.«

Die Autorität und Schärfe in meiner Stimme, ließ die Frau unbewusst nach Luft schnappen. Ich konnte nichts für meine angeborene Dominanz. Sie ließ keinen Zweifel an meiner Stellung und brachte die kleine Person vor mir dazu, sofort auf ihre Füße zu springen. Ich sah ihr an, dass meine Ausstrahlung sie etwas überforderte, aber darauf wollte ich im Moment keine Rücksicht nehmen. Hätte man mir sofort meinen Wunsch erfüllt, dann müsste ich hier gar nicht erst persönlich stehen.

Ich wunderte mich nur kurz über mich selbst, warum ich wohl so sehr auf die Ablehnung eines Escorts reagierte, aber das war schnell vorbei. Dieser Ice war kein normaler Callboy. Der Begriff in meinem Kopf ließ mich kurz schmunzeln. Heutzutage sagte man das nicht so gerne. Escort klang ja so viel besser und doch blieb es für mich dasselbe; man bezahlte jemanden für seine Gesellschaft. Ich selbst hatte schon oft die Dienste eines solchen Service genossen. Warum auch nicht? Es war einfach und ohne Verpflichtungen. Ich sagte was ich wollte und ich bekam es. Nur heute war es anders gelaufen und das ... wühlte mich auf.

Der Name Ice war gerade in aller Munde und selbst bis an mein Ohr vorgedrungen. Ein Mann, der nicht nur gutaussehend und charmant war, sondern auch seine eigenen Prinzipien hatte, war reizvoll. Es hieß, dass er sich niemals nehmen ließ. Wenn man Glück hatte, und er sich für dich interessierte, dann kam man vielleicht in den Genuss eines fantastischen Blowjobs oder er fickte dich, aber an seinen Arsch kam keiner ran.

Natürlich reizte mich ein derartiger Ruf. Es klang nach einer Herausforderung, in einer Welt, die für mich eigentlich nur noch aus Langeweile bestand. Und genau deshalb war ich auf der Seite dieser Agentur gelandet und hatte mir seine Bilder angesehen. Danach war nichts mehr für mich, wie es einmal gewesen war und in mir kreiste nur noch ein Gedanke. Ich musste ihn haben.

Dass er auf den Fotos wie ein Model aus den Hochglanzmagazinen ausgesehen hatte, hatte dabei gar keine Rolle gespielt. Er war schön, okay, aber schön waren viele andere auch, die ich jederzeit um mich herum haben konnte. Auch dass er nur ein Mensch war, hielt mich nicht von meinem Entschluss ab. Unter meinesgleichen konnte ich eh nicht spielen, da kroch mir nur jeder in den Arsch und daher war das sogar ganz passend. Wenn er stark genug war, nicht gleich unter meiner Ausstrahlung in die Knie zu brechen, würde ich definitiv mal wieder etwas Spaß haben können.

Ich ging bisher einfach mal davon aus, dass er eine starke Persönlichkeit besaß. Wie sonst konnte man in einem solchen Gewerbe seine Integrität bewahren und außerdem hatte ich auch seine Augen gesehen. Diese stolzen Augen.

Es war sein Blick gewesen, der meinen Jagdtrieb aktiviert hatte; unbeugsam, selbstsicher und arrogant hatte er mir aus seinen eisblauen Augen entgegengesehen. Ich hatte diesen Blick sofort brechen wollen. Und ich wollte es noch, koste es, was es wolle.

»Ich werde sofort nachsehen, wie weit Herr Gärtner mit seinem Termin ist«, versprach mir die Empfangsdame und riss mich damit aus meinen Gedanken.

Innerlich seufzend blickte ich ihr nach, als sie nach einem zögerlichen Anklopfen hinter einer massiven Holztür verschwand. Das alles hier war so zeitaufwendig. Ich konnte da nur hoffen, dass es der knackige Arsch des Eisengels wert war.

Mein kleiner, gedanklicher Konflikt blieb nur eine Sekunde bestehen, danach sah ich erneut sein Foto vor mir, sah erneut die Kampfansage in seinen Augen und war nur zu bereit, sie anzunehmen. Zumindest mein Schwanz war das, denn der regte sich gerade mehr als eindeutig und ich war ziemlich froh, dass in meiner weiten Businesshose genug Platz für ihn war, ohne, dass es jemandem auffallen würde. War ich geil? Scheiße, ja!

Der blonde Engel mit dem Körper und Benehmen eines Gottes, den niemand zuvor zu bezwingen gewusst hatte, würde schon bald zu meinen Füßen knien. Ich würde ihn meine Stiefel lecken lassen, meinen Schwanz lutschen und dann würde ich ihn so hart und so tief ficken, dass er mich niemals mehr vergessen würde. Ich würde ihm meinen Stempel aufdrücken, meinen Namen und ...

»Herr Montabaur? Herr Gärtner empfängt Sie jetzt.«

Der Aufprall in der Realität war nicht so angenehm, wie meine Gedanken, doch ich ließ es mir nicht anmerken und ging mit einem selbstsicheren Lächeln an der eingeschüchterten Frau Markwardt vorbei. Ihre Unruhe beruhigte mich. Ich liebte die Gefühle von Macht und Kontrolle. Sie durchdrangen mich, ließen mich noch größer werden und schürten gleichzeitig das Verlangen danach, jemanden zu unterwerfen. Nein, nicht jemanden ... ich wollte diesen Ice und genau ihn würde ich mir nun holen.

Ich konnte es nicht verhindern, dass mein Grinsen fast schon diabolische Züge annahm. Ich war bereits jetzt im Rausch der Jagd und nur das leichte Zittern der Empfangsdame ließ meine Erregung hinter einer eisernen Maske der Selbstbeherrschung verschwinden.

Als ich das kleine Büro vor mir betrat, erinnerte nichts mehr an die Vorfreude in mir.

Na dann, lasset die Spiele beginnen!

1. Kapitel

- Julian -


Ich warf einen letzten routinierten Blick in den Spiegel, um meine Erscheinung zu kontrollieren. Ich hatte heute gleich zwei Dates. Eigentlich etwas, was ich niemals tat, doch Louis hatte mich mit einem verführerischen Bonus gereizt und so hatte ich mich darauf eingelassen, dass ich heute nicht nur einen meiner Stammkunden sah, sondern direkt danach auch noch Mr. Wichtig, den großen Kyle Montabaur.

Ich musste schmunzeln, während ich mir eine Strähne meines perfekt gestylten blonden Haares aus der Stirn strich. Der Kerl musste es echt nötig haben. Louis hatte mir erzählt, er war sogar in seinem Büro erschienen, nachdem sein erster Terminwunsch nicht bestätigt worden war. Lag das nun an meinem Ruf oder ertrug der Mann nur keine Abfuhr? Ich würde es bald schon erfahren.

Meine eisblauen Augen begegneten mir im Spiegel und ich seufzte. Der Abend würde lang werden. Erst ein Theaterbesuch mit Dirk und danach noch in einen Club mit Mr. Hartnäckig. Professionell verdrängte ich zunächst den zweiten Akt des Abends und konzentrierte mich wieder ganz auf meine Erscheinung für Dirk.

Dirk liebte es, wenn ich lässig elegant gekleidet war. Daher trug ich heute meine beste schwarze Jeans, die sich wie eine zweite Haut um mein Hinterteil schmiegte. Dazu passend hatte ich mich für ein weinrotes Hemd und ein schwarzes Sportsakko entschieden. Alle Sachen saßen perfekt und waren dazu gedacht, meinen schlanken und dennoch sehr wohlportionierten Körper in Szene zu setzen.

Es sollte nicht so klingen, als sei ich eingebildet, aber ich kannte meine Qualitäten und ich wusste, was in meinem Job von mir verlangt wurde. Mein Körper war mein größtes Kapital und dementsprechend behandelte ich ihn. Sport war für mich schon immer unerlässlich gewesen, aber seit ich vor einem Jahr in der Agentur As you wish zu arbeiten begonnen hatte, betrieb ich ihn mit hartnäckiger Disziplin.

Ich war recht stolz darauf, es in eine der seriösesten Agenturen Berlins hineingeschafft zu haben. Wir hatten ein anspruchsvolles Klientel, die zumeist nur auf eine Abendbegleitung zu bestimmten Events oder ein simples Abendessen bestanden. Meistens wurde ich von Frauen gebucht, obwohl ich offen schwul war. Ich hatte meine sexuelle Gesinnung nie verleugnet, aber das schreckte die weibliche Bevölkerung erstaunlich wenig ab und mir machte es nichts aus, die Damen für einen Abend zu verwöhnen. So rein ohne Sex verstand sich.

Es blieb sowieso meine Entscheidung, ob ich mit einem Kunden schlafen wollte oder nicht. Ob Mann oder Frau, ich setzte die Grenzen. Das hieß allerdings nicht, dass ich es nicht schon getan hätte. Sich einen festen Kundenstamm zu erarbeiten und zu erhalten ging meistens nicht ohne. Irgendwann wollte schließlich jeder auf seine Kosten kommen und wenn mir jemand gefiel, dann zierte ich mich in der Regel auch nicht lange, schließlich hatte ich auch selbst Spaß an einem guten Blowjob oder an einem Fick. Allerdings ließ ich mich nicht toppen.

Nie.

Meine Regel.

Mein Spiel.

Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr und stellte fest, dass jeden Moment mein Fahrer eintreffen würde. Da ließ sich die Agentur echt nicht lumpen. Sicherheit ging auch für uns Männer vor und so wurde ich zu jedem meiner Aufträge gebracht und auch wieder abgeholt.

Kaum dachte ich an meinen grummeligen und sehr bulligen Chauffeur, da klingelte es auch schon. »Ja?«, fragte ich, nachdem ich zur Tür geeilt war.

»Schwing deinen Knackarsch hier runter«, brummte es mir auch schon durch die Sprechanlage entgegen und brachte mich zum Lächeln. Eddy war meistens für mich eingeteilt und ich mochte seine unkonventionelle und schroffe Art. Es war nicht schlecht zu wissen, dass man solch einen Bären von Mann in seinem Rücken hatte.

»Komme gleich!«

»Nicht gleich. Sofort!«, brummte es erneut lautstark durch den Flur und ich beeilte mich in meine Schuhe zu schlüpfen, bevor ich endgültig meine Wohnung verließ.


Im Theater saß ich neben Dirk und sah mir gelangweilt das Stück an. Es war irgendetwas Unkonventionelles, mit viel nackter Haut und schiefem Gesang. Dirk schien es auch nicht wirklich zu gefallen, denn es interessierte ihn mehr, wie er möglichst unauffällig in meine Hose gelangen konnte.

Ich seufzte innerlich. Dirk war eigentlich ein sehr angenehmer Stammkunde von mir. Er war Mitte dreißig, sah gar nicht mal schlecht aus und war Leiter einer angesehenen Immobilienfirma in dieser Stadt. Ich mochte seine ruhige, bedachte Art, aber in letzter Zeit ging er mir etwas auf die Nerven. Er wollte endlich an meinen Arsch, das wurde mir heute wieder mal mehr als deutlich. Nicht, dass er mir das nicht auch oft genug durch subtile Andeutungen klar gemacht hätte.

»Wie gefällt es dir, Julian?«, fragte er leise, während eine Hand von ihm unter mein Sakko schlüpfte und sich seine Finger wie zufällig auf die Knöpfe meiner Jeans legten.

So forsch kannte ich ihn gar nicht. Ich ließ mich trotzdem nicht aus der Ruhe bringen, entfernte nur seine Hand galant von mir, indem ich seine Finger mit meinen verschränkte und lächelte ihn an.

»Es ist scheiße«, gab ich zuckersüß von mir, was ihm ein kleines Prusten entrang. Ja, ich konnte schon ziemlich direkt sein, aber da ich wusste, dass Dirk damit keine Probleme hatte, versuchte ich erst gar nicht ihm etwas vorzuspielen.

»Wohl wahr«, stimmte er mir grinsend zu und beugte sich näher zu mir. »Was hältst du davon, wenn wir uns die zweite Hälfte schenken und dafür einen kleinen Imbiss nebenan im Hotel nehmen?«

Seine braunen Augen blitzten und ich verstand sofort, was er mir andeuten wollte. Allerdings war mir gerade alles andere als nach Sex und das schien auch in meinem Blick gestanden zu haben, denn sein Lächeln wirkte plötzlich verkrampfter, als er mich eindringlich von der Seite musterte.

»Was ist los? Kommt jetzt der berüchtigte Ice wieder durch?«

Ich versuchte nicht die Augen zu verdrehen, denn der Spitzname, den mir einige Kunden angedichtet hatten, gefiel mir nicht. Ich war kein Eisblock oder Eisengel, nur weil ich meine Prinzipien hatte und sie zu vertreten wusste. Nur weil ich wusste, dass mir dieser Name und der damit einhergehende Ruf einiges an Interesse bei unserer Kundschaft einbrachte, ließ ich es mir überhaupt erst gefallen mich so zu betiteln.

»Ich weiß nicht, was du meinst«, wiegelte ich ab. »Ein Imbiss stand heute für mich nicht auf den Plan und daher bin ich nur etwas ... verwundert.«

Dirk kaufte mir das nicht ab. Ich konnte es in seinem Blick lesen und ihm nicht einmal verübeln. Ich hatte eindeutig schon intelligentere Ausreden erfunden.

»Dann werde deiner Verwunderung Herr und zeige etwas Spontanität. Was sagst du?«

Ich spürte mehr, als dass ich sah, wie mir ein Bündel Geldscheine an der Seite meines Oberschenkels entlangstrich und musste mir echt Mühe geben, jetzt keine Miene zu verziehen. Ich hasste es, wenn man mich so offensichtlich wie einen Stricher behandelte. Dirk wusste das und doch schien es ihm heute egal zu sein. Eine unterschwellige Aggressivität baute sich in mir auf und er konnte froh sein, dass ich ihm jetzt hier vor allen Leuten nicht sein dreckiges Geld in seinen Rachen stopfte. Nur, weil ich ihn bisher sehr geschätzt hatte, konnte ich mein Temperament zügeln.

»Komm schon, Ice. Sag mir, was es mich kostet, damit ich dich endlich ficken darf«, flüsterte er mir als Nächstes ins Ohr und wollte mir dreist das Geld in meinen Hosenbund schieben.

Das war’s. Er hatte in Sekundenschnelle all meine bisherige Wertschätzung verloren. Das war der letzte Abend mit ihm, aber das sagte ich ihm natürlich nicht. Mein darauffolgendes Lächeln würde der ein oder andere wohl tatsächlich als eiskalt bezeichnen, aber das war mir egal. Dirk wollte einen Fick? Ich würde ihm einen Abschlussfick zugestehen, allerdings nach meinen Spielregeln.

Ich griff nach seiner Hand und half ihm sogar dabei, mir das Geld in den Bund zu schieben, bevor ich mir lasziv über die Lippen leckte und ihm dabei direkt in die Augen sah. Ich sah in seinen die Vorfreude glitzern und bemühte mich nicht zu lachen.

Oh Dirk, man sollte mich lieber nicht reizen!

»Du denkst, das reicht schon, um dich an meinen Arsch zu lassen?«, spottete ich ihm sanft ins Ohr. »Das ist nicht annähernd genug, aber ich verspreche dir, dass du jetzt einen Fick von mir erhältst, denn du dein Lebtag nicht vergessen wirst.«

Dirk wollte widersprechen, doch ich legte ihm schnell einen Finger an die Lippen. »Sscht! Man sollte nicht so gierig sein und nehmen, was man kriegen kann und nun steh auf!«, forderte ich laut, wobei mir die neugierigen oder pikierten Blicke der Menschen um uns herum herzlich egal waren. Meine Augen blieben streng auf den Mann neben mir gerichtet, bis ich unser Blickduell schon nach wenigen Sekunden gewann und Dirk sich seufzend erhob.

Ich folgte ihm gelassen aus dem Saal. Ich wusste, wie meine Dominanz auf Menschen wirkte und ich wusste vor allem, wie sie auf Dirk wirkte. Wahrscheinlich hatte er bereits einen ausgewachsenen Ständer und konnte es kaum erwarten, von mir hart rangenommen zu werden. Die Aussicht auf Sex mit ihm war gerade weniger uninteressant geworden, wobei es mir dabei vorrangig darum ging, dass er sich endlich meine Regeln verinnerlichte. Er bezahlte zwar, doch ich behielt die Kontrolle. War das so schwer zu verstehen?

Wir landeten in einem Hotel direkt neben dem Theater. Wie bereits angedeutet, hatte Dirk schon ein Arrangement getroffen und eine nette Suite im obersten Stockwerk gebucht. Es hatte was, wenn man mit Blick über halb Berlin vögeln durfte.

Kaum betraten wir das einladende Zimmer, pinnte ich ihn auch schon mit meinem Körper gegen die nächste Wand. Ein vorfreudiges Stöhnen drang aus seinem Mund, das mich kurz und hart lachen ließ.

»Schon so erregt?«, fragte ich ihn und rieb mit einer Hand über die Beule in seiner Hose. »Sag mir, woran das liegt.«

»Weil du ein verdammter Mistkerl bist, den ich nicht haben kann«, gestand er mir zu meiner Verwunderung und brachte mich damit für einen Moment aus dem Konzept.

»Ach, dann gefällt dir der Gedanke gar nicht, dass ich dich jetzt hier im Stehen hart ficken könnte?«, wollte ich weiter wissen und kaschierte damit meine kurze Verunsicherung.

»Du weißt, dass mir dieser Gedanke gefällt«, zischte Dirk und verzog sein Gesicht, als sich mein Griff um seinen Schwanz verstärkte. »Aber viel lieber würde ich mich in dein Loch schieben.«

»Warum?«, hauchte ich leise in sein Ohr und fuhr mit den Zähnen daran hinab. Das gefiel ihm. Er drängte sich mir weiter entgegen und entblößte mir bereits in der nächsten Sekunde seine Kehle. Ein Akt der puren Unterwerfung. Spätestens nach dieser simplen Geste hätte ich ihn niemals als meinen Top akzeptieren können.

»Weil ich nur einmal sehen will, wie du nicht beherrscht bist. Ich will hören, wie du schreist und spüren, wie du deine Selbstkontrolle verlierst. Ich will nur einmal hinter die Fassade von Ice blicken und den echten Julian sehen.«

Diesmal überraschte mich seine Aussage nicht. Er wollte also eine Trophäe ergattern, derer er niemals in seinem Leben habhaft werden würde.

»Du willst also meine Hingabe? Diese Art von Macht kannst du nicht mit deinem Geld kaufen«, erwiderte ich ernst, aber nicht streng. Mir war klar, dass er nichts dafür konnte, dass ich mich niemals einem Mann auf diese Art und Weise ausliefern würde.

Dirk zwinkerte plötzlich und grinste mich an. »Das ist mir bereits aufgefallen, aber du wirst mir den Versuch schon zugestehen müssen. Du machst mich eben an.«

Nun grinste ich auch und meine Wut auf ihn verrauchte. »Versuch zugestanden und nun zieh dich aus und dreh dich um«, beendete ich unser Gespräch und ließ ihn in der nächsten Stunde am eigenen Leib erfahren, was es bedeutete, das Innerste eines Menschen nach außen zu kehren.


»Alles gut gelaufen?«, wurde ich etwa eineinhalb Stunden später vor dem Hotel von Eddy empfangen, der mir doch tatsächlich galant die Hintertür seines BMWs aufhielt. Na so was, da hatte wohl jemand einen guten Tag?

»Gelaufen wäre untertrieben. Es war eher ... spritzig«, gab ich frech und mit einer anzüglichen Zungengeste von mir und warf mich dann eher plump auf die Rückbank des Wagens. Von Eddy hörte ich nur wieder eines seiner tiefen Brummlaute, bevor er auf der Fahrerseite einstieg.

Er fuhr nicht sofort los, griff stattdessen nach einem Päckchen auf dem Beifahrersitz und warf es mir zu. »Hier, ein Geschenk deines nächsten Kunden. Du sollst es öffnen, bevor wir am Club ankommen.«

In meinen Händen hielt ich nun eine schwarze Schachtel und sah sie etwas unschlüssig an. Es kam nicht selten vor, dass man mir ein Geschenk machte, aber das geschah normalerweise erst nach einigen Treffen.

»Nun mach schon auf! Oder hast du Angst, dass es beißt?«, kam es amüsiert von Eddy, dem mein Zögern nicht entgangen war. Während er endlich losfuhr, hob ich den Deckel des schmalen Kartons an und ... erstarrte.

»Heilige Scheiße, will der mich verarschen?«, knurrte ich los und hielt den Inhalt der Schachtel in die Höhe. Es handelte sich hierbei um nichts anderes als ein schwarzes Lederhalsband. Es war ungefähr sechs Zentimeter breit und besaß vier fest eingearbeitete D-Ringe. Mir stellten sich die Nackenhaare auf und eine eiskalte Gänsehaut befiel mich. Auf einer beigelegten Karte stand in ordentlicher Handschrift geschrieben: Trag es für mich.

Eddy fand das augenscheinlich sehr witzig, denn er gluckste wild los, was so überhaupt gar nicht zu ihm passte. »Hast du das etwa gewusst?« Nun war ich der Grummelige von uns beiden.

»Ich hab kurz heimlich unter den Deckel gelinst«, gestand er ohne zu Zögern und grinste frech weiter. Na, das erklärte nun endlich seine gute Laune. »Außerdem habe ich gerade die Navi-Daten des Clubs bekommen.«

Das ließ mich aufhorchen. »Wieso brauchst du Daten? Ich bin im Old Fashion verabredet und du kennst den Weg.«

»Kurzfristige Planänderung. Der Kunde erwartet dich nun in einem anderen Club«, verkündete mir Eddy fröhlich, wobei es sich für mich wie eine dunkle, unheilvolle Prophezeiung anhörte.

Mir reichte es. Ich stand nicht auf Planänderungen und wenn ich nach dem Geschenk ging, konnte ich mir bereits denken, in welche Art von Club ich nun gebracht werden sollte. Der Mann stand auf BDSM-Spiele? Nun, ich hätte ihn gerade zwar auch sehr gern geschlagen, aber das lag bestimmt nicht an meinen sexuellen Neigungen.

»Halt an!«, wies ich Eddy schroff an und warf das Halsband zurück in den Karton, den ich sogleich in die hinterste Ecke des Wagens pfefferte.

»Dann kommen wir zu spät«, belehrte mich Eddy, jetzt ganz professionell, was mir fast die Hutschnur platzen ließ.

»Das werden wir sowieso, weil ich nicht gedenke mich hier verarschen zu lassen. Fahr rechts ran!«, forderte ich erneut.

Eddy seufzte und fuhr rechts in eine gerade freigewordene Parklücke. »Du willst doch jetzt nicht wirklich absagen, oder?«

»Was denkst du denn?«, gab ich mit ungerührter Miene zurück. »Ich lasse mich nicht auf irgendwelche hirnrissigen Planänderungen ein und schon gar nicht spiele ich hier für irgendeinen dahergelaufenen Lackaffen den SM-Sklaven.«

In mir tobte es und da half es auch nicht, dass mir Eddy nun gut zuzureden versuchte. »Das war bestimmt nur ein Scherz. Dein Ruf eilt dir schließlich voraus und daher denke ich, der Kerl wollte dich nur foppen.«

»Du meinst toppen und nicht foppen«, knurrte ich. »Das soll ein Scherz sein? Sorry, aber kommt bei mir nicht besonders gut an. In welchen Club solltest du mich bringen?«

Eddy zuckte mit den Achseln. »Ins Black Sheep. Mir sagt der Name nichts. Muss wohl neu sein.«

Neu oder nur für eine ganz bestimmte Gesellschaft, dachte ich mir insgeheim. Leider sagte mir der Name auch nichts und dabei war ich mir sicher gewesen, jeden Club in Berlin zu kennen und dazu zählten auch die eher privateren. Seltsam, aber egal. Ich ließ mir von niemandem auf der Nase herumtanzen, auch nicht von einem Kyle Montabaur - Schrägstrich - kleiner Bruder eines ach so mächtigen Mannes.

Ich beugte mich nach vorne über den Beifahrersitz und öffnete dort das Handschuhfach, weil ich genau wusste, dass Eddy dort immer Zettel und Stift aufbewahrte. »Was machst du jetzt?«, wurde ich sofort misstrauisch gefragt.

»Natürlich einen Dankesbrief wegen des schönen Geschenks schreiben«, verkündete ich betont fröhlich und grinste nun wieder. »Alles andere wäre doch auch sehr unhöflich, denkst du nicht auch?«

»Oh nein, Julian. Tu das bitte nicht. Wenn du absagen willst, dann können wir eine nette Ausrede erfinden, aber bring bitte keine unüberlegte Aktion. Louis ...«

»... Ist nicht da und selbst wenn, wäre mir das auch egal. Ich bin schon über meinen Schatten gesprungen und habe der Doppelbuchung heute zugestimmt, aber ich lasse mich ganz bestimmt nicht so übers Ohr hauen.«

Ich brauchte nicht lange, da hatte ich mein kleines Briefchen verfasst und tauschte es gegen die beigelegten Karte in der Schachtel aus. Eddy ging wohl langsam ein Licht auf, denn er schüttelte eifrig den Kopf. »Also ... ich geb das nicht ab.«

»Musst du auch nicht«, versicherte ich. »Fahr mich einfach vor diesen ominösen Club und warte. Den Rest erledige ich selbst.«

Eddy grummelte vor sich hin, fuhr dann aber wieder los. »Bin eigentlich nicht für so einen Scheiß eingestellt worden«, brummte er.

»Ja, aber durchaus zu meiner Sicherheit, richtig? Außerdem schuldest du mir etwas, nachdem du dich so auf meine Kosten amüsiert hast.« Ich fand das nur fair und Eddy wohl irgendwie auch, denn er nickte leicht und kutschierte mich brav weiter.

Es dauerte gute fünfzehn weitere Minuten, bis das Navi uns anzeigte, dass wir unser Ziel erreicht hätten. Laut der Uhrenanzeige wäre ich nun sogar noch pünktlich zu meinem Date gekommen. Das kleine Präsent in meinen Händen würde dem guten Herrn Montabaur aber jetzt reichen müssen. Tat mir das leid.

Ich stieg aus und stand nun vor einem fast unscheinbaren Backsteingebäude, das nicht so recht in dieses Viertel mit den vielen Clubs und Bars passen wollte. Waren wir überhaupt richtig? Ich musste zweimal hinsehen, bis ich eine schwarze Metalltür erspähte, auf der nur ein unauffälliger Schriftzug vorhanden war. Black Sheep. Tja, das sollte es wohl sein.

Unheimlich war es ja schon und das bestärkte nur meine Vermutung, dass dahinter wahrscheinlich die Peitsche regierte. Ich hatte ja nichts gegen leichte SM-Spiele, aber wenn überhaupt, würde ich doch lieber Halsbänder anlegen, als mir eines aufzwingen zu lassen. Außerdem war es anmaßend von Kyle Montabaur, mich gleich bei unserem ersten Treffen zu so einem Spielchen aufzufordern. Es fühlte sich für mich stark nach einer Herausforderung an und diese konnte ich einfach nicht unbeantwortet lassen.

Entschlossen schritt ich auf die Tür zu, nur um im nächsten Moment vor Schreck zu erstarren. Ein Schatten, der mir vorher nicht aufgefallen war, hatte sich aus einer Ecke der Tür gelöst und kam nun auf mich zu. Es war ein Mann; groß, breitschultrig und Glatze. Ein klassischer Türsteher, der auch einiges an Muckis zu bieten hatte, aber das war nicht das, was mich gerade so verschreckte. Mir wehte sein Duft entgegen. Es roch nach Wolf. Beta, schoss es mir durch den Kopf und ich machte unbewusst einen Schritt zurück.

Der Türsteher bemerkte meine Reaktion und hob beschwichtigend beide Hände. »Kann ich dir helfen, Kleiner? Du bist nicht zufällig hier verabredet? Ich soll einen Julian ...«

»Julian konnte nicht kommen«, stieß ich viel zu hektisch aus und hoffte, dass der Kerl vor mir nichts von meiner Unsicherheit oder noch schlimmer, meine Lüge riechen konnte.

Es hatte jahrelanges Training gebraucht, um meine Emotionen zu kontrollieren und auch meinen Geruch damit zu beeinflussen. Gerade eben war ich aber voll ins offene Messer gelaufen, denn Wölfe in einer Großstadt waren so selten, dass ich hier in Berlin bisher erst einen aus weiter Entfernung hatte wittern können. Deshalb hatte ich nicht aufgepasst und war sorglos fast in einen hineingerannt. Jetzt galt es sich zusammenzureißen und meinem Gegenüber nichts über meine wahre Natur zu verraten.

»Ich bin nur ein Bote und soll in Julians Namen ein Präsent für Herrn Montabaur abgeben«, sprach ich weiter, ging mutig auf den Beta zu und drückte ihm das Paket in die Hand, bevor ich eilig wieder auf Abstand ging. Das sollte den Wolf nicht so verwundern, denn Menschen wurden immer irgendwie unruhig in der Nähe von Wolfswandlern, auch wenn sie nichts von deren Existenz wussten.

»Der Kerl kommt nicht? Scheiße, das wird dem Boss gar nicht gefallen.«

Ich krümmte mich innerlich zusammen. Boss? Verflucht, das konnte nur heißen, dass Kyle Montabaur auch ein Wolf war und mit denen wollte ich nichts zu tun haben oder sie gar auf irgendeine Art herausfordern. Am liebsten hätte ich dem Beta jetzt wieder das Präsent aus der Hand gerissen und wäre verschwunden. Allerdings bezweifelte ich, dass ich dann weit gekommen wäre. Man lief vor einem Wolf nicht davon, ohne es anschließend bitter zu bereuen.

»Tja, das tut mir leid. Ich muss dann mal wieder los«, gab ich daher nur so ruhig wie möglich von mir und unterdrückte all meine Instinkte, damit ich dem Kerl den Rücken zudrehen konnte.

»Echt schade«, hörte ich ihn noch leise murmeln, bevor ich wieder sicher am Wagen ankam und mich schnell ins Innere verkrümelte.

»Fahr los!«, zischte ich Eddy an, der mich perplex anstarrte.

»Was ist denn mit dir los? Du bist bleich wie eine Wand.«

»Fahr einfach los und bring mich nach Hause«, forderte ich erneut und wurde dafür mit einem Schnauben und dem Geräusch des startenden Motors belohnt.

Ich wollte hier nur weg. Ganz weit weg. Wir verließen die Straße und Erleichterung durchflutete mich. Scheiße, das hätte eben auch ganz anders ausgehen können. Wenn der Türsteher nur meinen Wolf gewittert hätte, dann ...

Nein, darüber wollte ich mir gar nicht mehr erst Gedanken machen. Ich hatte Glück gehabt und dieses würde ich nicht mehr weiter strapazieren. Gleich morgen würde ich Louis anrufen und ihm sagen, dass ich keine weiteren Verabredungen mit Kyle Montabaur wünschte. Natürlich würde mein Chef toben, aber ich konnte es mir nicht erlauben enttarnt zu werden. Zur Not würde ich sogar kündigen und erneut woanders untertauchen, damit das nicht geschah und ...

Nee, Moment mal! Zu solch einer Kurzschlussreaktion würde ich mich auf keinen Fall hinreißen lassen. Ich hatte mir hier ein Leben aufgebaut, ich wollte nicht weg. Außerdem, wer war ich denn, dass ich einfach den Schwanz einzog? Die Wölfe sollten mich einfach nur in Ruhe lassen. War jetzt nur zu hoffen, dass sie es auch tatsächlich tun würden und wenn nicht, dann würde ich schon einen Weg finden, um es ihnen so richtig zu zeigen!

 

 

- Kyle -


»Hey Boss, das wurde gerade für dich abgegeben.« Mein Beta Henry hielt mir etwas entgegen, das mir verdammt bekannt vorkam. Missmutig legte ich es auf der Bar vor mir ab und funkelte ihn an.

»Wo ist meine Verabredung? Ich habe dir gesagt, du sollst ihn sofort zu mir führen.«

Henry neigte unterwürfig seinen Kopf zur Seite. Eine automatische Reaktion auf die Schärfe in meiner Stimme. »Es tut mir leid, Kyle. Deine Verabredung ist nicht gekommen. Es stand nur ein Bote vor der Tür, der mir das in die Hand gedrückt hat.«

Ich knurrte wütend. Ice kam nicht? Warum? Wie konnte er es wagen, mich zum zweiten Mal abzuweisen? Meine heftige Reaktion ließ den gesamten Club verstummen, doch ich ignorierte es und widmete meine Aufmerksamkeit dem Präsent, welches ich erst vor einigen Stunden eigenhändig verpackt hatte. Der Deckel der Schachtel landete unwirsch in einer Ecke und schon im nächsten Moment hielt ich einen handgeschriebenen Zettel in der Hand.

Ich hoffte für Ice, dass er eine sehr gute Ausrede für seine Absage hatte, doch nachdem ich den Brief auseinandergefaltet hatte, wurde mir klar, dass dem ganz und gar nicht so war. Dieser Scheißer! Immer wieder las ich die wenigen Zeilen und während dabei meine Emotionen zwischen Fassungslosigkeit bis hin zur Wut, dann zu Unglauben und später sogar zur Belustigung wechselten.


Lieber Herr Montabaur,


ich möchte mich aufrichtig für Ihr kleines Präsent bedanken, doch leider muss ich Ihnen auch mitteilen, dass ich es nicht tragen kann. Es passt einfach nicht zu meinem Teint. Ich schätze aber, an Ihnen würde es umwerfend aussehen. Leider bin ich heute verhindert um mich davon zu überzeugen, aber vielleicht tragen Sie es für mich bei unserem nächsten Treffen? Ich hätte bestimmt auch irgendwo die passende Leine dazu im Angebot. Ich freue mich, wieder von Ihnen zu hören.


Hochachtungsvoll Julian D. alias Ice


»Hochachtungsvoll am Arsch«, knurrte ich und warf den Brief endlich beiseite. Das war die Kampfansage schlechthin. Der Wolf in mir rebellierte, wollte, dass ich ihn sofort freiließ und mir diesen Burschen vornahm, doch ich konnte ihn gerade noch so bezwingen, denn der Junge hatte auch Schneid und das imponierte mir.

Ich hatte ja eine Herausforderung gewollt und Tada, nun hatte ich eine. Ice gefiel mir immer besser und das, obwohl ich ihn noch immer nicht persönlich gesehen hatte. Würde der Kleine immer noch so frech sein, wenn er mir gegenüberstand? Ich hoffte es und wollte es sehen. Dabei würde ich allerdings auch vorsichtig sein müssen, denn mein Wolf brannte nun regelrecht darauf, ihn zu unterwerfen. Da konnte der Spaß schnell vorbei sein.

Nun gut, mein Kleiner. Ich gebe dir ein paar Tage Schonfrist und dann ... dann

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 21.06.2018
ISBN: 978-3-7554-3428-3

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