Hallo Leser,
ich will mich nicht lange mit großen Vorworten aufhalten.
In diesem Buch wirde eine Sprache benutzt, die nicht immer sofort erklärt werden wird.
Das letzte Kapitel kann dabei helfen zu verstehen, was gesagt wird. Wer möchte kann da nachsehen, ansonsten steht oftmals sofort dabei, was die betreffende Person gesagt hat.
Außerdem sind alle gewählten Namen rein zufälling und basieren nicht auf realen Personen.
Viel Spaß beim lesen.
Am Anfang war Mei-Trian und mit ihm kam das Licht. So steht es in der Schrift Trimalias geschrieben. Der Gott brachte Leben nach Trimalia und zeigte den Menschen den Weg. Er lehrte sie alles, was sie wissen mussten. Gab ihnen Licht, Nahrung und Wärme. Mei-Trian hatte noch eine Frau und vier Kinder. Krisuracha, seine Frau, lehrte die Menschen das Kämpfen. Sie wurde angebetet, als Göttin des Krieges. Seine Töchter Shizude, Göttin des Wassers, und Mi-Lan, Göttin des Windes, wurden angebetet für Schönheit und Gesundheit. Seine Söhne Kliram, Gott des Feuers, und Senkar, Gott der Erde, verehrte man um Sicherheit und Schutz zu bekommen. Issyl, der Gott der Zeit, kümmerte sich um einen geregelten Ablauf. Viele Jahre herrschte Frieden in Trimalia und auch in allen anderen Welten. Eines Tages tauchten vier Frauen auf, die sich von jedem Lebewesen unterschieden. Sie waren der magischen Kunst mächtig und unheimlich stark. Mei-Trian war begeistert von ihnen. Er beriet sich mit seinen Vertrauten und sie entschieden diese Frauen zu Schamanen zu machen. Wächter der Reiche und der Elemente. Jeder Schamane sollte für ein Element stehen. Er ging zu den Frauen und unterbreitete ihnen das Angebot. Sie willigten ein und wurden die ersten Schamanen. Chun Ji, Krasima, Krisilana und Sakana. Sie gingen in die Reiche und beschützen sie. Doch nach vielen Jahren wurden sie machtbesessen und wollten mehr. Sie wollten Götter werden. Also forderten sie die Götter heraus. Sie lehnten sich auf, töteten die Bewohner der Reiche und versuchten die Zeit selbst zu manipulieren. Issyl litt darunter und büßte viel seiner Kraft ein, denn ihnen gelang es, einen Teil der Geschichte zu manipulieren. Die Menschen glaubten an sie, als Götter. Zur selben Zeit, gebaren Mi-Lan und Shizude Kinder. Man fürchtete um ihre Sicherheit und brachte sie fort. Mei-Train versteckte sie in der Menschenwelt und kehrte dann zurück. In seiner Abwesenheit war es den Schamanen gelungen, sich die verbleidenden göttlichen Kräfte anzueignen. Sie herrschten nun über Licht, Finsternis, Raum und Eis. Der Kampf war verloren und die Schamanen Götter geworden. Irgendwann gelang es dann Issyl, sie zu täuschen und ihnen ihre Kräfte wieder zu stehlen. Sofort reagierte Mei-Trian und nahm diese Kräfte zu sich. Wütend über das Handeln der Götter suchten die Frauen nach den Kindern. Sie fanden sie und versuchten ihr Leben zu beenden. Doch sie scheiterten. Die Kinder waren noch sehr jung, aber durchaus der magischen Kunst mächtig. Shian Hi, der mächtigste Magier aller Zeit, schlug sie zurück. Allerdings verwundete Chun Ji seine Hüfte. Die Wunde belegte sie mit einem Zauber, der ihn immer daran erinnern sollte, was vorgefallen war. Nachdem die Frauen besiegt waren, kehrten die Eltern zu ihren Kindern zurück. Mei-Trian musste jedoch einen Weg gehen, der keinem seiner Kinder gefiel. Um sie vor Schaden zu bewahren nahm er Shian Hi und seinen Geschwistern ihre Erinnerungen, gab ihnen neue Namen und veränderte ihr Aussehen. Ebenso nahm er seinen Kindern die Erinnerung an das Aussehen ihrer Kinder. Issyl war entsetzt über die Handlung des Gottes und machte eine Prophezeiung. Die Kinder würden zurückkehren, wenn die Zeit reif war. Sie würden nach Trimalia geholt werden um als Schamanen ihren Weg zu finden und wieder zu Göttern zu werden.
Die Schule langweilte mich. Jeden Tag aufs Neue. Immer derselbe Tagesablauf. Aufstehen, frühstücken, zur Schule gehen, mittags nach Hause und langweilen. Mal ganz davon abgesehen, dass mir eh kein Lehrer etwas beibringen konnte. Auch wenn sie da anderer Meinung waren. Aber wenn mir schon ein Biologielehrer erklären wollte, dass ein Delphin ein Fisch und kein Säugetier war, dann hörte der Spaß auf jeden Fall auf. Und so ging das jeden Tag. Lehrer konnten so stur und voreingenommen sein. Sie wussten alles und die Schüler wussten nichts. Warum sollten sie auch etwas wissen? Man kam ja in die Schule, damit man etwas lernte. Eigentlich hatte ich große Lust den Lehrern einfach nur zu sagen, dass sie dumm und ignorant seien. Und das sagte ich in meinem zarten Alter von sechzehn. Einen einzigen Trost in meinem Leben gab mir die Gewissheit, besser als alle anderen zu sein. Woher ich das wusste? Es war eine Tatsache. Ein Gesetzt der Natur. Ich war dazu auserkoren, besser als alle anderen zu sein. Ja, das war ich. Niemand konnte sich mit meinem Wissen messen. Vielleicht mit meiner Kraft. Doch wahre Kraft lag im Geiste. Leider wollten das die Neandertaler meiner Klasse nicht verstehen. Für sie war ich nicht mehr als ein Streber, der sich nicht um andere kümmerte. Und, wenn ich ehrlich war, dann war es wirklich so. Ich scherte mich einen Dreck um sie. Sie interessierten mich ungefähr so viel, wie der Dreck unter meinen Fingernägeln. Das versteckte ich auch nicht. Eins sollte man mir nicht nachsagen. Ich war ehrlich. Wenn sie mich etwas fragten, bekamen sie auch eine ehrliche Antwort. Aber trotz der ganzen Arroganz, hatte auch ich immer noch ein paar irrationale Gedanken. Ich glaubte daran, dass Magie existierte. Eine Kraft, die uns umgab aber nicht greifbar war und jene, die sie kontrollieren konnten, mehr Macht verlieh, als man sich ausmalen konnte. Leider war es mir bis jetzt nicht vergönnt gewesen, zu beweisen, dass es wirklich so war. Jeden Ort, der einigermaßen Spirituell aussah, sah ich mir an und suchte nach Hinweisen, die meine Theorie beweisen sollten. Egal wie unbedeutend die Spur auch war, ich ging ihr nach. So auch heute. Auf unserem Schulhof gab es einen kleinen Bereich, mit Büschen und Bäumen, wo man sich unheimlich gut drin verstecken konnte. Hier hatte ich schon öfters etwas gesehen, was niemand außer mir mitbekommen hatte. Ich ging gerade wieder auf diesen Bereich zu, als sich ein paar meiner Klassenkameraden sich vor mich stellten.
„Willst du schon wieder in den Busch?“, fragte einer mich und baute sich vor mir auf.
Klar, körperlich war er mir überlegen. Aber seine Intelligenz hatte den Gefrierpunkt schon unterschritten. Um es freundlich auszudrücken. Das einzige was sie konnten, war zuschlagen.
„Mir ist entfallen, dass es dich etwas angeht, was ich mache. Und das nächste Mal sprich mich erst an, wenn du auf meinem geistigen Niveau bist. Vorher brauchst du gar nicht zu versuchen ein Gespräch mit mir zu beginnen, denn du verstehst eh kein Wort von dem, was ich rede“, sagte ich und schob mich an ihm vorbei.
Doch er griff mich beim Kragen und zog mich zurück.
„Hör mal, du eingebildeter Idiot. Ich weiß nicht, was du erreichen willst, doch es geht mir ziemlich auf die Nerven, dass du denkst du seist etwas Besseres als alle anderen“, sagte er.
„Das muss ich nicht denken, ich weiß es.“
Sein Gesicht war zornesrot. Ich konnte sehr gut provozieren. Es war ein nettes Talent, mit dem ich noch jeden Menschen aus der Fassung gebracht habe. Wegen mir mussten auch schon zwei Lehrer in ärztliche Behandlung, weil ich ihre Psyche zerstört hatte. Langsam holte er aus. Natürlich was auch sonst. Er wusste sich mit Worten nicht mehr zu helfen.
„Weißt du dich mit Worten nicht mehr zu verteidigen?“, fragte ich und er schlug zu.
Er traf mein Auge und meine Nase. Beides tat weh. Doch ich gab keinen Laut von mir. Ich zeigte nicht einmal eine Reaktion.
„Erinnere dich daran. Wenn du nochmal so mit mir sprichst, wird es nicht bei einem blauen Auge bleiben.“
„Gut werde ich mir merken. Kann ich jetzt gehen?“, fragte ich und er ließ mich los.
Sie ließen mich wieder alleine. Es war nicht das erste Mal, dass sie so etwas getan hatte. Der körperliche Schmerz war nicht so schlimm wie ihre Ignoranz und ihre Hilflosigkeit. Was auch immer. Ich wollte nur alleine sein. Niemand war auf meinem Niveau. Nicht einmal meine Eltern. Ich war adoptiert. Was kümmerte es mich? Es waren Menschen. Ob sie mich nun in die Welt gesetzt hatten oder nicht, war egal. Liebe bedeutete mir nichts. Sie machte einen nur schwach und verletzlich. Angreifbar für jeden anderen. Langsam kam ich zu der Stelle und schob mich durch die Äste. Einige von ihnen stachen mir durch die Kleidung. Aber ich ignorierte es. Kurz vor der Einzäunung des Schulhofes war eine Stelle, wo keine Büsche einen aufhielten. Dort lag heute ein Ast. Komisch. Gestern war er noch nicht da gewesen. Vorsichtig bückte ich mich und berührte ihn. Plötzlich ging eine Druckwelle von ihm aus, die mich zu Boden drückte. Erstaunt sah ich den Ast an und musste feststellen, dass er nun ein Fächer geworden war. Verziert mit einem Kranich. Langsam hob ich ihn auf. Ein beruhigendes Gefühl durchströmte mich. Als hätte ich ihn schon einmal in den Händen gehalten. Eigenartig. Was war das für ein Gefühl? Gehörte er mir? Die Streben waren robust gemacht. Sie gaben nicht nach und wirkten scharf auf mich. An ihren Spitzen waren kleine Erweiterungen, die ich als wirkliche Messer erkennen konnte. Das war eine Waffe. Ein Mordinstrument. Sofort ließ ich es fallen, taumelte aus dem Gebüsch heraus und stieß gegen jemanden. Es waren wieder die gleichen Jungs, die eben schon meinten mich belästigen zu müssen.
„Was hast du da drinnen gemacht? Woher kam dieser Knall?“, fragte er mich und ich sah ihn verwirrt an.
„Knall? Ich habe nichts gehört.“
„Tu nicht so unschuldig. Es gab eine Druckwelle. Was hast du in die Luft gejagt?“
„Gar nichts“, sagte ich und er sah mir tief in die Augen.
„Willst es wohl nicht sagen. Dann muss ich die Antworten aus dir herausprügeln“, sagte er und holte aus.
Diesmal hob ich schützend meine Hände. Sofort kam der Fächer aus dem Gebüsch geflogen und legte sich in meine Hand. Erstaunt sah ich ihn an. Doch mehr Zeit hatte ich nicht. Die Faust des Jungen kam auf mich zu und drohte mich gerade zu treffen, doch mein Körper agierte von alleine.
„Halt“, rief ich und hob meine Hand.
Sofort schien es, als hätte die Zeit angehalten. Nichts bewegte sich. Kein Vogel, kein Windstoß. Nichts. War ich das? Vielleicht war dieser Fächer die Antwort auf die Frage, die ich schon so lange zu klären versuchte. Magie gab es und ich hatte sie gerade verwendet. Unglaublich. Langsam bewegte ich mich aus seiner Schlagdistanz und hob meine Hand wieder.
„Weiter“, sagte ich und die Zeit lief weiter.
Der Schlag des Jungen ging ins Leere und er sah sich verwirrt um.
„Wie kommst du dahin?“, fragte er und ich zuckte mit meinen Schultern.
„Das kann ich dir nicht sagen“, sagte ich und er wollte erneut zuschlagen, als ich den Fächer hob.
„Zurück“, sagte ich und sofort wurde er nach hinten geworfen.
Erstaunt sah ich meine Hand an. War das möglich? Ich konnte Dinge tun, die niemand konnte. Magie. Endlich. Meine Frage war beantwortet.
„Was geht hier vor?“, fragte der Junge und sah mich an.
„Ich habe etwas gefunden, von dem du nur träumen kannst. Die Macht, alles zu tun, was ich will. Magie. Und jetzt geht mir aus den Augen, bevor ich euch in Käfer verwandle und zertrete“, sagte ich und sie begannen zu laufen.
Lachend sah ich ihnen nach. Eigentlich hätte ich ihnen nie etwas Böses angetan. Aber das mussten sie ja nicht wissen. Ich drehte mich um und wollte wieder in das Gebüsch gehen, als eine Frau vor mir stand. Erschreckt trat ich zurück. Sie war groß. Ihre Haare waren blond und hingen lang über ihre Schultern. Ihre Augen sahen wundervoll grün aus. Ihre Kleidung wirkte als würde sie aus einer alten Epoche stammen. Eine weite Leinenhose. Schwarze Lederschuhe und ein Hemd ebenfalls aus Seide. Neben ihrem Kopf sah ich Pfeilenden und einen Bogen.
„Hallo, Junge“, sagte sie und lächelte mich an.
Ihre Stimme klang eigenartig vertraut, als hätte ich sie schon einmal gehört.
„Kennen wir uns?“, fragte ich und ließ den Fächer sinken.
„Nein, das wüsste ich. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Mi-Lan die Göttin des Windes. Wie ich sehe, hast du den Kranichfächer des Windes gefunden. Ich hatte ihn dort versteckt und darauf gewartet, dass ein würdiger Träger kommen würde. Offenbar bist du würdig genug, ihn zu tragen. Ich gratuliere. Und wie ich gesehen habe, bist du dir auch seiner Kräfte schon klargeworden.“
„Seinen Kräften?“
„Dieser Fächer ist magisch. Durch ihn kannst du deine Kraft verwenden. Magie.“
„Aber woher?“, begann ich.
Doch sie fiel mir ins Wort.
„Du bist eines von vier Kindern, die mit dieser Gabe geboren wurden. Wir haben euch gesucht. Ihr werdet mit uns in eine andere Welt kommen. Die Welt des Gottes Mei-Trian. Euch ist dort ein Leben als Schamanen vorbestimmt.“
„Schamanen? Aber das sind doch nur Geisterbeschwörer“, sagte ich.
„Ja. Ihr beschwört Geister. Naturgeister, die euch die Kontrolle über die Elemente geben werden. Zudem habt ihr noch eure Magie, die euch erlaubt alles zu tun. Aber genug davon. Komm mit mir“, sagte sie.
„Ich kann nicht“, sagte ich und trat zurück.
„Warum nicht? Was hält dich hier? Deine Freunde, die du nicht hast? Familie, die nicht auf deinem Niveau ist? An dieses erbärmliche Leben fesselst nur du dich.“
Sie hatte Recht. Was wollte ich noch hier? Niemand war meiner Intelligenz gewachsen. Außerdem mochte mich niemand. Nicht einmal meine Eltern. Sie waren entrüstet von meiner Arroganz, die ich mir durchaus erlauben konnte. Diese Frau hatte Recht. Nur ich fesselte mich an dieses Leben.
„Du hast Recht. Ich komme mit dir“, sagte ich und sie lächelte.
„Dann schließe deine Augen“, sagte sie und zog ihren Bogen.
„Was soll das werden?“
„Um dich mitnehmen zu können, muss ich dich von deiner menschlichen Hülle befreien und deinen Inneren Kern zum Vorschein bringen. Das geht nur, indem ich dich erschieße.“
„Moment mal. Davon war nie die Rede.“
„Muss ich das erwähnen? Es reicht, wenn du weißt, dass es keinen anderen Weg gibt. Und jetzt Augen zu“, sagte sie.
Sie musste scherzen. Dachte sie wirklich, ich würde hier stehen bleiben und darauf warte, dass sie mich erschoss? Nicht mit mir. Ich drehte mich um und rannte los. So schnell ich konnte. Das war nicht unheimlich schnell, denn leider war auf meinen Hüften ein wenig zu viel Hüft Gold. Ich konnte noch hören wie die Frau etwas sagte. Doch ich verstand nicht was. Plötzlich durchfuhr mich ein heftiger schmerz. Ich blieb stehen und sah nach unten. Ein Pfeil hatte mein Herz durchbohrt. Dann wurde alles schwarz.
„Bist du dir sicher, Tochter?“, fragte jemand.
Mein Körper fühlte sich eigenartig an. So schwer und unbeweglich. Wie lange hatte ich hier gelegen? Nachdem der Pfeil durch mein Herz geflogen war, hatte ich nichts mehr mitbekommen.
„Sehr sicher, Vater“, hörte ich Mi-Lan sagen.
„Du kannst nicht einfach einen Menschen töten, weil du den Verdacht hast, dass er der Schamane ist. Das ist unverantwortlich.“
„Aber er hatte meinen Fächer, Vater. Den Kranichfächer des Windes. Er musste der richtige sein. Nur ein würdiger Schamane hätte ihn aufheben können. Dieser Junge ist der Windschamane.“
„Das entschuldigt nicht, dass du unüberlegt gehandelt hast. Deine Geschwister haben meine Anweisungen befolgt und mich gerufen, bevor sie ihre Schamanen mitgenommen haben. Das hättest du auch tun sollen.“
„Er war auf der Flucht. Sollte ich warten bis er weg ist und dich dann rufen? Du hättest mir nicht geglaubt und wärst wieder gegangen. Also habe ich die Initiative ergriffen. Und hier ist er nun. Der Windschamane“, sagte sie und Jemand trat vor mich.
Ich konnte weder meine Augen öffnen, noch etwas sagen. Nicht einmal meine Finger konnte ich bewegen.
„Er ist es, das kann ich sehen. Aber warum hast du ihn in dieser Gestalt mitgebracht?“
„Was für eine Gestalt?“, fragte Mi-Lan und trat zu mir.
„Bei Mei-Train“, sagte sie.
„Was hast du getan?“, fragte der Mann.
„Seinen inneren Kern zum Vorschein gebracht. Aber warum hat es solch ein Gesicht?“
Was war mit meinem Gesicht? Am liebsten hätte ich die Augen geöffnet und die beiden angeschrien. Konnten sie nicht ein bisschen genauer werden?
„So etwas habe ich noch nie gesehen. Welchen Zauber hast du gewirkt?“
„Den, welchen wir immer verwenden in solchen Angelegenheiten.“
„Aber der hat noch nie so etwas bewirkt. Bist du dir sicher?“
„Mehr als sonst. Ich habe diesen Zauber verwendet und keinen anderen. Sind die anderen Schamanen schon hier?“, fragte sie.
„Ja, sie sind hier. Doch ich konnte noch nicht nach ihnen sehen. Ich werde eben zu deinem Mann gehen und nachsehen, was aus seinem Schamanen geworden ist“, sagte der Mann und verließ den Raum.
Ich spürte eine Hand, die über meinen Rücken strich.
„Wer bist du? Für einen einfachen Schamanen bist du zu stark und zu besonders. Keiner war je so wie du.“
Vielleicht solltest du mir sagen, wer ich wirklich bin. Was war hier los? Sie sprachen über mich und ich wusste nicht was los war. Die Türe wurde wieder geöffnet.
„Die anderen sind völlig normal. Aber deine Geschwister haben sie auch nicht umgebracht, sondern einfach so mitgebracht.“
„Aber du hattest doch gesagt, es sei unmöglich“, sagte Mi-Lan.
„Das sollte es eigentlich auch. Menschen können unsere Welt nur betreten, wenn wir es erlauben, oder sie Magier sind. Dieser Junge ist ein Magier, und dazu ein sehr starker. Aber warum ist er ein Tiger?“
„Ich hatte gehofft, du könntest mir das sagen.“
Ein Tiger? Was? Das war unmöglich. Ein Tiger war ein wildes Tier. Eine blutrünstige Bestie. Ich war ein Mensch. Vielleicht ein sehr arroganter, abstoßender Mensch aber ein Mensch. Was die zwei sagten, verstand ich nicht richtig.
„Eventuell kann er uns etwas dazu sagen. Er hört uns schon seit geraumer Zeit zu. Ich werde die Starre lösen“, sagte der Mann und sofort fiel eine Last von meinem Körper.
Ich konnte mich wieder bewegen. Sogar meine Augen konnte ich öffnen. Unglaublich. Mein Blick war viel klarer. Vor mir stand Mi-Lan. Neben ihr ein Mann mit schwarzem Umhang. Man konnte nur das Gesicht des Mannes sehen. Es sah streng und alt aus. Er hatte viele Falten und weiße Haare. Sogar seine Arme hatte er unter seinem Umhang.
„Willkommen zurück, Junge“, sagte Mi-Lan und ich sah sie an.
„Wo bin ich?“, fragte ich und sah mich um.
„Du bist in Jaiken. Dem Tempel der Götter“, sagte der Mann.
„Und wer bist du?“
„Ich bin Mei-Trian. Der Göttervater. Meine Tochter hat sehr vorschnell gehandelt und dich in diese Welt gebracht. Dafür entschuldige ich mich.“
„Warum habt ihr gesagt, dass ich ein Tiger sei? Ich bin und bleibe ein Mensch“, sagte ich und versuchte aufzustehen.
Doch ich konnte mich nicht auf meine Beine stellen. Nur auf meine Hände und Füße.
„Mi-Lan hat deinen inneren Kern zum Vorschein gebracht. Er hat wohl das Gesicht eines Tigers. Deswegen bist du kein Mensch mehr“, sagte er.
„Ich will das nicht. Kann ich nicht mein Leben weiterhin leben, wie sonst? Als arroganter Idiot ohne Freunde. Es mag nicht so aussehen, aber ich war sehr glücklich“, sagte ich und er lachte.
„Jetzt gibt es kein Zurück. Mit dem Aufheben des Fächers, hast du zugestimmt Schamane dieser Welt zu werden. Da führt nun kein Weg mehr dran vorbei. Keine Sorge, deinen Körper bekommen wir wieder hin“, sagte der Mann und legte mir seine Hand auf den Rücken.
Sofort spürte ich eine eigenartige Energie. Mein Körper wurde leichter. Endlich konnte ich meine Finger wieder bewegen.
„Fertig“, sagte er und ich konnte mich wiederaufrichten.
Erfreut sah ich an mir herunter. Ja, das war ich. Ein dicker Idiot, dem seine Arroganz wichtiger war als seine Freunde. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, als sei etwas verkehrt. Unsicher sah ich nach hinten und erblickte einen Tigerschweif. Erschreckt sah ich Mei-Trian an.
„Keine Sorge. Du hast nur die Ohren, Zähne, Augen und den Schweif behalten. Das war alles was ich tun konnte. Komplett konnte ich deinen inneren Kern nicht entfernen.“
„Wie meint ihr das mit dem entfernen?“
„Ganz einfach“, sagte er und ein Tiger trat hinter ihm hervor.
Sein Fell leuchtete grün.
„Das ist der grüne Tiger. Dein Partner und Gefährte. Er steht für dein wahres Gesicht.“
Erstaunt sah ich den Tiger an.
„Das ist unmöglich“, sagte ich.
„Nur, wenn du denkst, dass es so ist. Außerdem hast du hier am wenigsten zu reden. Du bist ein Mensch mit Tigerohren. Denkst du sowas ist möglich?“, fragte der Tiger und sah mir tief in die Augen.
Ich musste lächeln. Der Tiger war genau wie ich. Eingebildet, schlagkräftig und kühl. Das amüsierte mich. Zum ersten Mal musste ich wirklich lachen. Niemand hatte mich bis jetzt richtig zum Lachen gebracht. Nur dieser Tiger. Vielleicht weil er genauso war wie ich. Es war schon erschreckend.
„Du siehst, er ist wie du. Also, Junge. Ich kenne deinen Namen immer noch nicht.“
„Ich heiße Kai“, sagte ich und er nickte.
„Also Kai. Ich werde dich jetzt in deine Welt zurückbringen. Du hast drei Tage Zeit zu überlegen, ob du wirklich das Amt als Schamane annehmen willst oder nicht. Die anderen werden auch zurückkehren. Drei Tage. Dann wird Mi-Lan dich holen kommen.“
„Behalte ich diese Kraft?“
„Natürlich. Ich kann sie dir nicht wegnehmen“, sagte Mei-Trian und ich nickte.
„Gut. Ich werde darüber nachdenken“, sagte ich.
Im nächsten Moment stand ich wieder auf dem Schulhof. Zusammen mit dem Tiger und meiner neuen Gestalt.
„So, Kai. Was sollen wir jetzt machen?“, fragte der Tiger mich und sah mich an.
„Ich habe da eine Idee, um diese Kraft zu testen. Aber dafür brauche ich ein paar Freiwillige“, sagte ich und der Tiger grinste.
„Das gefällt mir. Soll ich dir ein paar Menschen holen?“
„Nein. Das ist nicht nötig. Ich habe da eine Gruppe von sechs Jungs in meinen Gedanken, die ich gerne zu einer Übernachtungsfeier einladen würde.“
Ich sagte das mit einem ziemlich hämischen Unterton. Natürlich. Jetzt wo ich Zaubern konnte, war es mir möglich, ihnen alles heimzuzahlen, was sie mir je angetan hatten. Und es hatte sich eine Menge angestaut.
Ich stand in meinem Zimmer und sah nach draußen. In Jaiken konnte man immer die ganze Welt sehen. Die Menschen sahen von hier oben so winzig aus. Als Göttin des Windes war es meine Aufgabe, die Menschen in meinem Reich zu beschützen und mit Wohlstand und Nahrung zu versorgen. Das tat ich auch. Jeden Tag. Mein Mann und Geschwister auch. Nur für ihre Reiche. Immer wieder gab es dennoch Uneinigkeit und Krieg, der nur in Tod resultierte. Die Menschen schlugen sich gegenseitig die Schädel ein und das ohne ersichtlichen Grund. Manchmal wurde ich richtig wütend deswegen. Das bekamen meine Schützlinge dann auch zu spüren. Doch es half nie für lange. Sie hielten einige Zeit Frieden und dann griffen sie wieder andere an. Da konnte ich machen was ich wollte. Nichts half. Mit Kai, als meinen neunen Schamanen, wollte ich das ganze ändern. Aber war das überhaupt möglich? Es klopfte und ich zuckte zusammen.
„Herein“, sagte ich und mein Bruder Kliram trat ein.
Als Gott des Feuers, trug er immer brennende Kleidung. Selbst seine Haare standen immer in Flammen. Ich empfand es als störend, er mochte es. Geschmackssache. Er trat ein und schloss die Türe dann.
„Hallo, Schwester“, sagte er und ich nickte.
Ich drehte mich wieder um und sah aus dem Fenster.
„Vater war ziemlich wütend, wegen dir. Was hast du gemacht?“, fragte er.
Es war mir klar, dass er darauf hinaus wollte. Vater war wirklich wütend gewesen.
„Ich habe nur meinen Schamanen her gebracht und seine wahre Gestalt offenbart, mehr nicht.“
„Also hast du ihn erschossen?“
„Ja“, sagte ich und er trat neben mich.
„Warum? Vater hat doch gesagt, dass wir ihn rufen sollen.“
„Er wollte fortlaufen. Bis Vater gekommen wäre, wäre der Schamane weg gewesen. Also habe ich die Initiative ergriffen und auf eigene Faust gehandelt.“
„Wirklich?“
„Was willst du hören, Bruder?“
„Vater wäre nicht so wütend gewesen, wenn es wirklich so gewesen wäre.“
„Vielleicht war ich auch zu vorschnell. Aber ich habe nichts getan, was nicht gerechtfertigt wäre. Vater muss überreagiert haben.“
„Wie ist dein Schamane, Schwester?“
„Mein Schamane? Er ist ungewöhnlich. Seine Magie ist sehr stark. Aber er kann nur einen Bruchteil davon anwenden. Seine wahre Gestalt ist die, des grünen Tigers. Vater hat ihn, nun ja, an seine Seite gestellt.“
„Der große Schutzgeist steht ihm bei?“
„Ja, mein Schutzgeist. Er verkörpert genau sein Innerstes.“
„Das ist ungewöhnlich.“
„In der Tat. Aber das ist, was passiert ist. Ansonsten ist er arrogant und überheblich. Dazu intelligent und denkt, dass er etwas Besseres sei als alle anderen.“
„Also genau das richtige für dein Reich. Dort denkt jeder er alleine sei lebensfähig.“
„Beleidige mich nicht, Bruder. Nicht alle Menschen dort sind so. Vielleicht einige. Vor allem Lis Anhänger. Aber die Bevölkerung will eigentlich nicht mehr, als in Frieden zu leben. Und mehr will ich auch nicht.“
„Dann wird dein Schamane Li sehr gefallen.“
„Das fürchte ich auch. Keiner der anderen Hauptmänner würde mit ihm zurechtkommen.“
„Hoffen wir, dass Li sich da nicht übernimmt.“
„Denkst du, dass so etwas überhaupt möglich ist?“
„Eigentlich nicht. Aber wenn er ungewöhnlich ist und vor allen Dingen stark, dann könnte Li ein Problem bekommen. Er ist nicht für sein Feingefühl bekannt.“
„Stimmt auch wieder. Aber ich denke schon, dass es nicht so schlimm wird.“
„Das wünsche ich dir“, sagte er und verließ den Raum.
Ja, wir wünschten es uns alle. Bis jetzt hatte jeder Schamane, aus meinem Reich, einen Krieg angezettelt, der die vier vernichtet hatte. Jedes Mal. Langsam war ich es leid. Doch mit Kai sollte das anders werden. Oder nicht? War er wirklich weit genug, dass er nicht sofort einen Krieg begann?
„Was denkst du, über deinen Schamanen?“, fragte Vater und erschien neben mir.
Ich zuckte nicht zusammen. Mittlerweile war es normal für mich, dass er einfach irgendwo auftauchte.
„Dass er ein Idiot ist“, sagte ich.
„Du weißt genau, dass es nicht stimmt.“
„Das er verrückt ist?“
„Nein, das du so denkst. Das wäre ziemlich ungewöhnlich.“
„Warum bist du wütend, Vater? Ich habe nur das getan, was du mir aufgetragen hast.“
„Bin ich wütend? Du hast vorschnell gehandelt. Ja, er konnte den Fächer nehmen. Er konnte Magie verwenden und wir haben beide gesehen, dass er stark ist. Aber musstest du ihn sofort erschießen?“
„Wie gesagt, er war auf der Flucht. Was hätte ich sonst tun sollen?“
„Mich rufen und ihn irgendwie aufhalten. Du kannst Zaubern, Tochter. Seine Kondition wäre schnell aufgebraucht, wenn du ihn mit Gegenwind aufgehalten hättest.“
„Und dennoch wollte ich dich nicht belästigen und dachte eigentlich, dass ich das richtige tue.“
„Das hast du auch. Ich denke, dass ich nicht sauer auf dich bin, sondern eher erstaunt, was aus ihm geworden ist. Hast du jemals erlebt, dass ein Schamane die Gestalt wechselt? Sein wahres Gesicht entspricht dem des grünen Tigers. Das sollte eigentlich unmöglich sein.“
„Aber wir haben es beide gesehen. Der Tiger und er sind sich sehr ähnlich wenn nicht sogar komplett gleich. Ist das Zufall?“
„Kann es eigentlich nicht sein. Es gibt keine Zufälle. Dieser Junge ist wirklich das menschliche Gegenstück zum Tiger und vor allem, ist er jetzt ein Schamane.“
„Aber, Vater. Eins verstehe ich noch nicht. Wenn er durch den Fächer zu einem Schamanen wird, wo kommt dann diese ganze Kraft her? Er dürfte doch eigentlich gar keine Magie besitzen“, sagte ich und der lachte.
„Auch das entzieht sich meinem Wissen. Als Schamane wird man geboren. Er wurde mit dieser Kraft gesegnet, was er damit nun tut, ist seine Sache. Eins weiß ich genau. Er wird sie missbrauchen“, sagte er.
„Dann muss ich ihn aufhalten“, sagte ich, doch er hielt mich zurück.
„Nein. Er wird niemandem ernsthaft Schaden. Das verbietet ihm sein Gewissen. Lass ihn machen, was er denkt. Ich sage dir, dass wird ihn wachsen lassen. Es wird ihm eine wichtige Lektion erteilen. Glaub mir.“
„Das kann ich mir zwar nicht vorstellen, aber ich vertraue dir Vater“, sagte ich und er verschwand wieder.
Hoffentlich hatte er Recht.
Zum Glück war Freitag und damit das Wochenende direkt schon zum Greifen nahe. Meine sechs, zukünftigen Opfer hatten natürlich nicht abgelehnt, als ich sie eingeladen hatte, zu mir zu kommen. Vor allem nicht, nachdem ich gesagt hatte meine Eltern seien nicht da. Anfangs waren sie skeptisch. Doch das zerstreute sich schnell. Gegen mein Aussehen konnte ich etwas machen. Der Tiger hatte mir einen Illusionszauber gezeigt, der mir half, meine neuen Körperteile zu verstecken, ohne dabei großen Aufwand zu betreiben. Das war gut. Doch jetzt war ich schon zu Hause und in meinem Zimmer. Den restlichen Schultag hatte ich mir kleine Späße mit den Lehrern erlaubt. So ließ ich Dinge von der Tafel verschwinden, die Kreide brechen oder andere Dinge, die Schüler immer wieder zum Lachen brachten. In meinem Zimmer herrschte Durcheinander. Mal wieder. Ich war noch nie dafür bekannt, Ordnung zu halten. Meine vermeintliche Mutter hatte es aufgegeben mich zum Aufräumen zu zwingen, denn es half nichts. Ich tat es, wenn überhaupt nur leidlich. Eigentlich tat ich gar nichts. Doch jetzt würde sich das ändern. Ein kleiner Wink mit dem Fächer und sofort war das Zimmer in bester Ordnung. Perfekt. So konnte das ruhig immer gehen. Aber wenn Mei-Trian schon meinte, dass er mir diese Kraft nicht wegnehmen konnte, dann würde sich das auch niemals mehr ändern. Ich ging zum Fenster und sah in unseren Garten. Hinter einem kleinen Gartenhäuschen versteckte sich der Tiger und wartete darauf, dass ich ihn hereinholen würde. Er hatte mir gesagt, dass wenn ich das Fenster öffnen würde, konnte her sich herein teleportieren. Glas war sonst nicht zu überwinden für ihn. Auf meinen Kommentar, dass er doch einfach durch die Wand daneben teleportieren konnte, meinte er schlicht, dass Magie sich wohl den einfachsten Weg oder sowas suchen würde. Und da das Glas dünner als die wand war, würde sie versuchen genau dort hindurch zu gehen. Also öffnete ich das Fenster und im nächsten Moment stand er neben mir.
„Endlich. Das hat ja ziemlich lange gedauert“, sagte er und ich lächelte.
„Meine Mutter hat mich aufgehalten und ich musste noch aufräumen“, sagte ich und er sah sich um.
„Für diese kurze Zeit beherrscht du schon einiges an Zaubern. Bist du dir sicher, dass du noch nie ein Zauberbuch in der Hand hattest?“
„Ja, da bin ich mir zu hundert Prozent sicher. So etwas wie Zauberbücher gibt es hier nicht. Nur Schulbücher und die sind nicht sehr aufschlussreich. Und sonst alles, was mit Magie zu tun hat, ist nur ausgedacht und funktioniert nicht.“
„Deine Kraft ist auch nur ausgedacht?“
„Ach komm. Das ist neu für mich. Ich bin eine Ausnahme.“
„Richtig. Deswegen siehst du auch aus, wie ein Filmcharakter, der sich aus seinem Film befreit hat. So nebenbei, deine Füße sind jetzt Pfoten“, sagte der Tiger und ich sah nach unten.
Tatsächlich anstatt Füßen hatte ich jetzt Tigerpfoten, mit grünem Fell. Sofort ließ ich meine Illusion fallen und sah mich im Spiegel an. Von einem Menschen war nicht mehr allzu viel zu sehen. Wenn ich es in Jugendsprache ausdrücken müsste, hätte ich sagen müssen, dass ich ein Freak sei. So meinte ich zumindest, dass man es nannte. Konnte auch sein, dass man dafür schon einen neuen Namen hatte. Egal.
„Kai, komm zum Essen“, rief meine Mutter und ich sah den Tiger an.
„Wie viel Zeit hast du noch, bis die Jungs kommen?“, fragte er.
„Zwei Stunden. Ich muss mir nur noch überlegen, was ich mit meinen Eltern mache.“
„Unauffällig verschwinden lassen“, sagte der Tiger und zwinkerte mir zu.
Ich öffnete die Türe und baute meine Illusion wieder auf, damit meine Eltern nichts bemerken würden. Das würde auch klappen. Meine Eltern saßen schon am Tisch und aßen. Mein Teller stand dort und dampfte noch. Ich blieb an der Eingangstüre stehen. So konnte ich meine Eltern sehen doch sie mich nicht.
„Ist dir an Kai etwas aufgefallen? Er wirkte heute irgendwie anders“, sagte Mutter und sah meinen Vater an.
„Nein, ich habe ihn aber auch noch nicht wirklich gesehen.“
„Er wirkte irgendwie so glücklich. Das war etwas völlig Neues.“
„Vielleicht hat er ja wieder einen Lehrer in die Nervenheilanstalt gebracht“, sagte Vater.
Langsam hob ich meine Hand.
„Es tut mir leid“, sagte ich und im nächsten Moment waren meine Eltern versteinert.
Ich betrat den Raum und sah sie an. Sie saßen dort wie Staturen.
„Ich muss euch verlassen. Es geht nicht anders. In drei Tagen werde ich nicht mehr bei euch sein. Ich weiß nicht, ob ihr mich hören könnt. Aber falls doch, sollt ihr Wissen, dass ich das hier nicht freiwillig getan habe. Ich muss tun, was ich tun muss. Für alles, was man mir angetan hat, sollen andere Bezahlen. Solange kann ich euch hier nicht gebrauchen. In den Keller“, sagte ich und sofort waren sie verschwunden. Zusammen mit ihren Tellern.
Jetzt war alles vorbereitet. Doch irgendwie störte mich etwas. Etwas, was ich lange nicht mehr gespürt hatte, meldete sich. Mein Gewissen. Ich wusste nicht einmal, dass ich noch eins hatte. Nein, ich musste mich für nichts rechtfertigen. Ich tat das richtige. Es war nicht möglich, dass ich einmal falsch lag. Unmöglich.
„Tiger“, rief ich und er kam nach unten.
„Hast du es getan?“
„Sie sind im Keller. Für den gesamten Abend werden sie sich nicht mehr bewegen können. Sie bekommen nichts mehr mit. Also ist alles vorbereitet“, sagte ich und er nickte.
„Aber dich stört etwas, oder?“, fragte er.
„Nein. Wie kommst du darauf?“
„Das kann ich dir ansehen. Deine Augen sehen so sorgenvoll aus.“
„Ich weiß, dass ich das richtige mache. Wenn es etwas gibt, das ich sicher weiß, dann ist es, dass ich unfehlbar bin. Ich tue immer das richtige.“
„Dann hoffe ich, dass dein Gewissen das auch weiß.“
Er konnte mich besser einschätzen, als mir das Gefiel. Egal. Ich würde es durchziehen. Die nächsten Stunden brachte ich damit zu, verschiedene Dinge mit meiner neuen Kraft zu testen. Ich verwandelte Kissen in Vögel und zurück. Oder ließ den Fernseher lebendig werden und unterhielt mich mit ihm. Dann kam der Moment. Es klingelte. Sie würden alle zusammen ankommen. Das wäre typisch für sie. Sofort öffnete ich die Türe. Tatsächlich alle sechs Jungs standen davor. Alle sechs.
„Hallo, kommt rein“, sagte ich und sie betraten das Haus.
Hinter ihnen schloss ich die Türe.
„Schuhe aus und dann wartet im Wohnzimmer Essen und Getränke“, sagte ich und sie taten, was ich gesagt hatte.
Im Wohnzimmer hatte ich Pizza gezaubert und mehre alkoholische Getränke, von denen ich ausging, dass sie sie mochten. An diese Nacht sollten sie sich nicht mehr richtig erinnern. Sie machten sich sofort über die Alkoholiker her. Wie erwartet. Erst saufen, dann alles andere. Ich sprach nicht mit ihnen. In einer Ecke hatte ich einen Stuhl gestellt, von dem aus ich sie sehr gut beobachten konnte. Sie leerten eine Flasche nach der anderen. Es dauerte mehrere Stunden, bis sie langsam besoffen waren. Endlich. Darauf hatte ich gewartet.
„Wollen wir vielleicht ein Spiel spielen? Ein Trinkspiel?“, fragte ich und sie sahen mich an.
„Oh ja, ich kenne da ein gutes. Es heißt, schlag den Streber. Jedes Mal, wenn jemand was trinkt, bekommst du einen Schlag“, sagte ihr Interessenführer.
Sein Name war Kevin. Ein Klischee Name ohne gleichen. Nicht alle Kevins waren gleich. Aber dieser passte wirklich darauf, was man über diese Kinder sagte.
„Ich kenne da ein besseres. Es heißt, hört mir zu und schlaft“, sagte ich und bewegte meine Hand.
Sofort sackten sie alle zusammen und schliefen. Herrlich. Ich hatte die Kontrolle. Ja, sie waren meiner Gnade ausgeliefert. Der Tiger erschien neben mir.
„Jetzt hast du sie da, wo du sie haben wolltest. Also, was willst du jetzt mit ihnen machen?“, fragte er und ich ging auf die Jungs zu.
Kevin war der, den ich eigentlich richtig treffen wollte. Er war der Kopf dieser Gruppe. Ohne ihn würden die anderen gar nicht auf die Idee kommen, mich immer wieder zu schlagen oder was auch immer zu tun. Sie hatten Angst vor ihm. Aber was konnte ich ihm antun, was demütigend aber nicht gleichzeitig mit Schmerzen oder Tod verbunden war? Alles was ich mir ausdenken konnte resultierte in starken Schmerzen oder Tod. Eigentlich schade. Ich hatte mir damals so viel ausmalen können, als ich noch nichts von dieser Kraft wusste. Aber jetzt wollte mir einfach nichts einfallen. Aber eins war mir auf jeden Fall klar. Nur Kevin würde richtig leiden. Die Anderen nur ein wenig. Ein anderer Junge, ebenfalls mit Muskeln gesegnet, aber mit nichts anderem, würde auch ein wenig mehr abbekommen. Sein Name war Jan. Seine Haare immer sehr kurz und schwarz. Er färbte sie. Warum wusste ich nicht. Dazu trug er immer eine Lederjacke und enge Kleidung, die seinen, angeblich perfekten Körper zeigen sollte. Das kümmerte mich nicht. Die anderen vier waren Harmlos. Kleine Fische.
„Mir will nichts Schmerzfreies einfallen“, sagte ich und der Tiger lachte.
„Keine Schmerzen? Was eine Art von Strafe soll das denn werden?“
„Ich will sie nicht körperlich verletzten, sondern eher Mental. Sie sollen in der Gewissheit sein, meine Gnade ausgeliefert zu sein“, sagte ich und der Tiger grinste.
„Dann denk nochmal nach und vielleicht denkst du auch an Dinge, die dir fehlen“, sagte er und ich dachte nach.
Was fehlte mir? Nichts. Ich war perfekt. Nun gut, von meiner Figur mal abgesehen, aber ich war perfekt. Ich hob meine Hand und führte sie langsam auf Kevin zu. Ich legte sie auf seinen Kopf und im nächsten Moment war sein gesamter Körper von Stoff umhüllt.
„Was soll das werden?“, fragte der Tiger.
„Das ist einfach. Was fehlt mir? Die Fähigkeit etwas an meinen Füßen zu tragen. Also was tue ich? Ich verwandle ihn in etwas, das man tragen kann. Also Kleidung.“
„Meinst du das ernst?“
„Kannst du dir etwas Schlimmeres vorstellen, als deinen Freunden zu Füßen zu liegen und auf dir herumtrampeln zu lassen? Ich denke, dass es eine angemessene Bestrafung ist.“
„Ich kann mir sowas gar nicht vorstellen. Ein Tiger braucht keine Kleidung.“
„Stimmt auch wieder. Also“, sagte ich und sah die anderen an.
Mit einer Handbewegung waren all ihre Socken verschwunden. Dann ging ich zu Kevin und legte ihm meine Hand wieder auf den Kopf. Sofort trug er sie alle. Sogar meine. Ich hatte eh keine Verwendung mehr für sie. Ihr Stoff legte sich um seinen gesamten Körper.
Obwohl. Das kam mir doch sehr albern vor. Ich machte die Veränderungen rückgängig.
„Erwache wieder, Kevin“, sagte ich und sofort öffnete er seine Augen.
Den Alkohol hatte ich aus seinem Blut geholt, sodass er wieder völlig nüchtern war.
„Was, wie? Was geht hier vor?“, fragte er und sah sich um.
Sofort ließ ich meine Illusion fallen und trat ihm in meiner neuen Form entgegen.
„Ich kann dir sagen was hier vorgeht. Du hast es vorhin schon bemerkt. Ich kann zaubern und jetzt ist der Tag meiner Rache gekommen. Für jeden Schlag und jede Demütigung, wirst du jetzt zahlen“, sagte ich und er versuchte aufzustehen.
Doch er konnte nicht. Ich hatte seinen Körper völlig unter Kontrolle.
„Lass mich sofort frei, oder du wirst es bereuen.“
„Hier wird nur einer etwas bereuen und das wirst du sein. Weißt du, wenn ich ehrlich bin, was ich nun einmal bin. War ich immer fasziniert von der Art wie du dich gekleidet hast. Vor allem deine Socken waren immer wieder interessant. An ihnen konnte man sehr gut deine Laune ablesen. Je nachdem welche Art du getragen hast warst du aggressiver oder freundlicher. Doch jetzt will ich dir einmal zeigen, wie es sich anfühlt, von allen nur herumgeschubst zu werden und als Fußabtreter behandelt zu werden.“
„Das wagst du dich nicht“, sagte er.
„Oh doch. Und weißt du, was das Beste ist? Es wird dir nicht möglich sein das alles hier zu vergessen. Es wird sich in deinen Kopf einbrennen wie nichts Anderes zuvor. Auch wenn ich noch nicht hundert Prozent weiß wie ich das anstellen soll, irgendwas wird mir schon einfallen.“
„Du kleiner“, begann er, doch ich unterbrach ihn.
„Sieh es dir an“, sagte ich und sofort begann er zu schweben.
Ich stellte mich vor das Sofa und sah seine Freunde an. Er schwebte neben mir und war gezwungen sie ebenfalls anzusehen.
„Sie sehen so friedlich aus, oder? Zu schade, dass sie keine eigene Meinung haben. Sind das wirklich deine Freunde, Kevin?“, fragte ich.
Keine Reaktion.
„Ich denke es eher nicht. Sie sind nur dauernd bei dir, weil sie glücklich sind, dass du sie in Ruhe lässt und dich lieber auf mich konzentrierst. Ist es so?“
„Halt den Mund.“
Ja, damit hatte ich gerechnet. Das bestätigte mich in meiner Annahme. Kevin war einfach nur ein Junge, der sich mit Muskelkraft Respekt verschaffte und andere Leute um sich scharte, die selbst zu feige waren irgendetwas zu tun.
„Eigentlich ist es schade, dass sie dafür zahlen müssen, dass sie sich nicht trauen, dir den Rücken zu zudrehen. Aber so ist das nun einmal.“
Ich berührte Kevins Arm und er setzte auf dem Boden auf. Sofort versuchte er nach mir zu schlagen, scheiterte aber kläglich. Stattdessen ging sein Schlag nach hinten los und traf sein Gesicht. Erstaunt blinzelte er zwei Mal.
„Was war das?“
„Du hast versucht mich zu schlagen. Doch da ich deinen gesamten Körper unter Kontrolle habe, habe ich den Schlag umgeleitet. Ziemlich dumm für dich. Keine deiner Bewegungen wird Erfolg haben, solange ich das nicht will. Du siehst, mir kannst du nicht entkommen. Und ich denke, dass ich jetzt auch einen Weg gefunden habe, dich nagemessen zu bestrafen“, sagte ich und Kevins Blick wurde sorgenvoll.
„Was passiert hier?“, fragte er panisch und sah sich um.
Sein Bauch wurde größer und sein Körper veränderte sich. Jetzt war er eine Kopie von mir. Dann schlief er wieder ein.
Der Tiger kam zu mir.
„Bist du jetzt zufrieden?“, fragte er.
„Ich fange gerade erst an“, sagte ich.
Ich lenkte meine Aufmerksamkeit auf die anderen Jungs. Ihre Erinnerungen wurden angepasst, sodass Kevin jetzt ich war. Ich selbst blieb einfach in meiner neuen Gestalt.
„Wacht auf“, sagte ich und sofort öffneten sie ihre Augen.
„Was ist passiert? Wo ist Kevin?“, fragte Jan und sah sich um.
„Also zum ersten Teil deiner Frage. Was passiert ist? Ihr seid eingeschlafen. Unglücklicherweise. Vielleicht habt ihr zu viel getrunken. Und wo Kevin ist? Das werdet ihr noch herausfinden.“
„Was soll das heißen?“, fragte einer der Jungs.
Er war eigentlich sehr schmächtig. Sein Name war Andre.
„Darf ich vorstellen? Das ist der verbesserte, niemand mehr bedrohende Kevin“, sagte ich und zeigte auf den verwandelten Kevin.
„Das soll Kevin sein?“, fragte Jan.
„Ja, ich bin Kevin“, sagte dieser.
In seinem Kopf hatte ich das so gelassen, dass er wusste wer er war.
„Niemals“, sagte Jan und ich lächelte nur.
„Das war einmal Kevin. Aber jetzt nicht mehr. Ich weiß, ihr könnt euch da nicht mehr dran erinnern und das wollte ich auch so. Deswegen werden wir damit jetzt fortfahren und ihr werdet Kevin so behandeln wie ihr mich sonst behandelt habt. Und wenn ihr euch weigert, nun dann wird euch das gleiche Schicksal ereilen.“
Ich konnte sie schlucken hören. Sie wollten es wohl offenbar nicht. Also würden sie tun was ich sagte.
„Ich dachte mir doch, dass ihr einsichtig seid. Heute Nacht werdet ihr Schlafen und morgen werden wir dann sehen, wie ihr euren neuen, alten Freund behandeln werdet“, sagte ich und sofort schliefen sie wieder.
„Du bist nicht so sicher, wie du vorzugeben versuchst“, sagte der Tiger und ich sah ihn an.
„Ich bin mir zu hundert Prozent sicher. Wenn Mi-Lan kommt, gehe ich mit ihr. Vielleicht auch schon vor dem Ablauf der Frist.“
„Aber du kannst nicht verbergen, dass du nicht mehr ganz so sicher bist, wie vorhin.“
„Lass mich in Ruhe. Ich weiß genau was ich mache.“
Der Tiger grinste nur und legte sich dann wieder in eine Ecke. Ich setzte mich wieder auf meinen Stuhl. Dann sah ich den Jungs beim Schlafen zu. Auch wenn ich genau wusste, dass ich sie ja dazu bewegte. Meinem Einfluss konnten sie sich nicht entziehen. Aber war es wirklich richtig, meine Macht so auszuspielen? Ich war mächtig. Mit meiner Kraft konnte ich alles machen, was ich wollte. Sogar sie töten. Doch das tat ich nicht. Das wäre auch nicht richtig. Sie hatte mich beleidigt. Gedemütigt und geschlagen. Doch den Tod verdienten sie nicht. Nicht einmal Kevin. Langsam schloss ich meine Augen und fiel selbst in einen sehr unruhigen Schlaf.
Die Sonne fiel mir aufs Gesicht und weckte mich. Ich streckte mich erst einmal ausgiebig und zuckte zusammen, als ich das Geräusch von meinen neuen Krallen auf Holz hörte. Ach ja, das hatte ich vergessen. Ich hatte ja jetzt Krallen. Auch wenn sie eigentlich immer eingezogen waren, änderte das nichts daran, dass sie da waren. Ich sah zu dem Sofa und sah die Jungs seelenruhig schlafen. Wie schön. Doch das würde nicht lange halten. Ich erhob mich und ging auf sie zu.
„Aufwachen“, sagte ich und sofort öffneten sie alle ihre Augen.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich Kevins Kleidung gar nicht angepasst hatte. Er sah zwar aus wie ich, trug aber immer noch seine alten Klamotten. Egal.
„Jetzt könnt ihr euch ein wenig unterhalten.“
Damit verließ ich den Raum und überließ sie der Situation. Ich konnte nur immer wieder Brocken verstehen. Das was ich verstand, war auf jeden Fall nicht sehr nett. Irgendwann schrie Kevin auch auf. Vermutlich hatten sie ihn geschlagen, so wie mich damals. Während sie beschäftigt waren, stand ich in der Küche und genoss eine Tasse Tee. Eine Stunde später ging ich wieder zurück. Die Jungs saßen da und sprachen nicht mehr. Kevin hatte ein blaues Auge. Genau, so hatte ich mir das vorgestellt. Ich löste den Zauber über ihre Gedanken. Sofort bemerkten sie, was sie ihrem geliebten Interessenführer angetan hatten.
„So. Jetzt werden wir noch ein wenig Spaß haben. Zum Beispiel du, Jan. Du warst doch immer so stolz auf deinen perfekten Körper. Wir wäre es dann, wenn wir ihn noch perfekter machen?“, fragte ich und er sah mich an.
„Das ist unmöglich. So durchtrainiert wie ich bin, kann man da nichts verbessern“, sagte er voller Überzeugung.
„Bist du dir da sicher?“
Ich drang mit meiner Magie in seinen Körper ein und begann ihn zu verändern. Sofort legte Jan rapid an Gewicht zu. Panisch sah er auf seinen Bauch und versuchte ihn vom Wachsen abzuhalten, indem er darauf drückte. Ein kläglicher Versuch. Eigentlich der perfekte Moment für eine weitere Veränderung. Je stärker Jan auf seinen Bauch drückte, desto lauter brummte er wie ein Teddybär. Also war es nicht nur unnötig, sondern auch noch peinlich für ihn. Das sah er wohl auch ein und ergab sich seinem Schicksal. Sein Oberteil war nach oben gerutscht und entblößte seinen gesamten Bauch. Das T-Shit sah jetzt mehr aus wie ein Männer Büstenhalter. Der Knopf seiner Hose verabschiedete sich auch und traf als Wurfgeschoss die Lampe. Eine Birne ging kaputt und ich sah auf.
„Kannst du nicht besser aufpassen?“, fragte ich und lachte.
„Du kleiner Penner“, sagte er und versuchte aufzustehen.
Doch sein Gewicht ließ ihn wieder zurücksinken. Er stöhnte auf. Natürlich. Jetzt war er auch mehr eine Kugel aus Fett, als ein Mensch.
„Das ist lustig, oder?“, fragte ich die anderen Jungs.
Sie sahen Jan nur entsetzt an.
„Ach kommt schon. Zeigt doch wenigstens ein Lächeln oder irgendwas.“
„Kannst du deine Albernheiten lassen?“, fragte Jan und versuchte erneut aufzustehen.
Doch erneut klappte es nicht.
„Albernheiten? Siehst du nicht, in welcher Situation du bist? Ich habe hier die Macht. Ihr seid meiner Gnade ausgeliefert. Wenn ich das nicht will, dann werdet ihr nie wieder normal aussehen. Also ein wenig mehr Reue und Einsicht.“
„Gegenüber dir? Du spielst doch immer nur deine Macht aus“, sagte Jan und ich sah ihn an.
Er hatte Recht. Natürlich tat ich das. Aber, sie auch. Also war es ein Nehmen und Geben.
„Stimmt. Aber ihr habt auch immer nur eure Stärke ausgespielt. Eure Muskeln und Kevins Aggressivität.“
„Ja, Kevin. Bestraf gefälligst ihn und nicht uns“, sagte er und die anderen senkten ihre Köpfe.
„Was?“, fragte er und Andre sah ihn an.
„Wir sind da genauso dran beteiligt wie Kevin. Wir hätten ihm nicht hinterherlaufen brauchen. Ich für meinen Teil kann verstehen, was er hier macht. Mir gefällt es nicht, aber ich akzeptiere es.“
„Das kannst du nicht ernst meinen, Andre. Du stehst hinter diesem Irren?“
„Nein, nicht hinter ihm. Aber ich kann seine Absichten verstehen und sage, ja, wir haben es verdient.“
Jan schnaubte.
„Ihr seid alle viel zu weich. Ich verstehe nicht, wie ich mich mit euch abgeben konnte.“
Ich hörte ihnen zu und verstand langsam, dass Jan der einzige war, der diese Situation nicht einsah. Also gut. Er konnte gerne noch mehr abbekommen.
„Du bist immer noch nicht einsichtig? Dann wollen wir weitermachen, oder?“, fragte ich und er sah mich an.
Langsam begann Fell über seine Haut zu wachsen. Nach einiger Zeit, brummte er nicht nur wie ein Bär, sondern war ein Teddybär.
„Was soll das werden?“, fragte er und brummte erneut.
„Willst du jetzt einsehen, dass eure Strafe gerechtfertigt ist?“
„Nein.“
„Dann muss ich weitermachen.“
Jans Bauch wurde noch größer und seine Kleidung verabschiedete sich komplett. Es blieben nur noch Fetzten übrig. Jetzt konnte er erstmal nichts mehr sagen, weil sein Mund nur noch zu einem Lächeln geworden war und eine genähte Linie in seinem Gesicht. Ich sah die anderen an.
„Ihr habt aber eingesehen, dass eure Strafe gerechtfertigt ist, oder?“, fragte ich.
„Gerechtfertigt ja. Aber übertreibst du es nicht gerade ein wenig?“, fragte Andre und ich schüttelte meinen Kopf.
„Eigentlich nicht. Seine Schläge waren immer sehr kräftig. Das hat er verdient.“
„Aber doch nicht“, begann Andre, bevor er zu einer Kuh wurde.
„Sonst noch wer?“
Sie schüttelten ihre Köpfe. Auch, Andre gab keinen Laut von sich. Also gut. Verwandelte ich ihn besser wieder zurück. Er ließ sich wieder aufs Sofa fallen und atmete aus. Gut, der Spaß war vorbei.
„Ich denke, dass war heute genug Strafe für euch. Hiermit seid ihr entlassen. Und Kevin ist von seiner jetzigen Form befreit“, sagte ich und sofort fielen meine Zauber über sie.
Kevin verwandelte sich wieder zurück. Er sah mich an.
„Du kleiner“, begann er und kam auf mich zu.
Doch bevor er mich erreichen konnte, hob ich nur meine Hand und er konnte sich nicht mehr bewegen.
„Dich habe ich nicht entlassen. Wenn ich in die andere Welt gehe, dann nehme ich dich mit. Als meinen treuen Falken, der nur auf meine Worte hört“, sagte ich und im nächsten Moment war Kevin ein Falke.
Er setzte sich auf meine Schulter und sah dann die anderen Jungs an.
„Und für euch gilt eins. Ihr sollt niemals vergessen, was hier vorgegangen ist. Kevin wird von einem Doppelgänger vertreten, damit niemand bemerkt, dass er nicht mehr da ist. Wenn ihr darüber sprecht, wird euch niemand glauben. Und als Zeichen für diese Aktion hier gebe ich euch einen kleinen Fluch mit. Solltet ihr wieder einmal einem Interessenführer kopflos hinterherlaufen, werden eure Körper sich verändern und ihr werdet so aussehen wie ich. Das wird dann für einen Tag so bleiben, bis ihr euch wieder zurückverwandelt. In dieser Zeit wird niemandem auffallen, dass ihr anders aussehen solltet. Das klingt zumindest unheimlich lustig. Und für dich Jan. Du sollst wieder zurückkehren zu deinem alten selbst. Aber, nicht vollständig. Du wirst immer noch einiges an überschüssigem Gewicht behalten. Und wenn du jemandem, wie Kevin, hinterherläufst, wirst du dich wieder in einen Teddybären verwandeln. Also seht zu, dass ihr verschwindet. Es sei denn, ihr wollt noch mehr Magie abbekommen“, sagte ich.
Doch sie griffen alle ihre Sachen und verließen das Haus fluchtartig. Ich sah ihnen nach und lächelte.
„Jetzt kann ich gehen. Mi-Lan“, rief ich und die Göttin erschien vor mir.
„Ja?“, fragte sie und musterte mich.
„Ich bin bereit mit dir zu gehen.“
„Bist du dir sicher? Einmal in der anderen Welt gibt es kein Zurück mehr in dein altes Leben.“
„Das gibt es jetzt schon nicht mehr.“
„Dann nimm meine Hand. Ich werde dich in deine neue Heimat führen“, sagte sie und hielt mir ihre Hand hin.
Ich sah zurück ins Wohnzimmer. Dann ließ ich meine Eltern wiedererscheinen und einen Zettel, auf dem ich ihnen erklärte was passiert war und wo ich hingehen würde. Dann nahm ich Mi-Lans Hand und wir verschwanden.
„Herzlich willkommen, in deiner neuen Heimat“, sagte Mi-Lan und ich sah mich um.
Wir standen auf einem Marktplatzt. Um uns herum waren viele Häuser. Sie sahen sehr alt aus. Alle waren nur aus Holz gebaut und ein paar wenige aus Stein. Die Dächer waren mit Stroh bedeckt, auf dem schon ein wenig Moos sich gesammelt hatte. Menschen waren keine zu sehen.
„Wo sind wir?“, fragte ich und sie trat vor mich.
„Wir sind in Trimalia. Einer anderen Welt. Das hier ist das Windreich. Die Hauptstadt heißt Wiluchu. Benannt nach dem göttlichen Wort für Wind. Es ist deine neue Heimat. Hier wirst du Leben, lernen und noch viele andere Dinge machen“, sagte sie.
Plötzlich traten aus einer Seitengasse mehrere Menschen hervor. An ihrer Spitzte marschierte ein kahlköpfiger Mann. Auf seinem Rücken konnte ich ein großes Schwert sehen. Er trug eine sehr enge Kleidung, die mit Blumen verziert war. Irgendwie passte das gar nicht zu seinem Körperbau. Er war sehr muskulös. Seien Hose war ebenfalls eng. Schuhe trug er nur kleine Lederschuhe. Hinter ihm standen mehre Männer mit Roben. Sie alle waren weiß. Ihre Haare konnte ich nicht sehen, denn sie waren unter Kapuzen versteckt.
„Darf ich vorstellen, Kai? Das ist Li“, sagte Mi-Lan und der große Mann verneigte sich vor uns.
Er war beinahe drei Köpfe größer als ich.
„Es ist mir eine Ehre euch kennen zu lernen“, sagte Li und sah mir in die Augen.
Ein eigenartiges Gefühl breitete sich in mir aus. Also würde er meine Gedanken sehen können.
„Lass das, Li. Du musst nicht sofort seine Gedanken lesen. Er hat nichts zu verbergen, doch du musst nicht sofort alles wissen“, sagte Mi-Lan und er sah sie an.
„Dieser Junge ist mir unheimlich. Ich komme gar nicht an seine Gedanken heran“, sagte er.
„Natürlich nicht, dafür habe ich gesorgt“, sagte der Tiger und trat hinter mir hervor.
Sofort fielen sie alle auf die Knie.
„Großer Boreos“, sagte Li und der Tiger kicherte.
„Ich habe den Schamanen ein wenig vorbereitet, bevor wir hierhergekommen sind. Aber seine Ausbildung ist noch beinahe am Anfang. Ich vertraue darauf, dass du mir dabei hilfst, Li“, sagte der Tiger und Li nickte.
„Worauf ihr euch verlassen könnt“, sagte er und der Tiger nickte.
„Lasst uns zum Temple gehen. Danke, Mi-Lan. Ich denke du kannst zu deinem Vater zurückgehen und ihm berichten, dass Kai sein Amt angetreten hat.“
Die Göttin nickte und verschwand dann wieder. Der Tiger ging los und Li erhob sich. Sofort gingen sie alle zurück, in die Gasse. Der Tiger folgte ihnen. Unsicher ging ich auch los. Die Stadt war riesig. Jede Gasse sah gleich aus. Sie waren eng und dunkel, da kaum Sonnlicht zu uns durchdrang. Vom Marktplatz marschierten wir eine gefühlte Ewigkeit. Keiner von den anderen Sprach. Sie alle gingen schnurstracks geradeaus, ohne rechts und links zu sehen. Doch ich sah mich immer wieder um. An einigen Fenstern konnte ich Menschen sehen die, sobald ich in ihre Richtung sah, schnell verschwanden. Eigenartig. Hatten sie Angst vor mir? Nun ja, ich sah nicht wirklich wie ein Mensch aus. Meine Illusion war gefallen und ich stand in meiner Tigergestalt dort. Was mir jetzt auch auffiel, war das ich jetzt auch Tigerstreifen auf meiner Haut hatte. An den Händen konnte man sie sehr gut sehen. Und vermutlich waren diese Streifen an meinem ganzen Körper. Auch im Gesicht. Auf diesen Streifen war sogar Fell, welches sich unheimlich weich anfühlte. Plötzlich erreichten wir einen großen Platz. Dort war eine große Mauer. Es sah beinahe aus wie eine Stadt, in der Stadt.
„Willkommen am Tempel des Windes“, sagte Li und die Tore wurden geöffnet.
Sofort gingen die Priester hinein und verschwanden aus meinem Blickfeld. Ich bekam meinen Mund nicht mehr zu. Diese Mauer schien unendlich zu sein. Sogar nach oben.
„Kommst du?“, fragte der Tiger und ich zuckte zusammen.
„Ja, ich komme“, sagte ich und folgte ihm.
Li war schon hinter der Mauer verschwunden. Langsam erreichte ich das Tor und ging hindurch. Sofort kamen mehre Soldaten und stellten sich in einer Reihe auf. Sie präsentierten ihre Waffen und blieben dann stehen. Der Tiger ging weiter und ich versuchte dicht hinter ihm zu bleiben. Jeder der Soldaten trug eine grüne Rüstung. Dazu einen Helm. Auf allen war ein eigenartiges Emblem. Ich vermochte es nicht einmal in Worte zu fassen. Es sah aus, wie eine Schale, in der ein Tornado wütete. Aber das konnte auch täuschen. Vor uns erhob sich ein riesiges Gebäude. Das musste dann der Tempel sein. Er war größer, als alles was ich bis jetzt gesehen hatte. Egal welche Kirche ich damals besucht hatte, nichts konnte mit der Schönheit und der Größe mithalten. Es erinnerte mich stark ein einen chinesischen Tempel. Die gleichen Dächer und ähnliche Figuren. An der Türe standen zwei Staturen von Drachen. Sie schlängelten sich um eine Säule und wachten über alles, was sich dem Tempel näherte. An den Wänden konnte ich viele Figuren und Malereien erkennen. Doch leider ging der Tiger so schnell, das ich kaum Zeit hatte, mich umzusehen. Wir schritten durch das Tor des Tempels. Sofort hörte ich Li schreien. Offenbar schickte er die Soldaten wieder zurück. Ich tauchte in völlige Dunkelheit ein. Selbst meine neuen Augen brauchten ein wenig, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Es gab keine Fenster und nur wenige Fackeln. Wie konnte hier überhaupt jemand hindurchgehen, ohne gegen eine Wand zu stoßen? Die Gänge wollten gar kein Ende nehmen. Wenn ich hier irgendwann einmal alleine herumlaufen musste, würde ich ein Navigationsgerät benötigen. Ob man so etwas hier kannte? In meiner Welt war es Standard. Aber hier sah es eigentlich so aus, als würde man gerade mal so weit sein, dass man wusste, was das Rad ist. Plötzlich wurde es heller. Wir betraten eine große Halle.
„Willkommen im Thronsaal“, sagte der Tiger und ich sah mich um.
Die Decken waren verziert mit Malereien von Mi-Lan und dem Tiger. Auf dem Boden war ein Mosaik, das ich nicht erkennen konnte. Die Fenster reichten bis zum Boden. Am anderen Ende des Raums befand sich ein Thron. Er war aus Gold gemacht, umgeben von Säulen und einem Pavillon, der auch sehr chinesisch aussah. Neben dem Thron befand sich eine Türe, die leicht versteckt war. Sie verschmolz beinahe mit dem Hintergrund. Hinter dem Thron war ein Fenster. Wir gingen zu dem Thron und der Tiger setzte sich davor. Ich blieb vor ihm stehen und sah ihn an.
„Nimm Platz“, sagte er und ich ging unsicher auf den Thron zu.
Langsam setzte ich mich. Jetzt konnte ich sehen, dass über der Eingangstüre eine Statur von einem Tiger war. Er war an die Wand gestellt und wachte über die Türe. Li betrat den Raum, gefolgt von mehreren Priestern. Sie kamen auf uns zu und knieten sich dann vor uns. Der Tiger sprang neben mich und setzt sich auf den Thron. Genug Platz war. Ich konnte genau sein warmes Fell spüren.
„Also, Li. Ich bin zurück, mit dem neuen Schamanen. Das ist Kai, der Schamane des Windes“, sagte er und die Priester sahen auf.
Ihre Augen musterten mich. Sie untersuchten jede Faser meines Körpers. Ich kam mir ein wenig unwohl dabei vor.
„Ich bin froh, dass unser Schamane endlich gekommen ist. Nachdem der letzte, unfreiwillig, Abgedankt hat, um ein ruhigeres Leben zu führen, war es an der Zeit, dass wir einen neuen bekommen“, sagte Li und die Priester ließen ihre Blicke wieder Richtung Boden sinken.
„Dessen waren sich die Götter und auch ich bewusst. Hier ist er nun. Ich will, dass ihr ihm eine Rüstung anfertigt. Dann will ich Kleidung für ihn haben, die seinem Rang entspricht. Und zu guter Letzt, bringt ihm die Waffen, aus denen er wählen soll“, sagte der Tiger und sofort erhoben die Priester sich.
Sie kamen auf uns zu, ohne mich anzusehen. Langsam legten sie ihre Hände auf den Boden und mehrere Waffen erschienen. Ein Schwert, eine Lanze, ein Dolch, ein Schild und ein Stab, an dessen Ende ein Smaragd saß.
„Also, Kai. Du hast zwar Mi-Lans Fächer, aber der hat dir nur in der Menschenwelt geholfen, deine Kräfte einzusetzen. Hier brauchst du ihn dafür nicht. Er ist auch nicht wirklich eine gute Waffe. Du kannst ihn zwar behalten, wenn du willst, aber zum Kämpfen taugt er nichts. Wähle eine von diesen Waffen“, sagte er und ich erhob mich.
Ich ging auf die Waffen zu und die Priester wichen zurück. Langsam sah ich sie mir alle an. Ein Schwert? Das war nichts für mich. Der Dolch vielleicht? Nein. Viel zu klein. Eine Lanze. Sie war lang und half bestimmt in vielen Fällen. Aber eigentlich nichts für mich. Die Klinge war bestimmt sehr schwer. Den Schild konnte ich nur in Verbindung mit einem Schwert tragen. Also blieb nur noch der Stab übrig. Ich griff danach und hob ihn auf. Sofort verschwanden die anderen Waffen. Das Gold, des Stabes, fühlte sich unheimlich warm an. Zufrieden sah ich ihn mir genauer an. Er war mit einem Muster versehen, dass für Giftfestigkeit sorgte. Ich schlug den Stab auf den Boden. Der Ton hallte lange nach. Langsam begann der Smaragd zu leuchten. Aber nicht, weil er von der Sonne angestrahlt wurde. Es kam mehr aus ihm selbst heraus. Fasziniert sah ich ihn genauer an. Das Leuchten kam wirklich aus seinem Inneren.
„Dann ist es entschieden. Dieser Stab ist nun dein“, sagte der Tiger und ich sah ihn an.
Langsam ging ich zurück auf dem Thron und nahm Platz.
„Wenn ihr erlaubt, eure Göttlichkeit. Ich würde gerne einen kleinen Kampf gegen unseren Schamanen führen“, sagte Li und sah den Tiger an.
Dieser sah zuerst Li an und dann mich.
„Warum nicht? Solange du ihn nicht ernsthaft verletzt“, sagte er und ich schluckte.
Ein erfahrener General wollte einen Kampf gegen mich. Das konnte nicht gut ausgehen. Langsam erhob Li sich und zog sein Schwert. Er ging in Kampfstellung sah mich an.
„Es geht los, sobald ihr bereit seid“, sagte er und ich nickte.
Ich schloss meine Augen. Dann nahm ich irgendeine Stellung ein, von der ich dachte, dass sie vielleicht helfen konnte. Fester Stand, den Stab fest in beiden Händen und bereit zum Schlag.
„Fertig“, sagte ich und Li schnellte nach vorne.
Erstaunt konnte ich nur noch den Stab nach vorne bewegen und blockte Glücklicherweise seinen Schlag. Doch er kam mit so viel Wucht, dass er mir aus der Hand geschlagen wurde. Klackernd fiel er zu Boden und rutschte zu den Fenstern.
„So geht das nicht, Kai. Du musst Magie benutzten“, rief der Tiger und ich sah Li an.
Der nächste Schlag kam schon auf mich zu. Sofort hob ich meine Hand und aktivierte einen Zauber. Er wurde nach hinten geworfen. Dann richtete ich meine Hand auf den Stab, der sofort zu mir kam. Li fing sich und kam wieder auf mich zu. Erstaunt schlug ich den Stab auf den Boden. Sofort war Li von mehreren Lichtkreisen gefangen und konnte sich nicht mehr bewegen.
„Sehr gut gemacht“, knurrte er und ich sah den Tiger an.
Dieser nickte nur und sofort fiel der Zauber.
„Unser Herrscher wird euch euer Zimmer zeigen. Euer Training wird in den nächsten Tagen beginnen“, sagte Li und verließ den Raum, zusammen mit den Priestern.
„Ich habe dir bei dem Kampf ein wenig geholfen. Der letzte Zauber kam von mir. Du hättest sonst keine Chance gehabt, Kai“, sagte der Tiger und sprang wieder zu Boden.
„Komm. Ich zeige dir dein Zimmer.“
Der Tiger ging auf die Türe zu, die sich neben dem Thron befand. Sofort schwang sie auf. Mir verschlug es die Sprache. Das Zimmer war riesig. Wenn ich das Haus meiner Eltern genommen hätte, hätte man es, sogar mit dem Garten, hier unterbringen können. Die Wände waren in einer schönen grünen Farbe gestrichen. Dazu hatte man immer wieder rote Streifen mit dazu gemischt. Es gefiel mir sehr gut. Die Möbel waren alle aus Holz gemacht. Oft verschnörkelt und mit Figuren geschmückt. Ein großer Schreibtisch. Dahinter ein Sessel. Alles war aus einem sehr dunklen Holz gemacht. Welches das genau war, konnte ich nicht sagen. Es gab auch ein Fenster, das beinahe die gesamte Wand einnahm. Zum Glück auch passende Vorhänge dazu. Das Bett war sehr groß. Es war umgeben von Vorhängen, sodass ich es mir noch dunkler machen konnte, wenn das nötig war. Sonst gab es noch einen Schrank und einen Spiegel. Dazu noch ein Bücherregal.
„Das ist ab sofort dein Reich“, sagte der Tiger und ich sah ihn erstaunt an.
„Was? Alles?“
„Sicher. Warum nicht? Das ist jetzt dein Tempel. Die Menschen hier beten zu den Schamanen, damit sie nur das Beste für ihr Reich erhalten. Jeder in dieser Stadt ist deiner Gnade ausgeliefert“, sagte der Tiger und langsam begann ich zu verstehen.
„Also haben sie wirklich Angst vor mir? Ich konnte ab und zu Menschen an den Fenstern sehen, die sich aber dann schnell zurückgezogen haben.“
„Angst kann man das nicht nennen. Es ist mehr gehobener Respekt. Dich fürchtet man, ja. Aber nicht so sehr, dass man sich nicht in dien Blickfeld traut. Aber den Respekt, den man dir entgegenbringt, kann man schon fast als Krankhaft bezeichnen.“
„Aber warum ist das so? Ich meine, ich bin nur ein Mensch“, sagte ich und der Tiger lachte.
„Hast du mal in den Spiegel geguckt? Keiner der anderen Schamanen ist schon so weit, wie du. Nun gut, weit kann man das nicht nennen. Du siehst aus wie ein Magier. Zumindest kannst du es nicht mehr verleugnen.“
Langsam ging ich zu dem Spiegel und sah hinein. Meine Kleidung war noch dieselbe, wie vorher. Doch mein Körper sah völlig anders aus. Mein Übergewicht war weg. In meinem Gesicht konnte ich Tigerstreifen sehen. Wie an meinen Händen auch. Vorsichtig hob ich mein Oberteil ein wenig an und erblickte die gleichen Streifen an meinem ganzen Körper. Meine Füße waren ja schon lange Pfoten. Auch meine Ohren. Die Augen, waren mir unheimlich. Sie leuchteten golden und wirkten irgendwie so fremd. Vorsichtig öffnete ich meinen Mund und erblickte die Tigerzähne. Auch das sah unheimlich aus. Ich war kein Mensch mehr. Das konnte ich zumindest sagen.
„Ich sehe so anders aus“, sagte ich und der Tiger nickte.
„Hier sieht man, was du eigentlich bist. Das Aussehen, das du kennst, ist nichts als eine Tarnung gewesen um das zu beschützen, was du siehst. So hättest du eigentlich aussehen müssen, die ganze Zeit. Doch in der Menschenwelt geht das nicht“, sagte er.
„Was passiert jetzt weiter?“, fragte ich und der Tiger ging zu dem Schreibtisch.
Ich folgte ihm. Der Boden fühlte sich eigenartig an, auch wenn er aus Holz gemacht war. Oder waren es meine Pfoten, die es nur anders wahrnahmen?
„Die nächsten Tage werden wir dazu verwenden, dich jedem hier vorzustellen. Jedem Kommandanten, Priester oder anderen wichtigen Personen. Dafür wirst du neue Kleidung erhalten, denn deine kannst du hier nicht tragen. Sie passt einfach nicht. Ganz davon abgesehen, dass sie jetzt viel zu groß für dich ist. Wenn jeder weiß, wer du bist und du erfahren hast, welche Aufgaben du hast, werden wir beginnen dich auszubilden. In Magie und im Nahkampf.“
„So wie eben gegen Li?“, fragte ich.
„Ungefähr so. Li ist unser General. Er leitet dieses Reich, solange es kein Schamane macht. Auf ihn konnten wir uns immer verlassen. Er hat schon viel getan, dass unserem Reich Wohlstand und Ansehen gebracht hat. Wir können nicht auf ihn verzichten, selbst, wenn wir wollten. Aber manchmal ist er sehr vorschnell und ungeduldig. Deswegen wollte er auch einen Kampf gegen dich. Das wird dir jetzt noch öfters passieren. Li will immer wieder testen, wie sich deine Fähigkeiten entwickeln. Selbst wenn du ablehnst, wird er Kämpfen. Dagegen kann man leider nichts machen. Damit wirst du zurechtkommen müssen. Sollte er dich einmal ernsthaft verletzten, sag mir sofort Bescheid. Dann wird er seine gerechte Strafe bekommen. So und nun zum letzten Punkt. Es wird bald dunkel. In deiner Welt mag es eben noch Mittag gewesen sein. Doch hier vergeht die Zeit anders. Es wird bald dunkel. Du solltest ein wenig schlafen, bevor es morgen weitergeht“, sagte er und ich nickte.
Dann sah ich mich um und musste feststellen, dass ich gar keine Möglichkeit hatte, Kevin irgendwo unter zu bringen.
„Was soll ich mit ihm machen?“, fragte ich und zeigte auf den Falken.
„Lass mich kurz sehen“, sagte der Tiger und sah sich um.
„Ah ja.“
Sofort erschien neben dem Bett eine Stange, auf der Kevin sitzen konnte. Dazu eine Futter- und Trinkschale. Sofort flatterte der Falke los und setzte sich. Kevin war dafür, dass er noch nicht lange diese Form hatte, sehr sicher im Fliegen.
„Gute Nacht, Kai. Ich werde dich morgen wecken“, sagte der Tiger und verließ das Zimmer.
Langsam ging ich zu dem Bett und setzte mich. Die Matratze war genau richtig für mich. Nicht zu hart aber auch nicht zu weich. Doch eigentlich war es noch zu früh zum Schlafen. Müde war ich eh nicht. Dafür war das hier alles zu aufregend. Langsam ging ich zu dem Fenster und sah hinaus. Ich sah auf einen wunderschönen Innenhof hinaus. Er war sehr grün. Viele Blumen und viel Rasen. Vereinzelnd standen ein paar Bäume. Dazu waren kleine Teiche angelegt worden, in dem mehrere Koi Fische schwammen. In der Mitte war ein Pavillon, mit Stühlen und einer Bank. Dort würde ich bei Gelegenheit mal hingehen. Dieser Ort sah sehr friedlich und ruhig aus. Ich ging zu dem Schreibtisch zurück. Ich nahm auf dem Sessel Platz. Das Holz fühlte sich warm an. Im Gegensatz zu dem Gold des Throns. Die Sitzfläche war unheimlich bequem. Vor mir lagen einige Bücher und Dokumente. Langsam sah ich sie mir an. Die Dokumente waren nicht so interessant. Ich legte sie fürs erste auf Seite. Dann nahm ich mir ein Buch und sah es mir an. Auf seinem Einband stand der Titel, Magie und wie man sie verwendet. Ich schlug es auf. Auf der ersten Seite stand eine Widmung.
„Dieses Buch ist für meine Freunde und Eltern. Auf das meine Weisheit immer für sie da ist“, las ich.
„Gezeichnet Shian Hi.“
Dieser Name kam mir irgendwie bekannt vor. Aber woher? Niemand in meinem alten Umfeld hatte solch einen Namen. Zumindest nicht, dass es mir aufgefallen wäre. Ich blätterte weiter. Die nächsten Seiten waren mit einem Vorwort vollgeschrieben. Ich beschloss es zu überspringen. Dann kam der Teil, der interessant war. Zauber und ihre Wirkung. Auf jeder Seite stand genau beschrieben, wie der Zauber ausgeführt wurde und wie er wirkte.
„Der Blitzschlag. Nagnami“, stand dort.
„Um Nagnami ausführen zu können, braucht man einige Vorbereitung. Konzentrier dich genau auf dein Ziel. Sei dir darüber bewusst, dass dieser Zauber eine Zeit braucht, bis er trifft. Also bewegliche Ziele sind sehr schwer damit zu treffen. Hast du dein Ziel anvisiert, dann schlag so schnell zu, wie du kannst. Nagnami ist der Zauberspruch. Bist du dir aber sehr sicher, beim Ausführen des Zaubers reicht es, sich das ganze vorzustellen und seine Magie die Arbeit machen zu lassen. Anfänger sollten davon absehen.“
Irgendwie klang das zu einfach. Einen Zauber konnte man doch nicht so einfach ausführen, oder? Probieren wollte ich es nicht. Wer wusste, was passieren konnte. Vielleicht war nicht alles gelogen, was Fantasy in meiner Welt war. Demnach konnte ein Zauber einen selbst Umbringen. Oder ganz nach hinten losgehen. Das war mir zu riskant. Ich legte das Buch auf Seite und wolle mir gerade das erste Dokument nehmen, als es klopfte. Ich zuckte zusammen und sah zu der Türe.
„Hein“, sagte ich unsicher und die Türe wurde geöffnete.
Herein trat ein Priester, mit mehreren Kleidungsstücken in den Händen.
„Mein Herr, ich bringe euch die neue Kleidung“, sagte er und kam auf mich zu.
„Leg sie hier ab“, sagte ich und er legte sie auf den Schreibtisch.
Dann musterte er mich.
„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte ich ihn und er zuckte zusammen.
„Nein, alles in Ordnung. Ich hatte nur schon lange keinen Schamanen mehr zu Gesicht bekommen. Es tut mir leid, wenn ich euch verärgert habe. Seid bitte gnädig“, sagte er und verneigte sich.
Erstaunt erhob ich mich und griff nach dem Stab, den ich an meinen Stuhl gelehnt hatte. Dann ging ich auf ihn zu. Je näher ich kam, desto nervöser wurde er.
„Mache ich euch nervös?“
„Ja, ein wenig.“
„Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Wie auch immer du heißt.“
„Mein Name ist Chin. Ich bin Lis Rechte Hand. In seinem Namen agiere ich.“
„Gut, Chin. Ich danke dir, dass du mir Kleidung gebracht hast. Kann ich irgendetwas für dich tun, um mich erkenntlich zu zeigen?“, fragte ich.
Seine Augen wurden groß und er sah mich an, als hätte ich ihm gerade gesagt, ich sei der Tod selbst.
„Aber Herr, ihr braucht niemandem etwas zurück zu geben. Wir haben unser Leben in den Dienst der Schamanen gestellt. Es gibt nichts, was wir nicht für euch machen würden. Eure Anerkennung reicht uns schon. Also ehrt es mich sehr, dass ihr mir etwas geben wollt, doch ich kann es nicht annehmen.“
So funktionierte das hier. Man tat alles für mich und ich brauchte dafür nichts zu machen. Das konnte doch besser werden, als ich anfangs gedacht hatte. Ich kam mir vor wie ein König.
„Sag mir, Chin. Ich bin ein wenig hungrig. Finde ich hier irgendwo etwas zu essen, oder muss ich es mir selbst zaubern?“
„Nein, mein Herr. Ich werde sofort zu den Köchen gehen und euch etwas zu Essen bringen. Es dauert nur einen Moment. Habt ihr einen Wunsch?“
„Überrasch mich.“
Er nickte und verließ das Zimmer. Keine Zehn Minuten später kam er zurück. Hinter ihm ein weiterer Mann. Er trug eine Platte, die von einer Warmhalteglocke verdeckt war.
„Euer Essen, mein Herr“, sagte Chin und sofort stellte der Mann das Essen auf den Tisch.
Dann hob er die Glocke an und ich sah mir an, was dort lag. Es sah aus, wie ein Fleischgericht.
„Was ist das?“, fragte ich und sah es mir genauer an.
Doch ich konnte nichts erkennen. Zumindest nichts Genaues.
„Das ist die Spezialität dieser Stadt. Man nennt es Boreos Platte. Gemacht aus vielen verschiedenen Fleischsorten, gemischt mit Reis und Pilzen“, sagte Chin und ich nahm mir eine Gabel.
Vorsichtig probierte ich. Die zwei Männer sahen mir genau dabei zu. Warum starrten sie mich so an? Sah ich komisch aus? Oder war etwas mit dem Essen nicht in Ordnung.
„Und?“, fragte Chin, während ich kaute.
Es schmeckte erstaunlich gut dafür, dass es aussah wie ein Schlachtfeld.
„Das ist gut“, sagte ich und die zwei Männer nickten.
Dann verließ der andere das Zimmer und nur Chin blieb zurück. Langsam nahm er auf einem Stuhl vor meinem Schreibtisch Platz.
„Mein Herr, ich würde gerne mehr über euch erfahren. Ihr seht noch sehr jung aus, für einen Schamanen.“
„Gibt es eine Altersbeschränkung?“, fragte ich zwischen zwei Bissen.
„Nein, natürlich nicht. Aber der letzte Schamane war schon erwachsen, als er zu uns kam. Ihr seht aus, als wäret ihr minderjährig.“
„Eigentlich bin ich sechzehn Jahre alt. In meiner Welt war ich damit fast erwachsen.“
„Verstehe. Eins verstehe ich nur nicht. Wie habt ihr vorhin Li geschlagen. Das sollte eigentlich unmöglich sein. Menschen brauchen normal sehr lange, bis sie mit Magie richtig zurechtkommen. Doch ihr scheint schon einiges zu kennen.“
„Der Tiger hat mir ein paar Sachen gezeigt. Seht ihr diesen Falken dort? Das war einmal ein Mensch. Jetzt ist er dazu verdammt mein Begleiter zu sein, bis ich ihn wieder frei gebe.“
„Hat er euch verärgert?“
„Nicht direkt. Er hat mich geschlagen. Mehrere Male“, sagte ich und plötzlich vibrierte mein Handy.
Unsicher zog ich es aus der Tasche und sah es mir an. Ich hatte eine Nachricht erhalten, dass ich mich in einem unbekannten Netz befand. Chin sah sich das Gerät unsicher an.
„Was habt ihr da?“, fragte er und ich sah auf.
„Das ist mein Mobiltelefon“, sagte ich und er hielt mir seine Hand hin.
Vorsichtig reichte ich es ihm. Er sah es sich genau an.
„Ah, ich erinnere mich. Wir hatten hier auch mal so etwas. Doch wir haben diese Technik verbrannt. Unsere Magie ist viel besser, als dieses Zeug“, sagte er und gab mir das Handy zurück.
„Wirklich? Ich hatte bis jetzt den Eindruck, dass ihr technisch nicht sehr weit entwickelt seid“, sagte ich und er lachte.
„Wir haben Magie, Schamane. Technik wie diese, benötigen wir nicht. Außerdem werdet ihr nirgendwo klarere Luft finden, als hier. Keine Autos und keine Kraftwerke. Ohne Strom brauchen wir keine oder. Kerzen haben den gleichen Effekt. Vor allem, wenn man sie mit Magie betreibt. Magie ersetzt wirklich alle menschliche Technik. Deswegen haben wir beschlossen, sie nicht zu verwenden.“
„Kann denn jeder hier zaubern?“, fragte ich und er lachte.
„Nicht jeder. Viele Menschen können es auch nicht. Ihr müsst es so sehen. Diese Stadt ist von mehr als einer Millionen Menschen bewohnt. Davon können offiziell fünftausend Zaubern. Inoffiziell sind es mehr. Und wir reden hier von jedem Menschen, der Magie verwenden kann, egal wie schwach er ist. Das ist zwar mehr, als in jedem anderen Reich, aber immer noch zu wenig, meiner Meinung nach. In einem Kampf braucht es mehr als drei Magier, um einen Schwertkämpfe nieder zu strecken.“
„Wieso das denn? Ich denke, dass kein Schwert jemandem etwas anhaben kann, wenn man zaubert.“
„Richtig. Sollte es auch nicht. Doch unsere Feinde benutzten Zauber und andere Techniken, um die Schwertkämpfer gegen Magie immun zu machen. Das werdet ihr in den nächsten Tagen noch lernen.“
In der Zwischenzeit hatte ich mein Mahl beendet und die Gabel beiseitegelegt.
„Nun denn, mein Herr. Ich werde Morgen dabei sein, wenn man euch den Befehlshabern vorstellt. Schlaft euch aus, denn morgen wird ein sehr anstrengender Tag“, sagte Chin, erhob sich, griff nach der Platte und verließ dann das Zimmer.
Ich sah ihm noch kurz nach und nahm dann die Kleidung, die man mir gebracht hatte. Langsam trug ich sie zu dem Schrank und verstaute sie. Sortiert nach Oberteilen, Hosen und Westen. Sogar Unterwäsche. Wie sollte ich hier eigentlich etwas waschen? Das würde man vermutlich auch für mich erledigen und wenn nicht, ich konnte Zaubern. Ich nahm mir ein Schlafgewand, aus Seide und zog mich um. Kevin setzte ich vorher einen Sichtschutz auf, damit er gar nicht erst auf dumme Ideen kam. Als ich fertig war, legte ich mich in das Bett und sah zur Decke. Es dauerte nicht lange, da schlief ich schon ein.
Ich streunte durch den Tempel, wie ich es immer tat, wenn mir langweilig war. Das kam sehr häufig vor. Nachdem Kai alles wusste, musste ich bis morgen warten, damit ich mit ihm weiterarbeiten konnte. Als Schutzgeist dieses Reiches, was es meine Aufgabe, einen Schamanen auszubilden, der würdig war, unter dem Emblem des Windes zu stehen und diese Stadt verteidigen konnte. Kai hatte großes Potenzial. Doch irgendwie störte mich etwas an ihm. Am meisten die Tatsache, dass unsere Auren sich nicht voneinander unterschieden. Es kam mir beinahe so vor, als würde ich mich selbst ansehen, wenn ich ihn sah.
„Boreos?“, fragte Li und trat zu mir.
Ich blieb stehen. Wir befanden uns gerade im Innenhof, vor Kais Zimmer.
„Ja, Li?“, fragte ich und sah ihn an.
Li ging nirgendwo hin, ohne sein Schwert. Das war auch eine sehr vernünftige Entscheidung. Hier konnte jederzeit ein Angriff passieren. Einen Schamanen hatte ich hier schon an einen Assassinen verloren. Er hatte es zwar selbst nicht überlebt, aber es ärgerte mich trotzdem.
„Was machst du hier? Solltest du nicht bei unserem Schamanen sein?“, fragte er.
„Ich denke, dass ich das gleiche mache, wie du. Nachdenken“, sagte ich und Li lachte.
„Es ist schon eigenartig, dass wir beide diesen Ort dafür aufsuchen, findest du nicht?“
„Wir haben diesen Garten nicht umsonst anlegen lassen“, gab ich zurück.
„Was hältst du von unserem Schamanen, Boreos?“
„Er hat großes Potential. Wenn er eine richtige Ausbildung erhält, kann er dieses Reich würdig verteidigen.“
„Wie konnte er eigentlich vorhin gegen mich gewinnen?“
„Ich habe ihm geholfen. Den Zauber habe ich durch ihn gewirkt, damit es niemandem auffällt.“
„Das erklärt vieles.“
„Du hast ihn ja jetzt auch kennen gelernt. Was hältst du von Kai?“
„Ein guter Name. Ihm fehlt noch ein wenig an Sicherheit. Aber mit ihm lässt sich arbeiten. Seine Gedanken konnte ich ja leider nicht lesen, da du mir da einen Strich durch die Rechnung gemacht hast.“
„Soll ich ehrlich sein? Das war ich gar nicht. Kai hat das von alleine gemacht. Sein Geist ist von einer sehr starken Maur umgeben. Aber schon, seit ich ihn getroffen habe. Deswegen denke ich, hat Mi-Lan ihn auch erschossen.“
„Sie hat ihn erschossen? Warum?“
„Um seine inneren Kern zum Vorschein zu bringen. Mei-Trian hat jetzt aus ihm gemacht, was du sehen kannst.“
„Verstehe. Das erklärt eure Ähnlichkeit.“
„Vom Aussehen her?“
„Und von eurer Aura. Denkst du Shian Hi hat dich erschaffen, anhand dieses Schamanen?“
„Möglich wäre es. Aber ich denke nicht, dass er wusste, wie Kai einmal sein wird.“
„Shian Hi ist Gott der Weisheit. Er wusste alles und würde es heute noch wissen, sofern er leben würde. Es ist eine Schande, dass er Tod ist.“
„Mit ihm haben wir eine Menge verloren. Nicht nur den Frieden. Auch unseren Schutzpatron, den Lotus.“
„Denkst du, er ist wirklich Tod oder versteckt sich nur, bis seine Feinde irgendwann wiederauftauchen?“
„Nein. Das würde ich spüren. Shian Hi hat mich erschaffen. Ein Teil von ihm steckt auch in mir.“
„Dann lohnt sich das Hoffen nicht mehr.“
„Wir sollten niemals die Hoffnung verlieren. Vielleicht ist Kai ja der, der unser Reich wieder zu altem Glanz führen wird.“
„Das kann sein. Wird sich wohl erst zeigen, wenn er ausgebildet ist.“
„Wir müssen ihm noch einen richtigen Kampfstab machen. Oder denkst du mit dem Zauberstab kann er umgehen, als Waffe?“
„Das er ihn genommen hat, wird seinen Grund haben. Aber ich denke nicht, dass es eine würdige Waffe für ihn ist. Das werde ich prüfen, wenn ich beginnen den Nahkampf zu trainieren. Vielleicht wird er mich dann irgendwann ohne deine Hilfe schlagen.“
„Hoffentlich. Sonst haben wir ein kleines Problem.“
„In wie fern?“
„Ein Krieger alleine gewinnt keine Schlacht.“
„Das ist auch wieder wahr.“
Ich ging weiter und Li begleitete mich.
„Morgen haben wir viel Arbeit vor uns. Sehr viel zu reden und Dinge, an die ich nicht einmal denke möchte“, sagte ich und er nickte.
„Das wird wieder ein sehr langweiliger Tag. Aber leider muss es sein.“
„Was ist in meiner Abwesenheit überhaupt passiert?“
„Nichts Aufregendes. Wir haben Bewegungen der Truppen im Wasserreich und Erdreich bemerkt. Sie bewegen sich auf uns zu. Aber wir gehen nicht davon aus, dass von ihnen eine Gefahr ausgeht. Sie würden ohne Magier angreifen.“
„Dann ist es kein Grund zur Sorge. Sonst etwas?“
„Wir haben drei Spione verloren. Sie wurden ermordet, weil ihre Tarnung aufgefallen ist.“
„Ungünstig.“
„Unsere Schmiede haben mit Kais Rüstung bereits begonnen, brauchen aber noch ein wenig Zeit. Sonst war es das alles, was passiert ist.“
„Klingt nicht so, als hätte ich etwas verpasst“, sagte ich und Li nickte.
„Hast du auch nicht. Entschuldige mich. Ich gehe zu den Schmieden und werde die Arbeit überprüfen“, sagte er und ließ mich dann alleine.
Ich stand an dem Pavillon und legte mich zu Boden. Mein Fell wurde von dem Gras gestreichelt, während ich in den Sternenhimmel blickte.
„Hallo, Boreos“, sagte jemand und ich sah nach oben.
Vor mir stand meine Schwester. Die rote Katze. Schutzgeist des Feuers.
„Hallo, Ignisia“, sagte ich und sie kam näher.
Auch wenn sie nur halb so groß war wie ich, hatte sie doch eine stattliche Größe für eine Katze. Sie legte sich neben mich und sah ebenfalls in den Himmel.
„Eine wunderschöne Nacht haben wir, findest du nicht?“
„In der Tat“, sagte ich und sah auch nach oben.
Plötzlich spürte ich die Anwesenheit von jemand anderem. Es war mein Bruder, der braune Wolf. Geist der Erde.
„Darf man sich zu euch legen?“, fragte er und ich nickte.
„Dann sind ja beinah alle versammelt“, sagte er und ich lachte.
„Sekama, du warst schon ewig nicht mehr hier“, sagte ich und der knurrte zustimmend.
„War auch keine Zeit für.“
Ich wollte gerade antworten, als auch die letzte im Bunde zu uns stieß. Aqurilana, Geist des Wassers. Sie sah aus, wie ein blauer Fuchs. Auch sie legte sich zu uns.
„Die Schamanen sind da, oder?“, fragte ich und sie nickten.
„Deiner auch?“, fragte Sekama.
„Schläft gerade dort oben. Sein Name ist Kai. Er ähnelt mir sehr“, sagte ich und die anderen lachten.
„Auch arrogant und größenwahnsinnig?“, fragte Aqurilana.
„Ein wenig, ja.“
„Ich kann nicht verleugnen, dass mein Schamane nicht auch so ist, wie ich. Es ist schon erschreckend.“
„Wie kann so etwas möglich sein? Meinst du, dass Shian Hi wusste, dass diese Schamanen etwas Besonderes sind?“, fragte Sekama.
„Vermag ich nicht zu sagen. Shian Hi wusste eine Menge. Aber ob er die Zukunft kannte, kann ich dir nicht sagen. Aber möglich wäre es.“
„Bleibt nur abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Hoffentlich wird es nicht zu schlimm.“
Ignisia klang irgendwie sehr nachdenklich. So kannte ich sie gar nicht. Normal war meine Schwester immer sehr fröhlich und aufgeweckt. Aber niemals nachdenklich.
„Bedrückt dich etwas?“, fragte ich und sie schüttelte nur ihren Kopf.
„Nein. Ich hoffe nur, dass es nicht erneut zu einem Krieg kommt. Ich fürchte das meine Schamanin sehr geschickt ist und euer Reich unheimlich unter Druck setzten kann, solltet ihr nicht selbst einen gerissenen Schamanen haben.“
„Glaub mir, Schwester. Kai ist gerissen und klug. Er wird sich nicht so leicht überlisten lassen.“
„Abwarten. Ich würde aber ungerne, mehrere Jahre warten, bis der nächste Schamane kommt und das ganze Spiel wieder von vorne losgeht.“
„Solange wir es nicht zulassen, sollte eigentlich nichts passieren“, sagte ich und die Anderen stimmten zu.
Doch reichte mein Einfluss in diesem Reich so weit, dass ich Li wirklich davon abhalten konnte, etwas Unüberlegtes zu tun? Da war ich mir nicht so sicher. Wenn Li wollte, dass man das Erdreich angriff, dann wurde das auch gemacht. Ungeachtet meiner Befehle. Vielleicht respektierte Li mich. Aber nicht so weit, als dass er auf mich hörte.
„Es wird Zeit wieder zu gehen. Die Sonne wird bald aufgehen und ich möchte hier nicht gesehen werden“, sagte Sekama und verschwand wieder.
Die Anderen ebenfalls. Zurück blieb ich. Alleine. Im Innenhof meines Tempels. Langsam schob sich die Sonne über die Stadtmauer. Wieder eine Nacht voller Nachdenklichkeit und mehr. Zum Glück brauchte ich keinen Schlaf. Auch wenn ich eine Katze war, schlief ich so gut wie nie.
Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Ich musste wohl vergessen haben, die Vorhänge zu schließen. Ich streckte mich ausgiebig und sah mich dann um. Das Zimmer sah noch genauso aus, wie gestern. Eigentlich sehr leer für diese Größe. Vorsichtig richtete ich mich auf. Kevin schlief noch ruhig auf seiner Stange. So sah er eigentlich sehr friedlich aus. Ich wollte gerade aufstehen, als es klopfte.
„Herein“, sagte ich und der Tiger betrat das Zimmer.
Hinter ihm zwei Priester mit einem Frühstück.
„Guten Morgen, Kai. Frühstück ist fertig“, sagte er und man stellte es auf mein Bett.
„Danke“, sagte ich und die zwei Priester verließen das Zimmer wieder.
Vorsichtig hob ich die Glocken ab und war beinahe erschlagen. Vor mir lagen Brötchen, Rührei, Fleisch und noch mehr. Fröhlich machte ich mich darüber her, bis nichts mehr da war. Der Tiger saß währenddessen vor meinem Bett und sah mir beim Essen zu. Als ich fertig war, rührte er sich.
„Zieh dir etwas Anständiges an und dann geht es los“, sagte er und ging wieder.
Vorsichtig erhob ich mich und ging zu meinem Schrank. Ich griff hinein und holte mir etwas hervor. Eine Leinenhose, die sehr weit war. Ein Oberteil aus grüner Seide. Es passte zwar sehr gut, sah aber irgendwie so eigenartig aus. Als würde es nicht zu mir passen. Zurück zum Schrank und nachsehen, ob ich noch etwas fand, dass ich noch dazu anziehen konnte. Da war noch eine Weste in der gleichen Farbe. So sah es doch schon besser aus. Ich ging zu der Türe und öffnete sie. Sofort fluteten mir mehrere Stimmen entgegen. Es waren schon viele Menschen in der Halle und unterhielten sich. Neben der Türe standen zwei Krieger, die Wache hielten. Am Thron stand Li, zusammen mit dem Tiger. Chin war auch da. Er stand hinter dem Thron und was er da genau tat, wusste ich nicht. Der Tiger sah zu mir. Sofort wusste ich, dass ich zu ihm gehen sollte. Bevor ich jedoch mein Zimmer verließ, griff ich nach meinem Stab, der neben der Türe stand. Wer ihn dahingestellt hatte, wusste ich nicht. Aber mir war es auch egal. Ich ging los und schloss die Türe hinter mir. Langsam ging ich zu dem Thron. Sofort sahen mich alle an. Recht war mir das nicht. Mein Schweif zuckte unruhig hin und her. Ich versuche ihn zwar ruhig zu halten, aber es war einfach nicht möglich.
„Setz dich“, sagte der Tiger und ich gehorchte.
Sofort nahm er neben mir Platz. Die Männer und Frauen vor uns sahen mich an und schwiegen. Sie trugen, zu großen Teilen, alle Rüstungen. An ihren Hüften hingen Schwerter oder andere Waffen. Li tat vor uns und sah die Menschen an.
„Wohlan, Befehlshaber, Adelige und andere geladene Gäste“, sagte er.
Die Blicke aller wurden auf ihn gerichtet. Keiner sprach mehr.
„Unser neuer Schamane ist angekommen. Wir haben ihn gestern in den Tempel gebracht und heute wird er euch präsentiert. Das ist Lotus, unser Schamane“, sagte Li und zeigte auf mich.
Was? Lotus? Warum denn jetzt einen neuen Namen? Ich sah den Tiger an. Doch er nickte nur. Langsam erhob ich mich und trat vor. Ich blieb neben Li stehen und sah in die Gesichter der Männer und Frauen. Plötzlich knieten sie sich alle hin und verneigten sich.
„Wie ich sehe, akzeptiert ihr ihn. Das ist gut. Erhebt euch“, sagte Li und sie standen alle wieder auf.
Li gab mir zu verstehen wieder Platz zu nehmen.
„Er wird bald ausgebildet. Und wird dann als Herrscher dieses Reiches gelten. Seid ihr damit einverstanden?“
„Wir haben den Schamane gesehen und akzeptieren ihn. Er bekommt unseren Segen“, sagte ein Mann und Li nickte.
„Dann, Chin. Gebe ihm die Krone“, sagte er und Chin kam zu mir.
„Knie nieder, Schamane“, sagte er und ich kniete mich hin.
Langsam setzte er mir eine Krone auf den Kopf. Sie saß um meine Stirn und wurde nur an den Schläfen gehalten. Das war ganz praktisch. So zerstörte sie mir nicht meine Frisur, sofern es eine gab.
„Erhebt euch, Lotus. Herrscher des Windes.“
Langsam stand ich wieder auf und sah mich um. Keiner wagte es etwas zu sagen.
„Lang lebe unser König“, rief Li und ich wurde Rot.
Die anderen stimmten mit ein. König? Das klang irgendwie merkwürdig. König war so ein hartes Wort.
„Nehmt wieder Platz, mein König.“
Ich setzte mich wieder und sah den Tiger an. Er lächelte und sprang dann zu Boden.
„Hört mich an, Edelleute“, sagte er.
Sofort war es wieder still.
„Der Schamane ist ein Magier. Er hat den Zauberstab des Windes als Waffe. Aber wir denken darüber nach, ihm eine neue Waffe zu geben. Das steht aber noch nicht fest. Seine Rüstung wird in diesem Moment hergestellt. Eure Spenden wurden in seine Kleidung investiert und in die Herstellung der Rüstung. Dafür dankt euch der Königshof. Wer den Schamanen genauer kennen lernen will, kann sich gerne eine Audienz geben lassen. Ansonsten würde ich euch bitten ihn nicht mit zu vielen Fragen zu belästigen, denn alles hier ist neu für ihn“, sagte der Tiger und viele der Anwesenden nickten.
„Gut, ihr seid entlassen.“
Langsam leerte sich wieder der Raum. Bis auf eine Hand voll Leuten. Der Tiger sah mich an und die Menschen kamen näher.
„Nun, Lotus. Das eben waren alle Edelleute dieses Reiches. Jetzt stehen nur noch unsere Generäle vor dir. Sie werden sich persönlich bei dir vorstellen“, sagte der Tiger und setzte sich wieder neben mich.
„Einer nach dem anderen bitte“, sagte Li und ein Mann tat vor.
Er war sehr kräftig gebaut und trug ein Schwert. Seine Haare waren kurz und grau.
„Mein Name ist Schera, General der Schwertkämpfer“, sagte der Mann und verneigte sich vor mir.
Er trug einen Umhang. Das gefiel mir unheimlich gut. Es ließ ihn edel wirken. An seiner Hüfte konnte ich ein, mit Diamanten besetztes, Schwert sehen.
„Freut mich euch kennen zu lernen“, sagte ich und er richtete sich wieder auf.
Dann kam er näher zu uns.
„Man munkelt, dass ihr Li bereits geschlagen haben sollt. Ich hoffe, dass wir uns auch bald im Duell begegnen werden“, sagte er und ich lächelte schwach.
„Es wäre mir eine Ehre, euch gegenüber zu treten, wenn ich ein wenig mehr Erfahrung habe“, sagte ich und er lächelte.
„Schamane, ich habe vollstes Vertrauen in eure Fähigkeiten. Egal ob ihr ein Soldat oder Magier seid. Ihr werdet die richtigen Entscheidungen für uns treffen.“
Mir wurde ganz mulmig zumute. Er stellte es so hin, als würde bald alles in dieser Stadt von mir abhängen. Ich hoffte, dass es nicht wirklich so kommen würde. Er ging wieder zurück und der nächste Mann trat vor. Er war sehr jung. Seine Haare waren schwarz und lang. Auf seinem Rücken trug er einen Bogen.
„Schamane, mein Name ist Aran. Ich bin der General der Bogenschützen.“
Auch er verneigte sich.
„Angenehm“, sagte ich und er kam ebenfalls näher.
„Unter einem Schamanen habe ich mir immer etwas anders vorgestellt. Ihr seht noch nicht so ehrfürchtig aus, wie unsre letzten Schamanen. Sehr kindlich. Aber der Schein mag trügen. Ich freue mich schon zu sehen, zu was ihr fähig seid“, sagte er und ging wieder zurück.
Ich sah nicht ehrfürchtig genug aus? Wie konnte das denn sein? Ich sah beinahe aus wie ein Tiger. Für mich war das eigentlich ehrfürchtig genug. Jetzt trat eine Frau vor.
„Hallo, Schamane. Ich bin Gahlia. Die Magierin. Ausbilderin und oberste Hexe wie man mich nennt“, sagte sie und machte einen Knicks.
„Sehr erfreut“, sagte ich und sie kam näher.
„Ich sehe euch an und kann sagen, dass ihr ebenfalls ein Magier seid. Es ist erstaunlich, wie viel Magie ihr in euch tragt. Wenn ihr wollt, kann ich euch das Zaubern beibringen, wenn ihr Probleme damit habt“, sagte sie und ich sah den Tiger an.
„Danke, Gahlia. Aber ich denke, dass es mehr in meiner Macht liegt, ihn auszubilden.“
„Ihr seid ein Spielverderber, Boreos. Lasst mich doch ein wenig mit unserem Schamanen spielen, bevor wir ihn wieder verlieren sollten“, sagte sie.
Irgendwie wirkte ihr Körper sehr anziehen auf mich. Ihre Haare umschmeichelten ihr Gesicht immer wieder. Ihre blonde Farbe war sehr schön anzusehen. Die Augen, grün. Tief grün. Wunderschön. Der Rest ihres Körpers war auch nicht schlecht. Und das Kleid das sie trug war atemberaubend.
„Genug, Gahlia. Verdreh unserem Schamanen nicht direkt den Kopf“, sagte Li und die Frau zwinkerte mir zu.
Dann ging sie zurück. Es waren noch zwei weitere Männer übrig. Sie traten auch Gemeinsam vor.
„Seid gegrüßt Schamane. Ich bin Chin und neben mir steht mein Assistent. Wir sind die Generäle unserer Spione. Wir kümmern uns darum, Informationen aus den anderen Reichen zu erhalten, damit sie uns nicht in den Rücken fallen können“, sagte Chin und verneigte sich.
Sein Kollege ebenfalls.
„Ich hatte mir schon gedacht, dass ihr kein gewöhnlicher Priester seid, Chin“, sagte ich und er lächelte mich an.
„Mit Verlaub, Schamane. Ihr seid auch nicht der, der ihr zu seien scheint. Das spüre ich tief in meinem Inneren. Eure Ausbildung hat oberste Priorität für uns alle. Solltet ihr etwas benötigen, könnt ihr euch jederzeit an uns wenden. Jeder von uns steht in eurem Dienst. Eure Generäle vertrauen auf euch und euer Geschick. Zeigt uns, das ihr würdig seid, dieses Reich zu führen“, sagte er.
Damit stellten sie sich zurück zu den anderen. Jetzt trat Li vor und verneigte sich vor mir.
„Mein Name ist Li, Schamane. Soweit werdet ihr mich schon kennen. Ich bin euer Oberster General und trage alle Informationen zu euch. Wenn ihr so wollt, bin ich euer verlängerter Arm. Ihr könnt euch immer auf mich verlassen“, sagte er.
„Danke, dass ihr mir alle solch ein Vertrauen entgegenbringt. Ich hoffe, dass ich eure Erwartungen erfüllen kann“, sagte ich und sie nickten alle.
„Es war uns eine Freude euch kennen zu lernen, Schamane. Wir werden jetzt unserer Arbeit weiter nachgehen. Habt noch einen angenehmen Tag, Schamane“, sagte Chin und damit verließen sie den Raum.
Der Tiger, Li und ich blieben alleine. Ich ließ mich nach hinten fallen und lehnte mich gegen die Rückenlehne.
„War das zu viel für euch, Schamane?“, fragte Li mich.
„Zu viel kann man nicht sagen. Ich habe nur nicht erwartet, dass so viele Erwartungen auf mir lasten. Es klang ein wenig, als würde ich das Kernstück dieser Stadt werden“, sagte ich und Li nickte.
„Es wird nicht so schlimm, wie ihr euch das vorstellen mögt. Doch ja, ihr seid wirklich unser Anführer. Viele Entscheidungen müssen bald von euch getroffen werden. Aber davor müssen wir euch noch ausbilden. Wollt ihr vielleicht einen erneuten Kampf gegen mich?“, fragte er und zog sein Schwert, ohne auf meine Antwort zu warten.
Die Worte des Tigers hallten mir wieder durch den Kopf. Li würde kämpfen, egal was ich sagte. Also erhob ich mich und nahm meinen Stab. Sofort ging ich in Kampfstellung.
„Bereit“, sagte ich und Li schnellte wieder nach vorne, wie gestern auch schon.
Seinen Schlag konnte ich diesmal blocken. Mir wurde nicht einmal der Stab aus den Händen geschlagen. Ich hielt seinem Angriff stand. Doch Li lehnte sich mit aller Kraft dagegen. Ich rutschte leicht nach hinten, bis ich gegen die Stufen zum Thron stieß. Langsam schloss ich meine Augen und konzentrierte mich auf Li.
„Zurück“, rief ich und sofort wurde er nach hinten geworfen.
Erstaunt sah er mich an. Doch der nächste Angriff kam sofort nach. Diesmal duckte ich mich darunter hindurch und schlug gegen Lis Beine. Erstaunlicherweise brachte ich ihn sogar zu fall. Er schlug auf den Boden und ließ sein Schwert fallen. Ich sah ihn an und sah ein Lächeln in seinem Gesicht.
„Vortrefflich, Schamane. Ihr habt mich sehr überrascht. Ohne Hilfe habt ihr mich geschlagen“, sagte er und ich hielt ihm meine Hand hin.
Ich half ihm beim Aufstehen und ließ dann sein Schwert zu mir kommen. Dankend nahm er es entgegen.
„Darf ich euch vielleicht etwas zeigen?“, fragte er und ich nickte.
Sofort zog er mich mit sich. Der Tiger blieb zurück und legte sich auf den Thron. Wollte er nicht mitkommen? War auch eigentlich egal. Li führte mich durch lange Gänge, bis wir vor einem Raum zum Stehen kamen. In ihm befanden sich viele Regale. Also eine Bibliothek. Li trat ein und ich folgte ihm. In der Mitte des Raumes stand ein Tisch, auf dem eine Karte lag.
„Seht ihr das, Schamane? Diese Karte zeigt die ganze Welt. Im Westen, also hier, ist unser Reich“, sagte er und zeigte auf einen großen Fleck Land. Im Vergleich zu den anderen war er sehr groß.
„Unsere Nachbarn sind, im Norden, das Erdreich und, im Süden, das Wasserreich. Östlich liegt das Feuerreich. Mit ihnen haben wir immer wieder ein wenig Streit. Diese drei Reiche arbeiten daran, uns zu schaden, da wir das größte und fortschrittlichste Reich sind. Alleine wissen sie genau, dass sie keine Chance haben. Und um uns vor ihren Übergriffen zu schützen, greifen wir sie von Zeit zu Zeit an, um ihnen zu zeigen, wie stark wir immer noch sind.“
„Was ist mit dem Land in der Mitte? Wem gehört das?“, fragte ich und sah ihn an.
„Dieses Land ist neutral. Dort leben viele magische Wesen. Seht her. Dies ist der Nachtwald. Ihn zu durchqueren ist unmöglich. Niemand weiß, was dort lauert, denn nie ist jemand zurückgekommen. Die Berge in der Mitte werden Götterberge genannt. Warum? Weil Jaiken das Reich der Götter, dort oben liegt. Kein Sterblicher kann sich ihm nähern, ohne zerschmettert zu werden. Hier unten, haben wir die große Wüste Jongba. In ihr herrschen Temperaturen, die niemand außer den ansässigen Kreaturen aushält. Dort liegt der Weisheitssee. Eine sehr friedliche Gegend, bewohnt von sehr friedlichen Wesen, die niemandem etwas zu Leide tun wollen. Und zum Schluss gibt es noch das Vulkanland, Bakama und das vergiftete Land. In Bakama leben Drachen und andere fürchterliche Feuerwesen, die wir noch nicht alle erforscht haben.“
„Und warum ist das Land vergiftet?“, fragte ich ihn neugierig.
Li atmete aus und schwieg eine Zeit lang.
„Einst herrschte hier ein Dämon über uns. Sein Name war Zymerana. Er war ein Lotus. Seine einzige Freude war es, den Menschen die Liebe zu klauen, die sie in sich trugen. Das hat die Menschen vergiftet. Nachdem er gestorben ist, war dieses Land unbewohnbar und wurde von einer unheimlichen Krankheit heimgesucht, die alle Menschen in Monster verwandelte. Seit dem, kann niemand mehr dorthin gehen, ohne getötet zu werden. Es sei denn, er wird selbst zum Monster.“
„Verstehe. Gut zu wissen, was es hier alles gibt“, sagte ich und er nickte.
„Nun schaut her. Das ist eine Karte des Wasserreichs. Ihr könnt sehen, dass ihre Städte sehr klein sind und nicht wirklich von vielen Menschen bewohnt. Dennoch gehen sie sehr aggressiv gegen uns vor. Wir sollten in der nächsten Zeit einen Angriff gegen sie führen, damit sie wissen, mit wen sie es zu tun haben“, sagte Li und ich nickte.
Das klang alles sehr logisch.
„Und was soll ich jetzt machen?“, fragte ich und er lächelte.
Sofort erschienen mehrere Punkte auf der Karte.
„Ihr seht, das ist unsere Streitmacht. Für einen Angriff dieses Reiches, bräuchten wir nur einen kleinen Teil. Das würde schon reichen, ihnen einen harten Schlag zu verpassen und sie daran zu erinnern, wer hier das Sagen hat. Aber wir brauchen eine Strategie, um einen effektiven Angriff zu führen. Fällt euch etwas ein?“, fragte er und ich sah es mir genauer an.
Die Armee bestand aus maximal fünfhundert Soldaten, achtzig Bogenschützen und sechs Magiern.
„Was hat unser Gegner zur Verfügung?“, fragte ich und weitere Punkte erschienen.
Aha. Ihr Militär war nicht einmal halb so groß, wie unseres. Warum nur Respekt einfordern, wenn man das ganze Reich übernehmen konnte?
„Seid ihr sicher, dass ihr euch nur Respekt verschaffen wollt?“, fragte ich und er sah mich an.
„Ja, sicher. Wieso fragt ihr?“
Ich bewegte kurz meine Hand über die Karte und positionierte unsere Einheiten neu.
„Seht euch das einmal an. Wenn wir ihnen hier unten in die Flanke fallen, werden sie gezwungen sein, dort zu verteidigen. Ihre Kampfkraft würde nicht ausreichen, dann auch noch ihre anderen Fronten zu verteidigen und da kommen dann die restlichen Soldaten ins Spiel. Sie werden von dieser Seite angreifen und den Gegner somit zwingen seine, ohnehin schon geringen Truppen zu teilen. Damit kämpfen wir an zwei Fronten, die wir gar nicht verlieren können. Es würde vielleicht, je nach ihrem Können, fünfzehn Soldaten fallen. Ich kenne die Armee unseres Feindes nicht, aber von der Größe her würde es so funktionieren.“
Li sah sich die Karte genau an.
„Das ist Brillant, Schamane. So könnten wir das Reich komplett dem Erdboden gleichmachen. Aber eins haben wir nicht bedacht. Sie haben ebenfalls einen Schamanen.“
„Wenn er den gleichen Kenntnisstand hat, wie ich, dann werden wir keine Probleme bekommen. Schlagen wir jetzt zu, können wir ihn direkt vernichten.“
„Ihr überrascht mich, Schamane“, sagte er und ich lächelte.
Dann ließ ich die Punkte wieder verschwinden.
„Aber vielleicht sollten wir es auch einfach darauf beruhen lassen. Wenn wir den Hass noch weiter Schüren, dann wird es niemals zu einem Ende kommen. Und ein ganzes Reich von der Landkarte zu nehmen, würde uns auch nicht helfen. Dadurch würde nur der Hass der Anderen weiter Geschürt und wir sähen uns heftigeren Attacken von Feuer und Erde ausgesetzt. Vermutlich müssten wir das Wasserreich schnell aufgeben und unsere eigene Stadt verteidigen. Somit hätten wir nichts gewonnen, aber viel verloren.“
Li sah mich an und nickte. Doch irgendwie kam es mir so vor, als würde er meine Warnung ignorieren und dennoch diesen Angriff durchführen wollen.
„Gut, Schamane. Sollten wir erneut einen Rat brauchen, der taktischer Natur ist, würde es mich sehr freuen, wenn ihr uns wieder zur Seite stehen würdet.“
„Mit Sicherheit. Ihr wisst ja, wo ihr mich finden könnt“, sagte ich.
„Eure Rüstung sollte beinahe fertig sein. Wollt ihr sie sehen?“, fragte er und ich nickte.
Zusammen gingen wir durch den Tempel, bis wir ins Freie traten. Die Sonne hatte ihren höchsten stand schon erreicht. Also war es Mittag. Wir gingen über das Tempelgelände. Vorbei an vielen Trainingsfeldern, auf denen Soldaten trainierten. Abseits davon lagen mehrere Schmieden. In ihnen arbeiteten viele Schmiede, die Schwerter oder Rüstungen fertigten. Einige von ihnen schmiedeten gerade Pfeilspitzen. Li ging unbeirrt weiter. Vor der größten Schmiede machte er halt. Hier rannten viele Männer durch die Gegend. Als sie Li bemerkten, ließen sie sofort alles stehen und liegen und sahen nur ihn an.
„Hallo, Schmiede. Ich habe den Schamanen bei mir. Ist seine Rüstung schon fertig?“, fragte Li und ein Mann trat vor.
Schmiede waren generell sehr kräftig. Sie mussten den ganzen Tag mit ihrem Hammer Metall bearbeiten. Das sie Muskeln hatten, war klar. Der Mann vor uns sah schon etwas älter aus. Seine Haare waren beinahe alle ausgefallen. Sein Gesicht war schwarz vom Ruß.
„Beinahe, Li. Wir arbeiten, so schnell wir können. Aber wenn ihr schon einmal hier seid, darf ich mir den Schamanen ansehen und sehen, ob wir die Maße richtig gewählt haben?“
„Wenn er nichts dagegen hat“, sagte Li und trat einen Schritt zur Seite.
Sofort musterte mich der Mann.
„Willkommen in meiner Schmiede, Schamane. Ich bin Kemitsu. Darf ich vielleicht euren Körper ein wenig vermessen, damit wir eure Rüstung optimal anpassen können?“, fragte er und ich nickte nur.
Sofort kam er zu mir und musterte mich von allen Seiten. Dann nahm er einen Hammer und hielt ihn wieder und wieder an meinem Körper an.
„Verstehe. He, Georg“, rief er und ein weiterer Mann kam.
„Was ist?“, fragte er.
„Macht den Brustpanzer größer. Dieser Junge ist muskulöser, als man vermuten mag. Die Arme sind ein wenig zu lang und die Beine müssen wir auch ein wenig anpassen. Kriegt ihr das hin?“, fragte er.
„Sicher doch. Hast du die Maße?“
„Bring mir die Teile und ich kann sie ihm direkt anhalten“, sagte er und Georg pfiff einmal.
Sofort kamen mehrere junge Schmiede gelaufen. Sie trugen mehrere Rüstungsteile bei sich. Kemitsu nahm sie einzeln und zog sie mir an. Ich war erstaunt, wie leicht alles wirkte. Dazu passte es beinahe perfekt. Unglaublich. Diese Männer hatten mich nie gesehen und eine perfekte Rüstung gefertigt.
„Siehst du?“, fragte Kemitsu und Georg kam näher.
„Ach du meine Güte. Sein Oberkörper ist wirklich größer, als man das vermuten mag. Ziemlich viele Muskeln, für einen Magier, oder?“, fragte er und Kemitsu lachte.
Er nahm das letzte Teil der Rüstung. Stiefel. Fragend sah ich ihn an.
„Probiert sie“, sagte er und nahm sie unsicher entgegen.
„Und wie stellt ihr euch das vor?“, fragte ich und er sah mich fragend an.
„Soll ich euch vielleicht zeigen, wie man Stiefel anzieht?“, fragte er.
„Unter normalen Umständen nicht, aber wie soll ich Stiefel über diese Tigerpranken bekommen?“, fragte ich und zeigt nach unten.
Er kräuselte seine Lippen.
„Das stellt uns jetzt vor ein kleines Problem.“
„Ich glaube aber, dass ich da eine Lösung habe“, sagte Georg und schickte einen Lehrling weg.
Er kam mit einer Lederkonstruktion zurück.
„Das sind Protektoren für Boreos. Er hat das gleiche Problem wie ihr. Versucht es einmal“, sagte er und ich nahm sie entgegen.
Es waren keine Stiefel. Mehr nur Knieschoner, die meine Unterschenkel schützten. Unter ihnen war ein Lederband montiert, durch das ich meine Füße stecken konnte. Das tat ich auch. Sie passten nicht wirklich, weil der Tiger völlig andere Beine hatte. Aber immerhin würde ich so etwas tragen können.
„Kann ich immerhin anziehen“, sagte ich und Kemitsu nickte.
„Dann weiß ich, wie wir das Problem aus der Welt schaffen können“, sagte er und ich gab ihnen die Protektoren zurück.
Georg ließ sie fortbringen und sah mich dann wieder an.
„Ihr seid der erste Schamane, der uns vor solch eine Herausforderung stellt. Aber wir lieben nun einmal die Herausforderung. Wir lautete eigentlich euer Name?“, fragte er und ich wollte gerade antworten, als Li mir zuvorkam.
„Er heißt Lotus. Wie unser einstiger Herrscher“, sagte er und Georg nickte.
„Ein sehr starker Name. Hoffentlich macht ihr ihm alle Ehren.“
Ich wusste nicht einmal, wer dieser Lotus war. Aber nun ja. Ich würde immerhin alles geben, was ich konnte. Mehr würde auch niemand von mir verlangen können. Denn es war nun einmal nicht mehr drin.
„Das wird er, da bin ich mir sicher“, sagte Kemitsu und nahm einen Kohlestift.
Damit malte er auf der Rüstung herum.
„Anpassen, Georg und zwar so schnell wie möglich“, sagte er und Georg nickte.
Die Lehrlinge nahmen mir die Rüstungsteile wieder ab. Eigentlich war es erstaunlich. Ich hatte kaum Panzerung. Nur die Brust, ein wenig an den Arme und die Beine. Der Bauch war vollkommen ungeschützt. Ob das so gewollt war, wusste ich nicht.
„Als dann, Lotus. Es war mir ein Vergnügen euch kennen zu lernen. Ich werde eure Rüstung anpassen lassen und dann zu euch kommen, wenn sie fertig ist. Du solltest ihn auch zu den Schneidern bringen, Li. Sie werden den Rest auch anpassen müssen, bevor wir ihn anbringen können“, sagte er und Li nickte.
„Mach ich. Viel Erfolg noch, Kemitsu“, sagte Li und der Schmied ging.
Ich sah Li an und er lächelte.
„Sie arbeiten sehr hart daran, euch zu schützen, Schamane. Euch zu verlieren wäre einer Katastrophe gleichen. Kommt jetzt. Der andere Teil euer Rüstung wird bei den Schneidern gefertigt.“
Zusammen gingen wir weiter. Zurück an den Trainingsplätzen vorbei. Ich konnte Aran sehen, wie er mit einigen Bogenschützen das Schießen übte. Schera stand auch nicht weit und übte mit einigen Soldaten. Mit minder lauter Stimme und schlagkräftigen Argumenten brachte er sie dazu, das zu machen was er wollte. Plötzlich blieb Li stehen und Gahlia kreuzte unseren Weg. Sie wurde von vielen jungen Mädchen und Jungs verfolgt. Sie blieb ebenfalls stehen.
„Geht schon einmal voraus, Schüler. Ich möchte eben noch mit unserem Schamanen reden“, sagte sie und die Meute zog weiter.
„So sieht man sich wieder, Schamane. Ich hatte gar nicht gedacht, dass wir uns so früh wiedersehen würden.“
„Es freut mich auch euch zu sehen, Gahlia“, sagte ich und versuchte sehr höflich zu klingen.
„Ihr seid viel zu förmlich, Schamane. Ein Mann muss einer Frau zeigen, wie stark er ist. Und das macht er hier, wie Li auch immer, mit herablassenden Bemerkungen und nicht minder herablassenden Gesten“, sagte sie.
„Verzeiht, doch es liegt mir fern euch zu beleidigen.“
„Wie süß ihr doch seid. Denkt ihr, ihr könnt mir nachher eine Stunde eurer Zeit schenken und mich zum Essen begleiten?“, fragte sie.
„Ich denke, dass wird sich einrichten lassen“, sagte ich und sie lächelte.
„Dann hole ich euch ab, wenn ich fertig mit meinen Schülern bin.“
Sie ging weiter und winkte mir noch kurz zu. Ich sah ihr nach. Diese Frau war irgendwie so anziehend.
„Schamane, nehmt euch vor ihr in Acht. Gahlia benutzt Magie, um Männer anzuziehen. Seht euch also besonders vor“, sagte er und ich nickte.
Das erklärte natürlich einiges. Wenn sie Zauber verwendete, dann war es klar, dass ich ihr so verfiel, ohne es mir erklären zu können. Oder war das wirkliche Liebe? Aber eigentlich nicht so schnell. Li ging weiter und ich dachte weiter darüber nach, wie Gahlia mir den Kopf verdrehte. Wir erreichten einige Häuser, abseits aller Trainingsplätze. Li steuerte eines davon an. Woher er wusste, dass es das richtige war, wusste ich nicht, denn sie sahen alle gleich aus. Eine Beschreibung des Hauses hätte mir nicht geholfen. Selbst eine Hausnummer nicht, denn die gab es nicht. Im Innern des Hauses saßen viele Frauen an Webstühlen oder an Tischen und nähten.
„Willkommen, Li“, sagte eine Frau und trat vor uns.
An ihrem Arm trug sie ein Nadelkissen, mit vielen Stecknadeln.
„Und Besuch hast du mir mitgebracht“, sagte die Frau und kam zu mir.
Sie war sehr wohl genährt und trug ein langes Kleid in Weiß. Ihre roten Haare waren zu einem Zopf gebunden.
„Ich bin Lotus“, sagte ich und sie sah mich genau an.
„Lotus? Ein sehr ungewöhnlicher Name, für einen Jungen. Was genau machst du hier? Brauchst du Kleidung? Oder vielleicht eher eine Beratung bei der Farbwahl? Dieses Grün passt doch überhaupt nicht zu der Hose. Und über solch ein Seidengewand zieht man keine Weste an. Ihr habt nicht wirklich Geschmack für Mode, oder? Lasst mich mal machen, das bekommen wir besser hin“, sagte sie und bevor Li oder ich etwas sagen konnten, zog sie mich davon.
Vorbei an viele Näherinnen, die nicht einmal aufsahen.
„Gertrude“, rief sie und eine Frau kam zu uns.
Sie war noch sehr jung und vermutlich ein Lehrling.
„Ja, Herrin?“, fragte sie und die Frau sah sie an.
„Bring mir flott ein paar Farbmotive“, sagte sie.
Sofort lief das Mädchen davon.
„Mein Name ist übrigens Ursula. Ich bin die Schneiderin dieses Reiches. Schamanen habe ich schon eingekleidet. Also werdet ihr auch kein Problem sein. Ein Freund von Li ist auch mein Freund. Also. Seht doch bitte einmal in diesen Spiegel. Diese Grüntöne passen nicht zusammen. Hell- und Dunkelgrün. Schöner Kontrast aber nicht tragbar. Auf ein helles Grün müsst ihr am besten keinen Kontrast anziehen. Oder wenn dann schwarz und auch nur einen Umhang. So diese Weste muss weg. Wer hat die denn gemacht? Das ist doch totaler Müll. Hach, wenn man auch immer nur das billige Zeug auf dem Markt kauft.“
Sie zog mir die Weste aus und warf sie weg.
„So, die Seide ist blickdichter, als ihr denken mögt. Woher kommen eigentlich diese Streifen? Hach, das geht doch nicht. Habt ihr euch am ganzen Körper angemalt? Nein, nein und nochmals nein. Seide könnt ihr dann nicht tragen“, sagte sie und nahm seine Schere.
Sofort zerschnitt sie das Oberteil und funktionierte es so zur Weste um.
„So, seht ihr? Ihr braucht euch für euren Körper nicht zu schämen. Dick seid ihr beim besten Willen nicht. Und wenn ihr bei den Damen gut ankommen wollt, dann zeigt ruhig was ihr habt. Und ihr habt eine Menge davon. So mal sehen. Diese Hose ist in Ordnung. Könnt ihr vielleicht diese Tigerpranken loswerden? Irgendwie zerstören sie das Gesamtbild.“
Ich wollte gerade antworten, als sie mir ins Wort fiel.
„Ihr könnt doch nur ein Magier sein. Eure Augen habt ihr auch verändert? Gold? Ist das euer Ernst? Nein, so geht das nicht. Und weg mit diesen Ohren“, sagte sie und griff danach.
Ein stechender Schmerz zog mir durch den Kopf, als sie daran zog. Sofort heulte ich auf. Erstaunt ließ sie los.
„Die sind echt? Hmm na gut, dann lassen wir sie da. Aber daran solltet ihr etwas ändern.“
Der Lehrling kam mit einigen Stofffetzen zurück und reichte sie Ursula. Li kam ebenfalls zu uns und sah der Frau bei der Arbeit zu.
„Also, seht ihr das? Mit den Ohren passen mehr die helleren Farben zu euch. Mehr Kontrast. Ihr seid ein Sommertyp. Das heißt helle Farben. Orange, Rot, Gelb und Hellblau. Vielleicht noch ein wenig helles Grün. Doch das kann schnell nach hinten losgehen davon würde ich abraten. Guckt mal. Gelb passt doch perfekt. Gertrude haben wir gerade ein Oberteil in Gelb da?“, fragte sie und das Mädchen nicke.
„Ja. Es ist gerade eins fertig geworden“, sagte sie und Ursula nickte.
„Bring es mir.“
Sofort lief das Mädchen davon. Ursula sah Li an.
„Wie konntest du den armen Jungen denn so rumlaufen lassen? Das war doch ein Verbrechen am Auge. Also wirklich, Schatz. Du solltest dich was schämen“, sagte sie und ich sah Li erstaunt an.
Schatz? Das war Lis Frau?
„Liebling, du weißt doch. Ich habe so viel Sinn für Mode wie ein Stein. Nur er weiß immerhin sein erhellendes grau zu tragen“, sagte er und ich musste lachen.
„So geht das nicht. Wo hast du den armen denn heute schon hingeschleppt? Ich hoffe zu keiner wichtigen Veranstaltung. So kannst du deinen Lehrling doch nirgendwo mit hinnehmen, ohne dich schämen zu müssen.“
„Ich habe ihn allen wichtigen Personen dieses Reiches vorgestellt.“
Ursula schlug sich an den Kopf.
„Wirklich allen? Sag mir bitte, das, das ein Scherz war.“
„War es nicht.“
Sie schüttelte nur ihren Kopf.
„Junge, hör niemals auf meinen Mann, wenn er dir sagt, was du anziehen sollst. Egal was du tust. Mach immer das Gegenteil von dem was er sagt.“
Gertrude kam zurück und reichte der Frau ein gelbes Oberteil. Dankend nahm sie es entgegen und reichte es dann mir.
„Anziehen“, befahl sie und ich gehorchte.
Ich zog das momentane Oberteil aus und nahm das neue. Ich konnte in Gertrudes Blick genau lesen, dass ihr gefiel, was sie sah. Schnell zog ich mir das Oberteil an und sah in den Spiegel. Sofort wirkte mein Gesicht viel freundlicher und meine Frisur kam mehr zur Geltung.
„Seht ihr? Gleich viel besser. Wo auch immer ihr diesen anderen Fetzten herbekommen habt. Vergesst ihn. Säubert am besten euren Kleiderschrank von euren alten Sachen und investiert ein wenig Gold in unsere Kleidung. Glaubt mir, es wird sich lohnen.“
„Schatz, wir haben eine Menge Geld in seine Kleidung investiert und deswegen sind wir eigentlich hier. Das ist unser Schamane“, sagte Li und Gertrude fiel sofort auf die Knie.
Nur Ursula schien diese Information kalt zu lassen.
„Dann ist das ein besonderer Grund, dass ich mir ansehe, was ihr ihm für Kleidung gegeben habt. Diese Fummel waren doch im letzten Jahrhundert modern. Doch jetzt nicht mehr. Mode ist wie Krieg, Schatz. Niemals gleich.“
Das war ein sehr makabrerer Vergleich für meinen Geschmack.
„Gut. Gertrude, bring sofort die Rüstung“, sagte sie und sofort lief das Mädchen davon.
„Also Schamane, hmm? Das erklärt natürlich dein merkwürdiges Aussehen. Ich werde dich gleich begleiten und mir ansehen, was man dir für Kleidung gegeben hat. Ich hoffe nicht die Fummel des alten Schamanen. Er hatte noch weniger Sinn für Mode, als du. Außerdem war er ein Wintertyp. Das passt gar nicht zu dir“, sagte sie.
Ich wollte gerade etwas sagen, als mehrere Frauen mit einer Kleidung zu uns kamen. Sie war in Orange und Gelb gehalten. Dazu eine Hose in einem dunklen Grün. Sogar einen goldenen Umhang hatten sie angebracht.
„Anziehen“, befahl sie und ich gehorchte.
Doch dafür würde ich doch die Hosen runterlassen müssen, oder? Das war mir eigentlich nicht so recht.
„Umdrehen, Mädchen“, sagte Ursula und enttäuscht stöhnten sie auf.
„Jetzt kannst du.“
Langsam begann ich mich zu entkleiden. Als ich fertig war, nahm Ursula die Kleidung half mir beim Anziehen. Das Oberteil war sehr großzügig geschnitten, um den Bauch herum. Nur an der Brust und den Schultern war es zu eng. Sonst passte alles sehr gut. Die Ärmel waren mit einem Gummi ausgestattet. Sie passten genau auf meine Handgelenke und so waren sie niemals zu lang. Der Umhang gefiel mir sehr gut. Auf ihm war das Emblem dieses Reiches aufgestickt.
„Das passt nicht. Am Bauch zu viel an den Schultern zu wenig. Du bist doch Muskulöser, als ich gedacht habe. Der Tiger hatte nur ein verschwommenes Bild von dir geschickt. Das müssen wir Anpassen. Mädchen, anpassen“, sagte sie und sofort drehten die Mädchen sich alle um.
Sie kamen zu mir und sahen sich alles genau an. Einige von ihnen zogen Stecknadeln und rupften dann die Kleidung zurecht, sodass sie richtig saß. Das taten sie einige Zeit lang, bis Ursula mein Schweif auffiel.
„Ach du meine Güte. Nein, die Hose geht gar nicht. Wenn ihr so herumlauft, dann entblößt ihr nur euer Gesäß“, sagte sie und nahm sich einen Stift.
Sie zog die Hose nach oben und ich spürte sofort den Druck an meinem Schweif. Sie malte kurz etwas und ließ die Hose dann wieder fallen.
„Fertig, Mädels?“, fragte sie und die Mädchen zupften hektischer an der Kleidung.
„Ihr sollt ihn nicht begrapschen, ihr sollt die Kleidung zurecht ziehen“, sagte sie und beschämt traten die Mädchen zurück.
„Ich weiß, dass er Attraktiv wirken mag. Aber reißt euch bitte zusammen. Der Schamane braucht eine anständige Kleidung zu seiner Rüstung.“
Langsam machten die Mädchen weiter und zupften jetzt an völlig neuen Stellen. Kurze Zeit später traten sie zurück und sahen Ursula an.
„Fertig“, sagte Gertrude und Ursula ging um mich herum.
„Das gefällt mir noch nicht“, sagte sie und zupfte weiter rum.
Offenbar passte ihr nie etwas.
„Fertig. Ja, so könnte das klappen. An den Schultern mehr und am Bauch weniger. Die Hose anpassen und fertig. Gut, Mädchen. Umdrehen und dann die Rüstung anpassen“, sagte sie und sofort drehten sie sich um.
Sie half mir beim Ausziehen und gab die Rüstung dann den Mädchen. Ich zog mir meine Hose wieder an und sah dann zu den Mädchen. Sie standen ein wenig abseits und starrten mich an.
„Wollt ihr wohl?“, frage Ursula und sie wollten gerade gehen, als ich sie aufhielt.
„Wartet noch einen Moment“, sagte ich und ging auf sie zu.
Ich nahm mein Oberteil zwar mit, aber zog es nicht an. Die Mädchen rührten sich nicht von der Stelle, als ich auf sie zuging.
„Es ist sehr ungewohnt für mich, dass die Frauen mich ansehen. Aber wenn ihr wollt, könntet ihr mich besuchen, im Tempel. Dann können wir uns ein wenig näher kennen lernen“, sagte ich und einige von ihnen wurden Rot.
„Ich habe Morgen frei. Hättet ihr da Zeit?“, fragte Gertrude und ich sah sie an.
„Aber gerne doch. Wann immer es euch passt. Kommt einfach in den Thronsaal, da werdet ihr mich finden“, sagte ich und zog mir das Oberteil wieder an.
„Dann bis morgen“, sagte sie und dann gingen die Mädchen.
Ich sah zu Li und Ursula. Sie standen lächelnd dort und sahen zu mir. Langsam ging ich zu ihnen zurück. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht? Das wäre mein erstes richtiges Date, mit einem Mädchen. Im Nachhinein eigentlich keine gute Idee, sie zu fragen.
„Du bist ja ein richtiger Herzensbrecher“, sagte Ursula und Li lachte.
„Die Frauen fliegen ihm zu. Perfekter Körper und Macht. Dass wollen die Frauen, Lotus“, sagte er und ich wurde rot.
„Das braucht dir doch nicht peinlich zu sein“, sagte Ursula und stieß mich an.
„Es ist nur, das wäre mein erstes Date“, sagte ich und sie lachten.
„Wird ja auch langsam Zeit, dafür.“
„Nun gut. Wir müssen zurück in den Tempel. Gahlia will sich mit ihm zum Essen treffen“, sagte Li und seine Frau sah ihn an.
„Ich gehe mit. Für diesen Anlass sollte er gut gekleidet sein. Mal sehen, ob ich aus diesen alten Fummeln noch etwas zusammenstellen kann.“
Zusammen gingen wir in den Tempel zurück. Der Tiger war nirgendwo zu sehen. Er musste wohl irgendwo anders sein. Wir betraten mein Zimmer und fanden einen Mann vor. Sofort schreckte er hoch und sah uns an. Er stand an meinem Schreibtisch und hatte einige Dokumente durcheinandergeworfen. Jetzt stand er mit dem Rücken zum Tisch und atmete schnell.
„Was habt ihr hier zu suchen?“, frage Li und der Mann griff panisch in seinen Mantel.
Er trug einen weiten Mantel über seinem Oberteil. Die Haare waren kurz und braun. Dann fand er, was er wohl gesucht hatte. Einen Dolch.
„Keinen Schritt näher“, sagte er panisch und richtete den Dolch auf Li, der gerade auf den Mann zu gehen wollte.
„Lass das Brotmesser fallen. Sonst wirst du es bereuen.“
Doch der Mann machte keine Anstalten auf Li zu hören. Im Gegenteil er schnellte nach vorne und wollte gerade nach ihm schlagen, als ich nach meinem Stab griff und ihn auf den Boden schlug. Sofort war der Mann gefesselt und konnte sich nicht mehr bewegen.
„Sehr gut gemacht, Lotus“, sagte Li und ich nickte.
„Ich kenne dich. Du bist einer von Chins Männern. Was hast du hier zu suchen?“
Keine Antwort. War auch zu erwarten. Ich wusste nicht einmal selbst, ob ich jetzt antworten würde oder nicht. Aber wenn ich etwas zu verbergen hätte nicht.
„Du willst also nicht? Ich warne dich schon mal vor. Der Schamane und ich haben unsere Methoden, Informationen aus dir heraus zu bekommen. Und das willst du nicht miterleben. Also rate ich dir zu sprechen“, sagte Li und der Mann öffnete seinen Mund.
„Lang lebe das Feuerreich“, sagte er.
Sofort zog Li sein Schwert. Ich drehte mich um, denn das wollte ich nicht mitansehen. Ein gezielter Schlag und es war vorbei.
„Spione. Man darf wirklich niemandem mehr trauen“, sagte Li und sah mich an.
„Schamane, ich entschuldige mich, für was hier vorgefallen ist. Seid versichert, dass wir alles tun, um eure Sicherheit garantieren zu können.“
Natürlich taten sie das. Ich bekam eine Rüstung und Waffe. Wenn ich jetzt noch besser Zauber konnte, dann würde ich mich ja quasi selbst verteidigen.
„Das denke ich mir. So etwas kann passieren. Wenn es seine Entscheidung war, überzulaufen, sollten wir das respektieren“, sagte ich und Li lachte.
„Das haben wir. In Form seiner Strafe. Ich bin gleich wieder da. Kümmere mich nur schnell darum, dass dieser Unrat beseitigt wird.“
Ursula stand neben mir und sah völlig teilnahmslos zu. Ihr schien das alles egal zu sein. Nachdem Li gegangen war, fragt sie: „Es sind finstere Zeiten. Nicht einmal die Schamanen sind noch heilig. Wo soll das noch enden?“
„Vermutlich wird es nie enden“, sagte ich und sie lachte.
„Ihr fangt langsam an mir zu gefallen, Schamane. Wollen wir? Mit den Fetzten, die ihr heute getragen habt, solltet ihr euch nicht mehr zeigen. Dafür werde ich auch Sorgen“, sagte Ursula und wir gingen zu meinem Kleiderschrank.
Sie öffnete die Türen und sah hinein.
„Immerhin habt ihr einen Sinn für Ordnung, wenn schon nicht für Mode“, sagte sie und ich musste lachen.
Eigenartig. Ich fühlte mich hier so anders. Meine ganze Arroganz und Abneigung gegen Menschen war auf ein Minimum zusammengeschrumpft. In so kurzer Zeit. Ich kam mir manchmal selbst vor, wie ein völlig neuer Mensch? War das normal? Oder wurde ich langsam verrückt?
„Ach du meine Güte, das habe ich mir gedacht“, sagte sie und begann wie wild Kleidungsstück aus dem Schank zu ziehen.
Dabei sah sie sich die Kleidung an und warf sie entweder sofort weg oder prüfte, ob die Farbe doch irgendwie passen konnte. Li kam zurück, mit mehreren anderen Männern. Sie räumten die Überreste des Mannes fort, der eben noch versucht hatte Li anzugreifen.
„Lotus, ich muss mit dir sprechen“, sagte Li und kam zu uns.
„Worum geht es?“, fragte ich und er sah seine Frau an.
Sie zog gerade wieder etwas aus dem Schrank und ließ es sich entfalten.
„Ein Kleid, ernsthaft? Li, was habt ihr ihm denn da gegeben?“, fragte sie und Li sah sie erstaunt an.
„Chin hat gesagt, er kümmert sich darum. Er nimmt die Kleidung älterer Schamanen. Dass er damit alles meinte, war mir nicht bewusst“, sagte Li und seine Frau schüttelte den Kopf.
Dann sah sie Li an.
„Ihr könnt reden. Ich bin deine Frau, schon vergessen? Weitersagen werde ich nichts. Du kannst mir auch ruhig seinen richtigen Namen nennen“, sagte sie.
„Aber Lotus ist doch“, begann Li, wurde aber von einem genervten Blick zum Schweigen gebracht.
„Welcher normale Mensch, heißt denn Lotus? Ich bitte dich, Li. Als du mich damals aus der Menschenwelt geholt hast, wusste ich genau, wie die Leute dort hießen. Und ich kannte niemanden, der Lotus hieß“, sagte sie.
Also kam sie auch aus der Menschenwelt? Das erklärte natürlich ihren Namen.
„Schatz, das ist alles nur zu deiner Sicherheit. Komm mit, Kai“, sagte Li und zog mich in die andere Ecke des Raumes.
„In letzter Zeit haben wir ein ernst zu nehmendes Problem von Spionen, die versuchen einen Gegenstand zu finden, den wir hier im Tempel aufbewahren. Und zwar das hier“, sagte er und zog einen Ring hervor.
Er war mit goldenen Windböen verziert.
„Was ist das?“, fragte ich und Li sah mich an.
„Das ist Shian His Ring für würdige Nachfolger. Jeder Schamane hat ihn bis jetzt beschützt. Aber keiner war würdig genug ihn zu tragen. Du sollst zumindest die Chance bekommen, es zu versuchen“, sagte er und hielt mir den Ring hin.
Unsicher sah ich ihn an. Der Ring sah eigentlich aus, wie jeder andere auch. Er war golden und verziert. Langsam streckte ich meine Hand aus, als der Ring sich plötzlich von alleine anlegte.
„Dachte ich es mir doch. Du bist würdig, ihn zu tragen“, sagte er und ich sah ihn an.
„Was heißt das jetzt?“
„Das du der Schamane bist, der uns führen kann. Du wurdest vom Gott der Weisheit auserkoren, dieses Reich zu leiten.“
„Und wie genau hilft mir das jetzt?“, fragte ich und Li sah zu seiner Frau.
Sie warf immer noch Kleider aus dem Schrank heraus.
„Shian Hi hat ihn mir damals nur gegeben und gesagt, dass ich mit ihm einen würdigen Nachfolger erkennen könnte. Und das habe ich jetzt. Aber was jetzt genau passiert, weiß ich nicht.“
Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn es jemand gewusst hätte. Vielleicht würde ich es ja noch herausfinden, irgendwann. Oder vielleicht auch nicht. Es würde sich zeigen.
„Also dann, Schamane. Lasst uns diesen Vorfall vergessen. Tragt diesen Ring immer bei euch. Er darf nicht geklaut werden.“
Ich nickte. Dieser Ring war wichtig. Nicht verlieren. Gut. Wir gingen zurück zu Ursula. Sie war mittlerweile fertig mit ihrer Arbeit und sah uns an.
„Also gut. Ich habe aufgeräumt. Meine Schneiderinnen werden sofort anfangen neue Kleidung herzustellen. Ich denke morgen werden wir etwas Brauchbares für euch habe, Schamane.“
„Vielen Dank“, sagte ich und sie nickte.
„Schatz, lass diesen Müll entsorgen. Und dann lassen wir ihn alleine, bis seine Begleitung kommt“, sagte sie und verließ den Raum.
Li sah ihr nach und lächelte.
„Lass dir eins gesagt sein, Kai. Frauen sind nicht einfach. Aber man kann einfach nicht ohne sie. Sie mag anstrengend sein, aber ich liebe sie trotzdem.“
„Sag mal, Li. Wofür habe ich eigentlich einen falschen Namen?“, fragte ich ihn und er lachte.
„Warum? Damit niemand deinen richtigen Namen kennt. Sollte das passieren, kann man dich viel einfach unter seine Kontrolle bekommen“, sagt Li und ging dann.
Ich blieb zurück und betrat den Thronsaal. Diesmal ließ ich meinen Stab nicht stehen und nahm ihn mit. Langsam setzte ich mich auf den Thron. Es war schon ein erhebendes Gefühl, dort zu sitzen. Ich lehnte mich zurück und legte meine Füße hoch. Ich sah gerade an die Decke und versuchte die Malereien zu erkennen, als ich jemanden auf mich zukommen hörte. Es war Gahlia. Sie trug noch immer die gleiche Kleidung wie vorhin. Nur diesmal führte sie einen Zauberstab mit sich.
„Seid mir gegrüßt, Schamane“, sagte sie und macht einen leichten Knicks.
„Ich grüße euch, Gahlia“, sagte ich und sie lächelte.
„Ihr seht umwerfend aus. Ein Oberteil von Ursula?“, fragte sie und ich nickte.
„Sie macht wirklich die schönsten Kleidungsstücke, die ich je gesehen habe. Wollen wir?“, fragte sie und ich stand auf.
Zusammen gingen wir durch den Tempel, während Gahlia mir einige Dinge über ihre Schüler und ihre Arbeit erzählte. Eigentlich kümmerte es mich wenig, was sie heute getan hatte. Es war schön in Gesellschaft zu sein. Was war das schon wieder für ein Gedanke? Ich hatte es noch nie als schön empfunden Gesellschaft zu haben.
„Da sind wir“, sagte sie und wir standen vor einem großen Haus.
„Wo sind wir?“, fragte ich und sie öffnete die Türe.
„Das beste Restaurant der Stadt. Euer gesamtes Essen kommt von hier“, sagte sie und wir traten ein.
Im Innern war es sehr warm. Es gab nur wenige Tisch und noch weniger Gäste. Vor uns trat ein Mann, in weißer Tracht. Er sah aus, wie ein Kellner in meiner Welt.
„Willkommen, Gahlia. Oh, wie ich sehe heute in Begleitung. Wer ist denn das?“, fragte er und ich lächelte.
„Mein Name ist Lotus. Ich bin der Schamane“, sagte ich und der Mann riss seine Augen auf.
„Mein Lord, ich habe euch nicht erkannt, verzeiht mir bitte. Was verschafft uns die Ehre eures Besuches?“
„Gahlia und ich wollte etwas essen“, sagte ich und er nickte.
„Wollt ihr euren Stammtisch, Gahlia?“, fragte er und sie nickte.
„Darf ich euch bitten, mir zu folgen?“
Er ging los und wir folgten ihm. Meinen Stab benutzte ich als Gehstock. Jedes Mal klackerte er, wenn ich ihn auf den Boden aufsetzte. Der Mann führte uns an einen kleinen Tisch, abseits von allen anderen. Ein Separee.
„Bitte sehr. Würdet ihr gerne schon etwas trinken?“, fragte er und Gahlia nickte.
„Einen Wein. Euren besten“, sagte sie.
„Wie immer“, sagte er und ging dann.
Wir nahmen Platz und sahen uns an.
„Kommt ihr öfters hier her?“, fragte ich und sie lächelte.
„Eigentlich jeden Tag. Ich kann es mir leisten hier zu essen. Nicht, dass ich euch heute ausnutzten würde, damit ich nichts zu zahlen habe.“
„Wie darf ich das denn verstehen?“, fragte ich und sie zwinkerte.
„Es hat Vorteile mit dem Schamanen zu speisen. Euch wird nichts hier etwas kosten. Also können wir uns auch einen Wein genehmigen. Aber denkt ja nicht, dass es der einzige Grund sei. Ich finde euch sehr interessant. Was ihr mit eurem Körper gemacht habt, fasziniert mich doch schon sehr. Wie habt ihr es nur geschafft, es so realistisch wirken zu lassen, als sei es wirklich ein Teil von euch?“ fragte sie.
„Das war nicht ich. Als Mi-Lan mich geholt hat, hat sie mich erschossen. Mei-Trian konnte meine Körper nicht mehr retten und nur noch das aus mir machen.“
„Die Götter also? Ihr habt noch sehr wenig magisches Talent, oder?“, fragte sie und ich wurde leicht rot.
„Eigentlich noch gar keins. Ich weiß erst seit ein paar Tagen von meinen Kräften. Viel Zeit zum Trainieren hatte ich nicht. Und einfach so wollte ich nicht üben, da ich Angst vor eventuellen Konsequenzen habe“, sagte ich.
„Die da wären?“
„Tod.“
„Glaubt ihr wirklich daran, dass ein Zauber euch zerschmettern kann, wenn ihr die Kontrolle verliert oder nicht die Kraft dafür habt? Das ist Unsinn. Ein Zauber kann jemanden schwächen, ja. Aber diese Vorstellung vom Töten? Nein, das habe ich noch nie erlebt. Wenn man die Konzentration verliert, dann kann der Zauber schnell nach hinten losgehen, tötet einen aber selten.“
„Wisst ihr das wirklich sicher? Ich habe in einem Buch etwas Anderes gelesen.“
Sie legte ihren Kopf schief. Der Kellner kam zurück und stellte eine geöffnete Flasche Wein auf den Tisch, zusammen mit zwei Gläsern.
„Habt ihr euch für etwas zu essen entschieden?“, fragte er und ich sah ihn an.
Wie sollte ich denn, wenn er mir keine Karte gab.
„Ja, haben wir. Die Kaiserplatte“, sagte sie und er ging wieder.
„In welchem Buch habt ihr das gelesen?“, fragte sie und wollte gerade nach der Flasche greifen, als ich ihr zuvorkam.
Mit Magie hob ich sie an und ließ den Wein in die Gläser fließen.
„In einem Buch von Shian Hi“, sagte ich und reichte ihr ein Glas.
„Wenn es dort drinnen steht, sollte es stimmen. Zu welchem Zauber stand es da?“
„Zum Blitzschlag“, sagte ich und nahm selbst ein Glas.
„Auf euch, Schamane“, sagte sie und hielt mir ihr Glas hin.
„Auf ein gutes Essen, sagte ich und wir stießen an.
Vorsichtig probierte ich den Wein. Eigentlich war ich kein großer Freund davon. Doch dieser hier schmeckte sehr gut. Das erstaunte mich.
„Also der Blitzschlag ist wirklich ein sehr anspruchsvoller Zauber. Das muss ich zugeben. Selbst habe ich ihn nur zwei Mal bis jetzt verwendet und einmal beinahe die Kontrolle verloren. Ja, dann kann es tödlich enden. Ihr tätet gut daran, nicht direkt mit einem Buch für Götter zu lernen. Die Zauber dort sind sehr schwer. Mich wundert, dass ihr es überhaupt bekommen habt. Niemand weiß, wo dieses Buch liegt“, sagte sie.
„Es lag auf meinem Schreibtisch.“
„Ah. Dann weiß ich, wie es dahin kommt.“
Sie sah auf den Tisch und stutzte plötzlich.
„Was habt ihr da an eurem Finger?“, fragte sie und ich sah auf meine Hand.
Ihr war mein Ring aufgefallen.
„Den hat Li mir gegeben. Es soll der Ring für würdige Nachfolger sein“, sagte ich und sie nickte.
„Niemand konnte ihn bis jetzt anziehen. Ihr müsst wirklich etwas Besonderes sein. Ich wusste doch gleich, dass der Schein trügt.“
„Wenn ihr das sagt.“
„Ihr seid viel zu bescheiden, mein Lord. Als Schamane könnt ihr es euch ruhig erlauben, arrogant und unhöflich zu sein. Niemand wird euch das übelnehmen.“
Keiner außer mir selbst, dachte ich.
„Das würde sich nicht gehören.“
„Ihr seid wirklich ein hoffnungsloser Fall, wisst ihr das?“
„Ja, das weiß ich“, sagte ich und der Mann kam zurück.
Er trug eine große Platte bei sich und stellte sie dann auf den Tisch.
„Die Kaiserplatte, wie gewünscht“, sagte er und stellte uns beiden einen Teller hin und gab uns Besteck.
„Wünsche guten Appetit“, sagte er und entfernte sich wieder.
Vor uns stand ein Berg von Essen. Hauptsächlich Fleisch.
„Wohl dann, Schamane. Greift zu, bevor es kalt wird. Ich kann sehr empfehlen, dieses Fleisch hier. Es ist Bärenfleisch. Das zarteste, das ihr je gegessen habt.“
Unsicher sah ich mir das Fleisch genau an. Vielleicht wäre es besser, wenn ich nicht nachfragte, was da genau vor mir lag und es einfach aß. Es konnte nicht besser werden, wenn ich es wusste. Also nahm ich mir etwas und probierte. Wie schafften sie es nur, meine Geschmacksnerven jedes Mal aufs Neue zu überraschen. Das Fleisch war nicht nur zart, es schmeckte auch hervorragend. Die nächsten Minuten verbachten wir mit, essen und schweigen. Plötzlich trat ein Mann zu uns. Es war Chins Assistent.
„Verzieht, dass ich euch stören muss. Aber ich habe eine Nachricht für Gahlia“, sagte er und sie sah ihn an.
„Von wem?“
„Li“, sagte er und sie winkte ihn zu sich.
Er flüsterte ihr die Nachricht zu. Ich hatte zwar sehr gut Ohren, konnte aber trotzdem kein Wort verstehen.
„Verstehe. Wenn ihr mich entschuldigen wollt, Schamane. Es scheint, als würde man unsere Mauer angreifen. Ich werde gleich wieder zu euch stoßen“, sagte sie und verließ das Restaurant.
Ich sah ihr nur nach und stocherte dann in der Platte vor mir herum.
„Hallo, Schamane“, sagte Chin und kam zu mir.
„Warum wundere ich mich jetzt nicht, dass du hier bist, Chin?“, fragte ich und er lachte.
„Gahlia von euch weg zu locken ist gar nicht so einfach. Sie klebt sehr an euch. Aber leider hat sie es schon immer verstanden, an wohlhabenden und einflussreichen Personen gefallen zu finden. Ihr macht da keine Ausnahme.“
„Ihr schmeichelt mir, Chin. Was wollt ihr?“
„Was ich will? Euch beschützen. Der Mann, der vorhin bei euch war, wurde nicht von mir geschickt. In dieser Stadt gibt es ein Leck, das wir stopfen müssen. Und da kommt ihr dann ins Spiel. Ihr sollt ihn anlocken. Wenn er weiß, dass ihr den Ring habt, dann wird er kommen und versuchen ihn zu holen“, sagte er.
„Und warum das?
„Ich kann euch nicht sagen, was sie sich von diesem Ring erhoffen. Nach meinen Informationen haben sie selbst einen Ring für würdige Nachfolger. Aber warum sie ausgerechnet unseren wollen, kann ich euch nicht sagen. Li hat angeordnet, dass ein Agent immer in euer Nähe bleiben soll. Also werde ich euch ab sofort begleiten. Egal wo ihr hingeht. Ich werde bei euch sein“, sagte er und ich atmete aus.
Einen Schatten war das letzte was ich gebrauchen konnte. Aber vielleicht war es besser. Ich wollte ungern nie wieder aufwachen, weil jemand mir ein Messer in die Brust gerammt hatte.
„Wenn es zu meiner Sicherheit dient“, sagte ich und er nickte.
„Eins solltet ihr noch wissen, Schamane. Li weiß es noch nicht, aber ich kann etwas in euren Augen sehen. Und zwar eine feste Entschlossenheit. Ihr seid sehr willensstark. Behaltet euch diese Gabe. Es ist ein Geschenk der Götter“, sagte er und ging wieder.
Der Kellner kam und sah mich an.
„Hat euch das Essen zugesagt, mein Herr?“, fragte er und ich nickte.
„Es war alles einwandfrei. Lobt den Koch in meinem Namen, bitte“, sagte ich und der Mann nickte.
„Ich werde es weitergeben. Einen schönen Tag noch“, sagte er und trug dann das Tablett davon.
Unsicher erhob ich mich. Irgendwie fühlte es sich falsch an, einfach so zu gehen. Aber was sollte ich sonst machen? Ich hatte kein Geld bei mir und wusste ja nicht einmal, was die Währung von dieser Welt hier war. Ich nahm meinen Stab und ging dann. Vor der Türe war es still und schön angenehm kühl. Ich atmete tief ein und genoss die Luft. Dann sah ich mich um. Das Gelände schien wie ausgestorben. Ich wollte gerade in den Tempel gehen, als ein Pfeil knapp neben mir zu Boden ging. Sofort sah ich auf und erblickte auch den Schützen. Er stand auf der Mauer und hatte schon den nächsten Pfeil angelegt. Panisch sah ich mich um. Doch es gab keine Deckung, außer in das Haus zurück zu flüchten. Doch das würde zu lange dauern. Ich begann zu überlegen, als der nächste Pfeil auf mich zukam. Anstatt auszuweichen, blieb ich einfach stehen. Er traf. Genau meine Schulter. Ich heulte auf vor Schmerz. Sofort sprang der Schütze ab und kam auf mich zu. Dann war das letzte, was ich mitbekam, wie eine unglaubliche Wut mich überkam, bevor alles schwarz wurde.
Ich öffnete meine Augen wieder. Meine Schulter tat weh. Warum war dieser Idiot nicht ausgewichen? Konnte er eigentlich irgendetwas? Ein Pfeil kommt auf mich zu oh bleiben wir besser mal stehen. Lächerlich, was alles Schamane genannt wurde. Ich war der Schamane. Gefangen im Körper von Kai. Er war einfach zu schwach, um sich selbst zu verteidigen. Also übernahm ich das. Der Schütze landete vor mir und sah mich an. Ich kniete am Boden, die Ohren hängend und schwer atmend.
„Von einem Schamanen hatte ich eigentlich mehr erwartet, als sich von einem Pfeil treffen zu lassen.“
Also stand eine Frau vor mir. Sie hatte eine sehr kalte Stimme. Aber sie würde mir nicht standhalten können, wenn ich wirklich meine Macht entfesseln sollte. Langsam erhob ich mich und sah sie an. Sie trug eine Maske und nur ihre Augen waren erkennbar.
„Ihr hattet es auch nicht mit einem Schamanen zu tun. Der steht euch jetzt gegenüber“, sagte ich und zog den Pfeil aus meiner Schulter.
Sofort heilte die Wunde. Schade um das schöne Seidenhemd. Mein Leben war wichtiger als dieser Fetzen. Aber dennoch war es eine Schande, dass er jetzt kaputt war. Nun ja. So war es eben. Ich griff meinen Stab und machte mich kampfbereit. Sie zog einen Dolch.
„Wollt ihr wirklich gegen mich kämpfen, Schamane?“, fragte sie und lächelte, soweit ich das sehen konnte.
„Was sollte ich sonst machen? Vielleicht kapitulieren? Niemals. Ich werde euch zeigen, was es heißt sich mit dem Schamanen anzulegen.“
Ja, was hieß es sich mit mir anzulegen? Es war gleichbedeutend mit Selbstmord. Meine Magie konnte sie locker zerschmettern. Ihr Schlag kam und blieb an einem Schutzschild hängen. Es war auch unwahrscheinlich, dass die mitbekommen hatte, wie ich diesen Schild um mich gelegt hatte. Sie wurde nach hinten geworfen und kam, mit gebrochenem Arm auf.
„Habt ihr genug? Mich zu bekämpfen, wird niemals zu einem guten Ergebnis führen“, sagte ich und sie sah mich an.
„Für die Erde werde ich kämpfen“, sagte sie und griff wieder nach dem Dolch.
Sie kam erneut auf mich zu. Doch diesmal ließ ich es gar nicht zum Schlag kommen. Mein Stab schlug auf den Boden und sofort war sie gefesselt. Gut, das konnte Kai auch. Aber ich war doch weitaus weiter, als er. Dieser Assassine war kein Gegner für mich.
„Gib auf“, sagte ich und ging auf sie zu.
Sie sah mich nur an und sagte nichts. Langsam zog ich an ihrer Maske. Zum Vorschein kam Gahlia. Erstaunt taumelte ich nach hinten.
„Ihr?“, fragte ich und sie grinste.
„Überrascht, Schamane? Das denke ich eher weniger. Die Einladung war eher ein Vorwand, nachzuprüfen, zu was ihr fähig seid. Keiner von diesen Spinnern hier hat meine Tarnung durchschaut. Nicht einmal ihr. Das hat mich schon sehr gewundert.“
„Lotus dieser Schwächling hat auch nicht das Können dazu. Wäre ich zu diesem Zeitpunkt schon wach gewesen, hätte ich euch getötet. Aber leider hat mich dieser Schwächling erst jetzt gerufen. Soll ich euch gleich den Kopf abschlagen oder wollt ihr lieber vor Li kommen?“, fragte ich und sie lachte schwach.
„Was soll Li schon machen? Wollt ihr ihn wirklich mit solch einer unwichtigen Sache belasten, wie mit einem Verrat?“, fragte sie und ich schlug meinen Stab erneut auf den Boden.
Sofort begann ihr Körper zu schweben. Langsam ging ich los.
„Ihr seid ein Feigling, Schamane. Denkt ihr wirklich, dass es euch helfen wird, wenn ihr mich zu Li bringt? Wenn er nicht wusste, dass ich ein falsches Spiel gespielt habe, dann hat er es auch nicht verdient es zu erfahren.“
Ich schloss meine Augen. Sofort bildete meine Magie eine Klinge um meine Hand. Mit einer schnellen Bewegung drehte ich mich um und legte ihr diese Klinge an den Hals. Sie schluckte und sah mich angstvoll an. Meine Augen brannten förmlich und meine Züge waren steinhart.
„Verrat ist unentschuldbar. Li muss wissen, was vorgefallen ist und darüber richten wie wir mit euch umzugehen haben“, sagte ich und sie lachte.
„Bevor ihr noch etwas sagt. Wenn ich mich das nächste Mal umdrehe, wird die Klinge nicht anhalten“, sagte ich.
Dann ging ich weiter und ließ die Klinge verschwinden. Ich erreichte den Tempel und trat ein. Ich folgte den Gängen, bis ich den Thronsaal erreichte. Dort fand ich den Tiger und Li. Sie sahen mir beide entgegen und bewegten sich nicht mehr.
„Ich habe euer Leck gefunden“, sagte ich und zeigte auf Gahlia.
„Gahlia?“, fragte Li und sie lächelte.
„Nicht mitbekommen, dass ich ein falsches Spiel spiele, Li?“
„Nicht wirklich. Aber verwundern bin ich nicht. Das erklärt, warum du immer den Kontakt zu einflussreichen Personen gesucht hast. Damit du direkt an die Befehlskette herankonntest.“
„Und ihr ward nie misstrauisch. Wäre Lotus nicht mit einer zweiten Persönlichkeit gesegnet, wäre er jetzt nicht mehr und ich wäre schon längst über alle Berge. Doch ich habe ihn unterschätz“, sagte sie und ich sah sie an.
„Lotus, du hast eine zweite Persönlichkeit?“, fragte Li und ich nickte.
„Den Schwächling den ihr bis jetzt kanntet, der schläft. Ich bin der Schamane und beschütze diesen Körper, wenn es sein muss. Solange er zumindest nicht dazu in der Lage ist.“
„Verstehe. Also, Gahlia. Für Verrat gibt es nur eine angemessene Strafe und das ist der Tod“, sagte Li und sie lachte.
„Mein Tod wird den Hass zwischen den Reichen nur noch mehr anheizen. Das Erdreich, wird bald angreifen und euch dem Erdboden gleichmachen“, sagte sie und Li zog sein Schwert.
„Niemand wird uns jemals eine Gefahr werden. Weder du, noch dein Reich, noch dein Schamane. Wir sind nicht zu schlagen“, sagte er.
Li holte gerade aus, als ein Messer geflogen kam. Es war genau auf seinen Kopf gerichtet. Doch ich griff es einfach aus der Luft und warf es zurück. Erstaunt schrie die Person auf, bevor es traf. Chins Assistent stand dort und ging gerade zu Boden. Natürlich auch er. Immerhin war er es, der Gahlia von mir befreit hatte. Chin mochte damit nichts zu tun haben.
„Danke, Lotus“, sagte Li und ich nickte.
„Dein Komplize ist auch Tod, Gahlia. Und jetzt muss dein Kopf auch rollen“, sagte Li und schlug zu.
Es gab ein dumpfes Geräusch, als ich den leblosen Körper zu Boden fallen ließ. Sie rührte sich nicht mehr.
„Ich bin doch sehr erstaunt, Schamane. Dass ihr den Verräter in unseren Reihen findet, hatte ich euch nicht zugetraut“, sagte Li und ich ging auf den Thron zu.
Langsam nahm ich Platz und sah Li an.
„Warum traust du mir so etwas denn nicht zu? Hältst du mich für schwach?“
„Nein, aber ihr ward bis vorhin noch nicht der Magie mächtig“, sagte er.
„Ich bin ihr mächtig. Doch dieser Schwächling weiß es nicht. Wenn er ein paar Zauber lesen würde, könnte er sehr schnell das Zaubern lernen. Damit wird er aber warten, bis ihr ihn anleitet“, sagte ich und Li nickte.
„Wir wollten morgen beginnen.“
„Gut so. Und jetzt, Li. Zeig mir, was du kannst“, sagte ich und erhob mich.
Ich griff den Stab fester und ging in Kampfstellung. Li sah mich erstaunt an, griff aber ebenfalls nach seinem Schwert. Er schnellte nach vorne. Wie er es die letzten zwei Male auch getan hatte. Doch diesmal kam er nicht weit. Ich hob nur meinen Stab. Er lief genau gegen den Smaragd und ging dann zu Boden.
„Schwache Leitung, Li. Versuchs nochmal“, sagte ich und er rappelte sich auf.
„Seid ihr bereit?“, fragte er und ich nickte.
Sofort schlug er zu. Sein Schlag traf meinen Stab und schleuderte ihn beinahe weg. Doch ich nutzte diese Kraft, drehte mich und schlug Li in die Seite. Er taumelte, fing sich aber schnell wieder. Jetzt versuchte er mir die Beine weg zu ziehen. Scheiterte aber kläglich und bekam meine Krallen zu spüren.
„Es reicht. Ihr solltet ein wenig trainieren, bis ihr mir gewachsen seid“, sagte ich und er sah mich an.
Ich hob meine Hand und heilte seine Wunden. Dann wollte ich noch etwas sagen, als ich spürte, dass Kai wieder zur Besinnung kam. Verflucht jetzt konnte ich ihn nicht mehr unter Kontrolle halten. Alles wurde Schwarz.
Wo war ich? Im Thronsaal? Wie kam ich denn hier hin? Sofort griff ich an meine Schulter und musste feststellen, dass die Wunde verschwunden war. Verwirrt sah ich Li und den Tiger an.
„Was ist passiert?“, fragte ich und sie sahen mich an.
„Kannst du dich nicht erinnern?“, fragte Li und ich schüttelte meinen Kopf.
Plötzlich fiel mir eine weitere Person auf. Gahlia lag am Boden, in einer kleinen Blutlache.
„Sie hat versucht dich zu töten und damit deine zweite Persönlichkeit hervorgebracht. Du hast einen Schamanen in dir. Er beschützt deinen Körper, wenn du nicht mehr weiterkommst. Das hat er getan“, sagte der Tiger und ich sah ihn an.
„Wie einen Schamanen?“
„Erlaube mir das zu erläutern“, sagte Li und ich sah ihn an.
„Es gibt Kai. Also dich. Du bist ein Mensch. In dir drinnen steckt Magie. Damit du nicht stirbst, hast du eine zweite Persönlichkeit, den Schamanen. Zumindest nennt er sich so. Er tut alles, damit deinem Körper nichts passiert. Er hat dich vor Gahlia beschütz.“
„Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern“, sage ich und die Zwei sahen sich an.
„Leg dich besser hin, Kai. Der Tag war lang. Die Sonne wird ohnehin bald untergehen. Morgen wird deine Rüstung fertig sein und dein Training beginnen“, sagte der Tiger und ich nickte.
Ich nahm meinen Stab und ging in mein Zimmer. Hinter mir schloss ich die Türe und stellte den Stab an die Wand. Dann ging ich zu dem Kleiderschrank und öffnete ihn. Ursula war wohl schon da gewesen. Sie hatte mir völlig neue Kleidung gebracht. Alles mehr in den Farben, die sie mir genannt hatte. Also hell. Ich griff nach einem Schlafgewand und entkleidete mich. Dass Kevin mir zusehen konnte, störte mich nicht. Sollte er doch. Als ich fertig war, legte ich die Kleidung auf Seite und ging in mein Bett. Ich deckte mich zu und schloss meine Augen. Vor meinem Auge spielten sich immer wieder eigenartige Bilder ab. Ich sah mich. Rennen. Aber nicht als Mensch, sondern als Schamane. In voller Rüstung. Hinter mir hetzten vier Schattengestalten her. Dann veränderte sich das Bild und ich stand in einem Dorf, umstellt von ihnen. Sie sprachen mit mir. Doch ich konnte es nicht verstehen. Im nächsten Moment spürte ich einen stechenden Schmerz und sah nach unten. Ein Schwert hatte mich durchbohrt. Schweißgebadet wachte ich auf. Schwer atmend richtete ich mich auf und sah mich um. Das Zimmer war komplett Dunkel. Jemand hatte die Vorhänge geschlossen. Kevin schlief ebenfalls. Nur ein Traum. Gott sei Dank. Aber warum war er so realistisch? Langsam legte ich mich wieder hin und versuchte erneut einzuschlafen. Doch wieder quälten mich diese Bilder. Diesmal andere. Aber alle resultierten in meinem Tod. Warum? Was war mit mir los? Sah ich vielleicht die Zukunft? Unmöglich. Niemand konnte die Zukunft voraussagen. Nicht einmal die Götter. Immer wieder versuchte ich einzuschlafen. Doch mehr als ein paar Stunden am Stück schaffte ich nicht. Diese Visionen waren unangenehm und total unsinnig. Was sollte das? War das jetzt auch ein Teil vom Schamanen sein? Wenn ja, würde ich die Aufgabe dankend abgeben. Ich unternahm einen erneuten Versuch einzuschlafen.
„Was sagst du zu der Sache, Li?“, frage ich Li und sah ihn an.
„Es gefällt mir nicht. Kai hat völlig die Kontrolle verloren. Der Schamane übernimmt seinen Körper und bekämpft alles und jeden. Sogar uns. Das darf nicht mehr passieren“, sagte er.
Da hatte er Recht. Ein Schamane, der nicht mehr seinen Körper unter Kontrolle halten konnte, war kein Schamane mehr. Er war einfach nur verletzlich. Kai, würde sterben, wenn ihm so etwas in der Schlacht passierte. Das mussten wir unbedingt verhindern.
„Ich habe so etwas noch nie erlebt. Der Schamane verliert die Kontrolle und läuft Amok. Eigentlich sollte so etwas unmöglich sein“, sagte ich und Li nickte.
„Er ist sehr besonders. Ich habe ihn gebeten, mir einen Schlachtplan für einen Angriff aufs Wasserreich zu geben. Eigentlich wollte ich ihnen nur Angst einjagen. Doch er hat, in kürzester Zeit, einen Schaltplan aufgestellt, der so Brillant war, dass wir das Wasserreich komplett dem Erdboden gleichmachen könnten. Allerdings hat er mich gebeten es nicht zu tun, um den Hass nicht noch weiter anzustacheln.“
„Und wirst du auf ihn hören?“
„Jetzt auf jeden Fall. Seinem Befehl möchte ich mich nicht wiedersetzten. Das könnte tödlich enden.“
„Da gebe ich dir Recht. Was sagst du zu seiner Waffe?“
„Sie tut weh. Der Zauberstab hält die Belastung aus. Aber er ist nicht tödlich. Selbst wenn wir ihn spitz machen würden, wäre er nicht tödlich genug. Wir brauch einen richtigen Kampfstab, mit Klingen“, sagte er.
„Gut. Dann beauftrage Kemitsu damit.“
„Werde ich. Sie haben sich eh gewundert, warum sie keine Waffe schmieden sollten.“
„Ich denke, dass du Chin wieder abziehen kannst. Kai kann auf sich selbst aufpassen. Denkst du nicht auch?“
„Und wenn der Schamane nicht unfehlbar ist? Chin sollte zumindest in der Nähe sein. Sollte Kai anfangen dieses Reich zu terrorisieren, dann könnte immerhin jemand schnell eingreifen.“
„Stimmt auch wieder. Und noch etwas beschäftigt mich. Wer ersetzt jetzt Gahlia?“, fragte ich und der Li legte die Stirn in Falten.
„Kai kann das nicht machen. Er kann nicht wirklich Zaubern und das Ausbilden junger Magier ist zu schwer für ihn. Sonst haben wir nur drittklassige Magier, die froh sind, wenn ihnen ein Zauber gelingt.“
„Ich werde es bestimmt nicht tun. Das kannst du vergessen.“
„Das wäre mir auch nicht eingefallen. Fällt dir sonst niemand ein?“
„Was ist mit ihm“, fragte ich und Li riss seine Augen auf.
„Ihm? Nein, das können wir nicht machen. Ausgeschlossen.“
„Komm schon, Li. Er ist erfahren, stark und kann Magier ausbilden“, sagte ich.
„Aber sein Alter ist das Problem. Er ist senil, Boreos. Wir können nicht den obersten Priester fragen.“
„Ich sehe nichts, was dagegenspräche, außer deiner Angst vor ihm“, sagte ich.
„Es ist keine Angst. Aber hast du ihn jemals erlebt, wenn er wütend ist oder wenn ihm etwas nicht passt? Dann dreht er durch. Nein, er bleibt wo er ist. Im Keller des Tempels.“
„Wie du meinst. Dann könnten wir vielleicht Gahlias rechte Hand nehmen. Sie war immerhin auch eine Magierin und ziemlich talentiert. Wenn sie uns in den Rücken fallen sollte, kann man sie immer noch loswerden.“
„Gut, ich werde sie fragen“, sagte Li und ging dann.
Ich sah ihm nach und sprang dann vom Thron. Langsam ging ich zu Kais Zimmer und öffnete die Tür. Kai schlief seelenruhig. Vorsichtig ging ich hinein. Zum Glück hatte ich das schleichen noch nicht verlernt. War das überhaupt möglich? Eigentlich nicht. Es war einer meiner Urinstinkte. Ich schloss die Vorhänge und sah dann Kai an. Er sah so ruhig aus. Nichts erinnerte mehr an den Vorfall mit Gahlia und Li. Der Schamane schlief also wieder. Die Frage war nur, wie lange? Konnte Kai ihn zurückhalten oder war er letztlich diesem Monster unterlegen? Obwohl ich eigentlich ja nicht Monster sagen konnte. Der Schamane war immerhin ein Teil von ihm. Der Teil, der sich um die Erhaltung dieses Körpers kümmerte. Und das tat er sehr gut. Das Monster war nur der Teil, der sich nicht zurückhalten konnte und wirklich rein ums Überleben kämpfte. Solange wir diesen Teil in ihm halten konnten, wäre alles gut. Aber solange das nicht ging, liefen wir Gefahr, selbst zur Zielscheibe zu werden. Sollte der Schamane sich von diesem Reich bedroht fühlen, würde er es zerstören. Restlos. Das konnte ich nicht riskieren. Ob er sich aber überhaupt versiegeln ließ, war eine andere Sache. Es würde ihm bestimmt nicht gefallen, weggeschlossen zu werden. Es sei denn Kai tat es von alleine. Langsam verließ ich das Zimmer wieder und kehrte in den Thronsaal zurück. Ich nahm auf dem Thron Platz und schloss meine Augen. Ich begann weiter zu überlegen, was man mit Kai machen konnte, damit er nicht zum Zerstörer dieses Reiches wurde.
Endlich drang ein wenig Licht durch meine Vorhänge. Zeit zum Aufstehen. Geschlafen hatte ich eh nicht wirklich. Diese Visionen hatten mich nicht in Ruhe gelassen. Sobald ich in die Traumphase glitt, kamen sie und suchten mich heim. Wie Alpträume. Und letztlich waren sie genau das. Alpträume. Am schlimmsten war einer für mich, in dem ich in einem Dorf stand und einer Schattengestalt gegenüber. Wir kämpften, bis sie mich an der Hüfte verletzte und ich zu Boden ging. Bevor ich mir jetzt noch mehr von diesen Visionen antat, beschloss ich aufzustehen. Ich ging zu meinem Schrank und nahm mir neue Kleidung. Zumindest nahm ich mir das, was noch übrig war. Meine Hose war verschwunden. Sogar meine alte Kleidung. Über Nacht passierten hier echt die tollsten Dinge. Es verschwanden einfach Sachen. Die neue Kleidung passte jetzt farblich besser zusammen, als gestern. Aber wenn Ursula jetzt hier wäre, hätte sie bestimmt wieder etwas zu meckern. Egal. Jetzt war meine Hose schwarz und das Oberteil Rot. Das passte. Da konnte mir niemand etwas Anderes erzählen. Ich griff nach meinem Stab und betrat den Thronsaal. Niemand war hier. Sie Sonne hatte den Raum noch nicht richtig erhellt. Doch dieses Dämmerlicht gefiel mir. Die Statur an der anderen Wand sah jetzt sehr geheimnisvoll aus. Ich nahm auf dem Thron Platz und genoss die Ruhe. Niemand war hier. Da fiel mir ein, ich hatte doch diesen schönen Garten gesehen. Vielleicht sollte ich dort hingehen. Wenn mich jemand suchte und ich nicht in meinem Zimmer war, könnte er mich immerhin von da aus, sehen. Also erhob ich mich und ging los. Ich hatte zwar keine Ahnung, wohin ich ging, aber ich würde den Weg schon finden hoffte ich. Die Gänge waren unmöglich. Diese Dunkelheit war wirklich unsinnig. Dann sah ich Licht und fand mich tatsächlich in dem Garten wieder. Die Luft war klar und noch sehr kalt. Nebel stieg aus meinem Mund auf, während ich Richtung Pavillon ging. Die Fische waren auch noch am Schlafen. Zumindest bewegten sie sich nicht. Im Pavillon stand eine Bank. Vorsichtig nahm ich Platz und legte meinen Schweif auf Seite, sodass er mich nicht stören würde. Ich atmete tief ein. Die Luft hier war einfach anders, als irgendwo sonst. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Warum war sie hier so klar? Als wäre nicht einmal Staub in ihr.
„Das ist völlig normal. In diesem Reich liegt der Ursprung für Luft“, sagte meine eigene Stimme und ich selbst trat aus mir heraus.
„Wer bist du?“, fragte ich und griff den Stab noch fester.
Er lachte nur.
„Ich bin du. Li hat es dir gestern erklärt. Ich bin das, was sie den Schamanen nennen.“
„Also stimmt es wirklich, dass ich eine weitere Persönlichkeit habe?“, fragte ich und er nickte.
„Natürlich. Du brauchst mich. Ich beschütze deinen Körper. Wäre ich nicht gewesen, hätte Gahlia dich getötet. Du bist ja nicht einmal dem Pfeil ausgewichen.“
„Ich habe versucht ihn mit Magie aufzuhalten.“
„Das ist aber mehr als missglückt.“
„Ich habe halt keine Ahnung von Magie. Seit drei Tagen weiß ich überhaupt, von diesen Kräften. Ich kann nicht sofort ein Experte sein.“
„Wie wahr, wie wahr. Aber du kannst üben. Das wird auch sehr nötig sein. Der Tiger hat mir versichert, dass du ab heute unterwiesen wirst. Denke bitte daran. Ich kann nicht sämtlichen Schaden von dir abhalten. Einmal Tod, gibt es für uns keine Hoffnung mehr. Also geh bitte vorsichtig mit deinem Leben um“, sagte er und verschwand.
„Das werde ich“, sagte ich und sah auf das Dach des Tempels. Die Sonne kam gerade hervor und strahlte mir genau auf mein Gesicht.
Früher hätte ich die Augen schließen müssen. Doch jetzt machte es mir gar nichts aus. Im Gegenteil. Ich sah jedes kleine Detail auf ihr. Jede kleine Unebenheit oder Eruption. Es war sehr faszinierend.
„Hier steckst du also“, sagte der Tiger und kam zu mir.
„Ich konnte nicht mehr schlafen. Alpträume haben mich wachgehalten. Also habe ich mich hier hingesetzt und die Ruhe genossen.“
„Ja, diese Ruhe. Hier komme ich auch gerne hin, wenn ich nachdenken muss.“
„Sag mir, Boreos. Habe ich überhaupt eine Chance mich zu behaupten in dieser Welt? Mit Magie kann ich nicht wirklich umgehen und kämpfen kann ich auch nicht. Werde ich dem ganzen gewachsen sein?“
„Natürlich. Du musst nur unterwiesen werden. Deswegen bin ich ja auch hier. Du sollst heute mit dem Training beginnen. Wenn du magst, sofort.“
„Gerne. Es würde mich schon interessieren, was ich sonst noch tun kann, außer dem Bisschen, das du mir gezeigt hast.“
„Dann komm mit. Wir gehen in einen Raum, der dafür geeignet ist“, sagte er und wir gingen in den Tempel.
Der Tiger führte mich durch die Gänge, bis wir am Eingang des Tempels waren. Von dort aus steuerte er sofort die Trainingsfelder an. Dann blieb er vor einem Haus stehen.
„Da sind wir“, sagte er und öffnete die Türe.
Wir traten ein. Das Haus war sehr dunkel. Im fahlen Licht konnte ich Kerzen sehen, die um ein Trainingsfeld herumstanden. Dazu hatte man Duftstäbchen angezündet, die einen entspannenden Duft von Lavendel verbreiteten. Sonst was das Haus leer. Und zwar komplett.
„Das ist alles?“, fragte ich und er nickte.
„Was braucht ein Magier groß? Ruhe, Entspannung und Konzentration. Alles hier drinnen hilft dir dabei. Komm, wir beginnen“, sagte der Tiger und wir gingen in die Mitte des Feldes.
Dann setzte er sich und ich tat es ihm gleich.
„Also, Kai. Du weißt immerhin schon einmal, wie man Magie verwenden kann. Du tust es aber nur sehr unbewusst. Das heißt nicht, dass es eigentlich nicht funktionieren darf. Im Gegenteil. Es funktioniert hervorragend. Denn Magie ist abstrakt und nicht logisch.“
Nicht logisch also? Das verwirrte mich. Ich dachte immer Magier mussten intelligent sein, damit ein Zauber richtig wirken konnte.
„Aber ich dachte ein Magier ist immer intelligent“, sagte ich und er nickte.
„Sind sie auch. Aber nur, damit sie die abstrakten zusammenhänge verstehen können. Denn auch wenn es nicht logisch ist, hat Magie doch noch zusammenhänge, die man verstehen sollte. Beginnen wir bei null. Magie ist eine Kraft. Aber jede Kraft hat ihre Grenzen. Ein Zauber wird von dir gewirkt und gesteuert. Dazu verwendest du Mana. Wir nennen es so, weil es flüssige Magie ist. Dein gesamter Körper hat Mana Vorräte. Sie befinden sich hauptsächlich in deinem Herz oder einem eigenen Organ, was die Magie erschafft. Wenn ich eben darf?“, fragte der Tiger und ich sah ihn an.
„Was?“, fragte ich und er kicherte.
„Lass mich eben in deine Körper sehen“, sagte er und ich öffnete verwirrt meine Arme.
Langsam kam er zu mir und stieß mit dem Kopf gegen meine Brust. Dann ging er wieder zwei Schritte zurück und sah mich erstaunt an.
„Das ist unglaublich. Ich kann nichts anders in deinem Körper sehen, als Mana“, sagte er.
„Und das heißt?“
„Du hast mehr Kraft zur Verfügung, als jeder Magier, den ich bis jetzt gesehen habe. Sogar mehr als ich. Dann kann ich mit dir sehr gut arbeiten und werde keine Mana stärkende Tränke für dich brauchen. Gut. Dann will ich fortfahren. Jeder Zauber verlangt eine gewisse Menge an Mana. Ist sie einmal aufgebraucht, kann kein Zauber mehr verwendet werden. Du wirst dich schwach und unkonzentriert fühlen. Das ist etwas völlig Normales. Sollte dir, während eines Zaubers, die Mana ausgehen, wird nichts Schlimmeres passieren, als das der Zauber abbrechen wird. Verschätzt du dich also einmal, wirst du nur unter starken Kopfschmerzen leiden, mehr nicht. Ein Zauber bringt einen nicht direkt um.“
„Aber in Shian His Buch stand“, begann ich.
Doch der Tiger unterbrach mich.
„Es handelt sich dabei um göttliche Magie. Die funktioniert anders und spricht auch eine andere Kraft in deinem Körper an. Aber das kann ich dir erst zeigen, wenn du auch auf herkömmliche Weise zaubern kann. Und göttliche Magie kann dich töten, wenn du nicht aufpasst. Also bleiben wir lieber bei der nicht tödlichen Variante. Das wird uns beiden mehr helfen. Wir werden anfangen leichte und kleine Zauber zu trainieren und wenn du dir sicher bist, gehen wir weiter. Also dann beginnen wir?“
Ich nickte nur und sah den Tiger an.
„Also gut. Du weißt ja bereits, wie du zaubern kannst. Aber das wird nicht reichen. Du musst dir erst einmal darüber klarwerden, wie viel Mana du hast und wie es sich anfühlt. Konzentrier dich und untersuche deinen Körper. Fühle das Mana. Tauche in es ein. Verlier dich in ihrer Größe und dann aktiviere sie. Versuch es einmal.“
Gut, wie sollte ich das jetzt machen? Vielleicht half es ja die Augen zu schließen. Versuchen. Mehr konnte ich eh nicht machen. Also tat ich es. Meine Gedanken wanderten durch meinen Körper. Es war erstaunlich, wie viel dort war. Aber vor allem war da etwas, was ich noch nicht kannte. Etwas Neues. War das dieses Mana? Konnte ich diese Kraft wirklich spüren? Langsam bewegte ich mich darauf zu. Mein Körper fühlte sich anders an. Das Gefühl wurde immer stärker, je näher ich dieser Kraft kam.
„Du bist nah dran“, sagte der Tiger und ich konzentrierte mich stärker.
In meinen Gedanken stand ich vor einem blauen Fluss. Das Wasser glitzerte zwischendurch immer wieder. Langsam streckte ich meine Hand aus und berührte die Flüssigkeit. Sie war dick und warm. Plötzlich wurde ich hineingezogen und tauchte ein in die Tiefen dieser Kraft.
„Du hast es geschafft. Die Kraft ist erwacht. Jetzt kannst du deinen Augen wieder öffnen.“
Konnte ich vielleicht. Wollte ich aber nicht. Nein. Dafür war das hier viel zu faszinierend. Dieser Mana Fluss war so riesig und fühlte sich so gut an, dass ich gar nicht in die Wirklichkeit zurückkehren wollte. Ich tauchte immer wieder in die Masse ein und erforschte immer mehr dieser Kraft.
„Kai, es ist gut. Wenn du noch länger in dieser Kraft verbringst, wirst du nicht mehr zurückkehren können“, sagte er und ich zwang mich die Augen wieder zu öffnen.
Erstaunlicher Weise war jetzt alles leicht blau.
„Wahnsinn“, sagte ich und der Tiger nickte.
„Du siehst alles leicht blau, oder?“
Ich nickte nur.
„So sieht ein Magier seine Umgebung. Fällt dir an mir etwas auf?“
Tatsächlich hatte der Tiger jetzt blaue Linien in seinem Fell. Und davon nicht gerade wenig. Es waren sehr viele.
„Blaue Linien“, sagte ich und er nickte.
„Das sind die Mana Kanäle. Willst du einem Gegner die Magie blockieren, verschließt du sie. So kann er kein Mana mehr erhalten. Jetzt wo du bereit bist, fangen wir richtig an. Bringe deinen Körper zum schweben“, sagte der Tiger und ich sah ihn erneut an.
Aber ich fragte nicht, wie ich das machen sollte. Ich schloss erneut meine Augen und dachte einfach nur daran, schwerelos zu sein. Durch die Luft schweben, wie ein Vogel. Plötzlich spürte ich wie mein Körper sich vom Boden löste und keine Schwerkraft mehr zu wirken schien. Der Tiger lachte.
„Das ist hervorragend. Du bist ein richtiges Naturtalent. Weiter. Wo du schon da oben bist, flieg“, sagte er.
Na super. Also modifizier den Zauber neu. Ich dachte daran mich zu bewegen und gleichzeitig keine Schwerkraft zu haben. Und schon bewegte ich mich schwebend durch den Raum. Erneut lachte der Tiger.
„Gut und jetzt ohne eine Richtung.“
Einfach nur Schwerelos hin und her schweben, wie ein Gummiball. Gut. Gedanken richten und dann los. Es klappte. Ohne eine erkennbare Richtung flog ich durch den Raum. Stieß ich gegen eine Wand, wurde ich zurückgeworfen.
„Sehr gut. Sehr, sehr gut. Komm wieder zu Boden“, sagte er und ich landete vor ihm.
„Das war beeindruckend. Viele Schüler brauchen Wochen um das zu lernen. Weiter im Text. So wie du gerade gezaubert hast, kannst du viele Zauber ausführen. Bis auf Angriffszauber. Aber die müssen noch warten. Jetzt geht es erst einmal an das Lesen von Gedanken und sich davor zu schützen. Ein Kampf unter Magiern ist entschieden, wenn der andere in deinem Kopf ist und dich unfähig macht zu zaubern. Vorher nicht. Es sei denn er du oder er ist vorher tot. Du siehst also, es kann sehr schwer sein, sich gegen mehrere Magier verteidigen zu müssen. Das können wir später üben. Willst du in die Gedanken eines Gegners eindringen, musst du dich von deinem Geist trennen und in seinen hineinkommen. Es kann sehr gefährlich sein, wenn man keine Übung hat. Doch ein Magier von deiner Stärke dürfte eigentlich in der Lage sein, die Gedanken aller in seiner Umgebung zu hören. Also. Konzentrier dich und versuche in einem Umkreis von fünf Kilometern die Gedanken alle erst einmal zu hören.“
Das klang wieder so unmöglich, wie es nur ging. Doch eigentlich hatte ich auch gedacht, dass es unmöglich sei, zu fliegen. Und auch das hatte ich getan. Also warum auch nicht Gedanken lesen? Ich konzentrierte mich und schaffte es, irgendwie, meinen Geist von meinem Körper zu trennen. Langsam bewegte ich ihn und schickte ihn dann los. Es dauerte einige Zeit, bis Millionen von Stimmen auf mich eindrangen. Sofort griff ich mir an den Kopf und stöhnte auf. Sofort zog der Tiger meinen Geist zurück und sah mich an.
„Was ist passiert?“, fragte er.
„Ich habe Stimmen gehört. Millionen von Stimmen“, antwortete ich schwach und rieb mir den Kopf.
Diese ganzen Eindrücke hatten mich sehr getroffen. Wie viele Leute konnten auf fünf Kilometern sein? Eigentlich nicht so viele. Vor allen Dingen war es vielleicht gerade mal Mittag. Da trainierten nicht einmal viele Menschen.
„Warte, ich werde rekonstruieren, was du getan hast“, sagte der Tiger und schloss seine Augen.
Doch er zuckte ebenfalls schnell zusammen und sah mich erstaunt an.
„Du hast die Gedanken aus dem Feuerreich gelesen.“
„Ist das schlecht? Ich denke, ich habe die Aufgabe doch gelöst, oder?“
„Die Aufgabe? Kai, du hast die Gedanken innerhalb der halben Welt gelesen. Da war auch meine Schwester Ignisia und ihre Schamanin dabei. Sie hat dich nicht gespürt, aber das ist Wahnsinn. Es hätte dich töten können.“
„Das denke ich mir, nach dieser Erfahrung. Ich konnte es aber nicht kontrollieren.“
„Ja, habe ich gemerkt. Du warst zwar bei der Sache, aber dein Geist ist so stark, dass er gar nicht für diese kurze Distanz geeignet ist. So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagte der Tiger.
„Also habe ich bestanden?“
„Versprich mir bitte, dass du vorsichtig bist, wenn du alleine übst. Beim nächsten Mal bin ich vielleicht nicht da, um dich zurück zu holen. Das wäre geklärt. Jetzt versuchen wir den nächsten Fall. Ich werde versuchen in deinen Geist einzudringen und du versuchst das zu verhindern. Bau einen Schutzwall auf. Mit Liebe, Hass oder sonstigen Erinnerungen. Sie werden wie eine Wand wirken“, sagte er und schloss seine Augen.
Ich konzentrierte mich auf meine Erinnerungen und schob allen Hass nach vorne, den ich aufgestaut hatte.
„Ich komme“, sagte der Tiger und sofort spürte ich, wie etwas gegen meinen Geist drückte.
Er versuchte überall hindurch zu kommen. Doch er fand wohl keine Lücke. Aber er gab nicht so schnell auf. Sogar als er mir anfing Dinge an den Kopf zu werfen, reagierte ich darauf nicht. Ich konzentrierte mich rein auf diese Gedanken und hielt so den Schutzwall aufrecht.
„Gut, du hast gewonnen. Das werden wir bei Gelegenheit versuchen zu wiederholen. Dein Schutz ist wirklich enorm. Du baust dir einen dicken Wall auf, der sich nicht überwinden lässt. Die erste Wand konnte ich knacken. Doch danach hatte ich den nächsten Wall vor mir. Das ist eine sehr interessante Art, seinen Geist zu verteidigen. Schwache Gedanken nach vorne und die starken nach hinten. Ich bin wirklich begeistert. Von dir kann ich sogar noch etwas lernen. Na gut, die Grundlagen beherrscht du. Jetzt gilt es nur noch, diese zu trainieren. Dinge wie Gedanken lesen, kontrollieren, musst du ohne Nachdenken beherrschen. Levitation oder andere Zauber müssen auch von dir aus dem Stehgreif kommen. Alles eine Sache der Übung. Aber ich denke, dass du schnell besser werden wirst, wenn du so lernst wie jetzt. Gut, jetzt kommen wir zu den interessanten Themen. Angriffszauber“, sagte er, als die Türe aufgestoßen wurde und Chin hereinkam.
Ein Pfeil steckte in seiner Schulter und er hatte einige blaue Flecke im Gesicht.
„Wir werden angegriffen“, sagte er.
Dann ging er zu Boden und atmete schwer. Sofort lief ich zu ihm und sah mir seine Wunden an. Sie waren nicht tief. Aber der Pfeil war ziemlich tief in seinem Fleisch.
„Das wird jetzt etwas weh tun“, sagte ich und griff nach dem Pfeil.
Sofort stöhnte Chin auf, biss aber schnell die Zähne zusammen. Ich konzentrierte mich darauf, seine Wunden zu schließen. Sofort begann meine freie Hand zu leuchten. Ich führte sie auf die Wunde zu und sofort begann sie sich zu schließen. Gleichzeitig zog ich an dem Pfeil, der beinahe von selbst herauskam. Chin sah mich erstaunt an und nickte dann.
„Vielen Dank, Schamane. Ich wusste nicht, dass ihr heilen könnt“, sagte er und ich nickte.
„Ich auch nicht. Das war mehr Glück als Verstand. Aber ich bin froh, dass es geklappt hat.“
„Wer greift uns an?“, fragte der Tiger.
„Die Assassinen des Wassers“, sagte Chin und stand wieder auf.
Sofort riss der Tiger seine Augen auf.
„Lotus, geh sofort in dein Zimmer und verschanz dich da. Die Assassinen sind gerissene Gegner und werden sofort versuchen dich zu holen“, sagte er und wollte gerade loslaufen, als die Türe aufgestoßen wurde und mehrere, vermummte, Gestalten hineinkamen. Sie sahen uns an und zogen dann Wurfsterne und Messer.
„Tötet sie, aber verschont den Schamanen. Unsere Herrin will ihn lebend“, sagte einer und sofort warfen sie ihre Waffen.
Chin hob seine Hand und ein Schutzwall erschien. Plötzlich spürte ich, wie meine Mana sich aufbäumte und ruckartig meinen Körper verlassen wollte. Ich schloss meine Augen und öffnete sie wieder. Sofort ging eine Druckwelle von mir aus, die alle Wurfgeschosse aus der Bahn warf und unsere Gegner zu Boden zwang. Ich erhob mich.
„Lotus?“, fragte er Tiger und ich richtete meine Hand auf meinen Stab.
Sofort kam er zu mir. Mein Körper tat nicht das, was ich wollte. Er machte alles von alleine. Ich schlug den Stab auf den Boden und sofort waren die Männer in Windkugeln gefangen. Ein weiterer Schlag und sie explodierten. Sie fielen zu Boden und rührten sich nicht mehr. Angstvoll sah der Tiger mich an, während mein Mana sich wieder in meinen Körper zurückzog.
„Bist du das noch?“, fragt der Tiger und ich nickte.
„Irgendwie hat mein Mana sich selbständig gemacht. Es wollte einfach aus meinem Körper heraus. Ich hatte mich zeitweise nicht unter Kontrolle. Aber jetzt geht es wieder“, sagte ich und er nickte.
„Geh in dein Zimmer und bleib dort, bis ich dich holen komme. Oder Li. Aber sonst niemand“, sagte er und lief davon.
Chin sah ihm nach und kam dann zu mir.
„Folgt mir Schamane. Ich habe die Aufgabe, euch zu beschützen. Und das werde ich auch. Kommt“, sagte er und zog mich mit sich.
Ich ließ beinahe meinen Stab fallen, so ruckartig zog er mich mit. Wir liefen über das Gelände des Tempels. Niemand trainierte mehr. Entweder waren die Soldaten mit Kämpfen beschäftigt oder hielten Ausschau nach Gegnern, die nicht in den Tempel eindringen sollten. Aran kam auf uns zu und lief neben uns her.
„Chin. Li braucht euch an der Front. Sein letzter Befehl ist hinfällig. Hier ist sein Befehl schriftlich. Ich soll den Schamanen beschützen“, sagte er und wir blieben stehen.
Chin nahm das Papier und las.
„Gut. Meine Spione brauchen mich. Schamane, ich lasse euch in der Obhut von Aran. Seine Bogenschützen werden euch beschützen“, sagte er und rannte davon.
„Es ist mir eine ehre euch erneut zu treffen Schamane. Wir haben einen Wall für euch errichtet, in dem wir euch verteidigen werden. Euer Zimmer ist nicht sicher genug“, sagte er und ich nickte.
Dann liefen wir weiter und erreichten bald eine Ansammlung von Soldaten, Magiern und Bogenschützen. In ihrer Mitte war Platz und dort steckte Aran mich hinein. Schera war auch hier und hielt sein Schwert bereit.
„Beschützt den Schamanen mit eurem Leben“, sagte er und die Soldaten nickten.
Plötzlich fiel mir etwas ein. Ich hatte noch Kevin. Er war mein Falke und konnte für mich sehen. Sofort fühlte ich nach ihm und fand ihn, wie überraschend, auf seiner Stange. Ich löste seine Maske und öffnete die Türe. Dann befahl ich ihn zu mir. Kurze Zeit später saß er auf meiner Schulter.
„Sei meine Augen“, sagte ich zu ihm und schickte ihn los.
Schnell gewann er an Höhe und sah auf die Stadt herab. Ich konnte viele Soldaten sehen, die kämpften. Aber auch viele schwarze Gestalten, die durch die Gassen huschten und einige Soldaten von hinten ermordeten. Kevin hatte jetzt den Marktplatz erreicht. Dort stand Li und kämpfte mit drei Gegnern gleichzeitig. Eins störte mich jedoch. Dort stand ein Mädchen, nicht viel älter als ich. Sie war nicht vermummt und kämpfte auch nicht. Sie stand einfach nur da und sah sich um, als suchte sie etwas. Langsam lotste ich Kevin zur Mauer, wo ebenfalls Kämpfe im Gange waren. Vor den Toren standen sogar noch mehr Soldaten, die uns belagerten. Ein Pfeil flog auf Kevin zu. Doch ich konnte, irgendwie, einen Schutzschild um ihn legen. Er prallte einfach ab und fiel zu Boden. Moment, wenn ich ihn mit Schutzschilden belegen konnte, konnte ich dann auch Zauber durch ihn wirken? Einen Versuch war es Wert. Ich konzentrierte mich auf einen Punkt vor der Mauer und visierte ihn an.
„Nagnami“, rief ich und sofort ging ein Blitz nieder.
Also war Kevin wirklich eine Verlängerung meiner selbst. Er konnte sogar meine Reichweite erweitern. Mehrere Männer fielen meinem Blitz zum Opfer.
„Schamane, benutzt keine Zauber, denen ihr nicht gewachsen seid“, konnte ich eine Frauenstimme sagen hören.
„Es ist der einzige Angriffszauber, den ich kenne“, sagte ich und sie lachte.
„Konzentriert eure Magie und werft Energiekugeln. Das ist besser, als unnötig göttliche Magie anzuwenden.“
Gut, wenn sie meinte. Ich nickte nur und versuchte es. An Kevins Krallen bildete sich eine Energiekugel, die zu Boden ging und wieder mehrere Menschen niederstreckte. Jetzt hatten sie natürlich Kevin entdeckt und immer mehr Pfeile kamen auf ihn zu. Mein Schutzschild hielt sie zwar ab, aber ich konnte spüren, wie er sehr nervös wurde. Also befahl ich ihn zurück. Er flog vom Kampfplatz zurück und kam wieder zu mir. Auf dem Weg konnte ich das Mädchen sehen, dass nun in meine Richtung lief. Doch Kevin überholte sie schnell und landete auf meiner Schulter.
„Das hast du super gemacht. Zurück ins Zimmer mit dir, ich will nicht, dass dir etwas passiert“, sagte ich und er flog weiter.
Sofort löste ich die Kontrolle über ihn und sah mich um. Der Kreis war immer noch um mich herum und von Assassinen keine Spur.
„Reife Leistung, Schamane. Durch jemand anderen Zauber zu wirken ist nicht leicht. Hätte ich gar nicht erwartet“, sagte die Frau und ich sah sie an.
Sie trug ein ähnliches Kleid wie Gahlia und hatte auch die gleiche Figur.
„Wer seid ihr?“, fragte ich und sie verneigte sich.
„Mein Name ist Latia. Ich bin die neue Anführerin der Magier.“
„Erfreut euch kennen zu lernen“, sagte ich.
Aber mehr Zeit hatten wir auch nicht. Auf der Tempelmauer erschienen mehrere Assassinen und auch das geheimnisvolle Mädchen. Sie sahen auf uns herunter.
„Achtung“, rief ich und sofort hoben die Soldaten ihre Schilde.
Kleine, fast nicht sichtbare, Nadeln fielen zu Boden. Wie ich sie bemerkt hatte, wusste ich selbst nicht genau. Aber vermutlich durch ihren Klang. Die Assassinen sprangen ab und kamen genau auf uns zu.
„Schießt sie ab“, rief Aran und sofort flogen ihnen Pfeile entgegen.
Doch mit einer Rauchwolke lösten sie sich auf und Holzstämme fielen zu Boden.
„Verflucht“, sagte Aran und sah sich um.
„Hinter euch“, rief ich und sofort sprang Aran herum.
Er schlug mit seinem Bogen in die Luft und ein Assassine ging zu Boden. Sofort streckte ein Soldat ihn nieder.
„Rechts“, rief ich und ein Soldat schlug dort in die Luft.
Ein weiterer Assassine ging zu Boden. Das wiederholte ich, bis keiner mehr übrig war. Nur noch dieses Mädchen. Doch sie konnte ich nicht spüren. Wo war sie?
„Wie niedlich. Ein Schamane, gegen den man sich nicht tarnen kann“, sagte sie und ich versuchte zu orten woher ihre Stimme kam.
Leider erfolglos. Sie konnte von überall kommen.
„Gib dir keine Mühe, Kleiner. Mich kannst du nicht finden.“
„Wer bist du?“, fragte Latia und die Stimme lachte.
„Mich nennt man Schattenschneider. Die Schamanin des Wassers.“
Sie war eine Schamanin? Das erklärte, warum ich sie nicht orten konnte. Aber wie konnte es sein, dass sie so weit war und ich noch am Anfang stand? Waren Assassinen einfacher auszubilden, als Magier? Oder war sie sofort hiergeblieben und hatte einen Trainingsvorsprung?
„Erstaunt, Schamane? Ja, ich bin schon beinahe fertig Ausgebildet. Meine Tarnung ist eigentlich noch nicht perfekt. Aber für euch reicht es alle Male. Niemand kann mich finden“, sagte sie und plötzlich fiel mir etwas auf.
Auf dem Boden war einen kurzen Moment Magie zu spüren. Sie benutzte Magie um lautlos zu laufen und unsichtbar zu sein. Sofort suchte ich den Boden ab und sprang auf. Ich brach aus der Formation aus und hob meinen Stab. Ich schlug zu und das Mädchen ging zu Boden. Mein Stab hatte ihren Brustkorb getroffen.
„Nicht schlecht“, röchelte sie und erhob sich wieder.
Sofort war sie von sämtlichen Magiern und Soldaten umstellt. Sogar die Bogenschützen zielten auf sie.
„Was willst du hier?“, fragte ich und hielt meinen Stab bereit.
„Dich befreien.“
„Warum? Ich bin im richtigen Reich.“
„Richtig. Aber dieses Reich tut euch nicht gut. Die Leute hier denken nur sie seien etwas Besseres und machen andere Reiche nieder. Sie verdienen keinen starken und warmherzigen Schamanen wie euch. Wie auch immer ihr heißt.“
„Man nennt mich Lotus, den Windschamanen. Ich mag noch am Anfang meiner Ausbildung stehen, weil ich mir einen Tag bedenk Zeit gegeben habe. Das war offenbar wohl ein Fehler“, sagte ich und sie lachte.
„Kommt schon, Lotus. Ihr wisst es besser. Ein Magier ist viel schwerer zu trainieren wie ein Assassine. Wir müssen nur schnell sein und unsichtbar. Das ist nicht schwer. Ihr hingegen, könnt mit eurer Magie Dinge machen, die ich mir nicht einmal ausmalen kann. Kommt mit mir und lasst dieses Reich hinter euch.“
„Niemals. Ich fühle mich hier sehr wohl.“
„Hier herrschen Kräfte, die jenseits allem erdenklichem sind. Es wird euch nur verderben, hier zu bleiben“, sagte sie.
„Haltet den Mund. Unser Schamane wird euch zerschmettern, wenn ihr nicht geht“, sagte ein Soldat und hob seinen Schild, als das Mädchen ihn ansah.
„Seht ihr das nicht? Er ist ein Anfänger. Nur ein kleiner Nichtsnutz, der kleine Zauber beherrscht. Das reicht niemals, mich zu besiegen“, sagte sie.
Langsam wurde ich wütend. Ich war glücklich hier. Konnte sie das nicht akzeptieren? Die Soldaten gaben ihr Leben für mich, wenn das nötig war. Doch sie versuchte weiterhin mich zu überzeugen. Meine Mana geriet wieder in Wallung. Plötzlich schoss ein Zauber in meinen Kopf. Ich schlug meinen Stab auf den Boden. Er blieb stehen und begann zu leuchten. Dann nahm ich meine Hände nach vorne und eine Kugel bildete sich.
„Sei Shala“, rief ich und Latia schrie auf.
„Nein, Schamane. Dieser Zauber ist zu stark für euch!“
Doch es gab kein Zurück mehr. Eine Druckwelle ging von mir aus und die Kugel löste sich auf. Das Mädchen verschwand augenblicklich und wich dem Zauber irgendwie aus. Doch in der Stadt konnte ich viele Schmerzensschreie hören. Was bewirkte dieser Zauber? Latia kam zu mir und sah mir in die Augen. Sie sagte etwas. Doch es kam nichts bei mir an. Was war los mit mir? Irgendwie verschwammen alle Bilder vor mir, bis ich gar nichts mehr mitbekam. Als letzte hörte ich nur den Tiger meinen Namen rufen. Doch dann war alles zu ende.
Die Assassinen kamen wirklich erbarmungslos. Und als wäre das noch nicht genug, standen auch noch Soldaten vor unsere Mauer und belagerten die Stadt. Es war nur ein kleiner Angriff, doch Assassinen konnte man nicht so leicht fangen. Sie waren flink und unsichtbar. Sogar für mich manchmal. Was mir mehr Sorgen machte, war die Tatsache, dass ihre Schamanin auch hier war. Assassinen waren bei weitem einfacher zu trainieren, als Magier. Doch, dass sie so weit war hätte ich nie gedacht. Ein Assassine kam auf mich zu, fiel aber meinen Pranken zum Opfer. Es war sinnlos mich anzugreifen. Das sollten sie doch wissen. Warum griff Aqurilana überhaupt an? Oder war es die Schamanin, die diesen Krieg wollte? Ich würde es erst später erfahren. Die Schamanin war auf dem Weg zum Tempel. Das konnte ich spüren. Plötzlich ging ein Blitz vor der Mauer in den Boden. Dort oben flog Kais Falke. Er konnte durch ihn Zauber wirken? Das war eine neue Überraschung. Ich konnte durch Kai Zauber wirken. Doch er besaß auch Magie. Aber ein normaler Junge, besaß keine Magie. Also kam sie von Kai und floss durch ihn hindurch. Unglaublich. Ein Blitz? Das war göttliche Magie. Unmöglich. Das dürfte er gar nicht können. Als nächste schoss er jedoch Energiekugeln. Besser so. Sie würden nicht so viel Kraft verbrauchen, wie ein Blitz und er konnte nicht an ihnen sterben. Ich sah mich um und erblickte Li, der gegen mehrere Assassinen kämpfte. Sofort schritt ich ein. Ich streckte zwei von ihnen nieder und Li die anderen.
„Danke, Tiger“, sagte er und sah sich um.
„Die Schamanin will zu Lotus?“, fragte er mich und ich nickte nur.
„Es scheint so. Wer beschützt ihn?“
„Alle, bis auf Chin.“
„Denkst du, das reicht?“
„Wenn Lotus kämpfen kann, dann ja“, sagte Li und erschlug einen Assassinen, der gerade versuchte ihn zu ermorden.
„Ich werde gehen und ihm helfen“, sagte ich und er nickte.
Mehrere Assassinen kamen auf Li zu. Doch diesmal konnte ich ihm nicht helfen. Ich hatte gerade den Rand des Marktplatzes erreicht, als eine Druckwelle auf mich zukam. Sie ging einfach so durch mich hindurch. Doch hinter mir konnte ich die Assassinen schreien hören. Ich sah nach hinten und Li verwirrt dastehen.
„Was war das?“, fragte er und sah auf die Überreste.
Mehr als nur ein paar Aschehäufchen waren nicht übriggeblieben.
„Das kann ich nicht“, sagte ich, als ich spürte, wie Kai schwächer wurde.
„Oh nein“, sagte ich und Li kam zu mir.
„Was ist?“
„Das war Lotus“, sagte ich und er sah mir tief in die Augen.
„Ist er in Ordnung?“
Lotus ging zu Boden. Ich schrie noch seinen Namen und begann zu laufen. Li folgte mir. Wir erreichten bald den Tempel und fanden die Soldaten um Lotus herumstehen.
„Aus dem Weg!“, schrie ich und sie sprangen auseinander.
Latia kniete gerade über dem Körper und versuchte ihn zu heilen. Doch erfolglos. Wie sollte das auch helfen? Er war nicht verletzt. Seine Magie war aufgebraucht. Ich sah ihn an und musste feststellen, dass sein Mana beinahe unberührt schien. Aber alle andere Magie war beinahe restlos verschwunden. Nur ein kleiner Teil, der ihn noch am Leben hielt war da. Das durfte nicht sein. Woher kannte er diesen Zauber? Es war einer von Shian His Spezial Zaubern. Die Welle der Leere. Sie verformte den Raum und verbrannte so alle, die damit in Berührung kamen. Nicht einmal Shian Hi hatte es gewagt sie zu verwenden, obwohl er sie erfunden hatte. Der Zauber verbrauchte so viel Magie, dass sogar er Probleme bekam. Und er war Gott der Weisheit. Ein kleiner Unterscheid zu einem einfachen Schamanen. Kai lag dort und atmete fast nicht mehr. Vorsichtig legte ich meine Pfote auf seinen Körper und entbehrte ein wenig meiner göttlichen Magie. Sein Körper saugte die Kraft auf wie ein Schwamm. Er atmete auf und hustete. Doch er kam nicht wieder ins Bewusstsein zurück.
„Wird er es schaffen?“, fragte Li und ich sah ihn an.
„Er hat Glück gehabt. Der Zauber hat nicht all seine Magie verbraucht. Ich habe ihm gerade ein Teil meiner göttlichen Magie gegeben, damit er nicht mehr so große Probleme hat. Aber es wird dauern, bis er sich vollständig erholt hat.“
„Denkst du, er hat den Zauber freiwillig benutzt?“
„Nein. Vielleicht war es der Schamane und er hat sich überschätzt. Latia? Wurde er bedroht?“, fragte ich und sie schüttelte ihren Kopf.
„Nicht direkt. Die Schamanin war hier, wurde aber von unserem Schamanen enttarnt und zu Boden geschlagen. Sie hatte keine Waffe in der Hand und hat uns nur mit Worten angegriffen. Wäre er nicht gewesen, wären viele Soldaten heute gefallen. Er hat sämtliche Attentäter aufgespürt und uns gewarnt, wenn sie angreifen wollten. Seine Hilfe war unverzichtbar. Warum er gerade diesen Zauber verwendet hat, kann ich euch nicht sagen“, sagte sie und ich nickte.
Vorsichtig näherte ich mich seinem Stab und stieß dagegen. Sofort spürte ich, wie eine Menge Magie dort drinnen steckte. Bei allen Göttern. Wo kam diese Magie her? Das war beinahe mehr, als ich hatte. Hatte Kai sie dort hineingebracht? Unmöglich. Seine Reserven hätten komplett aufgebraucht sein müssen.
„Bringt ihn ins Bett und bewacht das Zimmer“, sagte Li und sofort trugen die Soldaten Kai davon.
Ich sah ihnen nur kurz nach und widmete mich dann wieder dem Stab.
„Konntest du etwas herausfinden?“, fragte Li und ich sah ihn an.
„Dieser Stab ist mit mehr Magie gefüllt, als ich besitze. Weißt du etwas darüber, dass sein letzter Träger es dort hineingelegt hat?“, fragte ich und er überlegte kurz.
„Nein, nicht das ich wüsste. Der letzte Träger war kein Magier. Es war ein Krieger. Er hat ihn genommen, weil er gut aussah und als Keule sehr gut zu gebrauchen war. Seine Magie kann es nicht sein. Hatte Shian Hi ihn einmal in den Fingern?“
„Shian Hi konnte mit jeder Waffe kämpfen. Aber er hat diesen Stab nicht genommen, weil er zu sperrig war. Er ist bei seinen Fächern geblieben. Die konnte man nie finden. Vielleicht wird Lotus Mi-Lans Fächer auch benutzten, wenn er mehr Übung hat.“
„Dann kann ich dir nicht sagen, woher die Magie kommt.“
„Es kann nur Lotus Magie sein. Eine andere Erklärung gibt es nicht.“
„Aber müssten dann nicht seine Vorräte erschöpft sein?“
„Das ist es, was mich wundert. Es wirkt, als hätte er keinen einzigen Zauber verwendet, außer göttliche Magie. Kann so etwas möglich sein?“
„Nein, eigentlich nicht. Selbst Shian Hi hat Mana verbraucht. Es war nicht immer aufgeladen. Manchmal hat auch er Tränke gebraucht, damit seine Magie noch funktioniert. Warum dann er nicht? Ist er vielleicht sowas wie ein super Schamane?“
„Gibt es so etwas? Den perfekten Schamanen? Nein sollte es eigentlich nicht. Und dennoch wundert es mich doch sehr.“
„Wir werden es erfahren. Ich muss sehen, was wir für Verluste haben. Kümmerst du dich um Lotus?“
„Ja, werde ich“, sagte ich und Li lief davon.
Ich sah ihm nach und ging dann in den Tempel. Die Situation ließ mich einfach nicht los. Was hatte Kai veranlasst solch einen Zauber zu wirken? Ohne Bedrohung oder ersichtlichen Grund? Das ergab doch keinen Sinn. Oder vielleicht doch? Wenn die Schamanin ihn bedroht hatte, ohne das vielleicht jemand das mitbekommen hatte. Aber war sie gut genug dafür? Ich erreichte den Thronsaal. Er war leer. Niemand war mehr zu sehen. Plötzlich erschien Aqurilana neben mir und sah mich an.
„Was ist hier passiert?“, fragte sie und sah mich an.
„Deine Schamanin hat uns angegriffen. Wusstest du nichts davon?“
„Ich lasse ihr, freie Hand. Sie meinte, sie wolle den Schamanen befreien. Welchen, wusste ich nicht. Ist eure Mauer kaputt?“
„Viel Schlimmer. Mein Schamane liegt im Koma“, sagte ich und sie stellte sich vor mich.
Ihr Körper war viel kleiner als meiner, sodass ich locker über sie hätte drübersteigen können. Aber ich blieb trotzdem stehen.
„Bitte was? Was ist passiert?“
„Ich weiß es noch nicht genau. Aber irgendwie hat mein Schamane einen göttlichen Zauber ausgesprochen, der von Shian Hi erfunden wurde.“
„Die Welle der Leere?“
„Genau die. Dass er es überhaupt überlebt hat ist ein Wunder.“
„Ist er so stark?“
„Offenbar. Aber eins stört mich. Woher kennt er diesen Zauber? Er kann auch das Nagnami ausführen, ohne dass er selbst da sein muss. Er hat einen Falken, durch den er Magie wirken kann“, sagte ich.
„Unmöglich. Ich kann vielleicht durch meine Schamanin Zauber wirken. Aber doch nicht durch irgendein Tier. Es besitzt doch keine Magie. Wie konnte er das hinbekommen?“
„Frag mich nicht. Er ist mir ein Rätsel ohne gleichen. Solch einen Schamanen habe ich noch nie gesehen. Er konnte jede Aufgabe lösen, die ich ihm gegeben habe. Beim Gedankenlesen hat er es bis zu Ignisia geschafft. Nur die Menge an Stimmen hat ihn aus der Fassung gebracht. Nichts sonst.“
„Bei Mei-Trian.“
„Ja, das dachte ich mir auch. Weißt du vielleicht, wie ein Anfänger so lernfähig und stark sein kann?“
„Nein. Meine Schamanin ist zwar schnell gewesen, aber Assassinen sind auch viel einfach zu trainieren. Ich meine, was müssen sie können? Gift anrühren lernt sich noch. Aber sie kann kämpfen. Sie ist schnell, lautlos und unsichtbar. Mehr braucht sie nicht.“
„Richtig. Und Lotus ist nicht schwer zu trainieren. Sein Mana scheint sich nicht einmal zu verbrauchen. Wir haben vorhin geübt. Doch in der Schlacht hatte er immer noch sämtliche Magie zur Verfügung.“
„Ungewöhnlich. Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen und den Schaden wieder gut machen, den meine Schamanin hier angerichtet hat?“
„Komm mit mir und sieh nach meinem Schamanen“, sagte ich und sie nickte.
Wir gingen auf sein Zimmer zu. Ich öffnete die Türe und sah sofort Latia dastehen. Sie beugte sich über Kai und sah sich sein Gesicht genau an.
„Latia“, sagte ich und sie zog sich erschreckt zurück.
„Was machst du da?“
„Nichts, mein Herr. Ich wollte nur“, begann sie.
„Raus hier. Ich brauche Ruhe“, sagte ich und sie verneigte sich.
Dann verließ sie den Raum. Sie wolle gerade die Türe schließen, als sie meine Schwester bemerkte. In ihrer Kugel bildete sich eine Energiekugel. Sofort sprang meine Schwester herum. Ihr Fell stellte sich auf und sie fauchte Latia an.
„Was hat der Fuchs hier zu suchen?“, fragte sie und ließ sie nicht aus den Augen.
„Die Frage ist eher, was hast du hier noch zu suchen? Meine Schwester hilft mir für den Schamanen zu sorgen. Geh“, sagte ich und wiederwillig schloss sie die Türe.
Ich ging auf das Bett zu und Aqurilana folgte mir. Kai lag dort und rührte sich nicht. Er atmete, war aber nicht bei Bewusstsein. Vorsichtig sprang ich auf das Bett. Sie folgte mir und sah ihn an.
„Warum sieht er aus, wie du?“, fragte sie.
„Wieso, wie ich?“
„Ach komm schon, Boreos. Erinnerst du dich nicht an damals, wo wir noch Dämonen waren? Wir hatten auch einmal solch eine Gestalt.“
Jetzt wo sie es sagte. Ja, er hatte gewisse Ähnlichkeit mit mir. Doch meine Tage als Dämon waren lange vorbei. Nachdem Shian Hi mich besiegt hatte und zum Geist konvertierte, war ich kein Dämon mehr. Jetzt war ich mächtiger als je zuvor. Ich war ein Gott.
„Ja, du hast Recht. Kannst du vielleicht herausfinden, was passiert ist?“, fragte ich und sie schloss ihre Augen.
Sie zuckte immer wieder, als sie versuchte in Kais Geist einzudringen. Entnervt gab sie kurze Zeit später auf.
„Keine Chance. Dieser Schutzwall ist nicht zu überwinden. Einen konnte ich knacken. Doch dahinter ist noch einer. Den hatte ich fast und konnte noch einen dritten sehen. Dieser ist mit Schlössern versehen. Fünf Stück. Ich denke, dass es der alte Trick ist, den wir auch für unsere Tore verwenden. Löse eins und du hast fünf Sekunden, bis es wieder funktioniert. Da komme ich nicht durch.“
Verdammt. Also konnte auch sie nichts machen. Aber vielleicht ließ er mich ja jetzt rein. Immerhin kannte er meine Präsenz. Ich schloss mein Auge und drang in seinen Geist ein. Ich glitt durch die Schutzwälle hindurch. Es waren ganze fünf. Jeder von ihnen auf eine andere Art gesichert. Unglaublich. Wie machte er das? Plötzlich flackerten Bilder auf. Ein Mädchen stand vor ihm und sprach. Ich konnte zwar nicht hören, was sie sagte, doch ich konnte eine unglaubliche Wut spüren, die sich in Kai aufbaute. Dann übernahm plötzlich ein Instinkt sein Handeln und brachte ihn dazu, diesen Zauber zu verwenden. Danach konnte ich nur noch sehen, wie Latia mit ihm sprach und dann alles schwarz wurde. Sofort war ich aus seinem Geist draußen und sah meine Schwester an.
„Und?“
„Deine Schamanin hat ihn irgendwie in Rage gebracht. Seine Instinkte haben ihn gesteuert und diesen Zauber anwenden lassen. Woher er ihn kannte, kann ich dir nicht sagen.“
„Unglaublich. Instinkte sagst du? Vielleicht dämonische?“
„Nein. Seine eigenen. Vielleicht die Tigerinstinkte in ihm. Immerhin ist, dass sein wahres Gesicht.“
„Meine Schamanin müsste doch dann auch so aussehen, oder?“
„Vielleicht.“
„Rätsel über Rätsel. Meinst du er nimmt meine Magie an?“, fragte sie und ich lächelte.
„Versuch es. Vielleicht ja, vielleicht nein. Das werden wir nur wissen, wenn du es versuchst.“
Vorsichtig hob sie ihre Pfote und legte sie auf seine Brust. Sie gab ihm ein wenig Magie. Als wäre sie gar nicht da, verschwand sie in ihm und zeigte kaum Wirkung. Sie entbehrte mehr. Doch auch das zeigte keinen Effekt. Erstaunt zog sie ihre Pfote zurück.
„Das hat keinen Effekt?“, fragte sie.
„Ich habe ihm viel Magie gegeben. Es reicht, damit ich noch Lebe und mich nicht unwohl fühle. Doch sein Körper hat sie aufgesogen wie ein Schwamm. Es ist wirklich unglaublich.“
„Mehr kann ich ihm nicht geben. Ich habe beinahe die Hälfte meiner Magie gegeben und es ist, als wäre sie gar nicht da.“
„Könntest du die Welle der Leere ausführen?“, fragte ich und sie lachte.
„Natürlich nicht. Das kann keiner von uns. Ich denke, dass nicht einmal Mei-Trian es könnte.“
„Das mag ich nicht zu beurteilten. Doch es mag sein. Zumindest habe ich es noch nie mitbekommen. Warum auch? Wann haben die Götte das letzte Mal einen Kampf mitgeführt?“
„Vielleicht vor dreitausend Jahren? Aber selbst da nicht.“
„Siehst du. Ich mache mir Sorgen, Schwester.“
„Berechtigt. Leila wollte ihn befreien, weil sie befürchtet, dass man ihm hier den Kopf verdrehen wird und seinen Charakter verfälscht.“
„Warum sollte jemand das tun?“
„Ach komm, Bruder. Was war mit den letzten Schamanen? Sie waren herzensgut, als sie hierherkamen. Nach einiger Zeit haben sie angefangen sich für etwas Besseres zu halten. Du kannst nicht verleugnen, dass es so ist.“
„Will ich auch nicht. Aber das ist nun einmal die Mentalität dieser Leute hier. Li trägt seinen Teil dazu bei, aber dieses Reich ist nun einmal so gestrickt. Wir sind das größte von allen vier Reichen. Wir haben sogar noch Anteile am neutralen Land, durch einen Pakt mit den Wesen dort.“
„Und genau deswegen fürchten wir euch alle. Meine Streitmacht hat heute herbe Verluste hinnehmen müssen. Ich weiß nicht wie Leila seinem Zauber entgangen ist. Aber ich konnte spüren, dass sie panische Angst hatte. Irgendwie ist er ihr gelungen der Druckwelle auszuweichen.“
„Nein, sie hat sich getarnt. Kai konnte sie nicht orten. Also ging der Zauber daneben. Hat aber jeden anderen, deiner Soldaten, erwischt.“
„Glück gehabt. Sonst wäre der erste Schamane jetzt schon Tod.“
„Wo soll das noch enden? Können wir nicht einfach in Frieden leben?“
„Wir wünschen es uns seit vielen Jahrtausenden. Doch niemals hat es geklappt. Und ich denke in naher Zukunft wird daraus auch nichts.“
„Du solltest zurückgehen Li könnte bald hier auftauchen und ich denke nicht, dass ich ihn davon abhalten kann dich anzugreifen.“
„Wir sehen uns bald wieder, Bruder“, sagte sie und verschwand.
Kurze Zeit nach ihr betrat Li das Zimmer. Er sah mich an und dann Kai.
„Und? Was herausgefunden?“
„Wenig aber immerhin etwas.“
„Und was genau?“
„Man hat ihn nicht bedroht. Seine Wut hat diesen Zauber aktiviert. Die Schamanin des Wassers hat es überlebt. Aber nur knapp. Sie hatte Glück, dass Kai sie nicht orten konnte.“
„Verflixt. Das wäre eine Sorge weniger gewesen.“
„Was haben wir verloren?“
„Mehr, als mir lieb ist. Die Mauer war nur leicht beschädigt. Was wollen Fußtruppen schon ausrichten? Aber Krieger haben wir zu viele verloren und auch Spione. Beinahe die Hälfte aller Spione ist gefallen. Das gefällt mir ganz und gar nicht. Wir müssen unbedingt an ihrer Ausbildung etwas machen.“
„Warum hat Chin denn nicht mehr mit ihnen gemacht?“
„Das hat er. Doch die Spione denken immer, dass sie die Edelleute unter den Assassinen seien. Also nicht zum Kämpfen gedacht. Nur zum Auskundschaften. Aber wenn ihre Tarnung auffällt müssen sie schnell fliehen und am besten noch alle, die zu viel wissen, aus dem Weg räumen. Da müssen wir dran arbeiten. Allerdings hat für uns beide, die Genesung von Kai oberste Priorität.“
„Sehr richtig. Haben wir sonst noch unangekündigten Besuch?“, fragte ich und Li schüttelte seinen Kopf.
„Unserem Spion aus dem Wasserreich ist nicht aufgefallen, dass sie ausrücken. Das war wohl auch mehr eine, Hals über Kopf Aktion. Im Erd- und Feuerreich konnten wir Bewegungen wahrnehmen, die aber auf einen Kampf unter ihnen deute, also keine Bedrohung für uns. Hoffen wir, dass es dabei bleibt. Noch mehr Krieger muss ich nicht unbedingt verlieren, an die Feuereinheiten oder irgendwen sonst. Ein Angriff reicht mir vollkommen aus.“
„Dann hoffen wir, dass Kai sich schnell wieder fängt, damit wir mit seinem Training fortfahren können. Wie sieht es mit seiner Rüstung aus?“
„Ursula ist fertig mit den Änderungen. Gertrude ist zwar ein wenig enttäuscht, dass aus ihrem Treffen mit Kai nichts geworden ist, darf ihm aber die Rüstung vorbeibringen. Kemitsu hat die Änderungen selbst gemacht und ist auch fertig. Nur mit seiner Waffe sind wir noch nicht weitergekommen. Dafür bedient er sich zu wenig dem Nahkampf.“
„Da fühlt er sich auch nicht sicher genug. Dann sollte er es auch lassen. Nebenbei. Hast du ihm Shian His Buch hier hingelegt?“
„Shian His Buch? Meinst du das Zauberbuch? Nein, ich dachte es sei gestohlen worden, nachdem niemand wusste, wo es war. Also ist es hier?“
„Ja. Kai hat auch schon darin gelesen aber nur die erste Seite. Nagnami kann er auch ohne Probleme ausführen.“
„Ungewöhnlich für einen Anfänger. Dürfte seine göttliche Magie nicht dann komplett verbraucht sein?“
„Du kannst sie nur erweitern, indem du sie ans äußerste Treibst, so wie er. Wenn Kai es überlebt und aufwacht, wird sein Körper sich daran anpassen, dass er die Welle der Leere wirklich benutzten kann, ohne Probleme zu bekommen. Das finde ich sehr eigenartig. Aber guck ihn dir an. Hast du jemals so viel Mana auf einmal gesehen?“
Li sah sich Kai genau an.
„Nein, habe ich nicht. Noch nicht einmal du hast so viel“, sagte er zu mir.
„Wer auch immer er ist, ich verstehe, warum er Shian His Ring tragen kann. Jetzt traue ich meinem Freund auch zu, dass er wusste, dass dieser Schamane kommen wird.“
„Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Ich habe einen Rat einberufen, aller Befehlshaber. Kommst du auch?“
Ich schüttelte nur meinen Kopf. Zum einen hatte ich keine Lust, zum anderen wollte ich Kai nicht alleine lassen. Vielleicht hatten wir ja doch irgendetwas übersehen und ein Assassine kam hier rein. Dann wäre es aus, mit ihm. Nein, das konnten wir nicht riskieren.
„Ich bleibe lieber bei ihm und passe auf. Dann kann ich auch besser auf Zustandsänderungen von ihm reagieren. Macht das mal ohne mich.“
„Sei vorsichtig, mein Freund“, sagte Li und verließ das Zimmer.
Ich wartete, bis er die Türe geschlossen hatte und wendete mich dann seinem Falken zu. Dass er eigentlich ein Mensch war, wusste ich. Hätte Kai auch nicht vor mir verstecken können.
„Verwandle dich zurück“, sagte ich um nächsten Moment fiel ein Junge zu Boden.
Dieser Kevin musste Kai sehr wehgetan haben, wenn er so reagierte. Das schien eigentlich nicht seine Art zu sein. Klar, war er, als Mensch, arrogant und abwertend. Doch hier, als Schamane, war er das, was er wirklich war. Gerecht, pflichtbewusst und freundlich. Also, ein völlig neuer Mensch. Verwirrt sah Kevin sich um.
„Wo bin ich?“, fragte er und ich sah ihn an.
Sofort riss er panisch seine Augen auf und versuchte sich von mir weg zu bewegen. Das sah bei Menschen immer wieder unheimlich amüsant aus.
„Du bist in Wiluchu, dem Reich des Windes“, sagte ich und seine Augen wurden noch größer.
Erstaunlicherweise war das sogar möglich.
„Sprechen kannst du auch noch? Bitte friss mich nicht“, sagte er und ich lächelte.
„Das ist nicht meine Absicht. Ich bin Kais Partner und habe ein paar Fragen an dich. Komm her“, sagte ich und unsicher kam er auf mich zu.
Als er Kai da im Bett liegen sah, konnte ich in seinen Augen ablesen, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Irgendwie sah er, verliebt aus? Nein, das war unmöglich. Männer verliebten sich nicht in Männer. Oder doch?
„Was ist mit ihm passiert?“, fragte er.
„Er hat zu viel Magie verwendet. Aber eher einmal eine andere Frage. Was ist das letzte, an das du dich erinnern kannst?“
Er schloss seine Augen und dachte nach.
„Das ich über eine Stadt geflogen bin. Mehr nicht. Er hat mich kontrolliert und dann weiß ich nicht alles, was passiert ist.“
„Verstehe. Konntest du etwas spüren? Wie Wut oder Angst?“
„Ja, Angst. Pfeile sind auf mich zugekommen. Da konnte ich sehr deutlich, zu meiner eigenen Angst, auch seine spüren. Doch er hat mich beschützt. Eigentlich dachte ich, er würde mich sterben lassen.“
„Kai mag vieles sein, aber nicht herzlos.“
„Das Stimmt.“
Kevin konnte seine Augen nicht einmal von Kai lassen.
„Sagst du mir vielleicht, warum du ihn damals immer geschlagen hast?“
Er schloss seine Augen und atmete tief ein.
„Weil er arrogant war. Immer nur besser als die Anderen. Er hat mich angewidert.“
„Ist das die Wahrheit? Oder steckt da mehr hinter?“
„Es ist die Wahrheit.“
„Darf ich dir mal sagen, wie ich das sehe? Du hast ihn geschlagen, weil du ihn magst und es dir nicht eingestehen wolltest. Hast du dich wirklich in ihn verliebt?“
Sofort sah er mich erstaunt an.
„Was?“
„Ach komm schon. Ich kann es in deinen Augen sehen. Du siehst ihn an, als wäre er ein Schatz für dich. Keine Sorge, ich werde es ihm nicht sagen. Aber denkst du nicht, dass es an der Zeit wäre, es ihm zu sagen?“
Kevin seufzte.
„Ich bin nur sein Sklave. Zumindest sieht er mich als solchen. Sollte er mich zurückverwandeln, denke ich nicht, dass er hören will, dass ich verliebt bin.“
„Sag das nicht. Hier ist das wahre Gesicht aller Menschen am stärksten. Deswegen ist Kai hier nicht so arrogant, wie du ihn kennst. Selbst du bist nicht so, wie du dich immer gegeben hast.“
„Verwandle mich bitte zurück, bevor er aufwacht“, sagte er.
„Eins muss ich aber vorher noch klären. Leg deine Hand auf meinen Kopf.“
„Warum?“
„Frag nicht, tu es.“
Langsam berührte er meinen Kopf und ich schloss meine Augen. Sofort durchsuchte ich seinen Körper. Erstaunlicher Weise fand ich dort etwas, was dort eigentlich nichts zu suchen hatte. Magie. Woher kam sie? Kevin war ein einfacher Mensch. Normal dürfte er keine Magie haben.
„Woher kommt deine Magie?“, fragte ich und er zog seine Hand zurück.
„Bitte was?“
„Dein Körper ist von Mana erfüllt. Das heißt, du kannst zaubern, Kevin. Woher hast du diese Gabe?“
Er sah auf seine Hand. Langsam ließ er sich sinken und zeigte sie mir. Dort war ein kleines Symbol. Ein Siegel. Aber wer hatte? Nein, das wagte Kai sich nicht. Er hatte diesem Jungen kein Sigel auferlegt. Vorsichtig stieß ich mit meiner Schnauze dagegen und war erfüllt von der Magie des Siegels. Ich sah, wie Kai den Flügel des Falken berührte.
„Sei meine Augen“, sagte er und dieses Siegel erschien unter seinem Gefieder.
War er denn völlig wahnsinnig? Er hatte Kevin an sich gebunden. Nein, nicht einmal gebunden. Eigentlich war Kevin jetzt mehr eine Verlängerung von Kai selbst. Hatte er gewusst, dass so etwas möglich war? Einzig Shian Hi kannte diese Technik. Wie konnte Kai so etwas vollbracht haben, mit so wenig Kenntnis und Magie. Wer war Kai wirklich? Und wer war Kevin? Es wäre mehr als ungewöhnlich, wenn Kai wirklich ein einfacher Schamane und Kevin nur ein Mensch wäre.
„Vielleicht kommt sie von diesem Mahl“, sagte er und zog seine Hand zurück.
„So ist es. Soll ich dir sagen, was es damit auf sich hat?“
„Das wird nicht nötig sein. Kai wird es mir vielleicht sagen, wenn er denkt, dass ich bereit dafür bin. Verwandle mich jetzt bitte zurück.“
Ich tat es und im nächsten Moment setzte der Falke sich zurück auf seine Stange. Aber mich ließ das alles nicht mehr los. Wer waren sie wirklich. Was steckte hinter dem Ganzen? Wussten die Götter davon und noch viel wichtiger, wann würde Kai wieder fit sein? Alles Fragen, die ich mir nicht beantworten konnte.
Mein gesamter Körper schmerzte. Wie lange war ich wohl weg gewesen? Einen, zwei Tage? Vielleicht auch länger. Was war passiert, dass ich so kaputt war? Ganz ruhig Kai, denk erst einmal nach. Was ist das letzte, das du noch weißt? Latia beugte sich über mich und sprach mit mir. Mehr wusste ich nicht mehr. Oder vielleicht doch? Oh da war noch Kevin. Er flog über die Stadt und ich kontrollierte ihn. Dabei benutzte ich Zauber durch ihn. Richtig. Jetzt fiel es mir wieder ein. Das Wasserreicht hatte uns angegriffen. Und ich wurde von meinen Soldaten beschützt. Da war dieses Mädchen. Sie hatte gesagt, sie wäre die Schamanin des Wasserreichs. Durch sie war ich wütend geworden und mein Mana hatte sich selbständig gemacht. Dieser Zauber. Ja, er hatte meine Kraft aufgebraucht und mich zusammenbrechen lassen. Langsam versuchte ich meinen Finger zu bewegen. Doch mehr als ein kleines Zucken bekam ich nicht zustande.
„Immerhin bist du wieder wach“, sagte Li und legte seine Hand auf meinen Kopf.
„Wie lange war ich weg?“, stotterte ich und er lachte.
„Wie lange? Eine ganze Woche. Ich habe mir Sorgen gemacht, Junge“, sagte er und ließ mich los.
„Eine Woche? Was ist passiert?“
„Du hast unser Reich gerettet. Aber dafür deine gesamte Magie beinahe verwendet. Der Tiger konnte dir ein wenig von seiner Magie geben. Allerdings war das, für deinen Körper, nicht genug. Es hat bis jetzt gedauert, dass du deine Magie wieder aufgeladen hast. Respekt für diesen Zauber, nebenbei. Den hätte niemand sonst ausführen können.“
„Hat mich auch nur beinahe getötet.“
„Das ist nebensächlich. Die Hauptsache ist, dass du wieder wach bist. Fühlst du dich in der Lage zu laufen?“
„Ich denke schon, wenn mir jemand hilft“, sagte ich und versuchte mich zu bewegen.
Jede Bewegung schmerzte zwar, aber es ging. Vorsichtig zog ich mich an die Bettkante und erhob mich. Li kam zu mir und half mir beim Aufstehen. Die Kleidung, die ich bei der Schlacht getragen hatte, trug ich immer noch. Zusammen gingen wir in den Thronsaal. Alle Adligen waren versammelt. Wie bei meiner Vorstellung. Sie sahen uns an. Auf dem Weg zum Thron standen viele Soldaten und schirmten mich ab, vor Blicken. Li führte mich zu dem Thron. Ich setzte mich und sah dann die ganzen Aristokraten an. Li nickte seinen Soldaten zu und sie umstellten sofort den Thron.
„Adlige, dieser Stadt. Unser Schamane hat die Stadt erfolgreich verteidigen können. Dabei ist ihm leider seine Magie entglitten und er hat sich selbst für eine Woche außer Gefecht gesetzt. Es geht ihm den Umständen entsprechend. Aber das war nur eine Sache, weswegen wir euch hergeholt haben. Unser Schamane wünscht, das Wort an euch zu richten“, sagte er und ich sah ihn erstaunt an.
Was? Nein. Das war nie meine Absicht gewesen. Ich wusste ja nicht einmal, was ich sagen sollte. Li gab den Blick auf mich frei und ich erhob mich. Leider brach ich dabei fast zusammen. Sofort half ein Soldat mir und stützte mich. Dankend nickte ich ihm zu. Zusammen gingen wir zum Anfang der Treppe. Ich sah in die Gesichter der Adligen.
„Ich weiß gar nicht genau was ich sagen soll. Mein Bewusstsein habe ich erst seit einigen Minuten wieder und erinnere mich auch nur bruchstückweise an die Schlacht. Was mir aber ganz klar noch vor Augen liegt ist, dass mein Mana sich selbstständig gemacht hat und mich dazu brachte diesen Zauber zu wirken. Ich habe gegen eine Schamanin gekämpft. Zwar konnte ich den Kampf gewinnen, doch wir haben mehrere Soldaten verloren. Deswegen fürchte ich, dass wir die Sicherheitsmaßnahmen verstärken müssen. Seid bitte wachsam. Die anderen Schamanen können überall sein. Wenn ihr Schwierigkeiten bekommt, zögert nicht nach mir zu rufen. Ich werde kommen so schnell ich kann. Das war alles von meiner Seite“, sagte ich und ließ mich zu dem Thron zurückführen.
Li trat vor mich, nickte mir zu und drehte sich dann um.
„Was unser Schamane sagt, stimmt. Die Schamanen können jederzeit und überall angreifen. Bleibt wachsam. Das war alles. Ihr könnt wieder gehen“, sagte er und sofort leerte sich der Raum wieder.
Bis auf meine Generäle und einen Adligen. Sie kamen auf mich zu und verneigten sich.
„Mein Herr“, sagte Latia und sah mich an.
„Ist es mir erlaubt zu sprechen?“, fragte sie und ich nickte.
„Es ist beängstigend, mit welcher Leichtigkeit unsere Gegner die Mauern überwinden konnten. Assassinen sind geschickte und lautlose Killer. Dennoch sollte es beinahe unmöglich sein, unsere Mauern zu überwinden.“
„Und dennoch ist es passiert. Was willst du mir damit sagen?“, fragte ich und sie schluckte.
„Es scheint, als würden unsere Zauber keine Wirkung mehr zeigen.“
„Das wäre mir auch eingefallen. Was denkst du, soll ich dagegen machen?“
„Ihr könntet mir die Erlaubnis geben, mit neuen Zaubern zu experimentieren und ein Mittel zu finden, unsere Stadt wirkungsvoller zu verteidigen.“
„Mir war entfallen, dass du dafür eine Genehmigung benötigst.“
Sie sah mich erstaunt an.
„Alles, was zum Schutz unsere Stadt geschieht und keine Menschenleben fordert, soll mir Recht sein.“
Sie nickte.
„Als euer General der Spione, darf es mir erlaubt sein, mit euch eine private Audienz zu halten?“, fragte Chin und ich nickte.
„Nachdem ich euch alle angehört habe, ja.“
„Meine Bogenschützen trainieren noch härte denn je“, sagte Aran und ich lächelte.
„Das soll mir Recht sein, solange ihr die Männer nicht überfordert. Was haben die Schwertkämpfer vor?“
„Die Soldaten werden spezieller ausgebildet, auch gegen unsichtbare Feinde zu bestehen“, sagte Schera und erhob sich.
„Ich möchte euch danken, Herr. Ihr habt einigen Männern das Leben an diesem Tag gerettet. Hättet ihr uns nicht gesagt, wo die Gegner sind, wären viele gute Soldaten nicht mehr. Wir stehen in eurer Schuld.“
„Geschenkt. Und was kann ich für dich tun?“, fragte ich den Adligen und er erhob sich.
Seine Haare sahen aus, als wären sie mit Gummi bedeckt. Die Gesichtszüge waren hart wie Stein. Seine Kleidung war makellos.
„Ich bin Lord Fiskus, mein Herr. Als alter Freund von Li, hat er mich gebeten mit einem Anliegen an euch zu treten. In letzter Zeit wird mir zugetragen, dass es vermehrt zum Auftauchen von Dämonen kommt. Sie tarnen sich als Menschen und greifen aus dem nichts an. Wir müssen dieser Sache nachgehen. Ich habe eine Truppe von Soldaten und Magiern zusammengestellt, damit wir dieser Sache auf den Grund gehen können. Haben wir dafür euren Segen und können auf eure Unterstützung hoffen?“
„Sicher. Kümmert euch darum“, sagte ich und er nickte.
„Wenn es sonst nichts gibt, würde ich gerne mit Chin sprechen und dann mich noch ein wenig ausruhen.“
Sie drehten sich um und verließen den Raum. Ich sah Li an. Er nickte und ging dann ebenfalls. Die Soldaten marschierten hinter ihm her.
„Komm, Chin. Hilf mir in mein Zimmer“, sagte ich und wir gingen in mein Zimmer.
Chin führte mich zu meinem Stuhl und nahm dann selbst vor mir Platz.
„Was kann ich für dich tun, Chin?“
„Lotus, ist es mir erlaubt euch so zu nennen?“
„Natürlich. Du darfst auch gerne du sagen, hier drinnen.“
„Ich habe viele Probleme mit meinen Spionen. Sie sehen sich nicht als Kämpfer, sondern nur als Späher. Werden sie enttarnt, dann sind sie meist Tod. In diesem Kampf habe ich fast die Hälfte all meiner Spione verloren. Es ist inakzeptable.“
„Das ist es. Doch was soll ich dagegen unternehmen? Ich selbst kann euch nicht unterstützen.“
„Das ist auch nicht, was ich möchte. Lehrt sie, zu zaubern“, sagte er und ich sah ihn erstaunt an.
„Bitte was? Es ist Latias Aufgabe, Magier auszubilden.“
„Und dennoch weigert sie sich, meine Spione zu lehren. Ich weiß, dass eure Ausbildung noch am Anfang steht. Doch nach eurer Darbietung, in dieser Schlacht, bin ich mir sicher, dass ihr mehr könnt als ihr denkt.“
„Das mag sein. Ich werde mich mit Li und dem Tiger beraten und dann darüber urteilen. Ist das für dich akzeptable?“
„Voll und ganz. Habt ihr den Tiger eigentlich gesehen? Ich konnte ihn bis jetzt noch nicht finden.“
„Nein, es tut mir leid. Ich weiß nicht wo er sich aufhält. Frag doch Li. Vielleicht weiß er es.“
„Das werde ich, Lotus. Danke dass du mir zugehört hast“, sagte Chin und verließ mein Zimmer.
Ich wartete, bis die Türe geschlossen war und sah dann zu Kevin. Er saß auf der Stange und musterte mich neugierig.
„Komm her“, sagte ich und er kam.
Er landete auf dem Tisch und musterte mich sehr genau. Ich verwandelte ich ihn zurück. Kevin stand vor mir und sah mich erstaunt an.
„Ich denke, dass ich dich lange genug gedemütigt habe. Du warst mir eine große Hilfe. Doch jetzt werde ich dich zurückschicken. Ich kann nicht riskieren, dass du meiner Inkompetenz zum Opfer fällst“, sagte ich und bekam nur einen verwirrten Blick mehr nicht.
„Du hast mich gebeten, deine Augen zu sein. Erinnerst du dich? Ich habe dieses Mahl von dir“, sagte er und zeigte mir seine Hand.
Woher kam das denn? Musste ich wohl unbewusst getan haben. War ja auch egal.
„Ich entbinde dich von all deinen Pflichten, mir gegenüber. Wenn du willst werde ich dich sofort zurückschicken.“
Er ging um dem Tisch herum und kam auf mich zu. Ich bereitete einen Zauber vor, falls er versuchen würde mich zu schlagen. Eigentlich rechnete ich damit.
„Es tut mir leid, was ich getan habe. Ich weiß es war falsch. Doch ich war so wütend“, begann ich, doch er brachte mich zum Schweigen.
Er legte seinen Finger auf meine Lippen. Dann holte er aus und verpasste mir eine Ohrfeige.
„Die war für die Demütigung.“
Gut, die hatte ich verdient. Es war vollkommen in Ordnung, auch wenn es schmerzte.
„Und das ist für deine Fürsorge“, sagte er und küsste mich.
Erstaunt versuchte ich zuerst ihn weg zu schieben. Doch das hatte wenig Erfolg. Dafür war ich im Moment einfach zu schwach. Aus mir nicht erklärlichen Gründen, fühlte sich dieser Kuss erstaunlich gut an. Was war los mit mir? War ich in einen Mann verliebt? Nein, das konnte nicht sein. In meiner Welt hatte man damals von Schwulen gesprochen. Was würde man hier sagen? Egal. Der Moment schien nicht zu enden. Umso schlimmer war es, als Kevin seine Lippen von mir löste. Ich sah in seine Augen und konnte sehen, dass es ihm unangenehm war, aber er es dennoch genossen hatte.
„Kai, ich. Ich habe dich damals nur verprügelt, weil ich dich irgendwie anziehend fand und mir die Wahrheit nicht eingestehen wollte. Der Grund, warum ich immer so gemein zu dir war ist einfach nur, dass ich zu feige war, dir meine Liebe zu gestehen“, sagte er und sah zu Boden.
Ich konnte das alles noch immer nicht erfassen. Kevin war verliebt. In mich. Hatte aber nie den Mut, es mir zu sagen. Deswegen hatte er mich unzählige Male verprügelt? Machte nicht so viel Sinn in meinen Augen aber gut. Langsam streckte ich meinen Arm aus und berührte seine Hand. Sofort durchfuhr mich eine ungewohnte wärme. Es fühlte sich so falsch aber dennoch gut an.
„Es. Es sollte noch ein Zimmer ganz in der Nähe hier geben. Ich werde den Tiger bitten, es dir zu geben, wenn du bleiben möchtest“, stotterte ich und er sah mich an.
„Wenn du nicht willst, dass ich bleibe, dann werde ich gehen“, sagte er.
„Das kann ich dir nicht sagen. Irgendwie fühlt es sich falsch aber dennoch richtig an. Ich brauche ein wenig Zeit, um mich mit diesem Gedanken anzufreunden. Immerhin warst du einmal mein Feind Nummer eins. Du wirst ein Zimmer bekommen und ich werde über das alles nachdenken. Aber eins ist sicher. Deine Verpflichtung, mir gegenüber ist aufgehoben. Es steht dir frei, nach deinem eigenen Willen zu handeln. Ich werde keine Macht mehr über dich ausüben.“
Doch er schüttelte nur seinen Kopf. Das Mahl an seiner Hand war verschwunden.
„Das ist mir egal. Du hast mich in der Schlacht nicht sterben lassen. Wenn du weiterhin mich beschützen kannst, kannst du auch deine Macht über mich ausüben.“
„Es soll bei dir liegen.“
Er nickte und ich zog an einer Schnur, neben meinem Stuhl. Kurze Zeit später stand ein Diener in meinem Zimmer.
„Ihr wünscht, mein Herr?“, fragte der Junge.
Er war schmächtig und hatte braune Haare.
„Sag mir, gibt es hier in der Nähe ein Zimmer, für meinen Gast? Er würde sich gerne ausruhen.“
„Ja, mein Herr. Es ist in diesem Moment auch noch frei. Ich würde euren Gast dorthin führen. Ist das euer Wunsch?“
Ich nickte und Kevin ging auf den Jungen zu.
„Folgt mir“, sagte er und die zwei verließen das Zimmer.
Wieder alleine. Ich drehte meinen Stuhl, damit ich aus dem Fenster sehen konnte. Im Innenhof war niemand zu sehen. Weder Li, noch der Tiger. Dennoch sah er wunderschön aus. Daran bestand kein Zweifel. Was gerade passiert war, hatte mich völlig aus der Bahn geworfen. Mein einst schlimmster Feind wollte jetzt mein engster Freund sein. Irgendwie konnte ich das nicht wirklich erfassen. Doch was war dieses eigenartige Gefühl, als ich ihn berührt hatte? Als würde mein ganzer Körper brennen. Fühlte sich so Liebe an? Beschämenderweise wusste ich das nicht. Und wenn es so war? Es war wieder der Natur. Aber kümmerte mich das wirklich? Eigentlich nicht. Die Natur konnte mir gestohlen bleiben, solange ich glücklich war. Würde ich denn mit Kevin glücklich werden? Das wusste ich nicht. Und würde ich es nicht versuchen auch niemals erfahren. Ich war noch nicht bereit dafür. Oder war ich einfach zu feige? Genau wie Kevin damals? Hatte ich mich deswegen den Flammen der Rache ergeben? Oder war es vielleicht das gleiche Motiv, wie bei Kevin. War ich in ihn verliebt und wollte es mir nicht eingestehen? Das ganze Nachdenken machte mir Kopfschmerzen. Weg mit all diesen Gedanken. Darüber konnte ich auch später noch nachdenken. Jetzt waren andere Dinge wichtiger. Wo war Boreos? Was konnte ich machen, um meine Magie besser unter Kontrolle zu halten und wie lange würde es dauern, bis die andere Reiche wieder angreifen würden? Das wichtigste war, meine Magie zu kontrollieren. Nur wie? Wie war es überhaupt möglich, dass mein Mana sich selbständig machte? Waren es meine Emotionen? Es klopfte und ich zuckte zusammen.
„Herein“, sagte ich und Boreos trat ein.
Er schloss die Türe und sah mich dann an.
„Endlich bist du wieder wach“, sagte er und ich nickte.
„Ich hatte nie die Absicht, für eine ganze Woche nicht mehr anwesend zu sein. Wie das genau passiert ist, weiß ich nicht genau“, sagte ich.
„Kai, du musst mir eine Frage beantworten. Erinnerst du dich vielleicht an ein anderes Leben, vor deinem?“
Ich dachte nach. Ein Leben vor meinem? Nein.
„Tut mir leid, nein“, sagte ich und er nickte.
„Dann kannst du dich nicht erinnern. Es wunderte mich nur, dass du diesen Zauber gut verkraftet hast. Mein damaliger Freund, Shian Hi, hat sich immer gescheut diesen Zauber zu verwenden. Zum einen, weil er grausam ist und zum anderen, weil er unheimlich viel Magie verbraucht. Einmal hat er mir gesagt, dass es sogar für ihn tödlich wäre. Dennoch, hast du es überlebt und das wundert mich. Ich bin froh, dass es so ist, doch andererseits wundert es mich.“
„Ich konnte mich nicht kontrollieren, Tiger. Mein Mana hat sich selbständig gemacht und irgendwie diesen Zauber verwendet. Ist das normal?“
„Dein Mana? Wieso denn Mana? Für diesen Zauber benötigst du göttliche Magie. Ich hatte dich ja gewarnt, dass es tödlich enden kann. Bist du sicher, dass es Mana war und nicht deine schamanische Seite?“
„Das vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht war er es und nicht mein Mana. Aber ich konnte es halt spüren. Wie der Schamane sich genau anfühlt, weiß ich nicht. Da ich jedes Mal bewusstlos werde.“
„Ja, leider. Daran können wir aber auch nichts ändern. Jetzt zu etwas Anderem. Du hast Kevin nicht in seine Welt geschickt?“
„Nein, habe ich nicht. Eigentlich wollte ich es, doch es hat sich anders entwickelt, als ich dachte. Er hat mich gebeten es nicht zu tun.“
„Ich weiß warum. Du brauchst nichts vorzutäuschen.“
„Du weißt was?“
„Das er dich liebt.“
Ich wurde rot. Woher wusste er das?
„Überrascht?“
„Ein wenig.“
„Wundert mich nicht. Als du bewusstlos warst, habe ich ihn zurückverwandelt und mit ihm gesprochen. Er hat mir alles erzählt. Nun ja, zumindest was er fühlt. Und daher weiß ich es.“
„Er hat es dir gesagt?“
„Ja. Aber es ist ihm nicht leichtgefallen.“
„Ich verstehe es nicht.“
„Weißt du, was das Problem an dieser Stadt ist? Es gibt hier bestimmt viele Menschen wie Kevin. Doch sie trauen sich nicht etwas zu sagen. Kevin hat Mut bewiesen und seine Gefühle nicht verborgen. Was gedenkst du jetzt mit ihm zu machen? Wirst du ihn hierbehalten?“
„Irgendwie erwidre ich seine Gefühle. Deswegen darf er bleiben. Ich weiß nur nicht, ob ich ihn beschützten kann. Das macht mir große Sorgen. Boreos ich muss meine Magie in den Griff bekommen. Hilf mir dabei“, sagte ich und er sah mich an.
„Die Zauber kennst du. Deine Emotionen sind das Problem. Du musst sie unter Kontrolle halten. Magie wir von Emotionen gesteuert. Wut oder andere starke Gefühle stören deine Konzentration und machen dich anfällig für Fehler. Die musst du beseitigen. Ich kann dir nicht mehr beibringen. In der Schlacht hast du mir gezeigt, dass du auch Angriffszauber beherrscht. Jetzt heißt es üben, üben, üben.“
„Was ist mit meiner Beziehung zu Kevin? Wird es Probleme geben?“
„Vermutlich. Es ist nicht üblich, dass sich zwei Männer lieben. Als Schamane wird dir niemand etwas sagen, da deine Entscheidung Gesetz ist.“
„Dann wollen wir mal sehen was noch auf uns zukommt.“
„Ja. Willst du heute noch üben?“
„Nein. Das vertagen wir auf morgen. Ich muss mich immer noch ausruhen.“
„Dann beginnen wir morgen. Möchtest du sonst noch etwas machen?“
„Nur meine Ruhe haben. Mehr nicht.“
Boreos ging und ließ mich alleine. Also brauchte ich mehr Training. Aber wie war es möglich, dass ich schon die Zauber kannte? Ich hatte nur einmal ein Zauberbuch in der Hand gehabt und darin nur einen Zauber gelesen. Nagnami. Das wurde immer verrückter, je länger ich hierblieb.
„Halorama, Kariana. Wiruma gehamata erantu dimune?“, fragte jemand und Mi-Lan erschien vor mir.
Ich sah sie an. Ihre Augen waren von dicken Ringen unterlegt, als hätte sie das letzte Mal vor einer Woche geschlafen.
„Mir geht es gut, Mi-Lan. Danke der Nachfrage.“
Verwirrt musterte sie mich.
„Du verstehst was ich gesagt habe?“
„Ja, gibt es damit ein Problem?“
„Wann hast du die Sprache der Götter gelernt?“
„Keine Ahnung. Aber für mich klang es jetzt nicht anders, als sonst.“
„Erstaunlich. Aber eigentlich bin ich wegen etwas Anderem hier. Ich habe erfahren, was passiert ist. Naja erfahren ist eigentlich das falsche Wort. Boreos hat mir einige Dinge erzählt. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass eine große Vergangenheit hinter dir liegt, die sich langsam wieder in dein Leben hineindrückt. Das ist nichts Negatives. Im Gegenteil. Es macht dir die Dinge noch leichter. Gut, das erklärt dir zumindest, woher du die Zauber kennst oder auch die Sprache der Götter sprichst. Ein letztes noch. Ich habe mitbekommen, was du für diesen Jungen, Kevin empfindest. Meiner Meinung nach, solltet ihr das alles vergessen. Schick ihn zurück in seine Welt und vergiss ihn, so schnell du kannst. Solch eine Verbindung kann nicht toleriert werden. Weder von mir, noch von jemand anderen.“
Damit verschwand, die Göttin und ich war alleine.
„Was sollte das denn jetzt?“, fragte ich mich und mir fiel auf, dass ich selbst in dieser eigenartigen Sprache gesprochen hatte.
Das musste aufhören. Mi-Lan hatte mir Dinge gesagt, die ich nicht tolerieren würde. Zum Beispiel, dass ich nicht meine Liebe ausleben sollte. Das konnte sie vergessen. Mein Leben gehörte immer noch mir, auch wenn ich jetzt ein Schamane war. Nichts würde mich davon abhalten, es so zu leben, wie ich das wollte. Es klopfte erneut und ich sah zu der Türe.
„Herein“, sagte ich und ein sehr alter Mann trat ein.
Er trug eine Robe, die nicht mehr Weiß, sondern Grau war. Seine Haare waren nicht sehr zahlreich und sonst weiß. Die Haut war stark eingefallen. Sein Rücken war schon ein Buckel.
„Kann ich euch helfen?“, fragte ich und er sah mich an.
Seine Augen waren mir unheimlich. Nicht nur, ihre rote Farbe. Sondern eher ihre Ausstrahlung. Sie wirkten so wissend.
„Beim Mantel Mei-Trians. Ihr seid es“, sagte er und kam auf mich zu.
„Wer bin ich?“
Doch er sagte nichts mehr, bis er an meinem Tisch stand.
„Ich habe tausende Jahre gewartet, euch endlich zu begegnen. Und jetzt seid ihr hier. Welche Ehre.“
Ich verstand kein Wort. Was sollte das alles? Und wer war das überhaupt?
„Irgendwie sagt ihr etwas. Aber ich verstehe kein Wort.“
„Ich habe Prophezeit, dass ihr kommen werdet. Niemand wollte mir glauben.“
„Oberster Priester, was habt ihr hier zu suchen?“, fragte Li und betrat den Raum.
Sofort drehte der Mann sich um und sah Li an.
„Du wolltest mir nie glauben. Ich habe prophezeit, dass er zurückkommen wird. Und jetzt ist er hier. Shian Hi war niemals Tod“, sagte der Mann und jetzt fiel ich beinahe aus allen Wolken.
Shian Hi war einmal Gott der Weisheit gewesen. Und offenbar mussten wir uns ähneln. Also hielt der Mann mich für einen Gott, der angeblich, schon lange Tod sein sollte. Das war mal etwas Neues.
„Ihr phantasiert, Priester. Shian Hi ist Tod. Und das schon seit tausenden von Jahren. Gestorben mit Chun Ji und ihren Schwestern. Dieser Junge ist unser Schamane“, sagte Li und der Priester drehte sich wieder um.
„Ich werde dir beweisen, dass er es ist“, sagte der Mann und im nächsten Moment wurde ich förmlich in seine Augen gezogen.
Alles wurde schwarz und ich konnte hören, wie jemand in meinem Unterbewusstsein zu schreien begann.
Dieser Priester war nervig. Erst kam er einfach so in mein Zimmer und dann versuchte er mich auch noch von Kai zu trennen. Als Schamane würde ich das nicht zulassen. Kais Fähigkeiten waren zwar gewachsen, aber immer noch nicht weit genug, solch einen Zauber zu blocken. Zum Glück konnte ich das.
„Wagt es euch, noch einmal diesen Zauber zu verwenden und ihr werdet den nächsten Tag nicht mehr erleben“, sagte ich und der Priester sah mich weiter an.
„Komm schon heraus, Shian Hi. Ich weiß genau, dass du in diesem Körper steckst“, sagte er.
Keine Ahnung, wovon er sprach. Shian Hi war Tod. Genau wie er, wenn er versuchte seinen Zauber durch zu ziehen.
„Solltet ihr weiterhin versuchen mich von Kai zu trennen, gibt es gar keine Hoffnung mehr. Für niemanden in dieser Stadt. Also lasst den Unsinn auf der Stelle.“
Doch er ließ immer noch nicht locker.
„Oberster Priester, ihr solltet auf ihn hören“, sagte Li und versuchte den Mann zu greifen.
Allerdings war er von einem Kraftfeld umgeben, das Li einen heftigen Stromschlag verpasste. Gut, er wollte es nicht anders. Meinen Stab konnte ich hier nicht gebrauchen. Wo hatte Kai den Fächer hingelegt? Ah da. Sofort befahl ich die Waffe zu mir und durchschnitt förmlich den Zauber des Priesters. Erstaunt taumelte er nach hinten.
„Wie hast du?“
„Das ist relativ einfach. Dieser Fächer ist meine Waffe. Vielleicht kann meine andere Hälfte damit nicht umgehen. Doch meine Seele ist mit dieser Waffe verbunden. Es ist, als wäre sie eine Verlängerung meiner selbst. Ihr habt keine Chance. Gebt sofort auf und ich werde euch verschonen. Nichts und niemand kann mich davon abhalten, euch zu töten.“
„Ich kann euch davon abhalten.“
„Und mit welcher Kraft? Nein, ich lass nicht zu, dass ihr mir etwas tut. Jetzt verschwindet“, sagte ich und sendete ihm einen Windstoß entgegen.
Der Mann machte drei Schritte nach hinten und fiel beinahe um. Gut so. Er sollte spüren, wie ernst ich es meinte. Mir war es wichtig, dass Kai nichts zustieß. Immerhin war er ja eigentlich ich. Technisch gesehen, waren wir eine Person. Also musste ich diesen Körper verteidigen. Li hatte sich gefangen und begann wieder auf den Priester einzureden. Irgendwann gab er dann nach und drehte sich zu mir.
„Ihr habt mich amüsiert, Junge. Das sollten wir irgendwann mal wiederholen“, sagte er und verließ den Raum.
Li kam zu mir und ich sah ihn an. Langsam ließ ich den Fächer sinken.
„Wer war das?“
„Das war der oberste Priester. Seit vielen Jahrhunderten lebt er in diesem Tempel und sucht nach einer Möglichkeit irgendetwas zu tun. Was genau, weiß niemand. Normal findet er den Weg nicht aus dem Keller heraus. Doch deine Aura muss ihn angezogen haben.“
„Warum meinte er, dass ich Shian Hi sei? Ich dachte er ist seit Jahren Tod.“
„Ist er auch. Dieser Mann ist senile, Kai. Er denkt viele Dinge, die nicht der Wahrheit entsprechen.“
„Das sollte nicht noch einmal vorkommen. Beim nächsten Mal werde ich mich nicht zurückhalten. Vor allem nicht, wenn er versucht Kai und mich zu trennen.“
„Dessen bin ich mir bewusst. Ich werde die Wege zum Keller versiegeln lassen.“
„Gut. Das war es von meiner Seite. Wie lange wird meine Rüstung noch brauchen?“
„Sie ist praktisch fertig. Die Näherinnen bringen gerade das Metall mit dem Stoff zusammen. Morgen werdet ihr sie erhalten. Es tut mir leid, dass man euch gestört hat. Ruht euch bitte aus, damit wir morgen mit dem Training fortfahren können“, sagte Li und ich nickte.
Dann verließ er den Raum und ich versiegelte die Türe. Niemand sollte mich diese Nacht stören. Ich ging zu meinem Bett und legte mich schlafen.
Ich konnte hören, wie Kai die Türe versiegelte. Das eben war wirklich knapp. Hätte der Priester nicht nachgegeben, hätte Kai die ganze Stadt zerstören können. Die menschliche Seite schien sehr geschwächt zu sein. Doch der Schamane war stark wie nie. So etwas durften wir nie wieder riskieren. Aber was gerade passiert war, hatte mir eins klargemacht. Kai konnte mit dem Stab vielleicht kämpfen. Doch richtig stark würde er nur mit einem Fächer werden. Also brauchte er eine Waffe. Kemitsu hatte den Stab beinahe fertig. Den sollte Kai auch erst einmal nehmen. Ein Fächer war eine sehr ungewöhnliche Waffe. Ein Anfänger würde damit nicht zurechtkommen. Auch nicht ein Magier. Langsam ging ich durch den Tempel. Boreos war irgendwo. Wo wusste ich nicht. Chin hatte mich auch schon gefragt. Doch leider musste ich ihm sagen, dass ich es auch nicht wusste. Chin. Er war wirklich so etwas wie mein Sorgenkind. Damals war es mir schwergefallen, ihn zu akzeptieren. Ich wusste seit langem, dass er ein doppeltes Spiel spielte. Er spionierte für das Feuerreich und für uns. Also hatte ich kurzerhand eine Allianz mit dem Feuer angesprochen. Doch leider hatte mein Schamane damals abgelehnt. Nicht nur, dass diese Reiche sehr weit auseinander waren, wir verstanden uns auch nicht so gut. Eine Allianz hätte uns allen geholfen. Leider waren die Schamanen damals Todfeinde. Sie konnten sich nicht riechen. Gar nicht. Aber alle Schamanen hatten sich bekämpft. Warum es heute immer noch so war, wusste ich nicht. Die Schmieden kamen immer näher, während ich nachdachte.
„Hallo, Li“, sagte Kemitsu und sah mich an.
Die restlichen Schmiede waren schon nach Hause gegangen. Die Sonne tauchte uns in fahles Dämmerlicht. Nur das Feuer erhellte die Umgebung.
„Hallo, Kemitsu.“
„Du siehst so nachdenklich aus. Ist alles in Ordnung?“
„Nichts, was man nicht beheben könnte. Erinnerst du dich an den Stab?“, fragte ich und er nickte.
Vorsichtig zeigte er mir, woran er arbeitete. Ein sehr schöner Kampfstab aus Gold. An beiden Enden hatte er eine Klinge, die sich ausfahren ließ. Sehr gute Arbeit. Aber von Kemitsu kannte ich es nicht anders.
„Er ist fast fertig. Ich beende gerade die letzten Arbeiten und morgen kann er ihn verwenden.“
„Gut. Ich habe eine bitte an dich. Wir brauchen zwei Kampffächer, die vom Wind gesegnet sind“, sagte ich und er sah mich erstaunt an.
„Kampffächer? Schwebt dir da etwas Besonderes vor?“
„Nein. Nur mit Wind gesegnet und eines Schamanen würdig. Mehr nicht.“
„Erst ein Kampfstab und dann zwei Fächer? Kannst du dich vielleicht entscheiden?“
„Ich wusste nichts davon. Lotus hat zwei Persönlichkeiten. Der schamanische Teil von ihm hat mir gerade gesagt, dass der Fächer seine Waffe ist. Wenn Lotus also richtig anfängt zu kämpfen, wird er mit den Fächern perfekt werden und mit dem Stab nur gut.“
„Verstehe. Vielleicht habe ich da eine Idee. Aber das muss ich erst noch ausprobieren. Sonst noch Überraschungen? Vielleicht noch eine Rüstung?“
„Jetzt wo du es ansprichst. Eine zweite Rüstung kann nicht verskehrt sein. Meine Frau arbeitete gerade an einer neuen Kleidung dafür, weil sie der Meinung ist, dass er Abwechslung braucht.“
„Wenn sie fertig ist, soll sie die Kleidung zu mir bringen. Wir werden sie Alltagstauglich machen. Niemand wird sehen, dass es wirklich eine Rüstung ist. Kein Schamane hat uns von Anfang an so auf Trab gehalten“, sagte er.
„Da sagst du etwas. Und ich denke, dass es mehr Kämpfe geben wird. Die anderen Schamanen versuchen Lotus zu holen, damit er nicht so wird, wie jeder Schamane dieses Reiches.“
„Das ist Unsinn. Ich kenne da jemanden, der dagegen etwas unternimmt“, sagte er und ich lächelte.
„Ja. Ich versuche ihn so zu halten, wie er ist. Was bringt mir ein arroganter Schamane, der sich zu fein ist, in kämpfe einzugreifen. Doch Lotus ist anders. Er kann nicht stillsitzen, wenn man ihn braucht. Deswegen wird er niemals so wie seine Vorgänger.“
„Warten wir ab, wie sich die Dinge entwickeln. Bis jetzt wussten wir immer nur eins. Nichts ist wie es scheint und nichts bleibt, wie es ist. Es kann viel passieren.“
„Da hast du Recht, alter Freund.“
Er arbeitete weiter, während er über alte Schlachten sprach, die wir zusammen geschlagen hatten.
Hatte ich schon wieder vergessen die Vorhänge zu schließen oder warum war es so hell in meinem Zimmer? Ich war doch gerade erst eingeschlafen. Vorsichtig öffnete ich ein Auge und war erstaunt. Ich lag gar nicht in meinem Zimmer. Mehr in einer Kirche, die hell erleuchtete war.
„Willkommen, Schamane“, sagte jemand und ich sah mich um.
Vor mir stand ein Kind. Nicht älter als zwölf Jahre. Er trug eine sehr eigenwillige Kleidung. Mehr eine Konstruktion aus Lederbänder, die Stofffetzten zusammenhielten. Seine Haare waren weiß und sehr lang. Ob sie schon den Boden berührten, konnte ich nicht sagen. In seiner Hand lag eine Sanduhr. Sie war armlang. An beiden Enden war ein großer Stachel. Auch gegenüber dem Griff. Was mich nur wunderte war, dass sie viel zu groß für ihn aussah.
„Wo bin ich?“, fragte ich und er sah sich um.
„Du bist in der Kathedrale der Zeit. Meinem Reich. Hier wache ich, als Gott, über den Verlauf der Zeit. Mein Name ist Issyl. Freut mich dich kennen zu lernen.“
„Ein Gott?“
„Ich weiß, dass ich nicht danach aussehe. Das hat aber andere Gründe. Wir dürfen keine Zeit verschwenden. Kai, ich habe von Mi-Lan erfahren, dass du zwei Persönlichkeiten hast. Das ist hinderlich, für später. Der Schamane ist aggressiv und kann ganze Städte vernichten, mit dem Wink seines Fingers. Wir wollen dieses Risiko nicht eingehen. Also werde ich ihn versiegeln. Sein Wissen soll dir weiterhin helfen. Aber er wird keine Macht mehr über dich haben“, sagte er und ich sah auf meine Hände.
Er sprach von dem Schamanen, als wäre er eine völlig andere Person, mit einem neuen Körper. Also war ich, demnach, kein richtiger Schamane. Nur ein Junge, mit der Fähigkeit Zauber zu verwenden. Das klang, als wäre ich nutzlos. Aber vielleicht lag hier der Schlüssel. Wenn ich uns beide trennen würde, könnte ich zurück in mein Leben kehren. Sofern das möglich war.
„Daran brauchst du nicht einmal zu denken. Ja, ich kann deine Gedanken lesen. Ich kann euch nicht trennen. Nur versiegeln und würde ich dich versiegeln, wärst du verloren, für alle Ewigkeit. Verdammt dazu, mit anzusehen, was dein Körper macht ohne, dass du etwas dagegen machen kannst. Ich brauche nur dein Einverständnis, damit ich beginnen kann“, sagte er.
„Sollten wir ihn nicht fragen?“
„Er schläft gerade. Das ist auch gut so. Ich weiß nicht, ob ich mit ihm fertig werden würde. Was sagst du?“
„Es fühlt sich falsch an. Aber ja, versiegle ihn.“
Issyl nickte und hob seine Sanduhr.
„Irelate belforante dimune zarukama weherana, Schimanura“, sagte er und ich wurde von Nebel umhüllt.
Langsam zog er in jede Pore meines Körpers. Sofort spürte ich, wie etwas in mir versuchte sich aufzubäumen aber sehr schnell aufgab. Issyl hatte seine Augen geschlossen und musste sich stark anstrengen, um den Zauber aufrecht zu halten.
„Das war es“, sagte er und ich sah ihn an.
„Schon?“
„Was hast du erwartet? Ein Ritual, dass mehrere Stunden, dauert? Dafür hätten wir gar keine Zeit. Ein sollst du noch wissen, Kai. In dieser Welt geschehen eigenartige Dinge. Du bist eines davon. Gehe voran und lass dich niemals aufhalten. Von niemandem“, sagte er und ich nickte.
Dann fiel ich zurück in meinen traumlosen schlaf.
Kai war verschwunden und meine Kraft hatte beträchtlich abgenommen. Auch wenn ich nur eine Seele war, konnte ich immer noch Zaubern. Mi-Lan schuldete ich eh noch einen gefallen also hatte ich Kai geholfen. Jetzt würde ich wieder ruhen. Langsam schloss ich meine Augen, als jemand vor mir erschien. Es war Mei-Trian. Der selbsternannte Göttervater. Das er aber weder der Vater seine Frau, noch von mir war, interessierte ihn nicht.
„Issyl“, sagte er und ich sah ihn an.
„Der große Meister persönlich. Welche Ehre dich erneut zu treffen. Hast du gerade eine Hand frei, um mit mir zu reden?“, fragte ich und versuchte so provozierend wie möglich zu klingen.
Es hatte bis jetzt nie geklappt, den Gott aus der Reserve zu locken. Vielleicht heute. Irgendwann würde es bestimmt klappen.
„Was hat das alles zu bedeuten? Wie bist du der Unterwelt entkommen?“
„Deine Tochter hat Gefälligkeiten eingefordert. Bei mir und dem Herrn der Unterwelt. Also hat er mir erlaubt hier her zu kommen. Aber jetzt werde ich wieder zurückkehren.“
„Aber der Totengott ist doch seit Jahren verschwunden. Niemand hat ihn gesehen.“
„Du musst nur wissen, wo die Götter sind, damit du sie finden kannst. Das solltest du als, Göttervater, doch am besten wissen.“
Oh da hatte ich den wunden Punkt getroffen. Mei-Trians Gesicht färbte sich leicht Rot.
„Treib es nicht zu weit, Junge“, sagte er und wollte nach mir greifen.
Doch ich reagierte so schnell, dass er keine Chance hatte. Er hatte auch meinen wunden Punkt getroffen. Meinen Körper. Ich war gefangen. Nur weil ich versucht hatte mit der Zeit zu spielen. Warum wusste ich nicht einmal genau. Es gab keinen Grund, zumindest keinen an den ich mich erinnern konnte. Ich schlug seine Hand weg, hatte so schnell seinen Kragen gepackt und zu mir runter gezogen das er nur erstaunt aufschrie.
„Vergiss niemals, wen du vor dir hast. Ich bin der beste Kämpfer, nach deiner Frau. Also wage es niemals, Hand an mich zu legen.“
Er knurrte und versuchte sich zu befreien.
„Wenn du mich nicht sofort loslässt, werde ich dir mehr Qualen bereiten, als du überhaupt schon hast.“
„Du willst wirklich einen Gegner treten der bereits am Boden liegt? Das ist aber nicht die feine Art“, sagte ich und ließ ihn los.
„Vergiss niemals wer ich bin“, sagte Mei-Trian und erhob sich wieder.
„Das kann ich nicht vergessen. Sterblicher.“
Jetzt hatte ich ihn. Er explodierte.
„Wie kannst du es wagen, in diesen heiligen Hallen, Blasphemie zu üben?“, fragte er und Blitze zuckten über seinen Körper.
„Diese Hallen sind viel, aber nicht heilig. Ich habe gesehen, wie du Menschen hingerichtet und Dämonen erschaffen hast. Diese Hallen sind viel, aber nicht heilig.“
Ein Blitz schoss auf mich zu. Doch ich blockte ihn mit meiner Sanduhr, als wäre nichts gewesen.
„Wie deine Frau“, sagte ich und er schoss wieder einen Blitz.
„Sie ist weg, Issyl. Das weißt du genauso wie ich.“
„Richtig, sie ist weg. Sie hat Shian Hi gebeten, sie weg zu sperren, weil du Angst hattest, sie würde gegen dich rebellieren. Aber die Gruft hast du schon lange Zeit gefunden. Nur das Siegel bekommst du nicht gelöst. Shian Hi hatte mehr Macht, als du. Armer Mei-Trian. Seine Frau auf ewig weggeschlossen von seinem eigenen Enkel.“
Es machte mir immer wieder Spaß zu sehen, wie jemand vor mir die Fassung verlor. Mei-Trian machte da keine Ausnahme.
„Halt deinen Mund.“
„Nein, Mei-Trian. Es muss einmal gesagt werden. Du verlierst die Kontrolle und das gefällt dir nicht. Sogar deine Kinder hören nicht mehr auf dich. Das ist leider so, wenn man Vertrauen nur auf Macht aufbaut. Und die büßt du gerade ein. Sieh es ein, alter Mann, du hast verloren. Niemand hört noch auf dich. Nur die Sterblichen. Meine Zeit ist jetzt fast um. Ich kann spüren wie man meine Seele zurückzieht. Eins musst du noch wissen. Wenn du auf diesem Kurs bleibst, wird es in einem Krieg enden. Unter den Göttern und Sterblichen. Doch die Schamanen werden den Preis dafür zahlen. Dein Versagen wird von ihnen getragen. Leb wohl“, sagte ich und sofort fand ich mich in den Feuern der Unterwelt wieder.
Endlich konnte ich wieder Ruhen. Meine Arbeit war getan. Das er mir nicht glauben würde, war mir eigentlich klar. Denn neben der Zeit war ich auch noch Gott der Täuschung. Was für eine wunderbare Mischung. Es wurde alles schwarz und meine Seele ruhte wieder.
Mit dem Morgen kam die Sonne und damit erwachte ich wieder. Götter ich sollte wirklich daran denken, die Vorhänge zu schließen. Sonst würde ich nie ausschlafen können. Vorsichtig erhob ich mich und sah mich um. Das Zimmer sah genauso aus wie gestern. Trotzdem störte mich etwas. Ich konnte nicht einmal genau sagen, was es war. Vielleicht einfach nur die Tatsache, dass mein Körper sich anders anfühlte. Issyl meinte er hätte den Schamanen verseigelt, damit er nicht mehr die Kontrolle übernehmen konnte. War es richtig zu sagen, dass es gut war? Immerhin hatte er meinen Körper schon zwei Mal beschützt. Und niemanden verletzt. Gut ich wusste nicht, was er genau getan hatte, aber zumindest stand die Stadt noch. Also gab es eigentlich kein Problem damit. Oder war es vielleicht die Ecke, in der definitiv jemand stand und dachte er wäre getarnt?
„Ihr könnt rauskommen, ich weiß, dass ihr da seid“, sagte ich und die Person bewegte sich.
„Beeindruckend. Bis jetzt hat mich noch nie jemand entdeckt“, sagte eine Frauenstimme und die Schamanin des Wassers wurde sichtbar.
„Du schon wieder? Beim letzten Mal habe ich dich schon besiegt. Willst du wieder verlieren?“
„Deswegen bin ich nicht hier. Mir liegt es fern, einen Kampf mit dir zu führen. Es sei denn, du wünscht es. Leider hast du gerade keine Waffe, also wäre es unfair. Nein, ich bin nur hier um mit dir zu reden.“
„Gut wir haben ja geredet, dann kannst du jetzt wieder gehen“, sagte ich und sie lachte.
„Du weißt genau, was ich will.“
Wusste ich das? Eventuell. Vermutlich wollte sie das gleiche wie letztes Mal. Dass ich dieses Reich verließ. Aber, genau wie bei unserem letzten Treffen würde ich das nicht machen. Also, warum wollte sie es erneut versuchen?
„Bist du wirklich wegen dem hoffnungslosen Versuch gekommen, mich zu befreien? Tut mir leid, doch ich gehe nirgendwo hin. Das ist mein Heim. Hier bin ich König und ich werde bleiben, solange meine Untertanen mich benötigen.“
„Sehr schön. Dann kannst du ja sofort mitkommen, denn Li ist immer noch Herrscher dieses Reiches. Du hast wenig bis gar nichts zu sagen.“
„Da fürchte ich, habt ihr ein falsches Bild von uns. Ich bin der König und Li mein Berater. Er kümmert sich um alles Wichtige, damit ich nicht belästigt werde.“
„Das denkst du wirklich?“
„Ja, Schattenschneider“, sagte ich und sie lächelte.
„Ein sehr schöner Spitzname findest du nicht?“
„Schattenwandler oder Todesschatten wären besser, meiner Meinung nach.“
„Oh, ich werde über einen Namenswechsel nachdenken. Aber deinen Namen kenne ich noch nicht.“
„Lotus.“
„Ein eigenwilliger Name. Warum ausgerechnet der? Bist du so zart wie eine Blume?“
„Nein. Nach dem einstigen Beschützer dieses Reiches“, sagte ich.
„Dann hör mir zu, Lotus. Dieses Reich hat bis jetzt jeden Schamanen als erstes verloren. Weil sie alle dachten, sie wäre zu fein in eine Schlacht einzugreifen. Ihre Auffassung von Kämpfen bestand darin, ihre Berater nieder zu starren und ihren Willen zu bekommen. Es wird dein Untergang sein, wenn du weiterhin hierbleibst“, sagte sie und drehte sich um.
„Selbst, wenn du Recht hast, ich kann nicht stillsitzen. Wenn man mich braucht, bin ich zur Stelle, jederzeit. Mach dir keine Hoffnungen, dass ich so werde wie die Versager vor mir“, sagte ich und sie wurde wieder unsichtbar.
„Leb wohl, Lotus“, sagte sie und war dann völlig verschwunden.
Was sollte das denn? Warum war sie gekommen? Das machte keinen Sinn. Ich erhob mich und sah zur Türe. Niemand würde hereinkommen. Es lag ein Siegel darüber, von dem Schamanen. Ich erinnerte mich wieder. Auch daran, wie er das letzte Mal meinen Körper vor Gahlia verteidigt hatte. Ich ging zu meinem Spiegel und sah hinein. Mein Körper sah noch genau so aus, wie vorher. Außer. Was war das schwarze auf meinem Bauch? Vorsichtig hob ich mein Oberteil und erschrak. Mitten auf meinem Bauch befand sich eine riesige Narbe. Ihre Umrisse waren mit schwarzen Linien gekennzeichnet. Woher kam diese Narbe? War das vielleicht von Issyl? Den Schamanen zu versiegeln hatte wohl Spuren hinterlassen. Und das war dieser Beweise. Verflucht. Das sah wirklich hässlich aus. Nicht, dass es auffallen würde, zwischen den ganzen Tigerstreifen. Es dürfte eigentlich nicht auffallen. Langsam ließ ich mein Oberteil wieder fallen und ging zu der Türe. Ich schlug mit meinem Stab dagegen und sofort löste sich das Siegel. Als die Türe aufging, fluteten mir sofort Stimmen entgegen. Der Thronsaal schien voll mit Menschen zu sein. Ich atmete tief ein und betrat dann den Raum. Sofort sah ich Aran und Schera, die direkt vor meiner Türe standen. Sie hielten viele Menschen zurück, die versuchten in meinen Raum zu kommen.
„Was geht hier vor?“, fragte ich und sofort sahen alle mich an.
„Da ist der Schamane“, rief jemand.
„Ich habe ihn zuerst gesehen, ich darf meine Frage zuerst stellen“, rief ein Mann und sofort brach ein heilloses Durcheinander aus.
„Ruhe!“, schrie ich und schlug meinen Stab auf den Boden.
Sofort ging ein Windstoß durch den Saal. Viele Menschen hielten sich an anderen Fest, um nicht umgeworfen zu werden.
„Lasst mich erst zu meinem Thron und dann werde ich mir, in geregelter Reihenfolge, eure Anliegen anhören und eure Fragen beantworten. Doch zuerst, sorgt mal für Ordnung hier“, sagte ich und die Menschen wichen zurück.
Ging doch. Das ich aber auch erst etwas sagen musste. Ich ging zu dem Thron, begleitet von vielen Soldaten. Li stand neben dem Thron und Kevin ebenfalls. Man hatte ihm neue Kleidung gegeben, damit er mehr wie ein Bürger dieser Stadt aussah. Ich nickte ihm nur zu und nahm dann Platz.
„Der erste möge Vortreten“, sagte ich und ein Mann trat vor mich.
Er war schon ziemlich alt. Seine Kleidung sah edel aus und er musste zu einer höheren Schichte gehören, als normale Bürger.
„Mein Herr, wir haben beobachtet, dass immer mehr böse Geister in unsere Welt dringen. Sie nehmen sich Menschen als Wirt und tyrannisieren uns. Gedenkt ihr etwas dagegen zu unternehmen?“, fragte er und ich nickte.
„Lord Fiskus hat bereits eine Gruppe zusammengestellt, die sich darauf spezialisiert, diese Vorgänge zu untersuchen und das Problem bei der Wurzel zu packen. Sollte dies nicht möglich sein, werde ich sie nach besten Kräften unterstützen. Für euch besteht kein Grund zur Sorge.“
Der Mann nickte und ging dann in die Menge zurück. Eine Frau trat vor. Sie trug nur Stoffkleidung und wirkte etwas ärmlich.
„Mein Herr, die Dämonen haben unser Land verwüstet und meinen Mann beinahe getötet. Könntet ihr uns für diese Zeit die Steuern erlassen?“, fragte sie und wendete sofort den Blick ab, als ich sie ansah.
„Li?“, fragte ich und er kam näher.
„Ihr wünscht?“
„Was genau geben die Bürger an unseren Hof ab?“
„Einen Teil ihrer Ernte meistens. Adlige geben Gold und, wer das nicht kann, muss es mit materiellem Wert ausgleichen.“
„Verstehe. Kommt näher, meine Liebe“, sagte ich und die Frau kam auf mich zu.
Vor dem Thron blieb sie stehen. Ich konnte sehen, wie alle Soldaten sie nicht aus den Augen ließen. Ja, sie war schon sehr nahe bei mir. Es war ihr nun ein leichtes, mich mit einem Dolch zu überraschen und zu töten. Aber ich vertraute ihr. Langsam erhob ich mich und ging zu ihr. Sie kniete sich sofort hin und legte sich beinahe zu Boden. Ich nahm den Stab und schlug ihn auf den Boden. Sofort leuchtete ein Kreis um uns herum auf. Ich schloss meine Augen und sah mir an, was passiert war. Doch ich öffnete die Augen schnell wieder, weil ich die Bilder nicht sehen konnte. Es war grausam.
„Ja, du bist von der Steuer befreit, bis dein Mann genesen ist“, sagte ich und sie erhob sich.
Dann ging sie in die Menge zurück und ich nahm auf dem Thron Platz. Der nächste Bürger trat vor. Er trug einen Mantel und sah nicht unheimlich groß aus. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen nur, dass er kleiner war als ich.
„Was kann ich für dich tun?“, fragte ich, als er keine Anstalten machte, etwas zu sagen.
„Das ist relativ simpel, Schamane“, sagte er und warf den Umhang zu Boden.
Zum Vorschein kam ein Junge, in meinem Alter. Er trug zwei Schwerter bei sich. Dazu eine Rüstung. Sie erinnerte mich an die, die Kemitsu mir gerade fertigte. Also war es ebenfalls ein Schamane.
„Du bist ein Schamane“, sagte ich und griff meinen Stab noch fester.
„Richtig. Ich bin Senkum, der Erdschamane. Eure Zeit endet jetzt“, sagte er und schnellte nach vorne.
Gelangweilt sah ich ihn an und bewegte dann nur kurz meinen Stab. Sofort lief er dagegen und taumelte nach hinten. Ich hatte genau seinen Kopf getroffen.
„Das war hoffentlich nicht alles“, sagte ich und er griff erneut an.
Diesmal mit seinen Schwertern. Das war also ein ernsthafter Angriff. Gut, konnte er haben. Ich konnte sehen, wie alle Menschen nach außen in den Raum drängten und die Mitte frei wurde. Gut so. Ein wenig Platz würde ich brauchen, meine Zauber einzusetzen, die ich vom Schamanen jetzt hatte. Die Klingen kamen genau auf meinen Kopf zu. Doch alleine durch die Kraft meiner Augen, stieß ich ihn zurück. Sein Angriff ging ins Leere und seine Schwerter fielen zu Boden. Sofort griff ich an. Ich schlug meinen Stab auf den Boden und eine Windklinge schoss auf den Schamanen zu. Er sprang zur Seite und bekam eines seiner Schwerter zu fassen.
„Wiluchu erharabama miricha. Verunagala merika Ferusneka“, rief ich und mehrere Windkugeln erschienen um mich herum.
Ich zeigte auf den Schamanen und sofort flogen sie los. Erstaunt sprang er umher und versuchte ihnen auszuweichen. Das gelang ihm leider auch. Keiner meiner Zauber traf. Plötzlich schnellte er nach vorne und stand schon bei mir. Er wollte gerade zuschlagen, als ein Energieball ihn traf. Sofort sah ich zu der Quelle und Kevin, wie er seine Hand noch erhoben hatte. Er konnte Zaubern? War das nicht unmöglich? Egal, er hatte mich gerettet. Dankend nickte ich und sah den Schamanen wieder an. Er war nach hinten getaumelt und neben seinem zweiten Schwert zu Boden gefallen. Ich schnellte nach vorne, um ihn am Aufstehen zu hindern. Doch es war nur eine Finte. Er schlug nach mir und verfehlte mich nur knapp. Mit Schwung sprang er auf und trat mir dabei in den Mang. Ich taumelte nach hinten, fing mich aber schnell wieder. Sofort stand er vor mir und wollte zuschlagen, als ich meinen Stab noch heben konnte. Der Schlag wurde geblockt und ich rutschte nach hinten. Meine Güte, war er kräftig. So standen wir uns gegenüber. Wir griffen an und blockten unsere Schläge. Das konnte noch ewig so weitergehen, es sei denn jemand machte einen Fehler. Weder ich, noch er, wollten aufgeben. Doch dann kam der Moment. Senkum war unachtsam. Ich blockte seinen Schlag, drehte meinen Stab, katapultierte ihm das Schwert aus der Hand und verpasste ihm einen heftigen Kinnhacken. Er fiel und blieb benommen liegen.
„Gib auf. Ich gebe dir noch eine Chance, zu fliehen. Ansonsten, wirst du das hier nicht überleben“, sagte ich und er sah mich an.
„Das ist noch nicht das Ende. Ich komme wieder“, sagte er und verschmolz mit der Erde.
Eigentlich sehr praktisch diese Fähigkeit. Er konnte dann quasi überall erscheinen, wo es Erde gab. Das musste ich eigentlich auch können. Zumindest mit Luft anstatt Erde. Die Menschen sahen mich an und drängten dann langsam zurück in den Raum. Gut, dann wollten wir das mal probieren. Ich schloss meine Augen und fühlte die Luft um mich herum. Dann projizierte ich mich, vor den Thron und dachte daran, durch die Luft zu gehen. Es klappte, erstaunlicher Weise. Mein Körper wurde eins mit der Luft. Ein unglaubliches Gefühl. Ich war jetzt überall und nirgends. Langsam setzte ich mich, vor dem Thron, wieder zusammen. Die Menschen hatten den Raum jetzt wieder komplett in Beschlag genommen. Bevor noch jemand vortreten konnte, beschloss ich etwas zu sagen.
„Hört mich an, bevor ihr weitere Fragen stellt. Die Schamanen greifen in letzter Zeit vermehrt an. Ich möchte nicht, dass einem von euch etwas passiert. Sollten sie nicht nur mich, sondern auch euch bedrohen, sehe ich mich gezwungen sie zu töten. Sollte also jemand einem anderen Schamanen über den Weg laufen und er erhebt die Hand gegen euch, so ruft mich sofort. Ich werde keine Gnade mehr zeigen. Zu eurer eigenen Sicherheit empfehle ich euch jetzt nach Hause zu gehen. Bevor noch ein Schamane hier auftaucht. Ich werde sehen, was ich gegen ihr Eindringen unternehmen kann.“
Viele Menschen verließen den Raum. Einige aber nicht. Sie blieben und sahen mich an. Also wollten sie mir mehr Fragen stellen. Ich wollte mich gerade setzten, als Li zu mir kam.
„Entschuldigt uns bitte für einen Moment. Ich muss mit dem Schamanen sprechen“, sagte Li und zog mich mit sich.
Er öffnete die Türe zu meinem Zimmer. Kevin folgte uns und schloss die Türe hinter sich. Zu dritt standen wir jetzt hier und starrten uns an.
„Kai, ich mache mir Sorgen“, sagte Li und ging zu dem Fenster.
„Worüber? Um die Schamanen? Die sind keine Gegner für mich“, sagte ich.
„Nein, nicht um sie. Eher um dich und deinen Freund. Zum einen hast du zwei Persönlichkeiten. Der Schamane ist fähig diese Stadt komplett zu zerstören, wenn er wütend wird. Das darf nicht passieren. Und dein Freund, nun ja. Da muss ich nichts zu sagen, oder? Ein Mann liebt einen Mann. Das ist sehr ungewöhnlich und selten gesehen hier. Viele Bürger werden euch mit Feindseligkeit und vielleicht Schlimmerem gegenübertreten. Außerdem könnten die anderen Schamanen versuchen über ihn, an dich heran zu kommen.“
„Ist das alles? Zum einen, Issyl hat letzte Nacht meine andere Hälfte versiegelt“, sagte ich und zeigte ihm die Narbe.
„Und zu Kevin. Ich habe bis jetzt nicht zugestimmt, sein fester Freund zu sein. Doch warum sollte ich das nicht? Noch nie habe ich einen Menschen getroffen, der so gut zu mir passt. Meine Gefühle zu verleugnen, wäre nicht richtig, ihm gegenüber. Er selbst kann auch Zaubern. Außerdem kann ich durch ihn selbst Zauber anwenden. Sollten sie ihn benutzten, um an mich heran zu kommen, werden sie es schneller bereuen als bis jetzt“, sagte ich und griff nach Kevins Hand.
Er lächelte unsicher und kam dann zu mir.
„Das mit deiner Persönlichkeit gefällt mir. Sei dir aber bitte darüber klar, dass ich immer noch gegen eure Verbindung bin. Aber, da ihr als Schamane unfehlbar seid, liegt es nicht in meiner Macht, euch zu kritisieren. Ich akzeptiere es, bin aber immer noch nicht überzeugt. Ist es jedoch das, was ihr wollt, dann wird sich niemand euch in den Weg stellen.“
„Danke, Li“, sagte ich und er nickte.
Plötzlich fiel mir auf, dass auf meinem Bett etwas lag. Meine Rüstung. Ich ließ Kevin los und ging zu dem Bett. Vorsichtig griff ich nach der Kleidung und sah sie mir an. Den Panzer konnte man nicht mehr erkennen. Er war vollständig in den Stoff eingearbeitet. Sehr interessant.
„Ach ja, Schamane. Eure Rüstung ist vollständig fertig. Auch die Handschuhe und die Stiefel“, sagte er und ich sah ihn an.
„Ich hoffe ihr habt keine richtigen Stiefel gefertigt. Die kann ich immer noch nicht tragen.“
„Nein, haben wir nicht. Kemitsu hat die Panzerung des Tigers als Vorlage genommen und danach Stiefel für euch konstruiert, die euch Schützen, aber nicht behindern“, sagte er und ich nickte.
Langsam ging ich hinter einen Sichtschutz und begann mich zu entkleiden. Dann zog ich meine Rüstung an. Sie war kalt. Das Metall kühlte den Stoff doch sehr gut ab. Ich stöhnte auf.
„Alles in Ordnung?“, fragte Kevin und ich nickte.
„Ja, es ist alles in Ordnung. Das Metall ist nur so kalt“, sagte ich und er lachte.
Es dauerte nicht lange, da hatte ich die Rüstung angelegt. Die Hose passte zu meiner Fellfarbe, an den Füßen und man konnte nicht sagen, wo sie anfing. Das war doch sehr faszinierend. Das Oberteil war orange. Auf dem Bauch war ein Kreis, der von mehreren Linien eingeschlossen wurde. Der Kreis und auch die Linien waren gelb und passten sehr gut zu dem Ganzen. Sogar einen Helm hatten sie mir gefertigt. Er hatte sogar Aussparungen für die Ohren. Also waren meine Ohren auch vor Angriffen geschützt. Handschuhe gab es auch. Naja, wenn man das so nennen konnte. Meine Finger waren frei und nur auf meinen Handrücken und Flächen war eine Art Panzerung. Die Schuhe waren eine Mettalkonstruktion, die ich mir über die Beine ziehen konnte. So waren meine Pfoten geschützt, aber gleichzeitig nicht eingeengt. Auf meinen Schultern lag ein Umhang. In goldener Farbe. Unglaublich. Es sah einfach alles umwerfend aus. Freudig sah ich an mir herunter und begann, unbewusst, mit meinem Schweif zu wedeln. Als es mir auffiel, hielt ich ihn sofort fest. Das war erschreckend. Ich benahm mich wie ein Tier. Was ich letztlich zur Hälfte auch war.
„Und?“, fragte Li und ich ließ meinen Schweif los.
Langsam kam ich hinter dem Sichtschutz hervor und trat vor die Zwei. Sie musterten mich skeptisch. Doch das zerstreute sich schnell. Kevins Augen strahlten und Li lag ein Lächeln auf den Lippen.
„Die ist besser geworden, als ich erwartet habe“, sagte Li und Kevin nickt.
„Du siehst umwerfend aus.“
„Danke, Kevin“, sagte ich und lächelte.
„Schamane, ihr braucht auch eine Waffe, die eurer würdig ist. Der Zauberstab mag eine Schlagwaffe sein, aber er ist nicht wirklich für Nahkämpfe gedacht. Deswegen haben wir auch eine Waffe für euch“, sagte Li und reichte mir einen goldenen Kampfstab.
„Für mich?“, fragte ich und griff danach.
Das Gold fühlte sich warm an. Um den Stab schlängelte sich ein Drache. Alles sah einfach perfekt aus. Er lag mir ebenfalls gut in der Hand. Als hätte ich nie etwas anders gehabt, als ihn. Vorsichtig fühlte ich an ihm entlang, bis mir zwei kleine Kerben auffielen, jeweils an den Enden. Ich drückte auf die Stellen und sofort fuhren kleine Messer an jedem Stabende hervor. Zufrieden schlug ich ein paar Mal in die Luft und ließ die Messer dann einklappen.
„Gefällt er euch?“, fragte Li und ich nickte.
„Ja. Er ist wunderbar. Vielen Dank“, sagte ich und er nickte.
„Für euren Freund bearbeiten wir gerade ebenfalls eine Waffe, damit er nicht Schutzlos ist. Genauso eine Rüstung. Auch eine weitere Rüstung für euch, Lotus, ist in Arbeit. Auf Wunsch meiner Frau, die meinte, dass ihr Abwechslung braucht.“
„Das ist sehr nett von euch. Ich danke euch für eure Mühen“, sagte ich und Li nickte.
„Für unseren Schamanen ist nichts zu aufwendig. Eher haben wir die Befürchtung, dass wir viel zu wenig machen. Ihr seid unser Herr und gleichzeitig habt ihr jetzt schon zwei Angriffe von anderen Schamanen abgewendet. Das ist mehr, als wir euch je zurückgeben können.“
„Es war eigentlich keine große Arbeit. Das habe ich gerne getan. Also gut. Können wir dann zurückgehen und die letzten Fragen beantworten?“, fragte ich und Li nickte.
Ich umarmte Kevin kurz und schritt dann, mit wehendem Umhang, in den Thronsaal zurück. Li und Kevin folgten mir. Die Menschen warteten geduldig, bis wir wiederkommen würden. Als sie mich sahen, kamen sie sofort ein wenig näher. Meine Soldaten traten sofort enger zusammen und machten sich auf einen Angriff gefasst. Ich nahm auf dem Thron Platz und sah die Menschen an. Die Augen einiger sahen eigenartig aus. So leer. Es waren keine Pupillen zu sehen.
„Was kann ich für euch tun?“, fragte ich und eine Frau trat vor.
„Wir haben keine Frage. Mehr eine Forderung. Euer Leben, für den Frieden dieser Stadt“, sagte sie und ihre Augen begannen schwarz zu leuchten.
Wie schwarzes Feuer. Was war sie? Eine Hexe? Oder vielleicht etwas Anderes. Auf jeden Fall war sie kein friedliches Wesen. Li kam angestürmt und stellte sich vor mich.
„Weiche, Dämon. Das ist nicht dein Reich“, sagte er und hob sein Schwert.
Die Frau lachte.
„Aus dem Weg, Sterblicher. Der Schamane ist unser Ziel nicht du. Geh uns aus dem Weg und lebe. Oder bleib wo du bist und werde Teil von uns“, sagte sie und hob ihre Hand.
Li machte keine Anstalten zu gehen. Sie wollte gerade nach ihm greifen, als ich Li beiseitestieß. Der Dämon sah mich an.
„Das ist zwischen uns beiden. Damit hat kein anderer etwas zu tun. Also, du willst mein Leben? Das wirst du dir holen müssen, fürchte ich.“
„Kein Problem“, sagte sie und schnellte nach vorne.
Damit hatte ich gerechnet und deswegen sofort einen Schild über mich gelegt. Ihr Angriff prallte ab und sie wurde gegen eine weitere Person im Raum geworfen. Sofort zerfiel die Frau zu Staub und der Mann, den sie getroffen hatte, erhob sich. Also war der Dämon einer, der sich mehrere Körper holte und zwischen ihnen wählen konnte. Das war gar nicht so dumm. Kam also eine Frau nicht weiter, konnte er, theoretisch einen Mann nehmen, der mehr Kraft hatte. Dafür musste ich ihm immerhin einen Kreativitätspunkt geben. Aber mich würde er nicht besiegen. Der Mann stürmte auf mich zu. Er war kräftiger und sah ziemlich ungepflegt aus. Doch auch sein Angriff wurde von meinem Schild abgefangen. Also kam der nächste Körper. Der griff diesmal aber nicht an. Er wirkte einen Zauber. Endlich mal etwas Neues. Ein schwarzer Strahl schoss auf mich zu. Schützend hob ich meinen Stab. Mein Schild zerbrach und der Strahl wurde von meinem Stab abgeleitet.
„Endlich stellst du eine Herausforderung“, sagte ich und ein weiterer Strahl kam.
Ich blockte ihn auf die gleiche Weise. Nochmal nicht. Ich schlug meinen Stab auf den Boden und er blieb stehen. Meine Hände begannen zu leuchten und ich lächelte den Dämon an.
„Nagnami“, rief ich und sofort schoss ein Blitz auf ihn nieder und der Körper zerfiel.
Drei weitere waren noch übrig. Nachdem dem ich sie, auf die gleiche Weise besiegt hatte, zeigte der Dämon sein wahres Gesicht. Es war ein großes Monster, das viele Auswüchse an seinem Körper hatte. Das Gesicht war von einem Helm verdeckt. Ein Bein war nur noch ein Stumpf und durch eine Konstruktion aus Stahl gehalten. Auf seinem Bauch war eine Art Gesicht. Es bewegt sich auch.
„Du bist hässlich“, sagte ich und das Wesen kreischte.
„Sieh nur was du mir angetan hast. Noch nie hat es jemand Geschafft meine wahre Gestalt hervor zu bringen“, sagte das Gesicht auf dem Bauch.
„Dann sehe ich das als eine ehre an.“
„Du dreckiger“, begann er, schwieg aber im nächsten Moment.
Li stand hinter ihm. Schwarzes Blut tropfte von seinem Schwert. Der Körper des Dämons löste sich auf. Bis auf ein roter Kristall. Li holte aus und zerschlug auch ihn. Dann sah er mich an.
„Auch, wenn ihr mächtig seid. Spielt niemals mit einem Dämon. Sie sind gerissen, gemein und hemmungslos. Wenn sie die Chance bekommen, werden sie zuschlagen. Deswegen zögert niemals, einen Dämon zu vernichten“, sagte Li und ich nickte.
„Das wusste ich nicht.“
„Wichtig ist auch, dass ihr nicht nur den Körper zerstört, sondern auch sein Herz. Dieser Edelstein, war sein Herz. Ist er nicht zerstört, wird der Dämon immer wieder und wiederkehren, bis man den Stein zerstört.“
„Ich werde es mir merken, Li. Sieht aber so aus, als wäre niemand mehr übrig, der mir noch eine Frage stellen könnte“, sagte ich und sah mich um.
Bis auf meine Generäle und Soldaten war der Raum leer.
„Es scheint so.“
„Also gut. Möchte vielleicht einer meiner Generäle noch etwas loswerden?“, fragte ich und sofort traten sie vor mich.
„Unsere Experimente gehen gut voran. Wir konnten bis jetzt kleine Erfolge verzeichnen, aber noch nichts allzu großes“, sagte Latia und ich nickte.
„Forscht weiter.“
Chin trat vor mich.
„Meine Spione haben Bewegungen im Feuerreich bemerkt. Das Reich rüstete sich für einen Kampf. Wir wissen nicht, wen sie angreifen wollen. Doch sollten sie es auf uns abgesehen haben, werden sie über den Seeweg kommen. Wir werden die Sache weiter im Auge behalten und werden euch informieren, sobald es neue Erkenntnisse gibt“, sagte er und ich nickte.
„Meine Soldaten trainieren hart und werden immer besser“, sagte Schera.
„Meine Bogenschützen ebenfalls. Wir werden nicht noch einmal so überrascht, wie beim letzten Mal.“
„Ich bin zuversichtlich, dass es wirklich so ist. Aber sehen werden wir es erst in der nächsten Schlacht. Ihr seid entlassen und dürft eurer Arbeit nachgehen“, sagte ich und die verneigten sich.
Dann verließen sie alle den Raum. Auch die Soldaten. Übrig blieben nur Kevin, Li und ich. Kevin nahm neben mir auf dem Thron Platz und sah mir in die Augen. Warum wirkte er so anziehend? Er war immer noch ein Mann. Was ging in mir vor, dass es mir nicht eigenartig vorkam. Mit dem Gedanken konnte ich mich irgendwie immer noch nicht anfreunden. Er wollte gerade etwas sagen, als jemand den Raum betrat. Es war ein Junge. Maximal fünfzehn Jahre alt. Er hielt einen Brief in der Hand. Li sah ihn an und nahm dann das Papier entgegen. Der Mann lief davon und Li las den Zettel.
„Gibt es Probleme?“, fragte ich und er sah mich an.
„Und wie. Das hier ist eine Kriegserklärung vom Erdreich“, sagte er und reichte mir den Zettel.
Da stand, in Schönschrift, wirklich, dass man uns leider den Krieg erklären musste. Unsicher sah ich Li an.
„Das heißt?“
„Nicht mehr, als dass eure Ausbildung noch schneller voranschreiten muss. Seid ihr bereit für Nahkampftraining?“, fragte er und hielt sein Schwert bereit.
Ich erhob mich und griff nach dem Stab.
„Seid ihr bereit?“, fragte Li und ich nickte.
Doch anstatt ihn vorschnellen zu lassen, griff ich diesmal an. Mein Stab erreiche beinahe seinen Kopf, bevor er sich duckte. Sofort konterte er. Doch ich reagierte schneller und schlug sein Schwert weg. Es blieb im Boden stecken und Li sah mich erstaunt an. Mein Stab lag an seinem Hals. Sofort versuchte er ihn weg zu schlagen. Doch ich hielt dagegen und verpasste ihm einen Schlag gegen den Kopf.
„Beeindruckend, Schamane. Es gibt wohl nichts mehr, das ich euch noch beibringen kann. Vielleicht später einmal. Aber vorerst reichen eure Kenntnisse. Denkt ihr, dass ihr auch mit eurer Magie richtig umgehen könnt?“
„Das wird sich zeigen. Bis jetzt habe ich noch jeden Gegner besiegt. Aber vielleicht werden mehr Magier einmal eine Herausforderung“, sagte ich und Li lachte.
„Das Erdreich hat so gut wie gar keine Magier. Aber sie verstehen sich darauf, Magie zu kontern, mit ihren Panzern. Ihr werdet also hauptsächlich in den Nahkampf gehen müssen.“
„Dürfte eigentlich nicht in einem Problem ausarten. Wann denkt ihr, wird dieses Reich angreifen?“
„Ihr habt ihren Schamanen bereits bekämpft. Ich denke nicht, dass sie sich viel Zeit lassen werden. Maximal eine Woche. Mehr Zeit werden wir nicht haben.“
„Dann trag die Botschaft an die Generäle weiter. Sie sollen ihre Truppen auf die anstehende Schlacht vorbereiten“, sagte ich und der Li nickte.
Dann ließ er uns alleine. Kevin sah mich an und ich wusste sofort, dass er beunruhigt war.
„Was stört dich?“, fragte ich und er sah zu Boden.
„Denkst du wirklich, dass die ganze Sache hier richtig ist? Ich meine wir sitzen hier, wie Könige. Jetzt steht ein Krieg an und irgendwie fühlt es sich nicht so an, als wärst du besorgt oder verstört. Auf mich wirkt es, als wäre es völlig normal für dich.“
Naja völlig normal war übertrieben. Aber was sollte ich machen? Hier sitzen und mir ausmalen, was alles passieren könnte? Zum einen war das gar nicht meine Art zum anderen wollte ich es nicht. Die Schlacht würde kommen. Das war unausweichlich. Sollte sie kommen. Ich war bereit. War das vielleicht auch zum Teil die Sicherheit des Schamanen?
„Es ist nicht normal für mich. Aber ich sehe keinen Grund hier zu sitzen und Panik zu machen. Die Schlacht kommt und wir werden sie schlagen. Es gibt nichts, worüber wir uns Sorgen machen müssten. Niemand wird uns etwas antun können“, sagte ich und Kevin sah mir in die Augen.
„Du bist heute so anders. Es wirkt als seist du ein etwas anderer Mensch.“
„Das wage ich nicht zu bestreiten. Eigentlich hatte ich zwei Persönlichkeiten. Einmal mich und einmal den Schamanen. Letzt Nacht hat ein Gott diesen Schamanen versiegelt. Sein Wissen und seine Kraft stehen jetzt mir zur Verfügung. Aber es scheint mir, als habe ich auch einen Teil seiner Persönlichkeit übernommen. Vielleicht ist das ungewohnt, aber ich bin und bleibe immer noch der gleiche Idiot, der ich einmal war“, sagte ich und er lächelte.
„Stimmt ja. Aber ich kann mich halt mit dieser ganzen Sache hier nicht anfreunden. Früher habe ich gerne mal Ballerspiele an meinem Computer gespielt, in denen ich alleine den Krieg entschieden habe. Aber jetzt ist es real. Jetzt könnte ich sterben.“
„Du musst nicht in den Krieg eingreifen. Es wäre auch kein Problem hier im Tempel zu bleiben, in deinem Zimmer. Geschützt von einigen Soldaten.“
„Bist du verrückt? Ich bleibe an deiner Seite. Ich denke nicht, dass irgendwo mehr Sicherheit besteht als bei dir“, sagte er und ich lächelte.
Ja, keiner meiner Soldaten war so stark wie ich. Auch wenn ich nie wirklich trainiert hatte. Es war irgendwie, als hätte ich nie etwas Anderes getan. Als sei ich ein Naturtalent. Vielleicht mochte das auch so sein. Immerhin war ich perfekt. Das hatte ich mir schon lange nicht mehr gedacht. Eigentlich schon eigenartig. Früher hatte ich immer nur daran gedachte, dass ich perfekt war. Jetzt dachte ich eigentlich nicht mehr daran. Für mich war jedes Leben jetzt kostbar. Egal welches. Die Menschen hier glaubten daran, dass ich sie beschützte und führte. Und das würde ich auch machen, sofern mir das möglich war. Als Schamane hatte ich eine andere Sicht auf die Dinge, als früher. Ich war nicht alleine in diesem Universum. Eigenartige Gedanken. Wirklich. Aber egal.
„Das mag sein. Ich weiß nicht, wie weit unsere Soldaten sind. Ob sie dich verteidigen können oder nicht. Es wäre ein Risiko, das ich eigentlich nicht bereit bin einzugehen.“
„Ich bleibe einfach an deiner Seite und versuche dich nicht aufzuhalten.“
„Du kannst mich nicht aufhalten“, sagte ich und lächelte.
Er erwiderte das. Vorsichtig näherten wir uns und ich wollte ihm gerade einen Kuss geben, als jemand den Raum betrat. Sofort trennten wir uns voneinander und sahen zum Eingang. Dort stand Chin und sah uns an.
„Störe ich?“, fragte er und ich lachte.
„Nicht direkt. Was gibt es?“
„Meine Spione haben neue Erkenntnisse. Das Feuerreich hat sich mobilisiert, um uns, im Kampf gegen das Erdreich beizustehen.“
„Das ist gut zu wissen. Also wollen sie sich nicht mit der Erde verbünden und uns angreifen?“
„Nein. Ihre Schamanin ist strikt gegen einen Kampf mit unserem Reich. Also hat sie Li ein Friedensangebot gesendet. Er berät sich gerade, mit den Generälen darüber, bevor er damit an euch herantritt. Aber im Moment zeichnet sich wohl eine Mehrheit dafür aus, dass wir dieses Angebot annehmen. Es sei denn, ihr habt etwas dagegen.“
„Ich denke, dass ich der letzte Schamane bin, der dieses Angebot ablehnt.“
„Gut, Schamane. Ihr müsst euch dann darauf einstellen, dass die Schamanin auch mit euch sprechen möchte.“
„Gibt das ein Problem? Oder warum sagst du mir das jetzt so?“
„Es scheint mir, als wäret ihr der Damenwelt nicht so zugetan“, sagte er und sah uns beide an.
„Wenn du auf unsere Liebe anspielen willst, dann möchte ich dazu direkt sagen, dass ich solche Anspielungen nicht mehr hören will. Es ist wie es ist. Wir lieben uns. Dagegen wird niemand etwas machen können“, sagte ich und Chin verneigte sich.
„Verzeiht mir, Schamane. Es ist nur, dass einige Bürger schon reden. Sie denken, dass ihr selbst ein Dämon seid. Oder andere Gerüchte. Sagen wir, dass unser Volk es als eigenartig empfindet“, sagte er.
„Und wenn schon. Ich stelle meine Liebe nicht hinter irgendwelche Dinge, die mir Menschen entgegenbringen, die ich nicht einmal kenne. Niemand wird sich zwischen uns drängen“, sagte ich und Chin nickte.
Dann verließ er den Raum. Kevin sah mich an.
„Vielleicht sollten wir das ganze Vergessen“, sagte er und ich zog meine Augenbrauen hoch.
„Wie vergessen? Wir sollen uns trennen nur, weil ein paar Menschen unsere Liebe nicht akzeptieren wollen? Das denke ich nicht“, sagte ich und er lächelte schwach.
„Aber es gibt nur Probleme. Wenn ich in die Menschenwelt zurückkehre, dann wirst du weniger Sorgen haben.“
„Und wir beide wären ziemlich einsam, oder? Also ich sehe das als keine gute Idee an. Aber wenn es wirklich dein Wunsch ist, so will ich ihn erfüllen“, sagte ich und Kevin schüttele seinen Kopf.
„Nein. Es ist nicht mein Wunsch. Wäre er es gewesen, so hätte ich dein erstes Angebot schon angenommen. Ich bleibe bei dir, wenn du das wünscht.“
„Es gibt für mich keinen Grund dich fort zu schicken.“
Er lächelte und wir näherten uns einander wieder. Diesmal kam keiner in den Raum. Wir küssten uns. Genau wie beim letzten Mal, war es ein zweigeteiltes Gefühl. Ich war mir nicht sicher, ob es richtig war oder doch falsch. Aber eins war mir ganz klar. Dieser Junge war einfach unglaublich. Dieser Kuss ließ meinen ganzen Körper warm werde. Die Zeit schien still zu stehen. Langsam lösten wir uns wieder und ich sah ihn verträumt an. Auch wenn ich nicht genau wusste, ob er das aus meinen Augen lesen konnte. Zum einen waren dies Tigeraugen genial. Zum anderen ein wenig störend. Aus meinen menschlichen Augen hätte er meine Gefühle ablesen können.
„Du bist eine Wundertüte, Kai“, sagte er und ich lachte.
„Kannst du aus meinen Augen meine Gefühle ablesen?“, fragte ich und er nickte.
„Vielleicht sieht es nicht so aus, wie bei einem Menschen, doch ich kann genau sehen, dass du immer noch Zweifel hast, aber dennoch unsere Nähe zueinander genießt. Du kannst es nicht vor mir verbergen.“
Eigentlich schon unheimlich, dass er all das sehen konnte. Oder wusste er es vielleicht durch unsere Verbindung, die ich unbewusst erschaffen hatte? Wie weit ging die Überhaupt? Ich konnte Magie durch ihn verwenden und seinen Körper kontrollieren. Aber konnte er auch meine Gefühle wahrnehmen? Nun ja, meine Angst hatte er damals auch gespürt, obwohl ich seinen Körper kontrolliert hatte. Also konnte es auch gut sein, dass er jetzt meine Gefühle ebenfalls wahrnahm. Egal. Wir waren jetzt ein Paar also durfte er auch wissen, wie ich mich fühlte.
„Hast du etwas dagegen mich alleine zu lassen? Ich würde gerne einige Dinge mit jemandem Besprechen“, fragte ich und er nickte.
Dann erhob er sich und ging in sein Zimmer.
„Boreos“, rief ich und wartete auf den Tiger.
Es dauerte ein wenig, doch dann erschien der Tiger vor mir.
„Lotus“, sagte er und nickte mir zu.
„Was geht in der Welt so vor? Das Erdreich will uns angreifen. Weißt du etwas darüber?“, fragte ich.
„Ich war bei meinem Bruder, Sekama. Er hat mir versichert, dass er selbst gegen diesen Krieg ist. Aber sein Schamane will es so. Nach seiner Niederlage, gegen dich, hat seine Ehre gelitten. Dieser Krieg soll sie wiederherstellen. Um mehr geht es ihm nicht. Also ihr seht, dass es nicht nur Vorteile hat, wenn alle, bedingungslos, auf einen hören. Natürlich hat Sekama sein Misstrauen ausgesprochen, ist aber auf taube Ohren gestoßen. Niemand hat sich getraut dem Schamanen Einhalt zu gebieten. Deswegen stehen wir jetzt vor diesem sinnlosen Krieg. Meine Schwester Ignisia hat ihrer Schamanin vorgeschlagen uns zu unterstützen. Sie hat eingewilligt und so kam diese Allianz zustande, die nur noch von dir abgesegnet werden muss.“
„Das wird sie auch. Aber bis jetzt hat Li noch nicht mit mir gesprochen. Meine Generäle unterhalten sich wohl noch darüber. Wenn sie die Allianz absegnen, dann werde ich das auch machen“, sagte ich und er nickte.
„Was ist sonst noch passiert?“, fragte Boreos und ich überlegte.
„Heute Morgen haben ich Audienzen gehabt und, ach ja. Ich habe einen Dämon bekämpft. Li hat ihn dann erledigt, bevor ich angefangen habe, mit ihm zu spielen.“
„Das war auch richtig so. Ein Dämon kann sehr schnell, unglaublich stark zuschlagen. Verschwende niemals Zeit. Wenn du ihn töten kannst, tu es.“
„Ja, das hat Li mir auch gesagt. Und auch, dass ich daran denken soll, ihn komplett zu töten und nicht nur seinen Körper.“
„Richtig. War sonst noch etwas?“
„Nein. Nicht das ich wüsste.“
„Was ist mit Kevin?“
„Wir sind zusammen und er wohnt hier im Tempel. Li lässt für ihn eine Rüstung fertigen und eine Waffe. Kevin bleibt also hier. Er würde auch nicht zurückkehren wollen.“
„Das wäre auch nicht mehr möglich. Vielleicht würdest du ihn zurückschicken. Aber ihr beide gehört nicht mehr in die Menschenwelt. Würdest du also zurückgehen, könnte man dich sehen. Aber niemand könnte dich berühren und niemand würde dich verstehen. Wir sprechen hier eine andere Sprache, die ihr jetzt ebenfalls sprecht. Auch wenn ihr das nicht merkt.“
„Aber was ist dann mit der Sprache der Götter?“
„Das ist nochmal was Anderes. Diese Sprache ist speziell und wird nur von Magiern gesprochen, die auch göttliche Magie haben. So wie du. Solltest du hier anfangen göttliche Sprache zu verwenden, würde dich kaum in Mensch verstehen. Nicht einmal Latia. Gahlia hätte dich verstehen können. Aber sie war eine Verräterin. Sie hat ihre gerechte Strafe erfahren.“
„Was soll ich jetzt tun? Der Krieg wird nicht leicht. Das Erdreich ist dafür bekannt, gegen Magie immun zu sein“, sagte ich und er nickte.
„Oh darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Sie können dir nicht wiederstehen, wenn du es richtigmachst. Nur unsere Magier werden Probleme bekommen, denn ihre Magie ist nicht so stark wie deine. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Schamane am Schutz der Erde scheitert. Nicht einer. Auch unsere Schilde sind gut. Aber nicht so weit wie andere. Greifst du in den Kampf ein, dann werden sie große Probleme bekommen, da ihre Magier dich nicht unter Kontrolle halten könnten. Das wissen sie auch. Aber ihr Schamane meint, dass er dich so in einen Kampf verstricken könnte, dass du nicht dazu kommst, Magie anzuwenden.“
„Das wird sich zeigen. Ich glaube nicht daran. Aber vielleicht hat er ja noch Fähigkeiten, die ich beim letzten Mal nicht gesehen habe.“
„Er ist stark, Kai. Im wahrsten Sinne des Wortes. Seine Kraft ist enorm. Ein Schlag von ihm, kann deine Körper zerstören.“
„Übertreibst du es da nicht ein wenig?“
„Keines Falls. Mein Bruder hat schon starke Blessuren von einem Kampf mit ihm. Er konnte nur mit mühe und Not den Schlägen ausweichen. Sie kamen mit so viel Kraft, dass er die Auswirkungen noch in einigen Metern Entfernung spürte. Unglaublich genug, dass so viel Kraft in einer Person steckt.“
„Wird das für mich ein Problem?“
„Nein, nicht, wenn du Magie verwendest. Damit kommt er nicht zurecht. Also wird ein Schild ihn komplett überfordern, sofern er nicht durch rohe Gewalt zerbrochen werden kann.“
„Dann denke ich, wird das eine einfache Schlacht für uns“, sagte ich und er sah mir tief in die Augen.
„Unterschätze niemals unsere Feinde. Wir wissen alle nicht, was sie noch für Ideen bekommen. Vielleicht finden sie einen Weg, deine Magie zu blocken. Auch wenn sie nicht viele Magier haben, forschen sie dennoch an ihr. Es kann sein, dass sie noch die eine oder andere Überraschung für uns haben.“
„Verstehe. Was denkst du? Wie lange wird es dauern, bis sie angreifen?“
„Schwer zu sagen. Es kann noch eine Woche dauern, vielleicht aber auch nur noch Tage oder vielleicht Monate. Vielleicht könnte Chin etwas mehr herausfinden. Aber ich bin da überfragt.“
„Ich hoffe nur, dass sie Kevins Rüstung rechtzeitig fertigstellen. Ihm soll nichts passieren“, sagte ich und der Tiger nickte.
„Das werden sie. Kevin braucht sich keine Sorgen zu machen. Und du auch nicht.“
Ich wollte gerade etwas sagen, als Li den Raum betrat. Er sah uns an und kam dann näher. Vor mir Kniete er nieder.
„Schamane, wir haben eine Anfrage für eine Allianz vom Feuerreich. Eure Generäle und ich, haben dem ganzen unseren Segen gegeben. Jetzt müsst nur noch ihr dem ganzen zustimmen“, sagte er und sah mich an.
„Ich sehe keinen Grund, diese Allianz abzulehnen. Sendet ihnen unsere Zustimmung“, sagte ich und Li nickte.
Sofort betrat ein Bote den Raum und brachte einen Zettel. Er reichte ihn mir und trat dann zurück.
Ich las mir durch, was auf dem Zettel stand. Sehr förmlich nahmen wir das Angebot des Feuerreiches an. Am Ende war ein Balken, auf dem nichts stand. Li kam und reichte mir eine Feder.
„Eure Unterschrift“, sagte er und ich nickte.
Vorsichtig setzte ich die Feder auf das Papier und unterschrieb. Lotus, der Schamane. Li nahm die Feder wider entgegen und auch das Papier. Er rollte es zusammen und nahm dann einen Ring. Die Feder ließ er in seiner Tasche verschwinden. Dann nahm er einen Wachsklotz und hauchte ihn an. Sofort tropfte Wachs auf das Papier. Als es genug war, drückte er den Ring darauf und wartete kurz. Dann war das Papier versiegelt und er winkte den Boten zu sich. Dieser nahm den Brief und lief dann davon.
„Dann haben wir jetzt eine Allianz mit dem Feuer geschlossen“, sagte er und ich nickte.
„Wie lange braucht so ein Bote?“, fragte ich und er begann zu überlegen.
„In Anbetracht der Tatsache, dass es sehr eilig ist, wird ein Magier es überbringen und der braucht nur ein paar Stunden, bis er dort ist. Er kann sich teleportieren. Und das wird er auch. Also bekommen wir in ein paar Stunden eine Antwort. Ich werde es euch wissen lassen, wenn wir sie haben.“
„Sehr gut. Wie lange werdet ihr noch für Kevins Rüstung brauchen?“
„In diesem Moment arbeitete Kemitsu an ihr. Sie wird bis zum Morgen fertig sein. Auch seine Kleidung wird bereitstehen, wenn er sie Morgen braucht. Meine Frau lässt ihre Mädchen schon im Akkord arbeiten.“
„Ich will nur, dass seine Rüstung fertig wird. Seine Kleidung kann auch erstmal zurückgestellt werden. Sein Gewand heute sah Zeitgemäß aus aber der Rest, den er besitzt, nicht.“
„Das sehen wir als Problem an. Vor allem meine Frau. Selbst als ich ihr gesagt habe, dass sie nicht so schnell arbeiten muss, hat sie nicht zugehört und ihre Bemühungen verdreifacht. Für sie trägt dieser Junge einen Kartoffelsack. Das kann und will sie nicht akzeptieren. Also lasse ich sie machen, was sie machen will.“
„Gut. Sonst noch etwas?“
„Nein. Nur das euer Essen bereitsteht“, sagte Li und ich lächelte.
„Sehr schön. Ich würde gerne ungestört beim Essen sitzen“, sagte ich und Li nickte.
„Euer Partner erwartete euch, in eurem Zimmer.“
Wie war er denn dort hineingekommen? Ich saß neben der Türe und bekam es mit, wenn jemand eintreten wollte.
„Wie kommt er denn dort hinein?“
„Ich habe ihn durch einen Geheimgang geführt. Es gibt in eurem Zimmer noch zwei Wege nach draußen. Die sind eigentlich dafür gedacht, dass ihr fliehen könnt, sollte es nötig sein.“
„Und darüber habt ihr mir immer das Essen gebracht und mein Zimmer aufgeräumt?“, fragte ich und er nickte.
„So ist es. Diese Wege sind praktisch, um euch nicht zu stören aber dennoch einen großen Komfort zu bieten.“
„Es ist auf jeden Fall gut zu wissen. Wer weiß noch von diesen Wegen?“
„Nur das Reinigungs- und Küchenpersonal.“
„Dann gibt es unter ihnen eventuell einen Verräter. Heute Morgen hatte ich wieder Besuch von Schattenschneider. Der Wasserschamanin. Sie ist in mein Zimmer gekommen, obwohl mein Zimmer versiegelt war. Wenn sie nicht von diesen Gängen gewusst hat, hätte sie nicht eintreten können“, sagte ich und Li nickte.
„Wir werden sofort Maßnahmen einleiten. Jetzt genießt euer Mahl“, sagte er und ich nickte.
Dann erhob ich mich und ging in mein Zimmer. Kevin saß schon an meinem Schreibtisch und starrte auf die Wärmeglocke.
„Tut mir leid, dass du warten musstest.“
„Ich sitze noch nicht lange hier. Es ist alles in Ordnung. Bist du fertig für heute?“
„Eigentlich bin ich nie fertig aber ich habe alles getan, was dringend getan werden musste.“
„Dann sind wir ja fertig fürs Essen.“
Ich nickte und nahm Platz. Vorsichtig hob er die Glocke ab und Dampf stieß uns entgegen. Meine Nase schien zu explodieren vor Gerüchen. Als der Dampf sich verzogen hatte, sah ich mir das Essen genau an. Viel Fleisch. Das war auch gut so. Meine Zähne brauchten etwas zum Arbeiten. Besteckt gab es zwar, aber mehr als eine Gabel würde ich nicht benötigen. Neben Fleisch gab es viel Reis. Kevin griff bereits zu und füllte seinen Teller. Auch wenn das Essen sehr gut aussah, hatte ich eigentlich wenig Hunger. Seit ich Schamane war, war mein Appetit eigentlich nicht mehr wirklich vorhanden. Dennoch nahm ich mir Fleisch und begann es zu essen. Mit meinen Zähnen war es kein Problem es ab zu beißen und zu zerkauen. Wirklich praktisch diese Tigerzähne. Doch schon als ich am Kauen war, hatte ich das Gefühl, als wäre mein Magen komplett voll. Kevin sah mich an und sah besorgt aus.
„Ist alle in Ordnung?“
„Ja. Ich habe nur irgendwie keinen Hunger“, sagte ich und er legte den Kopf schief.
„Das wundert mich. Deine letzte Mahlzeit muss doch schon mehrere Stunden her sein.“
„Gefrühstückt habe ich heute Morgen nicht“, sagte ich und er kräuselte seine Lippen.
„Bist du dir sicher, dass du nicht krank bist?“
„Ich fühle mich zumindest nicht danach. Aber vielleicht bin ich wirklich nicht ganz gesund. Ich werde einen Arzt aufsuchen gehen“, sagte ich und wollte gerade aufstehen, als Mi-Lan hinter Kevin erschien.
Sie hatte ihren Bogen in der Hand und zielte auf ihn.
„Runter mit dem Bogen. Sofort“, sagte ich und Kevin sah nach hinten.
„Nein. Es ist nur zu deinem Besten“, sagte sie und ich konnte hören, wie sie ihre Finger langsam löste.
Sie war sich nicht sicher, bei der Sache. Mir wollte gerade kein richtiger Zauber einfallen, der Kevin beschützten würde, oder Mi-Lan umwerfen konnte. Also warf ich eine Energiekugel. Doch sie prallte einfach von dem Bogen ab und der Pfeil verließ die Sehne.
„Nein!“, schrie ich und hob meine Hand.
Sofort entstand ein Schild um Kevin herum, der den Pfeil abfing. Erstaunt sah Mi-Lan ihn an.
„Wie ist das möglich?“, fragte sie.
Langsam ließ ich meine Hand sinken. War ich das gewesen? Eigentlich hatte ich keine Zauber verwendet. Kevin konnte nicht stark genug sein, den Pfeil eines Gottes abzuwehren. Wer war es also dann gewesen? Gab es vielleicht eine Liebesgöttin, die uns geholfen hatte? Auch Kevin schien verwirrt zu sein.
„Was war das?“, fragte ich und Mi-Lan sah uns an.
„Das war keiner von euch beiden?“
„Nicht das ich wüsste“, sagte ich und Kevin schüttelte seinen Kopf.
„Unmöglich. Niemand würde solch einen Schild erschaffen können, ohne hier zu sein. Kein Wesen auf dieser Welt ist dazu in der Lage.“
„Doch, ich bin es“, sagte eine Frauenstimme und eine Frau erschien.
Sie hatte kurze blonde Haare. Um ihren Kopf lag ein Lorbeerkranz. An ihrer Stirn ein Tropfenförmiger Diamant. Ihre Kleidung erinnerte mich irgendwie an das Antike Griechenland. Auf ihrem Rücken konnte ich einen Schild sehen und ein Schwert an ihrer Hüfte. Sie trug einen Umhang, der aussah wie Flügel. Ihre gesamte Gestalt war durchsichtig, als wäre sie gar nicht da.
„Krisuracha“, sagte Mi-Lan und sah die Frau an.
„Ja. Ich bin die Göttin des Krieges und der Familie. Und als solche bin ich jetzt hier. Diese Zwei mögen ein ungewöhnliches Paar sein, aber sie sind eine Familie. Ich lasse nicht zu, dass du sie auseinanderreißt“, sagte die Göttin und Mi-Lans Gesicht wurde rot.
„Wie kannst du es wagen mich zu unterbrechen? Ich versuche nur einen Fehler zu beheben, der meinen Schamanen schwach macht“, sagte sie.
„Wie kannst du es wagen, eine Liebe zu zerstören nur, weil sie ungewöhnlich ist. Ich habe aus meinem Grab heraus entschieden, dass diese Zwei eine Chance verdienen. Also werde ich sie beschützten, vor jedem Zweifler, der es wagt sie anzugreifen.“
„Das kannst du nicht ernst meinen, Krisuracha. Es ist ein Fehler der Natur.“
„Nein. Das ist ein Wunder der Natur. Ursprünglich hat Mutter Natur das auch vorgesehen. Es gibt keinen Grund sie zu trennen“, sagte sie und Mi-Lan zog einen weiteren Pfeil.
Sie legte ihn an und schoss auf die Göttin. Sie lachte nur und der Pfeil traf die Wand.
„Mischt euch nicht in meine Angelegenheiten ein“, sagte Mi-Lan und Krisuracha schüttelte ihren Kopf.
„Dein Vater hat dir nichts beigebracht, oder? Mit mir legt man sich nicht an“, sagte sie und zog ihr Schwert.
„Bitte, keinen Streit“, sagte ich und erhob mich.
Ich griff nach meinem Kampfstab. Sofort sahen die zwei Frauen mich an.
„Das ist kein Kampf für einen Schamanen“, sagte Mi-Lan.
„Ihr solltet euch nicht einmischen, Schamane. Ich regle das schon“, sagte sie und ich schüttelte meinen Kopf.
„Ich habe es satt, dass alle meinen, sie könnten uns beide trennen. Nein, wir haben uns dafür entschieden so zu leben und dafür kämpfe ich auch. Wenn du, Mi-Lan, dass nicht akzeptieren kannst, dann muss ich dich leider bekämpfen. Selbst wenn es meinen Tod bedeuten sollte. Dann sterbe ich mit meinen Überzeugungen. Aber ich werde mich nicht von euch dazu zwingen lassen, meine Liebe hinter meine Arbeit zu stellen. Das könnt ihr vergessen“, sagte ich und mein Fell begann sich zu sträuben.
Ein sehr deutliches Anzeichen, dass ich gereizt war.
„Das will ich auch nicht. Aber Mi-Lan ist keine Gegnerin für dich. Sie könnte dich schneller töten, als dir lieb ist. Also überlass das mir“, sagte Krisuracha.
Mi-Lan sah erst mich und dann die andere Göttin an. Ich selbst blieb stehen und starrte Mi-Lan an. Meine Augen musterten sie in jedem Millimeter. Jeder Bewegung wurde genau analysiert. Sollte sie erneut versuchen Kevin etwas zu tun, würde ich mich davorwerfen. Wenn sie ihn haben wollte, musst sie zuerst an mit vorbei. Auch wenn es meinen Tod bedeutete. Dann sollte es so sein.
„Denk nicht einmal daran, mich anzugreifen. Du würdest in jedem Fall den Kürzeren ziehen“, sagte Mi-Lan und ich nickte.
„Vermutlich. Aber das wäre es mir Wert. Wie gesagt ich würde für meine Überzeugung sterben“, sagte ich und Mi-Lan legte einen neuen Pfeil an.
Doch bevor sie etwas machen konnte, erschien Mei-Trian hinter ihr und hielt sie fest.
„Und wieder einmal ist meine Tochter viel zu voreilig“, sagte der Gott und Mi-Lan fluchte laut.
„Was willst du hier, Vater?“, fragte sie und versuchte sich zu befreien.
„Das gleiche was ich immer will, wenn ich dich von etwas abhalte. Ich will dich zum Nachdenken anregen“, sagte er und sie schnaubte verächtlich.
„Was die zwei haben ist eine unnatürliche Verbindung. Sie brechen mit allen Regeln. Deswegen muss ich diesen Fehler beheben“, sagte sie und er schüttelte seinen Kopf.
„Wolltest du deinen Sohn, Shian Hi auch umbringen, als du bemerkt hast, dass er mehr auf Männer, als auf Frauen, fixiert war? Da hast du damals auch anders reagiert“, sagte er.
„Das war etwas Anderes. Shian Hi war ein Gott. Seine Entscheidungen waren auf der Basis von Logik getroffen. Für ihn war es logisch, einen Mann, als Partner zu wählen. Aber diese zwei machen es nicht aus der Bestrebung von Logik. Sondern einfach nur aus purer Willkür.“
„Nein, sie machen es aus Liebe“, sagte Krisuracha und Mei-Trian sah sie an.
Sofort ließ er seine Tochter los und taumelte auf die Göttin zu.
„Krisuracha“, stammelte er und sie nickte.
„Hallo“, sagte sie und Mei-Trian war den Tränen nahe.
„Ich habe dich tausende von Jahren nicht mehr gesehen.“
„Nachdem ich meinen Weg gewählt hatte, bin ich ihn auch gegangen. Deswegen liegt mein Körper in einer Gruft, versteckt.“
„Warum kehrst du nicht zu uns zurück? Deine Kinder brauchen deine starke Hand, um wieder auf den richtigen Weg zu finden“, sagte er und Mi-Lan sah ihn an.
„Was? Ich dachte Mutter ist seit Jahrtausenden Tod“, sagte sie und Krisuracha nickte.
„Ihr Körper vielleicht. Doch jetzt steht sie, in Persona vor dir.“
Mi-Lan konnte das nicht verstehen. Diese Göttin sollte ihre Mutter sein? Ich muss zugeben, dass mich solch eine Information auch umgehauen hätte.
„Aber warum?“, fragte sie und Krisuracha senkte ihren Blick.
„Es war besser für euch. Ich bin ein Monster gewesen. Kämpfen und Töten war eigentlich alles, was ich im Leben getan habe. Also bat ich deinen Sohn damals, meine Gruft zu versiegeln, damit ich euch nicht zu Kampfmaschienen mache, die nichts Anderes kennen, als töten“, sagte sie und Mi-Lan fiel auf die Knie.
„Ich dachte immer Mutter sei Tod“, sagte sie und Krisuracha ging zu ihr.
„Weine nicht, meine Tochter. Ich kann verstehen, dass es nicht leicht für dich ist.“
„Nicht leicht? Vater hat mich all die Jahre belogen und du warst zu Feige mit uns zu sprechen. Du hast Recht, das ist nicht leicht. Ich frage mich gerade nur, wer von euch beiden mich mehr betrogen hat. Du, oder Vater?“
„Ich denke wir beide haben dich gleich schlimm betrogen. Es tut uns leid“, sagte Mei-Trian und stellte sich zu seiner Frau.
Mi-Lan sah auf. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als wäre sie im Begriff eine große Dummheit zu begehen. Sie zog einen Pfeil und legte an. Dann erhob sie sich und zielte genau auf ihren Vater. Seine Frau riss ihre Augen auf und stellte sich vor ihn. Doch das brachte nichts, weil sie ein Geist war. Der Pfeil würde glatt durch sie hindurchgehen. Doch Mi-Lan schoss nicht.
„Aus dem Weg“, sagte sie und Mei-Trian ging durch seine Frau hindurch.
„Was fällt dir ein, deine Waffe gegen mich zu erheben?“, fragte er und hob seine Hand.
„Du hast mir sehr weh getan, Vater“, sagte sie und der Gott nickte.
„Ja. Aber mich zu töten, wird dich auch nicht glücklicher machen, mal davon abgesehen, dass ich unsterblich bin. Also würde dein Pfeil nicht mehr bewirken, als mich Temporär in einen Schlaf verfallen zu lassen.“
„Und dann werde ich dich wieder und wieder töten. Bis ich endlich meine Genugtuung hatte“, sagte sie.
So sprachen sie miteinander. Immer weiter. Ich hörte nicht mehr richtig zu, weil mein Bauch zu schmerzen begann. Die Narbe, welche ich von Issyl erhalten hatte, schien zu verbrennen. Ich stöhnte auf und ging in die Knie. Plötzlich brach schwarzer Nebel auf meinem Bauch hervor. Genau da, wo die Narbe gewesen war. Vor mir zeichneten sich die Umrisse einer Person ab. Es war ich.
„Endlich. Nach all den Jahren bin ich frei“, sagte er und lachte laut.
Sofort sahen alle ihn an. Ich bemühte mich, bei Bewusstsein zu bleiben. Kevin kam zu mir und legte seine Arme schützend um mich.
„Wer bist du?“, fragte Mei-Trian und sah den Jungen an.
„Ich? Das weißt du nicht? Ich bin der Schamane“, sagte er und sofort flog Mi-Lans Fächer zu ihm.
„Der Schamane? Das kann nicht sein.“
„Nicht überzeugt, alter Mann? Ich bin die Kraft, die in diesem Jungen steckt. Deine Tochter dachte, sie könnte mich wegsperren, damit dieser Schwächling nicht mehr unter mir leidet. Aber ich lasse mich nicht einsperren. Du hast meinen Hass noch mehr geschürt. Jetzt konnte ich mich endlich von Kai befreien. Dieser schwache und verletzliche Körper war meiner eh nicht würdig“, sagte er und sah mich an.
„Du hast einfach nicht das Zeug dazu, Schamane zu sein. Ohne mich, bist du nichts.“
„Das stimmt nicht“, sagte Krisuracha.
Sofort sah der Schamane sie an. Seine Haare sonderten den schwarzen Nebel immer noch ab, wenn er sich bewegte.
„Was willst du damit sagen? Ich habe seine Kräfte kontrolliert. Mir ist es zu verdanken das er überhaupt noch lebt.“
„Richtig. Aber nur, weil du ihn nie hast zeigen lassen, was er wirklich kann. Du bist Kai. Es war dir nur möglich, diese Kraft zu verwenden, weil Kai sie hat. Ihr teilt euch eure Magie. Jetzt wo du frei bist, ist die Magie noch in Kais Körper und in dir ist nur der kleine Teil, den du selbst hast“, sagte sie und der Schamane lächelte mild.
„Das stimmt. Doch genau wie Kevin, bin ich mit Kai verbunden. Kevins Verbindung war ein Unfall, der eigentlich nicht hätte passieren dürfen. Wie genau, Kai das getan hat, weiß ich auch nicht. Aber genau, wie Kevin, kann ich mich Kais Magie bedienen“, sagte er und ich begann zu verstehen.
Er war also nur eine Persönlichkeit, die über keinerlei Magie verfügte. Aber durch meine Verbindung zu ihm, konnte er meine Magie nutzen. Also waren wir letztlich wirklich eine Person, nur jetzt in zwei Körper. Wenn ich diese Verbindung unterbrechen konnte, würde er dann keine Magie mehr haben? Eigentlich schon. Also musste auch er solch ein Siegel besitzen, wie Kevin. Während er noch mit Krisuracha sprach, sah ich mir seinen Körper an. Durch die Kleidung würde das Siegel nicht zu sehen sein. Doch da, im Nacken. Der kleine Punkt. Das musste es sein. Ich gab Kevin zu verstehen, dass er mich bitte loslassen sollte. Langsam erhob ich mich und ging auf den Schamanen zu. Er war zu sehr damit beschäftigt, die Götter zu verhöhnen, als dass er es bemerken konnte. Ja, das war die Stelle. Sein Siegel lag genau da. Ich hob meine Hand und legte meinen Daumen auf das Symbol. Augenblicklich fühlte ich, wie Magie in mich hineinströmte. Der Schamane zuckte zusammen und holte dann aus. Noch während die letzte Magie in mich zurückkam, schlug er zu und ließ mich gegen die Wand schlagen. Der Aufschlag war hart. Ich musste ich wirklich bemühen, mein Bewusstsein zu halten.
„Du wagst es wirklich, dieses Siegel zu lösen? Glücklicherweise habe ich es vorher bemerkt. Ich werde mir deinen Körper nehmen und dann die Welt erobern“, sagte er und warf den Fächer.
Doch er kam nicht weit. Er fiel zu Boden und ungläubig sah der Schamane auf ihn herunter.
„Was?“, fragte er und sah mich an.
Ich hustete und drückte mich von der Wand weg.
„Du hast mich eben nicht rechtzeitig bemerkt. Ich habe das Siegel komplett gelöst und damit auch die Verbindung zwischen uns beiden“, stieß ich hervor und ging auf die Knie.
Trotz meiner Rüstung tat mir alles weh. Sein Schlag hatte mich so hart erwischt, das ich fürchtete eine Beule sei im Metall. Doch dem war nicht so. Machte ich mir wirklich gerade mehr Sorgen um meine Rüstung als um mich? Wie tief konnte ich noch sinken?
„Das wirst du bereuen“, sagte er und lief auf mich zu.
Doch Kevin stellte sich ihm in den Weg und hielt ihn auf.
„Ich werde nicht zulassen, dass du ihm etwas tust“, sagte er und stieß den Schamanen nach hinten.
„Aus dem Weg, Mensch. Du hast keine Macht über mich“, sagte er und wollte gerade zuschlagen, als Kevin etwas Unglaubliches tat.
Er hob beide Hände. Sie begannen zu leuchten. Ein weißer Strahl schoss aus seinen Händen und traf den Schamanen. Er ging zu Boden und atmete schwer. Aber Kevin hatte keine Magie von mir dafür verwendet. Also hatte er selbst auch welche. Oder war das wieder die Kriegsgöttin gewesen?
„Leg dich nicht mit uns an“, sagte Kevin und nahm meinen Kampfstab.
Der Schamane lachte und erhob sich wieder.
„Denkst du wirklich, dass ein leichter Lähmungszauber mich aufhält?“
„Nein. Aber.“
Kevin ließ die Messer des Stabes ausfahren.
„Dein Tod wird dich aufhalten.“
„Pack den Zahnstocher weg. Ich bin dir an Kraft und Schnelligkeit weit überlegen“, sagte er und schlug nach Kevin.
Doch sein Schlag ging ins Leere. Kevin schlug zu und traf den Schamanen am Bauch. Er taumelte nach hinten. Der Schlag war gut gezielt und hatte den Schamanen gut getroffen. Schwarzes Blut lief aus der Wunde. Moment schwarzes Blut? Wo hatte ich das gesehen? Ach ja, ein Dämon. Entweder war er ein Dämon oder ein anderes Wesen.
„Kevin, du musst schnell handeln. Das könnte ein Dämon sein“, sagte ich und er reagierte.
Der Stab traf erst das Gesicht des Schamanen und dann sein Herz. Er schrie. Ziemlich laut sogar.
„Weg von ihm“, rief ich und zog Kevin, mithilfe von Magie, von dem Körper weg.
Ein roter Diamant fiel zu Boden. Sofort sprang Kevin auf und zerschlug ihn. Ein ekliges Geheul erhob sich und dann war es still. Also war der Schamane wirklich ein Dämon gewesen? Das erklärte ein paar Dinge. Vor allem seine Aggressivität. Kevin ließ den Stab fallen und drehte sich zu mir. Sofort kam er gelaufen und fiel auf die Knie.
„Bist du in Ordnung?“, fragte er und ich nickte.
„Ja. Ein wenig Geschwächt, aber sonst in Ordnung“, sagte ich und er half mir beim Aufstehen.
Die Götter standen immer noch da und starrten uns an. Sie konnten dem ganzen wohl nicht vollkommen folgen.
„Was war das?“, fragte Mei-Trian und ich sah ihn an.
„Der Schamane, war ein Dämon, der sich in meinen Körper geschlichen hat“, sagte ich und Issyls Stimme begann zu lachen.
„Nicht direkt. Er wurde zum Dämon, als Mi-Lan mich gebeten hatte das Siegel zu machen. Das war der Moment, wo er anfing wütend zu werden und sich den Flammen der Rache zu beugen. Das hat ihn zum Dämon gemacht.“
Damit verstummte der Gott wieder.
„Auch das war sehr unklug von dir, Tochter“, sagte der Gott.
„Du kannst sagen, was du willst. Ich habe getan, was ich für richtig hielt“, sagte sie.
„Das tust du immer. Und letztlich bin ich dann zur Stelle, deine Fehler auszugleichen. Wann hat das letzte Mal eine Idee von dir nicht in einem Fiasko geendet?“
„Lass mich in Ruhe, Vater“, sagte sie und verschwand.
Mei-Trian schüttelte seinen Kopf und sah uns dann an.
„Was meine Tochter getan hat, ist unverzeihlich. Ich bitte euch ihr noch eine Chance zu geben. Sollte sie erneut auftauchen und versuchen euch zu töten, ruft mich bitte sofort.“
Ich nickte und der Gott verschwand. Nur noch die Kriegsgöttin blieb übrig.
„Es war mir eine Ehre euch kennen gelernt zu haben“, sagte sie und wir nickten.
„Können wir etwas für euch tun?“, fragte ich und sie überlegte.
„Findet einen Weg meine Gruft zu öffnen. Li weiß wo sie liegt.“
Damit verschwand der Geist und wir waren alleine. Ich sah zu dem Schreibtisch.
„Das Essen ist jetzt kalt“, sagte ich und Kevin begann zu lachen.
„All die Aufregung und du machst dir Sorgen um unser Essen?“
„Sollte ich das nicht? Ich meine, jetzt hätte ich schon Hunger“, sagte ich.
Kopfschüttelnd führte er mich zu dem Schreibtisch und ich nahm Platz. Dann setzte er sich, mir gegenüber und sah ich an.
„Dann iss auch.“
Ich hob meine Hand und ein Feuerball erschien. Langsam führte ich ihn über das Essen und ließ es so wieder warm werden. Dann aßen wir weiter. Jetzt hatte ich auch wirklich Hunger. Also hatte der Schamanen meinen Appetit gebremst. Wir beendeten das Mahl, nachdem auch das letzte Reiskorn von der Platte war. Zufrieden lehnte ich mich zurück. Kevin ebenfalls.
„Kochen können sie hier echt gut“, sagte ich und er nickte.
„Kai, ich habe mir da eine Frage gestellt. Sollten wir vielleicht zurückkehren und allen sagen, was passiert ist?“, fragte er und ich sah ihn an.
Wofür wollte er in die Menschenwelt? Der Tiger hatte mir etwas dazu gesagt. Also konnten wir zwar zurück, aber niemand würde uns verstehen. Kevin wusste davon noch nichts. Aber was wollte er genau da? Hatte er vielleicht Heimweh?
„Warum? Ich habe nur schlechte Erinnerungen an mein altes Leben“, sagte ich und er senkte seinen Kopf.
„Ich würde gerne meinen, vermeidlichen Freunden, sagen, dass es mir leidtut. Alles, was ich ihnen angetan habe. Auch meine Eltern würde ich gerne nochmal sehen“, sagte er und ich sah ihn gleichgültig an.
Ich hatte es mir gedacht. Er hatte Heimweh.
„Kevin, ich. Ich könnte uns zurückbringen. Aber es gibt da ein Problem. In dieser Welt spricht man eine andere Sprache. Kommt man hier her, spricht man sie automatisch auch. Also würde uns in der Menschenwelt keiner mehr verstehen. Ebenso gehören wir dort nicht mehr hin. Also kann uns niemand berühren. Man sieht uns, man kann mit uns reden, aber niemand versteht uns. Es wäre für mich glaube ich eher eine Qual.“
„Kannst du da nichts mit Magie machen?“
„Das hat der Tiger mir nicht gesagt. Aber ich fürchte nein.“
„Können wir dennoch gehen? Ich möchte nur meine Eltern und alten Freunde sehen“, sagte er und ich nickte.
„Ja, das können wir machen. Aber nicht mehr heute, wenn du erlaubst. Ich werde mit Li sprechen und gucken, dass wir morgen dazu kommen. Ist das in Ordnung für dich?“
„Voll und ganz.“
„Gut. Dann bereite ich mich darauf vor. Ich weiß nicht, ob du noch etwas zu tun hast, aber ich denke, dass auf mich noch Arbeit wartet“, sagte ich und er nickte.
„Ich habe eine Verabredung mit Li. Er möchte mir einige Dinge erklären, die ich hier machen kann, ohne im Weg zu stehen.“
Ich nickte und Kevin verließ das Zimmer. Dann schob ich die Platte beiseite und sah mir die Dokumente auf dem Schreibtisch an. Es waren neue Papiere dazu gekommen. Einige sogar versiegelt. Ich nahm mir ein versiegeltes Dokument und öffnete es. Sein Inhalt war ein Brief. Von der Feuerschamanin. Sie bat mich um ein Treffen, um über die geplante Allianz zu sprechen und mich kennen zu lernen. Ich legte ihn beiseite und nahm das nächste Dokument. Dies war erneut die Kriegserklärung. Sie befand ich als unwichtig und legte sie auf meinen Papierstapel. Dann nahm ich mir eine Mappe, mit Dokumenten. Es waren Baupläne für ein Denkmal für mich. Jetzt schon? War das nicht ein wenig früh? Egal. Ich setzte meine Unterschrift darunter und legte die Mappe dann wieder ab. Dann zog ich an der Schnur neben meinem Stuhl und wartete, bis ein Diener kommen würde. Diesmal kam eine Frau. Bestimmt schon über dreißig Jahre alt. Sie trug die Dienerinnenkleidung. Also einen Rock und eine Bluse. Ihre Stiefel waren kniehoch und schwarz.
„Ihr wünscht?“, fragte sie und verneigte sich tief.
„Bringt mir Chin, Li oder den Tiger. Ich habe eine Angelegenheit mit ihnen zu besprechen.“
„Li hat gerade einen Termin. Der Tiger ist in einem Krisenrat mit seinen Geschwistern und Chin ist ins Feuerreich aufgebrochen, um einige Dinge zu besprechen.“
„Wer kann hier sonst noch über meine Termine entscheiden?“
„Eigentlich nur ihr“, sagte sie und ich überlegte kurz.
„Danke. Das wäre dann alles“, sagte ich und sie ging wieder.
Wenn niemand Zeit hatte, würde ich die Sache selbst in die Hand nehmen. In meiner Schublade lag ein Kristall. Er wurde wohl benutzt, um zu Kommunizieren. Also legte ich ihn auf den Tisch.
„Chin“, sagte ich und der Kristall begann zu leuchten.
Im nächsten Moment erschien Chins Gesicht.
„Ihr wünscht, Schamane?“, fragte er.
„Ich habe gerade den Brief der Feuerschamanin bekommen. Übermittle ihr bitte meine Grüße und, dass ein Treffen möglich ist, sobald sie Zeit hat“, sagte ich.
„Woher wollt ihr wissen, dass ich mit ihr spreche?“, fragte er und versuchte unschuldig zu klingen.
„Ich weiß, dass du ein Doppelspion bist. Du arbeitest auch für das Feuerreich. Also überbringe bitte meine Nachricht.“
Er nickte und beendete dann die Verbindung. Das war einfacher, als ich erwartet hatte. Dieser Kristall war wirklich praktisch. Nur wo nahmen sie diese ganzen Edelsteine her? Sie wuchsen ja immerhin nicht an Bäumen. Obwohl, hier war alles möglich. Nun gut, dann wollte ich doch mal zurück in den Thronsaal. Vielleicht fand ich noch etwas zu tun, anstatt nur hier zu sitzen. Mit meinem Stab in der Hand verließ ich das Zimmer. Im Thronsaal war es still. Kein Mensch war dort und irgendwie war es auch nicht schlimm. Nach einer kurzen Orientierung setzte ich mich auf den Thron und sah aus dem Fenster. Ich sah die Mauer und davor ein paar Gebäude des Tempels. Alles war still. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass hier bald ein Krieg stattfinden sollte. Generell war es eigenartig daran zu denken, dass Krieg sowieso stattfinden konnte. Dafür war es viel zu ruhig hier. Krieg. Wie durfte ich mir das eigentlich vorstellen? Zwei Heere, die wie wild aufeinander einschlugen? In der Menschenwelt schoss man sich gegenseitig ab und versuchte den Feind zu töten. Aber hier? Das war etwas Anderes. Es gab keine Schusswaffen. Auch keine Raketen oder sonst etwas. Dafür etwas, in meinen Augen, viel Gefährlicheres. Magie. Sie konnte sehr viel Schaden anrichten. Wie lief das hier ab? Kleine Kämpfe hatte ich ja selbst schon geführt und einen Angriff mitbekommen. Aber das konnte ja nicht immer so sein. Das Erdreich hatte kaum Assassinen, die unsere Mauern überwinden konnten.
„Darf man euch stören?“, fragte Jemand und ich zuckte zusammen.
Am Eingang stand eine Frau. Sie sah ziemlich attraktiv aus. Sie war nur leicht bekleidet, in schwarz und rot. Ihre Haare waren lang und rahmten ihr Gesicht förmlich ein. An ihrer Hüfte hing ein Schwert.
„Natürlich. Trete näher“, sagte ich und die Frau kam auf mich zu.
Mittlerweile war ich generell misstrauisch. Ich bereitete einige Zauber vor, die mich beschützen würden, sollte sie mich angreifen. Vor dem Thron kniete die Frau sich hin und legte ihr Schwert zu Boden. Aber das war kein Grund für mich, meine Deckung zu senken.
„Mein Fürst. Ich bin Helita, eine Kriegerin in eurer Streitmacht. Kommandantin über eine Gruppe von Soldaten, die als Elite gilt.“
„Und du willst mir nur das jetzt sagen, oder kommt noch etwas Neues?“, fragte ich und sie sah auf.
Ja, es war nicht nett. Aber bevor sie jetzt anfing, irgendwelche Geschichten zu erzählen, unterbrach ich sie sofort und zwang sie zum Punkt zu kommen.
„Aber mein Herr“, begann sie.
Doch ich hob meine Hand und lehnte sofort ab.
„Kommt zum Punkt. Ich habe wenig Zeit mich für eure Kriegsgeschichten zu interessieren.“
Sie schluckte und nickte dann.
„Ich mache mir Sorgen um eure Sicherheit. Deswegen möchten meine Männer und ich, als eure Garde, agieren und euch mit aller Kraft verteidigen, die wir aufbringen können“, sagte sie.
Eine Garde nur für mich? Brauchte ich so etwas? Ich atmete aus und erhob mich. Sie senkte ihren Blick wieder. Langsam ging ich zu dem Fenster und blieb dann stehen.
„Meine Kraft ist unglaublich. Ihr habt es gegen das Wasserreich bereits gesehen, denke ich. Ob eine Garde mir wirklich helfen würde, weiß ich nicht. Für mich denke ich, wird es nicht viel bringen. Aber eine Garde finde ich nicht schlecht. Eine Gruppe von Soldaten, die das tun, was ich ihnen sage ohne, dass ich über einen General gehen muss. Ich denke, dass ihr diese Aufgabe gerne ausführen könnt“, sagte ich und sie sah auf.
„Wie ihr wünscht, mein Herr. Ich werde meine Männer sammeln und dann zu euch kommen, um euch die Garde vorzustellen.“
Ich nickte und sie erhob sich. Dann verließ sie den Raum und ich sah ihr nach. Die Garde würde auf Kevin aufpassen können und mich unterstützen, wenn zu viele Feinde auf mich einschlugen. Langsam ging ich in die Mitte des Raumes zurück und setzt mich auf den Boden. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich. Sofort hob mein Körper vom Boden ab und schwebte. Mein Geist löste sich von meinem Körper und wanderte umher. Erst durch den Raum und dann durch den Tempel. In dieser Gestalt sah alles so wunderlich aus. Die ganze Umgebung war ein wenig verschwommen und hatte einen leichten Grünstich. Als hätte jemand einen Eimer Farbe umgestoßen und er hätte seinen Inhalt ungleichmäßig verteilt. Mittlerweile wusste ich, dass, je grüner die Stellen waren, desto mehr Magie befand sich dort. Jede Wand und jeder Stein, war erfüllt davon. Mana. Reines Mana, von denen die Steine keinen Gebrauch machen konnten. War es vielleicht möglich es an sich zu nehmen und selbst zu verwenden? Das sollte ich bei Gelegenheit einmal probieren. Ich ging weiter und stieß plötzlich auf Kevin und Li. Sie saßen in seinem Zimmer und sprachen. Über was sie sprachen, wusste ich nicht. Ich wolle auch nicht in ihren Geist eindringen um sie zu belauschen. Sonst waren keine Menschen in der Nähe. Nicht einmal Bedienstete. Irgendwie schon unheimlich. Ich war völlig alleine in dem Tempel. Also ab nach draußen und den Trainingsplatz aufsuchen. Dort war gerade das gesamte Heer versammelt. Schera, Aran und Latia standen dort und sprachen zu ihren Soldaten. Sie bereiteten sie auf die Schlacht vor. Gut so. Also waren mittlerweile alle Unterrichtet. Plötzlich fiel mir ein Hund auf, der über den Hof lief. Lächelnd sah ich ihm nach und setzte dann meinen Weg fort. Ich wanderte durch die Gedanken der Soldaten. Keiner von ihnen schien mich zu bemerken. Auch die Magier nicht. Wenige von ihnen bereiteten sich wirklich auf die Schlacht vor. Viele dachten an ihre Familien oder an das Essen, das es heute gab. Doch ein Soldat fiel mir sofort ins Auge. Er sammelte alle Informationen in seinem Kopf und dachte daran, sie dem Erdreich zukommen zu lassen. Ein Spion, in meiner Armee? Das schien nichts Ungewöhnliches zu sein. Ich hoffte, dass er nicht dachte ungestört zu sein. Mein Geist kam zu mir zurück und ich öffnete meine Augen. Sofort verschmolz mein Körper mit einer Windböe und ich löste mich auf. Wenige Moment später erschien ich auf dem Trainingsplatz wieder. Die Armee war noch da und Schera sprach mit ihnen.
Ich blieb natürlich nicht lange unentdeckt. Alle Soldaten knieten nieder und verwirrt sahen meine Generäle sich um. Als sie mich bemerkten, fielen auf sie auf die Knie.
„Willkommen, Schamane“, sagte Schera und ich nickte.
Ich stellte mich wieder hin und trat zu ihnen.
„Ich dachte mir, dass ich einmal sehen muss, wie ihr meine Armee auf die Schlacht vorbereitet. Wie ich sehe sehr gut. Habt ihr ihnen von unserer Strategie erzählt?“, fragte ich und Schera sah mich verwirrt an.
Ich zwinkerte ihm nur zu und begann über Telepathie mit ihm zu sprechen.
„Es befindet sich ein Spion in der Armee. Ich will ihn verunsichern und enttarnen“, sagte ich und wandte mich dann der Armee wieder zu.
„Nein, mein Schamane. Wir haben sie nur darüber Informiert, dass es Krieg geben wird“, sagte Schera und erhob sich.
„Wie schade. Erlaubt ihr, dass ich das übernehme?“, fragte ich und er nickte.
„Nur zu. Die Männer werden euch zuhören.“
Dann ging Schera zu seinen Kollegen und sprach mit ihnen.
„Soldaten. Ich bin froh, dass ihr alle versammelt seid. Ihr wisst je bereits, dass wir vom Erdreich bedroht werden. Sie wollen uns Angreifen und vernichten. Doch wir sind auf sie vorbereitet. Li, die Generäle und ich haben eine Strategie ausgearbeitete, sodass wir nicht geschlagen werden können“, sagte ich.
Mein Geist war wieder mit dem Mann verbunden, den ich als Spion enttarnt hatte.
„Ja, erzähl mir alle, du Idiot. Es wird viel leichter, diesen Schamanen zu besiegen, als ich dachte“, dachte er und ich lächelte
„Der erste Teil dieser Strategie besteht darin, dass wir die Mauern nur bedingt verteidigen werden. Ihr Bogenschützten bezieht genau hinter der Mauer Stellung. Von dort werdet ihr schießen. Ich sorge dafür, dass ihr seht, wohin ihr schießt. Außerdem wird die Mauer aufgebrochen, sodass ihr hindurchschießen könnt, aber keiner hinein. Dann ihr Magier. Ich werde mit euch auf der Mauer stehen und Zauber von dort wirken. Wir werden jeden aufhalten, der versucht durchzubrechen. Ob Soldat oder Assassine. Und zum Schluss noch ihr Soldaten. Ihr werdet gar nicht erst eingreifen müssen. Wenn meine Strategie so aufgeht, wie ich mir das denke, werden wir euch nicht brauchen. Aber für den Fall der Fälle, werdet ihr auf dem Marktplatz warten und jeden niedermachen, der es schafft an uns vorbei zu kommen“, sagte ich und erntete sehr verwirrte Blick von den Soldaten.
„Das war alles, von meinem Plan. Ihr seid entlassen und könnt zu euren Familien gehen. Solltet ihr noch Fragen zu unserer Strategie haben, dann könnt ihr gerne zu mir kommen und euch darüber informieren“, sagte ich und die meisten Soldaten gingen.
Nur zwei Magier und der Spion blieben. Die zwei Magier kamen auf mich zu. Der Spion ebenfalls.
„Mein Schamane“, sagten die Magier und verneigten sich.
„Wartete bitte einen Moment. Ich beschäftige mich ausführlich mit euch, wenn der Soldat seine Antwort hat“, sagte ich und sie nickten.
„Ihr ehrt mich, mein Schamane, dass ihr mich empfangt“, sagte er.
„Was möchtest du denn erfahren?“
„Nun ja. Ich habe euren Plan noch nicht ganz durchschaut. Wie genau stellt ihr euch das vor? Die Mauer kann man doch nicht so einfach aufbrechen. Und wenn das Erdreich das bemerkt, werden sie sofort die Mauer verändern und euren Plan zur Unterwelt schicken.“
„Das sehe ich nicht kommen. Meine Magie ist zu stark für sie. Sie werden keine Chance haben, die Mauer zu verändern.“
„Denkt ihr das wirklich? Wenn man die Erde manipulieren kann, dann hilft eure Magie auch nicht mehr wirklich.“
„Darüber mache ich mir keine Sorge. Ich habe den Schamanen bereits bekämpft und er hatte keine Chance gegen mich. Das wird sich in der Schlacht nicht ändern.“
„Wenn ihr das sagt, dann wird es Stimmen. Ich danke euch, für diese Informationen“, sagte er und drehte sich um.
Er wolle gerade gehen, als ich ihm noch etwas sagte.
„Sendet dem Schamanen bitte meine Grüße. Ich freue mich auf einen erneuten Kampf mit ihm.“
Sofort riss der Soldat seine Augen auf und drehte sich um.
„Überrascht? Denkt ja nicht, dass ich nicht eure Gedanken lesen könnte“, sagte ich und griff meinen Stab noch fester.
Der Soldat wusste wohl nicht genau, was er machen sollte. Angreifen oder weglaufen? Oder vielleicht wollte er auch noch sprechen? Das konnte ich nicht ganz genau einschätzen.
„Aber ich habe doch so viel trainiert. Wie konnte ich euch nicht bemerken?“, fragte er und ich lächelte.
„Das kann ich dir nicht sagen. Aber ich war in deinen Gedanken und konnte sehen, dass du die Informationen sammelst und ans Erdreich übermitteln willst. Es tut mir Leid, doch das werde ich nicht zulassen.“
Der Mann sah sich um. Aran zielte bereits auf ihn. Schera hatte sein Schwert in der Hand und Latia hielt schon einen Feuerball bereit. Ich selbst hatte nur meinen Stab. Der würde aber Reichen. Panisch suche der Mann nach einem Ausweg. Und dann entschied er sich für das Dümmste, das er tun konnte. Laufen. Kopfschüttend sah ich zu Aran und er nickte. Sofort zielte er nach und schoss. Der Pfeil traf das Bein des Mannes. Er schrie auf und ging zu Boden. Sofort lief ich ihm hinterher und stellte mich neben ihn. Meinen Stab schlug ich genau, vor seinem Gesicht in den Boden. Er sah auf und genau in meine Augen.
„Ich halte nicht viel von Spionen. Sie schaden mir mehr, als sie mir nützen. Akzeptiert ihr die Anklage gegen euch?“, fragte ich und der Mann stieß einen verachtenden Laut aus.
„Ihr werdet untergehen. Mein Schamane wird euch in den Boden rammen und eure Stadt vernichten.“
Kopfschüttelnd befahl ich Schera zu mir.
„Tut mit ihm, was man mit allen Verrätern macht“, sagte ich und Schera nickte.
Dann drehte ich mich um und ging zum Tempel zurück. Auf dem Weg blieb ich noch bei den Magiern stehen.
„Also, ihr wolltet mit mir sprechen. Was kann ich für euch tun?“, frage ich und sie verneigten sich erneut vor mir.
„Es ist uns, zu aller erst, eine Ehre mit euch zu sprechen, mein Schamane. Was ihr gerade gesagt hat, wollten wir noch einmal rekapitulieren“, sagte einer der Beiden.
Sie trugen beide eine identische Robe. Ihre Haare waren unter einem Hut versteckt, wenn sie überhaupt noch da waren. Ihre Gesichter verrieten mir, dass sie nicht viel älter waren als ich.
„Was ich eben gesagt habe, galt alles nur dazu, den Spion zu entlarven. Es war keine richtige Strategie.“
„Aber wir sehen darin großes Potential. Warum sollte das nicht funktionieren? Sollten wir die Mauer wirklich so verändern können, dann hätten wir einen großen Vorteil.“
„Kennt ihr denn einen Zauber, der eventuell genau das bewirken könnten?“, fragte ich und sie nickten beide.
„Wirklich. Dann zeigt es mir“, sagte ich.
Sie gingen zu Latia und fragten sie etwas. Sie nickte und dann kamen alle Generäle zu mir.
„Folgt uns Schamane“, sagte Latia und wir gingen zur Mauer des Tempels.
Die zwei Magier stellten sich davor und sahen uns dann an.
„Ihr seht, dass dies eine ganz gewöhnliche Mauer ist. Kein Pfeil wird dort hindurch kommen“, sagte er und Aran schoss.
Der Pfeil sprang von der Wand ab und fiel zu Boden. Vorsichtig hob er ihn wieder auf.
„Mit unserem Zauber, wird die Mauer durchsichtig und auch durchdringbar“, sagte der Magier und sein Kollege verschwand.
Er murmelte einige Worte, die ich nicht verstand und sofort wurde ein kleiner Teil der Wand durchsichtig. Auf der anderen Seite stand der andere Magier, mit einer Zielscheibe.
„Versucht es bitte erneut.“
Aran schoss und sein Pfeil durchdrang den Teil der Mauer, der durchsichtig war. Er traf genau die Mitte der Scheibe. Erstaunt sah er seinem Pfeil nach.
„Wie Sie sehen konnten, hat der Pfeil die Wand durchquert, ohne Probleme. Von der anderen Seite geht das nicht. Niemand kann durch die Mauer sehen oder schießen. Das können nur Menschen von dieser Seite. Hindurchgehen ist auch möglich“, sagte er und stecke seine Hand durch den Fleck.
Sein Kollege kam auf der anderen Seite näher und ergriff seine Hand.
„Beeindruckend“, sagte ich und ging auf sie zu.
„Es gefällt euch?“, fragte er und ich nickte.
„Wie heißt dieser Zauber?“
„Wir haben noch keine Namen dafür.“
„Und der Spruch?“
„Ist relativ simpel. Ein abgewandelter Portalzauber. Habara Poro eresta“, sagte er und ich nickte.
Also halbes Portal erscheine. Wenn ich das versuchte, würde ich eventuell einen noch größeren Erfolg erzielen.
„Habara Poro eresta“, sagte ich und hielt meine Hand gegen die Mauer.
Sofort wurde sie komplett durchsichtig. Der Magier trat zurück und stieß einen Pfiff aus.
„Beeindruckend, Schamane. Das habe ich nicht erwartet. Ihr konntet den Zauber auf die gesamte Mauer anwenden. Ihr seid unglaublich“, sagte er und ich nickte.
„Und weißt du, was das Beste ist? Meine Mana hat nicht abgenommen“, sagte ich und er sah mich an.
„Stimmt. Wie macht ihr das?“
„Das kann ich euch nicht sagen. Mein Mana Vorrat ist unendlich. Warum auch immer. Aber genug davon. Mit diesem Zauber könnte das wirklich klappen. Können auch Zauber hindurch?“, fragte ich und er schüttelte seinen Kopf.
„Das haben wir noch nicht getestet.“
Also gut. Dann würde ich es machen. Ich ließ eine Energiekugel erscheinen und warf sie. Sie brach durch die Wand und traf die Zielscheibe. Dieses explodierte. Erstaunt sahen Latia und der Magier mich an. Sein Kollege war in Deckung gegangen, um nicht getroffen zu werden.
„Eure Energiekugeln explodieren?“, fragte Latia und ich nickte.
„Ich dachte das machen sie immer.“
„Eigentlich nicht. Darf ich es versuchen?“, fragte Latia und ich nickte.
Sie hob ihre Hand und eine Energiekugel erschien. Sie sah genauso aus, wie meine. Sie warf die Kugel. Als sie den Boden traf, verschwand sie einfach. Aber auch sie durchdrang die Mauer.
„Das ist praktisch. Dieser Zauber wird meine Strategie wirklich aufgehen lassen“, sagte ich und der Magier nickte.
Sein Kollege kam zu uns.
„Mein Schamane, es war uns eine Ehre, diesen Zauber zu demonstrieren. Wenn er uns hilft umso besser“, sagte er und ich nickte.
„Latia?“
„Schamane?“, fragte sie und verneigte sich.
„Erhebt diese zwei in einen höheren Rang. Sie haben gute Arbeit geleistet“, sagte ich und sie nickte.
„Wie ihr wünscht.“
„Gut, das ist alles, oder. Habt ihr sonst noch Zauber, die uns helfen werden?“
„Momentan nicht. Aber wir forschen und probieren weiter“, sagten die zwei.
„Gut, dann seid ihr entlassen. Bereitet euch bitte auf die Schlacht vor.“
Sie nickten und gingen dann. Wir sahen ihnen nach.
„Mein Schamane, ihr habt heute wieder eine große Tat für unser Reich getan“, sagte Aran und ich sah ihn an.
„Mit dem entlarven des Spions? Das war keine große Sache. Ich tue nur, was für unser Reich das Beste ist. Und ich kann es nicht leiden, wenn uns jemand belauscht“, sagte ich und sie nickte.
„Wir hoffen, dass ihr in der Schlacht die Entscheidung herbeiführen könnt.“
„Das wird sich zeigen. Gibt es sonst noch etwas?“
„Nein, es gibt nichts Neues. Wir haben die Soldaten vorbreite und denken, dass die Schlacht gut verlaufen wird“, sagte Latia und ich nickte.
„Dann geht nach Hause. Eure Familien werden euch erwarten.“
Sie ließen mich alleine. Ich sah die Wand an und zog die Magie zurück. Sofort wurde sie wieder normal. Dieser Zauber konnte mir auch helfen, uns in die Menschenwelt zu senden. Oder vielleicht auch nicht. Ich wusste noch nicht so genau, wie ich das ganze anstellen sollte. Aber ich hatte Kevin gesagt, dass wir gehen würden. Also würde ich mich daran auch halten. Ich ging in den Tempel zurück und suchte den Thronsaal auf. Li und Kevin waren dort und sprachen miteinander. Als ich kam, sahen sie mich an.
„Lotus“, sagte Li.
„Hallo, ihr beiden. Seid ihr fertig? Ich muss mit dir reden, Li“, sagte ich.
„Kevin hat mich schon aufgeklärt. Ihr werdet in die Menschenwelt gehen. Dagegen habe ich nichts, sofern das Erdreich nicht angreift“, sagte er.
„Ja, es ist aber nicht nur das. Ich habe gerade einen Spion entlarvt und bestrafen lassen. Es war einer unserer Soldaten. Er hat versucht unsere Strategie an das Erdreich zu bringen.“
„Das ist nicht gut. Ist es ihm gelungen?“
„Ich kann es dir nicht sagen. Er ist zwar Tod, aber ob er vorher irgendwelchen Kontakt zum Erdreich hatte, weiß ich nicht. Aber ich wage es zu bezweifeln.“
„Es sind wirklich finstere Zeiten. Ich werde gehen und sehen, ob ich noch irgendwelche Vorbereitungen treffen kann. Ach ja. Die Rüstung eures Freundes ist fertig und auch seine Waffe. Kemitsu erwartet euch beide in der Schmiede. Findet ihr den Weg, Schamane?“, fragte er und ich nickte.
„Ich denke schon. Es war ja nicht so kompliziert.“
Li nickte und verließ den Raum dann. Ich sah Kevin an und er lächelte mir zu.
„Und was hat er dir gesagt?“, fragte ich und Kevin lächelte.
„Nicht viel. Er hat mir gesagt, dass ich aufpassen soll, mit dem was ich sage. Dein Name ist nicht Kai, sondern Lotus. Außerdem bin ich ab sofort General der Hausangestellten. Sie unterstehen alle meinem Kommando und hören auf das, was ich sage. Später habe ich noch ein Treffen mit ihnen, damit sie mich kennen lernen. Hier im Thronsaal. Li möchte, dass du dabei bist“, sagte er und ich nickte.
„Das klingt mehr nach Dienstboten Arbeit, als nach richtiger Aufgabe“, sagte ich und er zuckte die Schultern.
„Mal sehen, was das ganze gibt. Auf jeden Fall möchte Li, dass wir in die Menschenwelt zurückkehren und unsere Familie sehen. Wir sollen wohl mit unserer Vergangenheit abschließen, damit wir uns voll und ganz auf die Gegenwart konzentrieren können.“
„Dafür brauche ich nicht zurück zu kehren. Denkst du noch oft an die Vergangenheit?“, fragte ich und Kevin nickte.
„Leider ja. Ich hatte ein sehr einsames, aber schönes Leben. Es war nicht so schlimm, als dass ich es vergessen könnte.“
„Na gut. Also Morgen werden wir gehen. Aber jetzt gehen wir erstmal in die Schmiede“, sagte ich und hielt ihm meine Hand hin.
Er kam zu mir und ergriff sie. Sofort lösten unsere Körper sich, in Luft auf und erschienen vor der Schmiede wieder. Kemitsu und seine Lehrlinge arbeiteten gerade an einigen Waffen.
„Hallo, Kemitsu“, sagte ich und er sah mich an.
„Schamane. Willkommen in unserer Schmiede. Was tut ihr hier? Eure Waffen sind noch nicht fertig.“
Waffen? Welche Waffen? Ich hatte doch meinen Stab.
„Ich weiß nicht, was du meinst. Aber eigentlich bin ich wegen der Rüstung hier, für meinen Freund“, sagte ich.
„Georg. Die Rüstung!“, schrie er und sofort kam der Mann gelaufen. Zusammen mit vielen Lehrlingen, die eine Eisenrüstung trugen.
„Hier ist sie, Chef.“
„Tretet vor, damit wir euch hineinhelfen können“, sagte er und Kevin trat vor.
Sofort kamen die Lehrlinge und begannen ihm die Panzerung anzulegen. Kurze Zeit später war Kevin in einer richtigen Eisenrüstung verschwunden. Sie war schwarz und sah ziemlich schwer aus. Kevin bewegte seine Schultern und schien zufrieden zu sein.
„Sie fühlt sich gut an“, sagte er und Kemitsu nickte.
„Das hoffe ich doch. Wir haben lange daran gearbeitet, bis sie so war. Es hat mehr Zeit in Anspruch genommen, als gehofft. Als Metall haben wir schwarzen Diamant genommen. Er ist schwer zu verarbeiten und fast nicht zu zerstören. Nur mit einer sehr komplizierten Methode kann er bearbeitet werden. Euer Schwert wurde auf die gleiche Weise hergestellt. Wir hoffen, dass es eurer würdig ist.“
Kevin nickte.
„Davon gehe ich aus. Die Rüstung ist auf jeden Fall perfekt. Ich kann mich auch sehr gut bewegen.“
Georg ging zu einem seiner Lehrlinge und nahm ein Schwert von ihm. Er reichte es Kevin. Das Schwert war schwarz und eigentlich relativ klein. Kevin nahm es zufrieden entgegen und schlug in die Luft.
„Perfekt“, sagte er.
„Das Schwert ist leicht und nicht zu groß, für euch. Es wird seinen Dienst tun. Denkt ihr, dass ihr damit zurechtkommt? Es waren doch sehr ungewöhnliche Dinge, die wir getan haben.“
„Ich denke schon.“
„Das wird sich ja bald zeigen. Versucht bitte in der Schlacht nicht zu sterben“, sagte Kemitsu und Kevin nickte.
„Ich werde es versuchen.“
„Kemitsu, bevor wir wieder gehen, würde ich gerne sehen, von welchen Waffen du gesprochen hast“, sagte ich und er lächelte.
„Hat Li es euch nicht gesagt? Das wundert mich, denn er kam zu mir und hat mich gebeten diese Waffen für euch zu fertigen. Kommt mit“, sagte Kemitsu und ging in die Schmiede hinein.
Ich nickte Kevin zu und folgte dem Schmied dann. Vorbei an vielen Feuerstellen. Weit hinten, in einer Ecke, stand ein Ofen, der komplett sauber war. Alles um ihn herum war weiß. Wirklich reines weiß. Keine Asche, kein Ruß kein Staub. Gar nichts. Unglaublich. War das Kemitsus Arbeitsplatz?
„Willkommen, in meinem kleine Reich, Schamane. Hier werden eure Rüstungen und Waffen hergestellt und repariert, sollte das einmal nötig sein.“
Er griff nach zwei Metall Gegenständen und zeigte sie mir.
„Ihr könnt vielleicht erkennen, was es einmal werden soll, oder?“
Ich sah es mir an. Das Unterteil sah eindeutig nach einem Griff aus. Von da gingen mehrere Streben nach oben. Das war ein Fächer. Nein, zwei Fächer. Sollten das etwa meine neuen Waffen sein? Der Schamane hatte auch Mi-Lans Fächer benutzt. Leider erfolglos, da er keine Magie mehr hatte. Sollte ich einmal meine Magie benutzten und mit diesen Fächern kämpfen, würden sie eventuell zu einer sehr gefährlichen Waffe werden.
„Fächer“, sagte ich und er nickte.
„Es waren einmal die Lieblingswaffen von Shian Hi. Li denkt, dass nachdem der Schamane mit dem Fächer gekämpft hat, ihr auch damit zurechtkommen werdet. Sie mögen nicht stark aussehen. Doch unterschätz niemals die Macht einer Waffe, wenn sie in den richtigen Händen liegt. In euren Händen sehe ich da ein sehr großes Potenzial. Ihr werdet anfangs Probleme mit ihnen haben. Das kann ich euch versprechen. Es sind ungewöhnliche Waffen.“
„Ich werde sie auf jeden Fall probieren, wenn sie fertig sind. Schafft ihr es noch vor der Schlacht?“
„Naja. Ihr müsst bedenken, dass ich das gesamte Metall anstatt dem Stoff noch schmieden muss. Vielleicht schaffe ich es, vielleicht auch nicht. Sie werden nicht zusammenklappbar sein. Das würde gar nicht gehen. Es wäre nur hinderlich für euch. Also werden sie immer geöffnet sein. Das zu realisieren, damit es auch noch gut aussieht wird schwer. Aber ich werde mir Mühe geben.“
„Das denke ich mir. Danke, Kemitsu. Für alles. Die Rüstungen und den Stab. Er ist unglaublich.“
„Ja, das ist er. Wenn du deine Fächer hast, kann Kevin diesen Stab nehmen. Er wird damit besser zurechtkommen, als mit dem Schwert. Es ist mehr eine Spielerei, als eine richtige Waffe.“
„Ich hatte mich schon über die Größe des Schwerts gewundert“, sagte ich und er lachte.
„Es war auf seinen Wunsch hin so klein. Er meinte, damit kommt er besser zurecht. Ich finde nicht, dass es sich um ein Schwert handelt. Das ist ein Gerät, das unsere Kinder benutzten, um Spaß zu haben. Aber keine Waffe. Geht er damit in die Schlacht, wird er eine sehr gute Rüstung brauchen, damit man ihn nicht tötet. Es sei denn er ist schnell genug, jede Distanz zu überbrücken. Aber das wird nicht der Fall sein. Also, passt bitte auf ihn auf. Ich habe diese Rüstung nicht gefertigt, damit er sofort stirbt.“
„Das werde ich. Vermutlich werde ich ihm meinen Stab geben und selbst ohne Waffe in den Kampf ziehen und rein meine Magie verwenden.“
„Es liegt bei dir. Aber du musst mir auch eins versprechen. Lass den Panzer ganz und pass auf Angriffe auf. Als Magier hast du keine Rüstung am ganzen Körper. Der Stoff wird kein Schwert abhalten. Egal wie gut Ursula ihn verarbeitet hat. Also versucht nicht getroffen zu werden.“
„Wo genau muss ich besonders aufpassen?“
„Bauch und Hüfte. Auf eure Beine wird niemand zielen und wenn, ist dort eine Panzerung, die Angriffe abhalten kann. Aber nur eure Schultern sind gepanzert. Der Kopf und vielleicht noch die Hände. Aber ich kann nicht dafür garantieren, dass ihr nicht doch Kratzer dort davontragt.“
„Also muss ich meine Magie auf jeden Fall nehmen.“
„Darum werdet ihr nicht herumkommen. Ein Magier benutzt hauptsächlich Magie um sich zu verteidigen. Denkt ihr denn, dass die Roben unserer Magier richtig gepanzert sind?“
„Davon bin ich bis jetzt ausgegangen.“
„Nein. Das wäre nur hinderlich.“
„Gut. Ich werde daran denken. Sonst noch irgendwelche Tipps?“
„Nein. Das war es alles. Ich hoffe, dass ihr mit der Arbeit zufrieden seid.“
„Wenn Kevin zufrieden ist, dann bin ich es auch.“
„Eure Verbindung ist hier jedem egal. Wir leben um euch zu dienen. Also wir stehen hinter euch. Egal für was ihr euch entscheidet“, sagte er und ich nickte.
„Danke, Kemitsu“, sagte ich und tat etwas, was ich schon sehr lange nicht mehr getan hatte.
Ich umarmte ihn. Erstaunt nahm er seine Hände nach oben und sah verwirrt aus. Als ich ihn losließ sah er mich an.
„Das hat noch nie ein Schamane getan“, sagte er und ich lachte.
„Vielleicht war kein Schamane so wie ich.“
„Sowieso nicht. Sie waren arrogant, faul und überheblich. Ihr seid völlig anders. Nicht so wie die ganzen Nieten vor euch. Ich denke, dass ihr uns länger erhalten bleibt, als jeder andere Schamane.“
„Auf eine lange Zusammenarbeit“, sagte ich und er lachte.
Zusammen gingen wir zurück. Viele Schmiede sahen uns an, während wir sie passierten. Einige verneigten sich sogar vor mir. Kevin stand immer noch dort, in seiner Rüstung und fühlte sich wohl wie ein richtiger Krieger. Es machte mich glücklich zu sehen, wie er lachte. Er spielte mit dem Schwert und kämpfte gegen imaginäre Gegner. Kemitsu schlug mir auf die Schulter.
„Wir sehen uns, Schamane. Passt mir bitte auf den Jungen auf. Ich würde ihn gerne wiedersehen“, sagte er und ich nickte.
„Dafür werde ich sorgen.“
Damit ging er zurück an seine Arbeit. Nur noch Georg war da.
„Schamane. Wollt ihr die Rüstung direkt mitnehmen oder sollen wir sie hierbehalten?“, fragte er und ich überlegte kurz.
„Wir nehmen sie mit. Wenn das Erdreich früher angreift, muss sie sofort am Mann sein, damit Kevin geschützt ist“, sagte ich und er nickte.
„Dann viel Spaß damit“, sagte er und ging wieder an die Arbeit.
Die Lehrlinge auch. Wir waren alleine. Kevin sah mich an. In seinen Augen sah ich große Freude. Er war glücklich.
„Na komm. Wir gehen zurück“, sagte ich und zusammen verließen wir die Schmiede.
Hand in Hand gingen wir zurück zum Tempel. Im Thronsaal angekommen trennten sich unsere Wege. Ich ging in mein Zimmer und Kevin blieb. Er hatte ja noch die Versammlung. Vielleicht würde ich dazu stoßen. Aber vielleicht auch nicht. Nachdem ich die Türe geschlossen hatte, empfing mich große Stille. Es war gut. Ich wollte gerne ein paar Minuten für mich haben. Eigentlich hatte ich nie Privatsphäre. Die Geheimgänge konnten jederzeit geöffnet werden. Das schlimmste war, das ich nicht einmal wusste, wo sie waren. Ich nahm auf meinem Stuhl Platz und sah auf meinen Schreibtisch. Die Dokumente waren abgeholt worden, sofern das nötig war. Zumindest das, für mein Denkmal. Der Brief der Feuerschamanin lag noch dort und auch die Kriegserklärung. Ich schob alles beiseite und legte meinen Kristall wieder auf den Tisch. Chin würde das Feuerreich nicht erreicht haben. Also würde auch keine Antwort von ihm kommen. Aber vielleicht würde ja trotzdem jemand versuchen mit mir zu sprechen. Auch wenn es unwahrscheinlich war. Ich sah aus dem Fenster und dachte nach. Über alles, was die letzten Stunden passiert war und auch, was morgen passieren konnte. Wie ich uns genau zurücksenden wollte, konnte ich nicht sagen. Aber mir würde schon etwas einfallen. Mi-Lan konnte es auch. Mit göttlicher Magie würde es also gehen. Ich brauchte nur den Spruch. Vielleicht konnte Shian His Buch mir helfen. Ich nahm es und schlug nach. Dabei fielen mir viele Zauber auf, die ziemlich interessant wirkten und einfach in der Ausführung waren. Vom Nagnami, das ich schon kannte, bis hin zu dem Zauber Inferno, der mehr Ausführungen hatte, als ich einmal Kleidung besessen hatte. In jeder Form und Farbe war es vorhanden. Sogar die Welle der Leere war aufgeführt. Aber mit einem Vermerk, dass dieser Zauber einen schnell umbringen konnte. Gut, dass er es bei mir nicht getan hatte. Ich blättere weiter. Da war der Zauber. Poro Humara. Ein Portal in die Menschenwelt. Dieser Zauber würde nur sehr wenig Magie verbrauchen. Aber dabei stand eine Warnung. Man sollte einen Zauberstab oder eine Waffe bei sich führen, damit man auch in der Menschenwelt zaubern konnte. Das war gut zu wissen. Ich würde Mi-Lans Fächer mitnehmen. Ich legte das Buch wieder beiseite und lehnte mich zurück. Vor der Türe konnte ich Kevin reden hören. Der Raum musste voll mit Menschen sein.
„Habara Poro eresta“, sagte ich und sofort wurde meine Türe zu einem Portal.
So konnte ich sehen, wie Kevin vor dem Thron stand und mit vielen Bediensteten sprach. Sie hörten zu, während er auf und abging. Mach weiter so, Kevin. Sie unterstehen deinem Kommando. Sag ihnen, was du denkst. Oder vielleicht auch nicht. Zumindest nicht direkt. Ach er konnte das schon schaukeln. Plötzlich knarrte mein Bücherregal und jemand betrat das Zimmer. Es musste ein Diener sein, der vermutlich wegen der Post oder etwas Anderem kam.
„Was gibt es?“, fragte ich, doch bekam keine Antwort.
Langsam drehte ich mich um und erschrak. Dort stand Schattenschneider. Vor ihr ein Diener, mit einem Dolch an seinem Hals.
„Du schon wieder“, sagte ich und sie nickte.
„Dachtest du, dass ich so leicht aufgebe? Immerhin habe ich eine Aufgabe. Und die werde ich auch erfüllen. Wenn du mit mir kommst, werde ich dieses Reich in Ruhe lassen“, sagte sie und ich schüttelte meinen Kopf.
„Du verstehst es nicht. Entweder bist du zu Blöd oder einfach nur zu Stur. Ich werde dieses Reich nicht verlassen. Egal wie oft du kommst. Auch wenn du mich bekämpfst, wird dir das nichts bringen. Ich bleibe“, sagte ich und erhob mich.
Zum Glück trug ich noch meine Rüstung. Also war ich gegen ihre Angriffe geschützt. Meinen Stab ließ ich stehen. Ihr konnte ich immer noch rufen, wenn es nötig wurde.
„Du willst keinen Kampf mit mir, oder?“, fragte sie und ich schüttelte meinen Kopf.
„Eigentlich nicht. Es sei denn, du zwingst mich dazu. Und im Moment sieht es schwer danach aus, als wolltest du mich zu einem Kampf bewegen. Dieser Bitte komme ich gerne nach“, sagte ich und sie lachte.
Dann ließ sie den Diener los und stieß ihn zu Boden.
„Das wird dein Ende“, sagte sie und schnellte nach vorne.
Ihre Bewegungen waren schnell. Zu schnell. Ich musste meine Magie wirklich punktgenau ansetzten, um ihren Angriffen zu blocken. Der erste Schlag kam und ich erschuf einen Schild. Sie traf ihn. Doch anstatt einfach nur geblockt zu werden, steckte so viel Kraft hinter dem Schlag, das es mich von den Beinen riss. Erstaunt flog ich nach hinten, durch die Türe und in den Thronsaal. Sofort stoben die Diener auseinander und ich schlug auf den Boden auf. Stöhnend erhob ich mich wieder. Kevin sah mich an und wollte gerade etwas sagen, als die Schamanin schon wieder auf mich zukam. Doch diesmal war ich darauf vorbereitet. Der Schlag kam und diesmal hielt mein Schild auch. Ihr Schlag wurde geblockt und letztlich sogar auf sie zurückgeworfen. Diesmal flog sie nach hinten und knallte gegen die Wand. Die Diener waren in Deckung gegangen. Das war auch besser so. Hier trafen zwei Naturgewalten aufeinander. Wasser und Wind. Offenbar war sie nicht zufrieden mit ihren Angriffen. Also holte sie aus und erschuf eine Wasserkugel in ihrer Hand. Gut, wenn sie es so haben wollte. Ich hob meine Arme und sofort bildete sich ein kleiner Luftwirbel um mich herum. Sie lief los und hatte mich bald erreicht. Sie wollte gerade zuschlagen, als der Wirbel stärker wurde und sie nach oben warf. Erstaunt schrie sie auf und schlug um sich. Offenbar versuchte sie irgendwo halt zu finden. Das misslang ihr aber. Wo hätte sie sich festhalten sollen? Die Vorhänge waren zu weit weg.
„Gibst du auf?“, fragte ich und sie sah mich an.
„Niemals. Ich gebe auf, wenn du dich entscheidest, dieses Reich zu verlassen.“
„Dann wird das ein sehr langer Kampf“, sagte ich und ließ den Wind noch auffrischen.
Schattenschneider wurde von Wand zu Wand geschleudert. Das wiederholte ich einige Zeit, bevor ich sie auf dem Boden aufschlagen ließ. Kevin stand vor dem Thron und hielt sein Schwert die ganze Zeit bereit. Als ob sie ein Interesse an ihm zeigen würde. Aber egal. Sollte sie ihn angreifen, dann wäre das ihr Todesurteil. Die Schamanin erhob sich. Sichtlich angeschlagen. Vielleicht war der Wind nicht so gefährlich wie Feuer oder Wasser. Doch ich konnte damit machen, was ich wollte. Somit wurde er zu einer sehr üblen Waffe. Vielleicht konnte man ihn auch zu einer richtigen Waffe machen. Nicht nur benutzten, um jemanden zu bewegen.
„Das werdet ihr bereuen“, sagte sie und wurde unsichtbar.
Auch wenn ich sie nicht sehen konnte wusste ich genau wo sie war. Unbewusst bediente sie sich Magie, damit ihr Körper so aussah wie ihre Umgebung. Ein recht simpler Zauber. Aber woher ich das jetzt genau wusste, keine Ahnung. Vielleicht wieder etwas vom Schamanen. Ich wartete, bis sie genau hinter mir stehen würde.
„Ist sie weg?“, fragte Kevin und ich nickte.
„Es scheint so“, sagte ich und er atmete auf.
Doch noch im selben Atemzug drehte ich mich um und griff in die Luft. Sofort hatte ich die Schamanin am Hals gepackt und hob sie in die Luft. Vor Schreck ließ Kevin schein Schwert fallen.
„Denkst du wirklich, du könntest mich überraschen?“
Sie zappelte und versuchte sich zu befreien. Doch sie hatte keine Chance gegen mich. Mein Griff war zu fest und ich stand viel zu weit von ihr weg, als dass sie mich hätte treffen können. Es war nicht richtig, sie leiden zu lassen. Also ließ ich sie los.
Keuchend fiel sie zu Boden und rappelte sich nur langsam auf.
„Verschwinde von hier. Ich bin kein Unmensch, auch wenn ich danach aussehe. Das habe ich vielleicht die letzten zwei Male auch schon gesagt, aber, wenn du erneut herkommst, wirst du sterben. Ein weiteres Mal lasse ich dich nicht laufen. Meine Geduld hat auch irgendwann ein Ende.“
Sie sah mich erstaunt an und wurde dann Unsichtbar. Dann lief sie davon.
„Jetzt?“, fragte Kevin und ich nickte.
„Sie ich davon gelaufen“, sagte ich und richtete meinen Umhang, den der Wind durcheinandergewirbelt hatte.
„Gut, Leute. Ihr könnt wieder rauskommen. Die Gefahr ist gebannt“, sagte Kevin und die Bediensteten kamen zurück.
Unsicher kamen sie näher, ließen mich aber nicht aus den Augen. Hatten sie Angst? Ich nickte Kevin zu und ging dann auf mein Zimmer zu, als eine Frau mich aufhielt.
„Mein Schamane“, sagte sie und ich blieb stehen.
Langsam sah ich über meine Schulter.
„Danke, dass ihr für uns da seid. Es ist gut zu wissen, dass ihr niemanden in diesem Reich auslasst“, sagte sie und sie alle verneigten sich.
„Bitte was? Haben die letzten Schamanen euch nicht beschützt?“, fragte ich und Kevin schüttelte seinen Kopf.
„Von dem, was ich gehört habe, waren die Bediensteten immer entbehrlich. Starben sie, wurden sie einfach ersetzt. Wie Dinge haben deine Vorgänger sie behandelt“, sagte Kevin und ich sah auf die Menschen.
Sie wurden behandelt wie Müll. Vermutlich sogar als menschliche Schutzschilde. Das konnte so nicht weitergehen. Es waren Menschen, wenn nicht sogar die wichtigsten, die es hier im Tempel gab. Sie sorgten für Verpflegung und einen gehobenen Lebensstandard. Wer würde mir demnächst mein Essen bringen? Oder mein Zimmer aufräumen? Von wem würde ich meine Post bekommen. Sie sorgten doch dafür, dass es an nichts mangelt.
„Das ist erschreckend zu hören. Diese Zustände werde ich nicht weiterhin tragen. Ihr seid das Herz dieses Tempels. Ohne euch wird das Leben hier weitaus anstrengender, als im Moment. Solltet ihr einen Wunsch haben, dann zögert nicht ihn auszusprechen. Dann werde ich sehen, was ich tun kann“, sagte ich und ein Mann erhob sich.
„Wir hätten gerne einen Tag frei, in der Woche. Und versetzte Arbeitszeiten, damit wir nicht immer alle den ganzen Tag hier sein müssen und die Nacht hindurch ebenfalls“, sagte er.
„Die Nacht ebenfalls? Schlaft ihr auch irgendwann?“
„Nein“, antwortete er und ich schüttelte nur meinen Kopf.
„Ich werde mit Li sprechen. Diese Situation kann so nicht bleiben. Sonst noch etwas? Ansonsten war es das von meiner Seite“, sagte ich und keiner sprach mehr.
„Gut. Einen schönen Abend noch“, sagte ich und betrat mein Zimmer.
Als ich die Türe geschlossen hatte sprach Kevin wieder. Mit meinen Ohren konnte ich ihn jetzt ganz gut verstehen. An meinem Schreibtisch leider nicht mehr.
„Gut. Zeit zum schlafen“, sagte ich und entkleidete mich.
Ich zog ein Seidengewand an und legte mich dann hin. Als letzte Handlung schloss ich noch die Vorhänge und fiel dann in einen sehr unruhigen, Visionsartigen schlaf.
„Was soll das heißen, du kannst nicht mehr dem Schamanen reden?“, fragte ich meinen Bruder und sah ihn an.
Ein brauner Wolf mit blauem Auge. Sein Schamane musste ihn übel erwischt haben, wenn er solch eine Verletzung davongetragen hatte.
„Er hört mir einfach nicht zu, Boreos“, sagte Sekama und ich schüttelte meinen Kopf.
„Ist ihm seine Ehre so wichtig?“, fragte ich ihn und er nickte.
„Wichtiger als das Wohl seines Reiches.“
„Bis jetzt habe ich das Gefühl, dass Kai der einzig normale Schamane ist“, sagte ich.
„Ich kenne noch die Schamanin des Wassers und sie ist besessen davon, deinen Schamanen zu befreien. Wovon auch immer. Sie meint immer von dem Reich“, sagte er.
„Ignisia, Aqurilana“, rief ich und sofort erschienen unsere Schwestern.
„Was gibt es?“, fragte Aqurilana.
„Hat deine Schamanin immer noch nicht von ihrem Plan abgelassen?“, fragte ich und sie schüttelte ihren Kopf.
„Da kannst du lange warten. Leila ist stur. Wenn sie etwas will, dann versucht sie es so lange, bis sie es auch hat.“
„Hat Kai sie noch nicht getötet?“
„Er hatte schon drei Mal die Möglichkeit dazu, doch er ließ sie bis jetzt immer laufen. Ich fürchte nur, dass er nächstes Mal nicht so gnädig sein wird. Vor allem nicht, wenn Leila auf die Idee kommt, seinen Freund anzugreifen. Bleibt sie auf diesem Kurs, wird sie in ihr Verderben rennen“, sagte Aqurilana und ich nickte.
„Weißt du denn, was sie genau antreibt?“, fragte Sekama.
„Mittlerweile nicht mehr. Sie redet immer vom Befreien, als würde man Kai, gegen seinen Willen festhalten. Vielleicht hat sie von dem Lotus erfahren und denkt, Kai soll so werden wie er.“
„Das ist absurd“, sagte Ignisia und ich nickte.
„Nur, weil Li ihn so genannt hat, heißt das nicht, dass Kai ein Dämonengott werden wird.“
„Ganz meine Meinung. Kannst du das vielleicht auch meiner Schamanin sagen?“, fragte Aqurilana und ich sah sie an.
„Warum hören sie nicht auf uns?“, fragte Sekama.
„Das kann ich euch nicht beantworten. Kai hat seine Ansichten und die bringt er auch durch. Egal was ich sage. Aber bis jetzt hat er noch keinen Größenwahn gehabt und dachte er könnte ein Reich vernichten“, sagte ich und Sekama sah mich an.
„Und was ist mit dem Schlachtplan den er aufgestellt hat? In weniger als zehn Minuten hat er einen Plan erstellt, der Aqurilanas Reich komplett dem Erdboden gleichmachen würde“, sagte er.
„Moment. Er hat diesen Plan vernichtet und Li hat ihm geschworen, ihn nicht umzusetzen, selbst wenn er ihn rekonstruiert bekommt. Das hat sich gegen keines der Reiche gerichtet“, verteidigte ich Kai.
„Und was, wenn er irgendwann doch auf die Idee kommt Krieg zu führen?“, fragte der Wolf.
„Bist du noch bei dir? Kai ist friedlich. Er ist der friedlichste Schamane, den ich je hatte. Bis jetzt hat er nur aus Notwehr gehandelt und seine Macht nur teilweise benutzt.“
„Und was ist mit meinen Assassinen, die er getötet hat?“, fragte Aqurilana.
„Sein Mana hat sich selbstständig gemacht, weil Leila ihn provoziert hat. Dafür kann man ihm keinen Vorwurf machen.“
„Er hat die Welle der Leere verwendet. Das soll nur ein Versehen gewesen sein? Selbst Shian Hi hat diesen Zauber immer gemieden. Woher kannte er ihn überhaupt?“
„Li hat Shian His Zauberbuch in sein Zimmer gelegt. Er hat kurz darin geblättert. Offenbar hat er ein sehr gutes Gedächtnis.“
„Wie lange können wir uns noch trauen?“, fragte Ignisia und ich sah sie an.
Die Anderen ebenso.
„Was meinst du?“, fragte Sekama.
„Ach kommt schon. Lügen wir uns hier nicht alle gegenseitig an? Wir wissen alle, dass es nicht so ist, wie wir es versuchen hinzustellen. Wie lange wollen wir noch lügen? Unser Vertrauen ist gebrochen“, sagte sie.
Sie hatte nicht ganz unrecht damit. Ich konnte Sekama nicht glauben, dass er sich einfach so von seinem Schamanen schlagen ließ, ohne zurück zu schlagen. Er war ein Wolf. Wild und ungezähmt. Und dennoch ließ er sich von einem Jungen so demütigen? Was steckte wirklich dahinter? Und das Aqurilana ihrer Schamanin nicht befahl Kai zu holen, konnte ich mir auch nur schwer vorstellen.
„Ich weiß nicht was du meinst“, sagte Aqurilana und ich sah sie an.
„Komm schon. Denkst du wirklich, dass Leila auf Biegen und Brechen versucht Kai zu befreien nur, weil sie es so will?“, fragte ich und sie sah mich an.
„Du brauchst hier gar nicht anzufangen. Alles was du tust ist nichts. Nichts gegen deinen Schamanen. Siehst du nicht, das er im Begriff ist eine große Dummheit zu begehen?“, fragte sie.
„Was für eine Dummheit?“
„Tu nicht so scheinheilig. Ich habe die Energieströme bemerkt, die in deinem Tempel fließen. Kai versuchte den Lotus zu erwecken.“
„Was?“
„Oh wie überrascht du jetzt tust. Warum willst du den Lotus wiederhaben? Reicht dir nicht das vergiftete Land, das wir haben?“
„Niemand will den Lotus wiederhaben. Außer dem obersten Priester und der ist weggeschlossen im Keller des Tempels. Niemand wird je wieder den Lotus erwecken. Dafür habe ich gesorgt.“
„Das scheint dein Schamane aber anders zu sehen.“
„Unterstell mir hier nichts, von dem ich selbst nichts weiß“, sagte ich und fauchte sie an.
„Willst du einen Kampf?“, fragte der Fuchs und sein Fell sträubte sich.
„Eigentlich nicht. Alles was ich will ist in Frieden leben. Mit meinem Reich.“
„Sieh es ein, Bruder. Solange das Windreich existiert wird es keinen Frieden geben. Dass man die Allianz mit dem Feuerreich eingegangen ist, sehe ich als geschickten Schachzug an, ihnen in den Rücken zu fallen“, sagte Sekama.
„Man muss nicht in allem eine Intrige sehen“, sagte Ignisia und der Wolf sah sie an.
„Stimmt. Aber es ist doch sehr auffällig, oder?“
„Auffällig ist, dass dein Reich den Krieg zu suchen scheint. Was erhoffst du dir davon?“
„Frieden unter dem Banner der Erde“, sagte er.
„Immerhin bist du ehrlich.“
„Es wäre egal, was ich sage. Du würdest es mir eh nicht glauben.“
„Sind wir schon so weit, dass wir alles hinterfragen, was wir sagen oder machen?“
„Offenbar. Dieses Treffen ist Zeitverschwendung.“
„Nein, du machst es zu einer“, sagte ich und er sah mich an.
Sofort knurrte er.
„Treib es nicht zu weit, Boreos. Du magst der älteste sein, doch ich scheue mich nicht, dich anzugreifen.“
„Was willst du tun? Mich beißen? Das will ich sehen. Du vergisst wohl, dass mein Fell hart wie Metall sein kann.“
„Und meine Fänge können Metall locker zerbeißen. Nehmt euch in Acht. Der Krieg vom Erdreich wird nicht der letzte bleiben“, sagte er und verschwand.
„Da gebe ich ihm Recht. Feuer und Wasser werden ebenfalls mit dem Wind brechen“, sagte Aqurilana und verschwand.
Ich blieb mit Ignisia zurück.
„Was ist nur mit ihnen los?“, fragte ich und sie schüttelte ihren Kopf.
„Lass sie ziehen. Alles was sie gesagt haben, hat Hand und Fuß. Kennst du meine Schamanin?“
„Emilie? Nein. Ich habe sie noch nie getroffen.“
„Weißt du warum sie diese Allianz wollte? Weil Kai ihr zu stark ist. Er hat zu viel Macht als das sie ihn gegen sich haben wollte. Daher das Friedensangebot.“
„Sie ist ausgeglichen, oder?“
„Sehr Harmoniebedürftig und ausgeglichen, ja. Sie ist stark in den Punkten Magie und Kraft. Ihre Spezialität sind Verstärkungszauber. Ich habe nie stärkere gesehen.“
„Kai ist ein reiner Magier. Ein Wink mit seinem Finger kann so mächtig sein, dass er uns alle vier besiegen kann.“
„Und du wunderst dich, dass die anderen zwei so reagieren? Sie haben Angst, Boreos. Unsere Reiche sind deiner Gnade ausgeliefert. Das gefällt ihnen gar nicht. Mir eigentlich auch nicht. Aber das ist doch wohl der ultimative Grund, nett zu dir zu sein und dich nicht zu verärgern.“
„Selbst, wenn ich wollte, würde Kai niemals die anderen Reiche angreifen. Dafür ist er einfach nicht der Typ.“
„Hoffen wir, dass das so bleibt“, sagte sie und verschwand ebenfalls.
Ich blieb alleine zurück an unserem Treffpunkt. Es war eine Höhle, mitten im neutralen Gebiet. Hier konnten wir uns immer ungestört treffen. Doch das würde wohl demnächst nicht mehr passieren. Es herrschte Krieg, unter den Schutzgeistern. Würden jetzt noch die Götter in Krieg verfallen, dann sollten uns die Schamanen gnädig sein. Ich sah mich kurz um und verschwand dann ebenfalls. Zurück in mein Reich.
Die Vorhänge machten es doch schön dunkel in meinem Zimmer. Aber irgendwie sagte mir meine innere Uhr, dass es Zeit war aufzustehen. Die ganze Nacht hatte ich eh nicht gut geschlafen. Immer wieder die gleichen Bilder. Irgendwann wachte ich auf und war schweiß gebadet. Keine schöne Sache. Schamane zu sein hatte nicht nur Vorteile. Zum einen wurden diese viele Angriffe langsam lästig und diese Visionen wurden zur Qual. Eine Nacht mal wieder durchschlafen wäre wirklich schön. Oder mal etwas Schönes träumen. Irgendwie wäre das schön. Es half alles nichts. Ich erhob mich und ging zu meiner Rüstung ich zog sie mir an und holte dann meinen Stab. Fertig. Ein letztes Mal die Frisur überprüfen, in Form bringen, gut. Ich ging zu meiner Türe und öffnete sie. Im Thronsaal war es leer. Die Stille war unheimlich. Gar keine Geräusche drangen zu mir durch. Dazu war es beinahe noch komplett dunkel. Gut, mit den Katzenaugen konnte ich eh im Dunkeln sehen. Trotzdem wunderte es mich, dass ich so früh wach war. Eigentlich ungewöhnlich. Ich setzte mich auf den Thron und lehnte den Stab an die Wand. Dann machte ich es mir bequem und meditierte ein wenig. Also besser gesagt ich sah mich von innen an. Doch leider hielt die Stille nicht lange. Jemand betrat den Raum und ich sah auf. Es war Kevin, der in seiner alten, menschlichen, Kleidung dort stand.
„Guten Morgen, Kai“, sagte er und ich nickte.
„Guten Morgen. Schon so früh wach?“
Er nickte nur und kam dann zu mir.
„Ich dachte mir, dass es besser sei, früh aufzubrechen. Solange das Erdreich noch nicht da ist, haben wir noch Zeit, in die Menschenwelt zu gehen.“
„Stimmt. Dann hoffe ich, dass es nicht zu einem Krieg kommt, während wir weg sind. Bist du bereit?“, fragte ich und er nickte.
Also stand ich auf und nahm meinen Stab. Ich führte ihn zu meiner Türe und blieb stehen.
„Poro Humara“, sagte ich und schlug dagegen.
Sofort wurde sie durchsichtig.
„Dieses Portal wird uns in die Menschenwelt bringen. Keine Scheu, es ist ungefährlich“, sagte ich und Kevin schluckte.
„Bist du dir sicher?“
„Sehr sicher. Soll ich vielleicht vorangehen?“, fragte ich und der nickte.
Also gut. Ich ging langsam los. Ach Moment. Mi-Lans Fächer. Ich hob meine Hand und sofort kam er zu mir. Er wurde verstaut und dann ging ich weiter. Kevin folgte mir zögerlich. Vor dem Portal blieb ich stehen. Ich atmete tief ein, griff nach Kevins Hand und zog ihn mit mir in das Portal. Sofort lösten unsere Körper sich auf und bauten sich in der Menschenwelt wieder auf. Verwirrt sah ich mich um. Wo waren wir? Kevin blinzelte und war wohl ebenfalls verwirrt. Das war die Menschenwelt, das konnte ich sagen. Aber wo genau waren wir? Um uns herum waren nur Bäume. Also inmitten irgendeines Waldes. Moment, irgendeines Waldes? Das war der Leyenweiher. Der See in meiner Heimatstadt. Wir standen auf einer kleinen Insel, auf der normal nur die Enten brüteten und lebten. Kein Mensch konnte hier her gelangen.
„Sind wir zurück?“, fragte Kevin und sah mich an.
„Ja. Erinnerst du dich nicht? Das ist der Leyenweiher.“
„Wirklich? Er kommt mir so anders vor. So dunkel und hässlich.“
„Vielleicht weil die andere Welt schönere Seen hatte. Vor allem unser Innenhof war ziemlich schön. Dagegen wirkt der See schon sehr schäbig.“
„Können wir weitergehen?“, fragte er und ich nickte.
Ich hielt ihm meine Hand hin und er ergriff sie. Im nächsten Moment standen wir vor unserer Schule. Viele Schüler waren bereits hier, da der Unterricht bald losgehen würde. Auch Kevins Freunde waren hier. Ich konnte sie genau spüren. Ihre Körper waren immer noch von Magie erfüll, die ich damals auf sie angewendet hatte. Kevin sah mich an.
„Keine Scheu. Geht zu ihnen, wenn du willst“, sagte ich und er nickte.
Bei ihnen stand immer noch der falsche Kevin, den ich geschickt hatte, damit niemand bemerken würde, dass er weg war. Unsicher ging mein Freund auf sie zu. Sie bemerkten ihn nicht, bis er direkt bei ihnen stand. Dann erst sahen sie ihn an und erstarrten beinahe.
„Kevin“, konnte ich Jan sagen hören.
Er nickte nur und versuchte mit ihnen zu sprechen. Für mich klag es völlig normal. Doch seine Freunde schienen nicht ein Wort zu verstehen. Sie sahen ihn nur fragend an.
„Hast du die Deutsche Sprache verlernt? Oder hat Kai dir wieder einen Streich gespielt?“, fragte Andre und er schüttelte seinen Kopf und sah zu mir.
Seine Augen suchten eindeutig nach Hilfe. Also ging ich zu ihnen.
„Hallo“, sagte ich zu ihnen und sie sahen mich an.
Konnten sie mich verstehen?
„Du“, sagte Jan und schlug nach mir.
Seine Faust einfach durch mich hindurch. Ob er mich wirklich berühren konnte, wusste ich nicht, da ich einen Zauber verwendet hatte.
„Tut mir leid, aber wir gehören eigentlich nicht mehr in diese Welt. Ihr könnt uns nicht berühren. Vielleicht sogar nicht einmal verstehen“, sage ich und Jan knurrte verächtlich.
„Ich verstehe dich schon. So dumm sind wir nun auch wieder nicht“, sagte er und ich lächelte.
„Ja, das habe ich diesmal auch nicht gemeint. Kevin hat das Problem, dass er nur noch die Landessprache Trimalias spricht. Deswegen werdet ihr ihn nicht verstehen. Wenn ihr mich versteht, dann ist das gut. Ich werde für Kevin übersetzten“, sagte ich und Kevin nickte.
Dann sagte er mir genau was ich sagen sollte. Als er fertig war nickte ich ihm nur zu.
„Also. Kevin möchte euch sagen, dass es ihm leidtut, wie er euch damals rumkommandiert hat und dazu bewegte, mich zu ärgern. Seinetwegen habt ihr jetzt diesen dummen Fluch auf euch. Der aber durchaus seine Berechtigung hat. Er hat mich nur geärgert, weil er verliebt war und es sich nicht eingestehen wollte. Mittlerweile sind wir ein Paar. Ja, wir sind schwul. Er wollte euch nur sagen, was damals in ihm vorging und dass er euch jetzt nicht mehr besuchen kann. Hoffentlich verzeiht ihr ihm und werdet ihn nicht, als Idioten in Erinnerung behalten.“
Das war genau, was Kevin gesagt hatte. Als ich fertig war, nahm er meine Hand und stellte sich neben mir.
„Du bist schwul?“, fragte Jan und Kevin nickte.
„Und ich hatte immer gedacht, du bist cool. Aber es scheint so, als bist du doch einfach nur ein Idiot“, sagte er und ging.
Kevin sah ihm traurig nach.
„Keine Sorge. Wir denken nicht alle so. Kevin, du bist, wie du bist. Wer dich so nicht akzeptiert hat dich anders nicht verdient“, sagte Andre und Kevin nickte.
„Danke. Ich hoffe, dass wir uns irgendwann mal wiedersehen können“, sagte er und ich übersetzte.
„Vielleicht. Können wir dich nicht begleiten?“
Kevin sah mich an und ich zuckte mit den Schultern.
„Theoretisch schon. Aber ihr müsst euch über eins klar sein. Ihr werdet nie wieder zurückkehren. Diese Entscheidung ist endgültig. Einmal in der anderen Welt, seid ihr ein Teil davon. Hier werdet ihr dann, wie Kevin, das gleiche Problem haben. Aber das muss ich zuerst mit meinem Berater besprechen, dann kann ich euch eine Antwort geben. Damit warte ich aber bis nach dem Krieg, der bald ansteht“, sagte ich und sie nickten.
Den letzten Teil hatten sie wohl überhört.
„Meister, braucht man mich hier noch?“, fragte der Kevin Doppelgänger.
„Ja. Vorerst zumindest“, sagte ich und er nickte.
„Ich denke mal, dass wir euch lange genug aufgehalten haben. Wenn ihr euch entschieden habt, dann ruft mich einfach. Ich werde antworten, so schnell ich kann“, sagte ich und Kevin ließ mich los.
Er ging zu seinen Freunden und wollte ihnen die Hand reichen. Doch leider griffen sie immer aneinander vorbei. Vorsichtig nahm ich seine Hand und führte sie. Jetzt ging es. Ich dachte, dass auch ich nicht zu berühren sei. Offenbar hatte nur Kevin dieses Problem. Mir schien das nicht so zu gehen. Gut, das ich vorhin einen Zauber verwendet hatte um Jans Angriff abzuwehren. Nachdem er sich von ihnen allen Verabschiedet hatte, nickte ich den Jungs nur noch zu und teleportierte uns weg. Vor Kevins Haus erschienen wir wieder. Seine Eltern mussten arbeiten sein. Davon ging ich zumindest aus.
„Mein Haus“, sagte er und ich nickte.
„Ich dachte mir, dass du es vielleicht noch einmal sehen willst. Deine Eltern sind doch sicher arbeiten, oder?“, fragte ich und er nickte.
„Sollten sie zumindest. Kannst du uns in mein Zimmer bringen?“
„Vielleicht. Der Tiger meinte einmal, dass Glas nicht zu überwinden sei, mit Magie. Ich habe es noch nicht versucht. Soll ich?“
„Ja, bitte“, sagte Kevin und ich nickte.
Sofort projizierte ich uns in sein Zimmer. Als unsere Körper sich auflösten, spürte ich sofort einen widerstand. Das musste die Scheibe sein. Meine Magie prallte immer wieder davon ab. Gut, wenn du nicht anders wolltest. Ich nutzte all meine Kraft und zerbrach das Fenster. Sofort baute sich Kevins Zimmer vor uns auf. Es war geräumiger, als ich erwartet hätte. Kevins Zimmer war fast doppelt so groß wie mein altes. Ein Bett, Schrank und Schreibtisch standen hier drinnen. Auf dem Schreibtisch befand sich ein Computer. Kevin ging zuerst dort hin, während ich mich umsah. Ordentlich war er auch nicht gewesen. Überall lag Kleidung verstreut und andere Dinge. Jetzt auch noch ein paar Glasscherben vom Fenster. Ich sah mir nicht alles ganz genau an. Nur ein Foto fiel mir ins Auge. Darauf war ich zu sehen. Es hing genau neben seinem Bett.
„Wo hast du dieses Foto her?“, fragte ich und er sah zu mir.
„Oh das? Von einer Klassenfahrt glaube ich. Aber, wenn ich ehrlich bin, ist es nicht das einzige. Ich habe auf dem Computer noch mehr“, sagte er und wurde leicht rot.
„Tatsächlich? Zeig sie mir“, sagte ich und er nickte.
Seinen Computer hatte er bereits gestartet. Er klickte auf einen Ordner und sofort bauten sich viele Bilder auf. Alle von mir. Erstaunt sah ich auf die Anzahl der Dateien. Beinahe vierhundert Bilder von mir? Und ich hatte es nie bemerkt. Zumal er mich an Orten fotografiert hatte, wo ich nicht einmal genau wusste wo.
„Ich hoffe, du denkst jetzt nicht schlecht von mir.“
„Nein. Keines Falls. Aber ich denke mir, dass etwas auf den Bildern fehlt“, sagte ich und wirkte ein Zauber.
Sofort wurde aus jedem Bild das neue ich. Mit Tigerohren und Schweif. Kevin lachte und nickte.
„Jetzt sind sie wenigstens wieder aktuell“, sagte er und ich nickte.
„Bist du soweit fertig? Dann würde ich uns zurückbringen. Das Portal sollte nicht länger als nötig dortbleiben. Wer weiß, was passiert, wenn es jemand findet“, sagte ich und er sah mich an.
„Ja. Ich habe eigentlich alles, ach nein. Meinen Eltern wollte ich noch einen Zettel hinterlassen. Einen Brief in dem ich ihnen erkläre, was genau passiert ist. Damit sie wissen, dass ich nicht mehr da bin.“
„Denkst du wirklich, dass sie es wissen sollten? Für sie bist du immer noch da. Außerdem muss ich dann deinen Doppelgänger verschwinden lassen und das wird für Aufregung sorgen“, sagte ich und er überlegte kurz.
„Sie verdienen es, die Wahrheit zu erfahren. Lass den Doppelgänger verschwinden.“
Gut, wenn er das so wollte. Ich nahm ein Papier und reichte es ihm.
„Denk einfach daran, was du scheiben willst und das Papier wird es aufschreiben“, sagte ich und er lächelte.
„Danke.“
Ich ging wieder zu seinem Bett und nahm Patz. Doch ich sprang sofort wieder auf, weil ich mich, auf meinen Schweif gesetzt hatte. Die ganze Zeit hatte ich es geschafft, ihn rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Irgendwie hatte ich vergessen, dass er da war. So etwas war mir nicht mehr passiert, seit ich ein Schamane geworden war. Kevin saß da und ließ den Brief schreiben. Dabei konnte ich genau sehen, wie Tränen auf seine Hose tropften. Es fiel ihm schwer, Abschied zu nehmen. Ich kannte seine Eltern nicht und auch nicht sein Verhältnis zu ihnen. Mir fiel es wirklich nicht schwer los zu lassen. Adoptivkind und unheimlich eingebildet. Meine Eltern würden mich nur teilweise vermissen. Wenn sie es überhaupt taten. Das wusste ich nicht und wollte es auch nicht herausfinden. Ich hatte ihnen gesagt, was mit mir passiert war und wo ich war. Auch das ich nie zurückkehren würde. Und daran wollte ich mich auch halten. Kevin legte den Zettel weg und erhob sich dann. Seine Augen sahen verweint aus und waren rot von den Tränen.
„Ich bin fertig“, sagte er und ich nickte.
Seine Stimme verriet, dass es ihm nicht leichtfiel.
„Willst du lieber hierbleiben?“, fragte ich und er schüttelte energisch den Kopf.
„Aber mir scheint es, als könntest du nur sehr schwer loslassen“, sagte ich und er nicke.
„Ja, das kann ich auch. Doch ich habe ich entschieden, bei dir zu bleiben. Meinem Partner. Ohne dich, alleine in dieser Welt, würde ich es nicht lange aushalten.“
„Du würdest jemand anderen finden.“
„Ich will keinen anderen. Nur dich.“
Lächelnd zog ich ihn zu mir und gab ihm einen Kuss. Als wir uns voneinander lösten lächelte er wieder.
„Bring uns nach Hause.“
Sofort lösten unsere Körper sich auf und erschienen auf der Insel wieder. Das Portal war noch da.
„Auf Wiedersehen, Menschenwelt“, sagte ich und betrat es dann.
Kevin zog ich wieder mit mir. Im nächsten Moment fanden wir uns im Thronsaal wieder. Der Raum war immer noch leer. Aber mittlerweile war die Sonne schon in ihrem Zenit.
„Fühlst du dich jetzt besser?“, frage ich und Kevin nickte.
Langsam zog ich die Magie zurück und ließ das Portal verschwinden.
„Ich gehe mich nur rasch umziehen“, sagte er und lief dann in sein Zimmer.
Ich sah ihm nach und lächelte. Dann ging ich zu dem Thron und nahm Platz.
„Guten Morgen, Schamane“, sagte Li und betrat den Raum.
„Guten Morgen? Ist nicht mittlerweile schon Mittag?“
„Das kann man sehen wie man will. Ich bin gerade erst aufgestanden. Seid ihr schon auf eurer Reise gewesen?“, fragte er.
„Wir sind gerade zurückgekommen. Li, ich habe eine Anfrage von weiteren Menschen, die gerne in unser Reich kommen würde. Hätten wir Platz für sie?“
„Natürlich. Es gibt da noch ein leerstehendes Haus, das keiner braucht. Dort könnten sie wohnen. Um wie viele Personen handelt es sich?“
„Ungefähr fünf oder vier. Das weiß ich nicht ganz genau. Sie überlegen auch noch. Ich wollte nur vorher wissen, ob es geht oder nicht.“
„Sind sie sich denn darüber klar, dass es, einmal hier, kein Zurück mehr gibt?“
„Deswegen überlegen sie noch. Aber an sich, sollte das kein Problem sein, oder?“
„Nein, kein Problem. Dieses Reich nimmt gerne mehr Leute auf. Je größer wir werden, desto besser. Dann sehen die anderen, dass wir doch nicht alles falsch machen.“
„Wenn das der einzige Hintergedanke ist“, sagte ich und Li lachte.
Kevin kam wieder. Er trug wieder seine Rüstung, die ihn doch irgendwie lächerlich wirken ließ. Irgendwie so breit. Das passte nicht zu ihm. Eine Rüstung wie meine, wäre vielleicht besser. Aber das war nicht möglich. Kevin bauchte den Schutz. Er war kein Magier. Also konnte er den Angriffen nicht so ausweichen wie ich. Mein Panzer beschränkte sich ja eigentlich auch nur auf meine Schulter. Vielleicht noch meine Hände. Doch ich musste meine Arme noch bewegen können. Solange das ging, war es kein Problem, mich zu verteidigen oder anzugreifen. Auf eine richtige Schlacht war ich einmal gespannt. Konnte ich mich wirklich richtig verteidigen, mit meinen Kenntnissen? Das würden wir dann sehen. Obwohl das wohl nicht das richtige war, dass in einer richtigen Schlacht zu testen. Bis jetzt hatte ich Li schlagen können. Aber gegen mehrere Gegner? Keine Ahnung.
„Da bin ich wieder“, sagte Kevin und wir nickten.
„Also dann, Schamane. Heute steht eine große Aufgabe an. Ihr müsst den Nahkampf trainieren, mit eurem Freund. Dafür werdet ihr neue Waffen erhalten. Kemitsu ist mit ihnen gerade fertig geworden“; sagte er und ich nickte.
„So schnell? Er meinte, er bräuchte länger. Egal. Ich gehe sie holen. Treffen wir uns danach auf dem Trainingsgelände?“, fragte ich und er nickte.
„Ja. Dann werden wir trainieren.“
„Gut. Willst du mitkommen, Kevin oder lieber direkt mit Li gehen?“
„Ich gehe direkt mit ihm. Dann kann ich schon Mal üben.“
Also ging ich alleine. Ich erhob mich, griff meinen Stab und verließ dann den Raum. Li und Kevin folgten mir. Vor dem Tempel trennten sich unsere Wege. Li und Kevin steuerten eines der Trainingsfelder an und ich ging weiter, bis in die Schmiede. Als ich sie erreichte, sah ich sofort Kemitsu, wie er mit einem Lehrling sprach. Als er mich bemerkte, lächelte er sofort.
„Schamane“, sagte er und kam auf mich zu.
„Bitte, Kemitsu. Nenn mich Lotus. Und nicht so förmlich. Du gibst mir das Gefühl, als sei ich schon so alt.“
„Hör sich das einer an. In eurem Alter habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Eure Waffen sind fast fertig. Ich wollte euch nur gerne, für den letzten Arbeitsschritt dabeihaben. Es wird eure Magie benötigen, sie zu bewältigen. Kommt mit“, sagte er und führte mich wieder zu seinem Arbeitsplatz.
Dort lagen die Fächer. Diesmal mit ihrem zwischenleben. Anstatt Stoff hatte er Metall genommen, sie zu fertigen. Das ergab auch durchaus Sinn. Was brachte mir eine Waffe, durch die ein Schwert hindurch konnte.
„Gefallen sie euch?“
Ich nahm mir vorsichtig einen Fächer. Das Metall war noch ein wenig warm. Wenn man nicht genau hinsah, bemerkte man gar nicht, dass es sich um Metall handelte. Man konnte es wirklich mit Stoff verwechseln. Als Motiv hatte er den grünen Tiger genommen. Der Fächer war leicht und schön.
„Ja. Sie sind sehr schön. Aber was müsst ihr jetzt noch machen?“, fragte ich und er hob einen Metallstreifen.
„Sie müssen an euch gebunden werden, damit ihr sie zu euch rufen könnte, ohne euch darauf zu konzentrieren. Dafür brauche ich eure Magie“, sagte er und hielt mir das Metall hin.
„Was für einen Zauber?“
„Keinen. Berührt einfach das Metall.“
Unsicher gehorchte ich und spürte sofort, wie ein kleiner Teil Magie auf den Streifen übersprang. Sofort zog Kemitsu ihn zurück und nickte.
„Das war es schon. Gebt mir ein paar Minuten. Ach so, wollt ihr einen Armreif oder lieber einen Ring?“, fragte er.
„Einen Armreif“, sagte ich und er nickte.
Er nahm kurz Maß und begann dann zu arbeiten. Zu dem Metall mischte er noch Gold, damit es nicht so schäbig wirkte. In kürzester Zeit entstand vor meine Augen ein Armreif. Kemitsu verzierte ihn und kühlte ihn dann ab.
„Fertig“, sagte er und hielt mir den Schmuck hin.
Unsicher nahm ich den Armreif und streifte in über. Er passte zu hundert Prozent über meine Hand. Aber das würde mir nicht helfen. Dann konnte er abrutschen.
„Rutscht der nicht wieder ab?“, fragte ich und er schüttelt seinen Kopf.
Er griff nach meinem linken Arm und positionierte den Ring. Dann drückte er ihn zusammen. Sofort legte der Armreif sich passend an.
„Und wie bekomme ich den jetzt wieder ab?“
Kemitsu zog kurz an dem Reifen und sofort wurde er wieder groß. Ach so. Er war magisch.
„Sehr praktisch“, sagte ich und er lachte.
„Denkt ihr ich mache unpraktische Dinge? Jetzt müsst ihr nur noch die Fächer nehmen und den Rest machen sie selbst.“
Ich nahm die Fächer und hielt sie fest. Kemitsu hatte sie so gemacht, dass ich in ihre Streben greifen konnte. So würden sie mir nicht aus der Hand geschlagen, wenn ich fest zuschlug oder selbst einen Schlag damit blockte. Der Armreif leuchtete kurz auf und die Fächer ebenfalls. Kemitsu nickte.
„Sie haben sich verbunden. Jetzt könnt ihr die Waffen ohne Probleme zu euch rufen, wenn ihr den Armreif tragt. Ihr braucht nicht einmal an sie zu denken. Ebenso könnt ihr sie viel besser kontrollieren. Sie funktionieren jetzt fast wie ein Bumerang. Werft ihr die Fächer so kommen sie zu euch zurück.“
Das eröffnete mir viele Möglichkeiten zu kämpfen, die ich eigentlich nicht hatte. Zwischendurch einen Fächer zu werfen konnte nicht nur den Gegner verwirren, sondern mir auch einen Vorteil verschaffen, an mehreren Fronten zu kämpfen. Sehr gut durchdacht.
„Danke, Kemitsu. Die Fächer sind perfekt“, sagte ich und er nickte.
„Lasst mich euch kurz zeigen, wie sie funktionieren. Also hier, an den Streben, habt ihr einen Schalter. Er lässt Messer auskappen, die dann eure Feinde ordentlich verletzten können. Auf die gleiche Weise könnte ihr sie auch einklappen. Und vergesst eins nicht. Diese Fächer sind nicht zum zusammenfalten. Dafür ist das Metall zu starr. Ein weicheres Metall hätte vielleicht das zugelassen, aber dann wäre auch der Schutz nicht mehr so komplett gegeben. Ich denke aber, dass da kein Problem liegt. An einer Halterung arbeiten wir gerade. Sie euch an die Hüfte zu hängen wird wohl etwas problematisch. Vielleicht auch auf den Rücken. Aber das machen meine Lehrlinge gerade. Sie denken sich etwas aus.“
„Vielen Dank, Kemitsu. Ihr habt euch wieder selbst übertroffen.“
„Wie jedes Mal, Lotus.“
Lachend gingen wir zurück zum Eingang der Schmiede. Dort standen Kemitsus Lehrlinge, mit einer Lederkonstruktion. Es waren fünf Lehrlinge, die er hatte.
„Wir haben uns etwas ausgedacht“, sagte einer von ihnen und Kemitsu sah ihn an.
„Und das wäre?“
„Diese Lederbänder können die Fächer halten und gleichzeitig werden sie den Schamanen nicht behindern. Sofern wir uns nicht bei den Maßen vertan haben“, sagte der Junge und Kemitsu sah sich die Konstruktion an.
„Probieren wir es“, sagte er und kam zu mir.
Sofort löste ich den Umhang und hielt ihn in der Hand. Kemitsu half mir in die Lederschlaufen. Als er fertig war, nahm er einen Fächer und hing ihn an die Halterung. Unsicher sah er sich das Ganze an.
„Das habt ihr schon gut gemacht. Die Maße passen, das gefällt mir sehr gut. Aber, leider einen Punkt, der nicht passt. Sehr ihr den Haken?“, fragte er und nahm den Fächer wieder ab.
Sofort legte er sich in meine Hand. Die Lehrlinge stellten sich hinter mich und sahen sich an, was Kemitsu meinte.
„Seht ihr das? Wenn er den Umhang trägt und die Fächer in der Hand hält, dann würde er sich den gesamten Umhang aufreißen.“
„Ach, der Umhang. An den hatten wir nicht gedacht.“
„Also. Der Ansatz gefüllt mir, aber ihr müsst euch leider nochmal daransetzten. So wird das leider nichts“, sagte er und die Lehrlinge nickten.
Sie halfen mir, die Konstruktion wieder auszuziehen. Dann nahmen sie es mit und verschwanden in der Schmiede.
„Euren Stab gebt ihr jetzt am besten eurem Freund, damit er dieses Trainingsschwert ablegen kann. Ansonsten wird die nächste Schlacht eine Qual für ihn. Mit dem Stab, wird er immerhin eine Chance haben.“
„Werde ich. Mit ihm hat er schon einmal gekämpft, also wird das nicht ganz so ungewohnt für ihn.“
„Was auch immer. Sorgt nur dafür, dass dieses Schwert bitte entsorgt wird. Bringt es zu mir, oder Li. Wir werden uns darum kümmern. Selbst unsere Kinderschwerter sind größer als den Zahnstocher, den er trägt.“
„Zu groß für einen Dolch, aber zu klein für ein Schwert?“
„So in etwa, ja. Entsorgt es einfach.“
Ich nickte, verabschiedete mich und ging dann. Auf dem Trainingsplatz traf ich Li und Kevin, wie sie miteinander kämpften. Kevin hatte keine Chance. Was zu erwarten war. Natürlich. Wie wollte er mit einem Schwert von der Größe und einer Rüstung dieser Art, Lis Reichweite und stärke ausgleichen. Li spielte mit ihm. Das konnte ich sehen. Kevin versuchte nach vorne zu preschen, wurde aber von Lis Schwert getroffen und weg geschlagen. Doch er gab nicht auf. Er versuchte es wieder und wieder. Doch ohne Erfolg. Mich hatten sie wohl noch nicht bemerkt. Doch das würde Li wohl gleich. Kevin wurde gerade nach hinten geschlagen, als ich auf meine Verbindung zu ihm zurückgriff. Sofort hatte ich seinen Körper unter Kontrolle. Jetzt griff ich Li erneut an. Ich duckte mich unter dem Schwert her, sprang darüber oder blockte es, ohne das Kevins Körper etwas passierte. Dann kam meine Chance. Li war wohl so überrascht, dass Kevin auf einmal so schnell angriff, dass er nicht richtig reagierte. Mein Schlag traf ihn und ließ sein Schwert zu Boden fallen. Ich löste die Kontrolle und sah den beiden zu.
„Sehr gut gemacht“, sagte Li und hob sein Schwert auf.
Kevin sah ihn verwirrt an.
„Ich wusste gar nicht, dass ich zu sowas fähig bin“, sagte er und Li nickte.
„Hätte ich nach dem Anfang auch nicht gedacht“, sagte er.
„Bevor ihr Kevin jetzt zu sehr lobt, das war mein Verdienst. Als ich gesehen habe, dass Kevin nicht an dich herangekommen ist, habe ich ihm geholfen. Das war ich, der dich gerade geschlagen hat, Li“, sagte ich und ging auf sie zu.
„Das erklärt natürlich einiges“, sagte Li und ich nickte.
„Hier, Kevin. Der Stab“, sagte ich und hielt ihm meine Waffe hin.
„Aber das ist deiner“, sagte er und ich nickte.
„Stimmt. Aber jetzt ist er dein Eigentum. Ich habe neue Waffen. Also kannst du den Stab haben. Dieses Schwert ist einfach zu klein, für dich. Da könntest du auch einen Dolch nehmen. Gib es mir und ich werde es zu Kemitsu bringen.“
„Aber ich habe es mir doch selbst ausgesucht. Ich kann doch nicht einfach diese Waffe wieder abgeben, damit sie vernichtete wird.“
„Kevin. Das Schwert ist kleiner, als ein Übungsschwert für Kinder. Damit wirst du keinen Kampf gewinnen können.“
„Das glaube ich nicht“, sagte er und ich stellte den Stab auf Seite.
Dann ließ ich meine Fächer zu mir kommen.
„Zeig mir, was du kannst“, sagte ich und ging in Kampfstellung.
Kevin ebenfalls. Es sah ziemlich albern aus. Nicht nur wegen der Rüstung, sondern auch wegen dem Schwert. So lächerlich klein.
„Fertig?“, fragte ich und er nickte.
Sofort schnellte ich nach vorne und griff ihn an. Er wich dem ersten Fächer aus und bockte den zweiten. Natürlich musste ich jetzt sehr nah ihn heran. Doch das konnte ich auch ändern, indem ich die Fächer warf oder mit Magie bewegte. Allerdings wäre das jetzt zu unfair. Kevin war ziemlich unsicher mit dem Schwert. Er versuchte zwar mich zu treffen, aber ich war einfach viel zu schnell. Zudem hatte er ein Problem, mit der Reichweite. Egal wie sehr er sich anstrengte, er kam einfach nicht nah genug an mich heran. Auch wenn die Fächer klein waren, hielten sie das Schwert doch auf Distanz. Es war mehr eine Spielerei von mir. Kevin konnte nicht mit mir mithalten. Nun ja. Warum ich so gut im Kampf war, wusste ich nicht. Vermutlich wieder der Schamane. Ich ließ ihn noch ein paar Schläge ausführen, bevor ich ihn entwaffnet. Erstaunt sah er mich an.
„Das war nichts“, sagte ich und er sah mich an.
„Wieso bist du so gut? Du hast doch auch nie gekämpft“, sagte er und ich nickte.
„Kann ich dir nicht sagen. Aber du siehst, mit dem Schwert hast du keine Chance.“
„Wenn ich keine leichten Gegner habe, dann kann ich damit auch nicht lernen.“
„Dann nimm doch mal den Stab und versuch es nochmal.“
Zögernd griff Kevin nach dem Stab und nahm ihn. Dann ging er in Kampfstellung. Ja, das wirkte jetzt besser. Die dicke Eisenrüstung brauchte einfach eine große Waffe. Der Stab passte auf jeden Fall besser dazu.
„Fertig?“
Kevin nickte nur. Sofort schoss ich wieder nach vorne. Diesmal blockte Kevin meinen ersten Schlag und konterte sogar. Mit einem Salto konnte ich mich gerade noch retten. Der Stab war vielleicht nicht so schnell, doch er hatte einfach zu viel Reichweite. Kevin konnte mich jetzt gut auf Distanz halten. Aber ich blieb ruhig und ließ ihn gewähren. Irgendwann würde er einen Fehler machen. Und der Moment kam schneller, als ihm lieb war. Sein Schlag ging ins Leere und der Stab sackte Richtung Boden. Sofort stellte ich meinen Fuß darauf, stieß mich ab und landete genau vor ihm. Mein Fächer lag an seinem Hals. Schwer Atmend standen wir uns gegenüber.
„Das war jetzt weitaus einfacher“, sagte er und ich nickte.
„Weil es eine richtige Waffe war. Deine Waffe. Du bist einfach nicht schnell genug, für dein Schwert. Du brauchst eine Waffe, die Kraft hat. Deine Kraft ist groß. Also spiel sie aus. Nimm einen Stab, ein Schwert wie Li oder eine Keule. Aber keinen Dolch. Dafür bist du einfach nicht gebaut“, sagte ich.
Ein wenig wehleidig sah er zu seinem Schwert.
„Entsorgt es. Ich nehme den Stab“, sagte er.
Li nahm das Schwert und reichte es einem Soldaten. Dann bat er ihn, es zu Kemitsu zu bringen. Der Soldat ging.
„Schamane. Ich möchte einen Kampf gegen euch“, sagte Li und sah mich an.
„Gerne. Kevin, du erlaubst?“, fragte ich und er verließ den Platz.
Li ging an seine Stelle und dann in Kampfstellung.
„Seid ihr soweit?“, fragte er und spannte seine Muskeln an.
„Wenn du es bist“, gab ich zurück und machte mich bereit.
Li griff an. Sein Schwert kam auf mich zu, wurde aber von meinem Fächer geblockt. Dabei wurde ich beinahe nach hinten geworfen. Li war kräftig. Sehr kräftig sogar. Ich durfte das Schwert nicht blocken, ich musste ihm ausweichen. Blockte ich weiter, würde mir bald der Arm müde werden und dann konnte ich nicht mehr richtig zuschlagen. Das durfte nicht passieren. Lis Schlag kam und ich duckte mich. Erstaunt schrie er auf, als er keinen Widerstand spürte. Doch er fing sich schnell und versuchte es erneut. Mit einem Salto sprang ich über das Schwert. Er fluchte. Das war mir klar. Ohne Gegendruck, war sein Ausholkreis viel zu groß. Er konnte nicht mehr schnell genug zuschlagen. Da war meine Chance. Ich wich einem Tiefschlag aus, landete genau auf seinem Schwert und verpasste ihm einen Tritt gegen die Brust. Sofort taumelte Li nach hinten. Ein weiterer Tritt und er ließ sein Schwert fallen. Also kam mein Fächer jetzt zum Einsatz. Ich blockte Lis versuch, sein Schwert zu nehmen. Er versuchte es zwar einige Male, aber nach etlichen Versuchen gab er es auf.
„Ihr habt gewonnen, Schamane“, sagte er und ich ließ meine Fächer sinken.
„Das war ein guter Kampf, Li.“
„Ich denke nicht, dass ihr noch mehr Training benötigt. Aber euer Freund sollte trainieren.“
„Nimm ihn nicht zu hart dran“, sagte ich und er nickte.
„Kevin, du bist wieder dran.“
Er kam zu mir und sah Li an.
„Bist du dir sicher?“
„Natürlich. Du musst üben.“
„Das stimmt schon. Aber eigentlich würde ich lieber mit dir trainieren nicht mit Li.“
„Li ist besser als ich. Er kennt sich in diesem Punkt besser aus. Das einzige, was ich machen könnte, wäre dich besiegen. Vertrau mir, Li macht das schon alles richtig. Du wirst schnell besser werden.“
Mit dieser Antwort war er nicht zufrieden aber er akzeptierte sie. Also verließ ich das Trainingsfeld und gab ihnen die Möglichkeit anzufangen. Jetzt hielt Kevin mit Li mit. Durch den Kampfstab konnte er das lange Schwert von Li gut von sich fernhalten. Ihre Kraft war eigentlich sehr ausgeglichen verteilt. Li zeigte ihm einige Techniken, mit denen Kevin seine Feinde gut ärgern konnte. Zusehend wurde er besser und seine Schläge viel gezielter. Zwar konnte man nicht erwarten, dass er sofort Li schlug. Aber er machte es ihm immer schwerer. Die Kämpfe wurden auch interessanter. Ich sah ihnen dabei zu und lobte sie, wenn mir etwas gefiel.
„Lotus“, sagte Boreos und der Tiger kam auf mich zu.
„Tiger. Schön dich zu sehen“, sagte ich und lächelte.
„Schlechte Nachrichten. Meine Geschwister werden wohl nach und nach angreifen.“
„Wieso das denn? Ich dachte das Feuerreich wollte eine Allianz mit uns.“
„Ja, wollten sie auch. Aber vermutlich nur, um uns von innen heraus zu besiegen. Deswegen sollten wir diese Allianz ablehnen. Es wird uns vielleicht das Leben kosten.“
„Chin ist aber schon angekommen. Die Schamanin wird wohl bald hier sein. Sie wollte ein treffen mit mir“, sagte ich.
„Empfang sie. Aber versuche herauszufinden, ob diese Allianz ernst gemeint ist oder ob sie nur herausfinden wollen, wo wir verwundbar sind.“
„Ich werde vorsichtig sein. Wie lange haben wir noch, bis das Erdreich angreifen wird?“
„Die Spione haben ihre Armee einen strammen Tagesmarsch von hier entdeckt. Also wird es wohl noch einen Tag dauern.“
„Einen Tag. Das ist nicht viel Zeit.“
„Eventuell noch genug. Wir müssen eine Strategie ausarbeiten.“
„Ich habe eine. Mithilfe von ein paar Magiern haben wir einen Zauber entwickelt, der unsere Mauer durchdringbar für uns macht. Wir können herausgehen, aber niemand kommt mehr hinein.“
„Das klingt genial. Hast du diesen Plan schon mit Li besprochen?“
„Nein. Nur mit unseren Generälen. Eigentlich auch nur als Trick, um einen Spion zu entlarven.“
„Beim Entlarven eines Spions direkt eine Strategie ausgearbeitet. Ich bin beeindruckt. Meine Geschwister fürchten, dass du unsere Strategien ausarbeiten wirst und damit alle Reiche überrennst.“
„Warum solle ich das tun? Solange sie uns nicht bedrohen, werden wir sie auch nicht bedrohen. Ich werde sie nicht überrennen.“
„Das glauben sie uns nicht. Kai, ich brauche jetzt eine sehr ehrliche Antwort von dir. Hast du versucht den Lotus wieder zu erwecken?“, fragte er und ich sah ihn verwirrt an.
„Den Schutzgeist oder den Dämonen?“
„Das ist ein und dasselbe. Warum er böse geworden ist, weiß man nicht mehr genau. Aber meine Geschwister behaupten, dass jemand ihn mit Magie versorgt hat. Sie vermuten, dass du es gewesen bist.“
„Ich weiß nicht einmal, wo der Lotus ist. Wie soll ich ihn dann mit Magie versorgen.“
„Wenn überhaupt unbewusst. Aber du weißt von nichts, oder?“
„Nein. Woher sollte ich etwas wissen?“
„Gut. Es war nur eine Frage. Das hat mich beschäftigt. Kevin hat jetzt deinen Stab?“
„Ja. Er benutzt ihn, damit er nicht dieses kleine Spielzeugschwert nehmen muss.“
„Was hast du jetzt für Waffen?“
Ich zeigte ihm meine Fächer.
„Ungewöhnliche Waffen. Hast du sie dir selbst ausgesucht?“
„Nicht direkt. Li hat sie für mich in Auftrag gegeben, nachdem der Schamane mit Mi-Lans Fächer gekämpft hat. Er dachte wohl, dass ich mit ihnen besser zurechtkomme.“
„Kommst du es denn?“
„Ja. Ich habe Li schon besiegt. Also geht es genauso gut, wie mit meinem Stab.“
Der Tiger nickte nur. Ich sah zu Kevin und Li direkt vor ihm stehen. Sie trainieren zusammen, Bewegungen, welche Kevin machen konnte. Li gab sich sehr viel Mühe, Kevin ganz genau zu zeigen, was er zu tun hatte.
„Er wird besser, oder?“, fragte der Tiger und ich nickte.
„Langsam aber sicher, ja. Er ist noch nicht sicher genug, aber er wird besser. Seit er den Stab hat, kann er Li schon gut zurückhalten. Besiegt hat er ihn noch nicht, aber es wird.“
„Möchtest du vielleicht deine Magie trainieren?“
„Ich könnte ein wenig Training im Punkt Verteidigung gebrauchen“, sagte ich und er nickte.
„Dann mach dich bereit“, sagte er und ich hob meine Hände.
Sofort schoss der Tiger einen Strahl nach mir. Ich fing ihn ab und leitete ihn in den Himmel. Der nächste Angriff kam, wurde aber von einem Schutzschild abgeleitet. Ich kannte einige Schutzzauber. Sie zu benutzten war keine große Sache. Aber den richtigen Zauber zur richtigen Zeit, war schwierig. Entweder kamen sie so schnell, oder unberechenbar, dass ich keine Chance hatte sie richtig zu kontern. Aber das brauchte bestimmt Übung und Erfahrung. Aber immerhin konnte der Tiger mich mit keinem Zauber treffen. Mich wurmte es nur, dass ich sie nicht gekontert bekam. Boreos bombardierte mich weiterhin mit Zaubern, die ich blockte oder umlenkte. Es war beinahe wie ein Tanz. Die Arme bewegten sich im Rhythmus einer unhörbaren Melodie. Wunderbar fließende Bewegungen. Einfach nur harmonisch. Würden nicht die Strahlen und Kugeln die ganze Zeit umherfliegen, würde es wirklich wie ein Tanz aussehen. Irgendwann stoppte der Tiger und sah mich an.
„Du kannst blocken und abwehren. Aber warum kommen keine Konter?“, fragte er.
„Weil ich nicht den richtigen Moment dafür finde.“
„Den Moment? Junge, du brauchst keinen Moment. Wenn du den Zauber siehst, kannst du den Konter vorbereiten. Natürlich sind Energiekugeln, auch wenn sie schwach sind, schwer zu kontern, weil sie schnell fliegen und fast nicht sichtbar in ihrer Ausführung sind. Aber jeder Strahl ist langsam und kann gekontert werden, wenn du willst. Versuch es nochmal“, sagte er und senkte seinen Kopf.
Sofort begann eine Windkugel über ihm zu wachsen. Ich stellte mich bereit und wartete, bis er sie warf. Dann kam sie. Mit unheimlich viel Wucht und Schwung. Ich streckte meine Hand aus und fing sie auf. Die Kugel drückte mich, mit aller Gewalt, nach hinten und ließ mich über den Boden rutschen. Doch ich hielt sie fest. Langsam drehte sie sich in meiner Hand und der Druck wurde schwächer. Diesen Moment nutzte ich. Ich warf sie zurück. Der Tiger nickte und fing sie erneut. Dann warf er sie zurück. Das wiederholten wir, bis er sie ablenkte.
„Gut. Und jetzt ein anderer Zauber“, sagte er und ein Windstrahl schoss auf mich zu.
Auch ihn fing ich wieder mit der Hand. Doch er blieb nicht stehen. Er lief über meinen Arm. Langsam leitete ich ihn über die Brust zum anderen Arm und warf ich zurück. So machte man das also. Fangen, kontrollieren, zurücksenden. Eigentlich gar nicht so schwer. Nur dass man den Zauber genau erkennen musste. Fing man den Zauber, war es wichtig sofort seine Frequenz zu erkennen. Jeder Zauber bediente sich einer anderen Frequenz. Fand man sie, konnte man ihm seinen Willen aufzwingen. Aber, ich vermutete, dass es auch Zauber gab, die nicht so einfach zu durchschauen waren. Sie konnten ihre Frequenz bestimmt im Sekunden Takt ändern. Die sollte man dann besser blocken oder umleiten.
„Das war genau das, was ich schon viel früher erwartet habe“, sagte der Tiger und sah mich, ein wenig müde, an.
„Es ist leichter, als man denkt. Aber die Frequenz des Zaubers zu treffen ist schwer.“
„Ja. Es gibt Zauber, die gar nicht zu durchschauen sind. Die Welle der Leere und das Inferno sind solche Zauber. Einmal angewendet kannst du nur hoffen, dass dein Schutzschild hält, sonst hast du verloren. Laufen bringt nichts und verstecken auch nicht.“
„Gut. Wie erkenne ich solche Zauber, bevor ich versuche sie zu blocken?“
„Das ist relativ simpel. Hier gilt die Faustregel, je länger das Aufladen dauert, desto schwerer wird er zu kontern sein. Je kürzer die Ladezeit, desto simpler der Zauber. Klingt logisch, oder?“
„Irgendwie schon. Also lang gehaltene Zauber besser nicht kontern, sondern blocken?“
„Richtig. Solltest du es nicht schaffen, einem Gegner den Zauber abzubrechen, der lange braucht, errichte einen wirklich guten Schutzschild.“
„Das sollte ich hinbekommen“, sagte ich.
Plötzlich hörte ich ein leises Pfeifen. Was war das? Unsicher sah ich mich um. Dann bemerkte ich den großen Schatten unter Li und Kevin. Ich sah auf und einen riesigen Felsbrocken genau auf die zwei zufliegen.
„Achtung!“, schrie ich und stieß sie weg.
Verwirrt rappelten sie sich auf, bevor der Einschlag sie erneut zu Boden warf. Ich sah nach oben und suchte mit Magie die ganze Umgebung nach weiteren Steinen ab. Aber es kamen keine. Ich konnte nicht einmal jemanden wahrnehmen, der ihn geworfen hatte. Sollte es aber Senkum gewesen sein, war er wieder mit der Erde verschmolzen. Benommen lagen Li und Kevin am Boden. Sofort lief ich los und sah nach meinem Freund. Er war unverletzt. Doch der Einschlag hatte ihn umgehauen. Zum Glück nichts, was nicht mit ein wenig Ruhe wieder in Ordnung kommen würde. Li ebenso. Boreos kam zu mir und sah sich den Felsen genauer an.
„Der kann nur vom Erdreich kommen. Niemand sonst würde solch einen Stein geworfen bekommen.“
„Ich vielleicht. Aber darum geht es nicht“, sagte ich und sah mir den Felsen genauer an.
Jemand hatte etwas darauf geschrieben. Ich las es und mir wurde beinahe schwarz vor Augen.
„Wir wissen von eurem Plan. Diese Stadt wird fallen, mit allen die in ihr Wohnen. Wir sind überall und nirgends“, stand dort.
Ich machte den Tiger darauf aufmerksam. Er kam zu mir und las die Inschrift. Sofort kniff er seine Augen zusammen.
„Das hat mein Bruder geschrieben. Ich hoffe, dass er nicht das versuchen wird, was ich denke“, sagte er.
„Was denn?“
„Seine Armee durch den Boden in diese Stadt zu bringen. Damit würde er beinahe sein gesamtes Mana aufbrauchen, aber hätte die Überraschung auf seiner Seite. Wir wissen nicht, wo und wann sie kommen werden.“
Sie machten also wirklich ernst. Das verstand ich nicht. Wagten sie es wirklich, unschuldige Menschen abzuschlachten? In mir brodelte eine unglaubliche Wut. Ich holte aus und schlug gegen den Stein, Sofort zerbrach er in viele kleine Teile.
„Wie können sie es wage, unschuldige Menschen zu bedrohen“, sagte ich und meine Hände begannen blau zu leuchten.
Mein Mana machte sich wieder selbstständig. Oder besser gesagt, mein Körper produzierte gerade so viel, dass ich es nicht mehr zurückhalten konnte. Es kam einfach hervor und musste raus aus meinem Körper. Sonst würde ich explodieren. Meine Augen wurden von blauen Flammen umgeben. Sogar kleine Stellen in meinem Gesicht färbten sich. Vor allem aber die Tigerstreifen fingen alle Feuer. Magisches Feuer, kein richtiges. Es versengte nicht meine Kleidung. Sofort hob mein Körper sich vom Boden ab und ich schwebte höher und höher. So hoch, das ich beinahe die Wolken erreichte. Von hier oben konnte ich die Armee des Erdreiches sehen. Winzige kleine Punkte, am Horizont. Sie hatten mir ein Geschenk gesendet. Zeit es ihnen zurück zu geben. Ich flog auf sie zu. Schnell. Sogar sehr schnell. Ich durchbrach die Schallmauer. Der Knall war laut und mein Körper fühlte sich eigenartig an. Konnte ein Mensch einfach so die Schallgeschwindigkeit überschreiten? Was scherte mich Physik. Ich war ein Schamane. Die einzige Physik, die für mich galt, war die der Magie. Das Lager kam schnell näher und ich steuerte den Boden an. Mein Einschlag hinterließ einen riesigen Krater. Ich verletzte mich dabei nicht. Meine Magie hatte sämtlichen Schaden von mir abgehalten. Viele Menschen wurden durch die Luft geschleudert. Pferde wurden befreit und liefen, erschreckt, davon. Zelte fielen in sich zusammen und Staub wirbelte auf. Das alles war mir in diesem Moment völlig egal. Ich wollte nur eins. Diesen verdammten Schamanen finden und ihm ordentlich in den Hintern treten. Mein Mana war immer noch am Austreten. Ein wenig davon tropfte sogar zu Boden. Dort ätzte es alles weg, was damit in Berührung kam. Mittlerweile hatten sich viele Soldaten um mich herum gesammelt. Unter anderem die Generäle und auch ihr Schamane.
„Sieh einer an. Wenn das nicht der Windschamane Lotus ist“, sagte er und zog seine Schwerter.
„Ich wollte mich nur für euer wunderbares Geschenk bedanken. Den Stein habe ich zerbröselt und jetzt seid ihr an der Reihe“, sagte ich.
Meine Stimme klang erschreckend. Total verzerrt und tief. Als wäre ich nicht ich selbst.
„Wie süß“, sagte Senkum und wollte auf mich zugehen, als ein General ihn aufhielt.
Ich ging davon aus, dass es der Magier war.
„Geht nicht näher an ihn heran. Seht ihr wie viel Mana in seinem Körper produziert wird? Mit einer kleinen Berührung könnte er euch töten“, sagte der Mann und Senkum winkte ab.
„Ich bin der Erdschamane. Mir kann niemand etwas anhaben.“
Er kam auf mich zu. Seine Schwerter kreisten immer wieder.
„Auf ein Rückspiel habe ich lange gewartet, Lotus“, sagte er und blieb stehen.
„Das wird euer letztes Spiel werden“, antwortete ich.
„Wird sich zeigen. Können wir?“
Er ging in Kampfstellung. Was sollte das werden? Wollte er mich amüsieren? Seine Schwerter würden mich nicht erreichen. Sofort hob ich meine Hände und nickte. Er griff an. Seinen Schlag fing ich, mit der bloßen Hand ab. Das Schwert war wie wachs in meinen Fingern. Es schmolz. Erstaunt taumelte er zurück.
„Unmöglich. Dieses Schwert sollte eigentlich nicht zerstörbar sein.“
„Vielleicht nicht durch eure Kraft. Aber mein Mana kann mehr, als eure reine Muskelkraft.“
Da hatte ich wohl einen wunden Punkt getroffen. Er griff erneut an. Also war auch sein anderes Schwert hinüber. Das Metall tropfte zu Boden und hinterließ eine Pfütze.
„Wenn ihr wirklich weitermachen wollt, werde ich euch alle vernichten. Kein Mensch aus dem Windreich wird Schaden nehmen“, sagte ich und von hinten griff mich ein Soldat an.
Der Magier General versuchte ihn noch aufzuhalten, doch es war zu spät. Der Mann überschritt eine unsichtbare Linie und zerfiel sofort zu Staub.
„Sonst noch jemand?“, fragte ich und Jemand wuchs hinter mir aus dem Boden.
Ich konnte ihn genau spüren.
„Wie wäre es mit mir“, sagte die Stimme.
Das war er. Der braune Wolf Sekama. Boreos Bruder. Er stand direkt hinter mich und wollte mich angreifen? Amüsant.
„Dann sei es so“, sagte ich und sprang in die Luft.
Erstaunt schrie der Wolf auf, als er ins Leere schlug. Ich landete genau hinter ihm und griff ihm in den Nacken. Dann hob ich ihn hoch und warf ihn gegen seinen Schamanen. Er winselte vor Schmerz. Es war nicht richtig, aber was sie getan hatten, regte mich einfach auf. Es schafften nicht viele mich wirklich wütend zu machen. Aber sie hatten es geschafft und jetzt mochten die Götter Gnade mit ihnen haben und mich aufhalten.
„Lotus“, rief Boreos und erschien neben mir.
Er war mit dem Wind gereist. Also konnte er das auch.
„Lass dich nicht von deiner Wut kontrollieren“, sagte er.
Ich verstand was er sagte und ich gab ihm auch Recht. Aber meine Kräfte waren einfach so in Wallung, dass sie nicht mehr zu bremsen waren. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich mich nicht bremsen können.
„Bruder“, sagte der Wolf und sah ihn an.
Jetzt erst bemerkte ich, was ich getan hatte. Im Nacken war das Fell von ihm beinahe komplett verbrannt. Jede Stelle, die mit meinem Mana in Berührung gekommen war, war nun völlig kahl.
„Wie konntest du das zulassen. Der Schamane ist völlig außer Kontrolle“, sagte er.
„Richtig, das bin ich und willst du wissen warum? Weil ihr es wagt, unschuldige Menschen anzugreifen. Jeder einzelne im Windreich steht unter meinem Schutz. Droht ihr ihnen, droht ihr mir. Ich kann nicht zulassen, dass ein Mensch durch euch zu Schaden kommt“, sagte ich und er sah mich an.
„Tut mir leid, Bruder. Aber das habt ihr euch selbst zu zuschreiben. Lotus ist eigentlich sehr ruhig. Doch irgendwie habt ihr es geschafft ihn rasend zu machen. In seiner Raserei ist er vielleicht sogar in der Lage euch zu vernichten, komplett.“
„Das würdest du nicht zulassen“, sagte Sekama.
„Zulassen nicht. Aber ob ich ihn aufhalten könnte, ist eine andere Sache. Du hattest schon Recht, Angst vor ihm zu haben. Wenn man ihn zu sehr reizt, kann man ihn nicht mehr bändigen“, sagte Boreos und der Wolf erhob sich.
Sein Schamane ebenfalls.
„Das Erdreich wird nicht verlieren!“, schrie er und lief los.
Wollte er mich seinen Fäusten angreifen? Wie lächerlich. Sein Schlag kam und traf genau meine Wange. Ich bewegte mich nicht. Nicht einmal eine Miene verzog ich. Ich spürte keine Schmerzen mehr. Egal was er tat, er konnte mir nichts anhaben.
„War das alles?“, frage ich und er sah auf seine Hand.
Dann holte er aus und schlug noch einmal an. Diesmal die andere Wange. Auch wieder nichts. Doch ich bewegte immerhin meinen Kopf.
„Ich frage nochmal. War das alles?“
„Unmöglich. Meine Kraft ist nicht zu überbieten.“
„Ihr seid nicht auf meinem Niveau. Wenn ihr weitermachen wollt, dann werdet ihr in euer Verderben rennen.“
„Niemals“, rief Senkum.
„Armer Irrer. Möge Mei-Trian euren Seelen gnädig sein.“
Ich hielt meine Arme vor den Bauch und zog sämtliche Luft zu mir.
„Nein, Lotus. Tu es nicht!“, schrie der Tiger.
Zu spät. Der Zauber nahm seinen Lauf. Ich richtete mich wieder auf und eine Druckwelle ging von mir aus. Nicht die Welle der Leere. Eine einfache Druckwelle. Alle meine Gegner wurden einige Meter davon geschleudert. Wie viele das überlebten, konnte ich nicht sagen. Der Schamane und Sekama auf jeden Fall. Bei den Soldaten war ich mir nicht sicher. Aber eins wusste ich genau. In dieser Verfassung konnten sie nicht mehr kämpfen. Ich sah mich um und meine Arbeit an. Überall lagen Soldaten verstreut. Eigentlich tat es mir leid, dass ich so grausam gewesen war. Doch irgendwie hatten sie es nicht anders verdient. Langsam legte sich meine Wut und das Mana wurde weniger. Es zog sich wieder in meinen Körper zurück.
„Wir müssen hier weg. Sofort“, sagte Boreos und ich nickte.
Im nächsten Moment lösten wir uns auf und erschienen in Wiluchu wieder. Kevin und Li hatten sich gefangen und wurde gerade von zwei Priestern betreut. Als Kevin mich sah schob er die Frau sofort beiseite. Ich ging zu ihm und kniete mich neben ihn.
„Alles in Ordnung?“
„Ja. Der Aufschlag war ganz schön hart.“
„Ich bin nur froh, dass du in Ordnung bist“, sagte ich und er nickte.
Dann fiel er mir um den Hals.
„Danke.“
„Für dich immer.“
Li sah mich an.
„Wo warst du?“, fragte er und ich löste mich von Kevin.
„Beim Erdreich. Ich denke, dass sie so schnell nicht mehr angreifen können“, sagte ich und er legte den Kopf schräg.
„Wieso?“
„Ich habe ihre Armee dezimiert und viele von ihnen dürften Verletzt sein. In ihrer Verfassung einen Krieg zu führen wäre absoluter Selbstmord.“
Li nickte.
„Das sind doch einmal gute Nachrichten. Aber denkt ihr wirklich, dass sie aufgeben werden?“
Boreos schüttelte seinen Kopf.
„Aufgeben nein. Lotus konnte ihre Armee zwar dezimieren und aufhalten. Doch sie werden sich wieder fangen, Verstärkung anfordern und weitermarschieren.“
„Wie viel Zeit habt ihr uns verschafft?“
„Lotus hat uns vielleicht zwei Tage verschafft. Mehr nicht. Mein Bruder muss sich erst einmal seine Wunden lecken. Mana kann ziemlich großen Schaden anrichten, wenn man damit in Berührung kommt.“
„Wie konnte das passieren?“, fragte Li und ich sah ihn an.
„Es scheint so, als würde mein Körper sehr viel Mana produzieren, wenn ich wütend bin. So viel, dass es austritt. Meine Hände sind dann komplett von Mana bedeckt und wenn man damit in Berührung kommt, dann ist man verloren. Der Erdschamane hat beide Schwerter gegen mich verloren. Und der Wolf darf sich darum kümmern, dass sein Fell nachwächst. Die Stellen, welche ich berührt habe, sind jetzt kahl.“
„Verstehe. Also haben wir einen Tag Zeit gewonnen. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, wird sich zeigen.“
„Wir werden sehen. Wenn ihr erlaubt, würde ich gerne ein wenig alleine sein“, sagte ich und ging dann.
Sie sahen mir nach, aber folgten mir nicht. Also respektierten sie meine Entscheidung. Ich ging über das Gelände des Tempels, bis ich vor dem Tor stand. Ich war im Begriff, das erste Mal das Gelände zu verlassen. Alleine durch die Stadt zu ziehen, wäre mal etwas Neues. Die Tore öffneten sich und ich ging weiter. Stille umfing mich. Die Stadt war ruhig. Menschen sah ich keine. Wo auch immer sie waren. Was gerade passiert war, tat mir leid. So die Kontrolle zu verlieren, hatte ich nie gewollt. Aber es war passiert. Woher kam diese Wut? Sie hatten uns bedroht, gut. Aber warum gingen dann bei mir sämtliche logischen Gedanken in den Ruhemodus und schalteten komplett ab? Das konnte doch nicht sein. Früher hatte ich auch nie die Kontrolle verloren. Da wusste ich auch nichts von meiner Magie. Aber mich hatte selten etwas wütend gemacht. Wenn, dann hatte meine Wut schon einige Dinge zerstört damals. Aber niemals Menschen verletzt. Jetzt hatte ich sogar gemordet. Zwar für das Wohl meines Reiches, aber das entschuldigte es nicht. Mord war Mord. Und das würde ich mir nicht verzeihen können. Warum musste es hier eigentlich Krieg geben? Das wolle mir nicht so ganz in den Kopf. Krieg war schlecht. Er brachte nur Tod und Elend. Das Windreich war wunderschön. Aber es hatte einen Nachteil. Jeder wollte es zerstören. Es gab eigentlich keinen Grund dafür. Ich hatte niemanden bedroht und niemanden Angegriffen. Bis jetzt. Das Erdreich hatte meine Wut zu spüren bekommen und hatte einige Soldaten verloren. Ja, ich mochte mächtig sein. Ich konnte meine Kraft nicht abschätzen. Der Tiger vielleicht oder Li, aber ich nicht. Deswegen versuchte ich immer nur einen kleinen Teil davon zu verwenden. Aber vorhin waren mir die Pferde durchgegangen. Nein, das sollte nicht mehr passieren. Ein weiteres Mal würde ich es mir nicht verzeihen. Und wer wusste, was ich beim nächstem Mal anrichtete. Vielleicht würde ich ein ganzes Reich auslöschen. Das durfte nicht passieren, nein. Ich musste diese Wut unter Kontrolle bekommen. Aber wie? Sie kam, ohne Vorwarnung. Genau wie der Stein vorhin. Genau so war meine Wut auch gekommen. Sie wurde angestoßen und schlug irgendwann ein.
„So alleine?“, fragte jemand und ich drehte mich um.
Es war ein Mann, der schwarze Kleidung trug. An vielen Stellen hatte sie Löcher und war schon ziemlich mitgenommen. Seine Haare waren fettig und schwarz. Er führte nichts Gutes im Schilde, so viel konnte ich sagen. In seiner Hand sah ich einen Dolch.
„Ich wollte gerne alleine sein“, sagte ich und er lächelte.
„Das ist gut. Wenn ihr erlaubt, Herr Magier, würde ich gerne euer Gold an mich nehmen.“
„Wollt ihr das?“, fragte ich und drehte mich um.
Der Mann schien mich nicht zu kennen. War das jetzt Pech für ihn, oder für mich? Eins war sicher. Ich trug gar kein Gold bei mir. Also war nicht viel zu holen.
„Das tut mir leid, guter Mann. Aber ich trage kein Gold bei mir“, sagte ich und er lächelte.
„Kein Problem. Eure Kleidung wird mich auch schon glücklich machen.“
„Ich befürchte, dass ich sie euch nicht überlassen kann.“
„Ihr scheint die Situation, in der ihr euch befindet, nicht ganz zu verstehen.“
Weitere Männer traten hinter mich und lachten hämisch.
„Wir haben euch umzingelt. Ihr werdet euer Leben verlieren, wenn ihr nicht tut, was wir sagen.“
Ich sah mich um. Es waren sechs Männer, insgesamt.
„Lasst mich mal sehen, ihr seid sechs und ich bin alleine was soll ich das nur tun?“
„Wie wäre es mit weniger Reden“, sagte der Mann und kam auf mich zu.
Für sie würde ich meine Fächer nicht gebrauchen. Ich schloss meine Augen und sofort wurden aus meinen Händen Pfoten. Also hatte ich auch Krallen.
„Kommt noch einen Schritt näher und ihr werdet es bereuen“, sagte ich und fauchte ihn an.
Sofort blieb er stehen.
„Aber Herr Magier. Wir sind doch nicht gefährlich für sie, wenn sie machen, was wir sagen. Jetzt runter mit der Kleidung“, sagte er und hob seinen Dolch.
Er richtete ihn genau auf mich.
„Es tut mir leid, aber offenbar wisst ihr nicht, mit wem ihr es hier zu tun habt“, sagte ich und schnellte nach vorne.
Meine Krallen fuhren aus und rissen dem Mann seine Hand auf. Sofort musste er den Dolch loslassen. Das wiederholte ich bei den anderen auch. Nachdem sie alle entwaffnet waren, ließ ich meine Hände wiedererscheinen.
„Was seid ihr?“, stieß er hervor und hielt sich seine Wunden.
„Man nennt mich Lotus. Ich bin der Windschamane“, sagte ich und sofort sahen sie mich alle an.
„Der Schamane? Scheiße, wo hast du uns da hineingebracht. Den Schamanen zu überfallen war die beschissenste Idee, die du je hattest“, sagte ein Mann.
„Halts Maul. Wer ahnt den, dass der Schamane hier lang kommt. Er geht normal nie ohne Begleitung irgendwo hin.“
„Stimmt. Aber ich brauchte Zeit für mich. Es tut mir leid, dass ich euch verletzt habe. Aber ihr habt mich dazu gezwungen.“
Langsam ging ich zu ihrem Anführer und nahm seine Hand. Vorsichtig ließ ich meine Magie arbeiten. Die Wunde heilte. Das Wiederholte ich bei den anderen auch. Als ihre Wunden behandelt waren, sah ich sie an. Jetzt wollten sie mich nicht mehr ausrauben.
„Es tut uns leid, dass wir euch belästigt haben, Schamane“, sagte der Anführer und sie verneigten sich alle.
„Es ist nicht schlimm. Das nächste Mal wisst ihr ja, wer ich bin. Das passiert euch nicht noch einmal, oder?“
„Bestimmt nicht“, sagte er und sie rannten davon.
Ich war wieder alleine. Also ging ich weiter durch die Stadt. Es war immer noch Still. Meine Gedanken waren noch bei der Aktion mit dem Erdreich. Es durfte nicht mehr passieren. Mittlerweile war ich auf der Mauer angekommen. Ich sah auf das Land hinaus. Niemand war zu sehen. Nur Bäume, Steine und ein See. Alles war so friedlich. Niemand aus diesem Reich wollte den Krieg. Nicht einmal Li. Obwohl. Bei ihm war ich mir nicht sicher. Vielleicht wollte er es so. Aber mir gegenüber hatte er das nie erwähnt.
„Du hast Recht, Lotus. Deine Wut muss unter Kontrolle gehalten werden“, sagte Jemand und ich sah mich um.
„Wer ist da?“, fragte ich und augenblicklich wurde alles weiß.
„Erinnerst du dich nicht? Ich bin Issyl.“
„Schon wieder du?“, fragte ich und der Junge erschien vor mir.
„Was hast du erwartet? Mi-Lans Bitte war eindeutig darauf bezogen, dass ich dir helfen, wo ich nur kann. Jetzt brauchst du wieder Hilfe und hier bin ich also.“
„Wie willst du mir diesmal helfen? Noch einen Dämon erschaffen?“, fragte ich und er begann zu lachen.
„Es war unglücklich, aber zu erwarten. Der Schamane hat versucht sich gegen diesen Vorgang zu wehren. Seine Wut hat die Dämonen angelockt und er nahm viele in sich auf, um stärker zu werden. Für ihn war es nur unglücklich, dass du die Verbindung gelöst hast, zwischen euch beiden. Dadurch hat er beinahe seine gesamte Magie verloren.“
„Immerhin etwas. So konnte ich ihn gut vernichten.“
„Du hast ihn nur abgelenkt. Dein Freund hat ihn getötet. Aber das wäre jetzt kleinkariert. Viel wichtiger ist, dass deine Wut unter Kontrolle gehalten werden muss. So viel Mana habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Selbst Shian His Wut hat niemals diese Menge an Mana erzeugt. Schon ziemlich unheimlich. Der Wolf hat einen heftigen Treffer einstecken müssen. Ich weiß, dass du das nicht wolltest und es dir leidtut. Doch zurückhalten konntest du dich auch nicht. Wie schade eigentlich. Dem Anschein nach hättest du noch viel mehr Schaden anrichten können. Wäre der Tiger nicht gekommen, wäre das Erdreich Geschichte gewesen. Die Seelen hätte ich gerne gesehen. Aber genug davon. Wie kannst du deine Wut kontrollieren. Die Antwort ist. Gar nicht.“
Super. Gar nicht war genau was ich hören wollte. Ich dachte eigentlich, dass der Gott mir helfen wollte.
„Ich dachte du wolltest mir helfen.“
„Tue ich auch. Aber bei deiner Wut kann dir keiner helfen, außer dir selbst. Vielleicht habe ich eine Idee, damit du nicht mehr so schnell wütend wirst.“
„Und wie?“
„Lass nicht immer alles an dich heran. Sei wie eine Mülleimer“, sagte er.
„Ich soll alles schlucken und stinken?“
Der Gott musste lachen.
„Dem ersten Teil stimme ich zu. Der zweite, naja, den kannst du halten wie du willst. Mach den Deckel auf, schluck die Sachen und dann wirf es weg. Es wird immer Sachen geben, die dich verärgern. Doch deine Wut versetzt Berge. Lass es gar nicht erst dazu kommen.“
„Denkst du, dass ich das schaffe?“
„Nein. Aber ich muss dir helfen. Und das habe ich hiermit getan. Leb wohl, Schamane“, sagte er und ich fand mich auf der Mauer wieder.
Unsicher sah ich mich um. Wie lange war ich weg? Hatte sich etwas verändert? Nein, alles war noch beim alten. Gut so. Langsam ging ich weiter. Dabei sah ich immer wieder auf das Land hinaus. Die Bilder, von meiner Grausamkeit schoben sich immer wieder vor meine Augen. Zwar versuchte ich sie immer wieder zu verdrängen, schaffte es aber einfach nicht. Wieder und wieder war ich gezwungen mit anzusehen, wie ich den Wolf packte und quälte. Oder wie ich den Soldaten einfach umgebracht hatte. Tränen stiegen mir in die Augen. Das war nicht Recht gewesen. Nichts von dem, was ich getan hatte war Recht gewesen. Eigentlich stand ich schon kurz davor, mich dem Erdreich zu stellen und meine Strafe zu empfangen. Das wäre die einzige Möglichkeit, wie ich diese Bilder loswerden würde. Aber die Lösung war es auch nicht. Sie hätten vermutlich das gleiche mit meinen Soldaten und mit mir getan, wenn ich nicht die Kontrolle verloren hätte. Doch egal was ich versuchte, nichts konnte mir die Schuldgefühle nehmen.
„Sieh an, ein Schamane, der Reue zeigt“, sagte Mi-Lan und erschien neben mir.
„Es fühlt sich einfach nicht richtig an, das ist alles“, sagte ich und blieb stehen.
Unsicher sah ich auf das Land hinaus.
„Was denkst du gerade?“
„Weißt du das nicht?“
„Jetzt gerade im Moment nicht.“
„Ich denke daran, wie schön dieses Land ist. Seine Bäume, seine Seen und sogar der Wind. Alles fühlt sich einfach so rein an. Wie kann jemand nur diese Idylle zerstören wollen? Das ergibt doch keinen Sinn.“
„Machst du dir wirklich darüber Gedanken?“
„Genauso wie du dir darüber Gedanken machst, ob du wegen deiner Mutter wütend sein sollst oder nicht“, sagte ich und sie lächelte.
„Da hast du Recht.“
„Ist es so schwer für dich zu akzeptieren, dass deine Mutter euch nicht großziehen wollte?“
„In gewisser Weise schon. Du kannst dir sicher denken, wie sich das anfühlt, oder?“
„Nein, kann ich nicht. Wie auch? Ich kenne meine Eltern gar nicht. Deswegen kann ich dir dabei nicht weiterhelfen.“
„Du kennst deine Eltern gar nicht?“
„Meine leiblichen Eltern nicht.“
„Eigenartig. Aber zurück zum Thema. Du zeigst reue. Es fühlt sich nicht richtig an, dein Land zu verteidigen?“
„Das Land zu verteidigen schon. Aber nicht so grausam Menschen zu töten, oder generell Menschen zu töten. Das ist nicht Recht. Wer gibt mir das Rech, über das Leben anderer zu entscheiden?“
„Macht dir das wirklich Sorgen? In dieser Welt gehört das Töten zum Alltag. Es sollte nicht selbstverständlich für dich werden. Aber eine gewisse Gewohnheit darf sich schon einstellen.“
„Aber niemand hat das Recht darüber zu entscheiden, wer Leben darf und wer nicht.“
„Wir Götter haben das Recht. Jeden Tag, an dem ein Mensch stirbt, war das vorgesehen. Wir achten darauf, dass niemand stirbt, der nicht an der Reihe ist. Bei dir ist es noch nicht soweit. Genauso wenig wie bei Senkum oder Schattenschneider. Ihr habt noch ein langes Leben vor euch.“
„War es vorbestimmt, dass der Soldat gestorbene ist?“
„Würdest du dich besser fühlen, wenn ich es dir sage?“
„Kommt auf die Antwort an.“
„Nein, es war nicht vorgesehen. Genauso wie es nicht vorgesehen war, dass du die Kontrolle verlierst. Wäre das nicht passiert, wäre der Mann nicht gestorben. Aber letztlich war es seine eigene Schuld. Er hätte dich nicht angreifen müssen.“
„Aber“, begann ich doch sie unterbrach mich.
„Nichts aber. Es ist passiert und daran kann niemand etwas ändern. Lass es hinter dir und konzentrier dich auf die Dinge, die wirklich wichtig sind. So wie die Verteidigung der Stadt. Ein paar Schilde würden euch nicht schaden. Sie könnten verhindern, dass Schamanen eindringen oder euch Steine auf den Kopf fallen. Darüber solltest du mal nachdenken und nicht darüber, was du in deiner Wut getan hast.“
Damit löste sie sich wieder auf. Ich wusste, dass sie Recht hatte. Aber akzeptieren konnte ich es einfach nicht. Ein Menschenleben zu nehmen war mir nicht gestattet. Aber jetzt war es geschehen und ja, niemand konnte es rückgängig machen. Vielleicht Issyl, wenn er nicht Tod wäre. Aber Schutzschilde konnten uns vielleicht wirklich helfen. Dann wäre das auch nicht geschehen. Ich sah mich um. Einen Schutzschild. Das würde vielleicht nicht einfach, aber hilfreich. Einen kleinen Schild, für mich konnte ich ja schnell aufbauen. Aber für eine ganze Stadt? Das würde viel Zeit brauchen. Oder? War eine Stadt anders, als ein Mensch? Eigentlich nicht.
„Prataga diruma Sataruma“, sagte ich und sofort begann eine lila Blase sich um die Stadt zu legen.
„Prataga varos Eridurug oroma talestopes.“
Der Schild hatte sich mittlerweile um die gesamte Stadt gelegt. Als er komplett war, verschwand die Blase und es sah aus, als wäre nichts gewesen. Hoffentlich erfüllt er seinen Zweck. Aber eigentlich sollte er das. Zum Glück hatte die magische Sprache keine Grammatik. Man konnte die Worte aneinander würfeln. Wie man wollte. Das Sprachmuster der göttlichen Sprache war sehr eigenwillig. Woher kannte ich eigentlich all dies Worte? Unter diesem Gesichtspunkt war es eigentlich ein Wunder, dass ich nicht nur sinnloses Zeug plapperte. Zufrieden sah ich mich um. Der Schild lag um die Stadt und würde hoffentlich einem Angriff standhalten. Magie anzuwenden erfüllte mich irgendwie mit einem Gefühl von Perfektion. In diesen paar Sekunden fühlte ich mich einfach perfekt. Keine Wut, kein Schmerz einfach nur gnadenlose Perfektion. Vielleicht war auch einfach meine Magie der Schlüssel zu meiner Wutbewältigung. Aber das konnte eigentlich nicht gehen. Wurde ich wütend, übernahm die Magie die Kontrolle und tat, was sie für richtig hielt. Alles vernichten, was sich ihr entgegenstellte. Es würde einen Weg geben. Aber fürs erste hielt ich mich an Mi-Lans Rat. Ich schob all meine Sorgen beiseite, die meine Wut betrafen. Darüber konnte ich mir erneut den Kopf zerbrechen, wenn es so weit war. Schweigend passierte ich einige Soldaten, die sich vor mir verneigten. Als ich die Mauer verließ und den Boden berührte, spürte ich ein eigenartiges Gefühl. Sofort kniete ich mich hin und legte meine Hand auf den Boden. Jemand zog sämtliche Magie zu sich. Aber wer? Und warum? Mit dieser Menge an Magie hätte nicht einmal ich etwas anfangen können. Plötzlich gab es ein Erdbeben und die gesamte Magie floss zurück. Mich, warf es von den Füßen und einige Steine lösten sich aus der Mauer. Sie schlugen neben mir ein und hinterließen kleine Krater. Einige Soldaten kamen auf mich zu.
„Seid ihr verletzt, Schamane?“, fragte jemand und half mir beim Aufstehen.
„Alles gut, mir fehlt nichts. Was war das?“
Meine Frage brachte mir nicht mehr als Kopfschütteln und Schulterzucken ein.
„Wir konnten nichts sehen. Es kam aus heiterem Himmel“, sagte der Soldat.
„Hmm gut. Tretet zurück. Ich werde die Mauer reparieren“, sagte ich und sie traten zurück.
Langsam legte ich meine Finger auf die Mauer. Sofort ging mein Geist in sie über. Jetzt war ich die Mauer. Mit einem Ruck, zog ich die Steine zurück und setzte sie an die Stellen, wo sie herausgefallen waren. Dann kehrte ich in meinen Körper zurück.
„Erhöht die Wachen. Ich fürchte das Erdreich wird uns bald angreifen“, sagte ich und sie nickte.
Sie gingen auf die Mauer und einer von ihnen rannte davon. Vermutlich zu Schera, um zu berichten. Ich ging wieder in Richtung Tempel, als mir auffiel das auch viele Häuser beschädigt waren. Das konnte nicht so bleiben.
„Kehrara zuruckam Setkasa“, sagte ich und ließ meine Magie die Arbeit machen.
Sofort setzten sich alle Steine wieder an die Stellen, an die sie gehörten. Zufrieden sah ich mich um und alle Steine wieder an der richtigen Stelle. Ich nickte und ging weiter. Als ich den Marktplatz erreichte fand ich ihn immer noch komplett leer vor. In seiner Mitte hatte man begonnen etwas zu bauen. Vermutlich mein Denkmal. Ich ging darauf zu und sah mir die Baustelle an. Das Fundament war schon ausgehoben. Mehrere Schaufeln und Hacken lagen darin. Die Bauarbeiten hatten gerade erst begonnen. Auf das Endergebnis war ich sehr gespannt. Ich drehte mich um und wollte gehen, als ein erneutes Erdbeben durch den Boden ging. Diesmal nicht so stark, wie das erste. Keine Gebäude wurden beschädigt. Eigenartig. Woher kamen diese Erdbeben? Ich sah mich um, konnte aber nichts Ungewöhnliches sehen. Ich machte gerade einen weiteren Schritt, als die Steine zu wackeln begannen. Lehmsoldaten erhoben sich und begannen den Marktplatz zu umstellen. Also war das Erdreich hier. Mit keinen richtigen Soldaten, sondern mit Lehm. Sollte mir auch recht sein, dann brauchte ich mich nicht zurück zu halten. Die Soldaten hatten mittlerweile den Marktplatz komplett zu umstellen.
„Überrascht mich zu sehen?“, fragte Senkum und wuchs vor mir aus der Erde.
„Eigentlich nicht wirklich. Nur eine Armee aus Lehm hätte ich nicht erwartet“, sagte ich und zog meine Fächer.
Er schüttelte sofort seinen Kopf.
„Steck die Waffen weg. Gegen meine Soldaten kannst du sie nicht gebrauchen.“
„Lehm kann zerbrechen. Es mag vielleicht nicht einfach sein, aber es geht.“
„Richtig. Aber da eigentlich ich dein Gegner bin und sie nur dafür da sind, deine Soldaten von uns fern zu halten, brauchst du deine Waffen nicht.“
„Willst du einen Faustkampf?“
„Anfangs ja. Aber ich gebe mich mit einem Waffenfreien Zweikampf zufrieden.“
„Das meinst du nicht ernst, oder? Mir würden gerade vierunddreißig Wege einfallen dich ohne Waffe zu töten. Willst du wirklich so gegen mich kämpfen?“
Er schnaubte verächtlich.
„Nur, weil du mich einmal geschlagen hast, heißt das nicht, dass du es wieder schaffst.“
„Du hast Recht. Ich werde es, so, nicht erneut schaffen“, sagte ich und ein triumphierender Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.
„Ich werde keine zwei Minuten brauchen. Du hast gesehen zu was ich fähig sein kann. Gib auf und fliehe, oder falle meiner Wut zum Opfer.“
„Deine Überheblichkeit wird dein Untergang sein.“
„Genauso wie die Rache der deine.“
„Ich denke damit ist alles gesagt, bist du bereit?“, fragte er und ging in Kampfstellung.
Meine Hände begannen zu leuchten, genau wie meine Augen. Sogar meine Tigerstreifen leuchteten blau.
„Zeig mir was du kannst.“
Sofort schnellte er nach vorne. Seine Faust kam auf mein Gesicht zu. Doch ich fing sie einfach mit meiner Hand ab und schlug ihn zurück. Erstaunt rutschte er nach hinten und stieß gegen eine seiner Soldaten. Dieser zerfiel sofort.
„Gut, dann wollen wir mal mit unseren Elementen angreifen“, sagte er und stieß seine Fäuste in den Boden hinein.
Als er sie zurückzog, blieb die Erde daran hängen und bildete eine Art Schild. Gut, das konnte ich auch. Ich hob meine Hand und sofort war mein ganzer Körper von Wind umgeben. Erneut griff er an. Diesmal traf er mich sogar. Ich rutschte nach hinten und hielt mir die Schulter. Es fühlte sich beinahe so an, als wäre sie gebrochen, obwohl er mich nur ein einziges Mal getroffen hatte. Die Soldaten hinter mir zerfielen, als ich mich, mithilfe des Windes, abstützte. Sofort stand Senkum wider vor mir und griff mich erneut an. Nicht noch einmal. Eine Windböe warf ihn nach hinten. Ich nutzte die Zeit und heilte meine Schulter. Die Knochen waren wirklich gebrochen. Unglaublich wie stark dieser Schamane war. Vielleicht war seine Magie nicht wirklich vorhanden, aber seine Muskeln waren unglaublich. Doch letztlich würde die wahre Kraft im Verstand liegen. Gegen meine Magie würde er nicht ankommen.
„Feigling“, rief er und rannte erneut los.
Ich schüttelte nur meinen Kopf und hob meine Hand. Sofort war er von einer Windkugel gefangen und wurde vom Boden gehoben. Fluchend schlug er um sich und versuchte sich zu befreien.
„Das wird nichts bringen. Ich habe dich von deinem Element getrennt. Weißt du, ich habe seit langer Zeit versucht keinen von euch zu töten. Doch ich habe es Schattenschneider bereits gesagt. Der nächste Angriff wird Tote geben. Schade, dass es für dich hier enden muss“, sagte ich und er sah mich an.
Plötzlich spürte ich, wie seine Soldaten auf mich zukamen. Das hatte ich mir gedacht.
„Dachtest du, ich wäre so einfach zu schlagen?“
„Ja. Deine Lehmklumpen sind keine Gegner für mich.“
Sofort ließ ich meine Hand sinken und kniete mich zu Boden.
„Irama Naru Kariana, belforante Irelate eruhukama zurukamare traste. Inferamento dehasta Wiluchu“, sagte ich und mein Zauber nahm seinen Lauf.
Ein grüner Stern erschien auf dem Boden. Als die ersten Lehmsoldaten mich erreichten, schoss eine grüne Säule in den Himmel. Ihr Hauptbestandteil war Magie, umgeben von Wind. Jeder Soldat, der damit in Berührung kam, zerfiel sofort wieder zu Staub. Als die Säule dann den Himmel erreichte, teilte sie sich und mehrere Windbälle flogen Richtung Erde. Senkum sah auf und schrie seinen Soldaten etwas zu. Doch es war zu spät. Die Windbälle trafen die Erde und ließen alle Soldaten zerspringen. Sogar der Schamane wurde getroffen. Als der Zauber seinen Dienst erfüllt hatte, erhob ich mich wieder und sah ihn an. Mein Gefängnis für ihn war gefallen, aber dafür hatte er Schaden genommen und seine Soldaten waren besiegt. Keuchend erhob Senkum sich. Die Erde, um seine Hände, war abgefallen und lag jetzt auf dem Boden.
„Du hast eine erneute Niederlage gegen mich einstecken müssen. Geh, bevor ich meine Geduld verliere“, sagte ich und drehte mich um.
Noch in dem Moment, wo ich es tat, dachte ich, dass es ein Fehler sei. Und leider war es auch wirklich so. Ein kleiner Pfeil traf meinen Hals. Sofort zog ich ihn heraus und sah ihn an. Ein Betäubungsmittel. Oh nein. Erschreckt riss ich meine Augen auf.
„Es war nicht meine Absicht dich zu schlagen. Tut mir leid, aber du musst aus dem Verkehr gezogen werden“, sagte er und alles wurde schwarz vor meinen Augen.
Endlich lag der Schamane vor mir. Vielleicht war es nicht die ehrenvollste Art gewesen, ihn zu bekämpfen. Doch es war eindeutig die Wirkungsvollste. Schnell lief ich zu ihm. Ich legte meine Hand auf seinen Kopf und wir verschwanden in der Erde. Diese Art zu reisen war eindeutig schneller als zu Fuß. Meine Soldaten hatte ich, zusammen mit Sekama, in mein Reich geschickt und damit zugestimmt mich Lotus alleine zu stellen. Seine Magie war einfach zu gefährlich. Deswegen konnte ich ihn nicht so rumlaufen lassen. Er musste eingesperrt werden. Nur wenn ich ihn unter Kontrolle bekam, dann hatte mein Reich eine Chance auf Frieden. In meinem Tempel tauchten wir wieder auf. Die Halle war riesig. Eigentlich viel zu groß, meiner Meinung nach.
„Das war unverantwortlich von dir“, sagte Sekama, als er mich erblickte.
Er saß auf meinem Thron und beriet sich offenbar mit meinen Generälen. Alle sahen mich an.
„Warum? Es hat doch alles geklappt.“
„Lotus hätte dich töten können, ohne Probleme.“
„Dessen war ich mir durchaus bewusst. Aber das hat er nicht. Er musste ausgeschaltet werden. Nur so haben wir immerhin eine Chance auf Frieden.“
„Ja, er musste ausgeschaltet werden. Aber nicht für dein Leben. Würdest du jetzt nicht mehr sein, dann wären wir verloren“, sagte Sekama und kam zu mir.
Seine wölfischen Züge waren immer Geheimnisvoll.
„Aber alles in allem, war das gute Arbeit, Senkum“, sagte er und ich nickte.
„Wir müssen ihn sofort einsperren. Ich weiß nicht, wie lange die Betäubung noch hält“, sagte ich und meine Generäle nickten.
„Im Kerker haben wir eine magische Zelle eingerichtet. Aber ob sie seiner Magie standhalten kann, wissen wir nicht. Es ist eigentlich ein zu großes Risiko ihn hier zu haben“, sagte mein Magier General.
Ich sah ihn an und erhob mich. Langsam ging ich auf ihn zu.
„Denkt ihr, ich habe das zum Spaß gemacht? Mich beinahe töten lassen, nur damit ich mir jetzt anhören darf, dass wir ihn vielleicht nicht halten können?“
„Aber mein Schamane“, begann er doch ich unterbrach ihn.
„Ich will nichts mehr hören! Ich brauche drei Magier, die seine Zelle bewachen. Den Rest überlasst ihr mir. Sollte er wirklich ausbrechen, können wir immerhin sagen, dass wir versucht haben ihn zu bändigen. Also los“, sagte ich und nahm den Schamanen hoch.
Die Generäle folgten mir, in die Kerker. Dort war die Zelle. Magisch verstärkt. Wie stark die Zauber genau waren, würden wir sehen, wenn der Schamane aufwachte. Hoffentlich hielten sie ihm stand. Sonst hatte ich das Monster genau in meine Stadt gebracht und sie damit dem Untergang preisgegeben. Ich betrat die Zelle, legte den Schamanen zu Boden und ging dann wieder nach draußen. Hinter mir schloss ich die Türe. Als hätte er es gespürt, begann er sich zu bewegen. Seine Tigerohren zuckten unruhig. Plötzlich begann er zu husten und richtete sich auf. Die Augen sahen zornig aus. Ihre goldene Farbe leuchtete wirklich extrem im Dunkeln.
„Du hast einen schweren Fehler begangen, mich hier her zu bringen“, sagte er und sah mich an.
„Mir tuen meine Methoden leid, aber das ist der einzige Weg, wie mein Reich Frieden finden kann. Verzeih mir.“
Erstaunt sah er mich an.
„Warum Frieden? Ihr habt uns doch den Krieg erklärt“, sagte er und holte einen Brief aus seiner Rüstung hervor.
Er ging auf die Gitter zu und reichte ihn mir. Zögernd nahm ich ihn und sah ihn mir an. Da stand wirklich, was er gesagt hatte. Es war zwar meine Unterschrift darunter, doch ich sah den Brief zum ersten Mal.
„Hey“, rief ich meinen Generälen zu.
„Kennt einer von euch diesen Brief?“, fragte ich und sie kamen zu mir.
Nacheinander sahen sie ihn sich an.
„Nein. Den habe ich noch nie gesehen.“
Diese Antwort kam von allen dreien und tat das, was mir am Liebsten war. Mich keinen Schritt weiterbringen.
„Vielleicht kann ich da aber helfen“, sagte Lotus und öffnete die Türe zu seiner Zelle.
Erstaunt sahen wir ihn alle an.
„Aber, die Türe war doch verschlossen“, sagte ich und er nickte.
„Ganze zwei Sekunden. Der Schutz, den ihr eingebaut habt, war keine Hürde für mich. Erlaubt ihr? Ich möchte euch nicht schaden. Das wollte ich eigentlich nie“, sagte er und kam auf uns zu.
Aber er hatte doch, ah, gut. Ich begann zu verstehen. Den Brief, welchen ich erhalten hatte, war dann demnach auch nicht echt. Aber wer würde auf die Idee kommen, Briefe zu fälschen, damit wir in Krieg geraten? Davon hatte niemand einen Vorteil. Weder Wasser- noch Feuerreich.
„Wenn ihr erlaubt, würde ich den Brief gerne untersuchen und kann vielleicht herausfinden, wer ihn geschrieben hat.“
Ich nickte und gab ihm zu verstehen ihm mir zu folgen. Zusammen gingen wir in den Thronsaal zurück.
Senkum war doch kein so übler Kerl. Aber, dass er nichts von dem Brief wusste, wunderte mich. Wer sollte so etwas fälschen? Das machte keinen Sinn. Es sei denn jemand hatte etwas davon, dass mein Reich größer werden würde oder die Schamanen starben. Weder Li noch sonst irgendwer. Vielleicht einer der anderen Schamanen? Eigentlich auch unsinnig. Das Erdreich war mit dem Wasserreich verbündet. Und das Feuerreich bekam keinen Vorteil dadurch, dass mein Reich ihnen näherkam. Auf dem Weg nach oben erzählte mir Senkum darüber, wie er hierhergekommen war. Seine Geschichte war ähnlich zu meiner. Nur das er nicht ermordet worden war. Im Thronsaal angekommen stand dort ein Tisch. Senkum ging darauf zu. Seine Generäle folgten ihm und ich ebenfalls. Dort angekommen, legte er die Kriegserklärung auf den Tisch. Auch eine, die in meinem Namen geschrieben wurde.
„Also, mach was du denkst“, sagte er und sah mich an.
Ich nickte und ging zu den Papieren. Sie erhoben sich vom Tisch und schwebten vor uns. Langsam führte ich meine Finger über die Buchstaben und ließ meine Magie mir zeigen, was geschehen war. Ich sah einen Mann, der in einer Kammer saß. Er schrieb diese Briefe. Irgendwie kam er mir bekannt vor. Hatte ich ihn schon mal gesehen? Natürlich. Das war der oberste Priester, in den tiefen meines Tempels. Er hatte diese Briefe geschrieben? Warum? Was brachte es ihm, oh, natürlich. Wenn wir das Erdreich erobert hätte, könnte er endlich aus dem Tempel herauskommen und vielleicht wieder unter Menschen leben. Zumindest war es die einzige Erklärung die ich hatte.
„Ich denke, da habe ich was gefunden. Es war der oberste Priester, aus meinem Tempel.“
Senkum sah mich an.
„Was bringt ihm dieser Krieg?“
„Meine Vermutung ist, dass er aus dem Keller des Tempels herauswill. Li hält ihn im Keller gefangen, da er senil ist. Nicht auszudenken, was passiert, wenn er dort herauskommt.“
Senkum schüttelte seinen Kopf.
„Dafür beginnt man keinen Krieg. Oder vielleicht doch?“
„Ich kann nicht sagen, was er sich davon erhofft.“
„Wenigstens konnte geklärt werden, dass ihr uns nicht den Krieg erklärt habt. Das ist schon mal sehr positiv. Ich hatte schon befürchtet, dass ihr auch denkt, ihr seid besser als alle anderen.“
Verlegen sah ich zu Boden. Er musste nicht wissen, dass ich das wirklich dachte.
„Dennoch bleibt er unser Feind“, sagte Sekama und knurrte mich an.
„Und mit welcher Begründung? Weil ich Macht habe? Oder weil ich Teil des Windreiches bin?“, fragte ich und er sah mich an.
„Wegen beidem.“
„Meine Macht braucht ihr nicht zu fürchten, solange ihr mich in Frieden lasst. Ich lasse euch in Ruhe, wenn ihr mich in Ruhe lasst.“
„Denkst du wirklich, dass es so einfach ist?“
„Für euch vielleicht nicht. Mir allerdings ist es so am liebsten. Kein Krieg sollte unsere Reiche zerfallen lassen. Letztlich bin ich ein Schamane und meine Aufgabe ist es, die Menschen in Trimalia zu beschützen“, sagte ich und er sah mich erstaunt an.
„Kannst du das wiederholen?“
„Glaubt ihr mir nicht?“
„Es ist das erste Mal, dass ich vom Windschamanen solche Worte höre. Es erstaunt mich einfach“, sagte Sekama und ich zuckte die Schultern.
„Das ist meine Meinung. Wenn es für euch nicht zu akzeptieren ist, dann tut es mir leid.“
„Keines Falls. Es ist gut zu wissen, dass ich nicht alleine so denke“, sagte Senkum und lachte.
Ich wollte antworten, als eine Erschütterung durch den Tempel ging.
„Was war das?“, fragte ich und sah mich um.
„Fühlte sich an wie eine Explosion“, sagte Sekama und Senkum nickte.
„Wir sollten nachsehen gehen.“
Sofort verschwanden die beiden im Boden. Ich löste mich in Luft auf und erschien auf der Mauer wieder, neben ihnen.
„Gebt uns unseren Schamanen zurück“, rief Li.
Er stand vor der Stadt mit einer großen Armee. Es wunderte mich überhaupt, dass er so schnell hier hatte sein können.
„Wir halten euren Schamanen hier nicht fest. Er ist unversehrt. Überzeugt euch selbst“, sagte der Schamane und ich trat an den Rand der Mauer.
„Ja, Li. Es geht mir gut. Sie hätten mich eh nicht lange halten können. Lasst die Waffen sinken. Sie sind nicht unsere Feinde“, sagte ich und unverständliche Blicke kamen mir entgegen.
„Aber sie haben uns doch den Krieg erklärt“, sagte Li.
„Uns wurde der Krieg erklärt. Aber nicht von ihnen. Der oberste Priester hat diese Briefe geschrieben. Hier ist auch ein Brief, in meinem Namen angekommen, der den Krieg ausrufen sollte. Aber wir haben es geklärt und wollen beide nicht kämpfen“, sagte ich und Li nickte.
„Immerhin ist es gut zu sehen, dass er dir gut geht, Lotus. Wir haben uns Sorgen gemacht.“
Ich sah Senkum an und sprang dann von der Mauer. Vor Li kam ich auf.
„Ich wollte euch keine Sorgen bereiten. Man hat mich gut behandelt. Lasst bitte die Waffen ruhen. Wir haben nicht die Absicht, einen Krieg zu beginnen, den wir gerade abgewendet haben.“
Li nickte und sofort ließen die Krieger ihre Waffen sinken.
„Kehrt ihr sofort mit uns zurück nach Wiluchu oder wollt ihr noch bleiben?“
„Ich bleibe und werde mit Senkum noch verhandeln“, sagte ich und Li sah seine Soldaten an.
„Zurück, nach Hause mit euch. Der Schamane und ich werden bleiben“, sagte er und meine Magier nickten.
Sofort lösten sich alle auf und wir waren alleine. Verwirrt sah ich Li an.
„Ich lass dich nicht alleine. Kevin und ich waren krank vor Sorge.“
„Es tut mir leid. Aber misch dich bitte nicht zu stark in die Verhandlungen ein. Das ist eine Sache zwischen uns Schamanen.“
„Für mehr als deinen Schutz bleibe ich nicht hier“, sagte er und ich reichte ihm meine Hand.
Zusammen erschienen wir wieder auf der Mauer. Sekama und sein Schamane erwarteten uns bereits. Doch als er Li sah begann er zu knurren.
„Du bist hier willkommen, Schamane. Aber Li muss gehen. Ihm traue ich nicht“, sagte er und ich sah ihn an.
„Li bleibt hier und beschützt mich. Für mehr ist er nicht hier.“
„Er ist ein Kriegsherr. Durch ihn haben wir schon viele Soldaten verloren.“
„Ihr braucht mich nicht zu fürchten, Erdgeist. Ich bin nur für Lotus Sicherheit hier, für mehr nicht“, sagte Li und verneigte sich.
„Na meinetwegen. Dieses eine Mal“, sagte er.
„Kommt mit in den Tempel, dort können wir ungestört reden“, sagte Senkum und wir gingen.
Im Thronsaal nahm er auf dem Thron Platz und sah uns an.
„Nun denn. Wir haben ja gesehen, dass diese Kriegserklärungen gefälscht waren. So etwas sollte nicht noch einmal vorkommen. Wer weiß, was das nächste Mal passiert. Auf einen Krieg, habe ich eigentlich keine Lust“, sagte der Schamane und wir nickten alle.
„Krieg ist nie die Lösung. In Zukunft sollten wir erst Rücksprache halten, bevor wir Entscheidungen treffen, zumindest, was den Krieg angeht.“
Meine Aussage wurde von Sekama begrüßt.
„Es liegt uns fern, euch zu schaden, Schamane. Jetzt, da ich euch kenne, habe ich festgestellt, dass ihr kein so schlechter Mensch seid, wie ich anfangs erwartet hatte.“
„Das gleiche könnte ich zu euch ebenfalls sagen, Senkum.“
„Ist nur mein Spitzname“, sagte er.
„Dachte ich mir. Wer heißt schon Erde?“
„Genauso wenig, wie jemand Lotus heißt. Mein richtiger Name lautet Christian. Du darfst mich aber auch gerne Chris nennen“, sagte er und ich lächelte.
„Kai. Eine Abkürzung gibt es nicht, wird aber auch nicht nötig sein.“
„Euer Humor ist sehr eigenwillig. Aber gefällt mir. Als dann. Es soll keinen Krieg zwischen Wind und Erde geben, sofern nicht einer den ersten Stein wirft.“
„Dem stimme ich zu. Obwohl ihr diesen Stein ja schon geworfen habt.“
„Mit Verlaub, habt ihr mir gezeigt, was ihr davon haltet. Ich denke, das können wir somit begraben.“
Was für einen Blödsinn wir hier zusammenredeten, war wirklich unglaublich. Mussten wir so förmlich sein?
„Nun denn. Ich wünsche euch eine angenehme Heimreise. Auf ein nächstes Mal“, sagte Sekama und ich nickte.
„Gehabt euch wohl.“
Li ergriff meine Hand und ich brachte uns zurück ins Windreich.
Im Thronsaal standen unsere Generäle. Sie besprachen wohl gerade etwas, bis sie uns bemerkten.
„Endlich“, sagte Kevin und kam auf mich zu.
Sofort umarmte er mich.
„Ich habe mir Sorgen gemacht.“
„Das kann ich verstehen. Es tut mir leid, dass ich alleine losgezogen bin. Aber ich brauchte einfach ein wenig Zeit für mich.“
„Beim nächsten Mal lass dich gefälligst nicht von einem anderen Schamanen fangen“, sagte er und ich lachte.
„War eigentlich nie meine Absicht. Gibt es noch einen anderen Grund für euer Zusammentreffen oder war das ein Krisengipfel für meine Rettung?“
„Wir haben gerade besprochen, was wir im Falle eines Krieges alles zu erledigen hätten. Aber nach eurer Laune zu Urteilen kommt es zu keinem Kampf oder?“, fragte Latia.
„Vorerst nicht.“
„Dann können wir die Alarmbereitschaft wieder aufheben. Die Armee war bereit sofort auszurücken, sollte es zu einem Krieg kommen. Aber wenn dem nicht so ist, ziehen wir alles zurück.“
„Macht das. Noch eins. Ich habe Schilde um die Stadt gelegt, die ein Eindringen unmöglich machen sollte. Sieh sie dir bitte an, Latia. Vielleicht findet ihr einen Weg, sie noch stärker zu machen oder auszuweiten, dass man auch nicht durch den Boden hier hereinkommt. Weil es scheint mir, dass dies noch unser Schwachpunkt ist.“
Sie nickte und dann löste die Runde sich auf. Nur Kevin und ich blieben zurück. Wir nahmen auf dem Thron Platz und sahen uns an.
„Was ist passiert?“, fragte er und ich sah ihn an.
„Senkum hat mich auf dem Marktplatz angegriffen. Mit einer Armee von Lehmsoldaten. Ich konnte mich gegen ihn verteidigen, doch als ich ihn verschont habe und gehen wollte, verabreichte er mir ein Betäubungsmittel. Danach fand ich mich in einem Gefängnis wieder. Naja und dann hatten wir eine Konversation und haben uns versprochen, Frieden zu halten.“
„Ich dachte sie haben uns den Krieg erklärt.“
„Das dachte ich auch. Aber es war der oberste Priester, im Keller des Tempels. Warum, kann ich dir nicht sagen.“
„Verwirrend, wenn du mich fragst.“
Ich nickte und wir sahen zum Eingang. Dort stand ein Bote und sah uns an.
„Herr, ich habe eine Nachricht für euch“, sagte er und kam auf uns zu.
„Schriftlich oder nur per Mund?“, fragte ich.
„Ein Dokument.“
Er reichte es mir und ich sah es mir an.
„Danke, du kannst dich entfernen“, sagte ich und er ging wieder.
Es war wirklich ein Brief. Aber er sah mehr aus, als würde er aus der Menschenwelt kommen.
„Was ist das?“, fragte Kevin und ich sah ihn an.
„Kann ich dir nicht sagen.“
Ich öffnete dem Umschlag. Ein Schriftstück lag darin. Ich nahm es heraus und begann zu lesen. Er war von Kevins Freunden geschrieben. Aber wie bei allen Göttern hatte der Brief den Weg hier hingefunden? Darin stand, dass sie sich dazu entschieden hätten, in unsere Welt zu kommen.
„Und?“
„Deine Freunde haben sich entschieden, zu uns zu stoßen. Hier nach Trimalia.“
„Das freut mich. Haben sie sich also entschieden, her zu kommen.“
„Scheint so. Ach, Jan kommt auch.“
„Da bin ich mir aber nicht sicher, ob ich das will“, sagte er und ich lachte.
„Warum nicht?“
„Was er beim letzten Mal gesagt hat, war nicht wirklich nett.“
„Sieh es doch so. Ich habe hier die Macht und du, als mein Freund, hast ebenso Macht. Also könnten wir ihn zum Diener ausbilden und dann wäre er gezwungen auf dich zu hören.“
„Denkst du wirklich, dass das eine gute Idee wäre?“
„Es war mehr ein Witz, aber eine Möglichkeit.“
„Bei dir bin ich mir in dieser Hinsicht nicht sicher.“
„Ist vielleicht auch besser so. Aber eigentlich frag ich mich mehr, wie dieser Brief hierhergekommen ist.“
„Kann ich dir nicht beantworten. Aber, wenn du es herausfinden willst, solltest du Li fragen, oder einfach die anderen holen und sie selbst fragen.“
„Werde ich. Tu mir einen Gefallen. Sag Li, dass er bitte eine Wohnung bereitmachen soll, oder deinen Dienern, egal. Wer auch immer dafür zuständig ist.“
„Das ist meine Aufgabe. Ich habe da auch eine gute Unterkunft, die innerhalb von ein paar Minuten bezugsfertig wäre.“
„Dann treffen wir uns gleich wieder hier, wenn das geht.“
„Kein Problem. Ich gehe dann mal meine Leute losschicken“, sagte Kevin und erhob sich.
Ich sah ihm kurz nach und erhob mich dann. Meine Türe würde ein gutes Portal machen. Diesmal aber ohne Zauberspruch. Ich hob meine Hände und dachte daran, dass diese Türe mich in die Menschenwelt führte. Tatsächlich erschien ein Portal auf der Türe. Nicht schlecht. Also los. Ich trat durch das Portal und fand mich in der Menschenwelt wieder. Genau auf meinem alten Schulhof. Erstaunt sah ich mich um. Es war wohl gerade Pause. Viele Schüler standen herum und nahmen größtenteils keine Notiz von mir. Zumindest nicht die Zehntklässler. Die etwas jüngeren Fünftklässler begannen zu tuscheln und zeigten auf mich. Klar. Sie hatten meist noch genug Fantasie um sich eine Gestalt wie mich vorzustellen. Nur die wenigsten Jugendlichen konnten das. Ich sah mich nach den Schülern um, die ich suchte. Ah, da waren sie. Sie standen abseits, bei dem Gebüsch, in dem ich einst den Fächer gefunden hatte. Na dann wollte ich mal. Ich ging auf sie zu. Als sie mich erblickten, stellten sie sich zusammen.
„Hallo“, sagte ich und sie nickten nur.
„Habt ihr euch wirklich entschieden?“
„Ja, das haben wir. Der Brief ist zu dir gekommen?“, fragte Andre und ich nickte.
„Ich war sehr erstaunt, dass er es in meine Welt geschafft hat. Wie habt ihr das gemacht?“
„Keine Ahnung. Wir haben ihn einfach in dem Gebüsch platziert. Vor ein paar Minuten erst. Und jetzt bist du schon hier.“
„Praktisch, oder? Also dann, können wir?“
„Wir sind bereit“, sagte ein anderer Junge.
Wie war noch gleich sein Name? Hieß er nicht Leonard? Ja, das war Leonard. Blondes Haar, ein wenig lockig und oftmals sehr gewöhnungsbedürftige Kleidung. Jan stand ebenfalls hier. Er hatte bis jetzt noch nichts gesagt. Aber wie es aussah, hatte er wohl die Lust am Trainieren verloren. Sein extra Gewicht war nämlich immer noch da.
„Na dann kommt“, sagte ich und ging wieder zu der Stelle zurück, von der ich gekommen war.
Das Portal war für Menschen zum Glück nicht zu sehen. Sonst hätte ich bestimmt den ein oder anderen ungebetenen Gast jetzt im Tempel, den ich nicht einmal mehr zurückschicken könnte. Ich führte sie in das Portal und erreichte den Thronsaal wieder. Kevin war schon wieder da und wartete geduldig.
„Ah, endlich“, sagte er und erhob sich, als wir erschienen.
„Ich bin wieder da“, sagte ich und ließ das Portal verschwinden.
„Willkommen in Wiluchu“, sagte Kevin und sie sahen ihn an.
„Ich kann dich wieder verstehen“, sagte Leonard.
„Richtig. Ihr sprecht jetzt die gleiche Sprache, wie ich.“
„Es ist schön dich wieder zu sehen, Kevin“, sagte Andre und Kevin lächelte.
„So lange ist es ja noch nicht her. Aber ich freue mich, dass ihr entschieden habt, hier zu leben. Habt ihr irgendwelche Fragen, bevor ich euch in euer neues Heim bringe?“, fragte er und sie sahen sich an.
„Ich habe eine“, sagte Jan und sofort wanderten alle Blicke zu ihm.
„Bitte?“
„Können wir hier Zaubern?“, fragte er und Kevin sah mich an.
Ich lächelte und ging auf Jan zu. Sofort spürte ich, wie er nervös wurde.
„Sagen wir es so. Kevin, kann es. Ob es bei euch geht, keine Ahnung. Aber wir können es ja mal probieren. Was willst du denn machen?“, fragte ich und er sah mich an.
„Dir deinen Fluch zurückwerfen.“
Seine Antwort überraschte mich nicht im Geringsten. Im Gegenteil. Damit hatte ich sogar gerechnet. Vorsichtig führte ich meine Hand an seine und griff zu. Seine Augen blieben unverändert und sahen mich an. In seinem Gesicht konnte ich keine Emotionen ablesen. Aber in seinen Gedanken konnte ich es. Ob ich das wollte oder nicht, seine Gedanken musste ich hören. Er fragte sich gerade, was ich vorhatte und warum ich ihn berührte. Meine Magie griff in seinen Körper hinein. Doch es kam nichts zurück. Also besaß er keine Magie. Sofort ließ ich ihn los und trat zurück.
„Tut mir leid. Aber du besitzt kein Mana. Also wirst du nicht in der Lage sein, Zauber zu wirken.“
„Also nein?“
„Leider ist dem so“, sagte ich.
„Super und wofür bin ich dann jetzt hier?“, fragte er und ich musste lachen.
„Hast du dich nur entschieden hier her zu kommen, um auszuprobieren ob du Zaubern kannst?“
„Nicht in erster Linie. Aber es war einer der Gründe.“
„Sonst noch irgendwelche tollen Ideen?“
„Ein anderer Grund war, weil ich gerne am Krieg teilnehmen will.“
„Dann habe ich da den perfekten Ansprechpartner für dich. Aber erst bringt Kevin euch in eure neue Behausung“, sagte ich und er nickte.
„Ach ja. Wenn ihr euch soweit eingerichtet habt, kommt wieder zu mir. Dann erkläre ich euch noch ein paar grundlegende Dinge.“
Kevin ging los und die Jungs folgten ihm. Ich lächelte und sah ihnen nach. Dann nahm ich auf dem Thron Platz und entspannte mich. Ich nahm den Schneidersitz ein, legte meine Finger aneinander, schloss meine Augen und begann zu meditieren. Es dauerte nicht lange, das spürte ich, wie ich den Kontakt zum Boden verlor. Na gut, dann wollte ich doch mal sehen, wie weit ich zu meinem inneren Zentrum vordringen konnte. Vielleicht fand ich dort noch ein paar Antworten oder das Ausmaß meiner Macht. Aber vielleicht tat ich das auch einfach nur, weil es toll aussehen würde, wenn die Jungs zurückkamen und ich in der Luft hing. Langsam führte ich meinen Geist durch mein Mana und begutachtete den Fluss immer wieder. Er war so vielseitig, so geheimnisvoll. Einige Zeit saß ich so dort, bis Kevin zurückkam. Zusammen mit unseren neuen Untertanen. Sofort öffnete ich meine Augen und sah in ihre Gesichter. Ich konnte Neid und Ehrfurcht ablesen. Vor allem bei Jan war der Neid sehr deutlich. Sie nahmen vor mir Stellung und sahen mich an. Ich ließ meinen Körper wieder zu Boden sinken und setzte mich wieder richtig auf den Thron.
„Also gut. Willkommen in Trimalia. Die Welt von Mei-Trian. Ihr müsst ein paar Dinge wissen, bevor ihr hier wirklich wohnen könnt. Zum einen. Hier betet man noch zu den Göttern unsere Göttin ist Mi-Lan. Sie beschützt dieses Reich und beschert uns Wohlstand. In diesem Reich gibt es sieben Personen, die ihr kennen solltet. Als erste Li. Er ist mein oberster General und agiert in meinem Namen. Dann Latia. Sie ist der General der Magier. Schera ist General der Soldaten. Er wird gleich zu uns stoßen, und dich begutachten, Jan. Dann noch Aran, der Bogengeneral. Kevin kennt ihr. Er ist General aller Bedienten und gleichzeitig mein Partner. Aber das wisst ihr ja bereits. Wen ihr auch kennen müsst ist Boreos. Den Schutzgeist des Windes. Er ist ein Tiger, also wundert euch nicht, wenn er euch über den Weg läuft. Und zu guter Letzt, mich. In diesem Reich bin ich Schamane und somit König. Man nennt mich nicht mehr Kai, sondern Lotus. Das solltet ihr auch beherzigen.“
„Dann stehen wir unter deiner Kontrolle?“, fragte Jan und ich sah ihn an.
„Was hast du erwartet? Das ein, alter Mann hier sitzt, der kaum noch denken kann und euch keine Beachtung schenkt? Nein. Gewöhn dich daran, Jan. Du bist jetzt mein Untertan.“
Er schluckte. So hatte er sich das bestimmt nicht gedacht.
„Das war es fürs erste. Begrüßt bitte meine Generäle“, sagte ich und sie drehten sich um.
An der Türe standen Latia, Schera und Aran. Daneben noch Chin, den ich vergessen hatte zu erwähnen. Sie kamen auf uns zu, ohne die Jungs zu beachten. Vor mir Knieten sie nieder.
„Ihr habt uns gerufen, Schamane?“, fragte Schera und ich erhob mich.
„Sehr richtig. Erhebt euch. Diese Fünf, sind gerade angekommen. Ich würde sie gerne mit einer Aufgabe betraut machen. Könnt ihr sie vielleicht gebrauchen?“, fragte ich und sie sahen die Neuankömmlinge an.
In Chins Augen konnte ich großes Interesse ablesen. Er musterte jeden einzelne genau. Nur Jan nicht. Der schien ihm egal zu sein. Doch Leonard war sehr interessant.
„Du“, sagte er und ging auf ihn zu,
„Wie heißt du, Junge?“
„Mein Name ist Leonard. Aber alle nennen mich nur Leo“, antwortete der Junge und Chin nickte.
„Du siehst so aus, als würdest du einen guten Spion abgeben. Möchtest du vielleicht ein wenig mehr darüber erfahren?“
„Gerne“, sagte Leonard und Chin zog ihn aus der Gruppe heraus und ging in eine Ecke des Raumes.
Einer versorgt. Blieben nur noch vier. Latia ging immer wieder auf und ab und sah sie sich an. Plötzlich blieb sie vor Andre stehen.
„Was eine interessante Aura du hast“, sagte sie und sah ihm tief in die Augen.
„Schamane, den Jungen nehme ich. Er wird einen guten Magier machen.“
Ich nickte.
„Er steht dir zur Verfügung.“
Latia zog Andre davon. Also nur noch drei Übrig. Jetzt ging Aran vor. Die Jungs waren nicht mehr sehr Kräftig, außer Jan. Aber Aran scherte sich wohl nicht darum. Jan ließ er direkt aus.
„Mit euch beiden könnte ich Arbeiten. Aber du, wie auch immer du heißt“, sagte er und der Junge sah ihn an.
„Mein Name ist Fabian“, sagte er.
Ach ja. Fabian. Er war rothaarig und blass. In seinem gesamten Gesicht hatte er Sommersprossen und eigentlich war er spindeldürr.
„Du bist leider nicht kräftig genug. Das Spannen einer Sehne würde bei dir nicht funktionieren. Ich weiß, dass man das trainieren könnte. Also wenn du wirklich willst, dann kannst du gerne bei mir lernen. Aber fürs erste nehme ich mir den anderen. Wie heißt du?“
„Mein Name ist Sebastian. Aber man nennt mich nur Sebi.“
„Ich möchte dir ein paar Dinge erklären. Komm“, sagte er und ging in die letzte freie Ecke.
Jetzt waren nur noch Fabian und Jan übrig. Kevin stellte sich neben mich und sah Schera dabei zu, wie er die Jungs begutachtete.
„Hoffentlich akzeptiert er Jan. Nicht auszudenken, was passiert, wenn er es nicht tut.“
„Denkst du Jan wird Amok laufen? Dafür bin ich noch da. Keine Sorge.“
„Nein. Jans Ehre wäre dahin.“
„Das macht mir keine Sorgen.“
Schera ließ sich Zeit, bis er auf Jan zuging und ihm kräftig in den Magen schlug. Erstaunt sah ich ihn an. Kevin zuckte zusammen und fürchtete Jan würde zurückschlagen. Doch nichts. Er rührte sich nicht und verzog keine Miene. Schera nickte.
„Du bist genau mein Mann. Vielleicht ein wenig Dick, aber genau das, was ich in meiner Armee brauche. Wie heißt du, Soldat?“, fragte er und Jan sah ihn an.
Seine Augen strahlten förmlich. Er konnte sein Glück wohl kaum fassen.
„Jan, Herr“, sagte er und Schera nickte.
„Ab sofort bin ich dein General. Folge mir“, sagte er und führte Jan aus dem Raum heraus.
Ich konnte in seinen Gedanken lesen, dass er ihn auf die Trainingsplätz brachte um zu testen, wie viel er schon konnte.
Also war nur Fabian übriggeblieben. Was sollten wir mit ihm machen? Wenn er wollte, konnte er zu Aran gehen, aber war, dass sein Wunsch.
„Ich fürchte, für dich ist kein General mehr übrig, Fabian. Hast du einen Wunsch, was du gerne machen würdest?“, fragte ich ihn und er sah mich an.
Seine Reaktion kam sehr unerwartet für mich. Er kniete nieder.
„Ich stelle meine Dienste in euren Namen. Akzeptiert mich als euren Diener“, sagte er und ich zog die Augenbrauen hoch.
„Also willst du unter Kevin dienen?“
„Ihr sagt es, Lotus. Eure Weisheit bestimmt unser Leben hier. Also braucht ihr jemandem, der für euch die restliche Arbeit macht. Ihr könnt euch nicht um alles kümmern.“
Wenn das seine Meinung war, dann sollte es so sein. Ich sah Kevin an und er nickte.
„Also gut. Kevin wird dir zeigen, was du zu tun hast und deine Arbeitszeiten. Aber bevor er das tut, sei dir darüber klar, dass es nicht leicht ist.“
„Solange ich für euch von Nutzen sein kann, ist es gut.“
Kevin nickte und führte ihn nach draußen. Die restlichen Generäle kamen wieder zusammen.
„Habt ihr euch entschieden?“, fragte ich und sie nickten.
„Ja, haben wir. Vielen Dank, Schamane, dass ihr uns diese neuen Rekruten gebracht habt“, sagte Aran und ich nickte.
„Eine Sache habe ich noch, bevor ich euch entlasse. Seid nicht zu streng mit ihnen. Sie sind noch jung. Und Chin, bevor du gehst, will ich mit dir und Leonard sprechen“, sagte ich und die beiden nickten.
„Ihr seid entlassen“, sagte ich und sie gingen.
Nur Chin und Leo blieben. Ich wartete, bis die Anderen außer Hörweite waren.
„Chin, ich hoffe, du hast bereits getestet, ob deine Spione Magie anwenden können, oder nicht.“
„Habe ich, mein Herr. Die meisten können es. Er auch“, sagte er und zeigte auf Leonard.
„Sei nicht zu hart zu ihm. Und vor allem, keine tödlichen Missionen, es sei denn, nur er kann diese Mission ausführen.“
„Verstehe sonst noch etwas?“
„Ich will morgen alle Spione sehen, die Magie anwenden können. Wir werden einen kleinen Exkurs machen, damit sie immerhin wissen, was sie alles können sollten und sich ihrer Kraft bewusst sind.“
„Wie ihr befehlt.“
Ich nickte und schickte sie mit einer Handbewegung fort. Das wir jetzt neue Untertanne hatte, würde ich wohl nicht mitbekommen. Dafür hatte ich eigentlich keine Zeit. Kein General würde mit mir über sie sprechen. Außer vielleicht Kevin. Aber das war mir egal. Irgendwie kam es mir nur merkwürdig vor. Andre konnte also auch zaubern? Woher kam die Magie? Bei Kevin konnte ich es verstehen. Aber bei ihm? Kevin konnte seine Magie durch mich bekommen haben. Aber Andre musste sie schon gehabt haben. Boreos konnte vielleicht wissen, woher. Aber er war ja nicht da. Wo trieb diese Katze sich eigentlich wieder rum? In letzter Zeit bekam ich ihn fast gar nicht mehr zu Gesicht. Was auch immer er tat, er würde Gründe haben, mir nichts zu sagen. So und jetzt? Der Krieg war abgewendet. Was sollte ich jetzt noch machen? Dämonen jagen? Das tat Lord Fiskus und ich wollte ihnen nicht in die Quere kommen. Aber da fiel mir etwas ein. Vielleicht sollte ich in den Keller gehen und den obersten Priester sehen und ihn fragen, warum er diese Briefe geschrieben hatte. Aber mir fiel wieder etwas ein, das die Sache erschwerte. Er würde es mir nicht sagen, weil er senil war. Verflucht. Wenn das erneut vorkam, schwor ich mir selbst, dass er den nächsten Tag nicht erleben würde. Zeit in mein Zimmer zugehen und sehen, was die Bürokratie für mich bereithielt. Auf meinem Schreibtisch lag tatsächlich einiges an Papier. Eigentlich hatte ich gehofft, dass hier nichts war. Leider doch. Nachschauen. Ich hatte noch nicht ganz Platz genommen, als es klopfte. Erstaunt sah ich zur Türe, musst aber feststellen, dass ich nichts sehen konnte, weil der Papierstapel so groß war.
„Ja bitte?“, fragte ich und jemand trat ein.
Verdammtes Papier. Ich schob es beiseite und sah meinen Besuch an. Es war Li.
„Lotus“, sagte er.
„Setz dich, Li. Wie kann ich dir helfen?“, fragte ich und er sah mich an.
„Lord Fiskus hat Probleme bekommen. Ein Mitglied seines Teams ist den Dämonen verfallen und sie können ihn nicht retten. Es wird wohl eure Fähigkeiten brauchen, um das zu bewerkstelligen.“
„Wann und wo?“
„Das kann ich euch nicht sagen. Er bittet darum, euch zu sehen, so schnell ihr könnt, damit ihr darüber reden könnt.“
„Ich habe immer Zeit. Er soll vorbeikommen“, sagte ich.
„Dann werde ich ihn zu euch schicken, sobald er kann. Ach ja. Ich habe mitbekommen, dass wir neue Rekruten haben. Aus der Menschenwelt?“
„Kevins Freunde hatten sich dazu entschieden, hier her zu kommen. Ich habe sie den Generälen vorgestellt und jetzt haben wir neue Rekruten. Gibt es damit ein Problem?“, fragte ich.
„Nein. Schera hatte mich nur angesprochen, dass sein neuer Rekrut einfach klasse ist. Gehorsam, diszipliniert und gut im Training.“
„Das freut mich.“
„Aber mehr Menschen willst du nicht zu uns bringen, oder?“
„Nein, eigentlich nicht. Ich würde niemandem verbieten hier her zu kommen, doch geplant werde ich keinen Menschen mehr in diese Welt bringen.“
„Gut. Es ist so, dass es Gefährlich sein kann.“
„In wie fern?“
„Die Welten stehen in einem Verhältnis zusammen. Die Einwohnerzahl ist ausbalanciert. Leben hier zu viele Menschen, heißt das, dass es bald einige Tote geben wird. Zur Not sorgen sogar die Götter dafür, dass unser Gleichgewicht wiederhergestellt wird. Sollten sie das nicht tun, werden die Welten kollidieren und sämtliche Einwohner töten.“
Gut, das war schlecht. Davon hatte ich bis jetzt nichts gelesen oder gewusst. Warum wusste der Schamane sowas nicht?
„Davon wusste ich gar nichts. Kann man das irgendwo nachlesen?“
„Leider nicht. Es hätte dir von Mi-Lan erklärt werden müssen. Warum sie es nicht getan hat, kann ich dir nicht sagen. Aber du wirst es besser im Kopf behalten, bevor es zu spät ist. Aber sonst hast du keine grandiosen Ideen, die uns umbringen könnten, oder?“
„Ach, da würden mir ein paar Einfallen, aber ich vertage das lieber auf ein anderes Jahrhundert“, sagte ich und lächelte ihn an.
Li erhob sich und wollte gehen, als ich ihn aufhielt.
„Ich habe noch ein Anliegen, Li. Die Zustände für unsere Bediensteten, müssen sich verbessern. Ich werde Kevin freie Hand geben, um einige Dinge umzustrukturieren. Sie sollen nicht länger wie Dinge behandelt werden“, sagte ich.
„Wie ihr das befehlt“, sagte er und lächelte.
Bildete ich mir das nur ein, oder hatte Li sich verändert? Sein Gang, seine Stimme, seine Art mit mir zu reden. Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber es kam mir so vor. Stören würde es mich nicht, solange er nicht dachte er müsste trotzig werden und meine Befehle hinterfragen. Ich sah nach oben und Griff nach dem ersten Papier auf dem Stapel. Irgendwie war es in einer eigenwilligen Sprache geschrieben. Sein Inhalt belief sich, zusammengefasst, auf eine einzige Aussage. Wir wollen weniger Steuern. Wer hatte ihn geschrieben? Die Bewegung Bürger Wiluchus. Kannte ich nicht. Weniger Steuern? Keine Ahnung, wie viel an meinen Hof abgegeben werden musste. Ablage P. So was gab es denn noch so schönes? Gesuche für Erlassung von Steuern, Begnadigungen und Todesurteile. Alles langweilig. Die Begnadigungen unterschrieb ich beinahe blind. Man würde sich dabei etwas gedacht haben. Erlassung von Steuern legte ich gesondert. Und die Todesurteile las ich mir genau durch. Ein Mann sollte hingerichtet werden, weil er eine Frau angefasst hatte, die Verheiratet war? Eigenwillige Gesetzte musste es hier geben. Ich legte ihn beiseite. Das nächste war ein Mann, der wegen Mord angeklagt war. Gut, ihn konnte Li gerne hinrichten. Und sich danach selbst, weil er damit selbst zum Mörder wurde. Dass es hier die Todesstrafe gab, wunderte mich nicht. Aber Exekution? Ich hielt nichts davon. Wenn es sie glücklich machte, dann sollte es so sein. Wer sollte noch sterben? Ziemlich viele Menschen. Hier wurde man sogar für das Trinken von Wein in der Öffentlichkeit, außerhalb eines Gasthauses hingerichtet? Chin hatte mir zwar mal gesagt, dass man hier die gesamte Technik der Menschen kannte, aber nicht benutzte. Und diese Gesetzt sahen aus, als wären sie noch aus der Steinzeit übriggeblieben. Daran musst dringend etwas getan werden. Also gut. Alles, was ich für unsinnig hielt, sammelte ich. Danach würde es nur drei Menschen geben, die zu Tode verurteilt wurden. Sie waren Mörder. Also sah ich keinen Grund ihnen zu vergeben. Der Stapel von Begnadigungen war jetzt sehr groß. Zufrieden sah ich mir an, was noch neben mir lag. Es waren nur noch wenige Papiere. Das eine war ein Brief, vom Feuerreich. Die Schamanin hatte ihn geschrieben. Trotzdem überprüfte ich das Papier genau. Ja, das war ihre Handschrift. Sie bot mir Friedensverhandlungen in meinem Reich an. Klang gut. Chin konnte den Brief überbringen. Nach meiner Abwesenheit, war glaube ich eine Antwort ausgeblieben, oder nicht? Egal. Ich konnte Antworten. Als ich damit fertig war, nahm ich das vorletzte Papier. Ein Brief von Schattenschneider. Sie erzählte mir, dass sie ihre Namen geändert hatte in Aquis. Trotzdem wollte sie nicht aufgeben mich zu befreien. Sollte sie. Wenn es sie glücklich machte. Der letzte Brief ließ mich zusammenzucken. Er war von meinen Eltern. Zitternd nahm ich ihn entgegen.
„Hallo Sohn, wir haben vom ersten Tag an gewusst, wer du warst. Krisuracha hat dich zu uns gebracht und wollte dich vor irgendetwas verstecken. Das haben wir getan, so gut wir konnten. Doch immer im Wissen, dass du eines Tages fortgehen wirst. Wir waren auch nicht ganz ehrlich zu dir. Nicht nur, was dich angeht, sondern auch was uns betrifft. Dein Abschied war wie erwartet. Kurz, schmerzlos und durchgeplant bis zum Schluss. Aber zurück zu uns. Wir sind keine Menschen. Du hast es all die Jahre nicht bemerkt, weil du nichts von deinen Kräften wusstest. Ich bin eine Fee und dein Vater ein Elf. Wir haben uns damals verliebt und konnten nicht in Trimalia bleiben. Also sind wir in die Menschenwelt geflohen, haben ihre Sprache gelernt und uns getarnt. Als Krisuracha dann mit dir zu uns kam, wussten wir genau, was wir zu tun hatten. Es tut uns leid, wenn du niemals wirkliche Liebe erfahren hast. Es wäre mein Wunsch, wenn ich dich noch einmal sehen könnte, damit wir uns wirklich voneinander verabschieden können. Von unserem Sohn und nicht von dem kalten Monster, als das du dich getarnt hast. Deine Eltern.“
Tränen füllten meine Augen. Ja, mein Aufbruch war sehr formlos und schnell. Aber ich wusste nicht, was mich mehr traf. Das sie wussten, wer ich war und es mir nie gesagt hatten. Oder, dass sie selbst keine Menschen waren und mir das verschwiegen hatten. Auf jeden Fall sollte ich bei Gelegenheit bei ihnen vorbeischauen. Ich nahm das Blatt und faltete es sehr genau. Dann ließ ich es in einer Schatulle verschwinden, die auf meinem Tisch stand. Damit war ich fertig. Ich erhob mich und ging zum Schrank. Meine Rüstung glitt zu Boden und ich griff mir neue Kleidung. Als ich fertig war, wurde der Schrank beiseitegeschoben und Fabian kam zusammen mit Kevin herein. Kevin sah mich an und wirkte irgendwie verstört. Ach ja. Ich hatte verweinte Augen. Schnell ging ich mir durchs Gesicht und trocknete alle Tränen.
„Euer Essen, Herr“, sagte Fabian und trug die Platte zu meinem Tisch.
Vorsichtig stellte er sie ab.
„Seid ihr mit diesen Dokumenten fertig?“, fragte er und ich nickte.
Er nahm sie und ging dann zurück in den Geheimgang. Kevin erklärte ihm noch, wo die Papiere hingebracht werden sollten und dann ließ er uns alleine. Als der Schrank wieder an seinem Platz stand sah Kevin mich an.
„Was ist passiert?“, fragte er und ich winkte ab.
„Nichts, was ich nicht in den Griff bekommen könnte.“
„Du musst es mir sagen, Kai. Wenn du es nicht mir sagen kannst, wem dann?“
Da hatte er Recht. Kevin war mein Freund. Also gut, ich sollte es ihm wirklich sagen.
„Meine Eltern haben mir einen Brief geschrieben. Sie wussten, von Anfang an, wer ich war. Dazu sind sie selbst keine Menschen. Meine Mutter ist eine Fee und mein Vater ein Elf. Das habe ich nie bemerkt.“
„Wie bist du dann zu ihnen gekommen?“
„Krisuracha hat mich bei ihnen abgesetzt und meinte sie sollten mich beschützen. Vor was, weiß ich nicht. Aber eins weiß ich sicher. Ich werde zurückgehen und mich von ihnen in Würde verabschieden.“
„Eine gute Wahl. Auch wenn du nur adoptiert bist, sind sie doch deine Eltern. Ich finde es gut, dass du endlich wieder zur Vernunft kommst“, sagte er und umarmte mich.
„Also, womit überrascht du mich heute?“
„Oh eine kulinarische Spezialität. Ich sag dir aber besser nicht, was es genau ist. Nur so viel, es ist Fleisch“, sagte er und ich nickte.
Wenn er schon sagte, dass ich es nicht wissen wollte, würde ich nicht nachhaken. Wir nahmen Platz und Kevin hob die Glocke ab. Vor mir lagen mehrere Steaks. Ziemlich große sogar. Das musste ein riesiges Tier gewesen sein. Langsam nahm ich mir eine Gabel und nahm mir eines. Ich führte es auf meinen Mund zu und biss ab. Das Fleisch war zart. So zart, dass meine Zähne gar keinen Wiederstand bemerkten. Sie waren eh mehr für rohes Fleisch ausgelegt. Aber schmecken, tat es unheimlich gut. Was war das?
„Sagst du mir jetzt, was es ist?“, fragte ich und er lächelte.
„Steaks vom Labura Wolf.“
Also Wolfsfleisch. Eigentlich schade um das Tier. Aber sein Fleisch war lecker.
„Und warum hast du mir das nicht vorher gesagt?“
„Ich dachte du willst es dann nicht mehr. Außerdem ist es einfacher etwas zu essen, wenn man nicht weiß, was es ist.“
Einleuchtend. Wir aßen weiter. Bis nichts mehr übrig war.
„So. Fabian hat sich mit seiner neuen Rolle schon angefreundet?“, fragte ich und Kevin sah mich an.
Er zog die Augenbrauen hoch.
„Angefreundet? Er geht förmlich darin auf. Es ist, als hätte sich ein langer Kindheitstraum endlich erfüllt.“
„Das wundert mich irgendwie.“
„Denkst du mich nicht? Das verstehe ich gar nicht. Eigentlich hätte ich nie gedacht, dass jemand so etwas freiwillig macht. Anfangs hatte ich ja deine Gedankenspielchen im Kopf. Aber ich konnte spüren, das du damit nichts zu tun hast.“
„Was mich direkt zum nächsten Punkt bringt. Woher hat Andre bitte Magie? Ich meine, du hast welche durch mich und bestimmt auch eigene. Doch woher nimmt Andre sie?“
„Puh, schwere Frage. Kann der Tiger sie nicht beantworten?“
„Ihn habe ich gar nicht gefragt.“
„Ja, schon eigenartig. Was auch immer mit ihnen passiert ist, als sie hierherkamen, es ist anders, als vorher.“
„Naja, du weißt ja was passiert, wenn man hier lebt. Und das wird bei ihnen auch passiert sein.“
„Warten wir ab, wie sich das ganze entwickelt. Wenn du mich entschuldigst, ich muss zurück“, sagte Kevin und erhob sich.
Er nahm die Platte und ging dann, durch den Geheimgang wieder. Also nutzte ich den Rest des Tages zum Meditieren. Leider konnte ich nichts Interessantes finden. Nun denn, der Tag war beendet. Ich entledigte mich meiner Kleidung und nahm mein Nachtgewand. Dann legte ich mich schlafen und fiel bald, in meine Visionsartigen Träume.
„Li“, rief Chin und kam auf mich zu.
Er hatte es irgendwie sehr eilig. Eigentlich war ich gerade auf dem Weg zu meiner Frau.
„Was gibt es?“, fragte ich und er kam vor mir zum Stehen.
Bevor er jedoch etwas sagte, atmete er erst einmal durch.
„Es geht um Lotus. Wenn er schläft, scheint er den Lotus mit Magie zu versorgen“, sagte er.
Ich fiel beinahe aus allen Wolken. Wie war so etwas überhaupt möglich? Eigentlich wusste Lotus doch gar nicht, wo der Lotus war.
„Wie macht er das?“
„Kann ich dir nicht sagen. Aber du solltest mal nachsehen gehen, wie weit der Lotus wieder zu Kräften kommt. Wir müssen ihn aufhalten, sollte das so weitergehen.“
Ich nickte und Chin ging weiter. Also zurück in den Tempel. Ursula würde mich nachher umbringen, wenn ich nach Hause kam. Aber das war wichtiger. Wenn Kai wirklich den Lotus mit Kraft versorgte, musste ich das sofort unterbinden. Nicht auszudenken, wenn er wieder zu Kräften kommen würde. Seine Wurzeln lagen noch im Keller des Tempels. Töten konnte man ihn nie vollständig. Zumindest Shian Hi nicht. Vielleicht auch, weil er seine eigene Kreation nicht vernichten konnte. Ich passierte den Thronsaal und ging dann auf die Kellertreppe zu, dich sich hinter dem Thron befand. Steil führte sie in die Dunkelheit. Ich nahm eine Fackel, entzündete sie und tauchte dann in die Finsternis ein. Es dauerte nicht lange, da stand ich vor dem Siegel, dass ich vor den Eingang gehangen hatte, um den obersten Priester hier unten zu halten. Leider musste ich es lösen, um hinein zu gelangen. Vorsichtig legte ich meine Hand darauf und zog die Magie wieder zu mir. Sofort war der Weg frei. Weiter ging es. Der Tempel war komplett unterkellert. Im Zentrum, lag mein Ziel. Der Lotus. Zumindest seine Überreste. Zum Glück kannte ich den Weg. Sonst konnte man sich hier unten sehr leicht verlaufen. Es dauerte einige Zeit, doch dann erreichte ich die Kammer. Der Priester war nicht zu sehen. Jedes Mal war ich beeindruckt von dieser Höhle. In der Wand hingen ungefähre zehntausend Diamanten. Aller Größe und Farbe. In der Mitte befand sich ein Altar, unter dem der Lotus lag. Niemand hatte es je gewagt, näher zu gehen. Auch ich nicht. Und das würde ich nicht ändern. Es war gefährlich. Der Einfluss dieses Dämons konnte einfach zu stark sein. Viele Männer hatte ich an ihn verloren. Selbst ich war einst sein Diener und das wollte ich nicht noch einmal haben.
„Hallo, Li“, sagte der oberste Priester und trat hinter mich.
„Ich bin nicht wegen euch hier“, sagte ich und er nickte.
„Das weiß ich. Du bist wegen ihm hier. Dem Schamanen und dem Lotus. Ihre Magie ist in einem erstaunlichen Einklang. Sie synchronisiert sich nachts“, sagte er.
„Wovon redet ihr?“
„Ach komm, Li. Du weißt genau, wovon ich rede. Dein Schamane ist Shian Hi so ähnlich, dass der Lotus denkt, sein alter Herr wäre zurück und versucht wieder zu Kräften zu kommen. Kai ist nicht stark genug, sich dem zu entziehen.“
„Du hast da bestimmt auch ein wenig mitgeholfen, oder?“
„Selbstredend. Alles ist mir Recht, damit ich aus diesem Loch herauskomme.“
„Ich kann dich nicht freilassen“, sagte ich und er nickte.
„Richtig, das kannst du nicht. Ich bin dir zu mächtig. Und deswegen behauptest du, ich sei verrückt. Nein, Li. Ich bin bei klarem Verstand und ich wage zu bezweifeln, dass du weißt, mit wem du es zu tun hast. Doch das spielt keine Rolle mehr. Ab sofort komme ich aus dem Tempel heraus“, sagte er und legte seine Hand auf meinen Rücken.
Sofort spürte ich, wie ein Dämon versuchte in meinen Körper einzudringen. Ich sprang nach vorne und schlug seine Hand weg. Früh genug. Er hatte noch keine Chance gehabt, in meinen Körper einzudringen.
„Denkt nicht einmal daran“, sagte ich und er lächelte.
Dann drehte er sich um und ging einfach. Was hatte er vor.
„Li“, sagte plötzlich eine Stimme und ich drehte mich um.
Oh nein. Mein Sprung war zu weit gegangen. Ich stand beinahe am Altar.
„Endlich bist du zurück, Li. Mein treuster Diener hat mich doch nicht vergessen.“
„Zymerana“, sagte ich und kniff meine Augen zusammen.
„Was eine kalte Begrüßung für deinen alten Meister.“
„Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Du hast keine Macht mehr über mich.“
„Bist du dir sicher, Li? Ich habe auch über deinen Freund dort drüben Macht. Denkst du wirklich, du kannst dich von mir lossagen? Niemand entkommt mir.“
„Was willst du, Zymerana? Reicht dir nicht das vergiftete Land?“
Es war Still. Plötzlich erhob sich eine Blüte aus dem Boden. Ihr folgten Wurzeln, die den Körper der Lotus erneut formten. Zymerana war eine Pflanze, die aussah wie ein Mensch. Er konnte sogar laufen.
„Mein lieber Li. Du weißt nichts mehr. Ich habe dir damals die Wahrheit gezeigt. War dir das nicht genug? Wolltest du mehr?“
„Ich wollte in Frieden leben und das will ich auch immer noch.“
„Na wie herrlich. Das will ich auch. Wieder einmal verfolgen wir das gleiche Ziel.“
„Aber auf verschiedenen Wegen. Alle Reiche zu überrennen, ist nicht der Weg, Frieden zu finden.“
„Nicht? Ich dachte du warst damals auch dafür es so zu machen, damit du König werden kannst.“
„Niemals.“
„Du enttäuscht mich, Li. Eigentlich warst du einer meiner treusten Anhänger. Und jetzt? Du stehst da, als hätte ich dich damals gezwungen das alles zu machen. Aber darf ich dich daran erinnern, dass es deine eigene Entscheidung war.“
„Du lügst!“, schrie ich und zog mein Schwert.
Doch bevor ich etwas machen konnte, hatte Zymerana meine Hände gefesselt, mit seinen Wurzeln, die aus der Erde geschossen kamen.
„Hast du denn alles vergessen? Es hat keinen Sinn, mich zu bekämpfen. Aber auch wenn du nicht mehr für mich arbeiten willst, muss ich dir danken. Du hast Shian Hi zurückgebracht. Ohne ihn, hätte ich niemals meine Kraft wiederbekommen.“
„Shian Hi ist tot.“
„Dann ist dieser Schamane ihm sehr ähnlich. Wie heißt er doch noch gleich? Ach ja, Lotus. Ungewöhnlicher Name. Und was ich noch eigenartiger finde, ist die Tatsache, dass du ihn nach mir benannt hast.“
„Nicht nach dir. Nach dem Schutzgeist.“
„Du weißt genau, dass wir ein und dieselbe Person sind.“
„Nein, das seid ihr nicht. Der Schutzgeist war friedlich und freundlich. Du bist einfach nur unausstehlich.“
„Danke, für das Kompliment. Aber zurück zum Thema“, sagte er und begann mir einige Dinge zu erzählen.
Die Sonne zeigte mir an, dass es Zeit war aufzustehen. Schlafen konnte ich nicht. Aber es reichte auch, meine Augen auszuruhen. Diese Visionen gingen mir langsam wirklich auf die Nerven. Ich konnte sie auch nicht abwehren. Aber woher kamen sie eigentlich? Saß irgendwo jemand und wartete nur darauf, dass ich einschlief, damit er mir Visionen bescheren konnte? Wenn ja, musste dieser Jemand sehr wenig zu tun haben. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und sah mich um. Irgendwie war es noch sehr dunkel, die Sonne hatte sich nicht über die Stadtmauer geschoben. Woher kam dann eben das Licht? Wenn es kein Sonnenlicht war, was dann?
„Entschuldigt bitte, das war ich“, sagte Jemand.
Erschreckt sah ich in seine Richtung. Dort stand Issyl. Verwirrt zeigte ich auf ihn.
„Wie? Ich dachte du kannst nicht“, begann ich doch er winkte ab.
„Das wäre jetzt zu lange, um es dir zu erklären. Da ist etwas anderes wichtiger. Kai, du hast ein Problem, mit deiner Magie. Wenn du nachts schläfst, verbindet sich deine Magie mit der des Lotus. Du versorgst ihn mit Kraft, damit er wieder auferstehen kann. Mittlerweile kann er wieder zaubern. Er ist nur noch nicht weit genug, um seine Ketten zu sprengen. Aber das wird nicht mehr lange so bleiben. Kai, du musst versuchen, ihn irgendwie abzuschotten. Sonst wird der Dämon wieder zu Kräften kommen“, sagte Issyl und löste sich wieder auf.
Eigenartig. Was hatte er gesagt? Der Lotus würde wieder zu Kräften kommen? Ich hatte nicht viel über diesen Dämon gehört. Nur das er unheimlich stark sein sollte. Würde er wieder zu Kräften kommen, meinte Li, wäre das ein ernstes Problem. Ich musste mit ihm darüber sprechen. Aber nicht sofort. Schließich war es immer noch mitten in der Nacht. Nur leider konnte ich jetzt nicht mehr einschlafen. Also erhob ich mich, zog meine Rüstung an, nahm meine Fächer und verließ dann das Zimmer. Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt und deswegen konnte ich ohne Licht den Tempel durchqueren. Als ich im Freien stand, amtete ich erst einmal auf und sah gen Himmel. Die Sterne leuchteten wunderschön. Schöner, als ich das in Erinnerung hatte. Der Mond war nicht zu sehen. Vielleicht war Neumond. Ich ging weiter und erreichte bald die Trainingsfelder. Kein Mensch war hier. Zumindest sah ich niemanden.
„Zu so später Stunde noch hier?“, fragte Jemand und ich sah die Person an.
Es war Andre. Neben ihm standen Jan und Sebastian.
„Manchmal muss ein Schamane eben nachdenken und das mache ich nachts. Was habt ihr hier noch verloren?“
„Vermutlich das gleiche“, sagte Sebi und ich lächelte.
„Nachdenken? Was ist denn passiert, das ihr nachdenke müsst?“
„Na hör mal. Wir sind seit kurzer Zeit erst in dieser Welt. Es gibt viel zu entdecken und zu erkunden“, sagte Andre und ich nickte.
„Wollt ihr mich begleiten?“, fragte ich und sah sie an.
Meine Augen mussten im Dunkeln leuchten. Vielleicht sah das ein wenig unheimlich aus. Aber es schien sie nicht zu stören.
„Wo willst du denn hingehen“, fragte Sebi.
„Ein wenig durch die Stadt und über die Mauer. Es ist schön, alleine hier draußen zu sein. Außerdem ist man dann auch als Schamane mal ungestört.“
„Gerne“, sagte Andre und wir gingen zusammen weiter.
Jan hatte die ganze Zeit noch nichts gesagt. Nun, es wunderte mich nicht, wenn er nicht mit mir reden wollte. Dafür hätte ich auch vollstes Verständnis. Wir passierten die Tempelmauer und betraten die Stadt. Alles war Still und unheimlich Dunkel. Vereinzelt brannten Fackeln, die aber nicht sehr viel Licht spendeten. Wie meine Begleiter ihren Weg fanden, war mir ein Rätsel. Wir erreichten den Marktplatz und liefen einer Patrouille von Soldaten über den Weg. Sie nahmen kaum Notiz von uns. Jan salutierte vor seine Kollegen. Sehr löblich, seine Disziplin. Erst jetzt fiel mir auf, das sie gar nicht ihre normale Kleidung trugen, sondern Rüstungen. Andre trug eine Magier Robe, wie sie eigentlich jeder Lehrling trug. Ein dunkles Violett, mit vereinzeltem Gold. Jan trug eine Rüstung, mit leichter Panzerung. Sebis Rüstung sah sehr leicht aus und war eigentlich eine Kleidung. Sie führten Waffen bei sich. Jan ein Schwert, Sebi einen Bogen und Köcher und Andre einen kleinen Dolch. Sie waren wirklich schnell ausgestattet worden. Umso besser. Sollte etwas passieren, waren sie vorbereitet. Wir gingen weiter und erreichten bald die Mauer. Von hier oben konnte man schön über das Land gucken. Eine Windböe schlug uns entgegen und ließ meinen Umhang flattern. Ich schloss meine Augen, öffnete meine Arme und genoss den Wind auf meiner Haut.
„Kannst du etwas in diesem Wind spüren?“, fragte Andre und ich sah ihn an.
„Wie kommst du darauf? Was sollte ich spüren?“
„Weiß ich nicht. Ich habe nur noch nie jemanden gesehen, der den Wind so genießt. Das hat mich gewundert. Vielleicht hast du ja eine besondere Gabe da etwas wahrzunehmen. Immerhin nennt man dich den Windschamanen. Und ich denke nicht ohne Grund.“
Da hatte er Recht. Aber warum man mich so nannte, war eigentlich ja nur, weil ich im Windreich Schamane war. Ich hob meine Hand und befahl den Wind zu mir. Sofort bildete sich eine kleine Kugel in meiner Hand. Sie leuchtete Grün und machte das gleiche Geräusch, wie pfeifender Wind.
„Das mag der Grund sein, warum man mich Windschamane nennt“, sagte ich und er lächelte.
„Du kannst den Wind kontrollieren.“
„Zumindest beugt er sich meinem Willen. Ob man das Kontrollieren nennen kann, weiß ich nicht.“
„Ich habe nicht solches Talent. Vielleicht kann ich ein wenig mit dem Feuer spielen oder andere Dinge. Aber den Wind zu manipulieren, das kann keiner. Nicht einmal Latia.“
„Hat sie dir denn gesagt, woher deine Magie kommt?“
„Nein. Aber ich habe einen verdachte.“
„Und zwar?“
„Als du uns damals verzaubert hast, konnte ich diese neue Kraft in mir spüren. Die Magie, die du benutzt hast, um Kevin zu verwandeln oder uns unter deine Kontrolle zu bringen. Mein Körper hat sie aufgesaugt, wie ein Schwamm. Aber verwenden konnte ich sie nicht. Auch deinen Fluch konnte ich genau spüren und die Kraft absorbieren. Daher nehme ich meine Magie. Du hast meinen Körper quasi dazu bewegt, Magie zu produzieren. Ohne diese Aktion damals, auch wenn sie albern war, hätte ich wohl nie Magie bekommen“, sagte Andre.
Das machte Sinn. Dann war es bei ihm, wie bei mir gelaufen. Durch das berühren von Mi-Lans Fächer hatte ich die Magie angenommen und mein Körper begann selbst welche zu produzieren. Also hatten die anderen ihre Magie genauso bekommen. Aber was war mit Jan.
„Und du, Jan? Wie ist es dir bis jetzt ergangen?“, fragte ich und er sah mich an.
„Schera hat mich getestet und für würdig erwiesen, ein Krieger zu werden. Ein Samurai, in deiner Garde“, sagte er und ich sah ihn erstaunt an.
„Aber Helita leitet doch die Garde“, sagte ich und er nickte.
„Richtig. Aber er bildete mich aus. Helita hat mit mir gesprochen und erachtet mich ebenfalls als würdig. Meiner Karriere steht nichts mehr im Wege“, sagte und ich nickte.
„Schön zu hören. Und Sebi?“
„Meine Präzision ist noch nicht die beste. Aber ich kann den Bogen spannen und relativ genau schießen. Auf zehn Pfeilen treffe ich immerhin vier Mal genau mein Ziel. Aran meint, das ist nicht gut aber auch nicht schlecht. Gilt wohl als Durchschnittswert. Nichts, was man nicht verbessern könnte.“
„Gut. Also habt ihr euch gut eingefunden?“
„Besser, als jemals zuvor. Ich meine, man hat uns hier aufgenommen, wie normale Bewohner dieses Reiches, auch wenn wir völlig fremd waren. Das habe ich noch nie erlebt“, sagte Sebi und ich nickte.
Dann sah ich wieder auf das Land.
„Als ich hierherkam, hat man mich sofort behandelt, wie einen König. Wie einen Gott. Man gab mir Kleidung, eine Unterkunft und noch viel mehr. Am Anfang, muss ich gestehen, fand ich das alles sehr befremdlich. Mein Verhalten hat sich komplett geändert, zum Besseren. Arrogant mag ich immer noch sein, aber auf eine völlig andere Weise. Zudem bin ich viel Autoritärer und mutiger geworden. In dieser Welt kommt der wirkliche Charakter der Menschen zum Vorschein. Hier ist man, wie man wirklich ist und nicht wie man es anderen zeigen will. Auch wenn ich mir bis heute nicht denken kann, dass ich eigentlich bin, wie ich jetzt bin.“
„Das hätte ich auch nie gedacht“, sagte Jan und ich sah ihn an.
„Bei dir verstehe ich es vollkommen, wenn du einen gewissen Groll gegen mich hegst. Es tut mir leid, was ich damals getan habe. Doch so sehr ich es mir auch wünsche, ich kann es nicht ungeschehen machen.“
„Ich denke nicht, dass es nötig sein wird. Mittlerweile verstehe ich, warum du es getan hast. Und muss sagen, dass ich mich auch nicht korrekt verhalten habe“, sagte Jan.
„Trotzdem war es nicht richtig, meine Macht gegen euch auszuspielen.“
„Wir vergeben dir, wenn du uns auch vergeben kannst“, sagte Jan und hielt mir seine Hand hin.
Unsicher ergriff ich sie. Ich konnte gar nicht genau verstehen, was hier gerade ablief. Wir waren versöhnt. Nach allem, was passiert war, hatten wir beschlossen die Vergangenheit ruhen zu lassen? Dass so etwas überhaupt möglich wäre, hätte ich nie gedacht.
„Schon eigenartig“, sagte Andre und wir sahen ihn an.
„Was?“, fragte Jan und wir ließen unsere Hände los.
„Zum einen, das wir hier sind. Dann, dass wir uns versöhnt haben und zum Schluss noch, das Kevin und du, Kai, ein Paar sind“, sagte Andre und Sebi nickte.
„Viele Dinge stellen sich erst spät heraus. Aber am schönsten finde ich, dass wir hier sind“, sagte ich und sie nickten zustimmend.
Wir wollten gerade weitergehen, das ein leises zischen zu mir durchdrang. Irgendetwas flog schnell auf die Mauer zu. Ein Pfeil? Ich sah in die Richtung und wirklich einen Bolzen auf uns zukommen. Auf dieser Flugkurve würde er genau Jan treffen. Ich stieß ihn zur Seite und hob meine Hände. Sofort schlug der Bolzen gegen einen Schutzschild und fiel zu Boden. Erstaunt sahen sie mich an.
„Danke“, sagte Jan und ich nickte.
Sofort sah ich auf das Land und versuchte den Schützen zu finden. Doch was ich sah, gefiel mir gar nicht. Ein Heer von Bogenschützen stand dort. Verflucht. Wo kamen die her?
„Jan“, sagte ich und er sah mich an.
„Lauf und hol Schera. Wir werden angegriffen“, sagte ich und er lief sofort davon.
In Andres Hand erschien ein Feuerball. Sebi zog einen Pfeil und legte ihn an.
„Wer greift uns an?“, fragte er und ich zuckte meine Schultern.
„Vermutlich wieder das Wasserreich“, lautete eine Antwort.
Wer sonst, wenn nicht Schattenschneider, nein Aquis, würde wohl angreifen wollen? Ein weiterer Pfeil kam, wurde aber von einem Schild abgehalten.
„Gebt auf. Meine Schilde halten eure Pfeile ab“, rief ich und sofort kamen mehrere Pfeile geflogen.
Kopfschüttelnd sah ich nach oben. Nicht ein Pfeil kam hindurch.
„Schamane“, rief jemand und ich sah nach unten.
Vor der Mauer stand Aquis und sah mich lächelnd an.
„Aquis. Lange nicht gesehen“, sagte ich und sie nickte.
„Ich hatte viel zu tun.“
„Immer noch auf deiner Mission mich zu befreien?“
„Worauf du Gift nehmen kannst“, sagte sie.
„Oh bitte. Ich habe es dir jetzt schon vier Mal gesagt. Dieses Reich werde ich nicht verlassen“, sagte ich.
Sie wollte gerade antworten, als sich eine Explosion am Tempel ereignete. Sofort sah ich nach hinten und mir schoss nur ein Gedanke durch den Kopf. Kevin. Ich konnte spüren, dass es ihm gut ging. Aber wie lange würde das so bleiben?
„Hast du keine Ehre, dass du meinen Tempel angreifen musst?“, fragte ich und sie schüttelte ihren Kopf.
„Das war keiner von meinen Männern.“
„Andre, Sebi, ihr bleibt hier. Ich lasse die Schilde fallen. Sollte jemand anderes, als Aquis in die Stadt kommen, bringt ihn um“, sagte ich und sie nickten.
„Ich gebe dir die Erlaubnis, meine Stadt zu betreten, Aquis. Aber deine Männer müssen draußen bleiben“, sagte ich und sie nickte.
Sofort fielen meine Schilde und ich löste mich im Wind auf. Vor dem Tempel setzte ich mich zusammen. Das Dach war komplett gesprengt worden. Boreos stand vor dem Tempel und sah zum Eingang.
„Tiger“, rief ich und er sah mich an.
„Den Göttern sei Dank. Dir geht es gut“, sagte er und ich nickte.
„Ich war auf der Mauer“, sagte ich und Aquis erschien neben mir.
„Was will sie hier?“
„Sie hat meine Erlaubnis, die Stadt zu betreten. Was ist hier passiert?“
„Das weiß ich selbst nicht“, sagte er, als plötzlich Kevin und Fabian uns entgegenkamen.
Sie wurden von Chin und Leo geführt. Als Kevin mich sah, rannte er sofort zu mir.
„Kai“, sagte er und fiel mir um den Hals.
„Was ist passiert?“, fragte ich.
Doch bevor ich antworten konnte, kam jemand weiteres aus dem Tempel. Li. Er sah völlig anders aus. Seine Haut war komplett violett. Haare hatte er eh keine. Seine Augen leuchteten rot. Das Schwert war von Wurzeln umhüllt.
„Was ist mit ihm passiert?“, fragte ich und Chin kam zu mir.
„Li ist dem Lotus verfallen“, sagte er und ich sah meinen Freund an.
Li war mein Freund. Mehr als das. Eine Art Familie.
„Hallo, Schamane. Ich danke euch, dass ihr meinen Meister wiederbelebt habt. Mir war gar nicht mehr klar, wie viel Macht ich durch ihn bekommen konnte“, sagte er und lachte.
Auch Lis Stimme war komplett verzerrt. Er kam auf uns zu.
„Zurück mit dir, Dämon“, sagte Boreos und stellte sich vor uns.
„Ich will euch nichts tun. Lass mich nur einmal meinen alten Meister berühren“, sagte Li und ich sah ihn an.
Meinte er mich? Nein, das konnte er vergessen.
„Nein, Li. Ich kann nicht verstehen, was passiert ist. Das bist nicht du“, sagte ich und er lachte.
„Doch. Dies ist mein wahres Gesicht. Genau wie dies eures ist. Mein Meister würde euch gerne persönlich danken, dass ihr ihm so viel Kraft gegeben habt, dass er sich aus seinem Grab erheben konnte.“
„Dein Meister kann zur Hölle gehen, wenn er die Bewohner dieses Reiches bedroht“, sagte ich und Li kniff seine Augen zusammen.
Erst jetzt fiel mir auf, dass eine Lotusblüte auf seiner Brust wuchs. Genau über seinem Herzen.
„Du verstehst die Brillanz hinter den Idealen des Lotus nur einfach nicht. Er will das Beste für dieses Reich und Trimalia. Keine Kriege, keine Toten mehr. Nur ein König, der über alle herrscht“, sagte er und ich begann zu verstehen.
Der Lotus hatte es auf die Weltherrschaft über Trimalia abgesehen. Da machte auch durchaus Sinn. Er war ein Dämonengott und somit auch unheimliche mächtig. Aber seine Macht alleine war nicht genug. Er wollte mehr. Die Welt. Wer wollte das nicht? Ich konnte auch nicht abstreiten, dass es schön wäre, König der ganzen Welt zu sein. Aber eigentlich war es völlig utopisch zu glauben, man könnte die Welt beherrschen. Auch ein Gott konnte das nicht alleine. Also holte er sich Verbündete wie Li. Was ein verdammter Dreckskerl.
„Oh Schamane. Ihr ehrt mich mit eurer Meinung“, sagte jemand und Wurzeln schossen aus der Erde.
Das musste also der Lotus sein. Wurzeln, die einen menschlichen Körper bildeten. Also zeigte er sein wahres Gesicht.
„Lotus“, sagte ich und er lachte.
„Nenn mich doch Zymerana. Immerhin warst du es, der mich wieder mit Kraft versorgt hat. Ich bin dir sehr dankbar dafür. Dank dir konnte ich endlich mein Grab verlassen. Auch wenn du vielleicht nicht mein Schöpfer bist, ähnelst du doch sehr Shian Hi. Er war mehr, als nur ein einfacher Gott. Er war der stärkste Magier aller Zeiten. Herrliche Tage, an denen ich noch frei und unbeschwert leben konnte. Es war einfach himmlisch. Als Schutzgeist des Windreiches. Shian Hi hat mir die Fähigkeit gegeben, zu heilen. Deswegen brauche ich Helfer wie Li. Meine Macht liegt nicht im Töten, sondern mehr im Retten. Eigentlich sehr schade. Shian Hi hätte mir wirklich bessere Kräfte geben können. Meine einzige Waffe ist Gift und das tötet nicht schnell, sondern langsam. Sehr langsam. Ich quäle meine Opfer gerne und das tuen meine Diener auch. Li war einer meiner besten. Er war der Peiniger, mein Diener in jeder Lebenslage. Durch ihn war es mir möglich so viel Einfluss zu erlagen, dass ich beinahe die gesamte Welt knechten konnte. Nur Mei-Trian hat sich mir in den Weg stellen können. Doch auch das nicht mehr. Mit deiner Magie, Lotus, bin ich in der Lage, auch die Götter zu töten. Niemand wird mich aufhalten. Also stelle ich dich vor eine Wahl. Werde mein Diener, oder stirb“, sagte er und reichte mir seine wurzlige Hand.
Ich sah auf sie herunter und überlegte, was ich tun sollte. Natürlich war es ein verlockendes Angebot. Diener eines so mächtigen Wesens, was ein Traum. Der Lotus konnte mir wohl alles geben, was ich wollte. Brauchte ich das denn noch? Ich hatte meine Magie, Freunde und eine Familie. Vielleicht war ich nicht perfekt, aber ich hatte auch nicht mehr den Anspruch das zu sein. Ich nahm einen Fächer und sah auf ihn herunter.
„So ist es Recht. Lass deine Waffen fallen und kommen zu mir“, sagte Zymerana und ich sah ihn wieder an.
Kevin stand neben mir und dache wohl, ich wollte ihm wirklich folgen. Er stieß mich an. Aber ich brauchte keinen Ratschlag von ihm. Der Lotus war keine Option. Eher würde ich sterben. Also tat ich, was ich für richtig hielt. Ich holte aus und schlug seine Hand ab. Er gab einen zischenden Laut von sich und wich zurück. Sofort stellte sich Li vor ihn.
„Das fasse ich mal als nein auf“, sagte er und seine Hand wuchs nach.
„Es ist keine Option dir zu folgen“, sagte ich und er lachte.
„Dies sind die Worte vieler Männer, bevor sie von mir Kontrolliert wurden. Nichts und niemand wird mich aufhalten“, sagte er und Wurzeln schossen auf mich zu.
Doch bevor sie mich erreichen konnten, sprang Kevin nach vorne und blockte sie ab.
„Lass meinen Freund in Ruhe“, sagte er und hielt den Stab bereit.
„Sei nicht dumm, Junge. Du wirst mir keine Sekunde standhalten. Also komm zu mir oder finde deine Zukunft in der Unterwelt.“
Das war zu viel. Ich schob Kevin zur Seite und trat dem Lotus jetzt offen gegenüber.
„Du wirst keinem meiner Freunde oder mir etwas antun. Dafür sorge ich“, sagte ich und zog beide Fächer.
„Denkst du wirklich, dass du eine Chance gegen den stärksten Dämonengott aller Zeiten? Ein kleiner Schamane gegen mich. Du denkst wirklich es wäre möglich mir Einhalt zu gebieten? Lass mir dir einen kleinen Tipp geben. Lauf, solange du noch kannst“, sagte Zymerana und erneut kamen Wurzeln auf mich zu.
Doch diesmal sprang Kevin nicht nach vorne. Diesmal blockte ich sie ab. Mit einem Schild aus Wind. Die Wurzeln wurden zerschnitten und fielen zu Boden. Zymerana sah mich an und reagierte gar nicht auf diesen Schmerz. Hatte er überhaupt welchen?
„Oh nein, Schamane. Ich spüre keine Schmerzen mehr. Dank meiner Macht, spüre ich überhaupt gar nichts mehr. Nur Hass und Verachtung für alle, die in meinem Weg stehen.“
„Dann wirst du diesen Hass bald sehr deutlich spüren, denn hier steht nur Li auf deiner Seite“, sagte ich und er nickte.
„Oh ja. Aber Li ist weitaus mehr, als du dir erträumen kannst. Auf ihn hört in diesem Reich jeder. Und zwar wirklich jeder. Durch ihn habe ich eigentlich die komplette Kontrolle.“
„Nur über meine Leiche“, sagte ich und er sah mir tief in die Augen.
„Das lässt sich machen.“
Sofort schlug er zu. Doch seine Wurzeln scheiterten, an meiner Rüstung. Sie hielt. Zum Glück. Kemitsu hatte hervorragende Arbeit geleistet.
„Du hast also eine gute Rüstung, Magier“, zischte die Blume und wich wieder zurück.
„Oh ja. Kemitsu hat hervorragende Arbeit geleistet.“
„Und wenn schon. Li, töte ihn“, sagte Zymerana und Li kam auf mich zu.
„Lotus, wir müssen hier weg“, sagte Aquis und trat neben mich.
„Ich kann Li nicht hierlassen und mein Reich kann ich auch nicht im Stich lassen“, sagte ich und sah sie an.
„Aber weder der Lotus, noch Li sind Gegner für uns. Wir müssen hier weg und unsere Kräfte sammeln. Vielleicht haben wir Schamanen zusammen eine Chance“, sagte sie.
Ich konnte spüren, das Li uns fast erreicht hatte. Vielleicht hatte sie Rech. Li konnte, was wusste ich, für Kräfte haben. Seufzend hob ich meine Hand und ließ eine Windböe zu mir kommen. Sofort wurde Li nach hinten geworfen. Ich griff nach meinen Freunden und verschwand. Auf der Mauer erschien ich wieder.
„Schera weiß Bescheid, Kai. Doch ohne Li kann er die Armee nicht anleiten“, sagte Jan und ich sah ihn an.
„Vergiss es. Wir müssen sofort weg“, sagte ich und er schickte mir einen verwirrten Blick.
„Keine Zeit für Erklärungen. Aquis, wo können wir hin?“
„In mein Reich. Aber ich kann euch nicht alle Teleportieren“, sagte sie und ich winkte ab.
„Nehmt euch bei den Händen, ich mache das“, sagte ich und sie ergriff meine Hand.
Als alle mich berührten, las ich kurz in Aquis Gedanken, wo ich hinmusste und projizierte uns dann genau an die Stelle. Kurze Zeit später fielen wir alle in einem Thronsaal zu Boden. Den hatte ich wohl um ein paar Meter verfehlt. In dem Haufen lag ich leider ganz unten. Das Gewicht der anderen störte mich aber nicht. Meine Magie tat schon von alleine, was sie noch nicht getan hatten. Sie drückte sie von mir herunter und stellte mich wieder auf die Beine. Danach half ich erst Kevin und dann Aquis beim Aufstehen. Sie sah sich kurz um und nickte dann.
„Herzlich willkommen, im Thronsaal des Wassers“, sagte sie.
Ich sah mich um. Dieser Thronsaal sah genauso aus wie meiner. Nur über der Türe erhob sich kein Tiger, sondern ein Fuchs. Sonst war er völlig identisch. Das wunderte mich schon ein wenig.
„Wurde das damals vom gleichen Bauherren erbaut?“, fragte ich und sie zuckte mit den Schultern.
„Die Tempel scheinen alle gleich zu sein. Im Erdreich sieht es auch so aus.“
„Dessen war ich mir bewusst. Senkum hatte mich schon als Gefangenen. Zum Glück konnten wir das Missverständnis aus der Welt schaffen.“
Das Mädchen nickte und ging dann zu ihrem Thron. Sie nahm Platz und sah uns dann an.
„Was ich eben gesehen habe, beunruhigt mich. Der Lotus ist ein sehr gefährlicher Gegner, zumindest wenn die Geschichten alle wahr sind.“
„Das sind sie“, sagte jemand und wir sahen zum Eingang.
Dort standen Boreos und ein blauer Fuchs.
„Oh, Aqurilana. Ich habe dich ewig nicht mehr gesehen“, sagte Aquis.
„Wir haben versucht herauszufinden, wie Zymerana an die Magie von Lotus kommen konnte. Leider ohne Erfolg.“
„Boreos ich“, begann ich doch er schüttelte sich nur.
„Dir muss nichts leidtun oder unangenehm sein. So wie wir das bisher gesehen haben, konntest du nichts dafür. Shian Hi und der Lotus waren einst verbunden. Deswegen konnte mein Freund ihn auch nie töten. Wenn der Lotus starb, hat er sich Magie von Shian Hi genommen und ist wieder zu Kräften gekommen. Da eure Magie so ähnlich ist, dachte der Lotus sein Meister wäre zurück. Also hat er sich Magie von dir genommen und ist wieder stark geworden. Von dieser Verbindung konntest du gar nichts mitbekommen.“
„Trotzdem ist es meine Schuld“, sagte ich.
„Unsinn“, sagte der Fuchs und kam zu mir.
„Schau mir in die Augen, Lotus“, sagte sie.
Es handelte sich wohl um einen weiblichen Fuchs. Vorsichtig kniete ich mich hin und sah ihr genau in die Augen. Sie waren blau. Genau wie ihr Fell. Wir verharrten kurz so.
„Du bist Shian Hi ähnlicher als du denkst. Eure Kraft unterscheidet sich nicht voneinander. Kein Wunder das Zymerana dachte, du seist sein Meister. Dich trifft wirklich keine Schuld. Ich habe es mitbekommen, aber dachte, dass Boreos es mit Absicht tut. Leider hat da mein rationaler Verstand versagt“, sagte sie.
Was sie sagte war mir unheimlich. Sie konnte nur durch meinen Blick ablesen, was passiert war?
„Was machen wir jetzt?“, fragte Aquis und der Fuchs sah sie an.
„Das einzig richtige. Wir werden alle Schamanen zusammenrufen.“
„Aber in welchem Reich? Hier können wir das nicht machen. Wenn man Lotus bemerkt, wird man versuchen ihn zu töten.“
„Ja, das stimmt. Hier sieht man die anderen Schamanen nicht sehr gerne. Doch es gibt einen Ort, außerhalb der Reiche, den wir nehmen können. Wir Schutzgeister kennen den Weg dorthin und werden euch führen.“
„Lotus, oder wie auch immer ich dich nennen soll“, sagte Aquis und kam auf uns zu.
„Es tut mir leid, aber ich kann dich nicht lange in diesem Reich festhalten. Wenn meine Generäle dich bemerken, werden sie sofort versuchen dich zu töten. Ich weiß, dass dies ein sinnloses Unterfangen wäre, aber abhalten kann ich sie nicht. Also wollen wir einen Disput sofort vermeiden.“
„Verständlich. In mein Reich kann ich ja jetzt nicht mehr zurück, wo könnten wir sonst hin?“, fragte ich und sah Boreos an.
Er überlegte kurz, als etwas in meiner Tasche zu vibrieren begann. Das war mein Handy. Erstaunt kramte ich es hervor. Auf dem Display war das Symbol eines Kristalls. Unsicher klickte ich darauf und sofort erschien Chins Gesicht über dem Gerät.
„Schamane, hört ihr mich?“, fragte er und ich nickte erst nur Stumm.
„Ja, Chin. Wir hören dich“, antwortete Boreos und er atmete auf.
„Ich wusste nicht, ob ich die Frequenz eures Mobilen Geräts erreichen könnte. Aber offenbar hat es geklappt. Hört mir zu. Ich bin geflohen, mit den anderen Generälen. Wir haben versucht noch mehr Menschen mit zu nehmen, doch das hatte leider keinen Erfolg. Der Lotus hat die gesamte Stadt in seinem Griff und beginnt wieder die Liebe der Menschen zu klauen. Dadurch wird er wieder stark genug, noch mehr Schaden anzurichten.“
„Chin, wo können wir hin? Im Moment befinde ich mich, mit meinen Freunden im Wasserreich. Aber hier können wir nicht mehr lange bleiben.“
„Ja, dessen bin ich mir bewusst. Die Feuerschamanin Ignis hat angekündigt, euch aufzunehmen. Genauso jeden Flüchtling, der es aus der Stadt herausschafft. Wir treffen uns gleich vor der Stadtmauer“, sagte Chin und die Verbindung brach ab.
Ich sah Boreos an und steckte das Handy dann weg.
„Also hat Ignisia entschieden uns aufzunehmen“, sagte er und ich sah ihn an.
„Wer ist Ignisia?“
„Meine Schwester die rote Katze. Wir müssen sofort ins Feuerreich. Lotus?“, fragte er und ich nickte.
Sofort hielt ich meinen Freunden meine Hand hin. Sie ergriffen sie und ich griff dann Boreos in den Nacken. Im nächsten Augenblick standen wir vor einer Stadtmauer. Sie sah genauso aus, wie im Windreich.
„Da seid ihr ja“, sagte Chin und kam auf uns zu.
„Den Göttern sei Dank, geht es euch gut“, sagte ich und er nickte.
„Es war knapp, aber wir sind durchgekommen.“
„Diese verflixte Blume. Nicht auszudenken, was er mit meinen Soldaten anstellen wird“, sagte Schera und Jan trat vor.
„Melde Gehorsams, habe Schamanen beschützt, so gut ich konnte.“
Was redete er da? Wovor wollte er mich beschützten?
„Danke, Jan. Du hast deine Arbeit gut gemacht. Immerhin geht es einem meiner Soldaten gut.“
„Ich habe eure Rekruten und mich selbst retten können. Der Lotus hatte zum Glück nicht die Möglichkeit durch meine Rüstung hindurch zu kommen. Dem Kampf gegen Li sind wir dann aus dem Weg gegangen“, sagte ich und Latia nickte.
„Immerhin. Li aus dem Weg zu gehen war weise. Wer weiß, was für Kräfte er jetzt hat. Li war schon immer ein sehr starker Krieger. Unter dem Einfluss des Lotus könnte er noch stärker geworden sein. Den Kampf hättet ihr nicht gewinnen können“, sagte sie.
„Wir sind alle gesund und munter hier. Das ist erstmal alles was zählt“, sagte Chin und trat auf das große Tor zu.
Er hob seine Hand und klopfte. Das war lächerlich. Niemals würde man dieses einfache Klopfen durch das dicke Holz hören. Falsch gedacht. Das Tor ging auf. Ein Mädchen mit blonden Haaren kam zum Vorschein. Neben ihr eine Katze, mit feuerrotem Fell. Sie sahen uns entgegen.
„Chin“, sagte das Mädchen und er verneigte sich.
Dann sah sie uns an.
„Kommt schnell. Wir müssen sofort in den Tempel“, sagte sie und wir gehorchten.
Zusammen liefen wir durch die Stadt. Sie war genauso angeordnet wie Wiluchu. Also fand ich den Weg zum Tempel fast alleine. Die Schamanin sah sich immer wieder um. Bis wir endlich die Mauer des Tempels erreichten. Sie öffnete die Tore und winkte uns herein. Sofort liefen wir ihr nach. Hinter uns schloss sie die Tore.
„Jetzt haben wir mehr Zeit. Herzlich willkommen im Feuerreich. Mein Name ist Ignis und neben ist Ignisia. Wir sind die Herrscher dieses Reiches. Ich habe gehört, was passiert ist. Es ist eine Tragödie. Der Lotus sollte eigentlich nicht mehr auferstehen. Wir wissen, was passiert ist. Euch wird niemand Vorwürfe machen. Denn keiner, außer uns Schamanen weiß was passiert ist. Nur, das er zurück ist.“
„Danke, Schamanin“, sagte ich und verneigte mich.
„Seid nicht so förmlich, Lotus. Wir sind beide Schamanen. Also könnte man sagen, wie sind Kollegen. Also bitte, nennt mich Emilie“, sagte sie und lächelte.
Ich konnte sehen, wie Kevin ein wenig eifersüchtig zu ihr sah. Er hoffte hoffentlich nicht, dass ich sie interessanter fand als ihn.
„Nennt mich Kai, wenn ihr wollt. Es ist auf jeden Fall nett, dass ihr uns aufnehmt“, sagte ich und sie nickte.
„Ich warte schon lange auf eine Audienz bei euch. Wenn ich nicht zu euch kommen kann, dann kommt ihr eben zu mir. Andere Umstände wären mir zwar lieber, aber ich habe schon vorgesorgt. Es gibt nicht genug Zimmer für euch alle. Also müsst ihr euch Zimmer teilen“, sagte sie und sah Leo an.
Irgendwie konnte ich in seine Augen ablesen, dass er unheimlich fasziniert von ihr war. Nutzte sie auch Zauber, damit Männer ihr schneller verfallen würden? Langsam ging er auf sie zu.
„Ignis, war euer Name? Es ist mir eine Ehre euch kennen zu lernen. Ich bin Chins Lehrling“, sagte er und nahm ihre Hand.
Genüsslich drückte er einen Kuss auf ihren Handrücken. Verwirrt sah sie ihn an.
„Schön. Also zurück zu den Räumen. Kai, wenn es dir nichts ausmacht, könntest du in meinen Gemächern bleiben.“
Jetzt konnte ich Kevins Wut spüren. Wie konnte sie sich erdreisten, mir dieses Angebot zu unterbreiten. Ich sah ihn an. Seine Augen teilten mir eins ganz deutlich mit. Wag es dich, mit ihr zu gehen. Nein, das würde ich nicht machen. Niemals. Sie mochte ja, für eine Frau, hübsch sein, aber sie bleib eine Frau.
„Das finde ich sehr nett von euch, doch leider muss ich ablehnen. Ich würde es vorziehen, bei meinem Freund zu bleiben“, sagte ich und zog Kevin zu mir.
Eine gewisse Enttäuschung konnte ich ihn ihrem Gesicht sehen.
„Wie ihr das Wünscht. Ein Diener wird euch in euer Gemach führen.“
Erst jetzt fiel mir auf, dass die Sonne schon langsam begonnen hatte sich zu senken.
„Ihr anderen werdet in einem Haus auf dem Gelände hier untergebracht. Meine Generäle wissen wer ihr seid und werden euch gut behandeln. Wenn nicht, werde ich ihnen ordentlich Feuer machen“, sagte sie und ging.
Wir blieben und warteten, bis die Diener kommen würden. Das war auch schnell der Fall. Sie waren zu zweit. Einer führte Kevin und mich in den Tempel hinein. Der andere führte meine Freunde zu ihrem Haus. Im Tempel war es stickig. Irgendwie auch sehr warm. Brannte Feuer unter ihm?
„Sagt mir, guter Mann. Warum ist es hier so warm drinnen?“, fragte ich den Diener und er lachte.
„Es handelt sich um den Feuertempel, Herr. Unter ihm liegt ein Lava See, der die Temperatur in die Höhe treibt. Für seinen Bau wurden spezielle Techniken verwendet, damit der Boden nicht absackt oder durchbrennt. Keine Sorge, in den Zimmern gibt es eine Möglichkeit, die Temperatur zu senken.“
Damit gingen wir weiter und erreichen den Thronsaal. Auch hier war wieder alles genauso, wie woanders. Der Mann führte uns weiter, bis er einen weiteren Gang erreichte und vor einer Türe stehen blieb.
„Euer, Zimmer. Alles Weitere wird die Schamanin euch erklären“, sagte er und ging dann.
Ich öffnete die Türe und sah in das Zimmer.
„Das sieht genauso aus, wie mein Zimmer“, sagte Kevin und wir traten ein.
„Auch die Einrichtung?“
Kevin sah sich um und ging dann zu dem Bett.
„Nein. Die ist Geschmacklos“, sagte er und ich musst lachen.
Langsam ging ich auf ihn zu und sah ihm tief in die Augen. Kevin war nervös. Er wusste wohl noch nicht so genau, was er von der ganzen Sache halten sollte. Zum einen mochte es sein, weil wir in einem fremden Tempel waren. Zum anderen mochte es auch wegen dem Lotus sein. Dem Dämon der, wer wusste was, im Windreich anrichten würde. Oder war es wegen Ignis vielleicht? War er immer noch Eifersüchtig?
„Was ist los?“, fragte ich und er sah zu Boden.
„Kai, ich. Das ist alles so viel. Mir gefällt es nicht, dass du bald in den Krieg ziehen wirst und das auch noch gegen einen Gegner, von dem niemand so wirklich weiß, wie stark er letztlich sein kann. Ich will dich nicht verlieren“, sagte er und sah mir wieder in die Augen.
Ja, da hatte er Recht. So wie ich Boreos und seine Geschwister verstanden hatte, würden wohl wir Schamanen den Kampf führen müssen. Mir gefiel das auch nicht. Vor allem hatte ich den Lotus schon gesehen und wusste, was uns erwartete. Diese Blume war stärker, als alles was ich je gesehen hatte. Shian Hi musste beinahe all seine Kraft in ihn hineingelegt haben.
„Das gefällt mir auch nicht. Aber wer, wenn nicht wir Schamanen, sollte dem Lotus Einhalt gebieten?“, fragte ich und er wendete sich wieder.
„Jemand anderes. Ihr seid Könige. Warum solltet ihr Kämpfen?“
„Weil es unsere Pflicht ist, die Menschen in Trimalia zu beschützen.“
„Komm schon. Was hält dich davon ab einfach zu sagen, nein. Bleib bei mir, Kai. Ich würde nicht mehr ohne dich leben wollen.“
„Was mich davon abhält? Mein Gewissen. Es hat geschlafen, bis ich hierherkam. Doch jetzt ist es wieder wach. Ich kann nicht zulassen, dass der Lotus unschuldige Menschen knechtet nur, weil ich zu feige bin ihm gegenüber zu treten. Nein, ich kämpfe. Und wenn es mich das Leben kostet, dann kann ich immerhin in der Gewissheit leben, dass ich alles getan habe, um dir ein angenehmes Leben zu ermöglichen.“
Er sah mich wieder an. Was störte ihn? Irgendwie hatte ich das Gefühl, als würde etwas versuchen in seinen Körper einzudringen. Oh nein. Zymerana musst versuchte an ihn heran zu kommen. Bloß wie? Moment, war es möglich? Ich schickte meine Magie in Kevins Körper und sah ihn mir an. Da. Zymerana hatte es irgendwie geschafft Sporen in Kevins Körper zu bekommen. Sie begannen ihn zu infizieren. Kleine Wurzeln bildeten sich bereits an seinem Herzen. Oh nein, du würdest mir Kevin nicht wegnehmen. Li von mir aus, vielleicht auch Jan oder einen anderen, aber nicht Kevin. Um sein Herz bildete sich einen Feuerschild, der die Wurzeln verbrennen ließ. Alle weiteren Keime wurden ebenso abgetötet. Das sollte gegen Zymeranas Einfluss helfen. Ich zog mich zurück. Kevin blinzelte erstaunt und sah mich an.
„Was war los?“, fragte er und sah zu Boden.
„Der Lotus hat versucht dich zu infizieren“, sagte ich und er sah mich wieder an.
„Du musst schnell etwas gegen ihn machen. So kann das nicht weitergehen. Er ist wie eine Wand, die versucht in dich einzudringen. Seinem Einfluss konnte ich mich nur bedingt entziehen.“
„Das dachte ich mir. Er war schon an deinem Herzen. Mit einem kleinen Feuer konnte ich aber alle Ableger in deinem Körper verbrennen.“
„Gut so. Wir müssen dringend etwas gegen den Lotus machen“, sagte er.
„Das sehe ich genauso.“
„Denkst du, wir haben eine Chance?“
„Vielleicht haben wir die, vielleicht auch nicht. Das vermag keiner zu sagen. Ich habe den Lotus zwar schon bekämpft, weiß aber nicht, zu was er wirklich fähig sein kann. Was er uns gezeigt hat muss nur ein Bruchteil seiner eigentlichen Macht sein. Wäre es nicht so, dann wäre es lächerlich für einen Dämonengott.“
„Ich hoffe nur, dass nichts passiert. Dich zu verlieren wäre ziemlich hart.“
Nicht nur für ihn. Man konnte eigentlich sagen, Kevin zu verlieren machte mir genauso viel Angst, wie mein eigenes Leben zu lassen.
„Es wäre auch hart, dich zu verlieren. Ich hoffe einfach nur, dass der Kampf nicht so hart sein wird, dass wir Schamanen unser Leben lassen muss. Würde einer von uns sterben, dann wäre das Gleichgewicht dieser Welt zerstört und wir würden im Chaos versinken.“
„Das muss nicht sein. Hast du schon einen Plan?“
„Nein, das habe ich nicht. Ich weiß aber auch nicht, welche Fähigkeiten meine Kollegen haben. Weder Ignis noch Aquis habe ich bis jetzt richtig bekämpft. Ihre Fähigkeiten könnten viel weitergehen, als ich mir das ausmalen kann. Senkum ist stark. Sehr stark. Seine Kraft ist so enorm, dass er mir mit einem Angriff die Schulter brechen konnte. Ein Schlag von ihm kann viel bewegen. Aber in wie fern uns das gegen den Lotus hilft, weiß ich nicht.“
„Und was ist mir deinen Fähigkeiten?“
„Da fürchte ich, bin ich komplett raus. Der Lotus hat meine Magie. Also werde ich nicht zu ihm vordringen können. Aber in wie weit das auch wirklich stimmt kann ich nicht sagen.“
„Schon eigenartig. Wie konnte das eigentlich passieren?“
„Man hat mir gesagt, dass meine Magie der von Shian Hi so ähnlich ist, dass der Lotus mich für ihn gehalten hat. Und so hat er sich dann meiner Magie bedient um wieder zu Kräften zu kommen. Aber das hast du eben ja auch schon mitbekommen.“
„Ja, soweit hatte ich das verstanden. Nur mir es immer noch ein Rätsel, wie er dich verwechseln konnte. Ich kenne Shian Hi zwar nicht, aber denke mir, dass es eigentlich unmöglich ist, dich an eurer Magie zu verwechseln. Latia hat mir erklärt, dass die Magie eigentlich immer Individuell ist. Bei uns könnte, dass etwas Anderes sein, weil ich sie von dir beziehe. Doch Shian Hi und du?“
„Vielleicht habe ich unbewusst sein Erbe bekommen“, sagte ich und sah auf meine Hand.
Der Ring. Shian His Ring für würdige Nachfolger.
„Dieser Ring“, sagte ich und zog ihn vom Finger.
„Wo hast du den her?“
„Den hat Li mir gegeben. Das ist Shian His Ring für würdige Nachfolger. Vielleicht hat er damit etwas zu tun.“
„Gut möglich. Ich bin müde. Wir sollten vielleicht morgen darüber nachdenken“, sagte er und begann sich zu entkleiden.
Ich tat es ihm gleich. Als wir uns Schlafgewänder geholt hatten und umgezogen waren, legten wir uns hin. Dies würde die erste Nacht werden, in der wir zusammen in einem Bett schliefen.
Die Nacht war wirklich angenehm. Mit Kevin zusammen zu schlafen war kein Problem. Es war sogar relativ angenehm. Nicht alleine zu sein, machte mich irgendwie glücklich. Ich sah ihm kurz beim Schlafen zu und erhob mich dann. Er bekam davon gar nichts mit. Lächelnd legte ich meine Rüstung an, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und ging dann. Langsam ging ich durch den Tempel und erreichte den Thronsaal. Emilie saß schon dort und bereit sich mit Boreos und Ignisia. Worüber sie sprachen wusste ich nicht.
„Guten Morgen, Kai“, sagte sie und lächelte mich an.
„Morgen“, gab ich zurück und trat näher.
Sie musterte mich. Dann fiel ihr Blick auf meine Hand.
„Es tut mir leid, wenn ich euren Mann gestern verärgert habe“, sagte sie und ich sah sie verwirrt an.
Ach ja, der Ring.
„Wir sind noch nicht verheiratet. Noch sind wir nur Freunde. Enge Freunde. Ich würde nicht mehr ohne ihn leben wollen. Aber wir sind noch nicht verheiratet.“
„Aha. Warum tragt ihr dann einen Ring?“
„Das ist Shian His Ring für würdige Nachfolger“, sagte ich und der Tiger kam zu mir.
„Könnte es sein?“, fragte er und sah seine Schwester an.
„Ja, es könnte sein, dass dadurch der Lotus dachte, Shian Hi sei zurück“, sagte Ignisia und ich sah auf sie herunter.
„Das ist mir gestern auch so durch den Kopf gegangen. Wäre das denn möglich?“
„Je nachdem, was dieser Ring macht, ja.“
„Wer hat ihn dir gegeben?“, fragte Boreos.
„Li“, antwortete ich.
„Wenn dann nur, ohne das Wissen, dass dadurch der Lotus zurückkommen würde. Also war es wirklich mehr ein Unfall.“
„Egal was es war. Wir müssen den Lotus auf jeden Fall wieder in sein Grab bringen“, sagte Emilie und wir sahen zu ihr.
„Das ist richtig. Wann geht es los? Wissen die anderen Schamanen schon bescheid?“, fragte ich und Emilie nickte.
„Senkum und Aquis sind informiert. Ihre Partner werden sie bald zu unserem Treffpunkt führen.“
„Dann sollten wir uns auf den Weg machen, oder?“, fragte ich und die anderen nickten.
„Ich würde uns hinbringen. Leider kann ich dich nicht teleportieren, Lotus. Ich zeige dir wo wir hinmüssen“, sagte Boreos und sie berührten mich.
Ich sah mir an, wo Boreos hinwollte. Im nächsten Moment fanden wir uns in einer Höhle wieder. Sie war Groß und sah nicht so aus, als wäre sie auf natürlichem Wege entstanden. Die Wände waren glatt und keine Steine ragten hervor.
„Hier haben wir uns früher immer getroffen. Diese Höhle liegt unter Jaiken, dem Göttertempel“, sagte Ignisia.
„Unter dem großen Tempel? Also wirklich neutrales Gebiet?“, fragte Emilie.
„Richtig hier wird niemand herkommen um uns zu stören.“
Ich ging durch den Raum und sah mir die Ausmaße an. Sie waren beinahe nicht zu erfassen. Die Höhle war so groß wie mein Thronsaal. Ich ging gerade zu meinen Freunden zurück, als die anderen Schamanen erschienen. Zusammen mit ihren Partnern.
„Da sind wir“, sagte Sekama.
Die Schamanen sahen erst Emilie und dann mich an.
„Alle Schamanen sind hier. Wir beginnen mit unserer Beratung über die neusten Entwicklungen. Zymerana ist zurück“, sagte Boreos und betretende Stille erhob sich.
„Wie konnte das passiere?“, fragte Sekama.
„Er hat sich mit Kais Magie verbunden, weil er ihn für Shian Hi gehalten hat. Es war ein Unfall“, sagte Ignisia und er sah sie an.
„Das ist schlecht. Was sollen wir machen?“, fragte Aqurilana.
„Kämpfen“, sagte Senkum.
„Bist du noch ganz bei dir? Wir reden von Zymerana. Einem Schutzgeist, dem nicht einmal die Götter gewachsen sind. Warum solltet ihr auch nur den Hauch eine Chance haben?“, fragte Ignisia.
„Weil wir jetzt zusammen arbeiten“, sagte ich und alle sahen mich an.
„Was?“
„Wir arbeiten zusammen. Alle vier Schamanen. Gibt es eine Kraft, die größer ist, als unsere Vereinte? Niemand kann sich den Schamanen in den Weg stellen, wenn sie eine Einheit sind.“
„Aber ihr kennt euch kaum. Die Reiche vertrauen dir nicht, Kai und die anderen haben vielleicht ihr Vertrauen, aber nicht die Kraft“, sagte Boreos.
„Richtig. Die Reiche vertrauen mir nicht. Und vielleicht sind die anderen Schamanen nicht stark genug, für den Lotus. Doch letztlich wird es keinen anderen Weg geben, als einen Kampf. Wir müssen es versuchen. Ich will meinen Partner und mein Reich in Sicherheit wissen. Und wenn ich dabei mein Leben lasse, dann ist es so. Niemand vergreift sich ungestraft am Windreich.“
„Welch noble Absicht hinter deiner Ansprache steckt“, sagte Aquis und kam auf mich zu.
„Doch letztlich müssen wir der Wahrheit ins Auge sehen. Nicht einmal Mei-Trian konnte den Lotus schlagen. Und er ist stärker, als wir alle zusammen.“
Ich schüttelte meinen Kopf. Wollten sie es nicht verstehen? Wo ein Wille war, da war ein Weg. Wenn nötig, würde ich den Lotus alleine bekämpfen. Mit Kevin zusammen. Sollten wir abtreten, dann zusammen.
„Wenn es sein muss, stelle ich mich ihm alleine, wenn ihr nicht wollt. Es ist unsere Pflicht, die Reiche zu beschützen“, sagte ich und Aquis nickte.
„Ich war auch noch nicht ganz fertig. Genau das wollte ich sagen. Es ist unsere Pflicht. Wir sind die besten Schamanen aller Zeiten und wenn wir nicht kämpfen, wer dann? Die Götter bestimmt nicht. Und ihr Schutztiere solltet auch nicht euer Leben aufs Spiel setzten.“
„Seid bitte nicht so unvernünftig. Ja, es stimmt. Ihr seid die fähigsten Schamanen, die wir je hatten. Doch Zymerana macht kurzen Prozess“, sagte Aqurilana.
„Dann können wir immerhin in Gewissheit gehen, alles getan haben, um unsere Aufgabe zu erfüllen. Wenn das nicht gut genug ist, dann ist es so“, sagte Senkum.
„Nein, das lassen wir nicht zu“, sagte Sekama.
„Warum wollt ihr nicht, dass wir gehen? Sind euch die Bewohner der Reiche unwichtig?“, fragte Emilie.
„Das nicht, nur“, begann Ignis.
„Nur sie haben Angst, dass niemand den Lotus aufhalten kann oder einer von euch ihm verfällt“, sagte Boreos und ich sah ihn an.
„Und was ist mit dir?“, fragte ich.
„Es geht hier um mein Reich. Ich werde alles tun, um es zu beschützen. Und wenn es mich das Leben kostet. Niemand wird mich davon abhalten.“
„Genau so sehe ich das auch“, sagte ich und die anderen nickten.
„Dann ist es beschlossen. Aber zuvor sollten wir eine Strategie ausarbeiten“, sagte Senkum.
„Vielleicht sollten wir mit dem Kennenlernen anfangen“, sagte Emilie und sie lachten.
„Wie meinst du das?“
„Kai und ich, wir haben uns unsere richtigen Namen verraten. Aber wir kennen eure noch nicht.“
„Ach, so meinst du das. Nun denn“, begann Sekama, doch ich schnitt ihm das Wort ab.
„Ich beginnen. Mein Name ist Kai. Ich bin der Windschamane und stärkster Magier aller Zeiten, zumindest von dem, was ich gehört habe.“
Sie sahen mich an.
„Mein Name ist Christian. Mich nenne aber alle nur Chris. Ich bin Erdschamane und stärkster Krieger aller Zeiten. Dazu ein Meister im Umgang mit Waffen.“
„Mich nennt man Leila, die Meisterassassinen. Ich habe die Kunst der Tarnung perfektioniert.“
„Ich höre auf den Namen Emilie und bin die Feuerschamanin. Meine Stärker liegt in meiner Ausgeglichenheit. Magie, sowie auch Körperkraft ist gleich verteilt.“
„Jetzt wissen wir, mit wem wir es zu tun haben“, sagte Chris.
„Das kann ein Fehler gewesen sein. Wir haben euch diese Spitznamen nicht umsonst gegeben“, sagte Aqurilana.
„Und welcher bahnbrechender Gedanke stand dahinter?“, fragte Leila.
Bevor einer der Schutztiere Antworten konnte, tat ich es.
„Mit eurem richtigen Namen, kann ein Magier, so wie ich, die Kontrolle über euch gewinnen, ohne, dass ihr euch dagegen Wehren könnt. Wenn der Lotus einen unserer Namen kennt, dann könnte er uns in seine Gewalt bekommen, ohne dass wir eine Chance hätten, etwas dagegen zu tun. Eine kleine Tatsache, die in dieser Runde wohl nur mir einen Vorteil verschaffen könnte“, sagte ich.
„Falls wir dich angreifen?“, fragte Chris.
„Zum einen. Zum anderen aber dass ich eure Körper kontrollieren könnte um euch zu beschützen. Es hat nicht nur Nachteile, dass wir unsere Namen kennen“, sagte ich und sah die Schutztiere an.
„Verstehe ich das richtig? Du kannst, sagen wir einmal, Emilie kontrollieren und gegen einen von uns Kämpfen lassen? Rein Theoretisch“, sagte Leila und ich nickte.
„Soll ich es dir zeigen?“
Sie nickte. Ich sah Emilie an und auch sie nickte.
„Nun gut.“
Ich hob meine Hand und richtete sie auf Emilie. Sofort schoss ein kleiner Magiestreifen auf sie zu und verband sich mit ihrem Körper. Jetzt konnte ich ihr Herz spüren und auch ihre Kraft. Vorsichtig bewegte ich ihre Finger. Dann ihren Arm. Letztlich ihren ganzen Körper. Emilie war jetzt meine Marionette. Sofort sprang ich nach hinten und befahl Emilie, Leila anzugreifen.
„Was geht hier vor?“, fragte sie und griff Leila an, wie ich es ihr befohlen hatte.
Das war wieder ein Moment, in dem ich mich mächtig fühlte. Zu mächtig, als das ich aufhören wollte, meine Macht auszukosten. Emilie kämpfte verbissen gegen Leila.
„Das reicht, Kai“, sagte Chris und ich sah zu ihm.
Doch mir machte es gerade zu viel Spaß. Also ignorierte ich seine Aussage. Das schien er auch zu bemerken, also zog er seine Schwerter und lief auf mich zu. Sofort hob ich meine andere Hand und übernahm auch seinen Körper. Dann ließ ich ihn ebenfalls gegen Leila kämpfen. Sie fluchte laut und wich den Schlägen von Chris aus. Die Zwei drängten sie in die Ecke. Dann tat sie etwas, womit ich gerechnet hatte. Sie sprang ab und kam direkt auf mich zu. Doch bevor sie mich erreichen konnte, übernahm ich auch ihren Körper.
„Netter Versuch. Aber leider umsonst“, sagte ich und die drei stellten sich vor mir auf.
Dann ließ ich sie, sich verneigen und löste die Kontrolle.
„Und genau aus diesem Grund, sehen die Schutztiere es als riskant an, unsere richtigen Namen zu kennen. Der Lotus könnte das gleiche machen.“
„Können wir das auch?“, fragte Leila und sah mich an.
„Ihr könntet es versuchen. Aber ich fürchte, ihr habt wenig Aussicht, auf Erfolg. Denn genauso, wie ich die Technik kenne, weiß ich auch, wie man das ganze abwehrt“, sagte ich und sofort sahen mich alle an.
„Du kennst einen Weg, das zu verhindern?“, fragte Boreos.
„Natürlich. Aber den wird keine von euch durchführen können. Es ist beinahe so kräfteraubend, wie die Welle der Leere. Also versucht es bitte nicht. Das könnte euer Ende bedeuten.“
„Also gibt es einen Weg, aber der bringt uns um. Das ist gut zu wissen“, sagte Chris.
„Ihr habt gesehen, was passieren kann, wenn jemand euren Namen kennt. Der Lotus könnte Kais Namen kennen, weil Li sein Diener war. Deswegen müssen wir besonders auf ihn aufpassen“, sagte Sekama.
„Nein. Achtet nicht auf mich. Wenn der Lotus meinen Namen kennt, wird er versuchen mich in seine Gewalt zu bringen. Ich weiß nicht wie lange, doch ich werde ihm wiederstehen können. In dieser Zeit ist er verwundbar. Dann müsst ihr ihn angreifen“, sagte ich.
„Das ist Wahnsinn. Wenn er dich hat, dann können wir einpacken. Auch wenn du deine Magie rein intuitiv benutzt, kann der Lotus, wer weiß was, mit deiner Magie anrichten“, sagte Boreos.
„Aber dafür muss er sie zuerst bekommen.“
„Denkst du wirklich, du wirst ihm lange genug standhalten können?“, fragte Leila.
„Das weiß ich nicht“, antwortete ich.
„Ja, das wird er“, sagte Emilie und wir sahen sie an.
„Woher willst du das wissen?“
„Weil ich an ihn glaube. Kai hat einen starken Willen. Und viel Kraft. Er wird dem Lotus die Stirn bieten können.“
Es ehrte mich, dass Emilie an mich glaubte. Aber konnte ich ihre Erwartungen wirklich erfüllen. Ich wollte gerade etwas sagen, als eine heftige Erschütterung uns zusammenfahren ließ.
„Was war das?“, fragte ich und Chris sah auf.
„Mein Reich“, sagte er und verschmolz mit der Erde.
„Was ist passiert?“, fragte Leila und sah Sekama an.
„Jemand greift das Erdreich an. Die Mauer wurde bereits durchbrochen“, sagte er und verschwand ebenfalls.
„Das ist nicht gut. Wir müssen ihnen helfen“, sagte Ignisia und sofort lösten die Anderen sich auch auf.
Nur ich blieb zurück. Alleine, in der Höhle. Ich sah mich um. Eigentlich sollte ich ihnen helfen. Aber irgendwas störte mich. Hier war jemand. Ich konnte sehr deutlich, seine Magie spüren.
„Wer ist da?“, fragte ich und jemand lachte.
„Wie unerwartet, dass du mich bemerkst“, sagte die Person und sofort erhob sich Zymerana aus der Erde.
„Du?“, fragte ich und er lächelte.
„Wer sonst? Ich habe dich beobachtet, Lotus. Wir einfältig, dass Li dich so genannt hat. Er will mir nur deinen richtigen Namen nicht verraten. Dafür brauche ich mehr Zeit und Kontrolle. Aber letztlich muss ich ja auch nicht zu Li gehen, damit ich deinen Namen erfahre. Die anderen Schamanen werden bestimmt auch reden, wenn ich ihnen zeige, wer in meiner Gewalt ist“, sagte Zymerana und lächelte mich böse an.
„Wenn du denkst, dass ich Kampflos aufgebe, dann hast du dich geschnitten, Mauerblümchen.“
Ich zog meine Fächer und machte mich Kampfbereit.
„Oh bitte, Lotus. Ich bin nicht hier um zu kämpfen. Eigentlich will ich dir einen Handel anbieten. Ich lasse dein Reich und deinen Freund in Ruhe, wenn du einwilligst, mit mir zu kommen. Werde mein Diener und ich werde niemandem etwas antun.“
Erwartete er, dass ich seinen Worten glaubte? Obwohl. Mein Leben, für das Leben von Tausenden. Dennoch, würde ich ein Diener dieses Monster werden. War es das wirklich wert?
„Erwartest du, dass ich dir glaube?“, fragte ich und er sah mir tief in die Augen.
„Frag dein Herz, Lotus. Ist dein Leben so wichtig, wie das deines gesamten Reiches? Boreos hat dir den Floh ins Ohr gesetzt, dass jeder dich braucht. Doch letztlich fürchten sie dich alle. Sogar deine Freunde haben Angst vor dir. Die einzigen Personen, die dich normal behandeln sind Li, Kevin und ich. Ja, Lotus. Ich behandle dich als der, der du wirklich bist. Ein Magier. Stärker als alle anderen. Was kümmern dich eigentlich diese ganzen Menschen?“
„Ich bin ein Schamane und als solcher muss ich die Reiche verteidigen.“
„Richtig. Aber wirklich um jeden Preis. Denkst du nicht, dass irgendwann auch mal jemand etwas für dich machen sollte? Wer gibt dir denn etwas zurück? Du gibst und gibst. Kevin bekommt deine Liebe und seine Freunde. Zwei Schamanen hast du ihr Leben geschenkt. Der Tiger bekommt deine Loyalität. Das Windreich bekommt deine uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Jeder Bewohner wird bevorzug behandelt. Jeder steht vor dir. Doch weiß es jemand zu schätzen? Der Wolf und auch der Fuchs wollten dich vernichten lassen. Senkum hat dich sogar gefangen, nachdem er deinen Freund angegriffen hatte. Jeder erhält etwas von dir. Aber du bekommst nichts zurück. Ich will dir etwas schenken, Lotus. Mein Vertrauen. Ich vertraue auf deine Kraft. Sie wird mein Reich wieder zu dem Glanz führen, den es damals hatte. Oh, was war das Windreich damals schön.“
„Hast du nicht das Land vergiftet?“, fragte ich und der lachte.
„Nein, das war nicht ich. Alle behaupten das. Doch eigentlich hat das einen anderen Grund. Kennst du die Geschichte von Shian Hi?“
„Nur, dass er ein Gott war und jetzt tot“, sagte ich und er nickte.
„Das dachte ich mir. Niemand hat dir etwas erzählt, oder? Shian Hi hat mich erschaffen, um eine seltene Krankheit namens Zymerana zu heilen. Ich alleine, habe die Kraft, diese Krankheit zu besiegen. Sie tritt selten auf, aber wenn sie es einmal tut, ist sie wie die Pest. Damals wurde beinahe das gesamte Windreich ausgerottet. Bis Shian Hi eine Heilung dafür fand. Und diese Heilung war ich. Er brauchte einen Heiler, der immer da war. Also wurde ich zum Schutzgeist des Windreiches. In dieser Zeit wurde der Tiger nicht gebraucht. Das fand er gar nicht so toll, kannst du dir ja bestimmt denken. Also forderte er mich heraus. Wir trafen uns, wo das Land heute vergiftet ist. Was der Tiger nicht wusste ist, dass meine Säfte hoch giftig sind. Kommt man damit in Berührung, dann gibt es keine Hoffnung mehr. Und genau das ist dort passiert. Hinterrücks hatte der Tiger mich angreifen lassen. Was du, als Vergiftetes Land kennst, ist einfach nur von meinem, Blut, wenn du so willst, berührt worden. Es war nicht meine Schuld. An diesem Tag konnte Shian Hi mich retten, und hat den Tiger bestraft. Er redet nie darüber. Es ist ja auch viel einfacher zu behaupten, dass ich es war. Pah. Dieser Tiger widert mich an. Scheinheiliger Dämon.“
„Moment, Dämon?“
„Wusstest du das nicht? Die Schutztiere sind keine magischen Tiere. Es sind Dämonen. Sie haben ihre dämonische Kraft abgegeben um das zu werden, was du heute kennst. Wundert mich, dass der Tiger dir das nicht gesagt hat. Aber wieder ein Zeichen dafür, wie sehr er dir vertraut. Nämlich gar nicht. Lotus, sei kein Dummkopf. Wenn du mit mir kommst, dann können wir gemeinsam ein Imperium erbauen, in dem jeder Mensch ein gutes Leben führen kann. Ich will niemanden knechten. Das behaupten alle, doch ich will nur, dass meine Untertanne ein gutes Leben haben und alt werden können, ohne Sorgen zu haben. Zusammen könnten wir solch ein Imperium erbauen. Denkst du nicht, dass du an die Seite eines mächtigen Wesens gehörst, dass dich so akzeptierst, wie du bist?“
Ich sah an mir herunter. Ja, ich war kein Mensch. Ein halber Tiger. Mittlerweile wusste ich nicht einmal mehr, ob ich überhaupt ein Mensch gewesen war. Unsicher strich ich über mein Gesicht und spürte das Fell meiner Streifen. Ein eigenartiges Gefühl. Wegen meines Aussehens fürchteten mich die Menschen. Sie waren krank. Fürchteten sich vor dem, was anders war. Zymerana versprach viel. Aber die Kondition wollte ich dennoch exakter ausarbeiten. Mit ihm zu gehen, würde das richtige sein. So konnte ich ihn davon abhalten, noch mehr Menschen zu schaden.
„Ich möchte noch etwas klarstellen. Sollte ich mich entscheiden mit dir zu gehen, musst du mir einige Dinge versprechen. Zuerst einmal, darf Kevin nichts passieren. Zweitens, jeder aus dem Windreich kommt frei. Jeder, auch Li. Drittens, du wirst keinen Menschen töten, auf einem Feldzug zur Erweiterung deines Einflusses. Und zum Schluss, will ich meinen freien Willen behalten. Ich werde dir Dienen aber nur soweit, wie ich das will. Du wirst niemals die gesamte Kontrolle über mich haben“, sagte ich und er sah mich an.
„Du stellst mich vor Dinge, die ich nicht versprechen kann. Kevin wird unversehrt bleiben, das garantiere ich dir. Li kommt frei. Auch das kann ich versprechen. Aber keine Menschen zu töten? Du weißt genau, wie viele Zweifler es gibt. Sie müssen unterworfen werden. Sonst werden sie mein Imperium stürzen wollen. Und zu deinem freien Willen, kann ich dir sagen, dass du komplett so handeln wirst, wie du das für richtig hältst. Ich gebe dir Befehle, aber du kannst entscheiden, ob du sie ausführst oder nicht. Nur eine Bedingung habe ich. Sollte mich jemand Angreifen, und es sei einer deiner Freunde, dann musst du mich beschützen.“
Das war hart. Er machte immerhin Zugeständnisse. Immerhin. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er den Handel abbrechen würde.
„Also gut, Zymerana. Ich bin bereit mit dir zu gehen. Aber sollte ich nur Verdacht haben, dass du einen Teil der Abmachung nicht einhalten wirst, werde ich dich angreifen“, sagte ich und er nickte.
Dann hielt er mir seine wurzlige Hand entgegen. Unsicher ergriff ich sie und fand mich im nächsten Moment im Windreich wieder.
Bei allen Götter. Was war hier los? Die Mauer zum Erdreich war vollständig gefallen. Soldaten des Lotus rannten durch die Straßen des Reiches und verfolgten jeden, der ihnen vor die Augen kam. Grässlich, das zu sehen. Es waren Männer und Frauen, die eigentlich gar nicht kämpfen wollten. Alle waren vom Lotus infiziert. Ihre Körper von Wurzeln umhüllt und auch ihre Waffen.
„Emilie“, rief Leila und ich sah sie an.
„Wir müssen Chris helfen.“
Ich nickte und hob mein Schwert. Langsam führte ich meine Hand über die Klinge. Sofort wurde sie in schwarze Blitze gehüllt. Leila sprang von der Mauer und stürzte sich auf die Soldaten. Ich folgte ihr. Sie waren zäh. Egal wie oft man sie angriff, sie standen wieder auf. Sogar als ich ihnen den Kopf abtrennte, zogen die Wurzeln den Körper wieder zusammen und der Soldat griff erneut an. Wie sollte man sie Aufhalten? Ich hörte Chris schreien und sah zu ihm. Er war von vielen Soldaten umringt und konnte sich nicht mehr verteidigen. Leila war auch gerade beschäftigt.
„Halte durch, Senkum. Ich komme“, rief ich und lief los.
Während ich lief, bildete sich ein Feuerball um mich herum. Ich schlug die Soldaten weg und der Feuerball folgte ihnen. Chris war zum Glück unverletzt.
„Danke, Ignis. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch ausgehalten hätte.“
„Kein Problem. Hast du vielleicht Lotus gesehen?“, fragte ich und er schüttelte seinen Kopf.
Er wollte wohl gerade etwas sagen, als er die Augen aufriss und erstarrte. Langsam drehte ich mich um und bekam einen Schreck. Dort stand Li. Er hatte sein Schwert bereit, für einen Angriff.
„Das ist nicht gut. Li können wir nicht schlagen“, sagte ich und er nickte.
„Bürger dieses und der anderen Reiche, hört mich an. Ich, Zymerana muss euch etwas sagen. Euer geliebter Windschamane hat einen Handel mit mir geschlossen. Er kommt zu mir, dafür lasse ich jeden Bewohner des Windreiches frei. Auch Li wird frei gegeben. Alle außer Lotus, werden meinem Einfluss entsagen. Ihr sollt wissen, dass Lotus es nur unter der Bedingung getan hat, seinen freien Willen zu behalten. Und den werde ich ihm auch lassen. Fürs erste Ruhe ich und sammle meine Kräfte, bevor wieder etwas passiert. Nutzt die Zeit, um euch vorzubereiten, auf das was kommt“, sagte Li und sofort fielen die Wurzeln um ihn herum ab.
Bei allen anderen Soldaten auch. Sie waren frei. Verwirrt sahen sie sich um.
„Wo bin ich?“, fragte Li und seine Frau erschien neben ihm.
„Li“, sagte sie und er sah sie an.
„Den Göttern sei Dank. Dir geht es gut.“
Sie umarmten sich. Leila kam zu uns und auch die Schutztiere.
„Hat Lotus sich wirklich Zymerana ergeben?“, fragte ich und Boreos schloss seine Augen.
„Nicht ergeben. Er arbeitet für ihn, sofern er das will. Lotus handelt noch auf eigene Faust. Fragt sich nur, wie lange Zymerana das zulässt.“
„Wie dumm kann ein Mensch sein?“, fragte Leila und sah mich an.
„Ich glaube nicht, dass es etwas mit Dummheit zu tun hat. Zymerana wird ihm versprochen haben, was Lotus wollte. Schutz für die, die er liebt und Anerkennung“, sagte Boreos.
„Anerkennung? Machst du Witze?“
„Nein, Seid doch einmal ehrlich. Lotus hat uns allen etwas geschenkt. Sein Vertrauen und seine Freundschaft. Und was hat er zurückbekommen? Angst und Frucht. Keiner von uns hat ihm jemals gedankt für irgendwas. Ignis war die einzige, die ihm Vertrauen gegeben hat.“
Leila senkte ihren Kopf. Chris ebenso. Was der Tiger sagte stimmte. Außer mir hatte niemand Kai etwas gegeben. Aber sehnte er sich so sehr nach Anerkennung? Er war ein Magier und unheimlich stark. Da musste man schon einmal damit rechnen, dass man gefürchtet wurde. Obwohl wir alle wussten, dass es keinen Grund dafür gab, taten wir es dennoch. Auch ich hatte Angst vor ihm. Was er in der Höhle getan hatte, zeigte wieder einmal, wie machtlos wir sein konnten, sollte er uns bekämpfen. Und das würde bald passieren. Zymerana verwendete ihn als Leibwache oder, die Götter bewahren, als Waffe.
„Was machen wir jetzt?“, fragte ich und alle sahen mich an.
„Beten“, sagte Chris und ich schüttelte meinen Kopf.
Li kam zu uns und stellte sich in unseren Kreis.
„Wo ist Lotus?“, fragte er und ich sah ihn an.
„Zymerana hat ihn. Deswegen stehst du jetzt hier“, sagte ich und er senkte seinen Kopf.
„Hat er sich auf einen Handel eingelassen. Diese verschlagene Blume. Weiß genau, was die Menschen wollen und gibt es ihnen.“
„Kennst du einen Weg, ihn zu bekämpfen? Letztlich bist du einer seiner Diener gewesen“, sagte ich und er schüttelte seinen Kopf.
„Ich kenne seine Schwächen nicht. Aber der Tiger kann euch da weiterhelfen.“
Sofort sahen wir zu Boreos.
„Wie?“
Er seufzte.
„Das Land ist damals vergiftet worden, weil ich Zymerana dort angegriffen habe. Wenn seine Flüssigkeiten etwas berühren ist es vergiftet und kann nicht mehr geheilt werden. Nicht einmal von Zymerana selbst. Deswegen ist das Land dort vergiftet.“
„Shian Hi konnte Zymerana gerade so retten. Du warst Eifersüchtig, dass er Schutzgeist war und du gar nichts mehr“, sagte Li.
„Das Reich stand unter meinem Schutz. Bis diese Krankheit ausbrach. Wir haben beinahe alle Bewohner verloren. Bis Shian Hi endlich ein Mittel dagegen fand. Das war Zymerana. Gleichnamig zur Krankheit.“
„Das wusste nicht einmal ich“, sagte Sekama und der Tiger nickte.
„Natürlich nicht. Das sollte eigentlich auch niemand wissen. Aber die einzige Schwäche, die Zymerana haben könnte, ich weiß nicht ob es immer noch so ist, ist einfach. Er kann nur mit Gift angreifen. Seine Verteidigung ist schwach. Deswegen hat er sich auch Lotus als Leibwächter genommen. Selbst verteidigen, kann er sich nur schwerlich.“
„Das hilft uns nicht weiter“, sagte Leila.
„Sofern wir ihn irgendwie aus der Stadt herausbekommen, schon.“
„Nein. Wir müssen Lotus ausschalten. Sonst wird Zymerana überhaupt nicht angreifbar sein. Weiß einer, was die Schwäche von Lotus ist?“, fragte Li und sah uns an.
„Ich denke, dass ich es weiß“, sagte Ignisia und ich sah nach unten.
„Und zwar?“
„Sein Freund. Für Kevin würde er alles tun. Also auch nicht kämpfen.“
„Aber wir wissen nicht, in wie weit Zymerana ihn unter Kontrolle hat. Es könnte genauso nach hinten losgehen.“
„Was haben wir sonst für eine Wahl? Wenn wir Lotus nicht wieder auf unsere Seite bekommen, müssen wir gar nicht erst in den Kampf ziehen“, sagte die Katze.
„Er ist nicht unbesiegbar“, sagte Chris und wir sahen ihn an.
„Nicht unbesiegbar? Hast du vergessen, was er in der Höhle getan hat? Wie sollen wir uns wehren?“, fragte Leila und er sah ihr in die Augen.
„Lassen wir es gar nicht erst darauf ankommen. Wenn wir ihn überraschen, dann wird er keine Chance haben.“
„Das ist eine tolle Idee, Senkum. Aber sie hat einen Haken. Wir können ihn nicht wahrnehmen. Doch noch bevor wir bei ihm sind, weiß er genau, wo wir sind“, sagte Boreos.
„Wie?“
„Deine Magie ist vielleicht nicht stark, doch ich will es dir erklären. Ein Magier, kann andere Magier spüren. Jeden Funken Magie. Sei er auch noch so klein. Lotus kann sogar hier eure Magie wahrnehmen. Ihn zu überraschen, ist unmöglich.“
„Nichts ist unmöglich. Magie ist nicht alles“, sagte Chris und Li senkte seinen Kopf.
„Bei allem Respekt, Schamane. Es ist unmöglich, Lotus zu besiegen. Nicht einmal ich hatte eine Chance gegen ihn. Und ihr genauso wenig. Aber mir fällt vielleicht etwas ein, wie wir ihn retten können“, sagte er und wir sahen ihn alle an.
„Erzähl“, sagte ich und er nickte.
„Also.“
Das Windreich sah schlimm aus. Kein Gebäude war ganz. Alle waren zerstört und von Wurzeln überwuchert. Es war ein Bild des Grauens.
„Willkommen in deinem neuen Heim. Diesen Glanz hatte das Windreich damals auch“, sagte Zymerana und atmete auf.
Glanz? Welchen Glanz? Die Stadt war tot. Das konnte man nicht einmal mehr schönreden. Es war einfach nichts mehr da. Das einzige, was der Lotus nicht zerstört hatte, war mein Denkmal. Man hatte es fertig gebaut. Ein Brunnen, aus dem Wasser sprudelte und meine Statur umspielte. Das einzig schöne in dieser Einöde. Schon traurig, dass ich die einzige Schönheit hier war.
„Li hat mich gebeten, diesen Brunnen stehen zu lassen. Und ich muss zugeben, er macht sich sehr schön im Stadtbild. Die Bewohner müssen dich ja schon sehr verehrt haben, wenn man dir so schnell ein Denkmal baut“, sagte Zymerana und ich nickte.
„Es war schön, so lange es angehalten hat.“
„Du machst ein Gesicht, als würden nie wieder gute Zeiten kommen. Aber bald wird sich das sicherlich ändern. Du kennst meinen Namen, aber ich deinen immer noch nicht“, sagte er und ich sah ihn an.
„Lotus“, gab ich nur knapp zurück.
Er lachte.
„Du kennst meinen Namen, Warum willst du mir, deinen nicht verraten?“
„Weil du eingewilligt hast, mir meinen freien Willen zu lassen. Aber letztlich denke ich nicht, dass Zymerana wirklich dein richtiger Name ist.“
„Wie ich sehe, spielst du dieses kleine Spielchen genauso gut, wie ich erwartet habe. Du hinterfragst viel und bist misstrauisch. Dazu gibt es zwar keinen Grund, aber das schätze ich an Dienern, ähm, Verbündeten.“
Ich tat so, als hätte ich das nicht gehört. Aber letztlich hatte ich mir gedacht, dass er genau darauf abgezielt hatte. Er war doch leichter zu durschauen, als ich dachte.
„Erlaubst du mir, dir etwas zu schenken?“, fragte er und ich sah ihn an.
„Wenn du magst.“
„Deinen Umhang, bitte.“
Ich zog ihn aus und reichte ihn ihm. Zymerana drehte sich um und tat irgendwas.
„Fertig“, sagte er und drehte sich um.
Der Umhang sah, auf den ersten Blick, genauso aus wie vorher. Doch als ich ihn wieder nahm um ihn anzuziehen, fiel mir auf, dass jetzt ein Lotus als Emblem aufgestickt war. Ebenso hielt mir Zymerana eine Blüte vor die Nase.
„Als Zeichen, unserer Partnerschaft“, sagte er und ich machte den Umhang wieder fest.
Dann nahm ich die Blüte und steckte sie in eine Lück in der Panzerung. Als Zeichen unserer Partnerschaft. Das ich nicht lache. Er war verschlagen und verlogen, diese Blume. Ich musste mich vorsehen, dass diese Blüte mir keinen Nachteil brachte. So lange ich keine seiner Wurzeln auf meinem Körper hatte, konnte er mir nichts.
„Komm mit. Ich zeige dir, wo wir wohnen werden“, sagte Zymerana und führte mich zum ehemaligen Tempel.
Nicht einmal den hatte er ganz gelassen. Über dem Gebäude thronte eine riesige Blume. Ein Lotus. Das war unglaublich. War das Zymeranas Hauptkörper?
„Ist das dein Kopf?“, fragte ich und er sah mich an.
„Das ist mein Zentrum. Was du vor dir siehst ist nur eine Ansammlung von Magie, die von meinem Zentrum aus gesteuert wird. Also ja. Das ist mein Kopf.“
Gut zu wissen. Also mussten wir dort angreifen, wenn es so weit war. Nur fürs erste konnte ich nicht. Sonst würde ich ihn sofort zerstören. Obwohl ich nicht genau wusste, wie ich das anstellen sollte. Wenn er meine Magie hatte, war er vielleicht gegen sie immun. Zymerana führte mich in den Innenhof des Tempels. Zumindest was davon noch übrig war.
„Sehr speziell“, sagte ich und er lachte.
„Keine Sorge, Lotus. Du wirst dich hier bald sehr wohl fühlen. Wenn du erst eine Nacht geschlafen hast, wirst du es wunderschön finden“, sagte er und lächelte.
Dachte er wirklich, ich würde schlafen? Im Leben nicht. Die Visionen hielten mich immer wach. Und ich wagte daran zu zweifeln, dass sich das jetzt ändern würde.
„Mal sehen. Fürs erste denke ich, werde ich es akzeptieren.“
„Es ist die perfekte Welt. Wenn alles so aussehen würde, dann hätten wir keine Probleme mehr. Dann wären alle Kriege überwunden. Alle Barrikaden zerbrochen. Dann gäbe es nur noch uns beide, Lotus. Stell es dir vor. Herrscher der Welt. Jeden bestrafen, der dich einmal geärgert hat. Die Götter absetzten und selbst welche werden. Ist das nicht toll?“
Es klang gut. Doch was gab es schon in dieser Welt, außer Schmerz und Zymerana? Niemand sollte mich fürchten. Letztlich lief es dennoch darauf hinaus.
„Das klingt verlockend, Zymerana. Doch ich weiß nicht, ob es mir gefallen wird.“
„Du bist zu pessimistisch. Sieh es doch positiv. Du als Herrscher aller Menschen. Denn in dieser Welt werden wir nicht verweilen. Es gibt noch weitere, die unsere Hilfe brauchen und zur Perfektion geführt werden müssen.“
Mehr Welten? Ich kannte nur zwei. Welche gab es denn sonst noch? Oder waren das die Zwei, die er meinte?
„Letztlich wird man nicht jeder Perfektion bringen können.“
„Vertu dich da nicht. Ich habe die Perfektion. Jeder, der davon bis jetzt gekostet hat, konnte nicht genug bekommen. Vertrau mir, Lotus. Einmal mit meiner Perfektion berührt, wird keiner mehr davon loskommen.“
Wie naiv er doch sein konnte. Oder stellte er es einfach nur so hin? Wenn man nicht von ihm loskam, dann wohl eher, weil er einen so fest in seiner Gewalt hatte, dass es keine andere Möglichkeit gab, als ihm zu gehorchen.
„Lotus, ich habe direkt eine Aufgabe für dich. Ich weiß, dass es spät ist, doch ich möchte, dass du mit deinem Freund sprichst. Man wird ihn bestimmt benutzten, um dich gegen mich aufzubringen. Sag ihm, dass er sich auf keinen Plan der Schamanen einlassen soll.“
Er hatte wirklich daran gedacht? Ich selbst wäre nicht einmal auf diese Idee gekommen.
„Wie du wünscht.“
Ich schloss meine Augen und suchte nach Kevin. Er war immer noch im Feuerreich. Gerade in unserem Zimmer und sortierte irgendwas. Eine Windböe traf meinen Körper und trug mich davon. Neben Kevin erschien ich wieder.
„Kevin“, sagte ich und er sah mich an.
„Da bist du ja endlich wieder. Ist etwas passiert?“, fragte er und erhob sich.
Er musterte mich und blieb sofort bei der Blüte hängen.
„Alles in bester Ordnung. Hör mir zu, ich habe nicht viel Zeit. Die anderen Schamanen werden versuchen einen Plan auszuarbeiten, der dich gegen Zymerana führen wird. Lass dich auf keinen Fall auf einen dieser Pläne ein, egal was sie sagen. Glaub ihnen kein Wort“, sagte ich.
„Was ist los?“
„Ich kann es gerade nicht erklären. Nur so. Für deine Sicherheit habe ich gesorgt. Bitte, tu was ich gesagt habe. Lass dich auf keinen Fall auf einen Plan der anderen Schamanen ein.“
„Du sollst mir nicht verheimlichen“, sagte er und zog die Blüte ab.
„Was hat das zu bedeuten?“, fragte er und hielt sie mir hin.
„Das ist ein Zeichen für meine Partnerschaft, mit Zymerana. Bevor du jetzt ausflippst, hör mir erst zu. Ich bin mit ihm gegangen, um die Menschen aus dem Windreich zu retten und dich ebenso. Egal wie weit er seine Macht ausbreiten wird, er lässt dich in Ruhe.“
„Lotus, das“, begann er, doch ich unterbrach ihn.
Ich zog ihn zu mir und küsste ihn. Als wir uns lösten sah er mich verwirrt an. Ich nickte.
„Vertrau mir“, sagte ich und löste mich wieder auf.
Ob Kevin noch etwas sagte oder nicht, bekam ich nicht mehr mit. Es war vielleicht auch besser, es nicht mitzubekommen. Neben Zymerana erschien ich wieder.
„Hast du mit ihm gesprochen?“
„Ja. Ob er auf mich hört, ist jetzt eine andere Sache. Aber er weiß Bescheid.“
„Exzellent. Mit ihm dürften wir jetzt keine Probleme mehr haben.“
„Wir würden niemals Probleme mit ihm bekommen. Das würde ich nicht zulassen“, sagte ich und Zymerana nickte.
„Das weiß ich doch, Lotus. Da deine erste Mission sehr einfach war und schnell abgeschlossen, habe ich eine weitere für dich. Geh und greif das Erdreich an. Erfülle sie mit Furcht und Schrecken. Sie sollen wissen, wer wir sind und zu was wir fähig sein können.“
Das Erdreich? Dort befanden sich gerade alle Schamanen. Ah, verstehe. Er wollte, dass ich gegen sie in die Schlacht zog, damit er demonstrieren konnte, wem meine Loyalität nun gehörte. Spiele ich mal mit.
„Sehr wohl. Sie werden sich fürchten und nicht mehr wagen, sich auf einige Kilometer zu nähern.“
Damit löste ich mich auf, konnte Zymerana aber noch hämisch lachen hören. Sollte er es noch genießen, solange ich tat was er sagte. In der Nähe des Erdreiches erschien ich. Nahe der Mauer befand sich eine kleine Gruppe von Bäumen, in der man mich nicht sehen konnte. Einer der Äste war stark genug mich zu halten. Ich beobachtete die Mauer und musste feststellen, dass ziemlich viele Soldaten dort standen. Also erwartete man einen Angriff. Auch viele Windsoldaten standen dort. Sogar Jan konnte ich sehen. Neben ihm stand eine Frau. Wie hieß sie noch? Helita. Richtig. Sie leitete meine Garde, die ich noch nie kennen gelernt hatte. Ein Frontalangriff wäre sinnlos. Die Soldaten würden mich sofort sehen und angreifen. Ob ich allen Pfeilen ausweichen konnte, war mir nicht klar. Aber ich hatte eine Waffe, die mich stark genug machte, sie zu besiegen. Zum einen meinen Verstand und zum anderen meine immense Magie. Also dann. Die Soldaten würde ich zwingen von der Mauer zu gehen. Ich setzte mich in Schneidersitz und legte die Finger aneinander. Sofort hob mein Körper vom Boden ab und ich schloss meine Augen.
„Wiluchu erharabama miricha. Verunagala merika Ferusneka.“
Der Zauber nahm seinen Lauf. Ein großer Sturm braute sich zusammen und der Wind wurde so stark, dass einige Soldaten sich festhalten mussten, um nicht von der Mauer zu fallen. Sie zogen sich schnell zurück. An ihre Stelle traten die drei Schamanen und die Schutztiere.
„Lotus!“, schrie Boreos über den Sturm hinweg.
Klar, er konnte mich nicht sehen. Aber ich ihn. Langsam wurde der Wind schwächer.
„Zeig dich, Feigling“, rief Chris und ich lächelte.
Langsam schwebte ich von dem Baum und trat aus der Baumgruppe heraus. Alle Blicke gingen auf mich.
„Was sollte das werden?“, fragte Ignisia.
„Genau das, was er bewirkt hat. Ich wollte die Soldaten weghaben und euch auf der Mauer“, antwortete ich und trat näher heran.
„Keinen Schritt weiter“, sagte Leila und hob einen Bogen.
Amüsant. Wollte sie auf mich schießen?
„Wenn du die Waffe wegsteckst, dann werde ich euch verschonen. Zwingt mich bitte nicht, euch zu verletzten. Zymerana möchte, dass ich euch mit Angst erfülle. Nicht töte.“
„Wie großzügig von ihm. Er kann sich“, begann Leila, doch Boreos unterbrach sie.
„Hütete eure Zunge. Ihr müsst sofort weg von hier. Wir werden ihn aufhalten“, sagte er und die Schamanen sahen ihn an.
„Was?“, fragte Emilie.
„Er kennt eure Namen. Ihr seid keine Gegner für ihn. Sammelt unsere Kräfte in einem anderen Reich. Von dort werden wir den Plan in die Tat umsetzten. Also los“, sagte der Tiger und die Schamanen nickten.
Sofort lösten sie sich auf. Jetzt waren nur die Schutztiere und ich übrig. Zusammen mit den Soldaten der Stadt. Aber die würden kein Problem werden. Auch die vier Tiere sollte ich eigentlich schnell aus dem Weg räumen können. Wenn ich das wollte und Boreos sollte das eigentlich wissen.
„Glaubst du, wir sind ihm gewachsen?“, fragte Sekama.
„Er kann uns hören. Aber nein, das denke ich nicht. Wir werden ihm nicht gewachsen sein. Doch wir können den Schamanen immerhin Zeit verschaffen“, sagte er und sie sprangen von der Mauer.
Vor mir kamen sie auf und sahen mich an.
„Ihr wisst schon, dass Vier gegen einen sehr unfair ist, oder?“, fragte ich und machte mich kampfbereit.
„Warum hilfst du Zymerana?“, fragte Aqurilana.
„Vielleicht, weil er mich nicht fürchtet. Er ist froh darüber, dass ich da bin. Er schenkt mir Vertrauen. Er hat die Menschen aus dem Windreich frei gelassen und hat versprochen, meinen Freund in Ruhe zu lassen.“
„Geht es dir wirklich nur um Anerkennung?“
„Denkst du ich würde lügen?“
„Ja“, sagte Sekama und ich lachte.
Lügen, ich? Niemals. Ich verdrehte die Wahrheit ein wenig.
„Nein, ich lüge nicht. Vielleicht verdrehe ich Tatsachen, aber mehr auch nicht.“
„Willst du wirklich kämpfen?“, fragte Boreos.
„Sag du es mir.“
„Nein, willst du nicht. Wir sind keine Gegner für dich. Du bist niemals stark genug, uns zu schlagen.“
„Das ist nicht lache. Weißt du, Dämon. Ich habe weitaus mehr zu bieten, als du denkst.“
Sie rissen ihre Augen auf.
„Woher?“, fragte Sekama und ich lachte.
„Zymerana hat mir einiges erzählt. Auch über euch. Vor allem von dir, Boreos weiß ich einiges. Eure Kräfte sind mir nicht gewachsen. Wollen wir?“, fragte ich und Boreos knurrte.
„Ich kenne deine Schwäche, Lotus. Es ist dein Temperament und deine Wut“, sagte er und ich nickte.
„Richtig. Aber leider eine Schwäche, die auch ganz schnell zum Nachteil für euch werden kann“, sagte ich.
„Wir müssen das nicht tun“, sagte Sekama und knurrte mich an.
„Das liegt bei euch. Ihr könnt auch sofort aufgeben“, sagte ich.
Als Antwort bekam ich einen Feuerball, der auf mein Gesicht gerichtet war. Gelangweilt hob ich meine Hand und wehrte ihn so ab. Erstaunt musste ich feststellen, dass der Wolf vor mir stand und mit seinem Schweif nach mir schlug. Dieser war komplett mit Stein bedeckt und wurde so zur Keule. Der Schlag war hart und warf mich nach hinten. Ohne, dass ich etwas tun konnte, schlug ich gegen einen Baum, der dem Aufprall nicht standhielt und selbst umkippte. Keuchend erhob ich mich und hielt mir den Bauch. Die Rüstung hielt ihr Klauen vielleicht ab und minderte die Schläge, aber mehr auch nicht. Zumal der Wolf eine nicht gepanzerte Stelle getroffen hatte. Also machten sie wirklich ernst. Gut, das sollten sie zurückbekommen. Der Tiger und Fuchs hatten ihre Augen geschlossen und ich konnte spüren, wie sie Magie sammelten. Also wollten sie einen gemeinsamen Zauber wirken. Der Wolf und auch die Katze kamen auf mich zu. Diesmal nicht. Jetzt war ich vorbereitet. Wer würde mich zuerst erreichen? Der Wolf. Benutzte er wieder Erde? Ja, sein Schweif war immer noch umgeben von Stein. Die Katze hatte brennende Pfoten. Also wollte sie mich auf direkt angreifen. Fang den Wolf, wirf ihn auf die Katze und dann erheb dich in die Luft. Anschließend block den Zauber. Gut, das war mein Plan. Ich hob meine Hände und wartete, bis der Wolf auf mich zusprang. Das tat er auch. In der Luft vollführte er eine Drehung und wollte mit seinem Schweif zuschlagen. Doch ich fing ihn einfach und hielt ihn fest. Erstaunt stieß er ein Jaulen aus. Ich warf ihn auf die Katze und sie blieb stehen. Der Wind frischte auf und hob meinen Körper in die Luft. Von hier oben konnte ich Boreos und seine Schwester stehen sehen. Ihr Zauber baute sich immer weiter auf. Von mir aus.
„Nagnami“, rief ich ein Blitz schlug neben ihnen ein.
Ich erwischte ein paar Haare des Tigers. Doch sie ignorierten meinen Angriff. Gut, dann eben anders. Meine Hände begannen blau zu leuchten und die Luft um mich herum begann zu flimmern.
„Inferamento Wiluchu“, rief ich und schoss einen blauen Strahl zu Boden.
Sofort bildete sich ein grüner Stern unter dem Tiger und dem Fuchs. Sie achteten immer noch nicht darauf. Bis eine Säule aus grünem Licht in den Himmel schoss und sie mitnahm. Verzweifelt versuchten sie halt zu finden, oder ihren Fall zu bremsen. Doch keine Chance. Außerdem wurden sie von Windkugeln verfolgt. Wenn sie langsamer wurden, würden sie getroffen werden. Das konnten sie nicht riskieren. Ein Treffer dieses Zaubers konnte sogar für sie tödlich sein. Boreos sah nach oben und mir genau in die Augen. Ich konnte sehen, dass er etwas plante. Moment. Das war nicht er. Der Körper besaß kein eigenes Bewusstsein. Ein Doppelgänger. Ich sah nach oben und Boreos genau auf mich zukommen. Verflucht da hatte ich einen Moment nicht aufgepasst. Was nun? Meine Fächer. Ich befahl ihnen, mich zu verteidigen. Das taten sie auch sofort. Der Tiger knurrte und musste ihnen ausweichen. Dadurch verfehlte er mich um Längen und schlug auf den Boden auf. Allerdings nach den Windkugeln, die mittlerweile seinen Doppelgänger und auch den des Fuchses zerstört hatten. Sie traten alle Vier zusammen und sahen zu mir auf. Sie waren gut, das musste ich ihnen lassen. Mit ihnen zu spielen machte wirklich Spaß.
„Ihr seid wunderbare Spielzeuge. Ich könnte ewig so weitermachen. Doch letztlich hätte das keinen Sinn“, sagte ich und meine Fächer kamen zu mir.
„Wann hat er all das gelernt?“, fragte Sekama und sah seinen Bruder an.
„Gar nicht. Ich habe ihn nie trainieren sehen. Das macht er Intuitiv“, antwortete Boreos und ich lächelte.
Langsam schwebte ich wieder zu Boden und setzte auf.
„Zymerana will keine Toten, aber Angst in euren Herzen. Mache ich euch Angst?“, fragte ich und Ignisia schüttelte ihren Kopf.
„Wir sind Götter, wir fürchten niemanden“, sagte sie selbstbewusst und ich sah sie an.
„Und warum zittert dein Schweif dann?“, fragte ich und sie fauchte mich an.
„Verschwinde von hier, Schamane. Du bist nicht willkommen und auch nicht erwünscht.“
„Richtig. Ich kann mir vorstellen, dass ich euch Angst mache. Schon sehr ungewohnt für euch. Wenn ihr zugebt, dass ihr Angst vor mir habt, lasse ich euch in Ruhe. Kein Problem. Aber so kann ich euch nicht helfen.“
Ich hob meine Hand und sofort waren die Schutztiere in Windkugeln gefangen. Sie zappelten und versuchten sich zu befreien. Plötzlich hörte ich etwas zischen. Ich drehte mich um und ein Pfeil verfehlte mich knapp.
„Aquis“, sagte ich und sie trat hinter einem Baum hervor.
„Lass sie runter, Kai.“
„Sind die anderen auch schon hier?“, fragte ich und sie schüttelte ihren Kopf.
„Sie sind dabei unseren Plan in Aktion umzusetzen. Aber als wir mitbekommen haben, dass die Schutztiere in Schwierigkeiten sind, bin ich sofort gekommen um ihnen zu helfen.“
„Wie nobel von dir. Wie viele Leben soll ich dir noch schenken? Ich habe dich bereits drei Mal verschont, Aquis. Irgendwann ist meine Geduld auch am Ende.“
„Lass erstmal die Tiere frei, dann können wir weiter reden“, sagte sie und ich schnippte.
Sofort löste sich der Zauber und die Tiere fielen zu Boden. Sie würden mich nicht angreifen. Jetzt hatten sie wirklich große Angst vor mir. Leila stand mir jetzt Gegenüber und hatte ihren Bogen auf den Rücken geschnallt. Dafür ihre Dolche gezogen.
„Und jetzt? Willst du gegen mich antreten?“, fragte ich und meine Fächer begannen zu schweben.
„Ich will nur wissen, warum du das alles machst. Warum wirfst du all deine Ideal über den Haufen, nur um Zymerana zu dienen? Was hat er dir versprochen, dass du so handelst?“
„Brauchte er mir etwas zu versprechen? Ich glaube nicht. Er hat mir garantiert, dass alle Menschen von ihm freikommen und Kevin nichts passiert. Aber nur unter diesen Bedingungen bin ich in seinen Dienst getreten. Und ein ganz wichtiger Punkt dabei ist, dass er mich respektiert, so wie ich bin. Er fürchtet mich nicht“, sagte ich und sie nickte.
„Wir fürchten dich auch nicht.“
„Das ist gelogen und du weißt das. Was in der Höhle passiert ist, hat euch sehr viel Angst gemacht und soll ich dir mal etwas sagen? Dafür war es sogar gedacht. Ihr sollt sehen, dass es keinen Sinn hat, gegen mich zu kämpfen“, sagte ich.
Leila begann mir Dinge zu erzählen, die schlecht liefen, seit ich für Zymerana arbeitete. Das war nur Ablenkung, stellte ich schnell fest. Ich spürte, wie Chris seine Magie arbeiten ließ. Der Boden unter mir wurde weicher und weicher. Leila sprach immer noch, als ich ausholte, eine Windkugel in der Hand, und auf den Boden schlug. Sofort explodierte alles um mich herum und Chris kam zu Vorschein. Er lag am Boden und atmete schwer.
„Netter Versuch. Leider umsonst“, sagte ich und Leila kam auf mich zu.
Sie wollte mich angreifen, damit ich Chris nicht noch mehr antun konnte. Was eine dumme Idee. Mich anzugreifen war das Dümmste, was sie machen konnte. Ich wich ihrem Schlag aus und hielt ihren Arm fest. Sofort war meine Magie in ihren Körper eingedrungen und lähmte sämtlicher Muskeln. Zeitgleich entzog ich ihr die Magie. Vor allem die göttliche Magie. Es war nicht viel, aber es würde sie schwächen. Ich ließ sie los und sie fiel zu Boden. Keuchend sah sie mich an.
„Was hast du getan?“
„Da du mich genervt hast, habe ich dir deine göttliche Magie entzogen und deinen Körper somit geschwächt, damit du mir nicht mehr in die Quere kommst. Das ist alles.“
„Du bist ein Monster“, sagte sie und ich nickte.
„Ein Monster von euch erschaffen. Mit eurer Angst und eurer Ignoranz. Jetzt zeige ich euch, zu was ihr mich gemacht habt.“
„Wir haben deinen Freund, Kai. Wenn du nicht sofort aufhörst für Zymerana zu kämpfen, werden wir ihn umbringen.“
Ich sah sie gleichgültig an. Ob sie nun log oder nicht konnte ich nicht genau sagen. Würden sie es wagen, Kevin auch nur ein Haar zu krümmen, konnten sie sich auf meinen geballten Zorn einstellen. Ihre Städte ihr Leben, alles würde in meinen Händen zerfließen wie Wachs. Eine Windböe kam und ich löste mich auf. Kurze Zeit später erschien ich genau vor Leila wieder. Ich griff ihr in den Nacken und hob sie hoch. Sie schrie auf und sah mir in die Augen.
„Wenn ihr es wagen solltet, Kevin auch nur ein Haar zu krümmen, dann werdet ihr den nächsten Tag nicht mehr erleben. Du kannst Chris fragen, was passiert, wenn ich wütend werde. Er kann dir da eine schöne Geschichte zu erzählen. Also lass ihn da aus dem Spiel. Das ist eine Angelegenheit zwischen euch und mir“, sagte ich und sie knurrte verärgert.
„Kai“, sagte jemand und ich ließ Leila los.
Das war Kevins Stimme. Nein. Er war nicht hier, oder? Das dufte nicht sein. Langsam drehte ich mich um. Tatsächlich stand er dort. Mit dem Kampfstab und seiner Rüstung.
„Was willst du hier? Das ist nicht deine Angelegenheit“, sagte ich und er schüttelte seinen Kopf.
„Du bist sehr wohl meine Angelegenheit. Was soll da alles? Ich dachte du willst die vier Reiche beschützen.“
„Auch ich ändere mich“, antwortete ich.
Wenn er so weitermachte, wäre ich gezwungen, ihn anzugreifen und das wollte ich als aller letztes. Warum musste er sich jetzt einmischen? Meine Tarnung war perfekt, solange ich den Schamanen Angst machen konnte. Doch ihm nicht. Er sollte aus der ganzen Sache herausgehalten werden. Was nun? Ich konnte nicht einfach weglaufen. Dann würde Zymerana sehen, dass ich mich scheute ihm etwas anzutun.
„Das bist nicht du, Kai. Was hat dieses Monster mit dir gemacht?“
„Ich könnte es dir zeigen. Aber ich will gnädig mit dir sein. Wenn du ins Feuerreich zurückkehrst, werde ich dieses Gespräch vergessen und dich in Frieden lassen.“
„Das ist aber“, begann er, doch einer meiner Fächer schnellte nach vorne und genau auf ihn zu.
Ich ließ ihn in einen Baum einschlagen. Erschreckt sah Kevin mich an. Ja, das war das letzte Mittel, das ich anwenden wollte. Aber sie sollten sehen, dass ich es ernst meinte.
„Kai, warum greifst du ihn an?“, fragte Leila.
Doch ich würdigte sie nicht einmal eines Blickes. Ich sah Kevin tief in die Augen und versuchte so mit ihm zu kommunizieren. Er sollte wissen, dass er zu keiner Sekunde in Gefahr war. Ob die Botschaft auch ankam, konnte ich nicht sagen.
„Ich denke, das war genug gespielt für heute. Wir sehen uns bald wieder“, sagte ich und löste mich auf.
Neben Zymerana baute ich mich wieder auf. Er sah mich an und lächelte.
„Das hast du sehr gut gemacht, Lotus. Oder sollte ich lieber sagen, Kai?“
Nein. Unmöglich. Wie hatte er das herausgefunden?
„Was?“
„Tu nicht so überrascht. Die Blüte, die ich dir gegeben hatte, hat mir erlaubt, jedes Wort mit anzuhören. Auch wenn du sie Kevin geschenkt hast, konnte ich dennoch dein Gespräch mit ihm anhören. Jetzt habe ich dich. Deinen richtigen Namen. Ab sofort kämpfst du wirklich für mich und tust nicht bloß so“, sagte er und eine Wurzel schoss auf mich zu.
Ich sah ihr entgegen und hob nur noch schützend meine Hände.
Kai war verschwunden. Ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, dass er mich angreifen würde. Letztlich hatte er es auch nicht getan. Wenn er gewollt hätte, dann wäre ich jetzt Tod.
„Alles in Ordnung, Kevin?“, fragte Ignis und erschien neben mir.
Ich sah sie an und nickte.
„Nichts passiert. Kai wollte mich nicht verletzten. Sonst hätte er es getan.“
„Denkst du? Würde Kai dich wirklich verfehlen?“
„Er ist kein Monster. Was er macht, hat einen tieferen Sinn, den er mir glaube ich auch kommuniziert hat.“
„Hat er dir etwas gesagt?“, fragte die Schamanin und trat vor mich.
Ich nickte nur. Ob ich ihn richtig verstanden hatte, war eine andere Sache. Es war schwer zu lesen, was er dachte. Die Tigeraugen waren so geheimnisvoll. Die Schamanin ging zu den anderen und half ihnen beim Aufstehen.
„Was hat er mit euch gemacht?“, fragte sie und das andere Mädchen sah sie an.
„Er hat mir meine Magie gestohlen, damit ich nicht mehr kämpfen konnte. Und Chris hat er angegriffen, als er gerade eine Falle für ihn vorbereitet hatte. Er ist immer noch Bewusstlos.“
„Dann muss er aber ordentlich zugeschlagen haben. Wir sollten ihn in seinen Tempel bringen und uns dann anhören, was Kai zu Kevin gesagt hat“, sagte sie und die Andere nickte.
Sie zogen ihn auf die Beine und schleppten ihn dann davon. Ich ging ihnen nach. Plötzlich fiel mir die Blüte auf, die Kai vergessen hatte. Ich nahm sie und warf sie achtlos zu Boden. Beim Gehen trat ich drauf und folgte den Schamanen dann. Das Erdreich war genauso aufgebaut, wie das Windreich. Außer anderer Staturen. Wir betraten den Tempel, der von vielen Soldaten umstellt war. Meine Freunde waren noch im Feuerreich. Sie waren nicht in Kämpfe verwickelt worden. Gut so. Die Schutztiere konnte ich auch sehen. Sie standen neben dem Eingang und versorgten die Wunden, die sie sich zugezogen hatten. Hatte Kai sie wirklich verletzt? Das sah gar nicht nach ihm aus. Warum hatte er das gemacht? Bestimmt nicht aus dem Grund, den er mir hatte mitteilen wollen. Die Schamaninnen brachten den Schamanen in sein Zimmer. Ich folgte ihnen. Das Zimmer sah genauso aus, wie das von Kai. Nur das es in dunklem braun tapeziert war.
„Also, Kevin. Erzähl uns mehr. Was hat Kai dir versucht zu sagen?“, fragte Aquis und ich sah sie an.
„Es ist schwer zu sagen. Seine Tigeraugen sind geheimnisvoll. Was ich allerdings meine, verstanden zu haben, war ganz einfach, dass er uns nichts antun wollte. Zumindest mir nicht. Der Blick hat mir ganz deutlich gezeigt, dass er sagen wollte: Wenn ich gewollt hätte, wärst du jetzt Tod. Außerdem scheint er das vor einem Hintergrund zu machen, den ich nicht erfassen kann. Vielleicht versucht er den Lotus zu infiltrieren um seine Schwächen herauszufinden.“
„Denkst du wirklich, dass er das könnte?“, fragte das andere Mädchen.
„Ich kenne diese Blume nicht. Nur Kai weiß, ob man ihn verstehen kann oder nicht. Aber was für euch auf jeden Fall gilt, ist das er euch nicht hatte ernsthaft verletzten wollte. Dieser Angriff war nur um den Schein zu bewahren, dass er wirklich für den Lotus arbeitet. Mehr Sinn hatte diese ganze Aktion nicht.“
„Für einen Scheinangriff war es aber ganz schön heftig“, sagte das Mädchen und Aquis sah sie an.
„Das musst gerade du sagen, Emilie. Dich hat er nicht mal angreifen können. Du warst nicht da.“
„Aber ich habe Augen im Kopf, Leila. Chris liegt hier bewusstlos. Das war bestimmt kein Versehen.“
„Vielleicht hat er sich verschätzt. Kommt darauf an, wie tief Chris sich im Boden befunden hat. Aber ich glaube nicht, dass er die Absicht hatte, Chris ernsthaft zu schaden“, sagte ich und sie sahen mich an.
„Was ist mit dir? Hattest du keine Angst vor ihm?“, fragte Emilie.
„Doch, hatte ich. Als der Fächer auf mich zukam, dachte ich erst, er wäre wirklich Zymerana verfallen. Zum Glück war es nicht so. Natürlich hatte ich Angst. Kai hätte ich nichts entgegen zu setzten. Ich weiß nicht, wie es mit euch aussieht“, sagte ich und sie senkten ihre Köpfe.
„Keiner von uns, ist ihm gewachsen. Er hat zwar nur den Wind als sein Element, doch er kann damit so viel Zerstörung verursachen, dass Feuer und Wasser dagegen harmlos wirken.“
„Kopf hoch, Emilie. Kai kann geschlagen werden. Der Krieg ist erst verloren, wenn wir nicht mehr Atmen“, sagte sie und ich wollte gerade etwas sagen, als Kai vor uns erschien.
Er atmete schwer und sah eigenartig aus. Das war nur eine Illusion.
„Bevor ihr etwas sagt, hört mir zu. Ich habe nicht viel Zeit. Zymerana kennt meinen Namen. Er hat uns belauscht. In diesem Moment kämpfe ich gegen seine Kontrolle an, weiß aber nicht, wie lange ich noch durchhalten kann. Ihr müsst sofort etwas unternehmen. Stellt eine Armee auf und tötet den Lotus. Oder im schlimmsten Fall, tötet mich. Wenn Zymerana zu stark für euch ist, nehmt mich. Wenn er keine Wächter hat, habt ihr leichtes Spiel“, sagte die Illusion und löste sich dann wieder auf.
Die Schamaninnen sahen sich an.
„Das ist gar nicht gut. Wie konnte er Kais Namen herausfinden? Wir haben ihn nie erwähnt“, sagte Emilie.
„Kai war bei mir und hatte eine Lotusblüte bei sich. Vielleicht dadurch“, sagte ich und sie sahen mich an.
„Warum?“
„Zymerana hat sie ihm geschenkt und ich denke als Zeichen des guten Willens und des Gehorsams hat er sie behalten und getragen. Er hat wohl nicht damit gerechnet, dass Zymerana ihn so belauschen könnte.“
„Jetzt haben wir ein ernstes Problem. Wenn Zymerana die Kontrolle über ihn hat, dann können wir einpacken. Wer soll Kai dann noch aufhalten?“, fragte Leila und Chris begann zu husten.
Kleine Erdbrocken kamen aus seiner Lunge und verteilten sich auf dem Bett.
„Geht es?“, fragte Leila und ging zu ihm.
„Einigermaßen. Ich hatte nicht mit so einen harten Schlag gerechnet. Er konnte mich so schnell aus der Erde holen, dass ich keine Chance hatte, auch nur zu reagieren. Haben wir immerhin gewonnen?“
„Im Gegenteil. Wir haben verloren. Zymerana hat Kais Namen herausgefunden und hat ihn jetzt unter Kontrolle. Zumindest versucht er es. Kai hat uns gebeten, sofort anzugreifen und im schlimmsten Fall ihn zu töten.“
„Das kann er vergessen. Wenn einer der Schamanen fällt, ist die Balance der Welt gestört. Damit würde alles hier im Chaos versinken. Das muss wirklich die letzte Notfallmethode sein“, sagte er und richtete sich auf.
Sein Oberkörper schien zu schmerzen. Vor allem seine Brust.
„Was sollen wir jetzt machen?“, fragte Emilie und ich sah sie an.
Was sie machen wollten, war mir egal. Ich würde gehen und Kai helfen. Wenn er schon um Hilfe bat, würde ich gehen. Auch wenn ich vielleicht nicht der stärkste Magier oder Krieger war. Kai war mir wichtig. Also würde ich auch gehen und ihm helfen. Da konnten die anderen Schamanen mir gestohlen bleiben.
„Ich weiß es nicht“, sagte Leila und Chris zuckte mit den Schultern.
„Wie könnt ihr nicht wissen, was zu tun ist? Ich dachte ihr seid Schamanen. Jeder von euch hat die Aufgabe die Reiche nach bestem Wissen und Gewissen zu beschützen. Kai ist ein Teil dieser Reiche. Und ihr wisst nicht, was ihr tun sollte? Das ist enttäuschend. Auch wenn ich kein Schamane bin, weiß ich, was ich zu tun habe. Ich werde gehen und Kai helfen. Und wenn ich dabei mein Leben lassen muss, dann ist es so. Aber ich will ihn nicht kampflos seinem Schicksal überlassen“, sagte ich und sie sahen mich an.
„Das ist purer Wahnsinn. Zymerana wird dich schneller ausschalten, als dir das lieb ist“, sagte Chris und stand auf.
„Für Kai ist mir das Wert. Mein Leben ist ohne ihn leer. Und wenn ihr hier lieber sitzt und wartet, bis Zymerana alle Reiche überrannt hat, dann viel Spaß dabei. Ich werde gehen und ihn aufhalten“, sagte ich und verließ das Zimmer, ohne auf irgendwelche Reaktionen zu achten.
Es war mir ehrlich gesagt auch völlig egal. Sollten sie denken, was sie wollten. Ich war bereit mein Leben zu geben, um Kai zu helfen. Das war ich ihm schuldig. Er hatte mir das Leben gerettet. Mehrmals sogar. Außerdem hatte er mir erlaubt hier zu bleiben.
„Du willst gehen?“, fragte der Tiger und trat neben mich.
Ich zuckte zusammen, weil ich ihn nicht hatte kommen hören.
„Was weißt du darüber?“, fragte ich und er lachte.
„Mehr als du denkst. Kai hat auch mich um Hilfe gebeten. Meine Geschwister sehen es als Falle an. Doch ich denke, dass er gerade einen Kampf führt, den er alleine nicht gewinnen kann. Er braucht uns. Und ob es nun eine Falle ist oder nicht, ich werde gehen.“
„Was hat er für dich getan?“
„Gar nichts. Kai ist mein Partner und Freund. Ich bin bereit zu sterben, um ihn zu beschützen. Das bin ich mir selbst schuldig.“
Also war der Tiger nur bereit so weit zu gehen, weil sein Gewissen ihn dazu trieb. Sollte mir Recht sein. Jeder Helfer mehr war gut. Vielleicht würden meine Freunde auch mitkommen, wenn ich Kai helfen gehen würde. Jan vielleicht nicht, aber der Rest. Obwohl. Jan war eigentlich ein Gardist von Kai. Gerade er müsste gehen.
„Und du?“, fragte er und ich sah ihn an.
„Das ich gehe, sollte eigentlich jedem klar sein, der mich kennt. Kai ist mein Freund. Ohne ihn wäre mein Leben sehr leer. Deswegen will ich keine Zeit verlieren und sofort gehen, damit wir ihn nicht töten müssen. Dazu wäre ich nicht in der Lage“, sagte ich und er nickte.
„Ihr seid nicht alleine“, sagte Li und betrat den Raum.
„Li?“, fragte ich.
„Kai ist unser Schamane. Seine Generäle und ich werden gehen und ihm helfen. Dafür sind wir schließlich da.“
Also auch seine Generäle.
„Wir werden ebenso gehen“, sagte Andre und meine Freunde betraten ebenfalls den Thronsaal.
„Aber das ist zu gefährlich“, sagte ich und sie winkten ab.
„Kai hat uns vielleicht übel mitgespielt. Doch jetzt ist er unser Schamane. Er hat uns ein neues Leben geschenkt. Ein besseres sogar. Wir sind bereit zu gehen und für ihn zu sterben“, sagte Jan und ich sah ihn erstaunt an.
„Gerade von dir hatte ich diese Worte nicht erwartet“, sagte ich und er nickte.
„Es machte vielleicht auch nie den Anschien. Doch seine Weisheit hat uns geleitet. Außerdem hat er mir einen großen Wunsch erfüllt. Ich will mich dafür erkenntlich zeigen.“
Das leuchtete ein. Ich sah mich um. Es waren vier Generäle, Li, der Tiger und meine fünf Freunde. Und ich. Machte zwölf Mann, die bereit waren dem Lotus die Stirn zu bieten. Auch ohne die Schamanen.
„Ich danke euch“, sagte ich und sie nicken.
„Lasst uns keine Zeit verlieren. Latia und ich können uns in das Windreich zurückbringen“, sagte Andre und hielt uns seine Hand hin.
Latia tat dasselbe. Wir verteilten uns und standen im nächsten Moment im Windreich. Was war hier nur passiert? Die Gebäude waren alle zerstört. Kein Stein stand mehr auf dem anderen. Und noch dazu war alles mit Wurzeln überzogen. Wie furchtbar. Hier konnte doch kein Mensch leben.
„Willkommen, in meiner Welt“, sagte Zymerana und wuchs vor uns aus dem Boden.
Sofort gingen wir alle in Kampfstellung.
„Seid ihr hier um euch zu ergeben und mir zu dienen?“, fragte er und Li trat vor.
„Nein. Wir sind hier um zu fordern, was unser ist. Gib Kai frei“, sagte er und Zymerana begann zu lachen.
„Seid ihr nur gekommen, um ihn zu retten? Schade eigentlich. Nun ja. Ich kann euch anbieten, ebenfalls zu meinen Dienern zu werden. Dann könnte ich euch helfen. Doch so habe ich keine andere Wahl, als euch zu bekämpfen. Kai ist noch nicht fertig, also wird es wohl bei mir liegen, euch zu töten. Ich werde es genießen. Vor allem dich, Kevin zu töten. Du bist das einzige was zwischen der kompletten Kontrolle über Kai und mir steht.“
Ich stand ihm im Weg? Wie? Kai konnte durch mich keine Hilfe erlagen.
„Richtig, du hilfst ihm auch nicht direkt. Doch die Erinnerungen an dich sind so stark, dass Kais Schutz so extrem stark ist, dass ich ihn nicht gelöst bekomme. Deswegen muss ich dich töten, oder auf meine Seite ziehen. Da dies aber verlorene Liebesmühe wäre, lasse ich es und töte dich lieber vor Kais Augen. Dann wird er sehen, dass es keinen Sinn macht, sich mir zu wiedersetzten.“
„Du hast etwas versprochen“, klang plötzlich Kais Stimme von irgendwo.
„Mein Versprechen muss ich jetzt nicht mehr halten. Du kannst mir nicht mehr entkommen. Bald wirst du mein treuer Diener sein. So wie einst Li.“
„Das lass ich nicht zu“, sagte ich und eine Energiekugel erschien in meiner Hand.
Ich warf sie und traf genau Zymerana Kopf. Der Körper zerfiel und ein neuer erhob sich.
„Gib es auf. Das hat keinen Sinn. Du kannst mich nicht besiegen. Ich bin es leid Warnungen auszusprechen. Jetzt werde ich euch meine Macht zeigen“, sagte er und hob seine Hände.
In der Ferne begann die gigantische Lotusblüte, auf der Spitzte des Tempels, zu leuchten. Er wollte Magie verwenden. Oh nein. Was hatte er vor.
„Meteoren Schlag“, rief er und wir sahen alle auf.
Es geschah nichts. Rein gar nichts. Kein Strahl, keine Meteoriten. Verwirrt sah Zymerana sich um.
„Hör endlich auf, mir zu wiederstehen, Kai“, sagte er.
„Niemals. Ich lasse nicht zu, dass du Kevin etwas antust“, sagte er und Zymerana knurrte wütend.
„Du stellst meine Geduld auf eine harte Probe. Nun gut. Ich kann auch noch anders angreifen“, sagte er und Stacheln schossen aus seinem Körper.
„Sofort in die Luft“, rief Li und sprang.
Wir taten es ihm gleich. Aus allen Wurzeln schossen diese Stacheln. Aber sie verschwanden nicht. Unser Fall würde auch nicht aufgehalten werden. Doch bevor etwas passieren konnte, baute sich eine Erdplatte unter uns auf und machte die Stacheln unschädlich. Ich sah nach hinten und erblickte die anderen Schamanen.
„Wolltet ihr ohne uns anfangen?“, fragte Emilie und lächelte.
Aber wo war Leila? Sie waren nur zu zweit.
„Die anderen Schamanen haben sich auch entschieden zu kämpfen? Wie süß“, sagte Zymerana und sah sie an.
„Gebt auf. Ihr könnt niemals stark genug sein, mir zu wiederstehen“, sagte er und ging im nächsten Moment in Flammen auf.
Verwirrt sah ich zu Emilie. Doch sie hatte nichts getan. Latia vielleicht? Auch sie wirkte keine Zauber. Andre hatte seine Hand auf den Lotus gerichtet. Also wirkte er diesen Zauber. Unglaublich. Leider erloschen die Flammen schnell wieder.
„Du kommst auch noch dran, Junge. Doch jetzt kümmere ich mich erstmal um die Schamanen“, sagte er und wollte gerade losgehen, als eine Windklinge ihn durchbohrte.
Erstaunt sah Zymerana nach hinten. Dort stand Kai. Sein Körper sah völlig unversehrt aus. Nur etwas war anders. Seine Augen leuchteten blau und auf seinem Rücken hatte er Engelsflügel. Seine Hände waren zu Tigerpranken geworden und auch sonst sah er aus wie ein richtiger Tiger. Was war das für eine Form?
Endlich war der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich zeigen konnte. Was passiert war, hatte nicht nur meine Freunde verwirrt. Zymerana hatte es wohl auch nicht bemerkt. Den Körper, den er hatte, war nicht meiner. Er hatte einen Doppelgänger genommen. Als die Wurzel mich traf, löste ich meinen Körper auf und ließ einen Doppelgänger zurück. Das hatte Zymerana nicht bemerkt. Warum ich allerdings nun meine Freunde gerufen hatte, damit sie halfen, wusste ich noch nicht genau. War auch egal. Sie waren hier und bereit zu kämpfen. Doch Zymerana war ein anderer Gegner. Sehr gerissen und gefährlich.
„Wie ist das möglich?“, fragte er und sah zum Tempel.
„Dein Körper liegt doch dort in einem Kokon aus Wurzeln.“
„Richtig. Mein Körper liegt dort. Aber nur ein Doppelgänger. Auch mit meinem Namen, hast du keine Chance über mich zu herrschen. Ich lasse nicht zu, dass du jemandem etwa antust. Mach dich bereit, deinem Schöpfer gegenüber zu treten“, sagte ich und Zymerana knurrte verärgert.
Leila war gar nicht hier? Wo war sie? Vielleicht versuchte sie zu meinem Körper vorzudringen.
„Keiner von euch wird dieses Reich wieder verlassen“, sagte Zymerana und sofort öffneten sich alle Lotusblüten und eine grüne Wolke trat aus.
„Gift!“, schrie ich und sofort hielten sich alle etwas vor den Mund und die Nase.
Ich nahm einen Fächer und begann ihn zu drehen. Sofort bildete sich ein Wirbel, der das Gift nach oben trug und unschädlich machte.
„Es ist wirklich ein Jammer, Kai. Wärst du doch nur an meiner Seite. Wir könnten die ganze Welt beherrschen“, sagte er und ich lachte.
„Soll ich dir was sagen? Das kann ich auch sehr gut ohne dich.“
Ich schoss eine weitere Windklinge. Doch diesmal wehrte Zymerana sie ab. Er lernte schnell. Einmal getroffen worden und er wusste sofort, wie er den Angriff abwehren konnte. Wir waren noch lange nicht weit genug, um ihn zu schlagen. Wurzeln schossen aus der Erde und genau auf Kevin zu. Doch Emilie sprang nach vorne und bildete einen Feuerschild. Die Wurzeln verbrannten und fielen zu Boden.
„So kommen wir nicht weiter. Erhebt euch meine Diener“, rief Zymerana und sofort erschienen mehrere Pentagramme am Boden.
Hervor traten Dämonen. Und das nicht gerade wenige. Die größten von ihnen waren auch gleichzeitig die Gefährlichsten. Das konnten wir nicht schaffen. Den Lotus und seine Diener? Selbst meine Magie war nicht stark genug. Plötzlich spürte ich etwas hinter mir und Leila trat zu uns.
„Sieht nicht wirklich gut aus“, sagte sie und ich nickte.
„Zymerana und die Dämonen sind zu viel für uns. Wir sollten uns zurückziehen“, sagte ich und sie nickte.
„Rückzug“, rief sie und sofort verschwanden meine Freunde.
Nur die Schamanen blieben noch.
„Ihr seid töricht genug zu bleiben?“, fragte Zymerana.
„Ob man das töricht nennen kann, sei mal so dahingestellt. Wir sind mutig genug, dir die Stirn zu bieten. Das trifft es eher“, sagte ich und er lachte.
„Du kennst mich, Kai. Meine Methoden und meine Stärken. Du müsstest eigentlich wissen, dass es keinen Weg gibt, mich zu schlagen.“
Es gab keinen offensichtlichen Weg. Aber einen Weg gab es auf jeden Fall. Darüber musste ich nur noch nachdenken. Aber zuerst löste ich mal den Doppelgänger auf.
„Wir werden uns bald wiedersehen, Zymerana“, sagte ich und wir lösten uns ebenfalls auf.
Im Erdreich erschienen wir wieder. Meine Freunde warteten bereits hier. Ich sah mich um. Keinem war etwas passiert. Nicht auszudenken, wenn es so wäre.
„Wir haben es geschafft“, sagte Jan und sie jubelten.
Nur Kevin und die Schamanen nicht. Kevin kam zu mir und blieb vor mir stehen. Ich sah ihn an. Er holte aus und verpasste mir eine Ohrfeige. Das Geräusch hallte lange durch den Raum.
„Was hast du dir dabei gedacht? Diese Aktion war selbstgefällig und dumm. Du hättest dabei sterben können“, sagte er.
Ich sah ihn einfach nur an. Natürlich machte es den Anschein, als wäre es eine egoistische Aktion gewesen die nur dazu diente, meine Macht zu demonstrieren. Das da allerdings noch viel mehr dran hing, konnten sie alle nicht sehen.
„Ist es dir völlig egal, was aus uns wird?“, fragte er.
„Jetzt mach aber mal einen Punkt. Kai hat sich geopfert, um das Windreich zu befreien“, sagte Li doch ich unterbrach ihn mit einer Geste.
„Es mag den Anschein machen, als hätte ich es nur getan, damit ich euch meine Überlegenheit demonstrieren kann und eine Ausrede hätte. Entschuldigt bitte, wenn ich diesen Anschein bei euch erweckt habe. Das war nicht meine Absicht. Der Grund, warum ich für Zymerana gearbeitet habe war, in erster Linie, ihn kennen zu lernen. Ich wollte seine Stärken und Schwächen herausfinden. Es war zwar nur von bedingtem Erfolg gekrönt, aber immerhin habe ich etwas herausgefunden.“
„Du konntest Schwächen in Zymeranas Kette ausmachen?“, fragte Li und ich nickte.
„Das ist mir damals nicht gelungen. Er wirkte wie ein perfektes Wesen.“
„Richtig. Auf den ersten Blick wirkt er perfekt. Keine Schwächen. Aber wenn man genau beobachtet, fällt einem auf, dass Zymerana großes Temperament hat. Wenn man ihn wütend macht, fängt er an unüberlegt zu handeln. Das ist seine größte Schwäche. Er kann dann nicht mehr kontrollieren, was er genau macht.“
„Also müssen wir ihn wütend machen?“, fragte Chris und ich sah ihn an.
„Irgendwie, ja. Was ihn genau wütend macht, konnte ich nicht herausfinden.“
„Das ist immerhin ein Anfang.“
Ich nickte und sah Kevin wieder an.
„Ihr alle ward zu keiner Sekunde in Gefahr. Keiner von euch. Auch wenn es vielleicht so aussah, als wollte ich euch etwas Böses. Ich habe das nur gemacht, da ich wusste, dass Zymerana zuguckt. Wenn ich nur halbherzig oder gar nicht gekämpft hätte, dann wäre meine Tarnung sofort gefallen. Seid mir versichert, dass alle Angriffe gegen euch, zu keiner Sekunde tödlich waren. Wenn ihr nicht mehr hättet ausweichen können, hätte ich ihn sofort abgebrochen. Das hätte mich zwar enttarnt, aber das wäre es mir Wert gewesen.“
Kevin sah mich an. Es wirkte irgendwie, als täte es ihm leid, dass er mich geschlagen hatte.
„Was ist eigentlich mit dir passiert?“, fragte Andre und kam zu uns.
„Mit mir? Wieso?“
„Du siehst aus wie ein menschlicher Tiger“, sagte er und ich sah nach unten.
Oh, stimmte ja. Wie war das denn passiert?
„Keine Ahnung“, sagte ich und er sah mich schief an.
„Du weißt es nicht? Hast du nicht mitbekommen, dass dein Körper sich verändert hat?“
„Ehrlich gesagt, nein.“
Er schüttelte seinen Kopf.
„Sag mal, wie hast du es eigentlich geschafft, dem Lotus zu entkommen. Dem Kokon aus Wurzeln bist du bestimmt nicht entkommen. Das hätte er gemerkt, oder?“, fragte Li.
„Richtig. Ich war zu keiner Sekunde in diesem Kokon. Was der Lotus gefangen hat war nur eine Kopie von mir. Nachdem er meine Namen herausgefunden hatte, war mir klar, dass ich jetzt ein großes Problem hatte. Das er versucht mich sofort in seinen Bann zu ziehen war mir bewusst. Doch nicht, mit einer Wurzel. Es war eigentlich eine Panikaktion, dass ich es abgewehrt habe. Ich habe gewartet, bis die Wurzel mich fast erreicht hatte. Bevor sie meinen Körper durchbohren konnte, habe ich einen Doppelgänger erschaffen und bin aus ihm herausgetreten. Das Zymerana nicht bemerkt hatte, dass er nicht mich, sondern einen Doppelgänger erwischt hat, war natürlich förderlich“, sagte ich.
„Das muss ein sehr guter Doppelgänger gewesen sein. Mit eigenem Bewusstsein und Gedanken“, sagte Li.
„Er war nicht perfekt hat aber seinen Zweck erfüllt. Wie gesagt. Es war in Panik. Ich habe nur versucht gerade noch etwas zu machen. Nicht auszudenken was passiert wäre, wenn Zymerana mich erwischt hätte.“
„Ist aber nicht passiert. Zum Glück nicht“, sagte Emilie und lächelte mich an.
Sofort konnte ich wieder spüren, wie Kevin eifersüchtig wurde und sie böse ansah.
„Was hast du gemacht, nachdem du Zymerana entkommen bist?“, fragte Leila.
„Ich habe mich versteckt und den Doppelgänger am Leben gehalten. In der Höhle unter Jaiken habe ich meditiert und meine Kräfte erforscht. Vielleicht hat das etwas mit meiner Verwandlung zu tun.“
„Kannst du das rückgängig machen?“, fragte Kevin und ich sah ihn an.
„Ich fürchte nein. Das wird jetzt erstmal so bleiben, bis ich herausgefunden habe, was mit mir passiert ist. Vorher kann ich eh nichts dagegen unternehmen.“
„Kannst du denn jetzt fliegen?“, fragte er und berührte meine neuen Flügel.
Erstaunt zuckte ich zusammen. Mit der Berührung hatte ich nicht gerechnet und es war auch eine Stelle, an der eigentlich nichts sein sollte.
„Habe ich noch nicht probiert, aber ich denke, dass es gehen sollte.“
Er lächelte.
„Egal wie du aussiehst, ich liebe dich trotzdem“, sagte er und küsste mich.
Das erwies sich ein wenig schwierig, mit der neuen Kopfform. Aber es klappte irgendwie. Als wir uns lösten zog Kevin sich einige Haare aus dem Mund. Das war mir unangenehm. Aber gegen das Fell konnte ich nun nichts machen.
„Was nun?“, fragte Emilie und ich sah sie an.
„Wir müssen uns vorbereiten, auf einen Angriff von Zymerana. Ich mag nicht mehr seine Waffe sein, aber dafür hat er Dämonen. Leider weiß ich auch nicht, wie viele Dämonen in seinem Dienst stehen. Wir werden erst sie schlagen müssen, bevor wir den Hauptkörper angreifen können. Also sammelt eure Kräfte und verteidigt eure Reiche. Wo sind meine Streitkräfte?“, fragte ich und Chris zeigt auf sich.
„Hier. Sie sind alle in diesem Reich versammelt.“
„Gut. Dann werden wir hierbleiben, wenn es dir keine Umstände macht.“
„Nein, auf keinen Fall. Einen weiteren Schamanen hier zu haben gibt uns gewisse Mobilität. Das Feuerreich wird wohl als letztes ins Visier für Angriffe fallen. Aber dennoch sind wir von hier überall sehr schnell.“
„Gut.“
„Ich habe da noch eine Anmerkung zu machen“, sagte Boreos und seine Geschwister betraten gerade den Raum.
„Und das wäre?“, fragte ich.
„Geh ins neutrale Land. Viele magische Wesen werden uns helfen, den Lotus zu schlagen. Ihr müsst sie nur bitten. Das Windreich war immer sehr angesehen bei ihnen. Also würde ich vorschlagen, dass Kai geht“, sagte der Tiger.
Ich nickte und sah die anderen an.
„Wenn das stimmt, dann gibt es niemanden, der das besser machen könnte, als du“, sagte Leila.
„Dann werde ich morgen gehen. Heute würde ich mich gerne ausruhen.“
„Zuerst solltest du aber zu deinen Truppen sprechen. Man macht sich doch große Sorgen um dich“, sagte Chris und zeigte auf den Eingang.
„Schera, Aran, Latia und Chin. Versammelt sofort das Heer. Wo soll mir egal sein. Ich werde zu ihnen sprechen“, sagte ich und sie nickten.
Dann verließen sie den Raum. Die Schamanen verschwanden ebenfalls. Mit ihnen auch die Schutztiere. Nur der Wolf und der Tiger blieben zurück.
„Wo dürfen wir uns nachher zurückziehen, Chris?“, fragte ich und er überlegte kurz.
„Es gibt hier noch ein freies Haus auf dem Tempelgelände. Dort sollte für deine Generäle, deine Freunde und dich Platz sein.“
„Wenn uns jemand den Weg dorthin zeigen könnte, wäre das von Vorteil.“
„Ich schicke euch einen Diener, wenn du gesprochen hast. Ach ja und, Kai. Schön, dass du wieder da bist“, sagte er und ging dann in sein Zimmer.
Seine letzte Aussage war schön. Ich freute mich, dass sie mich akzeptierten. Nun ja, vermutlich war es eher, um zu zeigen, ich habe keine Angst vor dir, obwohl du so stark bist. Egal. Ich sah Kevin und meine Freunde an. Jan trug jetzt ein großes Katan bei sich. Stand ihm gut. Andres Robe war nicht mehr die eines Lehrlings. Er musste wohl viel geübt haben. Leonard sah nicht anders aus als sonst. Wie gut er war, konnte ich nicht ablesen. Fabian hatte immer noch sein Dienstboten Gewand an. Und Sebastian hatte einen Langbogen auf dem Rücken. Sie waren jetzt offiziell meine Krieger.
„Wollen wir?“, fragte ich und sie nickten.
Zusammen verließen wir den Tempel. Vor der Türe war das gesamte Windreich versammelt. Nicht nur meine Soldaten, sondern auch die restlichen Bewohner. Als sie mich sahen applaudierten viele von ihnen.
„Mein Volk“, begann ich und es wurde still.
„Ich habe es geschafft den Fängen von Zymerana zu entkommen. Leider war es mir bis jetzt nicht möglich, unser Reich zu befreien. Aber daran arbeiten wir Schamanen bereits. Fürs erste gewährt dieses Reich uns Asyl. Meine Soldaten sollten sich den Streitkräften anschließen, damit wir als eine Einheit, dem Lotus entgegentreten können. Wenn ihr keine Fragen mehr habt, geht bitte zurück in eure Unterkünfte und harrt aus, bis wir Zymerana vernichtet haben und wir unser Reich wieder besiedeln können“, sagte ich und die Menge teilte sich.
Zufrieden sah ich ihnen zu. Plötzlich trat ein Junge neben mich.
„Herr? Ich soll euch zu eurem Quartier begleiten. Würdet ihr mir folgen?“, fragte er und ich nickte.
Zusammen folgten wir dem Jungen, bis wir ein Haus erreichten. Er holte einen Schlüssel hervor und öffnete die Türe.
„Bitte sehr“, sagte er und reichte mir den Schlüssel.
„Danke“, sagte ich und er ging wieder.
In dem Haus befanden sich mehrere Räume, die mit Türen abgetrennt waren. Sehr schön.
„Also dann. Sucht euch ein Zimmer. Ich werde mich ausruhen. Wir sehen uns Morgen“, sagte ich und zog Kevin mit mir.
Wir erreichen eine Türe. Ich schob sie beiseite. Das Zimmer dahinter war nur mit einem Bett ausgestattet. Eigentlich mehr als genug. Wir traten ein und ich schloss die Türe.
„Nicht so nobel, wie unser letztes Zimmer“, sagte Kevin und ich musste lachen.
„Wer hätte das auch erwartet? Wir sind hier nicht im Windreich. Aber das reicht uns doch, oder?“
„Also ein wenig Luxus habe ich ja schon erwartet.“
„Dafür haben wir doch Fabian“, scherzte ich und er musste ebenfalls lachen.
„Hast du Angst?“
Kevin sah mich an. Seine Augen sprachen Bände. Ihm gefiel die ganze Sache nicht. Natürlich nicht. Vier Schamanen und eine kleine Armee gegen einen Gott.
„Nein, habe ich nicht.“
„Du lügst grauenvoll“, sagte ich und zog ihn zu mir.
„Kai, ich“, begann er doch unterbrach seinen Satz.
Er sah zu Boden und drückte mich leicht von sich weg.
„Was ist los?“
„Ich bin mir so unsicher. Du könntest sterben. Genau wie alle anderen. Ich will keinen von euch verlieren. Ihr seid meine Familie.“
Ja, das waren wir wirklich. Mehr Familie hatten wir nicht mehr. Nur in der anderen Welt. Ach ja. Ich wollte meine Eltern noch besuchen. Vielleicht wäre das jetzt der perfekte Moment.
„Kevin, würdest du mit mir kommen?“, fragte ich und er sah mich an.
„Wohin?“
„Zu meinen Eltern. Ich denke, dass wenn ich sterbe, sollten sie immerhin wissen was passiert ist“, sagte ich und er nickte.
„Dann los.“
Ich hob meine Hand und ließ ein Portal erscheinen. Zusammen traten wir ein und fanden uns im nächsten Moment vor meiner Haustüre wieder. Ich atmete tief ein und klingelte.
„Kleinen Moment“, rief meine Mutter mit ihrer immer fröhlichen Stimme.
Es gab ein leises klingeln, als hätte jemand einen Zauber eingesetzt. Kevin konnte das wohl nicht hören. Aber ich schon. Die Türe ging auf und meine Mutter kam zum Vorschein. Sie trug ein grünes Kleid. In ihrem Haar hatte sie eine Spange mit mehreren Blumen. In ihrer Hand hielt sie einen Teller, den sie wohl gerade am Spülen war.
„Kai“, sagte sie und ließ den Teller fallen.
Er zersprang in tausend Scherben.
„Hallo, Mutter“, sagte ich und richtete meine Hand auf den Teller.
Sofort setzte er sich wieder zusammen und legte sich in meine Hand. Ohne Daumen zu greifen war ziemlich schwer. Erstaunt nahm sie mir den Teller ab.
„Komm rein“, sagte sie und wir betraten das Haus.
Hinter uns schloss sie die Türe wieder. Sie stellte den Teller auf einen Heizkörper und fiel mir dann um den Hals.
„Du hast mir gefehlt“, flüsterte sie und Tränen füllten meine Augen.
„Du mir auch.“
Sie konnte sich wohl auch nicht mehr zurückhalten. So standen wir da und weinten zusammen. Kevin blieb ruhig im Hintergrund und wartete, bis wir uns wieder voneinander lösten. Sofort erschienen Schmetterlingsflügel auf Mutters Rücken. Ihre Füße lösten sich leicht vom Boden und sie schwebte in der Luft.
„Dein Vater kommt heute nicht nach Hause. Er ist leider auf einer Fortbildung, von seiner Firma aus. Geht schon mal ins Wohnzimmer und macht es euch bequem ich komme sofort“, sagte sie und flog in die Küche.
Ich ging ins Wohnzimmer und Kevin folgte mir. Auf diesem Sofa hatte einst Kevin mit seinen Freunden gesessen. Da waren sie noch meiner Gnade ausgeliefert. Jetzt kam er als mein Freund hier her. Wie musste sich das für ihn anfühlen? Es dauerte kurz und Mutter kam geflogen. Sie stellte drei Tassen Tee auf den Tisch und setzte sich dann.
„Erzähl, wie ist es dir ergangen?“, fragte sie und sah mich an.
„Ich weiß nicht, ob ich sagen kann, gut oder schlecht. In wie weit kennst du Zymerana?“, fragte ich und sie verschluckte sich an ihrem Tee.
Sie stellte die Tasse weg und sah mich dann entsetzt an.
„Zymerana? Meinst du wirklich den Zymerana? Den Dämonengott?“
„Ja, genau den. Er ist zurück und hat das Windreich übernommen. Davor habe ich es als Schamane mit starker Hand geführt. Ich bin bei meinen Untertanen und Generälen sehr beliebt. Li ist begeistert von meiner Kraft.“
„Das kann ich mir denken. Du siehst aus, als würdest du nur aus Magie bestehen.“
„Richtig. Das ist auch so. Ich bin der stärkste Magier aller Zeiten. Warum weiß ich nicht. Aber es ist so.“
„Stärker als Shian Hi?“
„Mindestens genauso stark, wenn nicht sogar wirklich stärker.“
„Stärker? Das ist eigentlich unmöglich. Aber gut. Wer ist dieser Junge neben dir?“
„Das ist Kevin. Du kennst ihn von meinen Erzählungen. Er ist der Junge, der mich damals immer geschlagen hat.“
„Ach ja. Ich erinnere mich.“
„Wir sind zusammen. Er war nur gemein zu mir, weil er mich mochte und es sich nicht eingestehen wollte.“
„Wie süß. Was eine schöne Liebesgeschichte.“
Ich schüttelte nur meinen Kopf. Dann nahm ich mir eine Tasse und trank etwas von dem Tee. Er schmeckte irgendwie eigenartig. Aber er erfüllte mich mit Wärme und förderte meine Magie.
„Was ist das für Tee?“
„Eine ganz besondere Mischung. Die behalte ich für mich. Uraltes Feenrezept“, sagte sie und lächelte.
„Nun, nichtsdestotrotz. Zymerana ist zurück, weil er mich für Shian Hi gehalten und meine Magie angezapft hat. Bald werden wir in den Krieg gegen ihn ziehen. Es könnte sein, dass ich das nicht überlebe und wollte euch eigentlich, ein letzte Mal sehen und mich richtig von euch verabschieden“, sagte ich.
Ihre Augen wirkten so nichtssagend. Ich konnte nicht ablesen, was sie gerade dachte oder empfand.
„Du bist gewachsen, Kai. Ich denke nicht, dass Zymerana gegen dich Triumphieren kann. Nicht wenn du deine Freunde um dich herumhast“, sagte sie und ich nickte.
Kevin hatte seine Tasse Tee ausgetrunken und lauschte unserem Gespräch nur.
„Danke, Mutter“, sagte ich und sie nickte.
„Eins würde ich aber gerne noch wissen. Dein Vater und ich sind nicht umher gekommen zu bemerken, dass du uns zwei Tage aus dem Verkehr gezogen hast. Was hast du in dieser Zeit gemacht?“
Ich senkte meinen Kopf. Konnte ich ihr sagen, dass ich mich an Kevin und seinen Freunden gerächt hatte?
„Er hat uns gezeigt, wie er mit den Menschen umgeht, die ihn ärgern“, sagte Kevin und ich sah ihn an.
„Wirklich? Also hat er seine Macht missbraucht?“, fragte Mutter.
Doch Kevin schüttelte seinen Kopf.
„Keinesfalls. Es stand ihm zu, diese Dinge zu tun. Er hätte uns auch noch mehr antun können. Was wir ihm angetan haben, war unverzeihlich. Wir hatten es verdient“, sagte er und Mutter lachte.
„Lass mich raten, du hast ihn am schlimmsten getroffen? Was hat er mit dir gemacht?“
„Bitte, Mutter. Musst du das wissen?“, fragte ich und sie lachte.
„Nein. Aber es interessiert mich.“
„Er hat mich in sich selbst verwandelt und meine Freunde mich genauso behandeln lassen, wie sie ihn behandelt haben. Danach hat er mich in einen Falken verwandelt und ist mit mir in die andere Welt gezogen. Meine Freunde hat er später nachgeholt.“
„Das habe ich schon fast erwartet. Also gut. Ihr habt eine harte Schlacht vor euch. Die Reiche sollten nicht länger ohne ihre Schamanen sein.“
Sie erhob sich und wir ebenfalls. Wir gingen zur Türe und sie flog uns nach.
Kevin verabschiedete sich und verließ das Haus.
„Kai“, sagte sie und ich drehte mich um.
„Ja?“
Sie kam zu mir und strich mir durchs Gesicht. Unbewusst begann ich zu schnurren.
„Egal wie du aussiehst, ich werde dich immer als meinen Sohn ansehen. Du weißt, dass du immer willkommen bist. Versuch nicht zu sterben, ja?“
Ich nicke und eine Träne rann über mein Fell.
„Ich verspreche es dir“, sagte ich und umarmte sie.
„Viel Glück.“
Ich ließ sie wieder los und ging dann. Kevin wartete bereits. Mutter ging zur Türe und winkte nochmal. Ich lächelte und zog Kevin zurück in das Portal. Wir fanden uns in unserem Zimmer wieder. Er sah zufrieden aus.
„Das war gut, Kai“, sagte er und ich lächelte schwach.
„Ja. Immerhin wissen sie jetzt, was vor sich geht.“
„Ich hatte eigentlich immer erwartete, dass Feen kleiner sind“, sagte Kevin.
„Warum sollten sie? Es sind Lebewesen wie wir. Nur weil sie in Filmen immer klein dargestellt werden, heißt das nicht, dass es auch so ist.“
„Leuchtet ein. Es gibt wohl noch einiges, was ich nicht weiß“, sagte er und ich nickte.
„Ein paar Dinge auf jeden Fall.“
Wir setzten uns auf das Bett und sprachen über die letzten Tage und vor allem über die Dinge, die ich über Zymerana herausfinden konnte.
Mitten in der Nacht wurde ich wach. Warum wusste ich nicht einmal. Diesmal hatten mich gar keine Visionen gequält. Kevin schlief seelenruhig neben mir. Seine Hand lag auf meiner Brust. Ich sah ihn an. Wenn er schlief, sah er noch süßer aus. Ich erschuf einen Doppelgänger, der an meiner Stelle liegen blieb. Sehr praktisch. Ich verließ das Zimmer und trat vor das Haus. Die Nacht war klar. Ein Vollmond stand am Himmel. Je länger ich in den Mond sah, desto fremder fühlte sich mein Körper an. Eigenartig. Was auch immer hier vor sich ging, es war mir nicht zu erklären. Ich ging auf die Tempelmauer zu. Es waren nur wenige Soldaten draußen. Sie grüßten mich nicht einmal, als ich an ihnen vorbeiging. Einige von ihnen sahen mich nur entsetzt an. Was war mit ihnen los? Kannten sie mich nicht? Egal. Ich betrat die Mauer des Tempels und wurde in Mondlicht getaucht. Welche ein herrliches Gefühl.
„Was ist das?“, rief plötzlich ein Soldat und ich sah zu ihnen.
Sie zeigten in meiner Richtung. Sein Kollege sah mich an und zog dann seine Waffe.
„Werwolf!“, schrie er und ich sah mich um.
Wo? Ich sah niemanden außer. War das möglich? Mein Blick wanderte zu meinen Händen. Das Tigerfell war verschwunden und durch schwarzes Wolfsfell ersetzt worden. Verflucht. Was war während meiner Meditation nur passiert? Die Soldaten schlugen sofort Alarm und ein Schamane kam zu ihnen. Es war Chris.
„Was ist passiert?“, fragte er.
„Herr, ein Werwolf hat die Mauern überwunden“, sagte ein Soldat und zeigte auf mich.
„Ich kümmere mich darum“, sagte Chris und verschwand im Boden.
Neben mir tauchte er wieder auf.
„Was willst du hier, Monster?“, fragte er und sah mich an.
Ich starrte nur zurück. Wie ich jetzt genau aussah, wusste ich nicht einmal.
„Du hast mir Asyl gewährt“, sagte ich, mit einer sehr tiefen Wolfsstimme.
„Daran würde ich mich erinnern.“
„Auch, wenn du wüsstest, wer vor dir stehet?“, fragte ich.
„Vor mir steht eine Gefahr für mein Reich. Ihr Werwölfe seid eine Gefahr für die Menschheit. Ihr tötet so viele Menschen jedes Jahr, dass man aufgehört hat zu zählen.“
„Mag sein. Aber ich bin anders.“
„Kein Wort mehr. Verschwinde aus meiner Stadt. Sonst sehe ich mich gezwungen dich zu töten.“
Das wollte ich eigentlich zu gerne sehen. Ich sah in den Mond und schloss meine Augen. Irgendwie hatte ich das Bedürfnis zu heulen. Doch ich hielt mich zurück. Ich sah Chris wieder an. Er zog langsam seine Schwerter und war wohl auf einen Angriff gefasst. Hatte ein Werwolf auch Magie? Musste ich mal testen. Vorsichtig bewegte ich meine Finger und ein kleiner Tornado erschien in meiner Hand. Das funktionierte also. Wie wäre es mit einem Schutz gegen das Mondlicht? Ging sowas? Naja einen Regenschirm vielleicht. Im nächsten Moment erschien ein Regenschirm über mir. Das Mondlicht wurde abgefangen und traf meinen Körper nicht mehr. Sofort fühlte er sich wieder normal an. Chris ließ beinahe seine Schwerter fallen.
„Kai?“, fragte er ungläubig.
„Ich kann es mir selbst nicht erklären. Während der Meditation ist wohl mehr mit mir passiert, als ich bis jetzt erfahren habe.“
„Wie ist sowas möglich? Ich dachte Werwölfe sind eine Plage. Wenn sie dem Mondlicht ausgesetzt sind, dann werden sie zu wilden Bestien. Letzten Monat hat ein Werwolf mehre meiner Untertanen getötet.“
„Ich sagte ja, dass ich anders bin. Den Körper habe ich vollkommen unter Kontrolle. Nur erklären, wie die Verwandlung von statten geht, kann ich nicht.“
„Wird man nicht als Werwolf geboren? Oder selbst zu einem, wenn man jemanden beißt?“
„Woher soll ich das wissen? Bin ich Shian Hi? Keine Ahnung.“
„Aber, wenn du der Werwolf bist, dann brauche ich mir keine Sorgen um meine Bewohner zu machen. Oder doch?“
„Nein. Zumindest nicht wegen mir“, sagte ich und er nickte.
Ich ließ den Schirm verschwinden und sofort verwandelte ich mich wieder.
„Hast du jetzt mehr Kraft?“
„Keine Ahnung. Ich kenne diesen Körper nicht“, sagte ich.
Chris wollte gerade etwas sagen, als ein Schrei uns zusammenzucken ließ.
„Was war das?“, fragte er und ich zuckte mit den Schultern.
„Klang nach einer Frau“, sagte ich und er sah in die Richtung.
„Kommst du mit?“
Ich nickte nur und zusammen rannten wir los. Wir liefen durch die Stadt und ich suchte nach Menschen, die sich auf der Straße befanden. Ich fand keine. Also kam es aus einem der Häuser. Erneut ein Schrei. Diesmal von sehr nah. Ich untersuchte die Häuser und fand eine Frau, die in einer Ecke kauerte. Vor ihr ein Wesen, dessen Art ich nicht bestimmen konnte.
„Dort“, sagte ich und zeigte auf das Haus.
Chris rannte sofort los und schlug die Türe nieder. Ein lautes Jaulen kam aus dem Inneren. Sofort rannte ich ihm nach. Die Frau kauerte immer noch in der Ecke und schien sich zu fürchten. Vor Chris lagen die Türe und daneben ein Werwolf. Sein Fell sah sehr zerzaust aus. Der Körper war spindeldürr, so als hätte er Wochenlang nichts mehr gegessen.
„Alles in Ordnung?“, fragte Chris die Frau und sie nickte.
Ich hatte mich zurückverwandelt. Der Werwolf sah mich neugierig an. Seine Augen musterten mich sehr genau. Chris sprach noch mit der Frau und fragte was passiert war. Währenddessen ging ich zu dem Werwolf und sah ihn mir aus der Nähe an. Wenn ich auch so aussah, dann war ich wirklich hässlich.
„Mein König“, stammelte der Wolf und schloss seine Augen.
König? Was redete er da?
„Verzeiht, dass ich mich nicht verneigen kann. Aber mein Arm ist gebrochen.“
„Wer ist dein König?“, fragte ich und er lachte.
„Ihr. Sagt bloß, ihr erinnert euch nicht an die glorreichen Zeiten, als die Werwölfe noch ein starkes Volk waren. Gefürchtete von jedem. Oh ihr wart so ein wundervoller König“, sagte er.
Er sprach Wörter. Aber ihre Bedeutung wollte mir nicht so ganz klarwerden. Also, ich sollte der König der Werwölfe sein? Das war absurd. Wann sollte das gewesen sein? Chris kam zu uns und hielt dem Wolf seine Klinge an den Hals.
„Wie kannst du es wagen, diese Frau anzugreifen?“, fragte er und der Wolf sah ihn an.
„Ich habe sie nicht angegriffen. Leider habe ich mich seit Ewigkeiten nicht mehr Verwandelt, sodass ich wieder mit dem Mond zum Wolf werde. Ich bin ihr Ehemann“, sagte er und Chris ließ das Schwert sinken.
„Kann der Tag noch verrückter werden?“, fragte er und ich nickte.
„Kann er. Ich bin der Werwolf König, wenn ich diesem Mann glauben kann“, sagte ich und Chris ließ seine Klinge fallen.
„Ernsthaft? Diese Tiere haben einen König?“, fragte er.
Der Wolf schnaubte verächtlich.
„Beleidigt uns nicht. Werwölfe sind genauso magische Wesen, wie jedes andere in Trimalia. Wir gehören hier hin, genauso wie ihr Schamanen.“
„Ihr verdient es nicht, dass man euch als Lebewesen ansieht. Ihr tötet ohne Gnade unschuldige Menschen.“
„Und warum? Weil wir wieder vom Vollmond abhängig sind. Wir können uns eigentlich verwandeln, wann wir wollen. Doch in der Öffentlichkeit dürfen wir unsere Identität nicht preisgeben. Dadurch verfallen viele in den Zustand, den ihr bis jetzt kennt. Ihr zwingt uns dazu, wieder so zu werden“, sagte der Mann und ich sah Chris an.
Was der Wolf sagte, erklärte einiges. Es war kein Grund, dafür jemanden zu töten.
„Lass gut sein, Chris. Was er sagt, macht durchaus Sinn. Wenn es nicht so wäre, hätte ich heute Nacht nicht auch diese Probleme. Wir können sie nicht dafür verurteilen, dass sie nun einmal so sind, wie sie sind“, sagte ich und er sah mich an.
„Du hast auch nicht mehrere Menschen verloren, an diese Monster.“
„Nein, das habe ich nicht. Ich bin nur zufällig selbst eines dieser Wesen, die du als Monster bezeichnest. Und wenn es wirklich stimmt, was er sagt, dann bin ich sogar ihr König.“
„Denkst du wirklich, ich traue ihm?“
„Das sollst du gar nicht. Vertraue mir“, sagte ich und seine Hände begannen zu zittern.
„Ich kann in dieser Situation nicht auf dich vertrauen, Kai“, sagte er und senkte seinen Kopf.
„Du bist nicht subjektiv. Als ein Werwolf wirst du zu ihnen halten.“
Was redete er da? Wollte er mich auf den Arm nehmen? Nur weil ich mich im Mondlicht verwandelte, war ich nicht sofort ein Werwolf. Ich schüttelte meinen Kopf.
„Willst du mich auf den Arm nehmen? Nur weil ich im Mondlicht die Gestalt ändere, heißt das nicht, dass ich sofort so denke wie sie.“
„Unser König hat damals dafür gesorgt, dass wir uns nicht verstecken mussten. Doch seit er weg ist, haben uns die anderen magischen Wesen aus unseren Höhlen verjagt. Wir waren gezwungen uns in den Reichen zu verstecken. Ein kleiner Teil ist hier gelandet. Genauso im Feuer und Wasserreich. Der größte Anteil aller Werwölfe ist aber ins Windreich gezogen, weil Li sie sehr gerne aufgenommen hat.“
„Ruhe!“, schrie Chris und der Wolf zuckte zusammen.
Eigentlich schon merkwürdig. Er wurde gar nicht vom Mondlicht getroffen und verwandelte sich trotzdem nicht zurück. Offenbar hatte er sich so verwandelt und nicht durch das Mondlicht. Aber wenn es so war, wie bei mir, dann war er nur deswegen wach geworden.
„Ich glaube dir kein Wort. Werwölfe sind dumme Biester, die nichts Anderes als fressen und gefressen werden im Sinn haben. Ich kann und will ihnen den Tod vieler Bürge nicht vergeben. Deswegen musst du jetzt sterben!“
Chris zog sein zweites Schwert und stürmte auf den Werwolf zu. Nein, das konnte er nicht ernst meinen. Wir waren hier, um alle Wesen zu beschützen. Nicht nur die Menschen. Ich konzentrierte mich kurz und erschuf eine Peitsche aus Wind. Gerade als Chris zuschlagen wollte, schlug ich zu und blockierte so seine Hand. Er knurrte und sah mich dann an.
„Was soll das werden?“
„Siehst du nicht, was du da machst? Wir sind Schamanen und sollen alle Wesen respektieren. Du willst gerade ein Leben nehmen. Uns steht es nicht zu, über Leben und Tod zu entscheiden. Ich kann dich das nicht tun lassen“, sagte ich und er stemmte sich dagegen.
Normal hätte ich Probleme, ihn zurückzuhalten. Doch ich benutzte Magie und hielt ihn so fest. Dadurch brachte ihm seine Kraft gar nichts.
„Ich muss mein Reich von dieser Plage befreien.“
„Wach auf, Chris. Werwölfe sind keine Plage. Sie sind Lebewesen und hoffen nur darauf, in Ruhe gelassen zu werden.“
„Wenn selbst die magischen Wesen, sie verjagen, was sollen wir Menschen dann erst machen? Ihnen Kuchen und Tee servieren und sie in unsere Stadt lassen? Es wird seinen Grund haben, dass sie nicht in ihren Höhlen bleiben konnten.“
„Bestimmt nicht den, dass sie andere Wesen getötet haben. Sie haben sich doch versucht anzupassen. Aber, genau wie ich, können sie nicht verleugnen, dass sie anders sind. Fürchtest du auch, dass ich Menschen umbringen, weil ich mein Gelüst nach Fleisch nicht stillen kann? Auch ich bin ein Tier. Ob Werwolf oder Tiger. Bin ich der Nächste, den du umbringen willst?“
Er sah mich an. Seine Augen waren voller Wut.
„Wenn du mich nicht sofort tun lässt, was ich tun muss, dann ja“, antwortete er.
„Tut mir leid. Ich kann dich so nicht frei lassen. Du gehst völlig objektiv an diese Sache heran und kannst nicht entscheiden. Deine Wut macht dich blind.“
„Sie macht mich stark.“
Er stemmte sich mit aller Kraft gegen meine Barriere. Zu meinem Erstaunen reichte nicht einmal mehr meine Magie aus, um ihn zurück zu halten. Er sprengte meine Fessel und schlug erneut zu. Was nun? Ich hatte keine Zeit mehr. Was sollte ich tun? Meine Fächer? Einen Versuch war es wert. Ich befahl meine Fächer zu dem Mann und blockte so das Schwert. Chris schnaubte und schlug erneut zu. Doch wieder wurde sein Schlag abgefangen. Immer wütender ging sein Schwert nieder. Doch nicht einmal konnte er an meinen Waffen vorbeikommen. Während er noch wütend versuchte meine Waffen zu überwinden, heilte ich den Werwolf und ging auf ihn zu. Meine Fächer drückten Chris immer weiter zurück.
„Alles in Ordnung?“, fragte ich und der Wolf sah mich an.
„Ja, mein Herr. Danke“, sagte er und kniete vor mir nieder.
König der Werwölfe. Das klang sehr unglaubwürdig für mich. Wenn es aber so war, dann wollte ich mich nicht dagegen wehren. Wie sollte ich das eigentlich Kevin beibringen? Nun gut, das war erstmals nebensächlich. Jetzt musste ich erstmal den Werwolf in Sicherheit bringen. Ich dachte gerade nach, als er Aufschrie.
„Passt auf“, rief er und ich sah nach hinten.
Chris kam auf uns zu. Sein Gesicht voller Zorn. Ich hatte keine Möglichkeit mehr, ihn abzuwehren. Für einen Zauber hatte ich zu wenig Zeit. Schützend stellte ich mich vor den Mann und hoffte, dass Chris seinen Angriff abbrechen würde. In meinem Rücken konnte ich ihn nicht sehen. Plötzlich durchfuhr mich ein heftiger Schmerz. Chris hatte seinen Angriff wohl nicht abgebrochen und mir den Rücken aufgeschlitzt. Der Werwolf war sicher, das war erstmal alles was zählte mich sollte dieser Treffe nicht umbringen, oder doch? Irgendwie fiel mir das Atmen plötzlich so schwer. Meine Augen wurden schwer und mein ganzer Körper fühlte sich wie Blei an.
„Was habt ihr getan?“, konnte ich die Frau sagen hören.
Stille. Meine Rüstung fühlte sich nass an. Sie klebte an meinem Körper.
„Was habe ich getan?“, fragte Chris und ließ das Schwert fallen.
„Das richtige“, sagte ich und fiel vorne über.
Ein stechender Schmerz ließ mich aufwachen. Was war passiert? Mein Herz fühlte sich an, als wäre es gebrochen. Sofort sah ich zu Kai. Er war nicht da. Oh nein. War er? Beruhig dich Kevin. Du denkst hier an Kai, den stärksten Magier, den du kennst. Ihm wird nichts passiert sein. Wer sollte ihm auch etwas antun können. Vielleicht Zymerana? Je länge ich darüber nachdachte, desto unwohler fühlte ich mich.
„Boreos“, sagte ich und sofort erschien der Tiger neben mir.
„Was ist?“, fragte er und sah mich an.
„Ist etwas mit Kai?“
Er sah mich verwirrt an.
„Wie kommst du darauf?“
„Ich bin wach geworden, weil sich mein Herz anfühlte, als sei es gebrochen. Kai war nicht da. Deswegen frage ich dich. Du kannst ihn eher spüren, als ich.“
Boreos schloss seine Augen. Dann zuckte er kurz und sah mich entsetzt an.
„Er ist schwer verletzt und liegt im Sterben“, sagte er.
Was? Nein, unmöglich. Kai war nicht schlagbar. Wer konnte ihn besiegt habe? Sofort sprang ich auf und wollte aus dem Zimmer laufen, als Boreos mich zurückhielt.
„Fass mir in den Nacken. Ich bringe uns hin“, sagte er und ich gehorchte.
Im nächsten Moment standen wir in einem Haus. Vor uns lag Kai. Über ihn beugten sich eine Frau und ein Werwolf. In einer Ecke des Raumes stand Chris und sah Kai entsetzt an. Dazu zitterte er. Was war hier passiert?
„Kai?“, fragte ich und lief zu ihm.
Sofort machten die Frau und der Wolf Platz. Kais Rücken war komplett aufgeschnitten. Von einem Schwert. Einer der Flügel war abgetrennt und lag neben ihm.
„Wer seid ihr?“, fragte der Werwolf mich und ich sah ihn an.
„Ich bin sein Lebensgefährte. Was ist passiert?“, fragte ich.
„Dieser Schamane hat ihn ermordet, als er versuchte mich zu beschützen.“
Der Werwolf zeigt auf Chris und ich sah ihn an. Er hatte Kai angegriffen und getötet? Das schien nicht seine Art zu sein. Vor allem nicht, mit einem Schlag in den Rücken. Chris sagte dazu nichts und blieb zitternd in der Ecke stehen.
„Wie lange ist das her?“, fragte Boreos und die Frau sah ihn an.
„Noch nicht sehr lange. Eigentlich ist er zusammengebrochen und dann seid ihr erschienen“, sagte sie.
Das stimmte. Kais Blut war noch warm und er atmete auch noch. Konnte ich ihm noch helfen? Aber wie? Meine Heilkräfte waren sehr beschränkt. Wäre das mir passiert, hätte Kai mich heilen können. Aber ich ihn? Unmöglich. Boreos kam zu mir und sah sich die Wunde an.
„Die kann ich nicht heilen. Das ist viel zu viel Magie, die ich bräuchte“, sagte er und ich sah ihn an.
„Was machen wir jetzt? Wer ist stark genug, ihm zu helfen?“
„Ich wüsste da wen. Aber fragen will ich ihn nicht.“
„Wen?“
„Zymerana.“
„Bist du wahnsinnig?“
„Deswegen sage ich ja, dass ich ihn nicht fragen will. Sonst fällt mir niemand ein, der genug Heilkraft besitzen würde“, sagte er.
Das konnte doch nicht sein. Irgendwer musste doch etwas unternehmen können. Wir konnten Kai nicht einfach sterben lassen. Moment. In meiner Welt hatte man Elfen immer immense Heilkräfte nachgesagt. Vielleicht war das ja nicht gelogen.
„Was ist mit den Elfen oder Feen?“, fragte ich und Boreos sah mich erstaunt an.
„Elfen? Wie kommst du denn jetzt auf die? Elfen können gut Heilen. Aber wie sollen wir ihn dorthin bekommen? Ich kann uns nicht alle drei Teleportieren und du alleine wirst es auch nicht schaffen. Tragen wäre zu aufwendig“, sagte er.
„Dann teleportier ihn und dich dorthin.“
„Das geht nicht. Wie soll ich denn so viel Magie bewegen? Kai zu teleportieren ist ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man nicht so stark ist wie er. Zumindest wenn er nicht aktiv daran mitarbeiten kann.“
Moment. Wenn man so stark war wie er ging es? Das brachte mich auf eine Idee. Ich konnte seine Magie benutzten. Also war ich so stark wie er.
„Dann zeig mir, wo ich hinmuss, ich versuche es.“
„Bist du verrückt? Es könnte dich umbringen.“
„Ich kann Kais Magie benutzten. Das wird mich ganz bestimmt nicht umbringen“, sagte ich und Boreos überlegte kurz.
„Gut. Wir können es versuchen.“
Ich legte meine Hand auf seinen Kopf und schloss meine Augen. Sofort zeigte er mir eine Lichtung, irgendwo in einem Wald. In den Bäumen waren Häuser gebaut, welche mit Brücken verbunden waren. Ich sah ihn an, griff dann nach Kai, zog seine Magie zu mir und konzentrierte mich nur noch auf diesen Ort. Im nächsten Moment erschienen wir auf der Lichtung. Ich sah mich um. Es war vollbracht. Ich hatte uns teleportiert. Alle zusammen. Aber wo waren jetzt die Elfen?
„Wo sind sie?“, fragte ich Boreos und er sah sich um.
„Sie haben unser Eindringen bemerkt und werden gleich hier sein“, sagte er und sofort brachen einige Menschen aus dem Wald hervor.
Sie trugen Speere bei sich und waren in Rüstungen aus Rinde gekleidet.
„Wer seid ihr?“, fragte einer von ihnen und kam auf uns zu.
„Ich bin Boreos, Geist der Winde. Neben mir ist Kevin und daneben liegt Schamane Lotus. Jemand hat ihn verwundet und wir erbitten Hilfe von der Königin“, sagte Boreos und der Mann musterte uns.
„Holt die Königin, sofort.“
Ein Soldat lief davon.
„Wer war so herzlos und hat den Schamanen umgebracht? Weiß er nicht, dass damit das Gleichgewicht ins Wanken gerät?“
„Unglücklicherweise schon. Es war ein anderer Schamane. Wie genau, wissen wir nicht, da wir nicht dabei gewesen sind.“
Der Soldat schüttelte seinen Kopf. Die anderen Soldaten musterten Kai und warteten auf etwas. Plötzlich kam eine Frau aus den Büschen hervor. Sie trug ein Kleid aus weißen Federn. Der Kragen war so hoch, dass er sogar ihre Frisur noch überragte. Ihre Haare waren, wie ein Wirbelsturm, nach oben gedreht und liefen oben Spitz zu. Unter dem Kleid konnte ich eine Eisenrüstung erkennen. In ihrer Hand lag ein großer Stab aus Holz. Mit schnellen Schritten kam sie zu uns, während drei Elfen hinter ihr herliefen und die Schleppe des Kleids trugen. Vor Kai fiel sie auf die Knie und sah sich die Wunde an.
„Welch schwarzer Tag dies ist. Ich wünschte die Umstände unserer Begegnung wären günstigere, Boreos. Dennoch willkommen, in meinem Dorf“, sagte sie und er nickte.
„Mir würden günstigere Umstände auch entgegenkommen. Leider ist uns dies nicht vergönnt, Tiana.“
Sie fuhr die Wunde mit ihrem Finger ab.
„Diese Wunde wurde durch eine unserer Klingen verursacht.“
„Senkum hat sie ihm zugefügt.“
Sie schüttelte ihren Kopf. Dann befahl sie mehrere Soldaten zu sich.
„Bringt ihn sofort in meine Halle und beeilt euch“, sagte sie und sie trugen Kai davon.
Sie erhob sich wieder und sah uns an. Ihr Gesicht wirkte schön. Wie Porzellan.
„Wie unhöflich von mir, mich nicht vorzustellen. Ich bin Tiana, die Elfenkönigin. Willkommen in meinem Reich“, sagte sie und sah mich an.
„Es ist mir eine große Ehre eure Bekanntschaft zu machen. Mein Name ist Kevin und ich bin Lotus Lebensgefährte“, sagte ich und verneigte mich unbeholfen.
Die Königin schien dies zu amüsieren.
„Welches Wunder der Natur. Zwei Männer, die einander lieben. Ihr habt eine einzigartige Verbindung. Lasst euch niemals entzweien. Der einzige Grund, warum er noch lebt ist, weil er sich an dich klammert. Meine Diener werden euch ein Zimmer geben. Ihr solltet euch von den Strapazen erholen.“
Damit ging sie und ließ uns alleine. Ein Elf kam zu uns und führte uns in eines der Baumhäuser. Von außen sah es aus, als hätte ein Kind es gemacht. Klein, krumm und nicht sehr stabil. Von innen war es vergleichbar mit Kais Zimmer im Windtempel. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Alles sah so perfekt aus.
„Will man nicht glauben, dass sie so leben, oder?“, fragte Boreos und ich zuckte zusammen.
„Nein, nicht wirklich. Es macht zumindest nicht den Anschein. Denkst du, sie kann Kai helfen?“
„Wenn nicht sie, dann keiner“, sagte er.
Sehr aufbauend. Konnte also diese Frau nichts machen, konnte es keiner. Wie hatte es überhaupt so weit kommen können? Warum war Chris so weit gegangen und hatte Kai ermordet.
„Können wir mit Chris reden? Ich will wissen, warum er Kai ermordet hat“, sagte ich und er lachte.
„Da bist du nicht der einzige. Er ist gerade in einem Gespräch mit Emilie und Leila, die ebenfalls mitbekommen haben, dass etwas nicht stimmt. Im Feuerreich ist das Atmen plötzlich zur Qual geworden und im Wasserreich steht die Luft komplett. Kein Windhauch geht.“
„Hängt an Kai all das?“
„Viel mehr. An dem Windschamanen hängen die Kräfte für die gesamte Atemluft. Wenn Kai stirbt, können wir hier nicht mehr leben.“
„Aber Mi-Lan ist doch die Göttin des Windes. Kann sie nichts machen?“
„Mi-Lan ist ein Symbol. Sie kann den Wind nicht manipulieren. Die Elementgötter gibt es nur, weil jemand für die Schamanen verantwortlich sein muss. Sie sind stark und können auch gut kämpfen. Doch nicht mit den Elementen. Die Schamanen sind letztlich ihre ausführende Kraft. Ohne sie fällt das Gleichgewicht dieser Welt. Einmal haben wir den Erdschamanen verloren. Dann ist diese Welt auseinandergebrochen und wir schwebten auf kleinen Teilen durch die Gegend. So lange, bis die neuen Schamanen kamen. Deswegen versuchen wir ja auch, einen Krieg unter ihnen möglichst zu vermeiden. Kais Großmut kam uns da sehr entgegen, da er freiwillig keinen Schamanen angegriffen hat.“
„Das ist so unglaubwürdig, dass es Götter gibt, sie aber nichts machen können“, sagte ich.
„Die Götter sind ein Witz. Was glaubst du denn, warum sie Zymerana nicht bereits angegriffen haben. Mei-Trian wäre der einzige Gott, der etwas machen könnte und vielleicht seine Frau. Aber er ist zu eitel um zu kämpfen und sie ist weggeschlossen. Wir stehen hier einer Gefahr gegenüber, die wir nicht wirklich bekämpfen können. Wenn Tiana nichts machen kann, dann müssen wir uns etwas ausdenken. Vermutlich werden wir dann in eine andere Welt umziehen müssen. Aber ich hoffe, dass es nicht so weit kommt.“
„Wie kommt es eigentlich, dass ich noch nie etwas von den Elfen gehört hatte?“
„Sie schätzen ihre Privatsphäre. Aber eine Elfe kennst du sicherlich. Helita ist die Tochter der Königin. Sie hat sie geschickt, um über die Schamanen zu wachen. Das macht sie auch. Aber ihre Garde hat leider versagt. Ich fürchte, dass Tiana ihr das sehr übel nehmen wird.“
„Die Garde hat geschlafen. Zumindest der einzige Gardist, den ich kenne.“
„Jan ist zwar ein Gardist aber nicht einmal ansatzweise stark genug, um Kai zu beschützen. Da wärst sogar du ein besserer Gardist. Denn es kommt nicht nur auf die Muskeln an. Wenn du einen Kampf mit Köpfchen führst, dann gewinnst du, auch wenn du einen stärkeren Gegner hast. Jan macht da keine Ausnahme. Aber weißt du, was mir noch viel mehr Sorgen macht?“
„Das ich ihm nicht helfen konnte?“
„Nein, das nicht. Da konnte niemand eingreifen. Ich werfe niemandem etwas vor. Nein, etwas Anderes macht mir mehr Sorgen. Kai sieht jetzt, nachdem er sich verwandelt hat, genauso aus, wie Shian Hi.“
„Bitte?“
„Shian Hi hatte den gleichen Körper. Wir waren sehr eng miteinander verbunden. Deswegen wollten sie möglichst ähnlich zu uns aussehen. Wofür aber die Flügel genau gut waren, wusste ich damals schon nicht. Aber das Kai jetzt auch so aussieht, stellt mich vor ein Rätsel. Hat Shian Hi so viel in diesem Ring hinterlassen? Oder gibt es etwas in Kai, dass niemand wahrgenommen hat. Ist er vielleicht die Reinkarnation von dem Gott?“
„Warte. Du willst behaupten, Kai könnte Shian Hi sein?“
„Es weißt sehr viel darauf hin. Vor allem auch, seine Partnerwahl. Damals hieß sein Partner zwar nicht Kevin, aber ich glaube Karl. Aber das weiß ich nicht mehr genau. Er kam aus der Menschenwelt, zusammen mit seinen Freunden. Die Geschichte hat sich wiederholt. Fast exakt, genau wie damals.“
„Denkst du, wir sind die Reinkarnation dieser Personen?“
Irgendwie machte dieser Gedanke mir Angst, dass ich einmal jemand anderes gewesen sein soll, der mit Kai schon zusammen war. Unheimlich.
„Wäre denkbar. Aber beweisen könnte ich es nicht. Allerdings würden dadurch einige Dinge erklärlich werden. Zum Beispiel deine Magie. Oder die von Andre. Aber es bringt auch nichts, sich den Kopf darüber zu zerbrechen.“
„Wie lange wird Tiana brauchen, Kai zu heilen?“
„Die Heilung wird nicht lange dauern. Aber danach entscheidet sich erst, ob er leben wir oder nicht. Das kann sich unter Umständen so weit hinziehen, dass Zymerana bis dahin schon die ganze Welt überrannt hat.“
„Das wäre nicht gut“, sagte ich und er nickte.
Eigentlich hätte ich das nicht aussprechen brauchen. Boreos wusste selbst, dass es nicht gut war. Eine Bewegung am Boden ließ mich zusammenzucken. Irgendwas hatte sich bewegt. Ich sah nach unten und einen Lotus aus dem Boden wachsen. Sofort sprang ich nach hinten und rief den Kampfstab zu mir. Boreos sah mich erst verwirrt an, bis er die Blüte selbst bemerkte. Er fauchte laut und sein Fell stellte sich auf. Doch Zymerana schien das alles nicht zu stören er wuchs weiter aus dem Boden. Irgendetwas an ihm wirkte anders. Dieser Körper sah viel heller und schöner aus. Die Wurzeln waren nicht dunkel. Eher weiß, wie die eines Pilzes. Der Tiger entspannte sich und wartete, bis der Körper komplett war.
„Seid mir gegrüßt, Freunde. Mein Name ist Zymerana und ihr kennt mich nur, als den Dämonengott, den ihr gesehen habt“, sagte er und verneigte sich.
„Und wer bist du jetzt?“, fragte ich und er sah mich an.
„Bei dieser Erscheinung handelt es sich um das, was Shian Hi damals erschaffen hat. Als ich zum Dämonengott wurde, hat meine andere Hälfte versucht mich zu vernichten. Doch mir gelang es, einen Ableger zu bilden, der meine gute Seite fortleben lassen konnte. Diesen versteckte ich hier und hoffte nur darauf, eines Tages wieder mit Shian Hi vereint zu sein. Und dieser Moment ist jetzt gekommen“, sagte er.
„Wer sagt uns, dass wir dir vertrauen können?“, fragte Boreos und er lächelte.
„Es ist mir nicht entgangen, dass ihr ein falsches Bild von mir habt. Meine böse Seite hat euch mit viel Misstrauen, mir gegenüber erfüllt. Doch er und ich teilen uns nicht mehr, als unser Aussehen.“
„Kannst du ihn nicht besiegen?“, fragte ich und sein Blick wurde traurig.
„Glaube mir. Wenn ich könnte, hätte ich es schon längst getan. Dieser Dämon ist so unglaublich stark, dass ich keine Chance habe, ihm auch nur ein wenig zu schaden. Ich habe nur die Heilkräfte genommen. Alles andere, hat er. Ich bin machtlos. Solange ich ihn nicht heilen will.“
„Aber, wenn du die Heilkräfte hast kannst du dann vielleicht meinen Freund, Kai, heilen?“, fragte ich und er nickte.
„Kai geht es den Umständen entsprechend. Er ist schwach aber stabil. Tiana hat sofort mich um Hilfe gebeten, da sie selbst nicht stark genug wäre. Dieser Junge, den du Kai nennst, heißt eigentlich Shian Hi und ist Gott der Weisheit. Woher ich das weiß? Ich kann in die Seele der Menschen sehen. Das ist Shian Hi und niemand kann mir etwas anders erzählen. Und du, Kevin, bist sein Freund. Ihr kennt euch schon lange, auch wenn nur unter einem anderen Namen. Eure Liebe geht viel weiter zurück als ihr euch das ausmalen könnt. Aber das führe ich jetzt nicht weiter aus.“
„Woher weißt du das alles?“, fragte ich.
Es kam mir unwahrscheinlich vor, dass er all diese Dinge wissen konnte. Außerdem war er Zymerana. Unser Feind. Wie konnte ich auch nur ein Wort von dem Glauben, was er mir gesagt hatte?
„Shian Hi hat mich erschaffen. Du hast mir meinen Namen gegeben und ihr beide habt mich gepflegt und großgezogen. Als ihr dann verschwunden seid, nahm das Unheil seinen Lauf. Aber jetzt seid ihr wieder hier um mein Herz lachte vor Freude. Ich habe sehnlichst auf eure Rückkehr gewartet. Jeden Tag hoffte ich, dass ihr vor mir erscheint. In meinen Träumen malte ich mir aus, dass ihr gerade noch eine Siegesfeier halten würdet und danach sofort bei mir wärt. Doch leider wurde ich, Tag für Tag, enttäuscht. Ich hatte die Hoffnung aufgegeben. Bis ich Shian Hi wieder spüren konnte. Da war mir klar, dass irgendetwas unheimlich schiefgegangen sein musste. Vor allem, konnte meine böse Hälfte wieder zu Kräften kommen. Genau wie ich.“
„Das klingt alles so unglaubwürdig“, sagte ich.
Zymerana streckte seine kleinen Äste nach mir aus und umschlang zärtlich meinen Körper. Dieser Berührung fühlte sich sehr vertraut an. Erstaunt begann ich zu zittern.
„Wie ich sehe, erinnerst du dich daran.“
Ich war sprachlos. Diese Berührung tat gut. Ich nickte nur leicht und Zymerana kam näher.
„Du hast mir damals gezeigt, wie ich Menschen richtig berühren kann, damit sie mich nicht fürchten. Das war sehr hilfreich.“
Dachte ich mir, dass es hilfreich war. Aber das ich so etwas mal gewusst hatte, war mir neu. Gab es eigentlich die richtigen Stellen, einen Menschen zu berühren, damit er, so wie ich jetzt, hier stand und sprachlos war? Konnte ein Mensch das? Zymerana ließ mich los und irgendwie fühlte ich mich glücklich.
„Bitte, seht mich als den, der ich bin. Euer Freund. Fürchtet euch nicht vor mir. Ich bringe nur Freude und Liebe.“
So wirkte er auch auf mich. Nicht einmal ansatzweise, wie das Gegenstück dazu. Dass sie beide einmal eine Person gewesen sein sollten, konnte ich mir gar nicht vorstellen.
„Wir vertrauen dir. Können wir Kai sehen?“, fragte Boreos doch Zymerana schüttelte nur seinen Kopf.
„Bitte wartet damit noch ein wenig. Kai ist sehr schwach. Sein Körper braucht jetzt Ruhe. Wenn ihr ihn sehen wollt, dann nur durch Magie oder geduldet euch bis Morgen.“
„Gut. Ich werde mit meinen Geschwistern reden gehen. Kevin, du rufst mich, sobald etwas passiert“, sagte Boreos und löste sich auf.
Zymerana und ich blieben alleine zurück. Er sah mich an und deutete dann auf einen Holzhocker. Unsicher nahm ich Platz. Er ging vor mir in die Knie und sah mir genau in die Augen.
„Kevin. Dein neuer Name gefällt mir. Er ist sehr schön. Wie auch immer du ihn bekommen hast.“
„Meine Eltern haben ihn mir gegeben“, sagte ich und er schüttelte den Kopf.
„Das sind nicht deine Eltern.“
„Ist mein gesamtes Leben eine Lüge gewesen?“
„Zum größten Teil, ja. Du liebst Kai und hast ihn immer geärgert. Deine Freunde sind dir auf Schritt und Tritt gefolgt. Das war damals schon so. Shian Hi hat sich als Mensch getarnt und wollte einfach unter den Menschen leben. Du hast dich in ihn verliebt und angefangen ihn zu schlagen und zu ärgern, weil du dachtest, das könnte nicht sein. Er hat es mit Fassung ertragen und euch irgendwann offenbart wer er war. In diesem Moment hast du ihm auch deine Liebe gestanden. Seitdem wart ihr zusammen.“
„Wie lange ist das her?“, fragten ich und er überlegt.
„Lass mich nicht lügen. Shian Hi ist jetzt über fünftausend Jahre alt. Also ist es bestimmt mehr als viertausendneunhundert Jahre her.“
Ich griff mir an den Kopf. Viertausend Jahre? Das war unmöglich. Ich konnte nicht so alt sein. Kai konnte als Gott ewig leben. Aber ich war doch kein Gott, nur ein Mensch.
„Wie ist das möglich?“
„Das kann ich dir nicht ganz genau sagen. Ich weiß nur eins. Shian Hi hat dafür gesorgt, dass es geht.“
„Kann ich sonst noch Dinge, die ich nicht mehr weiß?“
„Ich weiß nicht, was du noch weißt. Also ist das schwer zu beantworten. Du kannst den Wind ebenso manipulieren, wie Kai auch. Du beherrscht ihn nicht, aber manipulierst ihn. Ihr habt euch damals sehr gut ergänzt. Deswegen denke ich, dass Shian Hi dich zum Schamanen gemacht hat, damit zu ewig Lebst.“
Was? Ich sollte ein Schamane sein? War ich vielleicht der Schamane, der jetzt Kai war? Aber niemand hatte sich daran erinnert.
„Wie kann es dann sein, dass sich niemand an mich erinnert?“
„Shian Hi stand immer im Vordergrund. Du mochtest es noch nie, von alle Menschen angesehen zu werden und Entscheidungen zu treffen, die über das Wohl eines ganzen Volkes entscheiden konnten. Deswegen hast du das alles ihn machen lassen.“
Das leuchtete ein. In der Tat stand ich nicht sehr gerne vor so vielen Menschen. Als General ging es einigermaßen. Da stand ich vor ein paar Bediensteten, die darauf warteten, dass ich ihnen sagte, was sie machen sollten. Mehr nicht. Das waren keine Entscheidungen, die die Welt bewegten. Aber wenn Kai etwas sagte, dann war das Gesetz. Er hatte die Macht, das Feuerreich zu zerschmettern. Durch ihn wurden Menschen verurteilt. Das war nichts für mich.
„Das erklärt vieles.“
„Kevin, darf ich dir ein Geheimnis anvertrauen? Du musst es aber für dich behalten und trotzdem tun, was getan werden muss.“
„Worum geht es?“
„Wenn ihr meine böse Hälfte besiegt, und das bitte Endgültig, werde ich verschwinden. Genau wie er. Du darfst nicht zögern und musst es tun. Kümmert euch nicht um mich. Mir könnt ihr nicht anders helfen, als den Dämonengott zu töten. Vielleicht komme ich irgendwann zurück.“
„Aber wir wissen nicht einmal, wie wir das Anstellen können. Weißt du vielleicht, wie man ihn besiegen kann?“
„Nein. Ich nicht. Aber ich kenne jemanden, der es weiß.“
„Wer?“
„Denk mal nach. Wer hat uns erschaffen?“
„Kai? Er weiß es doch nicht mehr.“
„Vertrau mir. Ich habe dafür gesorgt, dass er es wieder weiß. Wenn er wieder wach ist, dann kann er sich daran erinnern.“
„Aber wie könnten wir dich töten?“
„Das ist die falsche Einstellung.“
„Wir werden dich töten. Ist das für dich in Ordnung?“
„Das trifft es schon eher. Ja, für mich ist es in Ordnung. Ich bin bereit, der Welt ihren Frieden zu bringen. Und wenn das nur dadurch geht, dass ich mein Leben lasse, dann ist das so. Dieses Opfer bringe ich mit Freuden.“
Er war bereit sein Leben zu lassen. War es ihm egal, was aus ihm wurde? Schon bemerkenswert. Ich würde mein Leben nicht geben wollen, nur damit eine Minderheit von Menschen glücklich war. Doch Zymerana bewies, dass es Wesen gab, die so etwas machten.
„Du bist wirklich bemerkenswert“, sagte ich und legte meine Hand auf seine Schulter.
Eine Träne rann über sein Gesicht.
„Ich bin glücklich, solange ihr es seid. Doch wenn meine böse Hälfte noch lebt, ist das nicht möglich. Ihr habt mir mehr gegeben, als ich je hätte bekommen können, von anderen. Dafür bin ich euch dankbar.“
„Was haben wir dir schon gegeben? Wir haben dich alleine gelassen.“
„Ich verdanke euch mein Leben, meine Liebe, meine Heilkräfte und auch meine schönen Erinnerungen. Ihr seid meine Familie. Und für die gehe ich gerne durch das Feuer.“
Ich wusste nicht warum, aber ich hatte das Bedürfnis, ihn zu Umarmen. Das tat ich auch. Er legte seine Wurzeln wieder um mich. Was er gesagt hatte, rührte mich so zu Tränen, das sie mir über die Wange rannen. Ich wollte ihn nicht sterben sehen. Vorsichtig wischte er die Tränen weg.
„Es ist alles gut, Kevin. Du hast keinen Grund zu weinen. Ich bin da.“
Ja, er war da. Aber ich wusste, dass er es bald nicht mehr sein würde. Langsam ließ ich ihn los und sah zum Eingang des Hauses. Dort stand Tiana. Ihr Stab hatte ein wenig an Farbe verloren. Auch ihre Haare saßen nicht mehr. Sie hingen schlaff an ihr herunter und hatten sämtliches Volumen verloren. Sie musste sich einer großen Belastung ausgesetzt haben.
„Wie ich sehe, habt ihr euch kennen gelernt“, sagte sie und schloss die Türe hinter sich, nachdem sie ihre Schleppe nachgezogen hatte.
„Wir kannten uns bereits. Ich habe nur sein Gedächtnis aufgefrischt“, sagte Zymerana und sah die Frau an.
„Es ist gut, dass du da warst, Zymerana. Dem Schamanen geht es besser. Er braucht noch ein wenig Ruhe, aber immerhin ist er wieder wach.“
„Was habt ihr gemacht, Tiana, dass ihr so müde ausseht?“, fragte ich und sie sah mich an.
„Ich konnte ihn nicht heilen. Zumindest nicht alleine. Also habe ich Zymerana gerufen. Das hat einiges an Kraft gekostet, da er nicht leicht zu beschwören ist.“
Zymerana nickte und zog seine Wurzeln zurück.
„Woher kanntet ihr euch?“, fragte sie und ich sah Zymerana an.
„Er ist Shian His Freund. Einer meiner Väter“, sagte er und sie sah mich erstaunt an.
„Der große Wilu? Schamane des Windes?“
Wilu? Was redete sie da? Gab es einen Schamanen der so hieß?
„Richtig. Genau der. Kevin ist eigentlich Wilu. Tut mir leid, dass ich dir das eben nicht gesagt habe, aber mir ist der Name nicht mehr eingefallen.“
Wilu, großer Schamane? Was redeten sie da?
„Ich habe keine Ahnung, worüber ihr redet“, sagte ich und sie sahen mich beide an.
„Platz genommen hast du ja. Ich will es dir erklären“, sagte Tiana und ließ einen Stuhl hinter sich erscheinen.
Sie nahm Platz und sah mich an.
„Wilu war der erste Schamane, der den Wind kontrollieren konnte. Nach der Abtrünnigen Schamanin hatte Shian Hi einen weiteren Schamanen geholt, der demnach du bist. Er hatte dich in unsere Welt geholt, weil er einen Kämpfer an seiner Seite brauchte, der mit ihm zusammen alle Gefahren aus dem Weg räumen konnte. Ihr seid damals zusammen in die Schlacht gegen Chun Ji und ihre Schwestern gezogen. Doch ihr seid niemals zurückgekehrt. Jetzt sitzt zu vor mir und mir drängt sich die Frage auf, ob ihr wirklich absichtlich nicht zurückgekommen seid, oder ob ihr es wirklich nicht mehr wusstet.“
„Ich für meinen Teil, wusste nichts davon. Und ich gehe davon aus, dass Kai es auch nicht wusste. Unsere Abwesenheit, sofern das alles Stimmt, was ihr sagt, hat nichts damit zu tun, dass wir Todgeglaubt sein wollten. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern. Und glauben kann ich es jetzt immer noch nicht.“
„Das kann ich mir vorstellen. Leicht wird es nicht sein. Auch nicht für deinen Freund, wenn er erfährt, wer er eigentlich ist. Können wir eigentlich davon ausgehen, dass die anderen Schamanen dann seine Geschwister sind?“
Ich zuckte mit den Schultern und Zymerana meldete sich wieder zu Wort.
„Nichts zwangsläufig. Vielleicht hat auch nur Shian Hi überlebt. Die anderen Schamanen mögen Eigenschaften von den Kindern haben. Aber ich kann dir nicht versprechen, dass sie es wirklich sind. Dafür müsste ich sie sehen.“
„Das sollten wir vielleicht vertagen. Immerhin wollen sie dich Tod sehen“, sagte ich und er lachte.
„Ich habe meine Methoden, zu überleben. Aber ja. Wir sollten es vertagen.“
„Darf ich dich eigentlich fragen, was passieren würde, wenn wir dich Töten würden? Was würde dann aus deiner bösen Hälfte werden?“
„Letztlich sind wir verbunden. Ihm würde vielleicht auffallen, dass etwas fehlt. Aber umbringen würde es ihn nicht.“
Wäre ja auch zu einfach gewesen. Wenn wir Zymerana töten würde, dann würde er verschwinden. Aber anders herum nicht?
„Wie kann das eigentlich sein? Ich meine, wenn er stirbt stirbst du mit. Aber anders herum nicht?“
„Ich bin nur ein Ableger. Das heißt ein kleiner Teil. Er kann ohne mich, aber ich kann nicht ohne ihn.“
So war das. Eigentlich ärgerlich. Konnte nicht die böse Hälfte nur ein kleiner Teil sein? Dann würden wir immerhin Zymerana behalten können. Es konnte auch nicht einmal etwas einfach sein.
„Darf ich euch beide unterbrechen? Wilu, mit deinem Auftauchen, ist eine Prophezeiung in Erfüllung gegangen. Shian Hi selbst hat damals gesagt: Die Schamanen würden zurückkehren. Mit ihnen auch die Hoffnung in die Herzen des Volkes. Sollte Zymerana erneut erwachen, werden sich Feinde erheben, die nur die Götter schlagen können. Der erste Teil hat sich erfüllt. Hoffen wir, dass der zweite Teil nicht in Erfüllung geht.“
Ich sah die Königin an. Tianas Augen waren völlig rot. Wie viel Kraft hatte es gekostet, Zymerana zu rufen?
„Also darf ich das richtig verstehen. Ich bin Schamane und Lotus ist ein Gott?“, fragte ich und sie nickte.
„Wenn es stimmt, was Zymerana sagt, dann ja. Aber ich denke nicht, dass er sich irren wird. Zumindest nicht in dieser Beziehung“, sagte sie und sah ihn an.
„Ausgeschlossen. Shian Hi und Wilu waren meine Väter. An sie kann ich mich sehr gut erinnern. Und du, Kevin, bist einer der beiden. Shian His, oder auch Kais, Wahrsagung hat sich erfüllt“, sagte Zymerana und Boreos erschien hinter uns.
Neben ihm standen Emilie und Leila. Sie sahen zu uns. Tiana erhob sich.
„Willkommen, in meinem Dorf, Fremde. Ich bin Tiana die Elfenkönigin. Vermutlich seid ihr hier, um euch nach dem Befinden eures Schamanen zu erkunden?“
Sie nickten. Zymerana erhob sich und ging auf sie zu.
„Ihm geht es gut. Ich konnte seine Wunde heilen. Er braucht jetzt Ruhe und Zeit. Mehr nicht. Wisst ihr, wie es zu diesem Unfall kommen konnte?“, fragte er und Leila nickte.
„Ich habe mit Senkum gesprochen. Er hat sich verloren. Lotus hat ihn geängstigt. Was passiert ist, war eine Kurzschlussreaktion“, sagte sie.
„Das entschuldigt es zwar nicht, aber wir werden es so akzeptieren. Ist ihm klar, was er getan hat? Wenn er Lotus getötet hätte, dann würde es jetzt keine Atemluft mehr geben.“
Sie sahen sich an.
„Was? Ich dachte nur das Gleichgewicht würde gestört werden“, sagte Emilie.
„Richtig. Das wäre das Ergebnis dessen.“
„Uns war nicht klar, dass so viel an uns Schamanen hängt“, sagte Leila.
Ich hielt mich aus dem Gespräch raus. Sollten sie sich erstmal darüber klarwerden, was sie hätten anrichten können. Vorsichtig ging ich zu Tiana und sprach sie an.
„Wo ist er? Ich will ihn sehen“, flüsterte ich und sie tat so, als wäre nichts.
Dann zeigte sie auf die Türe und ich ging. Hinter mir konnte ich hören, wie sie begannen über die Bedeutung der Schamanen zu sprechen. Das war mir erstmal egal. Ich verließ die Hütte und wurde sofort von einer Elfe in Empfang genommen.
„Ihr seid Kevin?“, fragte sie und ich nickte.
„Folgt mir. Ich soll euch, zu eurem Freund bringen.“
Sie führte mich durch die Straßen. Vorbei an vielen Baumhäusern, die immer heruntergekommener aussahen. Nur ein Haus war anders. Es stand auf dem Boden. Von außen machte es auch nichts her. Doch von Innen war es bestimmt wieder wunderbar. Die Elfe steuerte darauf zu und öffnete die Türe. Das Innere haute mich um. Der Raum war eine Empfangshalle. Genauso groß, wie Kais Thronsaal. Erstaunlich, was Magie doch alles konnte. Die Elfenkönigin schien sich nicht viel aus prunkvollen Dingen zu machen. Alles war in einem simplen Holz gehalten. Es sah elegant, aber nicht übertrieben aus. Die Elfe führte mich weiter. Hinter dem Thron gab es einen weiteren Gang. Dem folgten wir, bis wir vor einer Türe standen.
„Hier ist es“, sagte sie und ging dann wieder.
Ich atmete tief ein und öffnete dann die Türe. Dahinter befand sich ein Raum, mit vielen Betten. Nur eines von ihnen war besetzt. Darin lag Kai. Seine Flügel hatten einige Federn verloren. Sie lagen am Boden. Seine Augen waren geschlossen, aber die Ohren bewegten sich. Er war also wach. Langsam nährte ich mich dem Bett und nahm dann neben ihm Platz. Noch gab es keine Reaktion. Ich griff nach seiner Pfote und strich über das Fell. Es fühlte sich weich an. Aber sein Körper war kalt. Warum? Nur weil er schwach war? Plötzlich begann er zu husten und öffnete seine Augen.
„Wilu“, sagte er und ich sah ihm in die Augen.
„Keine Sorge, Kai. Ich bin da“, sagte ich und er lächelte.
„Ich erkenne dich wieder, mein Schatz. Wie konnte ich dich jemals vergessen?“
„Das hast du nicht. Ich bin derjenige, der vergessen hat“, sagte ich und eine Träne rann über meine Wange.
Ihn so zu sehen, brach mir das Herz. Eigentlich war Kai immer ein stolzer Junge gewesen, der, egal wie oft man ihn schlug, wieder aufstand. Doch jetzt lag er hier. Er konnte nicht aufstehen.
„Wie fühlst du dich?“, fragte ich und er lächelte schwach.
„So wie man sich eben fühlt, wenn man nur knapp dem Tod entgangen ist.“
Dem Tod entgangen? War es wirklich so knapp gewesen?
Der Schmerz war unerträglich gewesen. Nachdem ich auf dem Boden aufgeschlagen war, wusste ich nicht mehr was passiert war. Das einzige was ich wusste war, dass Chris mich ermordet hatte. Ein Schlag hatte ausgereicht, meine Rüstung komplett zu durchdringen. Eigentlich hatte ich gedacht, dass sowas nicht möglich wäre. Aber verständlich. Er musste eine besondere Waffe haben, die Kemitsu wohl nicht kannte.
„Mein armer Schamane. Ich hatte eigentlich schon viel früher mit einem von euch gerechnet. Ihr habt euch wirklich lange gehalten“, sagte jemand und ich versuchte meine Augen zu öffnen.
Doch es klappte nicht. Natürlich nicht. Ich war ja eigentlich auch Tod.
„Ach ja, ich habe vergessen, du kannst ja nicht antworten, wie dumm von mir“, sagte er und eine Hand wurde auf meinen Rücken gelegt.
Langsam ließ der Schmerz nach und ich konnte meine Augen wieder öffnen. Luft flutete meine Lunge und ließ mich husten.
„Vorsicht. Verschluck dich nicht“, sagte die Person und lachte.
Vorsichtig sah ich auf und blickte in die Augen eines alten Mannes. Der oberste Priester? Was tat er hier?
„Du?“, fragte ich und er nickte.
„Wen hast du erwartet? Schade eigentlich, dass du damals nicht gemerkt hast, wer vor dir stand. Vielleicht hat es der Schamane bemerkt, aber den musstest du ja unbedingt umbringen. Welche Verschwendung von Magie, Shian Hi“, sagte er und ich sah ihn an.
„Was?“
„Ist es dir immer noch nicht aufgefallen? Wie kann jemand stärker als der stärkste Magier aller Zeiten sein? Indem er dieser ist. Der Grund, warum du stärker bist, als Shian Hi ist einfach der, dass du genug Zeit hattest, deine Kraft zu trainieren und zu sammeln. Dieser kleine Gott kannte einen Weg, seine Magie zu erweitern, ohne dabei ans Limit gehen zu müssen. Und in die ganzen Jahre, die du verschwunden warst, ist deine Magie gewachsen.“
„Aber ich verstehe nicht. Wenn ich Shian Hi bin, warum hat Mei-Trian dann?“, begann ich, doch er unterbrach mich.
„Er hat dich in die Menschenwelt gebracht, weil er froh war, dass du endlich nicht mehr da warst. Genau wie deine Geschwister. Auch wenn die Legende etwas Anderes sagt. Krisuracha hat sich aus einem guten Grund wegsperren lassen. Weil sie nicht mehr mit Mei-Trian zusammenleben wollte, sich aber nicht von ihm trennen konnte. Also hat sie dich gebeten, ihre Gruft zu versiegeln. Als Mei-Trian das bemerkte war er so zornig, dass er deine Geschwister und dich entmachtete. Anschließend ließ er eure Feinde auf euch los. Chun Ji und ihre Schwestern. Was er nicht bedacht hatte war einfach, dass ihr immer noch zu stark für sie gewesen seid. Und so gab es keinen Sieger. Letztlich wusste aber der alte Mann, dass ihr es überleben würdet und brachte euch in die Menschenwelt, auf das ihr nie wieder nach Trimalia kommen würdet. Er nahm seinen Kindern die Erinnerung an euch.“
„Das geht mir alles zu schnell. Zuerst einmal, wer bist du wirklich?“, fragte ich und er lächelte.
Sofort stand ein junger Mann vor mir. Nicht viel älter als ich. Er sah dem Priester immer noch sehr ähnlich.
„Man nennt mich Jung Chain. Ich bin der Totengott.“
Der Totengott? Unmöglich. Li hatte den Totengott im Tempel eingesperrt? Warum?
„Wieso hatte Li dich im Tempel eingesperrt?“
„Oh, das ist eine sehr interessante Geschichte. Die erzähle ich dir später. Lass mich erst, meine erste Geschichte beenden. Nachdem er seinen Kindern, ihre Erinnerung genommen hatte, kümmerte er sich um Chun Ji und ihre Schwestern und verbannte sie in die Welt der Alpträume, weit unter der Unterwelt. Ein Ort, an den man nur gelangt, wenn man wirklich sehr viel Hass in sich trägt. Jetzt sind sie dort unten und wollen vollenden, was sie begonnen hatten.“
„Nachdem, was ich gehört habe, sind sie zu Göttern geworden. Wie?“
„Man sagt, dass sie die Kräfte, welche sie haben, geraubt haben, von Mei-Trian selbst. Aber du kannst dir denken, was passiert ist. Da er euch nicht angreifen konnte, hat er die Schamamen beauftragt es zu tun und sie mit Macht ausgestattet. Er ist so ein kleines Kind.“
„Wie ist dann Issyl gestorben?“
„Du musst eins, über Issyl wissen. Einst war er Gott der Zeit und Täuschung. Ein Meister der Illusion. Niemand wusste genau, was echt war und was nicht. Krisuracha und er hatten ein Verhältnis. Sie liebte ihn mehr, als Mei-Trian. Mi-Lan ist übrigens auch nicht Mei-Trians Tochter. Er hat keine eigenen Kinder. Das hat er ihnen nur erzählt. Es sind Issyls Kinder. Er ist der Göttervater. Denn vor Issyl gab es gar nichts. Die Zeit existiert länger, als unsere Welt. Wie dem auch sei. Er ist gestorben, weil Mei-Trian ihn gezwungen hat, die Zeit zu manipulieren. Eigentlich wollte er eure Geburt rückgängig machen. Aber das hat Issyl das Leben gekostet und so hat er sich damit zufriedengegeben, jedem die Erinnerungen an euch zu rauben. Zymerana ist auch nur zum Dämon geworden, weil er es so wollte. Das war nur ein Plan, um euch los zu werden.“
„Ist er auch an seiner Wiederauferstehung Schuld?“
„Teilweise ja. Zymerana weiß, wer du bist. Er wusste genauso, dass Kai nicht dein richtiger Name ist. In diesem Moment heilt er übrigens deine Wunden und befreit dich aus meinem Reich. Aber wenn es dir nichts ausmacht, werde ich dich noch ein wenig hierbehalten“, sagte er und ich nickte verwirrt.
„Zymerana, so wie du ihn kennst, ist nur der Dämonengott. Das ist aber nicht jener Lotus, den du erschaffen hast. Ein kleiner Ableger hat sich gebildet und den richtigen Zymerana am Leben gehalten. Also gibt es noch den Teil, der euch wohlgesonnen ist. Dieser heilt dich gerade. Wo war ich eben stehen geblieben? Ach ja. Nachdem Issyl aus dem Weg war, hat Mei-Trian angefangen, eure Artefakte zu vernichten, damit ihr nie wieder eure göttlichen Kräfte erhalten könntet. Zum Glück warst du, Shian Hi, schlauer als er. Du hast sie gut versteckt. Ich überreiche dir, die Krone der Weisheit“, sagte er und reichte mir eine Krone.
Nein, eigentlich mehr ein Diadem. Unsicher setzte ich sie auf. Sie passte perfekt, auf meinen Tigerkopf. Auf meiner Stirn war das Material etwas breiter und mit Diamanten besetzt. Was war das für ein Metall?
„Was ist das für ein Metall?“
„Das ist Werackum. Ein Metall, das es nur in der Werwolfs Mine gibt. Nicht einmal die Elfen vermögen es zu schmieden. Nur die Werwölfe können das. Dein alte Rüstung war auch aus diesem Metall gemacht. Unzerstörbar, für jede Klinge, die nicht aus dem gleichen Material ist. Deine Untertanen haben diese Rüstung noch.“
„Aber, wenn ich ein Gott war, verzeiht, bin. Wie kann ich dann ein König sein?“
„Relativ einfach. Du wurdest angebetet, weil man Schutz erhoffte. Die Werwölfe haben dir Opfer gebracht und du warst von ihnen begeistert und hast ihnen Schutz gegeben, indem du ihr König geworden bist. Und das die Blutlinie mit dir beginnt, lag es nahe, dass du der König bist. Aber wir sind schon wieder abgekommen, vom Thema. Mei-Trian hat nicht bedacht, dass du Vorgesorgt hast. Deine Geschwister wussten davon gar nichts. Ich habe all ihre Artefakte. Sie werden sie erhalten, wenn sie wissen, wer sie sind. Vorher können sie damit nichts anfangen. Was wollte ich dir noch erzählen?“
„Wenn ich kein Schamane bin, wer ist dann der Windschamane?“, fragte ich und er zog seine Augenbrauen hoch.
„Hast du das auch vergessen? Überleg mal.“
„Mir würde es nicht einfallen. Außerdem, sind Chris, Leila und Emilie meine Geschwister?“
„Zu deiner Frage, ja. Das sind sie. Und für das andere gebe ich dir einen Tipp. Du wolltest nicht alleine sein und jemanden, der ewig an deiner Seite bleiben kann. Dieser Jemand ist immer noch bei dir und hat ebenfalls vergessen, wer er ist.“
„Kevin?“
„Der Kandidat gewinnt. Richtig. Kevin war der erste Schamane, der den Wind manipulieren konnte. Sein richtiger Name lautet Wilu.“
Wilu? Sofort klingelten bei mir alle Glocken. Ich hatte diesen Namen schon mal gehört. Kein Wunder, wenn Kevin eigentlich so hieß.
„Das würde aber bedeuten, das.“
„Eure Liebe mehrere tausend Jahre zurückgeht, richtig. Du bist über fünftausend Jahre alt und Wilu beinahe gleich alt. Ein wenig jünger.“
Ich griff mir an den Kopf. Das hatte ich nicht erwartet. Ich ein Gott und schon so alt. Und damals schon mit Kevin zusammen.
„Jetzt weißt du einiges. Den Rest musst du selbst herausfinden. Du wolltest aber noch wissen, warum ich im Tempel eingesperrt war. Das ist eigentlich ganz einfach. Ich habe mich dort niedergelassen, um auf Zymeranas Rückkehr zu warten. Wenn er wieder zu Kräften kommt, würde Shian Hi auch wieder zurück sein. Und als du aufgetaucht bist, wusste ich, dass es soweit ist und deine Prophezeiung sich erfüllt. Auf diesen Tag hatte ich sehnlichst gewartet. Endlich würde jemand Mei-Trian in seine Schranken weisen. Den Gott, der eigentlich keiner ist. Aber das wirst du selbst bald erfahren. Ich denke, es ist Zeit. Du musst zurück“, sagte er und wollte gehen.
„Warte, Jung Chain. Ist dies wirklich meine wahre Form?“
Er sah mich an und lächelte.
„Nimm das Fell ab und dann siehst du beinahe genauso aus, wie damals. Wir sehen uns bald wieder, Shian Hi“, sagte er und löste sich auf.
Sofort fand ich mich auf einem Bett wieder. Um mich herum war alles still. Ich war nicht tot? Den Göttern sei Dank. Leise wurde die Türe geöffnet und eine Person kam herein. Ich konnte sofort riechen, dass er Kevin war. Langsam ging er zu meinem Bett. Neben mir nahm er Platz und nahm meine Pfote in die Hand.
„Wilu“, sagte ich und sah ihm in die Augen.
„Keine Sorge, Kai. Ich bin da“, sagte er und ich lächelte.
„Ich erkenne dich wieder, mein Schatz. Wie konnte ich dich jemals vergessen?“
„Das hast du nicht. Ich bin derjenige, der vergessen hat“, sagte er und eine Träne rann über seine Wange.
„Wie fühlst du dich?“, fragte er und ich lächelte schwach.
„So wie man sich eben fühlt, wenn man nur knapp dem Tod entgangen ist.“
Stille. Das hatte er wohl nicht erwartet.
„Wie knapp war es?“
„Ich hatte gerade ein Gespräch mit Jung Chain, dem Totengott“, sagte ich und seine Augen wurden noch sorgenvoller.
„Wollte er dich mitnehmen?“
„Nein. Er hat mir nur einige Dinge erklärt, mehr nicht.“
„Zum Beispiel?“
„Wer ich bin und was damals passiert ist. Ich kann es noch nicht ganz verstehen, doch ich denke, dass es mit der Zeit wiederkommt.“
„Ich weiß auch einige Dinge wieder. Kai, du bist kein Schamane“, sagte er und ich lachte.
Doch leider tat das ziemlich weh am Rücken. Er war wohl noch immer nicht vollständig geheilt.
„Das weiß ich. Du bist der Schamane, Wilu. Ich war nicht mehr als die Person, die vor dir stand.“
„Du wusstest es?“
„Seit eben. Der Totengott hat es mir gesagt.“
„Dann brauche ich nichts mehr zu sagen“, sagte er und lächelte mich an.
Eigentlich nicht. Ich wollte gerade etwas sagen, als ich eine unglaublich starke Aura spürte. Sofort sah ich mich um, konnte aber niemanden sehen, bis Zymerana über mein Bett zu wachsen begann. Eine Windkugel bildete sich in meiner Hand.
„Nicht, Kai. Das ist der gute Teil von Zymerana. Ohne ihn, gäbe es dir jetzt nicht mehr.“
Zymeranas Körper hatte sich vollständig aufgebaut.
„Hallo, Vater. Ich hatte gehofft, dich wieder zu sehen. Allerdings unter günstigeren Umständen“, sagte er und ich sah ihn an.
Das musste der Teil von Zymerana sein, den ich damals erschaffen hatte. Das machte natürlich Sinn. Er hatte mir das Leben gerettet.
„Danke“, sagte ich und eine Träne rann über sein Gesicht.
„Es war viel zu wenig, für was du getan hast. Ich danke dir, Vater“, sagte er und seine Wurzeln legten sich um mich.
Sofort fühlte mein Körper sich leicht an und wieder völlig normal. Als wäre nichts gewesen.
„Wie machst du das?“
„Das hast du mich gelehrt. Meine Magie kann alle Wunden heilen. Auch deine. So habe ich deinen Körper gerettet und die Narbe vermieden. So lange habe ich dich nicht gesehen und jetzt liegst du hier vor mir, genau wie an dem Tag meiner Geburt.“
Ich schloss meine Augen und sofort flackerte mir ein Ereignis auf. Zymerana zu erschaffen hatte mich beinahe umgebracht. Doch er hatte sofort seine Magie mit mir geteilt, damit ich überlebte. Das war heute genau vor dreitausend Jahren.
„Alles Gute zum Geburtstag“, stotterte ich und er riss seine Augen auf.
„Du kannst dich wieder daran erinnern?“
„Der feuchte Duft meines Labors, die Kerzen, meine nicht mehr vorhandene Magie. Ja, ich weiß es wieder. Ich erinnere mich an jedes Detail.“
„Oh, Shian Hi. Ich hatte solche Angst um Wilu und dich. Doch irgendwann habe ich mich verloren. Es tut mir so leid“, sagte er.
„Nicht doch, Zymerana“, sagte ich und er kam näher zu mir.
Sein Gesicht legte er auf meins.
„Du konntest nichts dafür. Das war dieser falsche Gott, Mei-Trian“, sagte ich und ein Blitz schlug in die Halle ein.
Sofort kamen mehrere Elfen gelaufen. Mei-Trian stand vor meinem Bett und sah mich an.
„Ich habe nicht gedacht, dass ihr euch daran erinnern könntet. Doch irgendwie ist es euch doch gelungen“, sagte er.
Seine Augen musterten mich, bis sie auf meine Krone stießen.
„Das ist unmöglich. Ich habe diese Krone zerstört“, sagte er und ich lachte.
Bewegen konnte ich mich nicht, da Zymeranas Wurzeln mich noch festhielten.
„Denkst du, ich wäre gegangen, ohne dass ich Vorbereitungen getroffen hätte? Die Artefakte sind noch intakt“, sagte ich und er lächelte.
„Das ändert aber nichts daran, dass ich euch vernichten werde. Ihr habt nicht mehr die Kraft, die ihr damals hattet und seid mir Schutzlos ausgeliefert. Vor allem, bist du alleine. Deine Geschwister sind woanders und wissen nicht, wer sie sind. Leider endet deine Reise hier, Shian Hi“, sagte der Gott und ein Blitz erschien in seiner Hand.
„Halt“, rief eine Frau und die Elfenkönigin kam in den Raum.
Tiana war ihr Name, meinte ich mich zu erinnern. Sie sah müde aus, aber dennoch edel.
„Lass deine Waffen sinken, Mei-Trian und wir werden dich verschonen“, sagte sie und er lachte nur.
„Was wollen ein paar Elfen gegen den Gott aller Götter machen?“
„Du bist nicht der Göttervater. Mein Opa ist Issyl“, sagte ich und er knurrte wütend.
„Lüge. Ich bin der Vater der Götter und damit basta.“
Der Blitz wurde heller.
„Lass mich los, Zymerana. Ich muss ihn aufhalten“, sagte ich, doch er schüttelte seinen Kopf.
„Du bist nicht in der Lage dazu. Deine Wunde ist noch nicht vollständig geheilt. Lass das Wilu und mich machen“, sagte er und stellte sich vor mein Bett, ohne die Wurzeln zu lösen.
„Ihr stellt euch gegen mich?“, fragte er und Kevin nickte.
„Ich lasse nicht zu, dass du Kai etwas antust“, sagte er und Mei-Trian lachte.
„Du hast keine Macht, über mich, kleiner Schamane. Geh mir aus dem Weg und lass mich meine Bestimmung erfüllen. Ich muss diese Kinder töten“, sagte er und Kevins Kampfstab legte sich in seine Hand.
„Niemals. Ich lasse dich nicht machen, was du willst.“
„Armer Mensch. Gnade sei mit dir.“
Mei-Trian warf den Blitz und Kevin hob den Stab. Das konnte er unmöglich abwehren. Was jetzt? Ich konnte ihn nicht seinem Schicksal überlassen. Ach ja, wir waren ja verbunden. Ich schloss meine Augen und schickte meine Seele in Kevins Körper. Sofort hatte ich die Kontrolle über ihn und drückte ihn in meinen Körper. Meine gesamte Magie nahm ich mit. Der Blitz hatte mich fast erreicht, als ich den Stab benutzte und ihn zerschlug. Erstaunt sah Mei-Trian mich an.
„Unmöglich. Nur ein Gott kann diesen Blitz blocken“, sagte er und ich nickte.
„Zufällig bin ich einer“, sagte ich und er schüttelte den Kopf.
„Kannst du nicht, wie ein braves Kind einfach sterben, Shian Hi?“
„Tu uns den Gefallen und verschwinde. Ich weiß nicht, wie lange ich noch meine Geduld behalten kann.“
Er lachte. Was war daran so lustig? Dachte er nicht, dass ich mit Kevin ihn umbringen konnte? Das sollte er sehen, wenn er nicht bald zusah, dass er Land gewann.
„Auch, wenn du mich tötest, wird das nichts daran ändern, dass ihr sterbt. Tötest du mich, kommen Chun Ji und ihre Schwestern frei. Wollt ihr das?“
„Wenn uns das Frieden bringt, dann ja. Ich will nur wissen, dass mein Freund sicher ist“, sagte ich und er nickte.
„Und dafür bist du bereit, das Leben des gesamten Planeten auszugeben? Sehr vorbildlich, Shian Hi.“
„Halt den Mund, Verräter.“
Eine Windkugel bildete sich in meiner Hand und ich warf sie auf den Gott. Er wich aus und lachte. Sofort bildete sich ein weiterer Blitz in seiner Hand. Doch bevor er angreifen konnte, schlagen sich Zymeranas Wurzeln um ihn herum.
„Ich werde dir nicht verzeihen, dass du mich zu dem gemacht hast, der ich heute bin“, sagte er und wickelte den Gott komplett ein.
Plötzlich baute sich eine unheimlich starke Magie in dem Körper des Gottes auf.
„Lass ihn los, Zymerana“, sagte ich und er sah mich verwundert an.
Er wollte gerade fragen, warum. Doch da wurde Mei-Trians Körper von Blitzen umgeben und ließ die Wurzeln verbrennen.
„Niemand hält mich gefangen“, sagte er und schoss einen Blitz nach uns.
Ich zerschlug ihn erneut und sah dann Zymerana an.
„Kümmre dich um meinen Körper. Ich werde ihn brauchen. Sonst hören meine Fächer nicht auf mich.“
Zymerana ließ den Kopf sinken.
„Meine Heilkräfte sind völlig aufgebraucht. Das schaffe ich nicht mehr.“
Verflucht. Wenn er es nicht schaffte, dann musste ich es tun.
„Tiana. Haltet Mei-Trian in Schach. Ich werde versuchen meinen Körper zu regenerieren“, sagte ich und die Königin nickte.
Sofort rannten sämtliche Elfen auf Mei-Trian zu. Mehr Zeit nahm ich mir aber nicht, um ihnen zu zusehen. Ich drehte mich um und sah meinen Körper an. Zymerana stand bereits davor und sprach mit Kevin. Die Wurzeln zogen sich langsam zurück.
„Kevin“, sagte ich und er sah mich an.
„Was ist?“
„Halt bitte still. Das wird vielleicht ein wenig schmerzen.“
Ich hob meine Hand und sie begann weiß zu leuchten. Dann legte ich sie auf die Brust meines Körpers und das Leuchten breitete sich aus. Kevin stöhnt erleichtert auf. Als das Leuchten sie verzog nickte er mir zu.
„So gut wie neu.“
Sofort tauschte ich wieder unsere Körper. Wie ich doch meinen Schweif vermisst hatte. Sofort sah ich wieder zu Mei-Trian. Viele Elfen lagen vor ihm und waren verwundet oder Tod. Tiana kämpfte gerade mit ihm. Langsam ließ ich meine Fächer schweben und ging auf den Gott zu. Doch Kevin hielt mich zurück.
„Du wirst sterben, wenn du alleine gegen ihn antrittst. Ruf wenigstens die anderen“, sagte er und ich schüttelte meinen Kopf.
„Das ist ein Kampf zwischen Mei-Trian und mir. Niemand wird mich aufhalten“, sagte ich und er wich zurück.
„Warum bist du so wütend?“
Wütend? Ich war nicht wütend. Rasend traf es eher. Dieses Schwein von einem Gott hatte es gewagt, meinen Freund anzugreifen. Seine Strafe sollte der Tod sein.
„Er hat dich angegriffen. Damit verdient er den Tod.“
„Vielleicht. Aber doch nicht um jeden Preis. Beruhig dich“, sagte er.
Doch ich wollte mich nicht beruhigen. Dieser falsche Gott wagte es auch noch die Elfen anzugreifen und zu töten. Nein. Ich würde ihm nicht vergeben. Ich stieß Kevin beiseite und rannte auf den Gott zu. Sofort wichen die Elfen zurück. Meine Fächer schossen auf den Gott zu. Doch er wehrte sie ganz einfach ab. Sie blieben in den Wänden stecken und ließen sich nicht mehr bewegen.
„Deine Magie kann mir nichts anhaben, kleiner Gott. Jetzt habe ich dich“, sagte er und rannte auf mich zu.
Doch er vergaß eins. Die Katze hatte Krallen. Ich schlug zu und riss tiefe Wunden in sein Gesicht. Fluchend wich er zurück. Doch hoffentlich dachte er nicht, dass er so vor mir wegkommen konnte. Ich setzte ihm nach und verletzte seine Brust. Wütend schlug ich auf ihn ein, bis plötzlich die Luft voller Spannung war. Nein, das war unmöglich.
„Das ist dein Ende“, sagte er und die Luft explodierte in Blitzen.
Schreiend wurde ich nach hinten geworfen und durchschlug die Wand. Keuchend blieb ich liegen und sah den Gott an.
„Nicht so stark wie damals. Was eine Enttäuschung“, sagte er und kam auf mich zu.
Ich sah auf. Mein Körper wollte mir nicht mehr richtige gehorchen. Was hatte er da gerade getan? Warum fühlte ich mich so eigenartig?
„Wenn ich mit dir fertig bin, Shian Hi, dann ist alles zu Ende“, sagte der Gott und ein Blitz erschien in seiner Hand.
Nein. So durfte es nicht enden. Warum war meine Magie unbrauchbar? Hatte Mei-Trian verborgene Kräfte? Er schlug zu. Ich schloss meine Augen und wartete auf das unvermeidliche. Mein Ende. Ich konnte Kevin schreien hören. Doch plötzlich schrie Mei-Trian auf. Langsam öffnete ich meine Augen. Vor mir war eine Sanduhr. Issyl? Nein, das war unmöglich. Er konnte nicht hier sein. Er war tot.
„Finger weg, von meinem Sohn“, sagte er und Mei-Trian knurrte.
Der Blitz war im Griff der Sanduhr eingeklemmt und ließ sich nicht bewegen.
„Wie kommst du hier her, Issyl?“, fragte er und versuchte erneut seine Waffe zu befreien.
„Das ist recht einfach. Jung Chain hat mich geschickt, nachdem ich bemerkt habe, dass mein Sohn keine Chance hat, musste ich ihm helfen.“
„Er ist nicht dein Sohn. Sein Vater ist Senkar“, sagte Mei-Trian und Issyl schüttelte seinen Kopf.
„Das ist nur die Lüge, welche du verbreitet hast. Wie sollte denn aus den Götter des Windes und Erde, Weisheit entstehen? Das ist unmöglich. Krisuracha und ich sind seine Eltern.“
„Du lügst!“, schrie Mei-Trian und Issyl schüttelte seinen Kopf.
„Das ist es, was du willst. Damals wolltest du die Geschichte genau dahin geändert haben. Leider muss ich dich enttäuschen. Das war unmöglich. Deswegen bin ich auch in Jung Chains Reich gelandet. Einer von drei Dämonengöttern.“
Moment, drei? Es gab drei Dämonengötter? Zymerana war einer. Jung Chain dann der zweite. War Mei-Trian der letzte? Während Issyl noch mit Mei-Trian sprach, wuchs Zymerana neben mir empor.
„Der Schlag war hart. Irgendwie hat er deine Magie geblockt. Lass mich dir ebene helfen“, sagte er und weißer Nebel bildete sich um meinen Körper.
Sofort verschwand dieses eigenartige Gefühl. Meine Fächer begannen sofort zu schweben und kamen zu mir. Als ich die Wand durchbrochen hatte, hatte ich sie auch gleich befreit. Also funktionierte meine Magie wieder.
„Was war das eben? Warum konnte ich nicht mehr zaubern?“
„Der Schlag, hat deine Magiezufuhr durchtrennt. Die Magie war da, kam aber nicht mehr dahin, wo sie hinsollte. Das konnte ich aber ändern. Aber jetzt, tu bitte mir, Kevin und dir selbst den Gefallen und lass Issyl das Probleme behandeln.“
Ich sah zu den Göttern, die immer noch miteinander sprachen.
„Wer ist der dritte Gott?“, fragte ich und Zymerana sah mich verwirrt an.
„Welcher dritte Gott?“
„Issyl meinte es gäbe drei Dämonengötter. Dich, Jung Chain und wer ist der letzte?“
Er schwieg. Wusste er es nicht?
„Weißt du es nicht?“
„Doch. Aber ich bin mir sicher, dass du es nicht wissen willst.“
„Bin ich es?“
„Nein. Das nicht.“
„Aber?“
„Shian Hi, es gibt Dinge, die man selbst herausfinden muss. Dieses ist eins davon“, sagte er und ein Blitz schlug in die Wand ein.
Sofort sahen wir zu Mei-Trian und sahen, dass er mit Issyl zu kämpfen begonnen hatte. Für seine Größe war Issyl, wie zu erwarten, verdammt schnell. Mei-Trian konnte ihn beinahe nicht treffen. Issyl landete mehrere Treffe und der Gott ging zu Boden.
„Wie fühlt es sich an, von seiner eigenen Kreation getötet zu werden?“, fragte er und Mei-Trian sah zu ihm auf.
„Ich habe dich nicht erschaffen.“
„Richtig. Konntest du auch nicht, weil ich älter bin, als du. Aber ich vergesse nie. Deine Lügen und Handlungen haben mich zu dem gemacht. Im gewissen Sinne bin ich deine Kreation.“
„Mit Lügen müsstest du dich ja auskennen, Kleiner“, sagte Mei-Trian und wart im nächsten Moment entwaffnet.
„Pass auf was du sagst. Ich kann dich töten.“
„Ein Gott ist unsterblich“, sagte Mei-Trian und lachte.
„Nur ein Gott kann einen Gott töten. Das hast du damals auch nicht bedacht, als du Chun Ji ihre Kräfte gegeben hast. Du dachtest, dass sie Götter werden würden und somit Shian Hi schlagen könnten. Aber du hast nicht bedacht, dass sie keine richtigen Götter sind. Also konnten sie meinen Kindern nichts antun. Letztlich ist dein Plan völlig daran gescheitert, weil du keine Götter hattest, du uns hätten aufhalten könnten.“
„Aber jetzt habe ich das. Versammelt euch, Dämonengötter“, rief Mei-Trian und sofort erschien Zymerana neben ihm.
Das war einer der drei Dämonengötter. Aber wer war der dritte. Das würde ich wohl gleich erfahren. Ein fieses Lachen war zu hören, als plötzlich vier Gestalten sich aufbauten. Es waren Boreos und seine Geschwister. Aber wie? Nein, das war nicht möglich.
„Boreos“, sagte ich und sie sahen mich an.
„Hallo, Shian Hi. Jetzt weißt du wer, der letzte Gott ist. Wir vier sind es“, sagte er und sie lachten.
„Aber ich dachte“, begann ich, doch er unterbrach mich.
Sofort wurden die vier Tiere zu Menschen. Nur ihre Ohren und Schwänze behielten sie.
„Du denkst zu viel, Shian Hi. Damals hättest du es eigentlich mitbekommen müssen. Dachtest du wirklich, dass wir darauf bedacht waren, die Reiche zu unterstützen? Nicht mal in deinen Träumen. Der Grund, warum wir zu den Schutzgeistern geworden sind ist einfach, dass wir die Reiche so viel besser unter unsere Kontrolle bekommen konnten. Jetzt haben wir die Macht über sie“, sagte Boreos und zog ein Schwert.
„Hier fehlt einer“, sagte Mei-Trian und sah sich um.
„Wo ist Jung Chain?“
„Ich bin hier,“
Er erschien neben mir.
„Was ist los mit dir? Du warst doch immer der gemeinste und abscheulichste Dämon“, sagte Zymerana und Jung Chain lachte.
„Und deswegen darf ich nicht auf der Seite der Schamanen stehen? Ihr wisst genau, dass ihr keine Macht über mich habt. Als Totengott bin ich allmächtig. Mächtiger als ihr zusammen. Also haltet euch ein wenig bedeckt“, sagte er.
„Willst du uns verraten?“, fragte Ignisia.
„Verrat ist ein hartes Wort dafür. Nein, nicht verraten. Ich will euch nur zeigen, dass ihr auf dem falschen Weg seid. Shian Hi wird uns alle besiegen, wenn wir nicht langsam die Augen öffnen. Die Dämonen haben keine Zukunft, wenn wir weiterhin auf unserem Kurs bleiben. Wir müssen uns eingestehen, dass Shian Hi und seine Geschwister niemals erlauben würden, dass wir die Welt überrennen.“
„Sieh ihn dir an, Jung Chain. Dein großer Angstgegner liegt am Boden. Nicht mal Mei-Trian hat er aufhalten können. Wie sollte er uns dann stoppen?“, fragte Sekama.
„Das ist Recht einfach“, sagte er und strich über meine Krone.
Sofort lösten sich die Diamanten auf. Mein Körper schien sie zu absorbieren. Sofort spürte ich, wie meine Magie viel stärker wurde. Was hatte er getan?
„Wie kannst du es wagen?“, fragte Aqurilana und warf eine Wasserkugel nach uns.
Doch nur durch meinen Blick fiel sie zu Boden. Wahnsinn. Ich hatte einen Zauber geblockt, ohne mich anzustrengen. Ungläubig sahen alle zu Boden.
„Das ist unmöglich. Niemand kann unsere Kräfte so auskontern“, sagte Sekama und Jung Chain nickte.
„Niemand außer Shian Hi. Er ist in der Lage uns zu töten. Ich habe kein Interesse daran, gegen ihn zu kämpfen. Das habe ich damals schon getan und beinahe mein Leben gelassen. Auch wenn er es nicht mehr weiß. Auch Dämonen ändern sich.“
Ich sah ihn an und er lächelte.
„Geh mit erhobenem Haupt voran, Shian Hi. Auch wenn du noch nicht das volle Potential deiner Kräfte kennst. Du kannst sie schlagen, ohne dich anzustrengen. Das wichtigste ist, dass du daran glaubst.“
Ich sollte diese Götter schlagen können, ohne mich anzustrengen? Welche verborgene Macht hatte ich denn noch, von der ich gar nichts wusste?
„Solange ihr euch jedoch eurer Kraft nicht bewusst seid, haben wir keine Chance. Ich kann sie aufhalten. Ihr müsst fliehen.“
„Wo sollen wir hin?“, fragte ich und er sah mir tief in die Augen.
„Fällt dir denn nichts ein? Welche Welt ist frei von ihrem Einfluss?“
„Die Menschenwelt“, stammelte ich und er nickte.
„Rettet euch und kommt zurück, wenn ihr bereit seid“, sagte er und Kevin kam zu mir.
„Lass uns gehen, Kai. Ich meine, Shian Hi.“
Ich nickte und ergriff seine Hand. Sofort verschwanden wir. Neben Emilie, Chris und meinen Freunden erschienen wir wieder. Sie standen im Thronsaal der Erde und sprachen miteinander. Als sie uns sahen verstummten sie.
„Wir müssen sofort hier weg“, sagte ich und sie rissen ihre Augen auf.
„Du lebst“, sagte Emilie und ich nickte.
„Keine Zeit für lange Erklärungen. Die Dämonengötter sind hinter und her. Wir müssen sofort in die Menschenwelt.“
Sie nickte und sah die anderen an.
„Kommt her. Ich bringe uns hin.“
Ich hielt ihnen meine Hand hin und sie ergriffen sie. Im nächsten Moment fanden wir uns vor meinem Haus wieder.
„Wo sind wir hier?“, fragte Chris und sah sich um.
„Mein altes Leben“, sagte ich und sah auf das Haus.
Meine Eltern schienen nicht zu Hause zu sein. Oder hatte man sie gefangen genommen? Boreos wusste, wo ich damals gelebt hatte und kannte meine Eltern. Er war in der Lage, sie anzugreifen. Was konnten sie ihm schon entgegensetzten?
„Das Haus, wo unsere Reise begann“, sagte Andre und ich sah ihn an.
„Nicht direkt. Aber das Hause, wo ihr eure Magie bekommen habt“, sagte ich und er nickte.
Langsam ging ich auf die Türe zu und wollte gerade klopfen, als mir auffiel, dass das Schloss aufgebrochen war. Ich öffnete die Türe und ließ meine Fächer sofort schweben. Langsam trat ich ein und hörte genau hin, ob es irgendein Geräusch gab.
„Leila, such nach Feinden“, sagte ich.
Sofort wurde sie unsichtbar und betrat das Haus. Sie ging die Treppe, rechts neben der Türe hinauf. Der Rest wartete hinter mir. Meine Magie suchte gerade den Keller und das Erdgeschoss ab.
„Die Luft hier unten ist rein“, sagte ich und holte meine Freunde rein.
Im Wohnzimmer warteten sie. Ich sah nach oben und hoffte Leila zu sehen.
„Kai, das solltest du dir ansehen“, sagte sie und ich ging die Treppe hinauf.
Ein schreckliches Bild tat sich vor mir auf. Die Wände waren mit Blut beschmiert. Im Badezimmer hatte jemand an die Wand geschrieben, du bist der nächste. Von meinen Eltern war keine Spur. Eine unglaubliche Wut staute sich in mir auf. Boreos war zu weit gegangen. Niemand vergriff sich an den Menschen, die ich liebte.
„Gib dich jetzt nicht deiner Wut hin“, sagte Kevin und trat neben mich.
„Wie könnte ich es nicht? Sie haben es gewagt, die Menschen anzurühren, die ich liebe. Niemand vergreift sich an meiner Familie“, sagte ich.
„Richtig. Aber niemand wird deiner wahren Wut würdig sein, weil du einfach zu stark bist. Du bist stark genug, um über all dem zu stehen.“
Eigentlich hatte er Recht. Und ich konnte es gar nicht leiden, wenn jemand anders Recht hatte. Mein Puls beruhigte sich wieder. Boreos war meiner Wut nicht wert. Mir konnte er keine Sekunde standhalten. Das würde er auch bald zu spüren bekommen. Mit einem Wink meines Fingers war alles wieder sauber. Ich drehte mich um und ging nach unten. Leila und Kevin folgten mir.
„Was ist passiert?“, fragte Chris und ich sah ihn an.
„Nichts, was von Bedeutung wäre. Wir müssen uns vorbereiten, auf die Schlacht gegen die Dämonengötter.“
„Und wie? Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir einen Trumpf aus dem Ärmel zaubern können, der sie besiegt“, sagte Leila.
„Richtig, das können wir nicht. Aber wir sollten uns Zeit nehmen und unsere Kräfte erforschen. Es gibt bestimmt viele Dinge, die wir noch lernen können. Ich würde sagen, wir trennen uns.“
„Warum?“
„Wenn die Götter einen von uns finden, kann er die Anderen warnen. So werden sie uns nicht alle gleichzeitig fangen. Außerdem denke ich, dass Boreos hauptsächlich mich haben will. Also seid ihr erstmal sicher“, sagte ich und sie nickten.
„Dann trennen sich unsere Wege hier. Auch, wenn ich dagegen bin“, sagte Chris.
„Seid vorsichtig. Wir treffen uns wieder, wenn wir bereit sind“, sagte ich und die Drei verschwanden.
Meine Freunde sahen mich an.
„Ich weiß nicht, was ihr jetzt macht, aber ich werde erstmal ein Bad nehmen“, sagte ich und wollte gehen.
„Meinst du das ernst? Götter versuchen euch zu töten und uns vermutlich mit dazu und du willst plantschen?“, fragte Jan.
„Nein, nicht plantschen. Baden. Das ist etwas anderes.“
„Und was machen wir, wenn sie hier ankommen und uns umbringen wollen? Wir können sie nicht aufhalten.“
Langsam ging ich auf sie zu und sah Jan tief in die Augen. Mittlerweile war er nicht mehr größer als ich.
„Wenn ich in deine Augen sehe, Jan, sehe ich nur Angst. Vertraust du mir nicht?“
„Doch und genau das beunruhigt mich.“
„Dir macht es Sorgen, dass du auf meine Entscheidungen vertraust? Das verstehe ich jetzt nicht ganz.“
„Du bist ein Gott, Kai. Deine Kraft übersteigt unsere bei weitem. Das du dir keine Sorgen machst, ist mir bewusst.“
„Und du schon? Du hast vier Schamanen an deiner Seite. Gut, drei, wenn Kevin mit mir geht“, sagte ich und sie sahen mich erstaunt an.
„Was?“, fragte Kevin und kam zu mir.
„Ich habe es euch noch nicht gesagt. Kevin ist eigentlich ein Schamane. Und drei von euch sind die Anderen. Bei Jan kann ich sehen, dass er es nicht ist. Aber du, Andre, bist einer. Quasi mein Ebenbild in Schamanenform. Sebastian, du bist ebenfalls ein Schamane. Man könnte sagen du bist Chris Ebenbild. Vielleich nicht so stark, aber ein Waffenmeister. Und der letzte Schamane ist Leonard. Er ist Leila. Ihr werdet auf jeden Fall nicht völlig schutzlos sein“, sagte ich und sie sahen mich an.
„Aber ich dachte ihr seid die Schamanen“, sagte Andre.
„Richtig. Im gewissen Sinne sind wir das. Doch als Gott bin ich nicht in der Lage als Schamane zu arbeiten. Das ist nicht meine Aufgabe und ich habe auch keine Zeit dafür. Wenn wir diese Schlacht gewonnen haben, werdet ihr eure Aufgabe antreten und die Reiche beschützen“, sagte ich.
„Wie? Wir können nicht einmal richtig mit unseren Kräften umgehen“, sagte Leonard.
„Macht euch das wirklich Sorgen? Andre, ich kann dir viele Dinge beibringen, wenn du willst und bei den anderen ist das genauso. Wenn ihr die anderen Fragt, werden sie euch helfen. Aber nur sprechenden Menschen kann geholfen werden. Wenn ihr mich entschuldigt“, sagte ich und ging in das Badezimmer, in der oberen Etage. Ich schloss den Abfluss der Badewanne und drehte das Wasser auf. Schönes warmes Wasser kam heraus und ergoss sich in die Keramikschale. Ich nahm ein Päckchen Badesalz und streute es in das Wasser. Sofort erhob sich ein lieblicher Duft nach Orange. Ich wollte gerade die Türe schließen, als mein Freund kam. Ich lächelte ihn an und er kam zu mir. Er schloss die Türe hinter mir und sah mich an.
„Wie nett, das du mir Gesellschaft leisten willst“, sagte ich und er lächelte.
„In diesen schnellen Zeiten kommen wir zwei ein wenig kurz, oder?“
Langsam begann er sich zu entkleiden. Ja, wir zwei kamen ein wenig zu kurz. Das stimmte.
„Wir passen aber nicht beide in die Wanne“, sagte Kevin und ich lachte.
Ein kurzer Wink meines Fingers und sofort war aus der Badewanne ein großer Whirlpool geworden.
„Wie nett.“
Ich begann ebenfalls mich zu entkleiden und gemeinsam ließen wir uns in das Wasser gleiten. Meine Muskeln entspannten sich herrlich. Kevin genoss es mindestens genauso wie ich. Schweigend saßen wir nebeneinander.
„Kai, darf ich dich noch so nennen?“, fragte er und ich nickte.
„Die letzten Tage waren sehr aufregend. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viele Dinge erlebt. Ich habe dich beinahe zwei Mal verloren. Habe herausgefunden, dass du auch noch ein Werwolf bist und ich ein Schamane bin. Eigentlich dachte ich verrückter kann es nicht werden. Doch, du bist ein Gott. Es gibt schon Dinge, die man nicht verstehen muss.“
Vermutlich war das alles verwirrend für ihn. Mir ging es nicht anders. Vielleicht erinnerte ich mich an einige Dinge, aber noch lange nicht an alles. Zumal Zymerana meine Kreation war und eigentlich gar nicht böse. Dafür der Gott, von dem ich gedacht hatte, dass er eigentlich unser aller Schützer war. Wie man sich doch in den Menschen täuschen konnte. Mei-Trian machte da keine Ausnahme.
„Ja, verwirrend“, gab ich geistesabwesend zurück.
Meine Gedanken wanderten noch durch die letzten Tage, als Kevin näherkam und einen Arm auf meine Brust legte. Sofort sah ich ihn an.
„Denk nicht so viel nach, Großer“, sagte er und nährte sich mir.
Das Wasser wurde langsam kalt und mein Fell fühlte sich irgendwie merkwürdig an.
„Ich denke wir sollten aussteigen“, sagte ich und er nickte.
Wir stiegen aus der Wanne und trockneten uns ab. Ich stellte den ursprünglichen Zustand wieder her und zog dann meine Rüstung an. Kevin ebenfalls. Zusammen verließen wir das Badezimmer und gingen ins Wohnzimmer zurück. Unsere Freunde saßen immer noch da und spielten Karten.
„Ich habe Full House“, sagte Jan und legte seine Karten auf den Tisch.
Andre lächelte und ich spürte sofort, dass etwas an diesem Spiel nicht wirklich stimmte. Poker war nicht vorhersehbar. Niemand wusste genau, was der andere hatte. Doch Andre schien genau zu wissen, was er tat.
„Und was hast du?“, fragte Jan und sah ihn an.
„Du hast ein Full House? Das kann ich überbieten“, sagte Andre und legte seine Karten auf den Tisch.
„Royal Flush“, sagte er und Jan fiel beinahe vom Sofa.
„Das kann doch nicht sein“, sagte er und Andre lachte.
„Du hast alles gesetzt? Damit habe ich dann wohl gewonnen“, sagte er und Jan ließ sich verärgert nach hinten fallen.
„Wie ist das möglich? Du hast dich nicht ein einziges Mal verschätzt. Hast du geschummelt?“, fragte Fabian und Andre schüttelte den Kopf.
„Schummeln? Nein. Das würde ich nicht machen, das wäre ja nicht nett. Also nein.“
Wir betraten das Wohnzimmer und sofort sahen uns alle an.
„Hallo“, sagte Kevin und sie nickten.
„Ich habe gewonnen“, sagte Andre stolz und die anderen stöhnten nur.
„Du musst geschummelt haben“, sagte Jan.
„Ich habe einfach Glück“, sagte er und ich lachte.
„Darf ich? Einsatz ist alles. Ich steige ein, mit vier Barren purem Gold“, sagte ich und legte die Gegenstände auf den Tisch.
Die waren nicht echt. Sie galten nur zu Demonstrationszwecken. Ich würde Andre zeigen, wie man das richtigmachte. Er nickte und schob seine ganzen Chips in die Mitte des Tisches. Dann mischte er die Karten und gab sie. Ich hielt zwei zehnen auf der Hand. Die ersten drei Karten waren neun, Bube und Dame. Vorsichtig prüfte ich, welche Karten noch kommen würden. Das nächste war eine weitere zehn und noch ein König. Das wäre ein Drilling. Was hatte Andre? Im Moment hatte er eine Acht und eine Sechs. Das war nichts. Aber das würde nicht so bleiben. Die letzten zwei Karten kamen genauso, wie ich es vorgesehen hatte.
„Also, Kai. Lass mal sehen“, sagte er und ich nickte.
„Drilling“, sagte ich und legte meine Karten auf den Tisch.
Andre nickte bewundernd und nahm seine Karten in die Hand. Sofort hatte er zwei Könige auf der Hand. Von wegen nicht Schummeln.
„Ich habe einen höheren Drilling“, sagte er und legte die Karten auf den Tisch.
Doch noch bevor sie die Tischplatte berührten waren es wieder eine Sechs und Acht.
„Das ist viel, aber kein Drilling“, sagte ich und erstaunt sah er seine Karten an.
„Unmöglich. Du hast meine Karten manipuliert“, sagte er und ich musste lachen.
„Ich habe nicht mehr getan, als deine Magie rückgängig gemacht. Das kann ich dir gerne Demonstrieren. Stellt euch hinter ihn und du nimmst die Karten in die Hand“, sagte ich und sie gehorchten.
Als Andre die Karten nahm, waren es wieder zwei Könige. Doch sobald sie wieder den Tisch berührten, waren es die richtigen Karten. Jan nahm die Karten in die Hand und sie veränderten sich nicht.
„Du hast nicht fair gespielt und das habe ich dir gerade gezeigt. Ich habe dein Spiel nur mitgespielt“, sagte ich und er schnaubte.
„Ich sage dazu nichts.“
Mein Kopfschütteln wurde nur mit Lachen quittiert.
„Also gut. Das war genug für den Moment. Wir haben viel zu tun. Andre, ich muss dir einige Dinge beibringen, wenn ihr Überleben wollt, heißt das. Vielleicht denkt ihr aber auch, dass es nicht nötig ist, zu trainieren.“
„Doch. Wollen wir“, sagte Andre und ich nickte.
„Also gut. Du bleibst hier. Ich habe die anderen schon gefragt, wo sie sind. Auch wenn es mir nicht gefällt, werde ich euch zu ihnen schicken. Das heißt leider auch dich, Kevin.“
Er senkte den Kopf.
„Es ist nötig“, sagte er und ich nickte.
„Emilie wartet auf dich“, sagte ich hielt ihm meine Hand hin.
Er ergriff sie und stand dann neben Emilie.
„Sebastian, Leonard. Ihr auch.“
Ich wiederholte die Prozedur, bis nur noch Fabian, Andre und Jan übrig waren.
„Also gut. Wir können hierbleiben. Es gibt genug Betten. Der Dachboden ist mein Zimmer. Ihr könnt euch gerne aufteilen. Ruht euch erstmal aus. Ich werde den Unterricht für Morgen vorbereiten und für Jan überlege ich mir noch etwas.“
Sie nickten und verließen dann das Wohnzimmer. Nur Jan nicht. Er blieb sitzen und sah mich an.
„Bedrückt dich etwas?“, fragte ich und schloss die Türe.
„Nein. Es ist nur. An dieser Stelle habe ich damals gesessen, als du deine Macht demonstriert hast. Seitdem hat sich so viel verändert. Ich bin ein Gardist und für deine Sicherheit zuständig.“
„Da muss ich dich korrigieren. Du bist für Kevins Sicherheit zuständig. Ich bin ein Gott. Kevin der Schamane. Ihn musst du beschützen.“
Er nickte.
„Aber das kann ich nicht. Ich bin zu schwach. Weder kann ich es mit dir, noch mit sonst wem aufnehmen. Helita meinte zwar, dass ich großes Potential habe. Doch ich kann es nicht benutzten.“
„Und warum nicht?“
„Das weiß ich auch nicht. Aber könnte es etwas mit mir zu tun haben? Vielleicht irgendwelche Erinnerungen, die mich behindern oder irgendwas?“
Ich nahm meine Hand und legte sie ihm auf den Kopf. Langsam durchforstete ich seinen Geist. Nein, da war nichts, was ihn zurückhielt. Er bildete sich ein, dass da etwas war, dass ihn zurückhielt.
„Du denkst, dich würde etwas zurückhalten. Aber das ist nicht so“, sagte ich und er sah mich an.
„Wirklich gar nichts?“
„Ich konnte nichts finden. Aber ich wollte auch nicht zu tief in deine privaten Gedanken eindringen. Vielleicht ist da etwas, was dich stört. Das musst du aber selbst herausfinden.“
Er nickte und sah mir dann tief in die Augen.
„Damals wollte ich es nicht zugeben und vor den anderen ebenso wenig. Was du getan hast, hat mir gefallen. Als du mit uns gespielt hast, habe ich mich irgendwie gut gefühlt. Ich weiß nicht einmal warum. Doch ich habe es genossen, dass jemand die Kontrolle hatte. Erklären kann ich das nicht genau.“
Ich begann zu verstehen. Jan war ein Mensch, der immer jemandem folgen wollte. So also auch mir, oder Kevin. Eigene Gedanken hatte er nicht wirklich. Er überließ das Denken den anderen. Mittlerweile vielleicht nicht mehr, denn er musste schnell entscheiden, wie er seinen Schützling zu beschützen hatte.
„Also bist du platt gesagt ein Mitläufer“, sagte ich und er nickte zögerlich.
„So kann man es sagen.“
„Das erklärt, warum du damals nicht einsichtig warst. Jeder andere hat akzeptiert was passiert ist. Nur du nicht. Du hast dich geweigert.“
„Ich hatte Angst den zu verlieren, der mir vorgegeben hat, was ich zu tun habe. Aber jetzt habe ich wieder jemanden, der mir eine Richtung gibt. Zum einen du und zum anderen immer noch Kevin, der für mich in erster Linie zählt.“
„Was mich nur wundert ist, dass du anfangs nichts mehr von ihm wissen wolltest, als du erfahren hast, dass er in mich verlieb ist.“
Er senkte seinen Kopf.
„Anfangs“, begann er und sah mich dann an.
In seinen Augen konnte ich Sorge und Scharm ablesen.
„Als Kevin uns gesagt hat, dass ihr ein Paar seid, da ist in mir eine Welt zusammengebrochen. Mein cooler Anführer ist verliebt in einen Mann. Wie sollte das denn aussehen? Das war mir peinlich. Jetzt sehe ich, wie glücklich ihr zusammen seid und muss sagen, dass ich es sogar verstehen kann. Damals habe ich dich nur als Eingebildeten Idioten gesehen, der nur denkt, dass jeder mit seinem Wissen nicht mithalten kann. Jetzt sehe ich, dass du ein Anführer bist, der sich um seine Anhänger kümmert. Aber dennoch verstehe ich eins nicht. Wenn du damals schon so warst, warum hast du das uns nicht gezeigt? Vielleicht hätte Kevin dich ja dann nicht mehr geärgert.“
Eigentlich ein berechtiget Einwand. Warum war ich damals nicht so, wie ich heute war? Darüber hatte ich mir nie Gedanken gemacht.
„Jan, ich habe noch nie darüber nachgedacht. Mein menschliches Leben, liegt so weit von mir entfernt. Als wäre es niemals gewesen. Ich wusste immer alles. Selbst die Lehrer waren meiner Intelligenz nicht gewachsen. Das hat mich arrogant gemacht. Mein Wissen war meine Stärke. Das, was mich ausgemacht hat. Heute verstehe ich auch warum. Als Weisheitsgott, ist das verständlich. Ich habe nur das gemacht, was ihr auch getan habt. Nur bei euch war es rohe Gewalt. Meine Stärke war nicht so offensichtlich, aber genauso vernichtend, wie ich heute weiß. Dazu kam mein Hass, gegen euch. Mit jedem Schlag habt ihr den Hass auf euch weiter geschürt. Doch ich habe mich nur mit Worten zu verteidigen gewusst. Mit nichts anderem. Das mag nicht ganz so effektiv gewesen sein, wie eure Methode. Aber zum Thema zurück. Ich wollte niemandem meine verletzliche, wahre Seite zeigen. Den einsamen Menschen, der nichts anderes hat, als Wissen über einige Dinge. Ich vermute, dass es dieser Grund gewesen ist.“
„Hast du denn jetzt keinen Hass mehr auf uns? Ich meine, wir haben dir ziemlich übel mitgespielt.“
„Ehrlich gesagt, nein. Hass ist irrational. Hass bringt nur mehr Hass hervor und das resultiert nur in, nun ja, mehr Hass. Ich weiß nicht, wie man das anders ausdrücken kann. Warum soll ich etwas schüren, dass uns alle nicht weiter bring?“
„Wenn du das so sagst, klingt das so vernünftig.“
„Das ist mein zweiter Vorname. Gleich nach völlig verrückt“, sagte ich und er lachte.
„Kai, ich habe eine weitere Frage“, sagte er und ich sah ihn an.
„Was denn?“
„Kannst du nochmal das gleiche machen, wie damals?“
„Wie?“
„Naja, mich verzaubern.“
„Jan, da sind wir doch drüber hinweg, oder?“
„Eigentlich schon. Aber ich würde gerne wissen, wie Kevin sich gefühlt hat, damals“, sagte er und ich schüttelte meinen Kopf.
„Können wir das verschieben? Vielleicht auf die Zeit, wenn wir die Dämonengötter vernichtet haben und mehr Zeit? Dann kann ich dir das gerne nochmal zeigen. Aber im Moment möchte ich meine Magie nicht unnütz strapazieren.“
Er musste ja nicht wissen, dass sie eigentlich unendlich war.
„Wenn du meinst. Vielleicht sollte ich ein wenig Schlaf finden“, sagte er und erhob sich.
„Im Keller habe ich dir ein Bett bereitgestellt Das solltest du benutzen.“
Er bedankte sich und ließ mich dann alleine. Als er das Wohnzimmer verlassen hatte, stand ich auf und ging in den Wintergarten. Was die letzten Tage passiert war, war einfach nur verrückt. Ich nahm auf einem Stuhl Platz und sah nach oben. Die Sonne schob sich langsam hinter den Horizont und tauchte mich in fahles Dämmerlicht. Mehr als jetzt nachzudenken, konnte ich nicht machen. Morgen würde ich Anfangen Andre zu trainieren. Das würde für uns beide hart werden. Also beließ ich es dabei, mir einen Trainingsplan zu erarbeiten. Doch bevor ich das tat, legte ich Schutzzauber, über das Haus. Vor allem solche, die meine Anwesenheit verschleierten. War wohl noch aus meiner Vergangenheit übrig, dieses Wissen.
Kais Anwesenheit war verschwunden. Irgendwie hatte er einen Weg gefunden, sich unsichtbar, in der Menschenwelt zu machen. Besser so. So konnten die Götter ihm nichts anhaben. Vor mir standen die drei Dämonengötter und Mei-Trian. Bei mir nur die Elfenkönigin.
„Issyl, das wird eine knappe Sache“, sagte sie und ich sah sie an.
Richtig. Ein Kampf würde uns nur umbringen. Kai war nicht mehr zu spüren, also konnte ich fliehen. Jung Chain würde meinen Körper nicht ein weiteres Mal befreien.
„Sieht so aus, als wärst du jetzt alleine, Issyl“, sagte Boreos und sie richteten ihre Waffen auf mich.
„Er ist nicht alleine. Ich bin bei ihm“, sagte Tiana und sie sahen sie an.
„Also bitte. Was will die Elfenkönigin schon machen?“, fragte Ignisia und fauchte uns an.
„Pass auf was du sagst, Katze“, sagte Jung Chain und stellte sich zu uns.
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass du wirklich auf ihrer Seite stehst. Was ist nur aus dem stärksten Dämon geworden? Stellt sich zu den Göttern und setzt sich für die Menschheit ein. Wolltest du nicht selbst die Weltbevölkerung in deinem Reich haben?“, fragte Aqurilana.
„Auch ein Dämon ändert seine Meinung. Shian Hi hat mir die Augen geöffnet. Ja, ich will mehr Tote haben. Aber die Menschheit hat es verdient zu leben“, sagte er.
„Verdient zu leben? Wir sind dafür da, um ihnen das Leben zur Hölle zu machen. Und nichts macht das besser als Krieg, Hunger und Tod. Aber eigentlich schaffen sie es ganz alleine, sich auszuschalten“, sagte Sekama und ich nickte.
„Dennoch ist es eine Freude zu sehen, wie die Menschheit scheitert.“
„Oh bitte“, sagte Zymerana und lachte.
„Die Menschen sind minderwertig. Sieh dir nur an, was sie mit den Schamanen gemacht haben. Senkum weiß nicht einmal mehr, wer Freund und Feind ist. Er hat Lotus umgebracht. Denkst du wirklich es gäbe Hoffnung, wenn sie in eine andere Welt gehen? Wir werden sie finden und vernichten. Und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst.“
„Er vielleicht nicht. Aber ich kann“, sagte ich und sie sahen mich an.
Verflucht sei mein Körper. Sie wirkten alle gigantisch.
„Als Zeit Gott, warst du ein Versager. Denkst du wirklich, jetzt wird das anders?“, fragte Mei-Trian.
„Ja denn jetzt ist etwas anders. Ich kämpfe für meinen Sohn. Shian Hi. Für seine Geschwister und das wichtigste, für meine Frau.“
„Krisuracha ist weg, Issyl. Niemand kann sie aus ihrem Gefängnis befreien.“
„Shian Hi kann es.“
„Aber ihn haben wir auf unsere Liste als erstes stehen. Wir werden ihn finden und vernichten“, sagte Boreos.
„Dann viel Spaß beim Suchen. Ich wage zu bezweifeln, dass ihr ihn finden könnt.“
„Nur, weil du ihn nicht spürst, heißt das nicht, dass wir es nicht können“, sagte Sekama und sah seinen Bruder an.
„Ich spüre ihn nicht. Das wundert mich“, sagte Boreos und sein Blick ging zu Zymerana.
„Ihn kann ich auch nicht finden. Aber irgendwie keinen der Schamanen.“
„Wo sind sie hin?“, fragte Mei-Trian und ein Blitz erschien in seiner Hand.
Er richtete ihn auf uns. Wollte er uns wirklich drohen?
„Woher sollen wir das wissen?“, fragte Jung Chain und sofort erhoben sich mehrere Skelete vor uns.
Das tat er immer, wenn er sich bedroht fühlte.
„Lüg mich nicht an, Jung Chain. Wenn du ihn nicht spüren kannst, dann kann es niemand. Jedes Lebewesen kann von dir wahrgenommen werden.“
„Normalerweise ja. Doch wir reden hier vom Gott der Weisheit. Denkst du wirklich, dass Shian Hi keinen Weg gefunden hat, komplett von der Bildfläche zu verschwinden?“
„Das wäre nicht möglich. Dann wäre er stärker, als du.“
„Siehst du so etwas als unmöglich an? Der Totengott ist stark, aber nicht allmächtig. Nur ein perfektes Wesen kann Shian Hi finden. Wie Issyl und Krisuracha, zusammen. Sie waren perfekt, bis sie beschloss, dich zu nehmen, damit sie dich von den Kindern ablenken konnte.“
„Ihr lügt. Krisuracha hat mich geliebt.“, sagte er und warf den Blitz.
Doch er wurde von den Untoten aufgehalten. Sie zerfielen und sofort traten zwei neue an ihre Stelle. Es war hoffnungslos, mit Mei-Trian. Er hörte nie zu. Nicht ein einziges Mal. Krisuracha hatte ihm, bei der vermeintlichen Hochzeit gesagt, warum sie das tat. Er war so geblendet von seinem Stolz, dass er damals zum Gott geworden war. Wie genau war das eigentlich passiert? Das entzog sich leider meinem Wissen.
„Ihr sagt mir jetzt sofort, wo Shian Hi ist. Oder ich mache Tiana einen Kopf kürzer“, sagte der Gott und Tiana hob ihren Stab.
„Versuch es, falscher Gott. Du wirst keinen Erfolg haben“, sagte sie.
Mei-Trian schäumte wieder vor Wut. Er wollte etwas sagen, als plötzlich mehre Pfeile auf ihn zukamen.
„Auseinander“, rief Zymerana und sofort verteilten die Götter sich.
Sie sahen in die Richtung der Angreifer. Ihre Augen wurden groß und auch ich drehte mich um. Nein, das war unmöglich. Krisurachas Armee? Die gefürchtete Selousta Kragusa. Sie sahen aus, wie eine Armee der antiken Griechen. Um genau zu sein, Spartaner. Ihre Pfeile waren verheerend, sogar für einen Gott. Damals hatte Krisuracha sie mit speziellen Kräften gesegnet, weil sie ihr huldigten und Kriege in ihrem Namen führten. Ihre Waffen waren härter, als jedes Metall. Wie genau Krisuracha das angestellt hatte, wusste ich nicht. Sie konnte ich aber nicht sehen. Der Hauptmann trat vor.
„Die große Krisuracha hat befohlen, dass ihr sofort verschwinden sollt. Andernfalls sehen wir uns gezwungen, euch anzugreifen“, sagte er und die Götter lachten.
Das war eigentlich nicht lustig. Wenn dieser Mann ausdrücklich sagte, dass Krisuracha es befohlen hatte, dann wusste ich nicht, was für Kräfte sie ihnen verliehen hatte.
„Als ob ein paar Menschen uns aufhalten könnten“, sagte Sekama und sie gingen in Kampfstellung.
„Menschen nicht“, sagte Krisuracha und schwebte zu Boden.
Sie war aus einer Wolke gekommen. Das war sie. Keine Illusion, kein Geist. Es war wirklich meine Frau. Sie war wieder frei.
„Krisuracha“, sagte ich und sie lächelte mich an.
„Endlich sehe ich dich wieder, Issyl. Es ist lange her.“
„Eine Ewigkeit“, gab ich zurück und sie nickte.
Sie wollte gerade Antworten, als Mei-Trian dazwischenfunkte.
„Euer Wiedersehen könnt ihr später feiern. Meine Frau sollte an meiner Seite stehen“, sagte er und hielt ihr seine Hand hin.
„Hast du es immer noch nicht begriffen? Ich liebe Issyl, nicht dich. Die Hochzeit war damals nur, damit unsere Kinder von dir in Ruhe gelassen werden nichts anderes.“
„Du weißt genau, dass du dir das einbildest. Eigentlich liebst du mich, heiß und innig.“
Sie rollte mit den Augen.
„Ich bin gleich zurück, Schatz“, sagte sie und zog ihr Schwert.
Langsam ging sie zu Mei-Trian. Er lächelte nur und wartete, auf ihre Reaktion. Was hatte sie vor? Wollte sie ihn direkt aus der Nähe angreifen? Doch nichts dergleichen. Sie sprachen miteinander, bis Krisuracha ihm eine Ohrfeige verpasste und zurückkam. Sie stellte sich vor ihre Soldaten.
„Hast du es jetzt verstanden?“, fragte sie und er kniff seine Augen zusammen.
„Allerdings. Meine Verbündeten, ich habe eine Idee. Lasst sie uns in die Unterwelt schicken“, sagte er und sie nickten.
Sie wollten angreifen, als Krisuracha ihr Schwert zog.
„Auf in den Kampf. Meine Krieger. Zeigt ihnen, was es heißt, sich mit mir anzulegen.“
Sofort rannten die Soldaten los. Damit waren die Götter beschäftigt. Sie drehte sich zu mir.
„Issyl“, sagte sie und ihre Augen sahen mich sorgenvoll an.
„Was ist, mein Engel?“
„Ist Shian Hi sicher?“
„Ja. Er hat sich getarnt. Niemand kann ihn finden. Werde ich, noch Jung Chain.“
„Dann bin ich erleichtert.“
„Wie bist du aus deiner Gruft entkommen?“, fragte ich und sie nickte langsam.
„Ich bin mir nicht sicher. Doch Shian Hi hat, seine gesamte Magie zu sich gezogen. Damit hat er das Siegel auch abgezogen. So bin ich freigekommen.“
Er hat alle Kraft zu sich gezogen? Was hatte er damals noch beschützt? Doch nicht.
„Alle Kraft sagst du? Hat er nicht auch“, begann ich und sie riss ihre Augen auf.
„Du meinst das Grabmal? Unmöglich. Wenn er auch dieses Siegel löst, dann haben wir ein sehr großes Problem.“
„Ich gehe nachsehen. Du beschäftigst die Götter“, sagte ich und sie nickte.
Sofort löste ich mich auf und erschien vor dem Grabmal wieder.
Die Sonne ging auf und warf ihre Strahlen auf mein Gesicht. Sofort begann mein Körper zu kribbeln. Sie gab mir Kraft. Immer mehr Kraft. Je mehr Sonne mich traf, desto mehr Kraft bekam ich. Aber warum? Ich war doch nicht an die Sonne gebunden. Eigenartig. Egal. Andre würde bald aufstehen. Und dann würde sein Training sofort losgehen. Zumindest der erste Teil. Ich hatte mir überlegt, es in drei Teile zu packen. Als erstes, Gedankliche Kontrolle. Zweitens, Verteidigung und zum Schluss Angriff. Das war eigentlich genau die Reihenfolge, die er brauchte. Eine Bewegung ließ mich zusammenzucken. Auf der Terrasse nebenan, war der Nachbar aufgetaucht und sah in den Wintergarten hinein. Zum Glück hatte ich die Scheiben verzaubert, sodass er mich nicht sehen konnte. Das hatte er damals öfters gemacht. Vermutlich hatte er Mutter mal gesehen, wie sie durch die Wohnung geflogen war. Das war aber nur eine Vermutung. Nachdem er nichts sehen konnte, ging er wieder. Menschen. Eigentlich waren sie eine Plage. Würde mich jemand sehen, dann wäre er wohl sofort darauf bedacht, mich an Wissenschaftler auszuliefern, die dann erforschen konnten, was es mit mir auf sich hatte. Jämmerlich. Niemand hatte auch nur einen Funken Ahnung, über unsere Existenz.
„Guten Morgen“, sagte Jan und betrat das Wohnzimmer.
„Morgen“, sagte ich lächelte ihn an.
Er kam zu mir und setzte sich ebenfalls auf einen Stuhl.
„Die ganze Nacht wach gewesen?“, fragte er und ich nickte.
„Bei solch einem schönen Vollmond, kann ich nicht schlafen. Ich habe Andres Training vorbereitet und mir auch etwas für dich ausgedacht“, sagte ich und Fabian betrat das Zimmer.
Auf seiner Hand balancierte er ein Tablett. Darauf befand sich Essen. Frühstück. Genau wie in meinem Tempel.
„Für euch, mein Herr“, sagte er und stellte es auf den Tisch.
„Vielen Dank, Fabian“, sagte ich und er verneigte sich.
Dann verließ er das Zimmer wieder.
„Sogar hier bedient er dich“, sagte Jan und ich nickte.
„Finde ich nicht wirklich schlecht. Aber weißt du, mir wäre rohes Fleisch im Moment eigentlich lieber. Magst du?“, fragte ich und er nickte.
Ich schob ihm das Tablett zu und zauberte mir ein Stück Fleisch. Ich kaute darauf herum. Wiederstand gab es keinen.
„Sag mal, Kai. Kannst du mir einen Wunsch erfüllen?“, fragte Jan und ich sah ihn an.
„Und zwar?“
„Ich habe eine Schwester. Und naja, sie ist sehr einsam. Sie ist eigentlich ein wenig wie du. Klug und arrogant. Die anderen Mädchen verstoßen sie, weil sie nicht so hübsch ist. Ihre Nase ist viel zu groß und naja sie ist auch ein wenig klein.“
„Und jetzt soll ich ihr Aussehen verändern?“
„Nein. Wenn du eine freie Minute hast, könntest du sie vielleicht herbringen, und ihr die Wünsche erfüllen, die sie hat? Ich kann ihr da ja leider nicht helfen.“
„Weiß sie, was vorgefallen ist?“
„Natürlich nicht. Sie dürfte nur wissen, dass ich weg bin. Mehr nicht.“
„Also schön. Wenn Andre trainiert, werde ich sie holen und ihre Wünsche erfüllen.“
„Vielen Dank, Herr“, sagte er und ich musste lachen.
Erst sprach er mich freundschaftlich an und dann plötzlich förmlich. Unpassend, meiner Meinung nach. Jetzt sollte ich auch noch den Flaschengeist für ein Mädchen spielen, dass wohl unzufrieden mit sich selbst war. Gut, wenn Jan mich darum bat, wollte ich ihm diesen Wunsch erfüllen. Andre kam zu uns. Seine Haare waren völlig zerzaust. Er war gerade aus dem Bett gefallen. Das sah man ihm an. Fabian folgte ihm direkt, mit Frühstück. Er nickte nur zur Begrüßung und setzte sich dann. Fabian platzierte das Essen vor ihm und nahm dann selbst Platz.
„Auch, wenn du noch im Halbschlaf bist, Andre. Fange ich schon einmal an. Heute beginnt dein Training. Und Jans Training genauso. Ihr beide werdet von mir unterrichtet. Andre, für dich steht heute die Kontrolle für Gedanken auf dem Plan. Damit fängst du gleich an. Ich werde dir eine Einführung geben und den Rest musst du dann machen.“
„Soll mir Recht sein“, sagte er und rührte gelangweilt seinen Kaffee um.
„Gut. Dann bereite dich schon mal darauf vor. Jan, du kannst direkt mit mir kommen“, sagte ich und er nickte.
Zusammen gingen wir auf den Dachboden.
„Das war mal mein Zimmer. Ich habe hier Oben einen Trainingsplatz erschaffen. Betrittst du ihn, wird sofort ein Schatten erscheinen, der gegen dich Kämpfen wird. Treffer wirst du merken. Er kann dich nicht verletzen, aber aus dem Ring befördern. Verlässt du den Ring und bist besiegt, verschwindet er. Bleibt er, geht der Kampf weiter, sobald du wieder im Ring bist.“
„Und wie stark ist er?“
„Momentan? Schwach. Aber mit jedem Sieg, wird er stärker. Außerdem lernt er von deinen Angriffen und Verteidigungen. Er wird nach und nach versuchen, das gezielt aus zu kontern und zu blocken. Also nimm dich in Acht. Du kannst so lange trainieren, wie du magst.“
„Danke.“
„Brauchst du eine Pause, komm nach unten. Also dann. Viel Spaß“, sagte ich und ging zu meinem Schreibtisch.
Hier hatte ich mit schon ein paar Zutaten bereitgelegt, um Zaubertränke zu brauen. Ich prüfte sie kurz, legte einen Zauber darüber, damit Jan sie nicht nehmen konnte und ging dann wieder nach unten. Andre war ein wenig wacher, als eben.
„Fertig?“, fragte ich und er nickte.
Sofort versuchte er seine Haare zu richten. Das misslang ihm. War mir aber egal. Mein Fell wollte auch nie in Form gehen. Er erhob sich und kam zu mir. Ich führte ihn in den Keller. Im Heizungsraum, war es still, warm und roch angenehm nach Holz, da meine Eltern eine Pelletheizung besaßen.
„Hier hast du Ruhe. Deine Aufgabe für heute ist es, Gedanken von Menschen und anderen Wesen zu lesen, manipulieren und komplett zu kontrollieren. Weißt du wie so etwas geht?“, fragte ich und er nickte.
„Ein Kinderspiel.“
„Wenn es dir zu langweilig wird, ich bin oben. Ich kann dir auch schwerere Aufgaben geben“, sagte ich und er nickte.
Sofort begann sein Körper zu schweben. Er kreuzte die Beine, schloss die Augen und legte die Finger aneinander. Ich nickte und schloss dann die Türe hinter mir. Was er noch nicht wusste war, dass dieser Raum sehr schlecht war, für seinen Geist zu entkommen. Selbst ich musste mich anstrengen, um es zu schaffen. Wenn er das schnell schaffte, dann konnte er schon gut in die Gedanken anderer eindringen. Ich ging wieder in den Wintergarten und fand Fabian. Er langweilte sich wohl ein wenig.
„Was ist los? Langweilig?“, fragte ich und er sah mich erschreckt an.
„Nein, mein Herr“, sagte er und wollte gerade gehen, als ich ihn aufhielt.
„Du musst mir nicht ausweichen, Fabian. Ich bin kein Unmensch. Auch, wenn du ein Diener bist.“
Zögerlich nahm er wieder Platz.
„Man hat mir immer gesagt, ihr seid unser Gott. Es steht mir nicht zu, mit euch zu reden.“
„Ach komm schon. Jan und Andre reden auch mit mir, völlig normal.“
„Sie sind Krieger, mein Herr. Ihr Ansehen ist weitaus höher, als das meine. Einem Diener steht es nicht zu, mit dem Schamanen zu sprechen.“
„Das war einmal so. Ich habe diese Regel aufgehoben, da ich sie zwecklos fand. Du siehst ein wenig aus, als würde dich etwas bedrücken.“
„Herr, es ist nur“, begann er und ich schüttelte meinen Kopf.
„Bitte, Fabian. Nenn mich Kai. Das macht jeder andere auch.“
„Wie ihr wünscht. Er ist nur, Kai. Ich fühle mich nutzlos. Das einzige was ich kann ist Hausarbeit zu erledigen. Ich habe keine Magie und kann keine Waffe führen.“
„Und dennoch bist du einer der wichtigsten Kräfte in unserem Reich. Ohne dich wäre mein Leben viel härter und ich müsste viel alleine machen, zu dem ich keine Lust hätte.“
„Letztlich habe ich mich aber gefragt, warum tut ihr die Sachen nicht selbst erledigen? Eure Magie kann doch alle bewerkstelligen.“
„Das kann sie. Aber weißt du was? Sie ist endlich. Und sie für kleine Dinge wie Aufräumen zu verwenden würde mich in einem Kampf nur unnötig schwächen.“
„Das macht Sinn. Kai, kann ich dich um einige Gefallen bitten?“
„Um was geht es?“
„Zum einen, kannst du herausfinden, ob ich vielleicht das Talent habe, zu zaubern. Dann würde ich gerne erfahren, welche Waffe ich führen sollte. Und zum Schluss, würde ich gerne meinen Körper ein wenig verändern lassen.“
Das waren ein paar Aufgaben. Also gut, der Reihe nach. Konnte er Magie einsetzten? Ja. Ein kleiner magischer Anteil war in seinem Körper. Welche Waffe kam für ihn in Frage? Ein Dolch. Ganz sicher. Er war ein wenig wie Leo. Anschleichen und Kehle durch. Das war seine Stärke.
„Zum ersten. Ja, du kannst Zaubern. Du besitzt einen kleinen Teil Magie. Zum zweiten, würde ich dir empfehlen einen Dolch zu nehmen.“
„Ich kann wirklich zaubern?“
„Im Moment nur leichte Levitationszauber oder kleine Dinge. Nichts Großes. Deine Magie ist nicht trainiert und wird bestimmt auch nicht so stark, wie die von Andre.“
„Aber immerhin kann ich es. Und einen Dolch sagst du?“
„Richtig. Du bist wie Leo. Anschleichen, Kehle durch, fertig. Das ist deine Stärke.“
„Vielen Dank, für diese Infos. Und jetzt zu meinem Körper. Kannst du das gleich mach, wie bei dir?“
„Du willst ein Tiger werden?“
„Eigentlich mehr eine Katze. Ich liebe Katzen.“
„Sei dir aber im Klaren, du hast keinen Daumen mehr und auch keine richtigen Finger, wenn du so weit gehst, wie ich.“
„So wie du anfangs ausgesehen hast, reicht mir auch schon.“
Also Ohren, Zähne, Augen und Schweif. Das sollte gehen. Ich berührte seinen Kopf und sofort begann er sich zu verändern. Seine Ohren wurden zu Katzenohren, mit grau getigertem Fell. Seine Zähne wurden spitz. Die Augen zu Katzenaugen. Hatte ich etwas vergessen? Ach ja, den Schweif. Sofort wuchs ihm ein langer Katzenschweif, mit dem gleichen Fell, wie an den Ohren. Die Hose passte ich direkt an, damit sie wieder passte. Noch was? Ach ja, die Pfoten. Seine Füße begannen sich zu verändern und zerfetzten seine Schuhe.
„Fertig“, sagte ich und reichte ihm einen Handspiegel.
Erstaunt sah er sich an.
„Vielen, vielen Dank, Schamane. Ich weiß nicht, wie ich euch dafür danken kann.“
„Indem du weiterhin solch einen guten Job machst.“
Er salutierte.
„Ich werde euch nicht enttäuschen, Herr.“
Das nickte ich nur ab. Er sah sich seinen Schweif an und begann damit zu spielen. So, jetzt war der perfekte Moment, Jans Schwester zu holen. Wenn ich jetzt noch wissen würde, wie sie aussieht, könnte es mir vielleicht sogar gelingen, sie zu holen. Mein Geist wanderte zu Jan und suchte nach einem Bild seiner Schwester. Da war eins. Aha, so sah sie aus. Gut. Mein Geist suchte jetzt nach ihr. Sie war nicht schwer zu finden. Jan wohnte in meiner Nähe. Seine Schwester saß gerade in ihrem Zimmer und langweilte sich. Dabei starrte sie das Bild eines Jungen an. Im nächsten Moment saß sie neben mir. Sie erschrak und schrie auf.
„Keine Angst. Ich tue dir nichts. Mein Name ist Lotus. Ich bin ein Schamane. Dein Bruder Jan hat mich gebeten, dir ein paar Wünsche zu erfüllen, wenn du welche hast.“
Sie beruhigte sich ein wenig. Neugierig musterte sie mich. Wie alt mochte sie sein? Vierzehn, Fünfzehn? Vielleicht auch ein wenig älter.
„Was ist denn ein Schamane?“, fragte sie und setzte sich vor mir auf den Boden.
„Wenn du so willst, bin ich ein Flaschengeist, ohne Flasche. Ich kann zaubern und dir beinahe jeden Wunsch erfüllen.“
„Welche Einschränkungen gibt es?“
„Keine festen. Wenn ich den Wunsch aber nicht erfüllen will, weil es sonst eine Revolution geben könnte, dann werde ich das nicht machen. Also versuch dir nicht die Weltherrschaft zu wünschen. Ach ja und noch was. Ich werde niemandem in den freien Willen pfuschen. Also wird sich auch niemand in dich verlieben.“
Sie senkte schon ihren Kopf. Das hatte ich mir gedacht. Damit hatte sie jetzt beinahe gerechnet, dass ich das machen würde.
„Also. Was für wünsche hast du denn?“
„Ich wünschte, dieser Junge würde mich wahrnehmen“, sagte sie und zeigte mir das Foto.
Der Junge sah nicht schlecht aus. Wie sein Charakter war, wusste ich nicht.
„Freier Wille. Da kann ich nichts machen.“
„Könntest du mich denn so attraktiv machen, dass er mir nicht mehr wiederstehen kann?“
„Klar, könnte ich das. Aber denkst du wirklich, dass ein Junge, der dich nur wegen deines Aussehen wahrnimmt, ein wahrer Freund ist?“
Sie schwieg. War ihr das zu viel Information?
„Ich wünschte, ich wäre so hübsch, dass er mich wahrnimmt.“
Wie sie wollte. Ich benutzte meine Magie und im nächsten Moment, war sie ein Bild von einer Frau. Perfekte Proportionen, wunderschöne lange Haare und Kleidung, die jeden Mann zum Schmelzen bringen konnte, wenn er sich für Frauen interessierte. Ich hielt ihr einen Spiegel vor und sie fiel beinahe um.
„Wahnsinn“, sagte sie und ich nickte.
„Ich denke, damit wird dir kein Mann wiederstehen können.“
„Kannst du mir vielleicht auch Intelligenz geben? Ich wünschte ich wäre so schlau, dass ich beinahe jedes Rätsel auf dieser Welt lösen kann.“
Genehmigt. Ein Wink meiner Pfote und fertig.
„Noch was?“
„Ist meine Kleidung jetzt nur noch aufreizend?“
„Sicher. Ich habe deinen Kleiderschrank umgestaltet.“
„Perfekt. Dann wünsche ich mir eine Geldbörse, die niemals leer geht. Egal wie viel ich heraus nehme.“
„Wie viel Geld soll denn drinnen sein?“
„Tausend Euro. Und sollte ich sie verlieren, oder sie geklaut werden, soll sie sofort zu mir zurückkommen.“
„Dann gib mir dein Portmonee.“
Sie reichte es mir und ich wirkte meinen Zauber. Jetzt würden nie weniger als Tausend Euro in seinem Inneren sein.
„Geh bitte vorsichtig damit um“, sagte ich und sie nickte.
„Was könnte ich mir noch wünschen?“
„Vielleicht dauerhaft perfekte Haare? Immer schlank bleiben?“
„Ich wünschte ich hätte für immer den perfekten Körper.“
„Du wirst aber trotzdem altern.“
„Das ist nicht schlimm, solange ich dann für mein Alter gut aussehe.“
Gut, wenn sie wollte. Wunsch erfüllt.
„Ich denke, dass war genug, oder?“
„Mir fällt nichts mehr ein.“
„Dann schicke ich dich zurück. Bitte sei vorsichtig mit deinen Wünschen.“
Sie nickte nur und saß dann wieder in ihrem Zimmer. Was sie jetzt damit anfing, sollte mir egal sein. Fabian war wieder in die Küche gegangen und räumte wohl auf. Sie waren alle beschäftigt. Und ich? Mir war langweilig. Trainieren brauchte ich nicht, solange ich nicht wusste, welches Ausmaß meine Kräfte hatten. Aber wie sollte ich das herausfinden? Ich hatte schon tagelang Meditier und keine Antworten gefunden. Ändern würde sich das jetzt auch nicht. Also, woher sollte ich Antworten bekommen? Ein leises Heulen drang zu mir durch. Wolfsheulen? Hier gab es keine Wölfe. Wo kam das her? Ich sah nach draußen und erblickte eine kleine Gruppe von Werwölfen. Sie witterten mich wohl und näherten sich dem Wintergarten. Ich erhob mich. Auch wenn sie mich nicht sehen konnten, rochen sie mich. Als sie nah genug waren, öffnete ich die Türe und trat ihnen entgegen. Sofort sahen sie mich alle an und wichen einen Schritt zurück.
„Ihr seid es“, sagte einer von ihnen und sie fielen auf die Knie.
„Ich bin es?“, fragte ich und sie sahen mich an.
„Unser König.“
Das hatte ich mir gedacht. Hatten sie nicht mehr antworten? Egal, nicht hier. Das war zu gefährlich. Ich winkte sie herein und sofort betraten sie den Wintergarten. Als ich die Türe schloss standen zwei Männer und eine Frau vor mir.
„Wir dachten, ihr wäret tot“, sagte die Frau und ich nickte.
„Das haben einige gedacht, auch wenn ich nichts mehr weiß.“
„Ihr habt euer Gedächtnis verloren? Das erklärt, warum ihr nicht mehr zu uns gekommen seid.“
„Was könnt ihr mir über mich erzählen?“
„Nicht viel.“
„Dann nehmt Platz und fangt an zu reden.“
Sie setzten sich und sahen mich dann an. Ich ging zu meinem Stuhl und sah sie dann an.
„Also?“
„Was wollt ihr wissen? Als eure Untertanen, wissen wir nicht sehr viel. Ihr habt nie viel über euch gesprochen“, sagte einer der Männer. Seine Haare waren schwarz und sahen sehr gepflegt aus.
„Sagt mir, was ihr wisst. Egal wie viel oder wenig es ist.“
„Also gut. Ihr seid für sehr lange Zeit unser König gewesen. Nachdem wir euch angebetet hatten und ihr uns Schutz garantieren wolltet, seid ihr zu uns gekommen. Schon damals wart ihr unheimlich stark. Ihr seid so weit, dass ihr Magie als Werwolf verwenden könnt. Das kann fast niemand. Nur einige wenige Werwölfe haben die Fähigkeit dazu. Sie zählen zu der Blutlinie vom Anbeginn der Zeit“, sagte die Frau.
„Und wie konntet ihr mich finden? Habt ihr mich gesehen?“, fragte ich doch sie schüttelte ihren Kopf.
„Wir konnten euch riechen. Irgendwie kam mir der Duft bekannt vor. Also sind wir auf die Jagd gegangen um zu sehen, woher dieser vertraute Duft kommt. Euch zu finden, hatten wir nicht erwartet.“
„Hätte ihr mich denn so erkannt?“
„Ehrlich gesagt nein. Warum auch immer ihr eure Wolfsgestalt verbergt.“
„Wie verbergen?“
„In unseren Höhlen ist, dank dem seltenen Metall dort, jegliche Magie völlig nutzlos. Verwandlungen halten nicht lange. Ihr habt damals euch angeglichen, als Boreos entschieden hatte, Schutztier des Windreiches zu werden. Eure Geschwister wollten nicht so weit gehen. Aber für euch war das selbstverständlich. Nur leider konnten eure Veränderungen nicht standhalten. Also kennen wir euch nur als Mensch und Wolf. Nicht anders.“
Ah, so war das. Also gut. Ich war ein Werwolf durch und durch. War ich als Wolf geboren? Das wussten sie bestimmt nicht. Aber gab es vielleicht ein Geschichtsbuch oder Chronik?
„Habt ihr vielleicht eine Chronik oder ein Geschichtsbuch von der anderen Welt? Ich muss mehr über mich erfahren, damit ich die Dämonengötter schlagen kann.“
Sie sahen mich entsetzt an.
„Die Dämonengötter? Wollt ihr sagen, die Schutztiere sind wieder böse?“
„Sie waren nie gut. Es war nur ein Vorwand.“
„Wir haben eine Chronik. Von Anbeginn der Zeit. Aber sie befindet sich in unseren Höhlen. Dort regieren jetzt Trolle und Spinnen“, sagte die Frau.
„Spinnen? Die harmlosen Tierchen sehen zwar schrecklich aus, tuen aber nichts“, sagte ich.
„Wir reden hier vom Stamm der Kriegsspinnen. Ein kriegerisches Volk, das nur ein Ziel hat den Kampf. Die Trolle können mit ihnen zusammenleben, weil sie so groß sind, dass die Spinnen Respekt vor ihnen haben. Wir kommen nicht heran.“
Verflucht noch eins. Wieso konnte nicht einmal etwas einfach sein? Ich konnte nicht in die andere Welt gehen. Die Götter würden mich sofort bemerken. Obwohl. Wenn sämtliche Zauber dort keine Wirkung hatten, würden sie mich nicht spüren, oder?
„Sagt mir. Wenn ich diese Höhlen betrete, kann man mich dann noch wahrnehmen?“
„Nein. Es ist, als würdet ihr komplett von der Bildfläche verschwinden. Ihr ward übrigens der einzige, der sich hinein teleportieren konnte. Irgendwie war es euch gelungen, eine Lück in dem Metall zu finden, wo eure Magie hindurch konnte.“
Es gab ein Schlupfloch. Das musste ich nur finden. Aber wie? Ich war hier und das Loch in der anderen Welt. Da konnte ich nicht mal ebene sagen: Hallo, da bin ich. Zeig mir mal deine Schwachstelle. Das war nicht möglich. Wie konnte ich diese Lücke finden?
„Wer wusste noch davon?“, fragte ich.
„Ich, mein Herr“, sagte die Frau und stand auf.
„Ihr?“
„Ich bin eure Beraterin. Eure engste Vertraute, nach eurem Partner.“
„Also hattet ihr zwei Könige?“
„So ist es. Den zweiten König haben wir nie zu Gesicht bekommen. Wir wussten nur, dass es ihn gibt.“
„Gut. Also. Wie finde ich diese Lücke?“, fragte ich und sie begann zu überlegen.
Das Grabmal der Schamanen lag vor mir. Damals hatte Shian Hi es verschlossen, mit seiner letzten Kraft. Das hatte ihn eigentlich umgebracht. Genau wie seine Geschwister. Dass es nur eine Tarnung gewesen ist, war mir damals nicht klar. Aber er hatte halt etwas von seinem Vater abbekommen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf die Steinplatte, die als Tür galt. Kein Schützendes Siegel mehr. Nein. Das durfte nicht sein. Wenn Chun Ji das bemerken würde, wären die Schamanen wieder frei. Wie sollte ich das Siegel wieder erneuern? Auch wenn ich der Göttervater war, hatte Mei-Trian mir einige Kraft geraubt. Alleine die Kräfte über den Himmel. Das war viel zu viel für mich. Kai zu holen kam auch nicht in Frage. Er konnte das Siegel problemlos neu aufsetzen. Doch damit würde ich die Götter direkt hierherbringen und damit Chun Ji auch befreien. Was nun? Ich nahm meine Hand wieder zurück und sah mich um. Niemand war hier. Das Grabmal war auch sicher versteckt in den Bergen. Neutrales Land wurde selten von jemandem betreten, der nicht dort lebte. Wegen dem Siegel gab es nur einen Weg. Ich musste selbst eins aufsetzten und hoffen, dass Chun Ji nicht bemerkte, wie schwach es eigentlich war. Letztlich hatte sie die Kräfte des Lichts. Damit war sie fast nicht zu schlagen. Überall wo es Licht gab, konnte sie sich mehr Kraft holen. Meine Hand berührte gerade den Stein, als ich eine Erschütterung spürte. Nein. Das war nicht möglich. Ich sprang nach hinten und hob schützend meine Waffe. Sofort explodierte die Steinplatte und kam mir in vielen Einzelteilen entgegen. Mit einem Sprung wich ich aus und sah dann auf den Eingang. Dort stand sie. Die gefährlichste Magierin. Chun Ji, Schamanin des Lichts. Sie bewegte ihre Schultern und atmete tief durch.
„Endlich bin ich wieder frei“, sagte sie und lachte.
Ihre Haare waren weiß geworden und hingen fettig an ihr herunter. Kein Wunder. Hunderte Jahre war sie eingesperrt in diesem Grabmal, ohne Licht oder andere Quellen für Kräfte. Damit konnte sie ihre Frisur nicht retten. Aber etwas Anderes war bestimmt bei ihr geblieben. Und das war ihre Boshaftigkeit. Nicht gut.
„Ah, Issyl“, sagte sie und sah mich an.
Eigentlich hatte ich gehofft, dass sie mich nicht bemerken würde. Leider umsonst.
„Chun Ji. Wie nett dich zu sehen“, sagte ich und sie lachte
„Es tut gut überhaupt jemanden zu sehen, der nicht meine Schwester ist. Sie habe ich die letzten Jahre viel zu lange gesehen. Jetzt bin ich ja wieder frei. Wie geht es eigentlich Shian Hi?“
„Er ist tot“, sagte ich und sie nickte.
„Wie schön. Das erklärt, warum du dieses Siegel neu aufsetzten wolltest. Leider zu spät, Issyl. Und deine Kraft würde auch nicht reichen. Es scheint mir, als hättest du einiges verloren. War Mei-Train fleißig?“
„Viel zu sehr, für meinen Geschmack. Aber das war ja zu erwarten. Er ist fleißiger als manche Biene.“
„Ohne ihn, wären wir jetzt nicht hier, wo wir sind. Ich hätte diese Kräfte nicht, wenn er nicht jemanden gebraucht hätte, um Shian Hi los zu werden. Wie ich gehört habe, war ich ja auch erfolgreich.“
„Zu meinem Bedauern ja. Würde er noch Leben, wärst du nicht frei.“
„Wie wahr. Also, Issyl. Wie soll ich weiter vorgehen? Zuerst dich aus dem Verkehr ziehen?“
„Das würdest du nicht schaffen. Ich bin, auch mit schwachen Kräften, noch zu stark für dich.“
„Richtig. Also werde ich meine Schwestern holen und dich dann aus dem Weg räumen.“
Bevor ihre Schwestern hier sein würden, wäre ich schon lange weg. Sie drehte sich um und ging in das Grabmal zurück. Jetzt war mein Moment. Ich verschwand und erschien neben Krisuracha. Die Dämonengötter waren verschwunden und ihre Armee kümmerte sich um die Verletzten.
„Schatz“, sagte ich und sie sah mich an.
„Issyl. Dir geht es gut. Welch ein Glück. Ist das Grab noch verschlossen?“
„Leider nein. Chun Ji ist frei“, sagte ich und sie schüttelte ihren Kopf.
„Wie unerfreulich. Shian Hi hat die falsche Magie zu sich geholt. Da hätte er vorsichtiger sein müssen.“
„Sie denkt immerhin, dass er tot ist.“
„Ein eventueller Vorteil, auf den wir aufbauen können.“
„Was ist hier passiert?“, fragte ich und sie winkte ab.
„Frag besser nicht. Die Dämonengötter haben sich ziemlich gewehrt.“
„Wie viele Soldaten mussten ihr Leben lassen?“
„Keiner. Zum Glück. Ich bin vorzeitig dazwischen Gegangen. Doch dann haben sie das Weite gesucht. Zymerana hätte mir nicht wiederstehen können. Von allen Göttern ist er der schwächste.“
„Aber auch gleichzeitig der Gefährlichste. Er weiß es, Menschen zu manipulieren. Und jetzt sind noch weitere Bedrohungen dazu gekommen. Ich weiß nicht, wie lange Chun Ji brauchen wird, bis sie anfängt die Welt zu überrennen. Wenn Kai nicht schnell eine Lösung findet, werden sie keine Welt mehr zum Verteidigen haben, außer der Menschenwelt.“
„Genau das bereitet mir auch Sorgen. Wie stark ist Chun Ji jetzt? Sie hatte genug Zeit, ihre Kräfte zu sammeln und zu trainieren.“
„Nicht viel weiter als damals. Das macht sie aber nicht zu einer minderen Bedrohung. Sie ist immer noch stark. Auch wenn Kai weitaus stärker ist. Aber sie wird nichts unversucht lassen, noch mehr Kraft zu bekommen. Er muss auf der Hut sein, vor ihr. Sonst wird sie ihn endgültig besiegen. Und ich weiß nicht, ob er einen weiteren Tod vorgetäuscht bekommt.“
„Dann hoffen wir, dass Mei-Trian noch ein wenig Zeit hat, bevor Chun Ji ihn aufsucht. Sie könnte ein wenig Sauer darüber sein, dass er sie verbannt hat. Denkst du, sie könnte ihm seine Kräfte stehlen?“
„Wenn er nicht aufpasst, ja. Aber wenn sie ihn nur tötet, kommen die Kräfte zu mir zurück. Dann ist sie genauso weit wie vorher, mit der Ausnahme, dass ich mehr Kraft habe. Aber ob uns das weiterhilft? Warten wir es ab.“
Sie nickte und half einem Soldaten beim Aufstehen. Tiana trat zu uns.
„Was gedenkt ihr zu unternehmen?“, fragte sie und wir sahen sie an.
„In welchem Punkt?“, fragte Krisuracha und sie schüttelte ihren Kopf.
„Mit Kai und seinen Geschwistern. Sie sind in der Menschenwelt und versuchen herauszufinden, wer sie einmal waren. Das können sie nicht alleine. Wie wollt ihr ihnen helfen?“
Ein berechtigter Einwand. Aber einen Haken gab es leider. Würden Krisuracha oder ich, zu ihnen gehen, könnten die Götter uns leicht finden. Das sagte ich Tiana auch so.
„Denkst du nicht, Issyl, dass es sicherer wäre, wenn ihr geht? Vielleicht wissen sie dann, wo sie sind. Aber Shian Hi muss wissen, wie er an seine Kräfte herankommt. Hat er nichts hinterlassen?“, fragte sie.
„Mir ist nichts bekannt. Nur seine Krone. Aber die hat er.“
„Das stimmt so nicht“, sagte Jung Chain und erschien vor uns.
Er hatte auch einige Kratzer abbekommen.
„Was weißt du?“, fragte Krisuracha und er sah sie an.
„Shian Hi, oder besser gesagt Kai, hat ein Tagebuch hinterlassen. Und dieses Buch hatte er schon in den Fingern.“
„Das erste Buch über Magie“, sagte ich und er nickte.
„In diesem Buch stand viel mehr drinnen, als Kai sich das damals ausmalen konnte. Der Schlüssel zu seiner Kraft.“
Schlüssel zu seiner Kraft? Wie konnte er so viel Magie einfach verstecken, ohne dass es einer mitbekommen hatte?
„Li“, rief ich und erschien vor uns.
„Ihr habt gerufen, Meister?“
Er verneigte sich.
„Was war Kais erste Waffe?“
Erstaunt sah er mich an.
„Ist das von Bedeutung? Es war der Windzauberstab.“
„War Magie in ihm?“
„Ja. Boreos hatte erwähnt, dass dort mehr Magie eingeschlossen ist, als Kai je haben könnte. Meint ihr?“
„Das ist seine Kraft. Shian His Kraft. Er muss sie nur befreien. Wo ist der Stab?“
„Im Windreich. Unerreichbar für uns.“
Verflixt. Zymerana saß also auf der Kraft, die wir brauchten, ihn zu schlagen. Gar nicht mal so dumm, auch wenn es wohl eher Zufall war.
„Da müssen wir irgendwie heran“, sagte Tiana und ich sah sie an.
Danke, das war mir auch klar. Aber wie? Zymerana fiel nicht auf meine Lügen herein. Außerdem wusste er bestimmt schon davon. Mit Gewalt war es auch nicht möglich. Wie sollten wir den Lotus schlagen. Konnte vielleicht Zymeranas gute Seite helfen?
„Zymerana“, sagte ich und er wuchs neben mir aus dem Boden.
„Meister Issyl.“
„Könntest du etwas aus den Klauen deiner bösen Hälfte befreien?“, fragte ich und er überlegte kurz.
„Kommt drauf an, wie wichtig es ist.“
„Es geht um Shian His Kraft.“
„Oh. Das wird unmöglich, wenn er davon weiß.“
„Er hat den Zauberstab des Windes. Dort liegt ein Teil von Shian His Kräften drinnen. Die brauchen wir. Und auch sein Buch, welches er damals geschrieben hat.“
„Das Buch ist kein Problem“, sagte er und es erschien in seiner Hand.
„Ich habe mehrere Abschriften davon. Nachdem Shian Hi fort war, haben ich es begonnen abzuschreiben, mehrmals. Aber der Zauberstab. Das wird mich umbringen, wenn ich es überhaupt schaffe. Seid ihr euch sicher?“, fragt er und ich nickte.
„Sehr sicher. Dort muss sehr viel Magie drinnen liegen, sagt Li.“
„Wenn Li das sagt.“
Zymerana schloss seine Augen und weißes Licht flutete zu Boden. Er rührte sich nicht, bis plötzlich der Stab aus der Erde kam. Erschöpft reichte er ihn mir.
„Das war einfacher, als ich gedacht hatte. Ja, das ist eindeutig Shian His Kraft. Wie er es auch immer geschafft hat, so viel Magie zu verstecken ohne, dass jemand es merkt. Bemerkenswert.“
„Hast du noch Kraft?“, fragte ich und er nickte.
„Der Lotus hielt es nicht für nötig, sich um diesen Schrott zu kümmern. Das hat er selbst gesagt. Wenn ich etwas Wichtiges hätte haben wollen, würde er dafür mein Leben verlangen.“
„Dann bring ihn zu Shian Hi. Aber schnell. Weißt du, wie du ihn finden kannst?“, fragte ich und er nickte.
„Er ist gerade in der Werwolfs Höhle“, sagte Zymerana und ich wurde blass.
Was hatte er in dieser Welt zu suchen?
Das Metall zu umgehen, war eigentlich gar nicht so schwer. Eigentlich war auch das Problem eher danach vor mir. Die Trolle und Spinnen. Sie würden wohl direkt angreifen, wenn sie einen Werwolf sahen. Wenn ich dafür die Antworten bekam, die ich wollte, dann war es in Ordnung. Ich teleportierte mich gerade durch die Eisenschicht und erschien in einer großen Höhle. Niemand nahm von mir Notiz. Keine Spinnen, keine Trolle. Was für hässliche Wesen. Trolle hatten zwei Gesichter, an einem Kopf. Der Körper war sehr unförmig. Der Bauch rund, die Beine kurz und die Arme bis zum Boden. Sie trugen Steine bei sich. Vermutlich zum Werfen. Die Spinnen waren größer, als ich. Viel Größer. Sogar meine Wolfsgestalt wirkte klein. An ihren Armen hatten sie große Klauen, die vermutlich sogar mit Gift ausgestattet waren. Die Köpfe waren Menschlich und mit mehreren Augen besetzt. Sogar der Oberkörper war eher der eines Mannes. Ihre Hinterteile waren dick und mir war es sogar ein Rätsel, wie sie so laufen konnten. Sie liefen hin und her. Ob ein System dahinter steckte, wusste ich nicht. Ich hielt eine Spinne an und fragte sie etwas.
„Entschuldigen sie bitte. Wo finde ich das Archiv?“, fragte ich höflich und das Wesen blieb stehen.
Ob es ein Mann oder eine Frau war, konnte ich nicht sagen. Es musterte mich und sah mir dann tief in die Augen.
„Werwolf“, kreischte sie mit hoher Stimme und sofort kamen mehrere Spinnen und Trolle gelaufen.
„Immerhin hat man Notiz von mir genommen. Könntet ihr jetzt meine Frage beantworten? Dann seid ihr mich sofort wieder los“, sagte ich und sie lachten.
„Missgeburten. Ihr habt kein Recht darauf zu leben. Warum sollten wir euch irgendetwas sagen?“, fragte eine Spinne und sie hoben ihre Klauen.
„Ah, das kann ich euch leicht beantworten“, sagte ich und wollte gerade eine Windkugel erschaffen, als Zymerana neben mir aus der Erde wuchs.
Aber der gute Teil. Wie hatte er mich gefunden? Die Wesen wichen zurück.
„Meister“, sagte er und verneigte sich vor mir.
„Lass diese Förmlichkeit, Zymerana. Was gibt es?“
„Dein Vater schickt mich. Dieses Buch und dieser Stab sollen dir helfen, wieder deine alten Kräfte zu finden. Wie genau weiß ich nicht. Das wirst du selbst herausfinden müssen, Shian Hi.“
„Shian Hi?“, fragte ein Troll und sofort wichen sie noch weiter zurück.
„Wer sind denn deine neuen Freunde hier?“, fragte Zymerana und sah sich um.
„Sie haben meine Höhlen besetzt und denken, sie könnten alle Werwölfe töten. Aber wenn sie das bei mir versuchen sollten, ich denke du kennst das Ergebnis. Eigentlich wollte ich in das Archiv gehen und eine Chronik über mein Volk holen. Mir will nur keiner weiterhelfen“, sagte ich und Zymerana lachte.
„Du hast was du brauchst. Verschwinde, sofort. Die Götter könnten dich hier finden.“
„Verstehe. Danke, Zymerana. Grüße meinen Vater“, sagte ich und teleportierte mich zurück.
In meinem Wintergarten erschien ich wieder und sah meine Untertanen an. Sie hatten gewartet.
„Ihr seid unverletzt. Wie schön“, sagte die Frau und ich nickte.
„Sie haben sich nicht getraut, mich anzugreifen, nachdem Zymerana aufgetaucht ist. Ich konnte zwar nicht das holen, was ich wollte, aber er hat mir etwas von meinem Vater gegeben.“
Ich legte den Stab und das Buch auf den Tisch.
„Das Zepter der Werwölfe“, sagte sie und ich sah sie an.
„Ich dachte es ist der Windzauberstab.“
„Als solchen habt ihr ihn verwendet. Aber das ist eigentlich das Symbol für eure Macht gewesen. Dieser Smaragd ist in unseren Mienen abgebaut worden.“
Gut zu wissen. Ich sah ihn mir genauer an, konnte aber nichts sehen, was mir weiterhelfen konnte, die Kräfte zu befreien.
„Wenn ihr erlaubt, lassen wir euch alleine, damit ihr in Ruhe die Geheimnisse erforschen könnt“, sagte sie und ich nickte.
Sie verließen den Wintergarten und rannten davon. Langsam schloss ich die Türe und begann zu überlegen, wie ich die Geheimnisse aus dem Stab herausbekam. Vielleicht lieferte das Buch ja Antworten. Ich nahm es und begann zu lesen. Jan und Andre hielten sich irgendwie erstaunlich ruhig. Sollte mir Recht sein. So hatte ich mehr Zeit. Fabian war oben bei Jan. Ich konnte sie alle drei noch spüren. Also waren die Dämonen nicht hier gewesen und hatten sie geholt. Also gut. In dem Buch standen Zauber und ein paar Dinge, die man über Magie wissen musste. Ziemlich langweilig. Ich las dennoch alles sehr genau, um etwas herauszufinden. Vergeblich. Einmal, zweimal, dreimal. Egal wie oft ich das Buch las. Ich fand nichts. Wütend warf ich das Buch zu Boden. Es blieb falsch herumliegen. Blödes Ding. Wie sollte es mir helfen? Es waren auch keine Zauber darin verankert, die etwas versteckten. Nichts. Ich nahm den Stab und untersuchte ihn weiter. Doch auch er lieferte mir keine Hinweise. Was hatte Issyl sich davon erhofft? Was ich damals gemacht hatte, war wohl so gut versteckt, dass nicht einmal ich es fand. Man war ich gut. Plötzlich fiel mein Blick zurück auf das Buch. Ich las den letzten Satz rückwärts. Moment. Göttliche Sprache? Ich nahm das Buch auf und las es rückwärts. Unglaublich. Rückwärts machte, dass alles plötzlich Sinn. Was stand da genau?
„An mich selbst. Wie auch immer du heißt. Ich weiß nicht, ob du den Namen Kai behalten hast. Dieses Buch ist der Schlüssel zu deiner Kraft. Auch wenn es nicht so wirkt. Liest du zwischen den Zeilen, findest du immer wieder Fragmente, die das Rätsel um den Stab entschlüsseln und dir genau sagen, was du wissen musst. Also, gehe sorgfältig damit um. Suche die Zeilen und entschlüssle das Rätsel, damit du wieder Zugriff auf all deine Kraft hast.“
Also waren in diesem Buch immer wieder solche Stellen versteckt? Gut, dann wollte ich mal danach suchen. Auf dieser Seite nicht mehr und auch auf den nächsten zehn nicht. Doch da war wieder eins.
„Entnimm den Stein“, stand dort.
Ich berührte den Smaragd und drehte leicht. Er ließ sich ziemlich leicht aus der Halterung lösen und lag dann in meiner Hand. Also wo war die nächste Anweisung? Drei Seiten weiter.
„Benutzte den Wind um den Stein schweben zu lassen.“
Was auch immer das bringen sollte. Ich tat es und suchte dann nach dem nächsten Tipp. Da war er.
„Lasse ihn fallen ohne, dass er zerbricht. Die Magie wird sofort freigesetzt.“
Ich brach meinen Zauber ab und der Stein fiel wieder auf den Tisch. Tatsächlich. Ein Tornado entstand über dem Stein und verschwand in meiner Hand. Als es vorbei war, spürte ich mich mächtiger, als je zuvor. Wahnsinn. Was eine Kraft. Aber das war nicht einmal normale Magie, also Mana. Es war göttliche Kraft. Wie konnte ich so viel göttliche Magie speichern und eher einmal entbehren? Das reichte für mehrere Wellen der Leere. Damit konnte ich diesen Zauber öfters ausführen. Was gut war, aber nicht wirklich wünschenswert. Sie richtete viel zu viel verheerenden Schaden an und brachte nichts als Zerstörung. Im Umkreis von mehreren Kilometern war alles Leben restlos ausgelöscht worden, beim letzten Mal. Immer noch unglaublich, wie viel es war. Das ein einziger Mensch, so viel Magie besitzen konnte, war mir unbegreiflich. Ich nahm das Buch und suchte nach weiteren Passagen. Ich fand sogar welche.
„Dies ist die Kraft, die ich damals hatte. Ich weiß, dass ich damit gut umgehen werde. Mach dir eins klar. Diese Kraft ist größer, als alles was die Götter kennen. Damit hast du die Kraft, jeden zu zerschmettern. Weiter musst du wissen, dass dieser Stab noch ein Geheimnis birgt. Einen lila Kristall. Nimmst du ihn heraus und setzt ihn auf deine Stirn, wird er mit dir verschmelzen und deine Kräfte weiter steigern. Bevor du den Smaragd wiedereinsetzt, nimm ihn heraus. Deine Krone, ist auch nicht nur ein Symbol für deine Göttlichkeit. Es steckt auch mehr dahinter. Streichst du über sie werden die Diamanten Magie frei geben, die dich ebenfalls unterstützen kann. Zwar nur kurzzeitig, aber für einen Vernichtungsschlag sollte das reichen. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Was damals war wird dich eh wieder einholen, also wäre es unsinnig, darüber nochmal zu schreiben. Sieh zu, das du am Leben bleibst“, war der letzte Satz in diesem Buch.
Langsam klappte ich es zu. Unglaublich. Die Antworten waren alle da gewesen. Vor meiner Nase. Und ich hatte sie nicht gesehen. Wie peinlich. Ich nahm den Stab in die Hand. Tatsächlich leuchtete in der Fassung noch etwas. Das war wohl der Diamant, von dem ich gesprochen hatte. Vorsichtig nahm ich ihn in die Pfote und begutachtete ihn. Er war nicht groß. Seine lila Farbe, war unheimlich faszinierend. Langsam führte ich ihn auf meine Stirn zu. Sofort spürte ich, wie er versuchte in meine Richtung zu ziehen. Ich ließ ihn los und er setzte sich genau in meine Stirn ein. Ich spürte gar nichts davon. Nur eins spürte ich. Meine Gestalt veränderte sich wieder. Ich sah wieder so aus, wie vor meine Meditation. Ein Mensch, mit Tigerohren, Augen, Schweif und Pfoten. Auch die Zähne waren mir erhalten geblieben. Meine Streifen ebenso. Wahnsinn. Dieser Kristall hatte mich wieder zu dem gemacht, was ich wirklich war. Ein Mensch. Endlich hatte ich wieder einen Daumen und konnte Dinge anfassen. Kevin würde sich bestimmt darüber freuen. Und wenn man es genau nahm, freute ich mich schon ziemlich. Nicht mehr überall Fell und wieder eine richtige Gesichtsform. Außerdem hatte Kevin jetzt nicht immer meine Haare überall, wenn wir zusammen waren. Ich ließ einen Handspiegel erscheinen und sah hinein. Ja, das war ich. Mit all meinen Ecken und Kanten. Schön war zwar anders, aber immerhin wieder menschlich. Ich führte meine Hand nach hinten und nahm meine Fächer. Nun brauchte ich nicht immer Magie, wenn ich angreifen wollte. Schön. Ich erhob mich und ging in den Keller. Andre saß immer noch in dem Raum und versuchte die Gedanken anderer zu lesen. Als ich die Türe öffnete versuchte er sofort in meinen Geist einzudringen, scheiterte aber kläglich an meiner Mauer.
„Netter versuch, Andre. Aber das war nichts“, sagte ich und er öffnete seine Augen.
Bevor er etwas sagte, musterte er mich genau.
„Kannst du dich nicht für eine Form entscheiden?“, fragte er und ich lächelte.
„Nun, das ist jetzt mehr ein Zufall gewesen. Dieser Kristall hat mich wieder zu dem gemacht, was ich eigentlich sein sollte. Ein Mensch. Zumindest mehr oder weniger. Hast du es geschafft?“
Er schüttelte seinen Kopf. Das hatte ich erwartet. Hier unten raus zu kommen, war sehr schwer. Dicke Wände, mit Stahl verstärkt. Das einzige, was schwerer zu durchdringen war, war Glas.
„Habe ich auch nicht erwartet. Wenn du durch das Metall hindurch gekommen wärst, dann hättest du schon einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Nun denn. Du darfst gerne mit nach oben kommen und dort versuchen weiter zu machen“, sagte ich und wir gingen nach oben.
Im Esszimmer nahm er wieder Platz und konzentrierte sich. Diesmal kam er erheblich weiter. In die Gedanken der Nachbarn, Insekten und noch mehr. Soweit hatte ich nicht einmal erwartet, dass er kam. Die Reichweite seines Geistes war weiter, als ich erwartet hatte. Beeindruckend. Ich ließ ihn seinen Spaß haben. Jan und Fabian trainierten jetzt gemeinsam. Fabian war, wie ich erwartet hatte, schnell. Er pirschte sich an und beendete das Duell mit einem gezielten Schlag. Nicht schlecht. Jan war auch schon sicherer geworden. Aber das war nicht einmal ansatzweise genug, um es mit mir aufzunehmen. Oder mit einem der Göttern. Das würden die beiden bestimmt auch nicht können, da die Götter auch noch über sehr starke Magie verfügten. Andre spielte noch herum. Also beschloss ich nach oben zu gehen und mit den zweien zu trainieren. Die Treppe konnte ich immer noch leise hinaufgehen, denn meine Pfoten waren mir auch geblieben. Ich hörte Jan gerade zuschlagen und den Schatten verpuffen. Vorsichtig sah ich in den Raum hinein. Jetzt stand Fabian wieder im Ring. Der Schatten sah ihn an und schnellte dann nach vorne. Dass sie beide mit dem gleichen Schatten trainieren brachte ihnen nichts. Irgendwann würde er Jan und Fabian so gut kopiert haben, dass keiner der beiden mehr eine Chance haben würde. Das würde sie nicht stärker machen. Also gut. Ich betrat den Raum und sah gerade noch, wie Fabian den Schatten niederstreckte.
„Nicht schlecht ihr beiden“, sagte ich und sie sahen mich an.
„Noch sind die Schatten nicht sehr stark“, sagte Jan.
„Wenn ihr beide gegen ihn kämpft, wird er euch bald so gut kopiert haben, dass ihr gegen den anderen kämpfen müsst. Das ist nicht grundlegend schlecht, aber zeigt euch nicht das, was ich eigentlich wollte. Jan, das war dafür gedacht, dass du siehst, welche Lücken in deinem Kampfstil entstehen, wenn du unachtsam wirst oder einen starken Gegner vor dir hast. Selbst ich mache dann Fehler und die können tödlich enden. Für dich zumindest. Ich habe immer noch Magie in der Hinterhand.“
„Könnt ihr dann vielleicht auch einen Schatten für mich erschaffen?“, fragte Fabian und ich nickte.
Ich hob meine Hand und zwei Schatten erschienen. Einer trug ein Schwert und der andere einen Dolch.
„Jetzt werden die zwei sich abwechseln. Aber vorher zeigt ihr mir, was ihr könnt“, sagte ich und zog meine Fächer.
Erstaunt sahen die Zwei mich an.
„Wir sollen gegen dich kämpfen? Gleichzeitig?“, fragte Jan.
„Vielleicht habt ihr dann eine Chance“, sagte ich und lachte.
Sofort stürmte Jan auf mich zu und griff an. Viel zu voreilig. Das Schwert schlug gegen meinen Fächer und wurde aus Jans Hand katapultiert. In der Wand blieb es stecken. Sofort sprang er nach hinten und Fabian übernahm. Er griff mich an, schlug aber nicht zu. Natürlich nicht. Er war zu weit weg. Mit einem Schritt zur Seite ließ ich ihn ins Leere laufen. Er fing sich und versuchte mich in den Rücken zu treffen. Doch ich duckte mich so schnell, das er beinahe Jan traf, der hinter mich versuchte das Schwert zu befreien. Ein gezielter Tritt und Fabian schlug auf dem Boden auf. Jan hatte sein Schwert befreit und übernahm den Kampf wieder. Diesmal ging er vorsichtiger vor. Er täuschte viele Angriffe nur an, bevor er das erste Mal zuschlug. Doch dieser Schlag war viel zu offensichtlich. Das merkte er wohl auch, brach den Angriff mit einer Drehung ab und versuchte es erneut. Eine Schlagkombination. Unten, oben, Mitte, vertikal. Das wiederholte er weiter und weiter. Fabian hatte sich auch wieder gefangen und positionierte sich genau hinter mir. Ah, verstehe. Jan wollte mich zu ihm drängen, damit er leichtes Spiel hatte. Nicht mit mir. Ich stieß Jan zurück, sprang nach hinten und landete vor Fabian. Jan stürmte auf mich zu und schlug nach mir. Fabian ebenfalls. Ich sprang ab, landete auf Jans Klinge und blockierte so seinen Schlag zeitgleich brach Fabian seinen Angriff ab und rannte genau in Jan hinein. Beide fielen zu Boden.
„Netter Versuch. Eine gute Strategie. Nur an der Ausführung sollten wir noch etwas feilen“, sagte ich und sie sahen mich an.
„Wie sollte man dich denn treffen? Du rennst ja fast nur weg“, beschwerte sich Jan und ich musste lachen.
„Zwischen ausweichen und weglaufen gibt es einen Unterschied. Das war kein Weglaufen“, sagte ich und wollte gerade weitersprechen, als ich Andre schreien hörte.
Sofort sah ich zur Treppe und rannte los. Im Wohnzimmer angekommen fand ich Andre am Boden. Er war nicht verletzt. Zumindest nicht körperlich. Irgendwer hatte sich an seinem Geist zu schaffen gemacht und sein Bewusstsein blockiert. Und dieser Jemand war auch noch anwesend.
„Nett, dass ich dich auch mal wieder zu Gesicht bekomme, Shian Hi“, sagte Zymerana und erhob sich von einem Stuhl im Wintergarten.
„Zymerana. Wie hast du mich gefunden? Ich hatte mich doch komplett abgeschirmt.“
„Ah, das wird dich freuen. Ich habe dich verfolgt, als du in der Höhle warst. Meine gute Seite hat mich direkt zu dir geführt. Also habe ich mir angesehen, wohin du dich teleportierst und bin in diesem Umkreis gelandet. Boreos hat mir dann den Rest verraten. So konnte ich dich recht leicht finden. Also, Shian Hi. Wollen wir es gleich beenden, oder wirst du wieder davonlaufen?“
„Warum sollte ich vor meiner eigenen Kreation laufen? Ich kenne deine Schwächen und deine Stärken. Jede Attacke. Denn ich habe sie dir gegeben“, sagte ich und er lachte.
„Du kennst mich nicht, Shian Hi. Nicht mehr. Den Schwächling, den du damals erschaffen hast, den gibt es nicht mehr. Vor dir steht ein Gott. Keine Blume.“
„Dann wollen wir aber dafür sorgen, dass du es wieder wirst. Deine Tage sind gezählt, Zymerana“, sagte ich und ging in Kampfstellung.
„Wie wahr, wie wahr. Meine Zeit ist schon lange vorbei. Aber ich bin nicht dein Gegner. Darf ich vorstellen? Die Dämonen Hass, Neid und Furcht“, sagte er und drei Wesen erschienen vor ihm.
Sie sahen beinahe aus wie Menschen. Hass hatte rote Haut und Hörner auf seinem Kopf. Neid war leicht grünlich und sah sonst nicht ungewöhnlich aus. Furcht war ebenfalls ein Mensch, aber vermutlich ein Gestaltwandler.
„Spielt mit ihm, Leute“, sagte Zymerana und löste sich auf.
Verflucht. Die Kraft dieser Dämonen war groß. Größer, als ich mir das erträumen mochte. Würden sie gemeinsam kämpfen? Ich starrte sie nur an. Furcht starrte zurück, während Neid und Hass miteinander stritten.
„Ich sehe, dass du kaum Furcht hast“, sagte er und lächelte mich an.
„Furcht ist irrational. Wovor sollte ich mich fürchten?“
„Es ist wahr, du fürchtest keine Wesen. Aber dafür etwas Anderes“, sagte er und schoss eine Energiekugel nach mir.
Nur mit Mühe konnte ich sie aufhalten. Ich hatte nicht einmal mehr die Kraft, sie zurückzuwerfen. Was war mit mir los?
„Das ist deine Furcht, Junge. Du hast Angst, Machtlos zu sein“, sagte er und lachte laut.
Jung Chain noch eins. Er hatte meine Schwachstelle gefunden. Was nun? Hass und Neid waren zum Glück immer noch beschäftigt. Doch wie sollte ich Furcht loswerden? Er konnte meine Kräfte blockieren. Denk nach, Kai. Denk nach. Ich analysierte ihre Körper. Sah aber keine Schwachstelle. Auch in seinen Kräften sah ich keine. Er webte ein Netzt aus Magie, das um mich herumlag und meine größte Angst wahr werden ließ. Das Netzt konnte ich nicht durchbrechen, da es mir die Kraft entzog. Alleine hatte ich keine Chance. Andre war aus dem Verkehr gezogen. Kevin nicht hier. Jan und Fabian hatten keine Chance. Emilie, Leila und Chris. Sie konnten mir vielleicht helfen. Sofort sendete ich einen Hilferuf los, an die drei. Sie waren nicht sehr weit von mir entfernt. Sie würden bald hier auftauchen.
„Kommt schon, Neid und Hass. Ich habe ihn. Machen wir ihn fertig“, sagte Furcht und die Zwei sahen ihn an.
„Ist gut“, sagte Hass mit einer tiefen Stimme und rannte, mit den Hörnern zuerst, auf mich zu.
Doch ich konnte ihm ausweichen. Das Netz blockierte meine Magie, aber nicht meine Bewegungen. Hass ging mit dem Kopf durch die Wand. Ihm auszuweichen war nicht wirklich schwer. Das war leicht. Ich sah wieder zu Furcht und Neid. Neben Neid stand Kevin. Was? Wie war das möglich? Hatte Emilie ihn geschickt?
„Du bist nicht so attraktiv, wie er“, sagte Kevin und küsste Neid.
In mir tat sich ein tiefes schwarzes Loch auf, das meine Gedanken verschluckte. Bevor ich mich fangen konnte, wurde ich aber in den Rücken getroffen und flog durch die Scheiben des Wintergartens. In einem Meer aus Scherben schlug ich auf den Boden. Gut, wenn Kevin lieber mit ihm zusammen sein wollte, dann war das so. Ich wurde wütend. Ziemlich wütend. Sofort begann mein Mana wieder aus mir heraus zu treten. Plötzlich begann Hass zu wachsen. Seine Muskeln wurden größer und größer. Meine Wut gab ihm mehr Kraft? Oh bitte. Wie sollte ich sie dann schlagen? Leila, Chris, Emilie. Wo bleibt ihr nur? Hass lachte laut und rannte dann auf mich zu. Ich machte mich zwar bereit ihn abzublocken, doch das würde mir nicht möglich sein. Der Schlag eben hatte meinen Rücken hart erwischt und wirklich bewegen konnte ich mich nicht.
„Ich habe dich“, rief Hass und kam immer näher.
Mir wollte nichts einfallen, wie ich ihn abblocken konnte. Ich schloss meine Augen und erwartete seinen Schlag.
„Oh nein. Das wirst du nicht tun“, hörte ich Chris rufen und Hass schrie auf.
Ich öffnete meine Augen und sah Chris vor mir stehen. Seine Schwerter hatten den Boden splittern lassen und Hass gegen eine Mauer gesendet.
„Alles klar?“, fragte er und sah mich an.
Ich nickte nur unsicher und er sah wieder zu den Dämonen.
„Es war ein schwerer Fehler, ihn anzugreifen. Jetzt habt ihr es mit mir zu tun“, sagte er und Furcht lachte.
„Deine Angst ist lächerlich. Du hast Angst davor, einen Kampf nicht mehr bestreiten zu können. Wie wäre es, wenn ich dir ein Bein nehme?“, fragte er und sofort war eines von Chris Beinen verschwunden.
Einfach so. Wie machte dieser Dämon das. Chris schrie auf und fiel zu Boden. Hass hatte sich gefangen und griff erneut an. Chris sah hilflos nach oben und sah mich dann an.
„Das hatte ich anders geplant“, sagte er und ich nickte.
„Ich auch“, sagte ich und im nächsten Moment ging Neid zu Boden.
Das Juwel klirrte und alle sahen in seine Richtung. Was war das?
„Was ist passiert?“, fragte Hass und Furcht zuckte mit den Schultern.
„Woher soll ich das wissen? Ich habe nichts gesehen.“
Sehen. Richtig, das war seine Stärke. Ein Netz aus Magie konnte man zwar weben, doch um es über einen Gegner zu bekommen, musste man Blickkontakt haben. Deswegen hatte er mich angestarrt.
„Mach die Augen zu, Chris“, sagte ich.
Er sah mich erstaunt an.
„Bist du Irre? Dann kann ich gar nicht mehr kämpfen.“
„Vertrau mir.“
Chris überlegte kurz und machte dann seine Augen zu. Ich ebenfalls. Sofort spürte ich, wie meine Kraft wieder stärker wurde. Ich erschuf ein Bild der Umgebung aus Magie und griff nach Chris Hand. Sofort konnte er es auch sehen. Ich zog ihn auf die Beine.
„Mein Bein ist wieder da“, sagte er und ich nickte.
„Die Kraft von Furcht ist der Blick. Ein Netz aus Magie kann man nur anbringen, wenn man Blickkontakt hat. Sobald man den Gegner nicht mehr in die Augen sehen kann, fällt es ab und verliert komplett seine Wirkung.“
„Und wie ist der andere Dämon gestorben?“, fragte ich und ich sah mich um.
Furcht wollte gerade nach dem Juwel greifen, als meine Fächer nach vorne schnellten und ihn davon abhielten.
„Zurück, Furcht. Du hast keine Kraft mehr über mich“, sagte ich und er lachte.
„Aber Hass kannst du so nicht besiegen“, sagte er und ich sah Hass auf uns zukommen.
„Chris. Zwölf Uhr“, sagte ich und er schlug zu.
Das Schwert traf den Dämon und sendete ihn zu Boden. Im gleichen Moment zerstörte jemand das Juwel von Neid. Erstaunt sah Furcht zu Boden.
„Was geht hier vor?“, fragte er und sah sich um.
„Tu etwas, du Idiot. Ich kann sie so nicht bekämpfen“, sagte Hass und Frucht sah sich um.
Er suchte nach etwas, das ihm weiterhelfen konnte. Doch hier war nichts.
„Ich muss sagen, dass amüsiert mich doch sehr“, sagte Leila.
Ich hatte mir doch gedacht, dass sie hier irgendwo war. Sie hatte wirklich das Schleichen perfektioniert. Ich hatte sie nicht aufspüren können.
„Wer bist du?“, fragte Furcht und sah sich um.
Leilas Stimme konnte von überall herkommen.
„Niemand. Nur dein Untergang“, sagte sie und der Dämon lachte.
„Die Furcht wird niemals vergehen.“
„Vielleicht doch.“
Ich bastelte mir gerade einen Zauber zusammen. Oder fiel mir einer ein, der mir helfen konnte? Kein Zauber, aber etwas Anderes.
„Chris, wenn ich es sage, mach die Augen auf“, sagte ich und er nickte.
„Arugesta dehasta sehukarest“, sagte ich und meine Augen begannen zu kribbeln.
Ich öffnete sie wieder und sah die Welt durch völlig neue Augen. Sie nannten sich Schutzaugen und waren eigentlich nichts Anderes als Drachenaugen. Drachen konnten Magie sehen und nur durch einen Blick unschädlich machen. Zudem waren sie immun gegen jegliche Zauber. Das taten zwar ihre Schuppen, aber ihre Augen halfen uns weiter. Furcht sah uns an und lachte.
„Jetzt habe ich euch“, sagte er und versuchte erneut ein Netz an uns anzubringen.
Doch diesmal nicht. Ein Drache hatte besonders Geschützte Augen. Mit drei Augenliedern, durch die man hindurchsehen konnte.
„Ernsthaft? Drachenaugen? Glaubt ihr wirklich, das rettet euch?“, fragte er ich nickte.
„Deine Tricks ziehen jetzt nicht mehr. Bereite dich auf dein Ende vor. Chris, beschäftige ihn, bis ich einen Zauber habe“, sagte ich und er nickte.
Sofort rannte er los und griff Furcht an. Er wich den Klingen wirklich gut aus. Das war bemerkenswert. Hass wollte gerade wieder aufstehen, als Leila ihm dazwischenfunkte. Sie schlug ihn wieder zu Boden. So schnell, dass ich das nicht einmal wahrnehmen konnte. Ein Zauber schnell. Ich brauchte irgendwas, war mir helfen konnte. Ein Angriff. Mir flackerte plötzlich ein Zauber vor den Augen auf. Der war gut. Wie gemacht, für diese Dämonen. Nur, wie war der Spruch? Ich konnte nur die Bewegungen sehen. Jung Chain noch eins. Ich musste es ohne versuchen. Wie war das? Dreieck, Kreuz, rechte Hand zum Himmel und linke auf den Gegner. Ich kopierte die Zeichen und spürte sofort, wie ich meine göttliche Magie anzapfte. Meine Hand begann zu leuchten. Ich richtete sie auf Hass und wartete. Ein Blitz schlug in meine rechte Hand ein. Eine Blitzkugel erschien in meiner anderen Hand. Sie wuchs und wuchs, bis sie beinahe so groß war wie ich. Ich warf sie und traf Hass genau. Er schrie und war im nächsten Moment verschwunden. Sein Juwel genauso. Nur noch Furcht. Leila erschien neben mir und Emilie ebenfalls.
„Habe ich was verpasst?“, fragte sie und Leila nickte.
„Das erzähle ich dir später. Kai, die Augen“, sagte sie und ich nickte.
Ich gab ihnen auch die Drachenaugen und sofort griffen sie Furcht an. Allen dreien konnte er nicht mehr ausweichen und ging zu Boden.
„Vergebt mir, Meister Zymerana“, sagte er und löste sich auf.
Chris zerstörte das Juwel und nickte dann. Sie sahen mich an.
„Alles klar?“, fragte Emilie und ich nickte schwach.
„Sie waren zu stark. Ich habe nicht mit ihren Kräften gerechnet. Durch Frucht waren meine Kräfte schwach. Neid hat meine Wut geschürt und dadurch Hass nur stärker gemacht. Wärt ihr nicht aufgetaucht, dann hätte ich ein sehr großes Problem gehabt.“
„Keine Ursache“, sagte Chris und schlug mir auf die Schulter.
„Hast du schon etwas herausgefunden?“, fragte Leila und ich nickte.
„Ich repariere nur schnell den Wintergarten und dann erkläre ich es euch“, sagte ich und ließ das Glas wieder in Form gehen.
Wir setzten uns in den Wintergarten. Ich atmete tief ein und begann dann, meine Geschichte zu erzählen.
„Ihr wisst, wer ich bin. Ich bin Shian Hi, Gott der Weisheit. Soweit konntet ihr dem Geschehen folgen, oder?“
Sie nickten.
„Ich habe Hinweise hinterlassen. Unter anderem in diesem Buch“, sagte ich und zeigte es ihnen.
„Da steht nichts Sinnvolles drinnen“, sagte Emilie und ich sah sie an.
„Woher willst du das wissen? Hast du es gelesen?“, fragte ich.
„Jeder von uns hat es gelesen. Man wollte sehen, ob wir etwas damit anfangen können. Aber das war mir zu hoch.“
„Habt ihr es auch einmal Rückwärts versucht?“, fragte ich und sie begannen zu lesen.
„Wenn es eine Sprache ist, dann verstehe ich sie nicht“, sagte Leila.
„Das ist göttliche Sprache. Die Götter haben eine eigene Sprache. Und in dieser habe ich die Hinweise aufgeschrieben. Nun ja. Ich bin wieder so weit, dass ich kampfbereit wäre. Mir fehlen zwar noch ein paar Zauber und die Routine für sie, aber das kommt wohl langsam wieder.“
„Immerhin bei einem von uns“, sagte Chris und sah mich an.
„Ob ihr etwas versteckt habt, oder nicht, kann ich nicht sagen. Das habe ich mir nicht aufgeschrieben.“
„Ich denke nicht, dass es bei uns nötig gewesen ist, etwas zu verstecken. Was hättest du, Chris, zum Beispiel verstecken wollen? Deine Kraft? Schöner Trick, wenn du die aus deinem Körper bekommen hättest“, sagte Emilie und er nickte.
„Sicher. Aber irgendwas müssten wir uns doch auch hinterlassen haben.“
„Und selbst wenn es so wäre. Was wir machen, ist Intuition. Kai hingegen, muss dieses Dinge wissen. Du kannst keine Zauber verwenden, die du nicht kennst. Außerdem musst du wissen, mit so viel Macht umzugehen. Man kann die Kontrolle über so viel Magie leicht verlieren.“
Er sah mich an.
„Das scheint unserem kleinen Überflieger nicht passiert zu sein.“
„Natürlich nicht. Intuition hat mir dabei auch geholfen. Aber sicherlich war es keine sichere Variante.“
„Lass mich das kurz mal klarstellen. Wenn du diese Kraft nicht hättest kontrollieren können, wären wir nicht mehr?“, fragte Leila und ich überlegte kurz.
„Im Großen und Ganzen, ja.“
Sie griff sich an den Kopf.
„Das kannst du nicht ernst meinen. Warum hast du das nie erwähnt?“
„Weil ich es nicht wusste.“
„Wie auch immer. Wir haben ein anders Problem. Die Dämonengötter wissen wo wir sind und die Ausbildung der Schamanen geht viel zu langsam voran. Sie können zwar einiges, aber ich weiß nicht, wie es bei euch ist, aber Kevin gibt sich mühe, wird aber nicht wirklich besser“, sagte Emilie und die anderen nickten.
„Nun. Ich habe heute erst mit Andre angefangen. Und wie man sieht, macht er gerade ein Nickerchen“, sagte ich und sie sahen zu ihm.
Er lag immer noch auf dem Boden und rührte sich nicht. Eigentlich sah er schon fast aus, als wäre er tot.
„Bist du dir sicher, dass es ihm gut geht?“, fragte Leila.
„Aber sicher doch. Zymerana hat nur ein Siegel über seinen Geist gelegt. Ich will nur sehen, ob er es selbst lösen kann“, sagte ich und sah zu Boden.
„Du hast vergessen, dass er daliegt, oder?
„Vergessen? Ich? Nein. Niemals. Ich vergesse nichts.“
„Du hast es vergessen.“
„Ja“, gab ich kleinlaut zurück und erhob mich.
Ich ging zu ihm und legte meine Hand auf seinen Kopf. Das Siegel war gut. Hätte von mir sein können. Vorsichtig drang ich in die Struktur der Magie ein und wurde empfangen von Wut und Schmerz. Irgendwie war das zu erwarten. Zymeranas Magie speiste sich aus Wut. Das Siegel war im Zentrum verankert und hielt wirklich jedem Angriff stand. Aber nicht meinem. Zumindest nicht lange. Dreimal kräftig dagegen geschlagen und es fiel. Sofort atmete Andre tief ein und öffnete seine Augen wieder.
„Entschuldige, Kai. Ich konnte ihn nicht aufhalten“, sagte er und ich half ihm beim Aufstehen.
„Das habe ich auch nicht erwartet. Immerhin lebst du noch“, sagte ich und er nickte.
„Es ging alles so schnell. Ich konnte nicht“, sagte er doch ich unterbrach ihn.
„Leg dich erstmal hin. Ruh dich aus. Die anderen und ich müssen noch ein paar Dinge klären.“
Er nickte und ging dann. Leila kam zu mir.
„Ich mache mir Sorgen“, sagte sie und ich sah sie an.
„Und warum? Weil wir von Göttern verfolgt werden?“
„Nein. Das ist mir ehrlich gesagt egal. Ich mache mir Sorgen um sie. Wenn die Götter auf die Idee kommen sollten, sie zu jagen, dann haben wir ein Problem. Wir können nicht uns und sie beschützen.“
In der Tat. Das war richtig. Aber wer sagte, dass sie mit uns kämpfen würden?
„Was denkst du?“
Ich zuckte zusammen.
„Eigentlich habe ich mir gerade gedacht, dass wir sie verstecken könnten, damit sie gar nicht in die Kämpfe verstrickt werden.“
„Das klappt niemals. Sie werden uns folgen, ob wir das wollen oder nicht“, sagte Chris und kam ebenfalls zu uns.
„Also ich für meinen Teil, denke das auch“, sagte Emilie und kam auch.
„Dann haben wir keine Wahl, als sie mit zu nehmen. Wir sollten zurückgehen“, sagte ich und sie sahen mich an.
„Zurück? Nach Trimalia?“
„Sehr richtig. Wir müssen uns den Göttern stellen. Hier sind wir auch nicht mehr sicher.“
„Auch wieder wahr. Wann willst du los?“, fragte Chris.
„Am liebsten sofort. Aber ich denke wir warten bis Morgen“, sagte ich und es gab eine lauten Knall.
Vor uns erschien Helita.
„Eine ganz blöde Idee, zurück zu kommen“, sagte sie und ich sah sie an.
„Helita? Was tust du hier?“
„Eine Nachricht von eurem Vater überbringen.“
„Unserem Vater?“, fragte Leila und sah mich an.
„Issyl. Sprich, Helita“, sagte ich und sie nickte.
„Er rät euch, völlig unter zu tauchen. Du hast deine gesamte Magie zu dir gezogen, ohne darüber nachzudenken. Alte Feinde sind wieder frei und wollen euch töten.“
„Wer?“, fragte Chris und ich senkte meinen Kopf.
„Chun Ji und ihre Schwestern.“
„Sehr richtig. Sie sammeln gerade ihre Streitmächte. Alte Clans der Schamanen und Elfen, aus den anderen Welten. Ihre Armee wird von Minute zu Minute größer. Auch Mei-Trian hilft ihnen, wieder ihre alte stärke zu erhalten.“
„Muss ich das verstehen?“, fragte Emilie und sah mich an.
„Eigentlich ja“, sagte ich und spürte plötzlich einen starken Schmerz in der Hüfte.
Sofort sah ich nach unten und musste feststellen, dass ich Blutete.
„Wo kommt diese Wunde her?“, fragte ich und zog die Hose beiseite.
Eine tiefe Schnittwunde, die einfach aus dem nichts erschienen war. Nein, Moment. Sie kam nicht aus dem nirgendwo. Die hatte ich von Chun Ji.
„Weiß ich nicht“, sagte Emilie und sah sich die Wunde an.
„Aber mir ist es gerade eingefallen. Die haben ich Chun Ji zu verdanken. Sie hatte mich verwundet und diese Wunde mit einem Zauber belegt. Das ist jetzt ungünstig“, sagte ich und Emilie zwang mich auf das Sofa.
„Leg dich erstmal hin. Uns fällt etwas ein. Helita, irgendwelche schlauen Ideen?“
„Nur eine und die wäre Zymerana zu rufen. Aber ob er helfen kann, weiß ich nicht.“
„Macht nicht so einen Wind um die Sache. Es geht mir gut“, sagte ich und stöhnte auf vor Schmerz.
Die Wunde brannte ziemlich stark. Was auch immer Chun Ji damit gemacht hatte, es war nicht angenehm. Aber wie sollte ich sie wieder loswerden? Jung Chain noch eins. Warum ausgerechnet jetzt?
„Helita, frag Issyl um Rat. Wir werden Zymerana rufen“, sagte Leila und sofort verschwand Helita.
„Zymerana“, rief Chris und er kam aus dem Boden.
„Ihr habt gerufen?“, fragte er und sah mich an.
„Kannst du etwas gegen diese Wunde machen?“, fragte Chris.
Prüfend legte Zymerana seine Wurzeln über mich und untersuchte wohl meinen Körper.
„Nein. Der Zauber ist zu stark für mich. Vielleicht könnte ich es, mit meiner gesamten Macht. Aber die habe ich nicht.“
„Warte einen Moment. Mir fällt gerade etwas ein. Ich könnte versuchen deine böse Seite zu kontrollieren. Ich kenne deinen Namen. Also müsste ich ihn unter meine Kontrolle bekommen müssen“, sagte ich und er schüttelte seinen Kopf.
„Unmöglich. Ich heiße Zymerana. Er benutzt diesen Namen nur. Wie er richtig heißt, weiß ich nicht.“
„Aber ich. Ich habe dich erschaffen“, sagte ich.
„Und dennoch bin ich nicht mehr der Selbe. Nein, das ist zu riskant.“
„Sagt die der Name Dameruta Lorastu etwas?“
Er erstarrte.
„Woher weißt du das?“
„Wie gesagt, ich habe dich erschaffen. Denkst du wirklich, dass ich mir sowas nicht gedacht habe? Diesen Namen habe ich dir eingebrannt, weil ich befürchtet hatte, dass Jemand versuchen wird, dich zu bekehren. Wie ich sehe, war das gar nicht so verkehrt.“
„Sei gewarnt, Shian Hi. Er kennt auch deinen Namen. Wenn du nicht stark bleibst, wird er zum Gegenschlag ausholen und dich zwingen für ihn zu arbeiten.“
„Das wird nicht passieren. Ruf ihn“, befahl ich und Zymerana nickte.
Es dauerte nicht lange und die böse Hälfte von ihm erschien.
„Ihr habt mich gerufen? Wollt ihr freiwillig aufgeben?“, fragte er und lächelte fies.
„Nicht ganz. Ich will, dass du wieder zur Vernunft kommst“, sagte ich und er lachte.
„Dafür hast du mich geholt? Wie naiv kann jemand sein? Als ob ich auf dich hören würde.“
„Dameruta Lorastu. Ich befehle dir, mit Zymerana, meine Wunde zu heilen“, sagte ich und er zischte.
„Wie in Jung Chains Namen hast du das herausgefunden?“
„Ich habe Vorkehrungen für solch ein Scenario getroffen. Tu was ich befohlen habe. Werde wieder eins“, sagte ich und er knurrte verärgert.
Sofort verbanden sich ihre Wurzeln und Zymerana wurde wieder eins.
„Schnell. Wir haben nicht viel Zeit“, sagte er und versuchte meine Wunde zu Heilen.
Er schaffte es. Langsam schloss die Wunde sich. Als er fertig war, sah er uns an.
„Töte mich“, sagte er und breitete seine Arme aus.
„Nein. Das könnte ich nicht“, sagte ich und er schüttelte seinen Kopf.
„Du musst. Ich kann ihn nicht mehr lange zurückhalten. Bringt es zu Ende. Tötet den ersten Dämonengott. Ihr habt noch zwei weitere vor euch und Chun Ji ebenso. Tut es. Sofort“, sagte er und ich schüttelte meinen Kopf.
„Nein. Zymerana, du bist mein Sohn. Ich kann dich nicht“, begann ich, als Chris tat, was er verlangt hatte.
Das Schwert bohrte sich durch Zymeranas Herz und zerstörte sofort den Edelstein.
„Nein. Zymerana!“, schrie ich und brach in Tränen aus.
Chris kam zu mir und gab mir eine Ohrfeige.
„Reiß dich zusammen. Er war unser Feind. Der kleine Teil hätte eh nicht überlebt. Du kannst ihn neu erschaffen, wenn wir fertig sind. Hier“, sagte er und reichte mir eine Lotusblüte.
Es war nicht so einfach für mich. Zymerana war meine Kreation gewesen. Mein Sohn. Ihn zu verlieren war schlimm.
„Der erste Gott ist gefallen. Jetzt haben wir nur noch die Anderen vor uns. Auf geht’s. Wir müssen uns vorbereiten“, sagte Chris und verschwand.
Wo wollte er hin? Seine Schüler holen? Eine Auskunft wäre nett gewesen.
„Beruhig dich erstmal, Kai und dann sehen wir weiter. Wir treffen uns Morgen hier, mit unseren Schülern“, sagte Leila und die Zwei lösten sich auch auf.
Morgen. Also gut, Kai. Konzentrier dich. Zymerana wollte es so, damit die Welt frieden findet. Sein Leben war nicht umsonst. Aber. Nein, kein aber. Komm runter. Was redete ich da eigentlich? Zymerana war nicht wirklich Tod. Er war ein Gott. Ich konnte ihn wieder beschwören, wenn ich mehr Zeit hatte. Die Blüte lag in meiner Hand und leuchtete lila. Wunderschön. Vor mir erschien ein Blumentopf und ich legte sie auf die Erde. Vorsichtig wässerte ich den Boden und stellte ihn dann auf eine Fensterbank.
Die Sonne ging langsam unter. Ich wollte mich gerade wieder setzten, als es klingelte. Erstaunt sah ich Richtung Haustüre. Im Gehen, baute ich meine Tarnung auf, sodass ich wieder wie ein richtiger Mensch aussah. Das war schon ewig nicht mehr nötig gewesen. Ich öffnete die Türe und erblickte den Nachbarn, zusammen mit mehreren Polizisten.
„Kann ich ihnen helfen?“, fragte ich und einer der Beamten trat vor.
„Wir wurden wegen eines großen Krawalls gerufen“, sagte er und sah mir tief in die Augen.
„Krawall? Ich habe keine Ahnung, von was sie reden“, sagte ich und ärgerte mich innerlich.
Hatte der Nachbar nichts Besseres zu tun, als darauf zu warten, das etwas passieren würde?
„Uns wurde berichtete, dass es einen großen Aufruhr hier gegeben haben soll. Dürfen wir reinkommen und uns umsehen?“
„Aber sicher doch. Kommen sie nur herein“, sagte ich und ungefähr zehn Polizisten betraten das Haus.
Unser Nachbar blieb bei mir stehen, während die Beamten sich im Haus umsahen.
„Vielleicht verstehen sie ja jetzt endlich das Wort Mittagsruhe“, sagte er und sah mich triumphierend an.
Gelangweilt erwiderte ich seinen Blick.
„Aber sicher doch. Gleich nachdem sie die Worte Anstand und Rücksicht verstanden haben“, sagte ich.
„Was wollen sie damit sagen?“
„Nichts. Anschreien ihrer Frau, Mähen des Rasens immer abends, wenn wir beim Essen waren. Oh ja, sie sind ein perfekter Nachbar.“
„Immerhin zerschlage ich keine Glasscheiben.“
„Vielleicht hätten sie nachsehen sollen. Kein Glas ist zu Bruch gegangen“, sagte ich und einige der Polizisten kamen zurück.
„Nichts“, sagten sie und stellten sich vor dem Haus auf.
„Aber der Wintergarten“, sagte mein Nachbar und ich lächelte.
„Ist in aller bester Ordnung, sehen sie selbst.“
Er ging durch den Flur und sah ins Wohnzimmer. Sofort fiel ihm die Kinnlade herunter. Nicht ein kleiner Glassplitter.
„Ich habe doch gesehen, wie das Glas zersprungen ist.“
„Vielleicht sollten sie das nächste Mal keinen Mittagsschlaf halten und nicht wegen Träumen die Polizei rufen.“
Verärgert verließ er das Haus wieder und stellte sich neben die Beamten. Plötzlich ging das Funkgerät eines Mannes los.
„Benötigen Unterstützung im Dachgeschoss. Zwei bewaffnete Kinder sind hier und weigern sich mitzukommen.“
„Verstanden. Sind auf dem Weg.“
Jan und Fabian. Oh drei Dämonengötter noch eins. Warum mussten sie sich weigern? Hätten sie nicht die Waffen verstecken können?
„Entschuldigen sie, aber wir müssen erneut nach Oben“, sagte der Beamte.
Doch anstatt brav zur Seite zu gehen, versperrte ich ihnen den Weg.
„Es wäre besser, wenn sie jetzt gehen würden“, sagte ich und mein Nachbar lächelte wieder triumphierend.
„Haben sie etwas zu verbergen?“, fragte er.
„Wenn sie nicht gehen, werden sie das schnell genug herausfinden. Ich rate ihnen, diese Sache ruhen zu lassen. Es würde sich ihrem Wissen entziehen.“
„Sie behindern gerade einen Amtseinsatz. Sollten sie nicht zur Seite gehen, werden wir sie festnehmen, wegen Behinderung“, sagte der Beamte.
Gut. Sie wollten hinein. Gerne aber nicht ohne vorher an mir vorbei zu kommen.
„Es tut mir leid. Wenn sie wirklich hierdurch wollen.“
Ich ließ meine Tarnung fallen. Sofort traten die Männer zurück und mein Nachbar fiel erneut die Kinnlade herunter.
„Müssen sie sich das verdienen.“
Meine Fächer begannen zu schweben. Eigentlich brauchte ich das nicht mehr, doch es gab mir doch ein gutes Gefühl, sie so einzuschüchtern. Die Polizisten zogen ihre Pistolen und zielten auf mich.
„Das ist ihre letzte Warnung. Lassen sie ihre Waffen fallen und geben sie den Weg frei“, sagte ein Mann und ich schüttelte meinen Kopf.
„Sie sind im Begriff sich in Dinge einzumischen, die sie nicht verstehen. Gehen sie zurück und lassen sie uns in Ruhe“, sagte ich und einer der Polizisten feuerte einen Warnschuss ab.
Gut, wie sie wollten. Ich wollte gerad einen Zauber anwenden, als ich Jan und Fabian schrien hörte. Sofort prüfte ich ihre Körper. Die Männer hatten sie nur überwältigt, nicht ernsthaft verletzt. Andre schlief noch. Ihn hatten sie in Ruhe gelassen. Ich kam zu mir zurück und musste feststellen, dass mehrere Polizisten geschossen hatten. Bevor mich eine Kugel erreichen konnte, blieben sie in der Luft stehen und rührten sich nicht mehr.
„Das hat keinen Sinn. Sie können mich nicht verwunden. Geben sie auf“, sagte ich und spürte die Anwesenheit von Männern hinter mir.
Sie kamen näher und wollten mich wohl bewusstlos schlagen. Nicht mit mir. Meine Fächer schossen auf die Beamten zu. Sie wichen wieder zurück, während andere Beamte mit Jan und Fabian die Treppe herunterkamen. Weitere Schüsse kamen und ich wehrte sie erneut ab. Einer der Polizisten war gerade dabei Verstärkung zu rufen. Egal wie viele Menschen hier auftauchen würden, sie hätten keine Chance.
„Saratesa Wiluchu“, sagte ich und sofort zog ein heftiger Windstoß durch das Haus und um die Beamten herum.
Sofort schliefen sie ein. Ich sah nach oben und die Beamten die Treppe herunterfallen. Jan und Fabian sahen mich an.
„Kommt schnell. Wir müssen hier weg“, sagte ich und rannte ihnen entgegen.
Andre lag noch in seinem Bett und rührte sich nicht, auch wenn er wach war. Ich ergriff seine Hand und die von Fabian und Jan und teleportierte uns an den erst besten Ort, der mir Einfiel. Ein See im Wald. Leyenweiher nannte man ihn. Hier waren wir fürs erste Sicher.
„Alles in Ordnung?“, fragte ich und die Anderen nickten.
Andre öffnete seine Augen und sah uns an.
„Was ist da gerade passiert?“, fragte er und stand auf.
„Wir sind gerade auf die Fahndungsliste gerutscht. Der Nachbar hat den Kampf mitbekommen und die Polizei, wegen des Lärmes gerufen“, sagte ich und befreite Jan und Fabian.
Die Handschellen konnten meinen Fächern nicht standhalten.
„Na ganz toll. Jetzt haben wir auch noch die Regierung am Hals“, sagte Jan und ich nickte.
„Ich gehe nochmal zurück und stelle mich, damit ich das ganze klarstellen kann. Leila und Emilie werden euch gleich holen kommen“, sagte ich und Andre griff mir an die Schultern.
„Bist du noch zu retten? Sie werden dich töten. Das ist purer Wahnsinn. Was ist, wenn du dem Gefängnis nicht entkommen kannst?“, fragte er und ich trat zurück.
„Macht euch um mich keine Sorgen. Ich schaffe das. Außerdem ist Zymerana noch dort. Egal was es mich kostet, ich muss ihn retten“, sagte ich und sie sahen mich unverständlich an.
„Wir sehen uns, wenn alles gut läuft Morgen wieder“, sagte ich und löste mich auf, ohne ihnen Zeit für Wiederworte zu lassen.
Mein Schlafwind hatte seine Wirkung verloren, als ich wieder in meinem Haus erschien. Die Beamten erhoben sich langsam wieder. Ich stand neben Zymerana und sah ihn mir an. Die Blüte hatte Wurzeln gebildet, die ihn mit Nährstoffen versorgten. Ich nahm die Vase und schickte sie zu Li. Er wusste, was damit zu tun war. Zufrieden nickte ich und ging wieder zur Türe.
„Keine Bewegung“, rief ein Polizist und richtete seine Waffe auf mich.
„Schon gut. Ich ergebe mich“, sagte ich und hob meine Hände.
„Ich bin hier um ihnen alles zu erklären.“
Der Mann kam zu mir und legte mir Handschellen an. Meine Fächer nahm er auch an sich.
„Das können sie gerne dem Haftrichter erzählen“, sagte er und zwang mich zum Gehen.
Er führte mich zu einem Auto und setzte mich auf die Rückbank. Wie naiv sie doch waren. Als würde ich lange in diesen Handschellen gefangen bleiben. Er stieg ein und fuhr los. Zu einem Polizeipräsidium. Dort hielt er und übergab mich mehreren Beamten, die schwer bewaffnet waren.
„Wir bringen ihn jetzt zum Verhör“, sagte einer von ihnen und sie nickten sich zu.
„Passt auf. Er hat eine Halluzination erzeugende Droge“, sagte der Beamte und man führte mich fort.
Tief in einen Keller und dort in einen Raum, der mit Metall verstärkt war. Lächerlich. Ich war schon durch Werackum teleportiert. Stahl würde mich nicht aufhalten. Zwei Soldaten bewachten die Türe und die restlichen verließen den Raum. Ich nahm auf einem Stuhl Platz und sah mir den Raum an. Leer. Wie zu erwarten war. Wo auch immer ich hier genau war. Ich wusste, dass in meiner Heimatstad so etwas nicht im Polizeipräsidium war. Die Türe wurde geöffnet und ein Mann im Anzug trat ein. Er hatte einen Aktenkoffer bei sich.
„Guten Tag, mein Herr. Ich bin Herr Maiger. Anwalt. Ich bin hier um ihnen zu helfen“, sagte er und setzte sich auf einen Stuhl vor mich.
„Wobei wollen sie mir helfen? Hier raus zu kommen? Das ist nicht mein Problem. Die Handschellen abzunehmen?“
Ich legte sie auf den Tisch.
„Auch kein Problem.“
„Ich kann ihnen helfen, aus diesem Verfahren heraus zu kommen. Ohne Anwalt werden sie ziemlich sicher verurteilt und landen Lebenslang im Gefängnis.“
Ich sah ihn nur an.
„Sehen sie mich an? Haben sie gesehen wie ich aussehe? Ein Gefängnis wäre noch ein Segen. Eher lande ich in einem Labor wo man massenhaft Experimente durchführen würde, bis ich den Verstand verliere oder mich die Kräfte verlassen. Dann doch lieber hinter Gittern.“
„Sie sind eine harte Nuss. Wollen sie wirklich keine Hilfe?“
„Darf ich offen zu ihnen sein?“, fragte ich und er nickte.
„So offen, wie es ihnen gefällt. Niemand wir ihnen daraus einen Strick drehen.“
„Ich werde gejagt. Von Dämonengöttern und anderen Wesen, magischen Ursprungs. Meine Freunde schweben in großer Gefahr und ich bin nur hier, um klarzustellen was eben passiert ist. Sollte man mich nicht gehen lassen, teleportiere ich mich weg, ohne jemanden zu verletzten. Sollte man jedoch versuchen mir etwas anzutun, Gnade ihnen die Götter.“
„Sie sind verrückt“, sagte der Mann.
„Durchaus.“
„Haben sie diese Ohren sich auch gezaubert?“
„Ich weiß nicht genau, ob ich die seit Geburt habe. Aber ich werde es gerne in Erfahrung bringen und ihnen berichten.“
„Sie können froh sein, wenn sie nicht in einer geschlossenen Anstalt landen.“
„Gewiss doch. Darf ich ihnen etwas zeigen?“, fragte ich und er nickte.
Sofort hob ich meine Hand und erschuf einen Feuerball. Die Männer an der Türe richteten sofort ihre Waffen auf mich. Aus dem Feuer wurden eine Wasserkugel und letztlich ein Tornado. Ich ließ ihn in meiner Hand tanzen, während ich dem Mann tief in die Augen sah.
„Glauben sie immer noch, dass ich verrückt bin?“, fragte ich und er schüttelte seinen Kopf.
„Wie machen sie das?“
„Magie. Nun, sie scheinen mich ja verstanden zu haben. Darf ich sie hinausgeleiten?“, fragte ich und ging auf die Türe zu.
Die Soldaten sahen mir ganz genau zu. Eigentlich war der Raum verschlossen und hier drinnen gab es keine Klinke. Der Anwalt folgte mir und blieb neben mir stehen. Ich richtete nur meine Hand auf die Türe und sie ging auf. Erstaunt sahen mich die Soldaten und der Anwalt an.
„Weiter darf ich sie nicht bringen. Ich wünsche ihnen einen schönen Tag“, sagte ich und er ging.
Doch bevor er ganz weg war, drehte er sich noch einmal um.
„Sollten sie es sich anders überlegen“, sagte er und reichte mir eine Karte.
Auf ihr standen sein Name, seine Telefonnummer und seine E-Mail-Adresse.
„Ich merke es mir“, sagte ich und er ging.
Die Türe machte ich wieder zu und nahm auf dem Stuhl platzt. Doch die Ruhe hielt nicht lange. Wieder kam jemand herein. Diesmal eine Frau. Sie war auch gut gekleidet. Vermutlich ein General oder sowas.
„Guten Tag, mein Herr. Ich bin die Verteidigungsministerin. Und ich bin hier um ein wenig mit Ihnen zu reden“, sagte sie.
Eigentlich sah sie gar nicht so aus, als wäre sie ein Militärmensch. Eher eine Mutter, die sich sehr um ihre Kinder kümmerte.
„Das ist schön. Nehme Sie doch Platz, dann können wir sprechen“, sagte ich und unsicher musterte sie mich.
„Erzählen Sie mir doch einmal, was passiert ist. Ich habe zwar schon eine Version der Geschichte gehört, doch vielleicht können Sie mich ja weiter erleuchten.“
Sie nahm Platz und schlug eine Mappe auf.
„Wollen sie es wirklich hören? Also gut. Mein Nachbar hat sich eingebildet, dass er Krach gehört hätte. Er kam mit mehreren Polizisten zu meinem Haus. Als die Beamten sich umgesehen haben, stießen sie auf meine Freunde, die gerade dabei waren zu trainieren, mit Schwert und Dolch, was durchaus nicht verboten ist. Als Ihre Beamten dann erneut in mein Haus wollten, habe ich ihnen den Zugang verweigert. Das ist alles. Der Rest ist unerheblich, da niemand verletzt worden ist.“
„Nun gut. Was für eine Funktion haben die Fächer? Das sieht mir nach einer Waffe aus“, sagte sie und hob einen Fächer auf.
„Damit sollten sie vorsichtig sein. Die sind so scharf, dass sie sämtliches Material durchdringen können. Ja, das sind Waffen. Aber nicht gedacht um einem Menschen zu schaden. Sie dienen zur Dämonenjagd.“
Sie ließ den Fächer wieder fallen und sah auf ein Blatt das vor ihr lag.
„Man hat mir gesagt, dass sie irgendwelche Drogen in ihrem Haus haben sollen, die starke Halluzinationen hervorrufen.“
„Welche Drogen? Das nennt man Magie und ist ihnen wohl nicht bekannt.“
„Magie gibt es nicht. Jeder weiß, dass hinter jedem Zauber ein Trick steckt.“
„Vielleicht bei allem, was sie kennen. Dennoch komme ich nicht umher zu sehen, dass sie gerade mit ihren Gedanken bei ihren Kindern sind. Der Soldat an der Türe freut sich auf seinen Urlaub, den er auf den Malediven verbringen wird und der andere Soldat denkt daran, dass es ziemlich unheimlich ist, dass ich wissen könnte, was er denkt.“
Ihre Augen wurden groß.
„Das ist absurd. Ich denke ganz und gar nicht an meine Kinder. Gerade bin ich darauf konzentriert, dieses Verhör zu führen. Würden sie also bitte kooperieren?“
„Ich bin doch gerade dabei. Denken Sie wirklich, dass ich umsonst so aussehe?“
„Sie können ihre Verkleidung auch gerne abnehmen.“
„Verkleidung? Gute Frau, das ist mein Körper. So sehe ich aus. Das kann ich nicht ändern. Hier versuchen sie die Ohren abzuziehen. Sie werden keinen Erfolg haben und mir damit nur Schmerzen bereiten.“
Ich hielt ihr meinen Kopf hin und zögerlich streckte sie ihre Hand aus. Sie griff nach meinem Ohr und zog vorsichtig daran. Das tat noch nicht weh. Doch als es sich nicht löste zog sie fester, bis ich vor Schmerz aufheulte.
„Sehen Sie? Die sind echt.“
„Mein Gott. Was sind Sie?“
„Ein Gott. Weisheitsgott um genau zu sein.“
Sie musterte mich erneut.
„Wir übergeben sie besser der Wissenschaft, bis die herausgefunden haben, was Sie wirklich sind. Hiermit stelle ich sie unter Arrest, bis ich genauere Informationen habe.“
Sie erhob sich und wollte gehen, als ich die Tür verstellte.
„Wir sind nicht fertig, Frau Minister. Denken sie wirklich, ich würde mich freiwillig irgendwelchen Wissenschaftlern ausliefern lassen, die mich womöglich noch umbringen mit ihren Tests? Nein, ganz gewiss nicht. Sperren sie mich ein. Aber tuen sie mir nicht diesen Mist mit den Wissenschaftlern an.“
„Wir sind fertig“, sagte sie und wollte an mir vorbeigehen.
Diese Frau schaffte es wirklich mich wütend zu machen. Ich ließ sie vorbei und wartete, bis die Türe geschlossen war. Sie sprach noch mit dem Mann, der davorstand und wollte dann gehen. Jetzt war meine Chance. Ich hob meine Hand und ließ die Türe explodieren. Sofort wurden die Soldaten zur Seite gefegt. Die Frau sah mich an und wich zurück.
„Ihre Gefängnisse halten mich nicht auf. Ich werde wieder in meine Welt gehen. Und ich gebe ihnen einen Rat. Das hier sollte geheim bleiben. Wenn sie nicht wollen, dass viele Menschen ihr Leben lassen, werden sie mich besser in Ruhe lassen.“
Die Frau starrte mich nur an. Gut, das war nicht mein Problem. Ich hatte ihnen meine Meinung gesagt. Jetzt konnte ich gehen. Meine Magie brachte mich fort aus diesem Keller. Genau zu Emilie und Kevin. Sie waren gerade am Trainieren, als ich neben ihnen erschien.
„Störe ich?“, fragte ich und sie sahen mich an.
„Willkommen, Kai“, sagte Emilie und ich sah mich um.
Wir befanden uns in einer Höhle. Eine Tropfsteinhöhle. Genug Platz zum Kämpfen hatten die Zwei hier und vor allem Ruhe.
„Schönes Versteck“, sagte ich und sie nickte.
„Meine Idee war es, dass man uns hier unten nicht spüren kann. Andre ist bei Leila und Jan ebenfalls“, sagte sie.
„Ich bin nicht wegen ihnen hier. Sondern eher wegen ihm.“
Kevin sah mich an und lächelte. Langsam kam er zu mir.
„Na, Großer. Ich habe dich lange nicht mehr gesehen“, sagte er und ich nickte.
„Viel zu lange nicht mehr.“
Eine großartig ausgiebigere Begrüßung sparten wir uns jetzt. Emilie war noch hier und wer wusste, was sie noch vorhatte. Eine Umarmung musste auch reichen. Ich sah Emilie wieder an und sie nickte.
„Können wir weitermachen?“, fragte sie und ich nickte.
Ich trat zurück und machte den beiden Platz.
„Wo waren wir gerade? Ach ja. Deine Waffen zu verzaubern hilft dir immer weiter. Egal welchen Zauber du verwendest.“
Das machte durchaus Sinn. Ich sah ihnen dabei zu, bis mir auffiel, dass meine Fächer gar nicht mehr da waren. Ach ja. Man hatte sie beschlagnahmt. Wo waren sie jetzt? In der Zelle. Immer noch. Wie konnte ich sie da nur zurücklassen? Egal. Ich befahl sie zu mir und sie gehorchten. Als sie wieder bei mir waren, sah ich sie mir genau an. Was war denn da drauf? Ein Peilsender? Was sollte der Unsinn denn? Ihr wollt mich also finden? Na dann viel Glück dabei. Ich nahm den Sender ab und ließ ihn davonfliegen. So. Jetzt konnten sie gerne weitersuchen. Wo sie genau landen würden, war mir egal. Ich sah wieder zu Kevin und Emilie. Er strich gerade über seinen Kampfstab und er begann schwarz zu leuchten. Er Schlug zu und Blitze lösten sich von einem Ende. Sie schlugen in die Wand ein und hinterließen einen kleinen Krater.
„Sehr gut gemacht. Das war spitze. Damit solltest du eigentlich vorbereitet sein. Der Rest ist nur Übung. Mehr kann ich dir nicht beibringen.“
Stimmt ja. Beibringen. Eigentlich musste ich Andre ja noch etwas beibringen. Dafür würde ich aber noch Zeit haben. Außerdem war er noch geschwächt. Es hatte also gerade wenig Sinn. Emilie kam zu mir und sah mir in die Augen.
„Du bist völlig verrückt. Nochmal zurück zu gehen war eigentlich das Dümmste, was du hättest machen können. Dennoch verstehe ich es. Konntest du etwas erreichen?“
„Außer das man mich der Wissenschaft übergeben wollte nicht. Die Menschen hören nicht wirklich zu und denken nur beschränkt auf ihren kleinen Horizont. Alles was darüber hinausgeht. Ist schon nicht mehr in ihrem Universum verfügbar. Wir sind für sie nur wissenschaftliche Objekte, die man erst umbringen muss, damit man erkennt, was es ist.“
„Schön gesagt. Wir sollten zu Leila gehen. Chris ist auch schon bei ihr. Bringst du uns hin?“, fragte sie und ich nickte.
Ich nahm ihre Hände und suchte nach Leila. Sie war in einem Wald und sprach gerade mit Chris. Meine Magie löste uns auf und setzte uns wieder vor ihnen zusammen.
„Da sind wir“, sagte Emilie und sie sahen uns an.
„Das wurde auch Zeit. Ist alles in Ordnung?“, fragte Chris und wir nickten.
„Gut. Andre ist noch schwach, aber auf dem Weg der Besserung.“
„Freut mich. Ihm kann ich im Moment nichts mehr beibringen. Das wäre nur Quälerei. Also, wie sieht der Plan aus?“, fragte ich und Leila sah mich an.
„Zurückgehen. Helita war bei uns und hat uns einen Zwischenbericht gegeben. Die Dämonengötter haben Zymeranas Tod nicht gut aufgenommen. Sie haben begonnen die Reiche anzugreifen. Noch kann man ihnen Standhalten. Doch alleine Boreos ist schon zu stark für alle Soldaten.“
„Was ist mit unseren Eltern und Geschwistern?“
„Mei-Trian beschäftigt die Götter sehr gut. Sie kommen nicht wirklich dazu, etwas für die Reiche zu tun“, sagte Chris.
„Dass Vater keine Kraft dafür hat, wundert mich.“
„Mei-Trian hat ihm viel Kraft geraubt. Aber eins kann ich mir immer noch nicht erklären, wie wir seine Kinder sein können“, sagte Leila.
„An sich kann man das auch schlecht verstehen. Wir müssen uns da mehr Zeit für nehmen. Die haben wir aber Momentan nicht. Akzeptieren wir es und führen die Schlacht. Wenn diese gewonnen ist, dann können wir uns darüber den Kopf zerbrechen.“
„Sehr optimistisch, Kai. Also dann. Wollen wir gehen?“, frage Chris und die Anderen nickten.
Nur ich nicht. Sicher war ich mir nicht mehr. Wenn wir jetzt gehen würden, würden wir mitten im Krieg landen. Wer wusste schon, wie es in den Reichen jetzt aussah. Außerdem hatte Helita davon abgeraten.
„Was zögerst du, Kai?“, fragte Chris und ich zuckte zusammen.
„Ich habe nur daran gedacht, dass Helita nicht wollte, dass wir gehen. Vielleicht sollten wir auf sie hören.“
Die anderen Drei sahen mich erstaunt an.
„Warum dieser Zweifel? War es nicht deine Idee zu gehen, egal was die anderen sagen?“
„Ja, das waren meine Worte. Aber denkt ihr wirklich, dass wir die Schamanen nicht einem zu großen Risiko aussetzten? Andre ist geschwächt, Zymerana hat mit ihm kurzen Prozess gemacht. Er konnte sich nicht einmal wehren. Also mache ich mir Sorgen, um die Schamanen.“
„Wir waren uns einig, dass sie eh mitkommen würden, egal was wir sagen. Sie müssen nicht gegen die Götter antreten. Das ist unsere Aufgabe. Und gegen andere Dämonen, sollten sie zurechtkommen“, sagte Emilie.
„Ich will nicht, dass Kevin etwas passiert“, sagte ich und die Schamanen, außer Andre, traten zu uns.
„Wir wollen nicht länger nur auf der Ersatzbank sitzen. Vielleicht sind wir nicht stark genug. Doch es ist unsere Aufgabe, die Reiche zu beschützen. Es ist unsere Pflicht mit euch zu gehen“, sagte Leonard und ich sah ihn an.
„Aber ihr“, begann ich doch Kevin schnitt mir das Wort ab.
„Wir wissen genau, dass es gefährlich wird. Aber irgendwann müssen wir die Reiche beschützen. In erster Linie müssen wir jetzt Andre beschützen und dann die Reiche. Das lassen wir erstmal euch machen. Aber wir werden nicht mehr nur rumsitzen und hoffen, dass man uns in Ruhe lässt. Diese Zeiten sind jetzt vorbei. Wir stehen bei euch, als Schützer der Reiche.“
Ihr Einsatz überwältigte mich. Sie waren sicher, ihre Aufgabe anzugehen. Egal was passieren würde. Auch im sicheren Angesicht des Todes. Es gefiel mir zwar nicht, Kevin in Gefahr zu begeben, aber es gab keinen anderen Weg. Also gut. Wir sollten gehen.
„Also gut. Dann lasst uns gehen“, sagte ich und hielt ihnen meine Hand hin.
Sie ergriffen sie. Bis auf Jan. Er ging zu Andre und trug ihn zu uns. Dann griff er in den Kreis hinein und berührte, zeitglich, noch Andre. Auf zurück nach Trimalia.
Unsere Körper bauten sich im Erdreich wieder auf. Chris sah sich um. Die Stadt sah noch unversehrt aus. Hier befand sich auch Li. Ob die Dämonen schon angegriffen hatten, oder nicht, wusste ich nicht. So sah es zumindest nicht aus. Die Soldaten marschierten gerade über den Marktplatz und stellten sich auf, zum Apell. Chris sah zu ihnen.
„Endlich wieder daheim“, sagte er und ich lächelte.
Das Erdreich war ziemlich schön, eigentlich. Zumindest war es noch nicht zerstört worden. Im Windreich war es noch schöner. Aber im Moment eher eine schlechte Wahl dorthin zu gehen.
„Willkommen zurück, Schamanen“, sagte Li und ich sah zu ihm.
Er stand hinter uns, zusammen mit meinen Generälen.
„Bitte, Li. Wir sind nicht die Schamanen. Das sind die Schamanen.“
Ich zeigte auf meine Freunde.
Er nickte.
„Dessen bin ich mir bewusst, Shian Hi. Kevin ist unser Schamane. Das weiß ich mittlerweile. Issyl hat es uns gesagt. Wir wissen Bescheid. Deswegen sind wir auch hier. Wir sollen euch sofort in den Thronsaal bringen“, sagte er und wir nickten.
Er ging los und wir folgten ihm. Jan stützte Andre und half ihm, so gut er konnte. Im Thronsaal war niemand.
„Was sollen wir jetzt hier?“, fragte ich und er zeigte nur auf Chris Zimmer.
War dort jemand drinnen? Das würden wir nur herausfinden, wenn wir hineingehen würden.
„Wir gehen. Ihr wartet hier“, sagte Chris und die Schamanen nickten.
Mir schwirrten schon mehrere Schutzzauber durch den Kopf, die ich schnell ausführen konnte, sollte uns jemand angreifen. Chris öffnete die Türe und Nebel flutete uns entgegen. Wir traten ein und schlossen die Türe wieder. Durch den Nebel konnte man fast gar nichts sehen.
„Willkommen, meine Kinder“, sagte eine Stimme und Krisuracha trat vor uns.
Sie war wunderschön. Genauso schön, wie damals, als sie nur als Geist bei uns war.
„Mutter“, sagte ich und sie nickte.
„Du erinnerst dich, Shian Hi. Ich bin froh darüber, dass es euch gut geht.“
„Das ist unsere Mutter?“, fragte Leila und ich nickte.
„Krisuracha ist die Frau von Issyl. Er ist unser Vater. Also muss sie unsere Mutter sein.“
„So ist es, mein Sohn. Ich danke dir, dass du mich befreit hast. Genau zum richtigen Zeitpunkt. Mir wäre es zwar lieber gewesen, dass du nicht auch Chun Ji und ihre Schwestern befreit hast. Aber das ist nicht unser größtes Problem.“
„Sagt mir, Krisuracha. Wie heißen wir wirklich?“, fragte Emilie und sie sah sie an.
„Ihr habt euch menschliche Namen gegeben, damit niemand weiß, wer ihr seid. Chris, dein richtiger Name lautet, Shan Chun. Leila, dein Name ist Lei Jan. Und Emilie dein Name ist eigentlich Emira Kariani. Ihr seid ebenfalls Götter.“
„Und was für Götter?“, fragte Leila.
„Lei Jan ist die Göttin der Liebe. Emira Kariani die Göttin des Gleichgewichts und zum Schluss noch Shan Chun, Gott der Kraft. Shian Hi wisst ihr ja.“
„Weisheit“, sagte ich und sie nickte.
„Meine Kinder. Eure Kräfte sind gewachsen und zwar ziemlich weit. Eure Geschwister sind noch immer so stark wie damals. Sie haben sich nicht weiterentwickelt.“
„Mutter. Was für Götter sind unsere Geschwister? Mi-Lan gilt zwar als Göttin des Windes, kann den Wind aber nicht kontrollieren. Dafür haben wir ja auch unsere Schamanen“, sagte ich und sie lachte.
„Ihr wisst wohl nicht mehr alles. Issyl nahm ihnen die Kontrolle, nachdem sie begonnen hatten zu wetteifern, wer das stärkste Element haben würde. Also erschuf er die Schamanen. Und gab ihnen die Macht über die Elemente. Eure Geschwister erhielten neue Aufgaben. Mi-Lan ist die Göttin des Schicksals. Senka ist Gott der Familie. Kliram gilt als Gott des Schutzes. Und Shizude ist die Göttin der Schönheit. Alles Dinge, die man auch überwachen muss.“
„Sind dann nicht die Schamanen auch so etwas wie Götter?“, fragte Chris und Krisuracha nickte.
„Deswegen kann ihnen das Alter nichts anhaben. Ein Schamane wird niemals daran sterben, dass er zu alt ist. Nur, wenn ein Anderer ihn tötet. Aber das ist schon lange nicht mehr vorgekommen. Seit deine Schamanen Shian Hi, die Reiche übernommen haben gab es keine Streitigkeiten.“
„Das verstehe ich auch noch nicht ganz. Chun Ji und ihre Geschwister haben uns doch angegriffen, als wir noch sehr jung waren. Davor mussten sie Schamanen gewesen sein. Wann haben dann meine Freunde das Amt übernommen?“, fragte ich und sie musste erneut lachen.
„Hundert Jahre ist Jung für einen Gott. Nachdem sie zu Göttern geworden sind, hast du neue Schamanen eingesetzt. Während euer Vater versucht hat, sie zu täuschen, habt ihr diese Schamanen beschützt und wie ich mitbekommen habe, mussten auch sie ihre Erinnerungen lassen. Aber ihr habt ihnen gezeigt, was sie wissen müssen. Außer Ignis. Er weiß noch nicht alles. Zymerana hat ihn aber auch übel zugerichtet. Er wird fürs erste nicht kämpfen können“, sagte sie.
„Woher weißt du das alles?“, fragte Emilie.
„Ich bin die Göttermutter. Neben Issyl bin ich genauso allwissend, wie er. Nur Mei-Trian weiß nicht alles. Das treibt ihn in den Wahnsinn, hat aber durchaus seine Berechtigung. Er wurde zum Gott. Wie genau, weiß ich nicht, aber er hat es geschafft. Du, Shian Hi, müsstest das mehr wissen.“
„Im Moment nicht. Meine Erinnerungen sind leider noch sehr verschleiert. Vielleicht finde ich einen Zauber, der das ändern kann. Aber nicht im Moment. Jetzt liegt unsere Aufgabe erstmal beim letzten Dämonengott und Mei-Trian“, sagte ich und sie nickte.
„Macht euch weniger Sorgen um Mei-Trian. Chun Ji ist sehr ungehalten wegen seinem Verrat. Kümmert euch erstmal um Boreos und seine Geschwister. Sie sind gerade das größte Problem.“
„Was haben sie angerichtete?“, fragte Emilie und Krisuracha senkte ihren Blick.
„Nachdem euer Vater losgezogen ist, um Chun Ji ihre Arbeit schwer zu machen, haben sie angefangen, die Reiche anzugreifen. Eins nach dem anderen. Bis jetzt ohne Erfolg, doch im Wasserreich haben wir zahlreiche Verluste zu beklagen. Die kleinen Dörfer machen es unmöglich, eine effektive Verteidigung aufzubauen. Die Windarmee ist zwar zur Hilfe gekommen, konnten aber nur die Verluste vermindern. Ich fürchte, das Wasserreich ist gefallen“, sagte sie und Leila ballte ihre Hand zur Faust.
„Diese Schweine. Das werden sie bereuen. Wo sind sie?“, fragte sie und Krisuracha wollte gerade antworten, als eine Alarmglocke uns zusammenzucken ließ.
Sofort flog die Türe auf und Helita kam hereingestürmt.
„Boreos und seine Geschwister schicken ihre Monster um uns anzugreifen“, sagte sie und rannte dann wieder davon.
„Das ist eine Aufgabe für euch, meine Kinder. Zeigt ihnen, was ihr noch könnt.“
Wir nickten und liefen dann los. Die Schamanen waren nicht mehr im Thronsaal. Hoffentlich hatten sie sich versteckt und verteidigten Andre. Chris lief schneller als wir alle. Plötzlich verschmolz er mit der Erde und war weg.
„Gute Idee. Das sollten wir auch machen“, sagte ich und sie nickten.
Sofort löste Emilie sich in einer Flamme auf und Leila in einer Wasserkugel. Ich verwandelte meinen Körper in Luft und ließ mich zur Mauer wehen. Dort setzte ich mich zusammen und sah die Anderen an. Sie sahen auf das Land. Genau wie Li und meine Generäle. Chris Generäle standen auch hier. Sie kannte ich aber nicht. Vor der Mauer standen viele Wesen. Von Spinnen, bis hin zu welchen, die ich nicht kannte oder beschreiben konnte. In der letzten Reihe waren es auf jeden Fall Dämonen. Dort standen Bären, mit Fledermausflügeln und säbelzahntigerartigen Zähnen. Daneben Minotaur. Riesen und Trolle. Wie hatten sie die alle zusammengetrommelt. Auch einige menschliche Dämonen waren hier. Oftmals waren Dämonen bunt bemalt. Das verriet ihre stärker. Je mehr Farbe sie aufwiesen, desto mehr Kraft hatten sie. Und das waren schon fast Paradiesvögel. Das hieß sie waren extrem stark.
„Wir sind bereit zu Kämpfen“, sagte Kevin und sie traten zu uns.
Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn sie nicht hierhergekommen wären.
„Was müssen wir wissen?“, fragte Andre und ich sah ihn erstaunt an.
„Du solltest am wenigsten hier sein. Zymerana hat dir übel mitgespielt“, sagte ich doch er winkte ab.
„Es ist meine Aufgabe, dieses Reich zu verteidigen. Also was muss ich wissen?“
„Trolle sind relativ resistent gegen Zauber. Die Dämonen da hinten, die aussehen wie Menschen, seht ihr die?“, fragte ich und sie nickten.
„Je bunter sie bemalt sind, desto mehr Kraft haben sie. Ihr seht also, dass dahinten einige schwere Geschütz aufgestellt sind. Zu den tierischen Dämonen kann ich nicht viel sagen. Nur eins noch. Die Wesen vor Boreos, das sind Todesengel. Ihre Schreie können euch lähmen und dann werden sie euch die Seele rauben. Versucht sie zu meiden, um die werde ich mich kümmern, wenn ich kann.“
„Alles klar. Dann wollen wir mal“, sagte Andre und ein Feuerball erschien in seiner Hand.
Ihr Mut war wirklich bemerkenswert. Li kam zu mir.
„Kai, du weißt, dass wir sie nicht lange aufhalten können. Wir brauchen auf jeden Fall eure Hilfe.“
„Dessen bin ich mir bewusst. Deswegen sind wir hier.“
Li nickte und ging zurück zu meinen Generälen. Aus den Monstern traten die eigentlich Feinde heraus. Boreos und seine Geschwister.
„Wir bieten euch an zu kapitulieren und unsere Diener zu werden. Weigert ihr euch, sehen wir uns gezwungen, dieses Reich komplett dem Erdboden gleich zu machen“, sagte Sekama und hob sein Schwert.
Sie alle vier hatten identische Schwerter. Mit Zacken besetzt und ziemlich breit. Anderthalbhänder. Vermutlich auch mit kleinen Zaubern versehen, die einen Treffer tödlich machen konnten. Ich vermutete, dass die Zacken vergiftet waren.
„Wir werden uns niemals ergeben“, rief Sebastian.
Er hielt ebenfalls ein Schwert in der Hand. Ein normales Schwert. Dazu noch einen Schild. Er war ein Waffenmeister. Es war egal, welche Waffe er trug. Er konnte mit allem umgehen. Fabian trug, wie sich das gehörte, mehrere Dolche bei sich. Er hatte zwei in der Hand. Kevin hielt seinen Kampfstab bereit und Andre Feuerbälle, die er werfen konnte.
„Ihr seid zurück? Dann werden Kai und seine Geschwister auch nicht weit sind“, sagte Aqurilana und wir traten nach vorne.
„Da geht ihr richtig in der Annahme. Wir werden dieses Reich verteidigen, egal was es uns kostet“, sagte Chris und die Götter lachten.
„Ihr seid machtlos, gegen unsere Dämonen“, sagte Ignisia.
„Abwarten. Wir wissen, wer wir sind. Also machen wir es euch nicht leicht.“
„Einfältige Narren. Selbst Shian Hi kann niemals diese Armee zurückhalten“, sagte Boreos und sie verschwanden wieder in der Menge.
„Angriff!“, schrie Sekama von hinten und die Armee setzte sich in Bewegung.
„Haltet die Mauer. Sie ist unser letzter Schutz“, sagte Chris und die Soldaten um uns herum nickten.
Sie machten sich bereit. Ihre Rüstungen und Waffen sahen irgendwie schwach aus. Ob sie dem ganzen gewachsen waren? Eine Spinne kam vor uns auf die Mauer und bekam sofort Chris Schwerter ins Gesicht. Sie fiel wieder und riss einige Wesen mit sich. Die Todesengel hatten sich noch nicht beweget. Eigentlich meine Chance, sie zu vernichten. Was hassten Todesengel? Liebe. Das war eigentlich Leilas Aufgabe.
„Leila, die Todesengel. Sie hassen Liebe. Kennst du einen Zauber?“, fragte ich und sie überlegte kurz.
„Ja, einen kenne ich. Den Frühlingswind. Ihn habe ich immer benutzt, wenn im Frühling sich alles verliebt.“
„Dann her mit deiner Hand. Wir werden ihn verwenden“, sagte ich und sie griff nach meiner Hand.
„Frilesing Wiluchu“, rief sie und ich spürte, wie sie meine Magie benutzte.
Ein leichter Windstoß ging über unsere Gegner hinweg, zeigte aber keine Wirkung. Bis er die Todesengel erreichte. Ihre Schreie waren laut und verstummten, nach und nach. Sie starben. Eine große Bedrohung ausgeschaltet. Ich war mir nicht sicher, warum Boreos sie so weit hinten platziert hatte. Auch wenn ihr Name tödlich und stark klang, waren sie es nicht. Todesengel zählten zu den schwächsten Dämonen. Seine Strategie musste ich aber auch nicht verstehen. Hatte er gehofft, dass ich sie nicht sehen würde? Ein Todesschrei ließ mich aus meinen Gedanken aufschrecken. Neben mir war ein Soldat gestorben, nachdem eine Spinne ihn niedergestreckt hatte. Sofort sah ich das Monster an und schlug mit einem Fächer nach ihr. Ich durchtrennte ihren Brustkorb und sie fiel in die Tiefe. Mein Blick wanderte nach oben und ich sah die Bären umherfliegen. Sie warteten wohl auf ein Signal.
„Kann einer sie abschießen?“, frage ich und Leila nickte.
Sofort zog sie einen Bogen. Ich wusste, wer auch noch einen hatte.
„Mi-Lan“, rief ich und meine Schwester erschien.
„Shian Hi“, sagte sie und nickte.
„Kannst du Lei Jan helfen die Dämonen abzuschießen?“, fragte ich und sie nickte.
Sofort zog sie ihren Bogen und schoss. Ein Dämon wurde getroffen und fiel der Erde entgegen. Mehr Zeit hatte ich aber nicht zu gucken. Vor mir tauchten zwei Dämonen auf. Ziemlich bunte Dämonen. Sie musterten mich kurz und griffen dann an. Sie kämpften gemeinsam. Ihre Stärke lag in ihrer Zweisamkeit. Ein Schlag nach dem nächsten kam. Aber sie konnten mich nicht treffen auch nicht zu zweit. Ein Schlag ging gegen meinen Schild und sie wurden zurückgestoßen. Eine Windklinge streckte sie nieder. Ich sah mich um. Keine Dämonen schafften es über die Mauer. Da war Kevin. Seine Rüstung war von rotem Nebel umgeben und der Kampfstab leuchtete schwarz. Dämonen, die er traf, wurden von Blitzschlägen gelähmt und letztlich wieder in die tiefe geworfen, wenn Kevin sie vorher nicht niederstreckte. Plötzlich bemerkte ich einen Schatten unter mir, der immer größer war. Irgendwas kam von oben. Ich sah auf und einen dicken Dämon auf mich zukommen. Ich sprang zur Seite und er schlug auf die Mauer. Ein kleines Erdbeben brachte mich beinahe aus dem Geleichgewicht. Er sah mich an und lächelte. Sofort brach etwas Schwarzes aus ihm heraus und schoss auf mich zu. Ich hob nur meine Hand und wehrte es so ab. Mein Schild konnte zwar Schläge, aber keine Zauber abhalten. Was auch immer er da geschossen hatte. Ich beendete den Kampf schnell wieder und sah dann wieder zu Kevin. Er erschlug gerade einen Dämon, als plötzlich ein Dämon genau hinter ihm auftauchte. Er sah aus wie Hase, gekreuzt mit einem Känguru, einer Kuh und einem Hirsch. Irgendwie sehr seltsam. Die Ohren eines Hasen, die Füße eines Kängurus, Schweif einer Kuh und ein Geweih wie ein Hirsch. Dazu ein braunes Fell über einem sehr unförmigen Körper. Es biss Kevin in die Schulter, weil er nicht schnell genug reagieren konnte. Verflucht. Sofort rannte ich los und streckte das Biest nieder. Kevin war zu Boden gegangen und Blutete stark.
„Alles klar?“, fragte ich und er schüttelte seinen Kopf.
„Mein Körper fühlt sich so anders an“, sagte er und seine Ohren begannen zu wachsen.
Bei allen Göttern. Dieser Biss infizierte Menschen und verwandelte sie in Dämonen. Wie sollte ich das aufhalten? Kevin würde ebenfalls ein Dämon werden, wenn ich nichts unternahm. Neben den Ohren begann sogar schon ein Geweih zu wachsen.
„Ich versuche das rückgängig zu machen“, sagte ich und Kevin nickte.
Er hielt sich seine Schulter und schloss seine Augen. Eine normale Heilung wäre nicht genug. Eine Reinigung zu aufwendig. Wenn ich einen anderen, stärkeren transformativen Virus verwenden würde, könnte ich den anderen aufhalten. Werwolf. Genau. Ich war ein Werwolf. Ob mein Biss auch ansteckend war, würde ich gleich herausfinden. Ich versuchte mich zu verwandeln. Er stöhnte auf vor Schmerz, als auch seine Füße zu wachsen begannen. Komm schon. Wie konnte ich mich in einen Werwolf verwandeln? Plötzlich begann meine Körper sich zu verändern und ich wurde zum Wolf. Sehr gut. Ich biss genau in die gleiche Stelle, wo Kevin schon verwundet war. Er heulte auf. Jetzt musste ich nur hoffen, dass der Werwolf Biss ansteckend war.
„Kai, es hört nicht auf“, sagte Kevin panisch.
Seine Füße waren auch schon verwandelt. Ich überprüfte seinen Körper und tatsächlich. Der Biss eines Werwolfs war ansteckend und stärker, als der des Dämons. Er bekämpfte den anderen Virus und gewann sogar.
„Keine Sorgen, Kevin. Gleich wirst du zum Werwolf“, sagte ich und sofort begann sein Körper sich erneut zu verändern.
Im nächsten Moment lag ein Werwolf vor mir. Er sah mir sehr ähnlich. Jetzt konnten diese Dämonen ihm nichts mehr anhaben.
„Das war knapp“, sagte Kevin und stand auf.
Ich nickte und legte meine Pfote auf seinen Kopf. Sofort wurde er wieder zum Menschen. Dankend nickte er und ging dann wieder in den Kampf. Hätte das nicht funktioniert, wären mein Schmerz und meine Wut zu einer sehr gefährlichen Waffe mutiert. Wut. Das war es. Meine Wut konnte Berge versetzten. Allerdings auch schnell zu einer Waffe gegen mich werden. Ich spürte einen Dämon hinter mir und schlug zu. Ich traf genau sein Gesicht und er ging zu Boden. Als Werwolf hatte ich ein klein wenig mehr Kraft, als normal. Also konnte er diesen Schlag gar nicht überstehen. Ich verwandelte mich wieder zurück und strecke ihn nieder. Dann sah ich zu Boreos und seinen Geschwistern. Sie waren nicht mehr da. Holten sie Verstärkung? Nein. Ich konnte sie noch spüren. Sie schlichen durch die Stadt und griffen die Bewohner an.
„Leila. Chris. Emilie. Wir müssen die Bewohner beschützen“, rief ich und sie sahen mich an.
„Boreos und die anderen schleichen durch die Gassen und greifen Zivilisten an.“
Sie nickten und wir sprangen von der Mauer. Vorher sah ich mich noch um. Viele Dämonen und magische Wesen zogen sich bereits zurück, weil sie starke Verluste zu verzeichnen hatten. Gut so. Wir rannten durch die Straßen. Boreos und seine Geschwister waren auf einem Fleck. Also mussten wir uns nicht teilen. Ich erreichte sie zuerst. Vorsichtig lugte ich hinter einem Haus hervor. Jetzt sah ich, woher diese Wesen kamen, die Kevin angegriffen hatten. Boreos verwandelte die Einwohner, die sich erwischten. Kein Wunder, das sie das Wasserreich so leicht überrennen konnte. Der Mann vor ihm wurde von dem Zauber getroffen und begann sich, genau wie Kevin, zu verwandeln. Ich hatte nicht mehr viel Zeit, ihn zu retten. Zum Glück kam gerade Chris von einem Dach gesprungen. Leila schlich sich aus einer Gasse und Emilie erschien vor ihnen. Sofort erstarrten die vier und sahen sich um.
„Fehlt ja nur noch Shian Hi“, sagte Ignisia und ich nickte.
Ich verwandelte mich in einen Werwolf und lief zu dem Mann. Sofort biss ich ihn und hielt so seine Verwandlung auf. Dann sah ich die Götter an.
„Hier bin ich doch. Kein Grund zur Sorge.“
„Denkst du wirklich, dass dein lächerlicher Biss ihn retten wird?“, fragte Boreos und ich nickte.
„Bei Kevin hat es geholfen.“
„Er wurde aber auch nicht von meinem Zauber getroffen.“
Tatsächlich. Der Virus ließ sich nicht bekämpfen. Ich hatte die Verwandlung zwar verlangsamt, aber nicht aufhalten können. Der Mann wand sich vor Schmerzen, während sein Körper sich immer weiter verwandelte.
„Das wird euch teuer zu stehen kommen“, sagte Chris und wollte gerade angreifen, als Boreos seinen Kopf schüttelte.
„Es ist das mindeste, nachdem ihr uns Zymerana genommen habt. Jetzt nehmen wir euch, was euch wichtig ist.“
Die Bewohner? Sie waren wichtig, aber nicht unersetzlich.
„Wir beenden das. Jetzt und hier“, sagte Emilie und die Götter nickten.
Sofort stürmten sie auf uns zu. Boreos kam zu mir. Das hatte ich erwartet. Sie kannten uns und würden versuchen unsere Schwächen gegen uns einzusetzen. Das Schwert hatte mich fast erreicht, als ich meine Fächer hob und es blockte. Fluchend wich er wieder zurück. Was hatte er erwartet? Dass ich mich einfach so treffen lassen würde? Er griff erneut an. Unsere Waffen schlugen im Sekundentakt aufeinander. Doch er konnte meine Deckung nicht durchbrechen. Ich versuchte es erstmal nicht. Es machte Spaß zu sehen, wie er versuchte mich in die Ecke zu drängen. Aber keine Chance. Eigentlich hatte ich gedacht, er hätte mehr zu bieten. Plötzlich stieß mir ein heftiger Windstoß entgegen und warf mich beinahe nach hinten. Meine Deckung fiel und Boreos konnte mich am Bauch verletzten. Knurrend wich ich zurück. Das Fell an meinem Schweif hatte sich aufgestellt.
„Lächerlich, Kai. So hast du niemals eine Chance gegen mich“, sagte er und lächelte.
„Abwarten. Du hast noch nicht alles gesehen“, sagte ich.
„Oh doch. Das habe ich. Du hast Angst deine wahre Kraft zu benutzten. Du fürchtest, dass sie mehr als nur uns angreifen wird. Solange du sie aber nicht benutzt, wird keiner von euch überleben. Und jetzt ist es eh egal. Mein Gift wird gleich alles Nötige getan haben. Bald wirst du ebenfalls einer meiner Diener sein.“
Sein Diener? Gift? Ein Kontrollgift. Es blockierte das Gehirn und machte das Opfer offen für jegliche Manipulation. Aber nicht mit mir. Es war Zeit, ihnen zu zeigen, was ich wirklich konnte. Ich öffnete meine Arme und sofort begann heftiger Wind zu wehen. Mein Körper löste sich vom Boden und begann zu schweben. Flügel erschienen auf meinem Rücken und mein gesamter Körper begann innerlich zu brennen. Das war meine Kraft. Alle Magie brannte förmlich. Ich sah auf Boreos herunter und warf eine Energiekugel. Er wehrte sie ab. Doch als sie den Boden berührte gab es solch eine große Explosion, dass er gegen eine Hauswand geworfen wurde. So konnte ich doch viel besser kämpfen. Ich setzte wieder auf dem Boden auf und zog das Gift aus meinem Körper. So hätte ich auch Kevin vielleicht heilen können, ohne dass ich ihn hätte beißen müssen. Egal. Diese Kraft brauche ich normal nicht. Ich strich über meine Krone und holte mir die Magie auch von dort. Jetzt hatte ich genug für einen Vernichtungsschlag gegen die Götter.
„Endlich weißt du dich wieder zu amüsieren, Kai“, sagte Boreos und griff mich erneut an.
Doch er wurde von einem Kraftfeld abgehalten und wieder zurückgeworfen. Meine Chance, das Ganze zu beenden. Mein Zauber würde ihn vernichten.
„Antlekarem Selousta Sturesma.“
Ein Tornado schoss aus meinen Händen hervor und traf Boreos genau. Er war gefangen. Eine Windkugel bildete sich um ihn herum und hob ihn hoch. Mein Fächer legte sich in meine Hand. Ich schnellte viermal durch die Kugel und traf dabei jedes Mal Boreos. Hinter der Kugel blieb ich stehen. Der Fächer war ein wenig Blutig. Schwarzes Dämonenblut. Mit einer Bewegung säuberte ich ihn und gleichzeitig fiel Boreos zu Boden. Er atmete schwer und konnte nicht mehr aufstehen.
„Das war ein guter Schlag, Kai“, sagte er und schloss seine Augen.
Sein Körper löste sich auf und nur ein Juwel blieb zurück. Sofort ging ich zu ihm und zerstörte es. Ein Gott weniger. Seine Geschwister hatten noch nicht mitbekommen was passiert war. Zum Glück. Sie kämpften noch mit den anderen. Ich sah ihnen kurz zu und ging dann zu dem Mann. Er hatte sich beinahe komplett verwandelt. Der Biss hatte mir genug Zeit verschafft.
„Hilf mir“, stöhnte er und Fell begann auf seinem Körper zu wachsen.
Ich nickte und wollte gerade versuchen das Gift aus ihm heraus zu holen, als mir etwas einfiel. Diese Wesen sollte ich verstehen. Einmal Verwandelt würde ich ihn nicht mehr Heilen können, vermutlich. Ich holte einige Reagenzgläser hervor. Ich nahm eine Probe von seinem Speichel und seinem Blut. Das Gesicht des Mannes begann gerade sich weiter zu verändern. Hasenzähne und eine Stupsnase von einem Hasen. Gut, genug Zeit verschwendet. Ich suchte nach dem Gift und zog es aus seinem Körper heraus. Ich ließ es ebenfalls in ein Reagenzglas laufen und verschloss es dann. Der Mann hörte auf sich vor Schmerzen zu winden und sah mich an.
„Hat es geklappt?“, fragte er und sah sich seine mit Fell besetzte Hand an.
„Das Gift ist aus deinem Körper heraus. Vielleicht dauert es ein wenig, bis dein Körper sich zurück verwandelt. Ich helfe gerade den anderen und komme dann zurück“, sagte ich und erhob mich wieder.
Die Gläser brachte ich in mein Zimmer, hier im Erdreich. Ich legte einen Zauber darüber, die sie kühl halten würden. Dann ging ich auf Chris zu, der gegen Sekama kämpfte. Sekama schien zu realisieren, was passiert war.
„Wir ziehen uns zurück. Boreos ist gefallen“, rief er seinen Geschwistern zu und sofort lösten sie sich auf.
Emilie, Leila und Chris sahen zu mir. Ich hatte immer noch meine Flügel auf dem Rücken. Wofür die genau waren, wusste ich nicht. Langsam beruhigte ich meine Magie wieder und versetzte sie in den Ruhezustand.
„Du hast Boreos geschlagen?“, fragte Chris und ich nickte.
„Ein Gott weniger. Das macht die anderen drei nicht weniger gefährlich. Aber immerhin einer weniger.“
Sie nickten und sahen zu dem Mann, dessen Körper sich langsam zurück verwandelte.
„Konntest du ihn heilen?“, fragte Emilie.
„Mit meiner Kraft ja. Das habe ich eben erst herausgefunden. Aber bevor ich es gemacht habe, entnahm ich Proben von seinem Körper. Ich will wissen, was Boreos sich mit diesen Wesen gedacht hat. Sie sehen lächerlich aus. Und wirklich Gefährlich scheinen sie auch nicht zu sein.“
„Gut, das ist nebensächlich. Wir müssen zur Mauer“, sagte Chris und wir rannten los.
Die Dämonen hatten sich nicht zurückgezogen. Zumindest nicht alle. Die magischen Wesen waren verschwunden. Aber die Dämonen nicht. Es waren nur noch kleine Fische. Ich holte aus und schoss eine Windklinge auf einen Dämon und vernichtete ihn so. Sein Juwel genauso. Kevin streckte gerade auch einen Dämon nieder. Die anderen gingen ebenfalls auf die Jagd. Wenig später war die Stadt wieder sicher. Wir trafen uns alle auf dem Marktplatz wieder. Chris sprach gerade mit seinen Generälen, als meine ebenfalls kamen.
„Wir wollen berichten“, sagte Aran und sah mich an.
„Eigentlich nicht mir. Kevin ist euer Schamane“, sagte ich und zog ihn zu mir.
Er lächelte nur verlegen und nickte Aran zu.
„Wir haben viele Krieger verloren. Diese Dämonen haben sie verwandelt oder getötet. Ich hätte nie gedacht, dass solch lächerliche Dämonen so nervig sein können“, sagte er.
„Boreos hat sie erschaffen. Warum weiß ich noch nicht. Allerdings konnte ich Proben nehmen und werde sie später analysieren, damit ich verstehen kann, was es damit auf sich hat. Sonst noch etwas?“
Sie sahen zu einer Gasse, aus der gerade Chin getragen wurde. Sein gesamter Oberkörper war verwundet. Eigentlich war Chin einer meiner besten Spione gewesen. Er wusste sich zu verteidigen. Das war kein normaler Dämon gewesen. Es war Boreos Handschrift.
„Boreos“, sagte ich und Li nickte.
„Er ist schwer verletzt. Noch nicht Tod. Vielleicht könnten wir ihn noch retten.“
„Bringt ihn sofort ins Krankenzimmer. Ich komme gleich nach und sehe, was ich machen kann.“
Sofort trugen sie Chin weiter. Ich sah Kevin an. Er hatte kleine Kratzer im Gesicht, die ich schnell heilte.
„Wie sieht es mit den anderen Schamanen aus?“, fragte ich und er sah sich um.
„Sie sehen halbwegs Gesund aus. Andre hat sich aus den Kämpfen rausgehalten und nur mit Feuerbällen geholfen, wenn es wirklich nötig war.“
„Gut. Helft ihnen, wo ihr könnt. Ich werde nach Chin sehen. Schwer verletzte Soldaten sollen sofort zu mir gebracht werden, damit ich versuchen kann ihnen zu helfen“, sagte ich zu meinen Geschwistern und sie nickten.
Sofort lief ich los. Auf dem Weg stieß ich auf den Körper eins dieser Bärenwesen. Das Herz war nicht zerstört worden und er wurde gerade neu erschaffen. Von ihm sollte ich vielleicht auch Proben nehmen. Fell, Blut und Speichel. Dann zerstörte ich sein Herz, das noch offen lag. Jetzt aber sofort in das Krankenzimmer.
Ich ging zu meinen Freunden und fragte sie, ob alles klar wäre.
„Nichts Schlimmes“, sagte Andre und heilte seine Wunden.
„Nur Kratzer“, sagte Sebastian und lächelte mich an.
„Ich fühle mich nicht mehr ganz so wohl“, sagte Leonard und ging in die Knie.
Was war los? Wo war er verletzt? Nirgendwo. Also konnte nicht eines dieser Wesen ihn getroffen haben.
„Hat dich einer dieser lächerlichen Hasendämonen angegriffen?“, fragte ich und er schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich habe sie nicht zu Gesicht bekommen.“
Was war es dann? Vielleicht ein Zauber? Gift? Zu viele Möglichkeiten. Wir mussten ihn sofort zu Kai bringen.
„Andre kannst du etwas feststellen?“, fragte Sebi und Andre schüttelte seinen Kopf.
„Sein Körper scheint unversehrt und ich kann auch kein Gift wahrnehmen.“
Nichts. Also konnte wirklich nur noch Kai helfen.
„Helft mir ihn zu Kai zu bringen. Er wird wissen, was zu tun ist“, sagte ich und sie nickten.
Sofort kam Jan zu mir und half Leo zu stützen. Wir führten ihn zum Tempel. Als wir gerade die Tempelmauer erreicht hatten, brach Leo komplett zusammen. Er atmete sehr schwer und war nicht mehr wirklich bei Bewusstsein. Und dann ging es sehr schnell. Seine Ohren wurden länger und ein Geweih wuchs ihm. Oh nein. Er wurde doch getroffen. Aber wie war das möglich, wenn er nicht einmal eines der Wesen gesehen hatte. Einem Verwandelt, würde es vermutlich kein Zurück mehr geben. Ich wusste nicht, ob mein Biss ihm helfen würde. Aber wie sollte er? Außerdem hatte ich keine Ahnung, wie ich zum Wolf werden konnte. Leo war schon fast verwandelt, als ich ihn ansah. Nur noch sein Gesicht fehlte. Warum waren wir eigentlich nicht dagegen immun? Wir waren Schamanen. Waren unsere Körper nicht resistent gegen sowas?
„Kai“, rief ich und wartet, bis es erscheinen würde.
Es dauerte aber einige Zeit. Leo war fast komplett verwandelt. Seine Nase begann schon sich zu verändern, als Kai endlich auftauchte. Ich brauchte nichts zu sagen. Er sah nur Leo an und fiel sofort auf seine Knie. Er hob seine Hand und versuchte ihm zu helfen. Doch es klappte nicht. Zumindest nicht schnell genug. Leo war verwandelt und öffnete seine Augen wieder. Sofort schnappte er nach Kai und er zog sich schnell zurück.
„Ich hatte zu wenig Zeit. Warte kurz“, sagte er und ein Kraftfeld erschien um Leo.
Wütend versuchte er es zu durchbrechen, hatte aber keinen Erfolg und gab schnell auf. Erschöpft ließ er sich fallen.
„Das ist schlecht. Ich habe keine Ahnung, wie ich ihn jetzt noch retten kann“, sagte Kai und ich sah ihn an.
„Du bist der Weisheitsgott. Irgendwas musst du doch machen können“, sagte ich.
„Ich kann auch etwas machen. Aber nichts, was ihm wirklich helfen würde. Wenn ich entschlüsselt habe, wie Boreos diese Wesen erschaffen hat, dann könnte ich ihn vielleicht heilen. Aber so nicht. Ich könnte ihn eher umbringen, als ihm zu helfen. Das will ich nicht riskieren. Ich lasse ihn in dem Kraftfeld eingeschlossen, bis ich eine Lösung gefunden habe.“
„Und wenn du nichts findest?“, fragte ich.
Doch er schwieg nur und ließ Leo verschwinden. Dann ging er zurück in den Tempel. Ich brauchte keine Antwort. Er würde Leo töten müssen, wenn er keine Heilung fand. Tragisch. Wie war es überhaupt so weit gekommen? Jan sah mich an und kam zu mir.
„Tut mir leid, Kevin. Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte er und ich nickte.
„Ich will, dass du den anderen Schamanen zur Seite stehst und aufpasst, das nicht noch mehr passiert.“
Er nickte und ging dann. Ich betrat den Tempel und ging in das Krankenzimmer. Kai stand vor Chin und heilte seine Wunden. Dabei benutzte er eine spezielle Art von Magie, die ich noch nie gesehen hatte.
Meine Heilkräfte litten sehr unter Chins Heilung. Er war sehr stark verwundet. Doch immerhin würde er durchkommen. Im Gegensatz zu Leo. Was ich mit ihm machen sollte, wusste ich noch nicht. Zumindest im Moment.
„Herr. Ihr solltet euch erstmal ausruhen“, sagte ein Priester zu mir und ich sah mir Chins Körper an.
Die Wunden waren beinahe alle geschlossen. Nur noch kleine Kratzer waren übriggeblieben. Ja, das konnte ich so lassen. Ich nickte dem Priester zu und drehte mich um. Kevin stand direkt hinter mir. Er sah sehr besorgt aus.
„Geht es dir gut?“, fragte ich und er nickte.
„Nichts, was ich nicht überstehen würde.“
Hand in Hand verließen wir den Raum und schlenderten durch den Tempel.
„Tut mir leid, dass ich Leo nicht helfen konnte. Die Zeit war einfach zu knapp.“
„Wenn ich wüsste, wie ich zum Werwolf werde, hätte ich ihm helfen können“, sagte er.
„Nein, das hättest du nicht. Nach der Geschwindigkeit zu urteilen hat Boreos ihn direkt verzaubert. Da hilft der Werwolf Virus auch nicht mehr weiter. Ich habe es bei einem anderen Menschen versucht, konnte ihm aber auch nicht helfen.“
„Und jetzt? Denkst du, du kannst ihm helfen?“
Einen Schamanen zu verlieren war das letzte was ich wollte. Aber ich wusste ja noch nicht genau, was diese Verwandlung auslöste. Das musste ich herausfinden und auch, was es genau mit dem Körper machte. Leo war kein richtiger Dämon. Nur ein halber. Halb Schamane, halb Dämon. Vielleicht würde ich ihn auch nie wieder richtig hinbekommen.
„Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Ich will dir keine falschen Hoffnungen machen. Es sieht nicht gut aus. Ich weiß nicht, um welche Art von Virus es sich handelt. Das muss ich erstmal überprüfen. Dafür musst du mir Zeit geben.“
„Das klingt vernünftig. Ich hoffe nur, dass du etwas findest. Vor allem weil wir nicht einen Schamanen verlieren wollten.“
„Noch haben wir ihn nicht verloren. Es gibt eine kleine, aber nicht sehr vielversprechende Lösung. Das müssen wir jetzt abwarten.“
Wir erreichten unser Zimmer und traten ein. In einer Ecke hatte ich meine Proben verstaut und in einer anderen war das Kraftfeld mit Leo.
„Musst du ihn unbedingt hier unterbringen?“, fragte Kevin.
„Hier habe ich eine bessere Kontrolle über ihn. Da ich kein eigenes Labor habe, geht es nicht anders. Es sei denn, ich gehe in die Kerker.“
„Das wäre mir schon fast lieber.“
„Dann siehst du mich aber nicht mehr, bis ich eine Lösung gefunden habe.“
„Musst du denn dann alles mit dir nehmen?“
„Es ist besser, wenn ich sofort ausprobieren kann. Es bringt mir nichts, eine Lösung zu haben, die nicht funktioniert. Das kostete nur unnötig Zeit.“
„Also dich will ich ja sehen. Aber ihn muss ich jetzt nicht unbedingt sehen“, sagte er und ich ließ das Kraftfeld sich einfärben.
Es wurde zu einer lila Kugel.
„Besser?“
„Viel besser.“
Kevin setzte sich auf das Bett und ich ging zu meinen Blutproben und begann mit meinen Untersuchungen. Ich nahm einen Bluttropfen und ließ ihn auf eine kleine Glasscheibe tropfen. Dann sah ich ihn mir genau an. Die roten Blutkörperchen waren verbunden mit den Viren, die Boreos ihm eingesetzt hatte. Ließen sie sich magisch trennen? Ja, aber nicht ohne Schaden für die Blutkörperchen. Schlechte Wahl. Ich nahm ein wenig Blut von mir und ließ es in diesen Tropfen einfließen. Sofort sah ich die Werwolfs Viren, die versuchten sich an die Blutkörperchen anzuhängen. Doch einmal Verbunden, ließen Boreos Viren nicht mehr locker. Kevin hatte nur Glück, dass Boreos ihn nicht getroffen hatte. Also fiel auch weg. Was konnte ich noch nehmen? Mir fiel gerade nichts ein. Ich legte das Blut beiseite. Ich prüfte den Speicheltropfen. Es bestätigte meine Annahme. Hier befanden sich mehr Viren, als im Blut. Das half mir nicht weiter, war aber gut zu wissen. Ich konnte die Viren trennen, wenn sie nicht zu viele Stellen befallen hatten. Andernfalls würde ich mehr Blut aus dem Körper nehmen, als der Patient hatte. Ging das nicht anders? Irgendwie musste man sie doch trennen können. Ich nahm erneut einen Tropfen von meinem Blut und ließ ein wenig Speichel hineinfließen. Die Viren hatten keine Chance, mich zu infizieren, da die Blutkörperchen schon befallen waren. Sie fanden keinen Halt. Sie starben nach und nach ab. Ich suchte nach Andre du holte mir einen Tropfen von seinem Blut. Ich weiderholte meinen Versuch. Er wäre innerhalb weniger Sekunden direkt komplett verwandelt. Ich sah mir an, wie die Viren sich an das Blut hefteten. Kleine Klammern, die sich ansetzten, bevor sie sich an das Blut bohrten. Das wieder zu trennen war unmöglich. Vor allem, verbreiteten sie sich noch schneller, wenn man sie gewaltsam abzog. Was wäre denn jetzt, wenn ich zwei Tropfen von meinem Blut dazugab? Ich tat es und beobachtete, während Kevin irgendwas hinter mir machte. Jetzt waren die Werwolfs Viren viel aggressiver und schluckten die anderen Vieren komplett auf. Gut, eine Bluttransplantation wäre eine Lösung. Dann wäre Leo aber auch ein Werwolf. Auch nicht optimal. Ich probierte, suchte und suchte. Doch mir wollte einfach keine optimale Lösung einfallen.
„Komm ins Bett, Kai. Du hast genug gesucht für heute“, sagte er und ich sah ihn an.
„Nein. Es ist nicht genug. Genug wäre es, wenn ich jetzt eine Lösung hätte. So ist es nicht ansatzweise genug.“
„Aber du kommst doch jetzt auch nicht mehr auf eine Lösung. Lass es gut sein für heute.“
„Ich muss nur einen Weg finden, die Viren zu lösen, ohne dass sie weitere Viren auslassen. Sonst löse ich nur eine Kettenreaktion aus, die ihn völlig Verwandeln wird.“
„Hast du dir angesehen, wie sie auf deine Werwolf Variante reagieren.“
„Wenn ich ihm mein Blut geben würde, könnte ich ihn heilen. Würde ihn aber zu einem Werwolf machen. Außerdem bräuchte ich die doppelte Menge von meinem Blut. Das könnte sein Körper nicht einmal aufnehmen. Aber sie würden die anderen Viren verschlingen.“
„Schade, dass du keine Antikörper produzieren kannst, die genau das machen“, sagte er und legte sich hin.
Antikörper? Natürlich. Das eigene Abwehrsystem des Körpers. Wenn ich einen Weg fand, sie um zu programmieren, würden sie auch diese Viren angreifen und vielleicht sogar vernichten. Ich holte mir erneut Blut von Andre und sah mir seine Antikörper genau an. Eins davon nahm ich mir heraus und sah es mir sehr genau an. Es kannte viele Krankheiten. Aber nicht diese Viren. Als Vergleich nahm ich mir ein wenig von Leos Blut. Mit dem musste ich eh Probieren. Ich sah mir sein Antikörper an. Sie trugen die gleichen Informationen in sich, wie die von Andre. Nein. Sie hatten schon diesen neuen Eindringling bemerkt und versucht ihn anzugreifen. Doch sie hatten keine Chance. Vielleicht mit ein wenig Hilfe. Ich kombinierte die Fähigkeiten meiner Viren, die anderen zu verschlucken, ohne das Chaos zu vergrößern. Ich versuchte den neuen Antikörper. Er tat genau das, was er sollte. Ein Durchbruch. Sehr gut. Kevin war ein Genie. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. Er öffnete ein Auge und sah mich an.
„Was hast du gefunden?“, fragte er.
„Deine Idee, mit den Antikörpern war genial. Ich kann den Körper eines Menschen gegen diesen Virus wappnen, sodass er sich selbst Heilt.“
Sofort öffnete Kevin beide Augen und sah mich an.
„Das wäre mehr als Genial.“
Ich nickte und ließ das Kraftfeld wieder durchsichtig werden. Sofort versuchte Leo wieder auszubrechen. Meine Magie schoss in seinen Körper und modifizierte seine Antikörper. Sofort krümmte er sich vor Schmerz. Die Antikörper taten ihren Dienst. Zwar langsam, aber sie taten es. Sein Körper verwandelte sich langsam zurück und Leo war wieder normal. Unglaublich. Ich hatte eine Heilung gefunden, die für jeden Menschen funktionierte. Sogar ohne die Einmischung eines Werwolfs. Vorsichtig ließ ich das Kraftfeld verschwinden und ließ Leo wieder frei. Er lag am Boden und atmete schwer. Sofort lief ich zu ihm und überprüfte seinen Körper. Alles wieder normal. Er war ein wenig schwach, wegen dem Kampf in seinem Körper, aber sonst war es alles in Ordnung.
„Du hast es Geschafft“, sagte Kevin und griff mir an die Schultern.
Leo sah auf und blinzelte verwirrt.
„Was ist passiert? Das letzte woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich unheimliche Schmerzen hatte.“
Kevin nickte und half ihm aufstehen.
„Man hat dich mit einem Virus infiziert, der sich in einen Dämon verwandelt hat.“
„Deswegen kann ich mich an nichts erinnern“, sagte er und Kevin nickte.
„Kai hat einen Weg gefunden, dich zu retten, ohne dass er dich umbringen musste.“
Ich nickte und ging zurück zu meinen Proben. Hier war auch noch eine Blutprobe von den Bärendämonen. Sie wollte ich mir auch noch ansehen.
„Danke, Kai“, sagte Leo und ich sah ihn an.
„Nicht der Rede wert. Sieh zu, dass du dich erholst und bald wieder fit bist. Wir werden alle Schamanen brauchen.“
Er nickte und Kevin führte ihn davon. Zufrieden ließ ich mich auf das Bett fallen. Ich hatte es geschafft. Mit einem kleinen Gedankenanstoß von Kevin, aber den hatte ich auch gebraucht. Jetzt konnte ich auch die Soldaten zurückverwandeln, die infiziert worden waren. Aber in erster Linie musste ich meine Geschwister und Schamanen immun gegen diese Seuche machen. Aber erst Morgen. Wir hatten einen langen Tag hinter uns und ich sollte auch langsam mal wieder schlafen. Ich legte mich auf den Rücken und wartete, bis Kevin zurückkommen würde. Er kam auch schnell wieder und legte sich neben mich.
„Weißt du, dass wir schon ziemlich lange nicht mehr zusammen, in einem Bett geschlafen haben?“, fragte er und ich nickte.
„Dafür war auch keine Zeit.“
Ich drehte mich zu ihm und küsste ihn. Diese Nacht war es ziemlich dunkel, denn es war Neumond.
„Wie konnten wir nur Boreos verlieren? Er war eigentlich der stärkste von uns“, sagte Ignisia und sah uns an.
„Was guckst du mich an? Woher soll ich wissen, was er zu Kai gesagt hat, dass er seine gesamte Kraft entfesselt hat“, sagte Sekama.
„Es ist passiert und damit müssen wir jetzt leben. Unsere Armee hat sich auch ziemlich dezimiert.“
„Dafür konnte ich auch nichts.“
„Fühl dich doch nicht immer gleich angesprochen“, sagte ich und er sah mich an.
„Ich sage nur wie es ist, Aqurilana.“
„Danke, das haben wir uns gedacht. Für die Verluste in unsere Armee kann keiner etwas. Was machen wir jetzt?“, fragte ich und sah sie an.
Wir standen in unserer Höhle, in der immer unsere Treffen stattfanden.
„Wir müssen diese Schamanen ausknipsen. Wenn sie fallen, sind die Götter ein Klacks“, sagte Ignisia und ich nickte.
„Vermutlich. Aber sie sind stark.“
„Boreos hat doch einen von ihnen erwischt. Wir haben einen Schamanen weniger.“
„Denkst du wirklich, Shian Hi konnte diesen Fluch nicht umkehren?“
„Er weiß nicht alles.“
„Wenn er etwas nicht weiß, dann forscht er so lange, bis er etwas gefunden hat.“
„Denkst du wirklich, er hat schon geforscht? Wir haben mindestens noch drei Tage“, sagte Sekama und Mei-Trian erschien in unserer Mitte.
„Keine Tage. Ihr habt nur noch Stunden. Shian Hi hat ein Heilmittel, gegen Boreos Seuche, gefunden. Zwei Schamanen sind bereits Immun. Der Rest von ihnen wird es auch bald sein. Ihr müsst sie sofort angreifen“, sagte er und ich schüttelte meinen Kopf.
„Das ist unmöglich. Wir haben keine Krieger mehr. Und alleine gegen die vier, haben wir keine Chance. Du vergisst, dass Shian Hi jetzt frei kämpfen kann“, sagte ich und er sah mich erstaunt an.
„Warum greift ihr ihn dann nicht alle gleichzeitig an.“
„Weil dann alle Schamanen frei gegen uns kämpfen können. Das macht immer zwei Gegner für einen. Shian Hi alleine ist schon stark genug“, sagte Sekama.
„Ihr gebt euch einfach keine Mühe. Ihr seid Dämonengötter. Warum sollten ein paar lächerliche Kinder euch aufhalten können?“, fragte Mei-Trian und wir sahen ihn an.
„Dann kämpft doch selbst gegen sie. Wir können nicht mehr machen, als dass was wir ohnehin schon machen“ sagte ich.
„Was ist nur aus euch geworden? Hat die Zeit, in den Reichen, euch weicht gemacht? Menschlich vielleicht?“
Ignisia fauchte und sprang auf ihn zu.
„Wir sind viel. Aber nicht menschlich. Dämonen fürchten uns.“
„Aber Kinder nicht.“
Das war genug für sie. Sie schlug zu und riss dem Gott die Brust auf. Er lachte nur und sofort begann die Wunde zu heilen.
„Ich will Ergebnisse sehen. Tötet zumindest einen Schamanen“, sagte er und verschwand wieder.
Wir blieben alleine zurück. Ignisia explodierte erstmal ausgiebig. Eine herrliche Schimpftriade erhob sich. Sekama und ich sahen uns nur an und lächelten.
„Uns fehlt ein Plan“, sagte er und ich nickte.
„Dann sollten wir schnell einen machen. Zumindest, solange unsere hitzköpfige Schwester noch am Fluchen ist.“
Wir begannen uns zu beraten.
Die Sonne schob sich langsam über die Stadtmauer. Meine Lebensgeister wurden sofort geweckt. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich in meiner Rüstung geschlafen hatte. Unglaublich, wie bequem sie war. Ich schob vorsichtig Kevins Arm auf Seite und erhob mich. Vor dem Haus war die Luft klar und kühl. Ich atmete tief ein und genoss die Sonne auf der Haut.
„Morgen, Bruder“, sagte Leila und kam zu mir.
„Auch so früh wach, Schwester?“
„Ich konnte noch nie lange schlafen. Die Liebe schläft halt nie“, sagte sie und lachte.
Irgendwie kam es mir so vor, als wäre das damals ihr Lieblingsspruch gewesen.
„Wieder einmal gute Arbeit, Kai. Was du gestern vollbracht hast grenzt an ein Wunder.“
„Mit Leo? So schwer war es gar nicht. Das schwerste ist es eigentlich immer nur herauszufinden, wo genau das Problem liegt.“
„Du hast ihn geheilt. Sie nicht allzu bescheiden, auch wenn ich genau weiß, dass du das schon immer warst.“
Ich musste lachen. Ihre Erinnerungen kamen wohl auch langsam zurück.
„Komm mal eben her“, sagte ich und sie kam näher.
Sofort verstärkte ich auch ihre Antikörper, sodass kein Dämon ihr etwas anhaben konnte.
„Was hast du gemacht?“
„Ich habe dich immun gegen die Seuche gemacht, die Boreos unter uns gebracht hat. Zwar steht nicht fest, dass es überhaupt einen Effekt auf dich gehabt hätte, aber sicher ist sicher.“
„Warum hat er es nicht bei dir versucht?“
Ich lächelte und begann mich zu verändern. Vor Leila stand jetzt der Werwolf, der ich Inneren war.
„Wir Werwölfe tragen ebenfalls einen Virus in uns. Dieser kann die Seuche töten, wenn er zuerst da war. Also hat es keine Auswirkung auf mich. Kevin habe ich in der Schlacht gebissen und somit, seine Verwandlung umgekehrt.“
„Weißt du eigentlich, dass eure Liebe eine der schönsten ist, die ich je gesehen habe? Ich bekomme so viel Kraft alleine durch euch beide. Das ist unglaublich.“
Ich verwandelte mich wieder zurück und sah sie an.
„Also mehr Liebe gibt dir mehr Kraft?“
„Genau. Je mehr Menschen verliebt sind, desto mehr Kraft habe ich. Würde man versuchen diese Verbindungen zu trennen, so würde ich an Kraft verlieren. Zwar nicht viel, aber meine Magie würde nicht mehr so stark sein. Es reicht dann immer noch für Unsichtbarkeit und Kleinigkeiten, wie Gift oder so. Aber göttliche Zauber werden schwach.“
„Gut, das die Liebe nicht vergänglich ist“, sagte ich und sie lachte.
„In allzu vielen Fällen, leider doch. Nehmen wir mal die Menschen. Wenn heute geheiratet wird, kann man schon fast davon ausgehen, dass diese Ehe nicht hält.“
„Schon traurig“, sagte ich und sie nickte.
Damit schwiegen wir auch und genossen die Sonnenstrahlen. Plötzlich schoss mir etwas durch den Kopf. Eine Vision. Erschreckt zuckte ich zusammen und verlor beinahe mein Gleichgewicht.
„Was ist passiert?“, fragte Leila.
Sie hatte mich festgehalten, damit ich nicht umfallen konnte.
„Eine Vision“, sagte ich nur knapp und schloss meine Augen wieder.
Es ging alles so schnell, dass ich es erstmal Sortieren musste. Was hatte ich gesehen? Mich selbst. Ich sagte etwas und hinter mir war eine große Steintafel mit einer Inschrift. Höhle der Werwölfe. Gut. Das war ein Echo aus der Zeit.
„Kommen Chun Jis Schwestern frei, bricht für euch die Welt in zwei. Den Kampf ihr nicht könnt gewinnen ehe ihr nicht in Wissen tut schwimmen. Kissen und auch Näharbeit stellt Chun Ji nicht bereit. Ihre Armee so groß wie Wind und Erde, passt auf das euer Leben nicht gefährdet.“
Was genau sollte mir das sagen?
„Und?“ fragte sie und ich sah sie an.
„Ein Echo aus der Zeit. Ich habe damals eine Prophezeiung gemacht, die gerade zu mir zurückgekommen ist.“
„Muss ich noch Fragen was genau dabei rausgekommen ist?“, fragte sie.
Ich sah mich um und drehte mich dann zur Hauswand. Sofort begann ich die Prophezeiung auf die Wand zu schreiben.
„Das war alles“, sagte ich.
Sie las sich die Inschrift durch.
„Was macht das denn für einen Sinn?“
„Ich habe eine Vermutung. Gehen wir das mal durch. Also der Ausbrunch von Chun Ji ist tragisch und eine Katastrophe. Einen Kampf können wir nur gewinnen, wenn wir alle unser Wissen zurück erlagen. Nur dieses Kissen und Näharbeit macht für mich keinen Sinn.“
„Sicher macht das Sinn. Handarbeit. Chun Ji wird sich nicht die Finger schmutzig machen, sofern sie das nicht muss.“
„Das macht durchaus Sinn. Und zum Schluss sagt man uns nur, sei vorsichtig, die Armee ist groß.“
„Wie sollen wir an unsere Erinnerungen kommen? Gibt es vielleicht einen Weg, Gedanken zu verstecken?“, fragte sie und ich nickte.
„Natürlich. Du nimmst sie aus deinem Kopf und legst sie in ein Gefäß. Aber sowas macht man eigentlich nicht mehr“, sagte ich.
„Klingt wie ein Foto.“
„Platt gesagt ist es das ja. Jetzt müssen wir nur herausfinden, welches Gefäß wir damals gewählt haben. Vermutlich etwas, dass damals sehr viel Wert für uns hatte.“
„Etwas mit viel Wert? Da gibt es eine Menge Dinge. Heiße Bäder, Massage, Maniküre.“
„Mehr etwas wie eine Urne oder vielleicht ein Dolch oder sowas.“
„Ach du meinst Gegenstände? Davon gibt es nicht viele. Oder vielleicht doch? Wer weiß schon, was ich damals mochte? Jungs?“
Während Leila noch so vor sich hin sinnierte, wanderten meine Gedanken umher. Wenn ich schon meine Erinnerungen zurückerlangen würde, dann wusste ich vielleicht einen Weg, ihnen ihrer Erinnerungen auch wieder zu geben. Was war mir damals wichtig? Kevin. Oder besser gesagt Wilu. Aber er trug sie nicht in sich. Was noch? Bücher? Der Zauberstab? Meine Fächer? Moment, meine Fächer? Woher sollten meine Fächer sie halten. Kemitsu hatte sie gemacht. Es sei denn, es ging nicht um diese Fächer, sondern, meine alte Waffe. Lorastu Fachenti. Die Waffen der Weisheit.
„Leila“, sagte ich und sie sah mich an.
„Was gibt’s?“
„Erinnerst du dich an eine Waffe?“
„Eine Waffe? Etwas Bestimmtes in deinen Gedanken?“
„Lorastu Fachenti. Sagt dir das was?“
„Die Lotusfächer? Moment, waren das nicht Shian His Waffen?“
„Sehr richtig. Wie konnte ich mich an sowas erinnern? Deswegen wollte ich wissen, ob du dich auch an solch eine Waffe erinnern kannst.“
Sie überlegte. Und überlegte. Plötzlich ging ihr Blick in meine Augen und ich sah, dass ihr etwas durch den Kopf schoss.
„Saktorasa.“
„Schattenschneider? Dein alter Schamanenname?“
„War nicht nur Tarnung. Das ist mir gerade aufgefallen. Ich habe mir diesen Namen gegeben, weil er mir gerade durch den Kopf gegangen war. Damals fand ich, klang es gefährlich. Naja eher lächerlich. Aber darum geht es ja nicht. Du meinst, diese Waffen gibt es wirklich?“
„Sehr sicher sogar. Wenn nicht nur ich mich erinnern kann. An ihnen könnten unsere Erinnerungen gekoppelt sein.“
„Weißt du zufällig auch, wo sie sein könnten?“
„Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung. Jeder wird seine Waffe individuell versteckt haben. Deswegen müssen wir sie selbst finden. Ein Anfang wäre nur nicht schlecht.“
„Vielleicht weiß unser Vater etwas“, sagte sie und ich nickte.
„Eventuell. Aber ihn fragen wir besser erst, wenn die anderen auch wach sind“, sagte ich und sie nickte.
Einer der Erdgeneräle kam zu uns.
„Li hat einen Kriegsrat einberufen. Eure Anwesenheit wird sofort erwartet“, sagte er.
„Wo?“, fragte Leila und der Mann zeigte auf den Tempel.
Im Thronsaal wo auch sonst? Er ging und Leila sah mich an.
„Weckst du die anderen?“
Ich nickte nur und sendete Chris, Emilie und den Schamanen eine Nachricht. Dann ging ich Richtung Thronsaal und Leila folgte mir.
„Sag mal, denkst du, dass diese Rüstung mich dick aussehen lässt?“, fragte sie und ich sah sie an.
Sie trug eine enge schwarze Rüstung, die genau an ihrem Körper anlag. Nur ging es hier um die Liebesgöttin. Ihr Körper war perfekt.
„Nur am Hintern“, sagte ich und begann zu laufen.
„Am Hintern? Ich werde dir zeigen, wie dick mein Hintern ist.“
Leila lief mir nach und ich begann zu lachen. Es machte spaß sie zu ärgern. Ich erreichte den Thronsaal und blieb stehen. Sofort sahen alle mich an.
„Guten Morgen, Kai“, sagte Li und ich nickte.
Eigentlich wollte ich gerade etwas sagen, als mir einfiel, dass Leila hinter mir herkam.
„Warte nur. Ich habe dich gleich“, rief sie und ich ging einen Schritt zur Seite.
Sofort fiel sie neben mir zu Boden. Ich musste lachen und sah die anderen an. Ungläubige Blicke kamen uns entgegen.
„Also bitte Leila. Was sollen denn die Anderen denken, wenn du hier auf dem Boden rumliegst“, sagte ich neckend und sie sprang auf.
Sie klopfte den Staub aus ihrer Kleidung und lächelte dann die anderen an. Um den Tisch herum standen nicht nur meine Generäle, sondern alle. Aus jedem Reich. Ich kannte ihre Namen nicht und wollte sie auch nicht kennen. Wir gingen an den Tisch und Li sah uns an.
„Wo sind die anderen?“
„Schlafen noch. Was gibt es denn so dringendes?“
„Das sollten wir machen, wenn alle da sind.“
„Sind sie so halb. Ich habe eine gedankliche Verbindung. Sie hören also mit. Emilie wollte nicht aufstehen und hat mir einige unschöne Worte an den Kopf geworfen.“
„Also schön. Nachdem ihr gestern Boreos ausgeschaltet habt, ist in der Nacht viel passiert. Das Windreich ist jetzt Schutzlos und, neben der Tatsache, dass es komplett zerstört wurde, sind mehrere Geister erschienen. Unsere Späher haben berichtete, dass sie durch die Straßen irren und heulen. Woher sie kommen, wissen wir nicht. Im Wasserreich sind die gleichen Geister erschienen. Wir sind besorgt, dass es hier auch passieren könnte und wollen das ganze untersuchen lassen“, sagte Li und Leila sah mich an.
Langsam führte ich meine Hand auf die Karte zu und berührte das Windreich. Sofort erhob sich eine Windkugel aus dem Papier und schwebte vor uns. In ihr bildeten sich die Geister ab, von denen Li gesprochen hatte. Ich sah sie mir genauer an und berührte die Kugel sofort erschien das Gesicht eines von ihnen. Was waren das für Wesen? Plötzlich schoss mir wieder eine Vision durch den Kopf.
Ich taumelte und fiel. Sofort kam Leila zu mir und sah mich an. Sie sagte etwas, doch die Worte kamen nicht mehr bei mir an. Alles wurde schwarz.
„Das du es untersuchen würdest, war zu erwarten“, sagte Boreos Stimme und ich fand mich in einem Raum voller Eis wieder.
Vor mir stand Boreos, in seiner dämonischen Form.
„War es eine Falle, alter Freund?“
„Oh nein. Ich wollte dich sehen, Shian Hi.“
„Was willst du?“
„Sei doch nicht so unhöflich.“
„Ich habe dich getötet. Also, was konntest du mir in diesem Kampf nicht sagen?“
„Denkst du wirklich, ich hätte etwas zu sagen gehabt?“
„Tu nicht so. Das hier machst du nicht aus Spaß.“
„Scharfsinnig wie immer. Du willst wissen, was das für Geister sind?“
„Es wäre ein Anfang. Obwohl mich etwas Anderes mehr interessieren würde.“
„Und zwar?“
„Wo sind meine Fächer?“
Er sah mich verwirrt an.
„Auf deinen Rücken geschnallt?“
„Die Dinger sind Müll. Schrott, den man gemacht hat, damit ich etwas in der Hand habe. Ich rede von Lorastu Fachenti.“
„Shian His Lotusfächer. Bist du dahintergekommen, dass du sie noch existieren?“
„Mehr nur, dass sie existiert haben. Wo sind sie?“
„Woher sollte ich das wissen?“
„Ich habe dir vertraut wie kaum einem anderen. Selbst Kevin wusste nicht alles. Du hast mehr Informationen von mir, als sonst jemand. Also, wo sind sie?“
Er senkte seinen Blick.
„Shian Hi, du warst damals wie ein Vater für mich. Du hast an mich und auch meine Geschwister geglaubt, wie kein anderer. Für dich gab es gutes auch in einem Dämon. Diese Einstellung hast du gelebt. Ich wollte dich nur wissen lassen, dass wir nicht freiwillig gekämpft haben. Mei-Trian hat uns gezwungen.“
„Wie konnte er euch zu so etwas zwingen?“, fragte ich und er sah mich an.
„Er hat meinen Sohn, Shian Hi. Meinen einzigen Sohn. Deswegen kämpfen wir. Mei-Trian hat unsere Kinder“, sagte er und ich konnte Wut in seinen Augen sehen.
„Wenn wir euch nicht angreifen, dann werden sie sterben. Sie sind noch jung, Shian Hi. Ich will ihn nicht sterben sehen.“
Ich war geschockt. Sie hatten Kinder? Wie konnten Dämonen Kinder haben? Das ergab für mich keinen Sinn.
„Kann ich ihnen helfen?“, fragte ich und er schüttelte seinen Kopf.
„Issyl hat uns angeboten es zu versuchen, doch er hat versagt. Mei-Trian hat meinen Sohn verstümmelt. Und die Tochter meines Bruders genauso. Niemand kann ihnen helfen. Mei-Trian hat sie immer im Blick und sein Schutz ist zu stärker, als alles was ich kenne.“
„Mehr als versuchen kann ich es nicht. Mit Mei-Trian werde ich fertig, sobald ich meine Erinnerungen habe. Dafür brauche ich aber meine Fächer. Danach verspreche ich dir, töte ich Mei-Trian und werde eure Kinder retten. Ebenso werde ich dich wiederbeleben“, sagte ich und er sah mich erstaunt an.
„Wie soll das gehen? Vielleicht kannst du Mei-Trian besiegen. Und auch meinen Sohn retten. Doch wie willst du mich wiederbeleben?“
Ich lächelte ihn an und griff in meine Tasche. Da war ein Teil von seinem Herzjuwel.
„Du hast einen Teil behalten?“
„Solange dein Herz existiert, kann ein Dämon jederzeit wiederkommen. Es mag nicht vollständig sein, doch ich kann dir ein neues Herz geben. Lege ich dieses Stück auf einen anderen Diamanten, wird er dein neues Herz. Also, ich frage ein letztes Mal. Wo sind meine Fächer?“
„Im Windreich.“
„Wo genau?“
„Im Tempel. Du hast sie im Keller versteckt, damit niemand sie finden würde. Keine ist dumm genug dort unten zu suchen. Die Katakomben des Tempels sind ein Labyrinth, das niemand je durchwandert hat. Selbst du nicht. Du bist einmal bis zum Mittelpunkt gelaufen und hast dort Zymeranas Grab eingerichtet und deine Fächer versteckt.“
„Sind meine Erinnerungen dort?“
„Ja.“
„Dann werde ich gehen und sie holen. Sonst noch etwas, was ich wissen muss?“
„Die Geister, die du gesehen hast, sind alle Seelen, die ich damals gefressen habe. Auch als Schutztier waren meine dämonischen Instinkte stark und ich konnte mich nicht immer beherrschen.“
„Werden sie mich angreifen?“
„Nein. Dich nicht. Kevin und du sind die einzigen, die an ihnen vorkönnen.“
„Kevin auch?“
„Na hör mal. Er war ein Schamane und hat mich sehr gut behandelt. Er war ein Freund. Ein Gefährte und manchmal sogar mein Personal. Er wusste genau, an welchen Stellen er mich kraulen musste, damit ich es richtig genoss. Ein fabelhafter Junge.“
„Danke, Boreos“, sagte ich und er sah mich an.
„Wofür? Ich habe dir nichts als Ärger bereitet.“
„Dafür, dass es dich gibt. Auch wenn du mir viel Ärger bereitet hast, hast du wieder bewiesen, dass Dämonen nicht von Grund auf böse sind.“
Eine Träne rann über sein Fell und gefror sofort.
„Mach das du weg kommst, du Taugenichts“, sagte er und ich fand mich auf dem Boden des Erdtempels wieder.
Leila beugte sich über mich und sprach mit mir.
„Was ist mit dir, Kai?“, fragte sie und ich schüttelte mich kurz.
„Ich hatte nur eine Vision. Bezüglich der Geister. Also. Diese Geister sind alle Seelen, die Boreos verschlungen hat. Sie werden Angreifen, sobald sich jemand ihnen nähert. Außer Kevin und mich. Wir waren seine Freunde und können an ihnen vorbei. Außerdem, hat er mir erklärt, warum sie so gehandelt haben. Aber das erzähle ich euch später. Fürs erste muss ich meine Erinnerungen holen“, sagte ich und stand wieder auf.
Alle sahen mich erstaunt an.
„Das hast du alles in zwanzig Sekunden erfahren?“, fragte Latia.
„Natürlich. Für mich kam es jetzt mehr vor, aber wenn es für euch nur zwanzig Sekunden waren, ist das doch gut. Also, ich muss meine Fächer finden, in den Katakomben des Tempels“, sagte ich und wollte gehen, als Li mich aufhielt.
„Dort unten ist ein Labyrinth. Ich habe den obersten Priester damals nicht umsonst eingesperrt. Er konnte von dort gar nicht entkommen.“
Der oberste Priester? Jung Chain? Er kannte das Labyrinth. Vielleicht konnte er mir helfen.
„Jung Chain“, rief ich und sofort erschien ein Portal zur Unterwelt.
Er erhob sich und sah sich um.
„Wo bin ich denn jetzt? Im Erdreich? Oh, hallo Shian Hi“, sagte er und ich nickte.
„Kennst du den Weg zu meinen Fächern?“
„Du meinst die im Windreich? Ja, den kenne ich.“
„Führst du mich hin?“, fragte ich doch er schüttelte seinen Kopf.
„Das darf ich nicht, Shian Hi. Diese Fächer erscheinen nur, wenn du alleine kommst und sie holst. Denkst du wirklich, du hättest sie nicht geschützt? Wären sie mir in die Hände gefallen, würde es jetzt keinen lebendigen Menschen mehr geben.“
„Also gut. Danke, trotzdem“, sagte ich und er nickte.
Sofort kehrte er in die Unterwelt zurück. Aber er ließ eine Karte zurück, auf der mein Weg eingezeichnet war. Ich lächelte und hob sie auf. Sein Denken gefiel mir. Ich hatte ihn nicht um eine Karte gebeten. Eigentlich hätte er sie mir nicht gegeben. Aber diesmal war wohl eine Ausnahme. Wenn er mich nicht hinführen konnte, konnte er mir immerhin zeigen, wie ich dorthin kam.
„Wohl an. Ich werde dann jetzt gehen“, sagte ich und sie nickten alle.
„Pass auf dich auf, Bruder“, sagte Leila und ich nickte.
Dann löste ich mich auf und erschien im Windreich wieder.
Dann löste ich mich auf und erschien im Windreich wieder. Die Zerstörung hier war mir ja schon bekannt. Ohne die Wurzeln sah es noch viel schlimmer aus. Wie eine Stadt, die jemand ohne Grund niedergerissen hatte. Ein Trümmerfeld, soweit das Auge reichte. Das einzige, was noch ganz war, war mein Denkmal. Immerhin etwas. Um mich herum wurden die Geister sofort auf mich aufmerksam. Sie sahen eigenartig aus. Lila Silhouetten. Keine richtigen Körperteile. Sie schwebten über dem Boden. In ihrem Gesicht war nur ein Mund, keine Augen. Wie auch immer sie gefährlich werden konnten. Das war mir nicht klar. Egal. Ich ging zum Temple. Er war nur noch eine Ruine. Hinter meinem Thron war eine Treppe nach unten. Ich sah auf die Karte und ging hinab. Hier unten war alles noch intakt. Aber stockfinster war es auch. Keine Fackeln, nichts. Eine Kugel aus reinem Licht erschien in meiner Hand und erleuchtete den Gang. Die Wände waren kahl und feucht. Ich ließ die Kugel schweben und sah auf die Karte. Meine Fächer waren wohl in Mitten dieses Irrgartens. Laut Karte musste ich geradeaus. Also schön. Ich würde schon merken, wenn ich mich verlaufen hatte. Eine Ewigkeit folgte ich den Gängen, die laut Karte richtig sein sollten. Es nahm einfach kein Ende. Hatte ich mich verlaufen? Konnte diese Karte nicht meinen Standpunkt anzeigen? Ich tippte darauf und sah, ob etwas passiert. Doch nichts. Wäre ja auch zu einfach gewesen. Egal. Also wo lang jetzt? Rechts oder links? Plötzlich überkam mich ein unerklärlicher Drang, nach links zu gehen. Aber laut Karte war das falsch. Egal. Ich begann zu laufen und folgte dem drang. Links. Rechts. Geradeaus. Das Ganze noch gefühlte weitere tausend Mal. Endlich erreichte ich mein Ziel. Vor mir lag eine große Kammer. In ihrer Mitte war ein Altar. Darauf lagen die Fächer. Genau, wie Boreos gesagt hatte. Langsam ging ich darauf zu. Hatte ich keine Fallen eingebaut? Warum sollte ich eigentlich? Wenn jemand anderes hierherkommen würde, dann würden sie sofort verschwinden. Ich rannte los und nahm sie in die Hand. Die Fächer waren leicht. Weitaus größer, als meine jetzigen. Auf ihr waren die Symbole der Weisheit aufgemalt. Eine Eule auf dem einen und ein Buch auf dem anderen. Dazu drei Diamanten. Wofür die waren, wusste ich nicht. Diese Fächer ließen sich sogar zusammenklappen. Ich schlug zu und plötzlich fuhren auch noch kleine Klingen aus. Jede Strebe war mit einer Verlängerung versehen. Wie nett. Ich hielt meine Erinnerungen in den Händen. Wie sollte ich sie jetzt befreien? Moment, ich musste eine Art Schlüssel erschaffen haben. Nur was für einen. Ich sah mir die Fächer genau an und den Altar genauso. Plötzlich drang eine Stimme zu mir.
„Das Auge des Sturms“, flüsterte sie.
Auge des Sturms? Was sollte das genau bedeuten? In Zentrum eines Sturms war es Windstill. Kein Wind? Nein. Das konnte nicht die Lösung sein. Ich erschuf einen Wirbelsturm und hoffte somit, die Erinnerungen frei zu setzten. Aber nichts. Vielleicht musste ich ja im Auge des Sturms sein. Der Wirbel wurde größer und ich trat hinein. Auch nichts. Plötzlich überkam mich eine Idee. Es war eine Metapher. Das Auge des Sturms war ein Symbol, irgendwo dort oben im Tempel vielleicht. Wenn es aber zerstört worden war, dann konnte ich es nicht mehr finden. Egal. Ich musste es versuchen. Konnte ich hier unten raus teleportieren? Nein. Verflixt. Ah, aber ich konnte mich wieder in Luft verwandeln und dann nach oben treiben lassen. Das tat ich auch. In wenigen Sekunden stand ich wieder im Tempel und sah mich um. Hier war nichts mehr. Keine Wand war noch ganz. Mein Zimmer eine einzige Müllhalde. Nichts als Schrott. Mein Thron war noch intakt. Sogar völlig. Das Gold wirkte ein bisschen Matt, aber das konnte man aufpolieren. Ich ging durch die Ruinen und sah mich nach Hinweisen um. Doch ich fand einfach gar nichts. Vielleicht war es der Tempel selbst. Wenn man ihn sich von oben ansah? Ich begann zu schweben und sah auf die Ruine herunter. Der Innenhof lag im Zentrum des Tempels. Doch auch er war vollkommen zerstört. Und der Tempel sah jetzt nicht aus wie ein Sturm. Plötzlich traf mich eine Idee, wie ein Blitz. Das Mosaik. Im Thronsaal war ein Mosaik am Boden. Ich hatte es mir nie angesehen. Zumindest nicht ganz. Stand man darauf, war es auch schwer zu erkennen. Vielleicht war es nicht vollständig zerstört. Ich bewegte den Fächer und fegte die Trümmer beiseite. Zum Vorschein kam das Mosaik. Einige Stellen waren ein wenig zerstört. Aber das konnte man reparieren. Ich ließ meine Magie ihre Arbeit machen und das Mosaik setzt sich zusammen. Erneut sah ich mir an, was dort zum Vorschein gekommen war. Das war ich. Mit meinen Fächern. Über meinem Kopf waren die Fächer gezeichnet und zwar in einem Kreis. Wenn man sie übereinander steckte würde sich ihr Geheimnis enthüllen? Gut. Wenn es die Lösung war. Ich hielt die Fächer übereinander. Plötzlich klickte etwas und sie waren Kombiniert. Eine Halterung war an ihren Enden. So konnte man sie zu einer Scheibe kombinieren. Gar nicht mal schlecht. So waren sie ein Schild. Das war faszinierend. Plötzlich begannen sie zu leuchten und ein weißer Strahl traf meinen Kopf. Sofort flammten massig viele Bilder in meinen Gedanken auf. Der Tag meiner Geburt. Mutter, Vater. Der Kampf gegen Chun Ji. Ich wusste einfach alles wieder. Wirklich alles. Meine jetzige Form, war mein Körper, mit dem ich auf die Welt gekommen war. Ich kam wieder zu mir und nahm die Fächer in die Hand. Die Trennung ging ohne Probleme. Ich nahm den Ring von meinem Arm und warf Kemitsus Fächer weg. Nicht, dass ich sie nicht mochte. Sie hatten mir gute Dienste geleistet. Doch diese Fächer konnte ich viel besser bei mir tragen. Da sie sich zusammenklappen ließen, nahmen sie weniger Platz weg. Dafür hatte ich eine Halterung erfunden. Direkt unter meinen Unterarmen. So konnte ich sie hervorschnellen lassen, wann immer ich wollte. Ich würde sie erneut bauen, wenn ich im Erdreich war. Ich landete auf dem Boden und sah zum Himmel. Er war rot. Genau wie damals, als Chun Ji angegriffen hatte. Plötzlich begann das Mosaik zu leuchten und Shian Hi erhob sich daraus. Er sah ein wenig anders aus als ich. Sein Körper war schmaler und kleiner.
„Also hast du es endlich gefunden“, sagte er und ich nickte.
„Ich habe sie so gut versteckt, dass ich selbst lange gebraucht habe, sie zu finden“, antworte ich und er nickte.
„Das war auch unsere Absicht. Nur wenn wir würdig wären, sollten wir sie finden. Und du hast dich als wirklich würdig erwiesen“, sagte er.
„Kannst du mir etwas verraten? Weiß ich jetzt wirklich alles?“
„Natürlich. Du weißt es sogar so, wie es wirklich passiert ist. Nicht die Version, die Chun Ji erschaffen hat. Das war nur um alle zu täuschen. Sogar Mei-Trian ist auf sie hereingefallen.“
„Ich erinnere mich. Er ist Vaters kleiner Bruder. Immer in seinem Schatten, war er eifersüchtig auf ihn. Also schloss er einen Pakt mit Dämonen und vergrößerte seine Kraft. Die Menschen begannen ihn zu verehren, weil er stärker war, als jeder von ihnen. Also hatte Vater keine andere Wahl, als ihn in den Rang eines Gottes zu erheben. Und dann nahm das Unglück seinen Lauf.“
„Richtig. Und was ist mit der Zeit, die Chun Ji verändert hat?“
„Wann soll das? Oh, das meinst du. Als Mei-Trian sie zu Schamanen gemacht hat, gingen sie zu Issyl und baten darum zu Göttern zu werden. Doch er verweigerte ihnen diese Bitte. Also gingen sie zu Mei-Trian und versprachen ihm, zum Gott aller Götter zu werden, wenn er ihnen die Sanduhr von Issyl besorgen konnte.“
„Genau. Als sie sie in die Finger bekommen haben, machten sie Mei-Trian zum Göttervater und sich selbst zu Göttern. Niemand bemerkte das, weil es in der Geschichte immer so gewesen war.“
„Sie haben ganze Arbeit geleistet. Ich kann mich sogar daran erinnern, wie ich Kevin das erste Mal getroffen habe. Unglaublich, dass es schon fünftausend Jahre her war. Kann ich seine Erinnerungen auch retten?“
„Nein. Sie sind für immer verloren. Aber ist es dir so wichtig, dass er alles wieder weiß?“
„Eigentlich nicht. Er liebt mich immer noch.“
„Eben. Nimm es so, wie es ist. Also dann, Shian Hi, oder Kai. Was auch immer dir lieber ist. Sei auf der Hut und rette diese Welt, die momentan dem Untergang geweiht ist“, sagte er und verschwand wieder im Mosaik.
Ich war wieder bereit den Kampf aufzunehmen. Doch ich alleine konnte keinen Krieg gewinnen. Auch als stärkster Magier aller Zeiten, war mir das nicht möglich. Immerhin hatten wir es hier mit Göttern zu tun. Also mussten wir unbedingt die Erinnerungen meiner Geschwister auch wiederbekommen. Wie das gehen sollte, wusste ich nicht. Sie hatten die Waffen versteckt und es mir nicht gesagt. Schade eigentlich. Vorerst sollte ich aber zurückgehen, ins Erdreich.
Ich erschien im Thronsaal wieder. Die Generäle waren am Diskutieren. Mittlerweile waren auch meine Geschwister und Freunde vollständig anwesend.
„Ah, Kai. Gut das du kommst“, sagte Li und sah mich an.
Doch er zuckt zusammen, als er meine Waffen sah.
„Du hast die Fächer gefunden?“, fragte er und ich nickte.
„Shian Hi ist wieder völlig einsatzbereit. Ich weiß alles. Sogar jedes Detail das Chun Ji und ihre Schwestern verändert haben. Also. Worüber diskutiert ihr?“
„Diese Geister sollten kein Problem mehr für uns darstellen. Andre hatte eine Idee, wie man sie ausschalten kann“, sagte er und die Generäle nickten alle.
„Seid ihr eigentlich noch zu retten? Chun Ji ist auf freiem Fuß und ihr diskutiert darüber harmlose Geister in ihre Schranken zu weisen? Natürlich kann man sie besiegen. Sehr einfach sogar. Ein kleines Gebet oder Weihwasser hilft. So, Problem gelöst. Widmen wir uns wieder dem eigentlichen Problem. Meine Geschwister müssen ihre Waffen finden und ihre Erinnerungen. Wie ihr das macht, müsst ihr selbst herausfinden, da ihr mir nicht gesagt habt, wo ihr sie versteckt habt. Versucht euch an Orte zu erinnern, die ihr gerne hattet. Chris und Emilie, ihr geht und sucht in euren Reichen. Leila, Andre und Kevin, ihr kommt mit mir ins Wasserreich. Wir müssen dir helfen, weil die Geister dich angreifen würden. Andre kann sie besiegen und Kevin ist, genau wie ich, nicht in Gefahr.“
„Und warum willst du ihn dann mitnehmen?“, fragte Li und ich zog Kevin zu mir.
„Darf ich nicht Zeit mit meinem Freund verbringen? Heute ist immerhin unser Hochzeitstag“, sagte ich und er sah mich erstaunt an.
„Heute?“, fragte er und ich nickte.
Langsam zog ich meinen Ring aus und zeigt ihm die Inschrift. Die Inschrift zeigte unsere Namen und das heutige Datum. Er lächelte.
„Also dann. Helft meinen Geschwistern, so gut ihr könnt. Sollten Chun Ji oder Mei-Trian angreifen, ruft mich sofort“, sagte ich und die Runde löste sich auf.
Ich sah Leila, Kevin und Andre an. Sie sammelten sich um mich herum und ich brachte uns ins Wasserreich.
Auch hier hatten die Dämonen gewütet und keinen Stein auf dem anderen gelassen. Die Geister ignorierten uns, bis Andre meine Hand losließ. Sofort schossen sie auf uns zu und wollten ihn gerade angreifen, als ich ihn wieder berührte. Der Geist ignorierte ihn erneut und schwebte davon. Also gut. Sie ignorierten sie, wenn sie uns berührten. Trotzdem mussten wir uns trennen.
„Kevin, schnapp dir Andre und such in diese Richtung. Leila und ich werden hier suchen“, sagte ich und er nickte.
Er nahm Andres Hand und ging davon. Ein wenig eifersüchtig war ich ja schon. Warum durfte er mit ihm gehen und vor allem, meinem Freund die Hand halten. Das durfte nur ich.
„Kai“, sagte Leila und ich sah sie an.
„Konzentration“, sagte sie und ich nickte.
Wir gingen los. Durch die Stadt. Hier stand wirklich gar nichts mehr. Einige Skelette lagen an den Straßenrändern.
„Also gut, Leila. Erinnerst du dich an irgendetwas?“
„Nur an die Dolche selbst. Sie waren einfach und schlicht. Dennoch elegant. Würdig einer Göttin. Außerdem passten sie gut zu meiner Rüstung.“
„Das hilft uns leider nicht viel weiter.“
„Ich weiß.“
Wir gingen weiter und erreichten den Wassertempel. Er stand noch, war aber leicht zerstört. Die Gänge waren genauso wie im Windreich. Eigentlich war er ja ein Ebenbild davon. Nur hier gab es keine Katakomben, soweit ich wusste.
„Gibt es unter dem Tempel etwas?“, fragte ich und sie schüttelte ihren Kopf.
„Er liegt über einem See. Es gibt nicht einmal einen Weg nach unten.“
Da war es also nicht.
„Und euer Innenhof?“
„Nicht sehr spektakulär. Aber immerhin vielversprechend.“
Wir gingen weiter und erreichten bald den Innenhof. Er war nicht so grün, wie meiner. Auch keine Teiche oder irgendwas. Nur Staturen von Leila. Moment. Staturen von ihr?
„Kann es vielleicht sein, dass es die Staturen sind?“, fragte ich und sie sah mich an.
„Das kann allerdings sein. Moment ich glaube ich erinnere mich.“
Sie zog mich mit sich zu der ersten Statur. Unsicher berührte sie den Sockel und sie drehte sich leicht.
„Sie müssen alle in die Mitte gucken. Hier sind keine Geister. Teilen wir uns“, sagte sie und ich ließ sie los.
Keine Geister griffen uns an. Gut. Ich lief zu den anderen Staturen und begann sie zu drehen. Als sie alle in die Mitte sahen, gab es ein Erdbeben. Eine Fontäne erhob sich aus dem Boden und öffnete den Boden. Als er verschwand war eine Wendeltreppe zum Vorschein gekommen.
„Da unten vielleicht?“, fragte sie.
„Finden wir es heraus“, sagte ich und wir gingen nach unten.
Eine Kammer lag am Ende der Treppe, die unendlich zu sein schien. Vor uns lag eine Auswahl von mehreren Dolchen. In allen Farben und Formen.
„Du hast ein Rätsel hinterlassen?“, fragte ich.
„Keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht hatte. Also gut. Ich muss das richtige Paar finden, oder?“
„Würde ich mal sagen.“
Ich ging die Reihen auf und ab und sah mir alle Dolche genau an. Dass sie schlicht sein mussten, wussten wir. Aber sie würde gewiss weitergedacht haben, damals. Vermutlich würden sie nicht so aussehen, wie sie eigentlich aussehen sollten. Leila ging an mir vorbei und murmelte vor sich hin. Also wusste sie es nicht. Vielleicht eine Eingebung? Ein Gefühl? Irgendwas? Doch sie schien nichts dergleichen zu haben. Plötzlich blieb sie vor einem Paar stehen und ich ging zu ihr. Die Dolche sahen genauso aus, wie sie sie beschrieben hatte.
„Meinst du, das sind sie?“, fragte ich und sie überlegte.
„Nein, das sind sie nicht. Sie sehen zwar genauso aus, wie sie sollten. Doch das war eine Falle. Die richtigen Schattenschneider liegen hier“, sagte sie und griff nach einem goldenen Paar Dolche.
Sofort wurden sie matt und Eisern. Keine Steine, nichts. Nur ein Herz auf dem Griff.
„Die Waffen hast du. Jetzt musst du nur herausfinden, wie du deine Erinnerungen befreien kannst“, sagte ich und sie nickte.
„Ich denke, der Schlüssel liegt im Thronsaal“, sagte sie und rannte nach oben.
Ich folgte ihr. Als wir oben waren, drehte ich alle Staturen in ihre Ausgangsposition zurück und schloss das Loch im Boden. Im Thronsaal schloss ich zu Leila auf. Sie sah sich das Mosaik im Boden an. Sie stand darauf. Wie wollte sie so etwas erkennen?
„Willst du nicht von weiter oben gucken?“, fragte ich doch sie winkte ab.
Kevin und Andre betraten den Raum. Ich hatte ihnen gesagt, dass wir fündig geworden waren. Leila ging umher und zählte ihre Schritte. Plötzlich blieb sie stehen und schlug auf den Boden. Sofort brach das Mosaik auf und gab eine kleine Öffnung frei. Dort lag ein richtiger Schlüssel drinnen. Sie nahm ihn und hielt ihn gegen die Dolche. Sofort wurde sie von einem weißen Strahl getroffen und taumelte nach hinten. Ihre Erinnerungen waren zurück. Eine unkonventionelle Art, seine Erinnerungen zu schützen. Gut aber nicht jeder hatte auch ein Labyrinth und so viel Magie zur Verfügung, wie ich.
„Unglaublich“, sagte Leila und begann mit ihren Dolchen zu spielen.
Sie warf, drehte sie und schlug mit ihnen zu. Das sah aus, als würde sie den ganzen Tag nichts Anderes machen.
„Zwei wieder auf Kurs. Fehlen noch zwei“, sagte ich und sie nickte.
Sie kam auf mich zu und verpasste mir eine Ohrfeige. Erstaunt sah ich sie an.
„Das war für meinen dicken Hintern und was du vor dem Kampf damals zu mir gesagt hast.“
„Und das wäre?“
„Ich sei unkonzentriert und albern. Das bin ich nie.“
Belass es lieber dabei. Leila hatte damals auch immer ein Talent dafür, alles tot zu diskutieren. Brauchte ich jetzt nicht. Zurück ins Erdreich. Emilie und Chris standen bereits im Thronsaal. Sie hatten auch ihre Waffen wohl gefunden und ihre Erinnerungen genauso.
„Da seid ihr ja endlich“, sagte Chris und sah uns an.
„Entschuldige. Ich habe kleine Schwierigkeiten gehabt, meine Waffen zu finden“, sagte Leila und er lachte.
„Zu gut versteckt um gefunden zu werden?“, fragte er und sie nickte.
„Aber ich habe sie gefunden. Also wissen wir wieder alles?“
Ich wollte gerade antworten, als Mutter und Vater erschienen.
„Ja, meine Kinder. Ihr wisst wieder alles. Wie schön euch wieder bei mir zu wissen“, sagte sie.
„Mutter“, sagte Leila und sie lachte.
„Ich bin so stolz auf euch. Ihr seid viel stärker und schlauer gewesen, als ich mir das hätte träumen lassen.“
Ich sah mir Vater an. Trotz seiner kindlichen Erscheinung, sah er sehr müde und fertig aus.
„Was ist passiert, Vater?“, fragte ich und ging zu ihm.
Er sah mich an und lächelte müde.
„Nur ein wenig müde, mein Sohn. Mehr nicht. Ich habe versucht Mei-Trian zu schwächen.“
„Und Boreos Sohn zu befreien, ich weiß. Wie schlimm ist er verletzt?“, fragte ich und er musterte mich genau.
„Denk nicht daran, Mei-Trian herauszufordern. Auch mit all deinem Wissen wirst du nicht länger als zehn Sekunden gegen ihn bestehen. Tu dir das nicht an.“
„Ich habe Boreos versprochen, ihm zu helfen. Und das werde ich. Wie viel Zeit habe ich noch, bis er keine Kraft mehr hat.“
„Nicht mehr viel. Mei-Trian hat ihn übel zugerichtet. Die Kinder brauchen Hilfe. Doch ihr könnt Mei-Trian nicht stürzen.“
„Aber ihn immerhin solange ablenken, damit wir die Kinder befreien können. Wenn wir sie haben, verschwinden wir.“
„Du kannst nicht beides. Mei-Trian beschäftigen und gleichzeitig, die Kinder befreien. Das geht nicht“, sagte er.
„Richtig. Aber ich habe Geschwister“, sagte ich und sah zu den anderen.
„Denk nicht mal dran, Shian Hi. Sie mögen stark sein, aber mehr, als dir nur die Dämonen vom Hals halten schaffen sie nicht.“
„Und alle?“
„Alle? Ihr acht? Bist du Wahnsinnig. Einer von euch könnte zu Schaden kommen. Das darf nicht passieren.“
„Dann gehe ich alleine. Wenn du nicht willst, dass einer von uns zu Schaden kommt, dann gehe ich alleine. Ich schaffe das schon.“
„Wie damals, Shian Hi. Du bist einfach zu voreilig und überschätzt deine Kraft. Mei-Trian ist Herrscher des Himmels. Diese Kraft ist so groß das nicht einmal Licht und Finsternis eine Chance hätten.“
„Das ist mir egal, Vater. Ich muss mein Versprechen einlösen“, sagte ich und er wollte gerade antworten, als Mutter sich einmischte.
„Schatz, du weißt genau, dass es keinen Sinn hat. Du kannst ihn nicht von seiner Idee abbringen. Also versuch es doch erst gar nicht. Lass sie gehen“, sagte Krisuracha und er sah sie an.
„Das kannst du nicht ernst meinen. Sie könnten sterben“, sagte er und sie nickte.
„Dessen sind sie sich bewusst. Zumindest Shian Hi. Wenn sie das wollen, sollen sie gehen“, sagte sie und er senkte seinen Blick.
„Na gut. Tut, was ihr tuen müsst“, sagte er.
„Wo finden wir die Kinder?“, fragte ich und er sah mich an.
„Hör mir zu, Shian Hi. Ausnahmsweise Mal. Mei-Trian hält sie in Jaiken gefangen. Er kann ihnen nur schaden, wenn er an die Sphären herankommt. Wenn er keinen Kontakt zu ihnen hat, dann sind sie sicher. Lockt ihn erst weg und kämpft dann. Wie du die Sphären zerbrichst, weiß ich nicht. Viel Glück, meine Kinder“, sagte er und wir nickten.
Damit lösten die zwei sich wieder auf.
„Um was genau ging es gerade?“, fragte Emilie und sah mich an.
„Es ging um meine geplante Rettungsaktion. Ich habe Boreos versprochen, seinen Sohn zu befreien und ihn dann wiederzubeleben.“
„Das ist Wahnsinn“, sagte Leila und sah mich an.
„Du bist im Begriff, den Dämonengott wieder zu beschwören.“
„Richtig. Und gleichzeitig auch nicht. Sie haben nur gekämpft, weil Mei-Trian ihre Kinder hatte. Es ist nicht ihre Absicht, uns zu schaden. Also will ich ihnen helfen, damit sie wieder normal leben können“, sagte ich und sie sahen mich an.
„Wenn du meinst. Aber ich bin dennoch dagegen“, sagte Emilie.
„Wir können die Kinder retten. Sollten sie uns dann immer noch angreifen, dann kann ich Boreos auch Tod lassen. Ich bin nicht gezwungen ihn zurück zu holen. Doch ihre Kinder haben die Chance verdient, zu leben. Also. Kommt ihr mit?“
„Ja. Wir kommen mit“, sagte Chris.
„Wie sieht der Plan aus?“, fragte Emilie.
„Ich habe mir das so gedacht. Wir locken Mei-Trian von den Kindern weg. Ihr beschäftigt ihn und ich werde die Kinder befreien.“
„Denkst du nicht, er wird seine Handlanger rufen? Also haben wir es auch mit den anderen drei Göttern zu tun.“
„Die kann er gerne rufen. Doch sie kann ich leichter fernhalten, als ihn selbst. Er wird lange Zeit alleine sein und ich hoffe, dass ich in der Zeit, die Gefängnisse zerbrochen bekomme.“
„Hoffen wir, dass es funktioniert“, sagte Chris.
„Ich werde eine Teleportsperre verhängen, sodass Hilfe sehr lange braucht, bis sie kommt. Ich fürchte das größte Problem wird ihn weg zu locken. Er wird sich nicht so einfach ablenken lassen.“
„Wir schon schief gehen“, sagte Leila und wir nickten.
„Dann wollen wir mal“, sagte Chris und ich nickte.
Ich hielt ihnen meine Hand hin und sah ein letztes Mal zu Kevin.
„Gleich wieder da“, sagte ich, auf seinen besorgten Blick und dann standen wir in Jaiken.
Der Tempel war groß. Die Decke war nicht zu sehen. An den Wänden waren viele Türen, die in massig viele Räume führten. In welche genau, wusste ich nicht mehr. Irgendwo hier, hatte ich auch einen eigenen Raum. Wir alle hatten einen. Ansonsten führten einige Türen auf irgendwelche Planten, die noch nicht erforscht waren. Nicht einmal von mir. Das Ende dieses Ganges war nicht zu sehen. Ganz davon abgesehen, dass es hier drinnen dunkel war. Sehr dunkel sogar. Keine Fenster und somit konnte auch kein Licht hineinkommen. Mei-Trian war hier irgendwo. Nur wo, blieb noch zu klären. Gab es hier vielleicht ein Ende?
„Wo müssen wir jetzt hin?“, fragte Leila und ich sah sie an.
„Keine Ahnung. Irgendwo muss er sein. Aber wo genau weiß ich auch nicht“, sagte ich und sie sahen sich um.
„Alle Türen zu öffnen, wäre wohl keine gute Idee.“
„Wenn du ein ganzes Jahr beschäftigt sein willst, dann mach das. Aber ich weiß nicht, was hinter all diesen Türen ist. Ich würde sagen, wir gehen in eine Richtung. Jaiken muss irgendwo ein Ende haben“, sagte ich und sie nickten.
Wir folgten dem Gang. Unsere Waffen immer in Bereitschaft. Doch nichts. Es war einfach nichts hier. Alles war still.
„Bist du dir sicher, dass er hier ist?“, fragte Chris und kam zu mir.
Ich nickte und wir gingen weiter. Plötzlich kamen wir in eine große Halle. Vor uns waren zwei Kugeln, aus Magie. Sie leuchteten gelb. In ihnen konnte man zwei Wesen sehen. Sie waren wohl die Kinder von Boreos und seinen Geschwistern. Erkenne, was genau sie waren, konnte ich nicht.
„Willkommen, Kinder“, sagte Mei-Trian und trat hinter den Kugeln hervor.
„Zeigt sich der große Mei-Trian doch einmal“, sagte Leila und ging in Kampfstellung.
Diese hatte sich jetzt auch verändert. Ihre Waffen waren noch immer eingesteckt. Doch sie hielt sich bereit sofort zu zuschlagen.
„Kommt schon, Kinder. Ihr seid die jüngsten Götter, die es gibt. Glaubt ihr wirklich, ihr hätte eine Chance gegen mich?“, fragte er und wir nickten.
„Zuerst einmal stimmt das nicht. Ich bin der älteste der acht Kinder und wir sind in der Überzahl“, sagte ich und er lachte.
„Dafür habe ich viele Anhänger, die mir auch helfen würden.“
„Dann solltest du sie rufen. Ansonsten wird das hier sehr einseitig“, sagte Leila und er lachte.
„Keine Sorge. Sie werden bald hier sein. Soll ich euch solange vielleicht erklären, was ich hier bei mir habe?“, fragte er und fasste eine der Kugeln an.
Sofort wurde das Wesen in seinem Innern sichtbar. Es war ein Kind. Mit den Ohren eines Fuchses und einem Tigerschweif. An seinem Körper waren viele Wunden. Wie verletzt er genau war, konnte ich so nicht erkennen.
„Du bist ein Schwein“, sagte ich und er nickte.
„Durchaus. Ich bin ein Gott. Und als solcher richte ich über Leben und Tod“, sagte er.
„Es gibt nur einen Gott, der über Leben und Tod entscheiden kann. Das ist Jung Chain. Er entscheidet wer lebt und wer nicht.“
„Nicht mehr. Ich bin allmächtig. Das soll jeder sehen. Niemand steht über mir“, sagte er und ließ die Kugel los.
Sofort wurde das Kind wieder unerkennbar. Wie sollten wir ihn von der Kugel wegbekommen?
„Deine Verbündeten lassen lange auf sich warten“, sagte Chris und er lachte.
„Keine Sorge. Ich kann euch auch direkt alleine besiegen. Aber das wäre nicht meine Art. Es ist viel schöner, wenn ich euch besiegen lasse.“
Das war vielleicht der Rätsels Lösung. Ihn zu zwingen, uns anzugreifen. Provokation könnte vielleicht helfen.
„Deine geringe Kraft, würde uns keine Sekunde standhalten“, sagte ich und er funkelte mich an.
„Vorsicht, kleiner Gott. Ich bin weitaus stärker, als du denken magst“, sagt er und ich nickte.
„Und ich denke, dass du sehr schwach bist. Also stärker als das wäre immer noch wenig. Null mal Null, bleibt Null, Onkel.“
Er kochte vor Wut. Meine Geschwister sahen mich an und schienen zu verstehen.
„Ich werde euch“, begann er, doch Leila fiel ihm ins Wort.
„Vernichten. Ja, bla, bla. Das hast du schon öfter gesagt. Und geschafft hast du es immer noch nicht. Der große Mei-Trian, machtlos gegen seine Nichten und Neffen.“
Jetzt schäumte er schon vor Wut. Ein Blitz bildete sich in seiner Hand.
„Na komm schon, Kleiner. Greif doch endlich an. Ich denke nicht, dass du den Mumm dazu hast“, sagte Emilie und sofort stürmte er auf sie zu.
„Jetzt, Kai“, sagte Chris zu mir und half Emilie.
Die drei drängten Mei-Trian in den Gang hinein. Er bekam das nicht mit, da er so wütend war. Ich griff an eine der Sphären und sofort wurde das Kind sichtbar.
„Keine Sorge. Ich hole dich da raus“, sagte ich und er sah mich an.
Er hatte Boreos Augen. Ob er wirklich mitbekam, was ich tat, war mir nicht bewusst. Egal. Ich versuchte die Kugel zu zerbrechen. Aber meine Magie lief völlig ins Leere. Aber irgendwie musste der Zauber verankert sein. Nur wo? An Mei-Trian selbst? Nein, das wäre dumm. Am Boden? Auch nicht. An der Decke? Ja, da war ein Anker. Er ging zu der Kugel. Ich sprang nach oben und sah ihn mir genau an. Er war so konzipiert, dass er die Sphäre explodieren lassen würde, wenn ich ihn durchtrennen sollte. Das würde den Inhalt komplett auslöschen. Ging auch nicht. Konnte ich denn heraus teleportieren? Ich versuchte es. Die Sphäre war gut abgeschirmt. Aber nicht gut genug. Meine Magie konnte hinein. Aber ein weiteres Problem gab es. Wenn ich das Kind einfach so hinaus holte, dann würde es trotzdem Schaden nehmen und vermutlich sterben. Ein Alarm sorgte dafür, dass Mei-Trian es bemerkte. Aber was ging war austauschen. Ich suchte mir einen Baumstumpf, der ungefähr das Gewicht der Kinder haben musste. Ich musste meine Teleportsperre fallen lassen. Der Baumstumpf erschien neben der Kugel. Jetzt nur noch den Tausch. Ich konzentrierte meine Magie und tauschte die Körper. Es klappte. Boreos Kind lag jetzt da wo der Stumpf war und kein Alarm war losgegangen. Da gleiche wiederholte ich mit dem anderen Kind. Vor mir lag ein Mädchen, mit Wolfsohren und einem Katzenschweif. Sie sah auch nicht gut aus.
„Ich habe sie. Wir ziehen uns zurück“, rief ich meinen Freunden zu, bekam aber keine Antwort.
Was war passiert? Warum antworteten sie nicht. Egal. Erstmal musste ich die Kinder in Sicherheit bringen. Sofort teleportiere ich sie ins Erdreich. Zu Kevin und den anderen Schamanen. Völlig verwirrt sahen sie mich an.
„Beschützte sie und wenn geht, heilt sie auch“, sagte ich und löste mich sofort wieder auf.
In Jaiken erschien ich wieder und sah mich um. Weder von meinen Freunden noch von Mei-Trian eine Spur. Verflucht. Ich lief den Gang entlang und versuche sie weiterhin in Gedanken zu erreichen. Doch ich kam nicht durch. Sie waren so konzentriert am Kämpfen, dass sie mich nicht bemerkten. Verflucht. Langsam drangen Kampfgeräusche zu mir durch. Ich erreiche sie und stellte mit Schrecken fest, das nur noch Chris auf den Beinen war. Leila und Emilie lagen am Boden und atmeten kaum noch. Er hatte sie getroffen und fast getötet.
„Warte, Bruder. Ich komme“, rief dich.
Doch er winkte ab.
„Hilf unseren Schwestern. Ich schaffe das schon.“
Ich nickte und lief zu Leila. Meine Magie untersuchte ihren Körper und zeigt mir ihre Wunden an. Die Heilung dauerte nicht lange und Leila sah mich an.
„Hast dir ja ganz schön Zeit gelassen“, sagte sie und ich lächelte.
„Schneller ging es nicht. Hilf Chris“, sagte ich und sie ging wieder in den Kampf.
Emilies Wunden waren weitaus schlimmer. Ihre verzauberte Rüstung hatte keinen Angriff abhalten können. So war sie seinen Angriffen schutzlos ausgeliefert gewesen. Er hatte ihr Herz verfehlt, aber andere Organe getroffen. Gut, das würde ein wenig länger dauern. Ich legte meine Hände auf ihren Bauch und begann sie zu heilen. Eine Wunde nach der anderen. Das konnte ich nicht beschleunigen.
„Kai, beeil dich“, rief Chris und landete neben mir.
Mei-Trian musste ihn erwischt haben. Er konnte aber noch kämpfen. Sofort sprang er wieder auf und rannte zu dem Gott zurück. Ich konzentrierte mich stärker und versuchte die Heilung zu beschleunigen. Doch keine Chance. Ein Körper konnte nicht schneller heilen, als er es gerade tat. Ein Blitz ging neben mir zu Boden und ich sah zu den Kämpfenden. Das war ein Querschlag. Chris hatte einen Schlag geblockt und Mei-Trian entwaffnet. Doch er hatte schon den nächsten Blitz in der Hand. Komm schon, Emilie. Atme wieder. Erneut eine Attacke. Noch knapper als die letzte. Mei-Trian machte es jetzt sogar absichtlich.
„Pass auf, Kai“, rief Leila und ich sah auf.
Ein Blitz kam auf mich zu. Ich unterbrach die Heilung und blockte die Attacke. Mei-Trian lachte und griff mich wieder an. Weiter und weiter. Chris und Leila kamen nicht an ihn heran. Jetzt musste ich eigentlich den Kampf aufnehmen. Doch Emilie war noch Verwundet. Ich brauchte mehr Zeit. Ein Blitz kam und ich ließ den Schild fallen. Meine Hand ging nach vorne und fing den Blitz ab und ich hielt ihn fest. Sofort warf ich ihn zurück und Mei-Trian fluchte. Er wich aus und sofort griffen Leila und Chris wieder an. Ich kümmerte mich um Emilie Wunden. Wären die Wunden nicht so tief, dann hätte ich auch gleichzeitig kämpfen können. Doch dafür waren die Wunden eindeutig tief. Langsam wurde es aber besser. Emilie atmete schon wieder normal und hatte kaum noch Schmerzen. Sie sah mich an und nickte.
„Danke“, sagte sie und ich lächelte.
„Ich konnte nicht zulassen, dass du nicht mehr nach Hause kommst. Vater würde mich umbringen“, scherzte ich.
„Hilf ihnen. Den Rest kann ich selbst machen“, sagte sie.
„Sicher?“
„Sehr sicher. Sie brauchen Hilfe, sonst kannst du gleich von vorne beginnen.“
Ich erhob mich und sah Mei-Trian an. Er stieß Leila zurück und blockte Chris Schlag. Gut. Jetzt würdest du auch meine Magie zu spüren bekommen. Eine Windklinge ging auf ihn zu. Chris bemerkte das aus dem Augenwinkel und sprang in die Luft. Der Gott sah ihm nach und wurde genau getroffen. Eine tiefe Wunde klaffte in seiner Brust. Er sah mich an und begann zu lachen. Die Wunde schloss sich wieder und es sah aus, als wäre nichts passiert. Verflixt. Das konnte doch nicht sein.
„Ihr könnte mich nicht besiegen, Kinder. Nicht solange ich die Kräfte eures Vaters habe“, sagte er und ich begann zu überlegen.
Diese Kräfte waren an etwas gebunden. Eine Halskette oder irgendwas. Es gab doch etwas, für den Himmel. Eine Wolke? Nein. Die Säule des Himmels. Das war ein kleiner Stab, den Mei-Trian irgendwo an seinem Körper tragen musste. Nur wo?
„Gebt auf. Wenn ihr mir helft, dann lasse ich euch leben“, sagte er und Emilie trat neben mich.
„Hast du einen Plan, Kai?“
Fragte sie und ich nickte.
„Er musst irgendwo die Säule des Himmels bei sich tragen. Wenn wir ihn davon trennen können, wird die Macht sofort zu Vater zurückkehren. Wir müssen sie nur finden“, sagte ich.
„Dann suchen wir doch mal.“
Emilie griff ihn wieder an. Er verteidigte sich. Chris und Leila griffen ebenfalls wieder an. Ich schloss meine Augen und analysierte seinen Körper. Die Blitze mussten von irgendwo herkommen. Wo? Wo nahmst du deine Macht her? Mei-Trian trug nicht viel Kleidung. Eigentlich nur einen Mantel. Da. In einer der Taschen. Das musste sie sein. Von dort kamen die Blitze. Ich zog meine Fächer und griff ebenfalls mit an. Mei-Trian war ein guter Kämpfer. Er wich unseren Schlägen aus, konterte und blockte, als wären wir totale Anfänger. Unmöglich eigentlich. Aber wenn die Säule ihm Macht gab, dann machte es Sinn. Mein Fächer ging erneut auf ihn zu und traf den Umhang. Genau, was ich wollte. Ich trennte einen Teil davon ab. Erstaunt schrie der Gott auf und sah sich den Schaden an. Leider hatte ich nicht den Teil getroffen, den ich eigentlich hatte treffen wollen. Die Säule war immer noch in seinem Besitz. Verflucht. Meine Geschwister wussten nicht genau, was ich vorhatte, aber sie begriffen wohl, dass dieser Angriff einen Sinn hatte.
„Netter Versuch, Shian Hi. Aber du wirst nicht gewinnen. Ich habe die Kräfte des Himmels fest im Griff, auch wenn du mir die Säule abnimmst“, sagte er und meine Geschwister sahen mich an.
War es wirklich möglich, dass man sich die Kräfte aus einem Artefakt herausnahm? So würde die Säule wirklich unsinnig werden. Das hätte Vater aber dann auch gemacht. Es sie denn, er kannte diesen weg nicht.
„Niemand kann die Kraft aus einem Artefakt nehmen. Nicht einmal ich.“
„Du hast es gemacht. Was denkst du, warum eure Kräfte nicht mehr an die Artefakte gebunden sind? Ohne deine Krone hättest du niemals deine Kraft benutzten können. Und? Du hast es dennoch getan. Deine Geschwister haben ihre Artefakte nicht einmal und können trotzdem ihr volles Potenzial ausschöpfen. Das ist nicht viel, aber sie können es.“
„Nicht viel? Es reicht um dich in Bedrängnis zu bringen“, sagte Leila und er lachte.
„Ich spiele doch nur mit euch. Meine Verbündeten werden bald hier sein.“
„Die werden dir auch nicht helfen, glaub mir“, sagte Chris und seine Schwerter blitzen auf.
„Oh bitte. Ich werde diese Kräfte niemals wieder abgeben“, sagte er und wollte gerade angreifen, als Vater vor uns erschien.
„Wir müssen weg. Sofort“, sagte er und sah uns eindringlich an.
„Aber“, begann ich doch er würgte mich ab.
„Keine Wiederrede. Wir müssen sofort weg.“
Ich nickte und reichte meinen Geschwistern die Hand. Auch unserem Vater. Sofort lösten wir uns auf und ließen Mei-Trian alleine. Ob er noch etwas sagte oder machte wusste ich nicht. Im Erdreich erschienen wir. Vor uns standen die Schamanen. Kevin kniete gerade vor Boreos Sohn und versuchte ihn zu heilen. Andre kümmerte sich um das andere Kind. Die Wunden waren zum größten Teil geschlossen. Nichts schlecht. Andre kam auch weiter. Nur Kevin nicht. Ich ging zu ihm und nahm seine Hände.
„Ich helfe dir“, sagte ich und sah mir genau an, woran es haperte.
Ah. Er musste ein Auge ersetzten. Das war nicht leicht. Mei-Trian war wirklich grausam. Er hatte den Jungen verstümmelt. Ihm sein Augenlicht genommen und beinahe alle Knochen gebrochen. So ein Schwein. Meine Magie begann zu arbeiten und heilte alle Körperteile des Jungen. Als ich fertig war, ließ ich Kevin los und sah ihn an. Er wirkte erschöpft. Natürlich. Heilen war nicht leicht und brauchte ziemlich viel Magie. Zum Glück hatte ich die.
„Alles gut?“, fragte ich und er nickte.
„Nur erschöpft. Das ist alles.“
„Du hast wunderbare Arbeit geleistet. Wirklich gut. Das hätte ich gar nicht erwartet.“
„Trotzdem habe ich deine Hilfe gebraucht.“
„Ein Auge zu ersetzten, ist mehr als schwer. Dafür musst du genau die magische Struktur kennen. Ansonsten hättest du alles alleine geschafft. Ich habe nichts Anderes von dir erwartet.“
Er lächelte verlegen und lehnte sich an meine Brust. Sofort entspannte er sich und begann ruhig und gleichmäßig zu atmen. Meine Güte, war er erschöpft. Er war sofort eingeschlafen.
„Du warst gut, Kai“, sagte Leila und ich sah sie an.
„Nicht gut genug. Ich wünschte, ich hätte mehr machen können.“
„Noch mehr? Du hast Emilie und mir das Leben gerettet. Die Kinder befreit und geheilt. Mei-Trian beinahe seiner Kraft beraubt. Was willst du noch?“
„Ich hätte ihn besiegen müssen“, sagte ich und sie lachte.
„Nein, mein Sohn. Das hättest du nicht“, sagte Issyl und kam zu uns.
„Aber Vater“, begann ich doch er winkte ab.
„Ich bin gekommen, weil er Chun Ji gerufen hat. Wäre sie gekommen, dann hättet ihr eure zwei stärksten Feinde gleichzeitig gegen euch gehabt. Das hättet ihr damals schon nicht geschafft. Jetzt auch nicht. Also war es gut, was ihr gemacht habt. Wirklich gut.“
Ich nickte nur. Es war gute Arbeit gewesen. Das wollte ich mir nur nicht so ganz eingestehen. Egal. Boreos Sohn öffnete seine Augen und sah mich an.
„Onkel Shian Hi“, sagte er und streckte mir seine Arme entgegen.
Onkel? Was hatte ich verpasst? Moment. Doch da war die Erinnerung. Bei seiner Geburt war ich dabei und hatte auch geholfen, ihn zu verstecken. Ich hatte ihn mit in meine Höhle genommen und über ihn gewacht, damit keiner ihm schaden konnte. Letztlich war es mir aber dann irgendwann nicht mehr möglich gewesen. Ich teleportierte Kevin in unser Bett und nahm dann meinen Neffen auf den Arm.
„Keine Sorge, mein Kleiner. Ich bin da“, sagte ich und er klammerte sich an meinen Hals.
„Papa hat gesagt du würdest vielleicht nie wiederkommen. Aber ich wusste, du würdest nicht sterben. Niemand kann dich besiegen.“
Kinder. Sie waren so schön naiv.
„Natürlich nicht. Ich bin der stärkste Magier aller Zeiten. Dieser böse Mann wird dir nichts mehr tun.“
„Er ist böse, Onkel. Wirklich böse. Ich hatte große Angst.“
„Aber du hast ganz tapfer durchgehalten. Ich bin sehr stolz auf dich.“
„Mama hat immer gesagt, ich sei viel zu zäh, als das ich aufgeben würde.“
Da hatte sie Recht. Dieser Junge steckte so voller Lebensfreude, dass es mich erstaunte. Aber eins wunderte mich. Er war kein Dämon. Nicht einmal ein halber. Dabei waren doch beide seiner Eltern Dämonen.
„Aqurilana“, rief ich und der Fuchs erschien vor mir.
Sie wollte etwas sagen, als sie erstarrte.
„Borian“, sagte sie und Tränen füllten ihre Augen.
„Mama“, sagte er und wollte zu ihr.
Aqurilana nahm ihn auf den Arm und drückte ihn fest an sich.
„Ich habe mir solche Sorgen gemacht“, sagte sie.
„Onkel Shian Hi war da und hat mich beschützt. Die ganze Zeit.“
Sie sah mich an.
„Danke, Kai. Ich schulde dir wirklich viel“, sagte sie und ich winkte ab.
„Es war nichts. Ich bin nur froh, dass es ihm gut geht.“
„Sekama, Ignisia. Kommt her“, rief sie und sofort erschienen die zwei.
„Was ist?“, fragte die Katze und sah ihre Tochter.
„Ikama“, sagte sie und das Mädchen lief zu ihr.
„Mama.“
Auch die Katze drückte ihr Kind fest an sich.
„Ich dachte ich hätte dich verloren.“
„Niemals. Ich gebe nicht auf.“
Sekama ging zu ihnen und drückte seine Tochter ebenfalls.
„Danke, Freunde. Ihr habt uns viel gegeben. Leider können wir es euch nicht mehr zurückgeben“, sagte er.
„Das könnt ihr. Indem ihr wieder Schutztiere werdet“, sagte Emilie.
„Würden wir machen. Aber ungern in unserer Tiergestalt“, antwortete Sekama.
„Wo ist das Problem?“
„Dämonen dürfen nicht über die Reiche wachen.“
„Aber eure Kinder sind keine Dämonen“, sagte ich und sie sahen mich an.
„Woher weißt du das?“, fragte Aqurilana.
„Ich kann es spüren. Ihre Aura ist menschlich. Sie sind keine Dämonen. Also gehe ich davon aus, dass ihr auch keine vollständigen Dämonen mehr seid.“
„Wir haben einiges an Kraft eingebüßt, als wir Schutztiere geworden sind. Das Stimmt schon. Und wir sind nur noch halbe Dämonen. Diese Form jedoch, ist unsere dämonische. So können wir die Reihe nicht beschützen“, sagte Sekama und ich überlegte kurz.
„Verwandelt euch. Ich habe eine Idee“, sagte ich und sie gehorchten.
Die Tiere traten vor mich und sahen mich an. Ich legte Aqurilana meine Hand auf den Kopf und sofort verschwand ihr Fell. Sie nahm ihre menschliche Form an, ohne dass sie ein Dämon wurde. Erstaunt richtete sie sich auf und sah mich an.
„Hat es geklappt?“, fragte sie und ich nickte.
„Versuch einen dämonischen Zauber zu wirken. Es wird nicht klappen“, sagte ich und sie versuchte es.
Tatsächlich ging es nicht. Erfreut sprang sie mir um den Hals.
„Danke, Shian Hi. Vielen Dank.“
Sie ließ mich wieder los und nahm ihren Sohn wieder hoch. Ich wiederholte die Prozedur bei den anderen zwei auch und die Schutztiere waren jetzt menschlich.
„Sehr gut gemacht, mein Sohn“, sagte Vater und klopfte mir auf die Schulter.
„Danke, Vater.“
„Ich muss wieder gehen. Seid auf der Hut. Chun Ji wird jetzt in Alarmbereitschaft sein.“
Damit löste er sich auf und ließ uns alleine.
„Ich muss nochmal los“, sagte ich und wollte gehen, als Leila mich aufhielt.
„Du gehst aber nicht los, um Mei-Trian erneut herauszufordern, oder?“
Ich sah ihr tief in die Augen.
„Nein. Natürlich nicht. Ich möchte etwas ausprobieren, in meinem Zimmer. Ach so nebenbei, Chris. Habt ihr einen Diamanten oder sonst einen Edelstein, den ihr nicht mehr braucht?“, fragte ich und er nickte.
„Klar haben wir das. Hier.“
Er reichte mir einen Rubin und ich nickte. Damit ging ich dann in mein Zimmer. Kevin schlief tief und fest. Ich legte den Rubin auf meinen Tisch und nahm dann das Fragment von Boreos Herzen. Ich legte die beiden aufeinander und es nahm seinen Lauf. Boreos Herz verschlang den Rubin und wurde wieder eins mit ihm. Ich nahm den Rubin und legte ihn auf den Boden. Langsam bildete sich Boreos Körper um ihn herum. Es dauerte einige Zeit und er lag vor mir. Ich prüfte seinen Körper und stellte fest, dass er wieder völlig gesund war. Sehr gut. Bevor er aufwachen würde, machte ich aus ihm einen Menschen. Es dauerte nicht lange und er öffnete seine Augen. Er wollte etwas sagen, doch ich hielt ihm den Mund zu. Ich zeigte auf Kevin und er nickte. Zusammen verließen wir das Zimmer und ich schloss die Türe.
„Danke, Shian Hi“, sagte er und fiel mir um den Hals.
„Boreos, bitte. Ich musste dich retten. Kein Dämon ist von Grund auf böse.“
Tränen standen in seinen Augen.
„Woher wusstest du eigentlich, dass ich mir ein neues Herz machen konnte?“
„Nun ja. Ich habe in dem Gespräch geblufft. Ob das klappte oder nicht, war mir nicht klar. Dass ich dieses Fragment behalten habe, lag einfach daran, dass ich eine Erinnerung an dich haben wollte.“
„Gut geblufft.“
„Danke.“
„Ich werde mich dann wieder in meine nicht dämonische Form verwandeln, damit ich wieder meiner Arbeit nachgehen kann“, sagte er und versuchte sich zu verwandeln.
Doch natürlich geschah nichts.
„Wieso geht das nicht? Kann ich nicht mehr meine Gestalt wechseln?“, fragte er und ich lächelte.
„Diese Formen unterscheiden sich nicht mehr voneinander. Bevor du aufgewacht bist, habe ich dafür gesorgt, dass du als nicht Dämon über die Reiche wachen kannst. Deine Geschwister wollten es schon nicht und dann dachte ich mir, mache ich dir das gleiche Geschenk.“
„Danke, Kai. Ich weiß nicht, wie ich dir das vergelten kann.“
„Sei einfach du selbst. Wie kommt es eigentlich, dass ich Onkel bin? Ich bin doch gar nicht in deiner Familie.“
„Eigentlich auch nur Patenonkel. Aber eigentlich bist du wie mein Bruder. Deswegen haben wir Borian gesagt, du wärst sein Onkel. Wir sollten auch dabeibleiben, erstmal.“
„Ist gut. Ich denke, deine Frau ist noch im Thronsaal vielleicht solltest du zu ihnen gehen“, sagte ich und er lief davon.
Zufrieden sah ich ihm nach. Das Haus war still und ich war selbst ziemlich erschöpft. Ich öffnete die Türe, betrat den Raum und schloss die Türe wieder. Meine Rüstung legte ich neben das Bett und legte mich dann neben Kevin. Instinktiv legte er sofort seinen Arm um mich. Es dauerte nicht lange, da schlief ich auch tief und fest.
Wie Kai gesagt hatte, stand meine Frau noch im Thronsaal. Zusammen mit den Schamanen und seinen Geschwistern. Sie hatte meinen Sohn auf dem Arm. Kai hatte ihn auch geheilt. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er ziemlich mitgenommen. Keiner beachtete mich, bis ich neben meiner Frau stand.
„Hallo, Schatz“, sagte ich und sie ließ beinahe unseren Sohn fallen.
„Boreos“, flüsterte sie und ich nickte.
„Papa“, rief mein Kleiner und versuchte mir auf den Arm zu klettern.
„Hallo, Großer. Meine Güte bist du gewachsen“, sagte ich und stupste seine Nase an.
„Wie ist das möglich, Boreos? Ich habe gesehen, wie man dich getötet hat.“
Ich griff meinen Sohn erstmal und drückte ihn. Dann ließ ich ihn ein wenig locker und sah meine Frau an.
„Shian Hi hat einen Teil meines Herzen behalten. Als er ihn mit einem Rubin zusammengebracht hat, konnte ich ein neues Herz machen. Deswegen bin ich jetzt hier.“
„Das ist wunderbar.“
Sie kam näher und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Wo ist Kai?“, fragte Emilie mich und ich sah sie an.
„Ich denke, er hat sich hingelegt. Er sah ziemlich fertig aus“, antwortete ich und sie nickte.
„Er hat auch ziemlich viel Magie benutzt. Es wundert mich nicht, dass er ziemlich müde ist.“
„Ich hoffe, es hat euch nicht allzu viel Mühe gemacht.“
„Mühe? Nein. Kai hat die Arbeit gemacht. Wir haben nur Mei-Trian abgelenkt. Leider konnten wir ihn nicht besiegen“, sagte Chris.
„Ich danke euch allen, dass ihr uns geholfen habt, unsere Kinder wieder zu bekommen.“
„Wir sind froh, dass wir helfen konnten“, sagte Leila und lächelte.
„Wir sollten wohl auch erstmal schlafen gehen“, sagten sie und verließen den Thronsaal.
Ich sah ihnen nach und dann wieder meinen Sohn an. Es tat gut, ihn wieder in den Händen zu halten. Damals konnte ich nur selten zu ihm gehen, da ich im Windreich immer gebraucht wurde. Jetzt würde das auch nicht anders werden. Wir waren immer noch Schutztiere. Als solche verpflichtet dazu, in den Reichen zu leben, die wir beschützten. Also musste Aqurilana ins Wasserreich und ich wieder ins Windreich. Dann würden wir uns wieder nur sehr selten sehen. Ich zog sie nochmal zu uns und küsste sie. Auch wenn sie meine Schwester war, war sie unheimlich attraktiv.
„Bald ist es wieder vorbei mit unserer Familie“, sagte ich und sie nickte traurig.
„Ich werde zurück ins Wasserreich gehen und du ins Windreich. Ob uns das gefällt oder nicht.“
„Aber ich will nicht, dass ihr wieder geht. Onkel Shian Hi muss bestimmt wieder gehen und dann bin ich alleine“, sagte Borian und ich musste lächeln.
Klar wollte er, dass unsere Familie zusammenblieb. Aber das war einfach nicht möglich. Wenn wir als Schutztiere arbeiten mussten, konnten wir nicht irgendwo sein. Und ihn zwischen uns hin und her zu geben, war auch keine Lösung.
„Es wird wohl nicht anders gehen“, sagte ich und meine Geschwister kamen zu mir.
„Eigentlich tragisch, dass wir nicht zusammenleben können“, sagte Ignisia und ich nickte.
Sie wollten ihre Tochter genauso wenig wieder in die Obhut von Shian Hi geben, wie wir. Aber was blieb uns denn übrig?
„Vielleicht solltet ihr mal mit Onkel Shian Hi reden. Er kann bestimmt etwas machen“, sagte Ikama und wir mussten alle lachen.
Sie war genau wie ihre Mutter.
„Onkel Shian Hi kann nicht alles lösen“, sagte ich und strichelte ihr über den Kopf.
„Aber Opa Issyl, oder?“, fragte Borian.
Issyl? Eigentlich gar keine schlechte Idee.
„Issyl, kommst du mal bitte?“, fragte ich und der Gott erschien vor uns.
„Ihr wünscht? Oh, Boreos. Dich habe ich hier nicht erwartet.“
„Eine andere Geschichte. Hör mal, wir sollen wieder als Schutztiere arbeiten, aber wollen unsere Familien nicht trennen.“
„Und jetzt wollt ihr von mir wissen, ob ihr nicht zusammen in einem Reich leben könnt? Entschuldige, auch als Göttervater liegt das nicht bei mir.“
„Wer kann das denn entscheiden?“, fragte Aqurilana.
„Es gibt vier Götter, die für unsere Reiche zuständig sind. Ihr müsst sie Fragen.“
Damit löste er sich wieder auf und ließ und alleine.
„Sag mir bitte nicht, dass wir Mi-Lan und ihre Geschwister fragen müssen“, sagte Sekama und ich nickte.
„Scheint so.
„Götter der Reiche erscheint uns“, sagte ich und setzte meinen Sohn ab.
Vor uns erschienen Mi-Lan und ihre Geschwister.
„Sieh an. Die Dämonen, die nicht töten wollen. Was wollt ihr?“, fragte Shizude herablassend.
Wäre Shian Hi jetzt hier, dann hätte er sie dafür direkt getadelt. Aber das war er ja leider nicht.
„Wir sollen wieder als Schutztiere arbeiten, wollen aber unsere Familien nicht länger hintenanstellen.“
„Ihr wollt fragen, ob ihr euch unabhängig von den Reichen aufhalten könnt? Ausgeschlossen. Wir brauchen euch direkt dort, wo die Entscheidungen getroffen werden“, sagte Mi-Lan und löste sich sofort wieder auf.
Die anderen ebenso. Fassungslos standen wir da und konnte nicht genau verstehen, was gerade passiert war.
„Meinen die das ernst?“, fragte Ignisia und ihre Haare begannen zu brennen.
„Offenbar“, antwortete Sekama und sie explodierte.
Ihr Temperament war nicht zu bremsen. Wenn sie einmal in Fahrt war, dann konnte man nur im Deckung gehen.
„Ich werde morgen mit Shian Hi reden. In dieser Sache ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, sagte ich und meine Frau nickte.
„Vielleicht bekommt er ein wenig Vernunft in die Köpfe der Götter.“
Ihr Wort in Shian His Ohren. Eigentlich war er immer sehr überzeugend und hat sich für unsere Bedürfnisse eingesetzt. Deswegen war er auch ein Teil unserer Familie und der Onkel unserer Kinder. Keiner von uns wurde von ihm benachteiligt. Er behandelte uns wie seine Brüder und Schwester. Außer Kevin. Er war mehr, als wir. Das verstanden wir alle und es war auch richtig so. Aber was die Götter gerade getan hatten, war wirklich nicht nett. Sie behandelten uns wie Dinge. Damals hatten wir freiwillig Beschlossen, dass wir die Reiche beschützen wollten. Doch unter diesen Umständen konnten sie jegliche Hilfe vergessen.
„Na gut, kommt. Hier trübselig herum zu stehen, wird uns nicht weiterbringen. Gehen wir ein wenig nach draußen“, sagte ich und unsere Kinder rannten freudig voraus.
Wir folgten ihnen. Auch wenn der Mond am Himmel stand. Wir brauchen ja keinen Schlaf.
Diese Nacht war irgendwie anders. Ich wusste, dass es keinen Vollmond gab und trotzdem konnte ich nicht schlafen. Was war mit mir los? Kevin hatte sich nicht mehr gerührt, seit ich mich neben ihn gelegt hatte. Hier zu liegen würde mir nicht weiterhelfen, wenn ich nicht schlafen konnte. Vorsichtig erschuf ich einen Doppelgänger und zog mich aus dem Bett. Kevin bekam davon nichts mit. Zufrieden zog ich mir leichte Seidenkleidung an und schlich mich nach draußen. Die Nachtluft war klar und kalt. Sogar unheimlich kalt. Leichter Frost bildete sich auf den Dächern. Fell wäre jetzt nett. Sofort wuchs mir ein leichtes Tigerfell. Warum nahm ich nicht eigentlich meine Wolfsgestalt an? Die hatte Fell. Das war dann meine zweite Idee, die ich in die Tat umsetzte. Als Werwolf war das Wetter angenehm. Ich ging umher und versuchte aus dem Sichtfeld der Soldaten zu bleiben. Obwohl das eigentlich nicht nötig sein sollte. Es störte mich nicht, denn viele Soldaten waren nicht unterwegs. Ich erreichte die Tempelmauer und ging die Stufen hinauf. Oben stand ein Soldat und sah mich an.
„Guten Abend, Meister“, sagte er und verneigte sich.
„Wegtreten, Soldat“, sagte ich und er ging.
Ging doch. Das man erst für sowas sterben musste, war eigentlich unnötig. Aber so war die Welt. Ich sah auf die Stadt herunter und war überwältigt davon, wie friedlich sie war. Bis auf zwei kleine Schatten, die über die Dächer tanzten. Ich sah genauer hin, konnte aber nichts erkennen.
„Wunderschön, oder?“, fragte Boreos und trat neben mich.
Auf seinem Körper war auch eine Fellschicht erschienen, damit ihm nicht kalt wurde.
„Sehr schön sogar. So viel Frieden“, sagte ich und sah ihn an.
„Bis auf zwei kleine Monster, die Spaß daran haben auf den Dächern herum zu tollen.“
„Sie waren schon immer voller Energie“, antwortete ich und sah wieder auf die Dächer.
„Shian Hi, was du heute getan hast, war mehr als Mutig.“
„Es war nicht genug. Ich hätte Mei-Trian besiegen müssen.“
„Dazu seid ihr noch nicht in der Lage. Lass den Dingen ihren Lauf. Ich bin mir sicher, dass du genau weißt, dass sich dieses Problem von alleine aus der Welt schaffen wird.“
„So gerne ich das glauben würde, es wird nicht passieren. Wer sollte ihn denn aufhalten, wenn nicht wir? Das geht nicht.“
„Vergiss nicht Chun Ji und ihre Schwestern.“
„Ich kann nicht riskieren, dass sie in den Besitz des Himmels kommen. Wenn das passiert, haben wir keine Chance.“
„Denkst du wirklich, dass Mei-Trian keine Vorkehrungen getroffen hat? Die Kräfte wird er nicht mehr abgeben. Zumindest nicht an Chun Ji. Sie ist sauer auf ihn. Solange ihr noch in ihrer Reichweite seid, haben die beiden einen gemeinsamen Feind. Deswegen wird sie ihn nicht töten.“
„Ein Grund mehr, ihn aus den Weg zu räumen. Wenn er in den Kampf gegen Chun Ji eingreift, dann haben wir ein ernstes Problem.“
„Er macht sich nicht die Hände Schmutzig. Das ist gar nicht seine Art.“
„Boreos, ich mache mir Sorgen. Auch mit meinem gesamten Wissen, kann ich ihn nicht besiegen. Was soll ich nur tun?“
„Habe Vertrauen in die Zukunft. Glaube und Hoffe.“
„Das sind aber irrationale Gedanke. So darf ich gar nicht denken. Es wäre gegen meine Lebenseinstellung.“
„Manchmal ist es weiser, seine Idealen zu verändern, als an alten Idealen festzuhalten. Das Leben ist voller Veränderungen, Shian Hi. Auch du kannst nicht ständig in der Vergangenheit leben. Entwickle dich weiter.“
„Aber logisch gesehen“, begann ich doch er würgte mich ab.
„Nicht alles kann mit Logik erklärt werden. Sollte es für dich logisch sein, so zu leben wie immer, dann wirst du bald hinter allem herrennen. Jeder entwickelt sich weiter. Mach nicht den Fehler und bleibe stehen.“
„Ich bin nicht mehr der, der ich mal war.“
„Nein, Shian Hi. Du bist genau der, der du immer warst. Jetzt sei der, der du sein willst. Zeig der Welt, was du wirklich sein kannst, wenn du willst.“
„Diesen Shian Hi gibt es nicht. Kai war vielleicht so.“
„Willst du deinen Charakter an deinem Namen oder einer Person festmachen? Warum bist du dann nicht Kai? Du hast ihn immerhin erschaffen.“
„Nur um von mir abzulenken. Er war schwach und verletzlich.“
„Und dennoch hat er seinen Weg gefunden und dir deine Erinnerungen zurückgebracht. Du bist dieser Junge, den alle nur Kai nannten. Aber willst es dir nicht eingestehen.“
„Boreos, du kennst meine verletzliche Seite. Aber weder meine Geschwister noch sonst wer, weiß wer ich wirklich bin.“
„Ich kenne wen, der genau weiß, wie du bist.“
„Kevin darfst du nicht zählen. Wir sind seit fünftausend Jahren verheiratet.“
„Ach ja, nebenbei. Hier ist sein Ehering“, sagte er und reichte mir einen Goldring, der genau wie meiner aussah.
„Wo hast du denn den gefunden?“
„Den hat er mir gegeben. Bevor Chun Ji hier ankam und dein Zauber eingesetzt hat. Damit er ihn nicht verliert oder wegwirft, wenn er dich vergisst. Ihm war es wirklich wichtig, ihn zurück zu bekommen.“
Ich sah mir den Ring genau an. Genau wie bei meinem, standen unsere beiden Namen in seinem Innern, mit dem Datum. Die Windböen, waren so schön filigran, dass es schon fast unmöglich schien sie anzufassen.
„Ich wünschte, er wüsste es.“
„Was?“
„Bevor wir untergetaucht sind, habe ich für ihn etwas hinterlassen. Ich konnte seine Erinnerungen nicht retten. Was es genau war, weiß ich nicht mehr. Auch nicht, wo ich es versteckt habe. Ich wünschte er könnte sich an uns erinnern.“
„Aber ihr habt doch jetzt auch viele schöne Erinnerungen.“
„Natürlich. Sehr viele schöne Erinnerungen. Aber gestern war unser fünftausendster Hochzeitstag. Und er konnte sich nicht daran erinnern. Fünftausend Jahre sind völlig vergessen“, sagte ich und er sah zu Boden.
„Vielleicht sollte es so sein.“
Ich nickte und sah wieder zu meinem Neffen.
„Sie haben wirklich viel Energie.“
„Zu viel, wenn du mich fragst.“
„Es sind Kinder, Boreos. Sie haben immer viel Energie.“
„Manchmal stört es aber eher. Zum Glück müssen wir nicht schlafen.“
„Ich werde nie Kinder haben.“
„Vielleicht doch. Die Wege des Lebens sind manchmal nicht zu verstehen. Ihr seid Götter, Shian Hi. Wenn du ein Kind haben willst, erschaffst du dir eins.“
„Aber das ist nicht das gleiche. Dann würde er weder mir, noch Kevin ähnlichsehen.“
„Du machst dir eindeutig zu viele Sorgen, Shian Hi. Sei nicht immer so pessimistisch.“
„Ich bin nur realistisch. Situation analysieren und dann reagieren.“
„Überdenk mal deine Ansichten, Shian Hi. Dann reden wir weiter.“
Ich lächelte. Boreos kannte mich wirklich gut. Das war eigentlich schon erschreckend. Aber so war es schon immer. Er war mein Bruder. Zumindest eher, als Chris oder Senka. Meine Familie waren nur meine Eltern, Kevin und Boreos, zusammen mit seinen Geschwistern. Schon traurig, dass wir Geschwister nicht gut auskamen. Emilie, Leila und Chris waren ja noch in Ordnung. Aber meine arroganten Geschwister, die dachten sie wären die größten, weil sie über die Reiche wachten, gingen gar nicht. Mi-Lan hatte uns in der Schlacht ausgeholfen, aber auch nicht wirklich lange. Nach drei oder vier Pfeilen war sie wieder verschwunden und hatte Leila alleine gelassen. Schwach und arrogant, das waren meine Geschwister.
„Ach übrigens, ich habe mit deinen Geschwistern gesprochen. Wir wollen unsere Familien nicht mehr trennen müssen. Also wollten wir Zentral irgendwo in einem Reich oder auch gerne im Neutralen Gebiet leben und nur kommen, wenn man uns wirklich braucht.“
„Da sehe ich keine Probleme bei. Und warum sagst du mir das? Meine Geschwister sind für die Reiche zuständig.“
„Wir haben sie gefragt. Sie sind der Ansicht, dass wir immer vor Ort sein müssen. Rund um die Uhr. Ihnen ist unsere Familie egal.“
Ich sah in seine Augen und eine gewisse Traurigkeit. Er hatte viele Jahre seines Lebens geopfert, um Schutztier zu sein. Sogar seinen Sohn hatte er in meine Obhut gegeben, damit er die Zeit hatte, seine Aufgabe auszuführen. Und jetzt wollten meine Geschwister ihm nichts zurückgeben? So etwas ging gar nicht. Boreos und seine Geschwister hatten so viel für die Reiche getan, dass es langsam an der Zeit war, ihnen etwas zurück zu geben. Die konnten was erleben.
„Ich rede nochmal mit ihnen. Es wird kein Problem sein, denke ich.“
Er nickte und entspannte sich ein wenig. Die zwei Schatten über den Dächern kamen zurück und Borian landete vor uns. Neben ihm stand Ikama. Sie hatten sich ganz schön verausgabt.
„Onkel, Shian Hi. Magst du nicht mitspielen?“, fragte er und ich lächelte.
„Nein, mein Kleiner. Ich bin schon zu alt für sowas“, sagte ich und er sah enttäuscht aus.
„Für Spielen ist man nie zu alt“, sagte Boreos und ich musste lachen.
In meiner Hand bildete sich ein Wasserballon. Ohne, dass er das sah, holte ich aus und traf genau seinen Hinterkopf. Sofort ergoss sich das Wasser über ihn und er sah mich an. Ich tat so, als wäre nichts gewesen und zeigte auf seinen Sohn.
„Du lügst sehr schlecht Shian Hi“, sagte er und sprang auf mich zu.
Er begrub mich unter sich und begann mich zu Kitzeln. Borian und Ikama halfen ihm. Sie kamen nur schwer durch mein Fell durch. Dennoch lachte ich. Nicht weil es kitzelte, sondern weil ich Spaß hatte. So lagen wir da und hatten Spaß. Doch plötzlich spürte ich etwas ziemlich Unheimliches. Eine kalte und mächtige Aura. Ein Dämon. Sofort hörte ich auf zu lachen und sah Boreos in die Augen. Ihm schien auch aufgefallen zu sein, dass etwas nicht stimmte. Sofort sprang er auf und zog die Kinder zu sich. Ich erhob mich und wurde wieder zum Menschen. Naja zumindest halb. Mein Fell behielt ich. Über die Mauer waberte Nebel und ein Schatten kam auf uns zu. Boreos trat noch weiter zurück,
„Ich muss sagen, dass es mich doch sehr erstaunt, wie viel Spaß man haben kann, wenn man dem Tod geweiht ist“, sagte eine Frau und trat aus dem Nebel.
Das war Krisilana. Die Schamanin des Eises. Eine von Chun Jis Schwestern. Sie trug ihre Eisrüstung, die sie edel und gleichzeitig furchterregend aussehen ließ. Ihre Haare waren blau und ziemlich lang. Wenn Schönheit eine Personifikation hatte, dann waren es diese Schwestern. Sie konnten einen Mann schneller um den Finger wickeln, als Leila.
„Krisilana“, sagte ich und sie nicke.
„Lange nicht gesehen, Shian Hi. Deine Barrieren konnten uns nicht ewig aufhalten. Dessen warst du dir hoffentlich damals schon bewusst.“
„Das ich euch nicht das letzte Mal gesehen hatte, war mir schon klar. Leider hatte ich gehofft, dass ihr nicht so schnell freikommen würdet.“
„Es war ja deine eigene Schuld, von dem was Chun Ji gesagt hat.“
„Richtig. Aber was passiert ist, ist passiert. Jetzt stehen wir uns wieder gegenüber. Willst du mich sofort angreifen?“, fragte ich doch sie winkte nur ab.
„Alleine brauch ich dich nicht anzugreifen. Auch wenn ich eine Göttin bin, bin ich nicht stark genug, zwei Götter zu besiegen. Ich bin auf Befehl von Chun Ji hier. Sie verlangt, dass ihr Wasser und Windreich wiederaufbaut und besiedelt“, sagte sie und Boreos flüsterte mir etwas zu.
„Was wollen sie denn damit bezwecken?“, fragte er und ich lächelte.
„Chun Ji ist immer noch Schamanin. Auch wenn ich Kevin eigentlich wiedereingesetzt habe, hat sie nie abgedankt oder ist gestorben. Also ist sie mit dem Reich verbunden. Wenn es dort keine Menschen gibt, dann ist ihre Kraft nicht vollständig einsatzbereit. Deswegen wollen sie die Reiche wiederhaben. Tut mir leid, Krisilana. Das können wir nicht machen. Im Windreich steht kein Stein mehr auf dem anderen. Es wieder aufzubauen würde Jahrzehnte dauern“, sagte ich und sie lachte.
„Für dich ist das doch kein Problem, Shian Hi. Mit deiner Kraft kannst du diese Stadt doch innerhalb weniger Minuten wiederaufbauen.“
„Und dann nicht mehr gegen euch Antreten. Vergesst es.“
„Du verstehst nicht. Wir haben unsere Wege. Vielleicht willst du ja deinem Freund erklären, warum er bald nicht mehr lebt“, sagte sie und meine Gedanken wanderten zu Kevin.
Er lag noch im Bett und schlief. Keiner war dort.
„Ihr habt keinen Einfluss auf ihn. Er steht unter meinem Schutz. Meine Magie beschützt ihn“, sagte ich und sie nickte.
„Trotzdem wäre es tragisch, wenn ihm etwas zustoßen würde.“
„Wenn ihr ihn anrührt, dann werdet ihr schneller eurem Schöpfer gegenübertreten, als euch das lieb ist. Also lasst ihn aus dem Spiel.“
„Beruhig dich, Shian Hi. Chun Ji möchte dich nicht wütend machen. Also gut. Ihr kennt unsere Forderungen, erfüllt sie zeitnah, sonst werden wir unsere Armee auf euch hetzen“, sagt sie und verschwand wieder.
„Wer war das?“, fragte Borian.
„Eine ganz böse Frau. Sie wird dir aber nichts tun können“, sagte ich und er sah mich an.
„War sie der Grund, warum du gehen musstest?“, fragte er.
„Ja. Ein Grund war sie. Aber diesmal nicht. Wir werden sie diesmal zu uns kommen lassen und dann besiegen. Ihr braucht euch überhaupt keine Sorgen zu machen“, sagte ich.
„Das hast du damals auch gesagt.“
Seine Stimme klang ziemlich enttäuscht. Hatte ich ihm das damals wirklich gesagt? Dann würde er es mir diesmal auf jeden Fall nicht glauben.
„Ich bringe euch besser nach Hause, Kinder. Shian Hi, ich vertraue darauf, dass du nichts Dummes machst, während ich weg bin“, sagte er und verschwand.
Ich blieb alleine auf der Mauer zurück. Was sollte ich denn dummes machen? Mir fiel gar nichts ein. Egal was ich machen würde, führte immer zu einem größeren Ziel. Aber dafür war noch keine Zeit. Die Sonne ging auf. Zaghaft blinzelte sie über den Horizont und tauchte den Himmel in ein rotes Licht. Die wenigen Wolken färbten sich ebenfalls rot. Es war wunderschön. Aber kalt war es trotzdem.
„Morgen, Bruder“, sagte Leila und trat neben mich.
Sie war in einen dicken Mantel gepackt und sah so aus als wäre ihr immer noch kalt.
„Gut geschlafen?“, fragte ich doch sie schüttelten nur ihren Kopf.
„Das Bett hier ist mir zu hart.“
„Vielleicht ist die Matratze ja mit Steinen gefüllt.“
„Das traue ich nicht einmal unserem Bruder zu. Du würdest deine Matratzen bestimmt mit Luft füllen.“
„Nein. Wolken sind viel weicher und weitaus angenehmer.“
„Spinner“, sagte sie und ich nickte.
„Richtig. Das bin ich.“
„War irgendwas Interessantes bis jetzt?“
„Krisilana hat mal eben vorbeigeschaut.“
„Die schwächste der Schwestern?“
„Zumindest die friedlichste. Sie fordern, dass wir Wind und Wasserreich wieder besiedeln, damit sie ihre Kräfte wie vollständig haben.“
„Verrückt. Mit welchem Druckmittel?“
Ich schwieg und sah zu dem Haus.
„Kevin? Das wagen sie sich nicht.“
„Ich fürchte schon. Aber ich habe Vorkehrungen getroffen. Wenn sie ihm auch nur ein Haar krümmen, werden sie keine Welt mehr zum Erobern haben, sollten sie die Katastrophe überleben.“
„Du würdest die Welt zerstören?“
„Nicht direkt zerstören. Aber, ja doch irgendwie schon.“
„Dann hoffe ich, um unser aller Willen, dass sie nicht an ihn herankommen.“
„Ihre Entscheidung. Ich habe sie gewarnt. Wir sollten vielleicht nochmal mit unseren Geschwistern sprechen, die für unsere Reiche zuständig sind. Boreos und seine Geschwister wollen ihre Familien nicht wieder zerreißen und deshalb zusammenleben. Aber unsere Geschwister sind der Ansicht, dass sie immer in den Reichen sein müssen.“
„Warum? Ich meine man braucht nicht immer ihren Rat. Wie oft mussten sie etwas entscheiden, in der Zeit, in der wir Schamanen waren? Ein vielleicht zweimal? Dafür müssen sie nicht in diesem Reich sein.“
„Das habe ich mir auch gedacht. Also will ich mit Mi-Lan reden. Ihr solltet dabei sein, damit ihr mich bremsen könnt, wenn ich die Kontrolle verlieren sollte. Ich würde ungerne jemanden umbringen nur, weil seine Ansicht beschränkt ist.“
„Ist gut. Wir werden sicher dabei sein. Außerdem finde ich es gut, wenn sie etwas zurückbekommen. Sie haben ihr gesamtes Leben umgekrempelt, um den Reichen zu helfen.“
Ich nickte nur und sah dann wieder Richtung Sonne. Sie lugte mittlerweile über der Stadtmauer hervor. Wir standen da und sprachen über die Vergangenheit. Irgendwann kamen dann auch Emilie und Chris dazu. Sowie die Schamanen.
„Kevin. Ich habe hier was für dich“, sagte ich und holte seinen Ring hervor.
„Einen Ring?“, fragt er.
„Nicht irgendeinen Ring. Deinen Ehering. Du hast ihn Boreos ausgehändigt, damit er ihn aufhebt. Dir schien es damals wichtig zu sein, dass er zu dir zurückkommt. Und hier ist er.“
Er hielt mir seine Hand hin und ich steckte ihm den Ring an den Finger. Sofort begann er zu leuchten und Kevin sah erstaunt auf eine Hand. Was passierte da? Der Ring war mit keinem Zauber belegt worden. Als das Leuchten nachließ, sah Kevin mich verträumt an.
„Ich erinnere mich wieder.“
„Bitte was?“
„An unsere Hochzeit. Fünftausend Jahre und einen Tag ist es jetzt her und heute erinnere ich mich wieder daran.“
Er hatte seine Erinnerungen selbst gerettet? Konnte er das überhaupt?
„Du hast deine Erinnerungen gerettet?“
„Ja. Du hattest mir damals gesagt, was passieren würde. Doch ich wollte dich nicht vergessen. Also habe ich meine Erinnerungen in den Ring gelegt und Boreos gebeten ihn an sich zu nehmen. Wenn du deine Erinnerung haben solltest, wollte ich ihn wiederhaben. Er hat sich wirklich darangehalten.“
Ich fiel Kevin um den Hals und musste um meine Fassung ringen. Er konnte sich wieder an alles erinnern. An alles. Jeden schönen Moment, den wir je zusammen hatten. Mein Wunsch war wahr geworden.
„Du hast dich kein bisschen verändert, Shian Hi“, sagte er und strich mir durch die Haare.
Er hatte Recht. Ich war immer noch der gleiche verklemmte Gott, wie damals. Vielleicht hatte Boreos ja Recht. Es war Zeit für eine Änderung. Ich ließ ihn los und sah ihn an.
„Vielleicht wird es dann langsam Zeit.“
Er lachte. Es ging nicht von heute auf Morgen, das war klar. Aber es würde gehen. Ich sah meine Geschwister an und ging dann zu ihnen.
„Wir sollten nach Jaiken gehen und mit unseren Geschwistern reden. Leila hat euch hoffentlich gesagt warum“, sagte ich und sie nickten.
„Dann los.“
„Wartet. Warum kommen sie nicht zu uns?“, fragte Chris.
„Geht genauso, eigentlich“, sagte Emilie und ich nickte.
„Geschwister, kommt mal gerade her“, rief Leila und unsere Geschwister erschienen vor uns.
„Was wollt ihr?“, fragte Mi-Lan und sah uns genervt an.
Ich ging zu Kevin und riet ihm, in den Tempel zu gehen. Es konnte hier gleich laut werden und ziemlich ungemütlich. Kevin zog die anderen mit sich und verschwand im Tempel.
„Welche Erklärung habt ihr, dass ihr Boreos und seine Geschwister nicht außerhalb der Reiche leben lasst?“, fragte Emilie und Mi-Lan rollte ihre Augen.
„Seht ihr? Ich habe es euch gesagt. Sie wollen unsere Entscheidung anzweifeln. Ich gehe, das ist mir zu dumm.“
Sie versuchte sich aufzulösen, als ich blitzschnell in die Luft griff und sie festhielt. Ich konnte Luft greifen. Sie vergaß wohl, wer für den Windschamanen zuständig war. Zwar nicht für das Reich aber für den Schamanen.
„Wie immer nur mit dem Kopf durch die Wand. Meine Meinung und sonst keine. Was soll das bitte?“, fragte ich und sie riss sich los.
„Wir haben unsere Gründe gehabt, so zu entscheiden.“
„Und die würde ich gerne erfahren“, sagte ich und sie seufzte.
„Weil es so ist. Genug Erklärung?“
Sie wollte mich auf den Arm nehmen, oder? Aber nicht mit mir. Ich holte aus und verpasste Mi-Lan eine Ohrfeige. Erstaunt sah sie mich an.
„Wage es nicht mit mir zu spielen, Schwester. Ich bin unbeschreiblich Wütend auf euch. Boreos hat sein Leben komplett umgestellt, nur damit ihr ihn benutzten könnt, als Schutzgeist eure verdammten Reiche. Alle Vier haben ihre Zeit geopfert und mit Sinn und Verstand alles gemacht, was ihr verlangt habt. Und jetzt wollen sie ein einziges Mal etwas von euch. Vorher wollten sie gar nichts. Was ist eure Reaktion? Ablehnung. Seid ihr noch zu retten?“
Sie sahen mich an. Ihr Schock, über meine Handlung war wohl noch so tief, dass sie nicht wirklich einen klaren Gedanken fassen konnten.
„Ich will eine Entscheidung. Und zwar eine, zugunsten für Familie und den Wesen, die ihren Dienst über alles andere gestellt haben.“
„Niemals. Meine Entscheidung ist endgültig“, sagte Mi-Lan und rieb sich ihre Wange.
Meine Hand war noch sehr gut zu erkennen.
„Ihr seid die Götter der Reiche und zumindest du, Mi-Lan, benimmst dich wie ein Kleinkind. Was haben Vater und Mutter nur verkehrt gemacht bei dir?“, fragte ich sie schäumte vor Wut.
Sie zog ihren Bogen und zielte auf mich.
„Schieß, Mi-Lan. Komm schon. Du kannst mir nicht verletzen.“
„Vater wird dich nicht nochmal retten. Damals war knapp genug“, sagte sie und der Pfeil begann grün zu leuchten.
Sie schoss und ich bewegte mich nicht. Der Pfeil fiel einfach zu Boden, nachdem sie ihn abgeschossen hatte. Ungläubig sahen alle zu uns.
„Ich sagte doch, dass du mir nicht schaden kannst. Könnten wir jetzt bitte das Problem aus der Welt schaffen? Ich erwarte eine Antwort von euch allen. Nicht nur von dir, Mi-Lan. Senka ist der Gott der Familie. Ich würde seine Meinung gerne zu diesem Thema hören.“
Sie alle sahen Mi-Lan an. Doch sie schüttelte ihren Kopf.
„Es war unser aller Antwort zu sagen, die Schutztiere müssen in den Reichen bleiben. Da wird sich nichts dran ändern.“
„Genug. Ich möchte die Meinung der anderen hören und nicht nur deine“, sagte ich und sie sah mich an.
„Das ist unsere Meinung.“
„Genug“, sagte Senka und sie sah ihn an.
„Wag es dich zu sprechen“, sagte sie.
Er winkte ab.
„Es reicht, Schwester. Du hast uns gesagt, es wäre besser so, wenn die Schutztiere in den Reichen bleiben würden. Aber wofür? Es macht überhaupt keinen Sinn nur den, dass du deinen Willen bekommst und behalten kannst. Damals war es auch deine Entscheidung, dass die Schutztiere in die Reiche gehen sollten und ihre Kinder zu Shian Hi gehen. Die Zeiten haben sich geändert, Mi-Lan. Als Familiengott stehe ich dafür, dass sie dort leben können, wo sie wollen.“
„Ich schließe mich seiner Meinung an“, sagte Shizude und stellte sich zu ihrem Bruder.
„Ihr wagt es mir zu wiedersprechen? Vor allem von dir, Senka hätte ich mehr Loyalität erwartet. Ich bin deine Frau. Du kannst mich nicht einfach so hintergehen.“
„Lange genug habe ich mir nun angesehen, was du getan hast. Und nicht einmal habe ich etwas gesagt. Deine Entscheidungen waren immer unantastbar für mich. Und wie hast du es mir gedankt? Zwei Mal bist du mir jetzt schon in den Rücken gefallen.“
„Rede keinen Unsinn. Ich bin dir nie in den Rücken gefallen. Ihr hintergeht gerade mich.“
„Aus gutem Grund“, sagte Kliram und stellte sich zu seinen Geschwistern.
„Wie könnt ihr es wagen?“, fragte sie und legte einen weiteren Pfeil an.
Ihre Geschwister machten keine Anstalten, sich zu wehren. Wozu auch? Sie dachten nicht daran, dass sie wirklich schießen würde. Aber in ihren Gedanken konnte ich etwas Anderes lesen. Genauso wie andere Dinge. Das war nicht Mi-Lan. Ich schnellte nach vorne, griff in den Bogen und zog ihn ihr aus der Hand. Wütend sah sie mich an.
„Was soll das werden? Gib mir meinen Bogen zurück.“
„Unter normalen Umständen ja. Aber du bist nicht Mi-Lan.“
„Willst du mir etwa unterstellen ich bin keine Göttin?“
„Du bist vieles aber nicht göttlich. Ich denke, dass können alle deine Geschwister auch bestätigen. Mi-Lan war zwar immer sehr aggressiv und stur aber niemals so wie du. Wer bist du wirklich?“
„Ich bin Mi-Lan.“
„Das hatten wir schon. Soll ich dich zwingen die Tarnung fallen zu lassen? Du hast nur zwei Möglichkeiten. Entweder der harte oder der leichte Weg. Also welchen wirst du gehen?“
Sie überlegte kurz und sofort wurde Mi-Lan und schwarzen Nebel gehüllt. Wir zogen alle unsere Waffen und warteten darauf, dass jemand hervortreten würde.
„Sakana“, sagte ich und die Frau sah mich an.
Sie hatte kurze schwarze Haare und trug zwei Dolche bei sich. Ihre Rüstung war eng und ebenfalls schwarz. Sogar ihre Augen leuchteten schwarz.
„Hallo, Shian Hi. Ich habe nicht erwartet, dass du mich so schnell enttarnt bekommst“, sagte sie.
„Hättest du dich mehr mit Mi-Lans verhalten beschäftigt, dann hätte ich es auch nicht bemerkt. Wie lange haltet ihr sie schon fest?“
„Zwei, vielleicht drei Tage. Nicht sehr lange. Aber lange genug um ein wenig Chaos zu verbreiten.“
„Übergebt ihr sie freiwillig?“, fragte Leila und Sakana sah sie an.
„Natürlich. Ihr könnt sie wiederhaben. Wir haben keine Verwendung mehr für sie. Aber für jemand anderen schon. Shian Hi, ich denke, dass du deine Eltern gerne wiedersehen willst. Also rate ich dir erneut, bau das Windreich wieder auf und schick die Menschen zurück. Sonst sterben sie“, sagte sie und ich erstarrte.
Meine Eltern. Nicht Issyl und Krisuracha sondern meine menschlichen Eltern.
„Das wagt ihr euch nicht.“
„Wenn du magst, kannst du es darauf anlegen. Ihr kennt unsere Forderungen. Wir sehen uns“, sagte sie und löste sich auf.
Ich konnte noch nicht ganz glauben, was sie gesagt hatte. Bevor ich jedoch einen klaren Gedanken fassen konnte, fiel Mi-Lan vor uns zu Boden. Senka lief sofort zu ihr und prüfte, ob es ihr gut geht.
„Sie ist unverletzt. Welche Erleichterung“, sagte er und ich drehte mich um.
„Was machen wir jetzt, Shian Hi?“, fragte Shizude.
Ich antwortete nicht und ging einfach. Sie sagten nichts. Das hatte ich öfters gemacht, wenn ich keine Antwort geben wollte, weil ich etwas nicht wusste. So wussten sie sofort, was Sache war. Sie betraten den Tempel und brachten Mi-Lan weg.
„Was denkst du, Kai?“, fragte Emilie und trat neben mich.
Ich sah sie nicht an. Eigentlich ging es sie gar nichts an, was ich dachte.
„Nichts“, antwortete ich und versuchte nicht genervt zu klingen.
„Du kannst grauenvoll Lügen. Also raus damit.“
Ich sah sie an. Verstand sie nicht, dass ich alleine sein wollte?
„Es ist alles gut. Geh wieder in den Tempel.“
Sie schüttelte ihren Kopf, ging aber. Wenn ich nicht reden wollte, war es keine gute Idee mich dazu zu zwingen. Das kam nicht gut an. Meine menschlichen Eltern waren in Chun Jis Gewalt. Vermutlich hatte Mei-Trian sie weitergegeben, damit sie ein Druckmittel gegen uns hatten. Eigentlich nicht gegen uns. Nur gegen mich. Ich war der gefährlichste von uns vieren. Warum auch immer. Meine Geschwister waren mindestens genauso stark, wie ich. Wenn Chris seine Kraft benutzte, konnte er Berge versetzten.
„Darum geht es aber nicht“, sagte Kevin und trat zu mir.
Ich sah ihn erstaunt an.
„Was meinst du?“, fragte ich und er lächelte.
„Erinnerst du dich nicht? Wir teilen unsere Gedanken. Ich habe gesehen, worüber du nachgedacht hast. Natürlich kann Chris Berge versetzten. Aber auch nur das. Einen Berg und mehr nicht. Damit ist er beschäftigt. Was dich, für sie, so gefährlich macht, ist deine Fähigkeiten, viele Dinge gleichzeitig zu machen. Angreifen, Verteidigen, Heilen und nebenbei noch ein Gespräch über komplizierte Mathematische Formeln führen. Das kann keiner von den anderen. Wenn sie deine Geschwister angreifen, können die sich nur verteidigen. Du könntest dich verteidigen, während du das Windreich wiederaufbaust.“
„Und davor haben sie Angst? Ich kann nicht zwei Kämpfe gleichzeitig führen.“
„Aber du könntest deine Geschwister unterstützen. Erinnerst du dich nicht daran, was damals passiert ist?“
„Wage.“
„Nun, dann will ich es dir sagen. Während du mit Chun Ji gekämpft hast, hast du Leila geholfen komplett unsichtbar zu sein. Hast das Erdreich vor ihrer Armee beschützt und Emilies Wunden geheilt, sobald sie entstanden sind. Das war für dich nicht einmal eine halbe Belastung deiner Kraft.“
„Das war damals. Jetzt hat sich einiges verändert.“
„Richtig.“
Er stellte sich vor mich und sah mir tief in die goldenen Augen.
„Du bist stärker. Aber jetzt hast du Angst.“
„Ich habe keine Angst.“
„Doch, die hast du. Sich das einzugestehen, ist nur nicht leicht. Du wirst nie wieder Shian Hi werden, wenn du deine Ängste nicht überwinden kannst. Jetzt bist du weder Kai, noch Shian Hi. Du bist nur ein ängstliches kleines Kind.“
Warum sagte er das? Es entsprach nicht der Wahrheit. Oder vielleicht doch? Aber wovor sollte ich Angst haben? Niemand konnte es mit mir aufnehmen. Wenn Chun Ji und ihre Geschwister hier auftauchen sollten, würde ich sie sofort überwältigen. Niemand konnte mir wiederstehen.“
„Genau das ist deine Sorge. Chun Ji weiß, wie sie dir wiederstehen kann. Gegen sie richtet deine Magie nichts aus. Und deine größte Angst, hat dir der Dämon Furcht gezeigt. Keine Kraft zu haben, ist dein schlimmster Alptraum. Zymerana hat nicht grundlos diese Dämonen geschickt. Er wollte dir helfen.“
„Das macht doch keinen Sinn. Wenn er mich besiegen wollte, hätte er jeden Dämon schicken können, mit Furcht zusammen. Aber sie waren leicht für uns vier zu besiegen.“
„Er wusste, dass du Furchts Kräfte schnell durchschauen würdest. Außerdem war ihm eins klar. Sollte er dich aus dem Weg räumen, hätte Chun Ji leichtes Spiel. Er alleine kann sie nicht aufhalten und Jung Chain weigert sich zu kämpfen, seitdem du ihn damals beinahe getötet hast. Da er die Welt für sich haben wollte, hat er versucht dich stark zu machen, damit du Chun Ji ausschaltest und er dann freie Hand hat.“
„Dachte er nicht, dass ich ihn aufhalten würde?“
„Er kannte deine Namen, Shian Hi. Deinen richtigen Namen. Den kenne nicht einmal ich. Du bist die Seele des Windes und Gott der Weisheit.“
„Moment, du bist der Wind.“
„Richtig, ich bin der Wind. Doch du bist seine Seele. Ich kann Luft nur manipulieren. Du erschaffst sie. Sie beugt sich deinem Willen. Warum? Weil du selbst die Luft bist. Stirbst du, wird die Atemluft komplett verschwinden.“
„Vielleicht macht mir das ja Sorgen.“
„Sei nicht albern. Du kannst nicht sterben. Ein Gott kann nicht sterben.“
„Und wie konnte Zymerana?“
„Er ist nicht Tod. Gerade wächst er wieder und sammelte neue Kraft. Bald wird er weit genug sein, um wieder zu sprechen. Du verdrängst wirklich einiges. Chun Ji kann sterben, weil sie keine geborene Göttin ist. Deswegen fürchtet sie, du würdest sie sofort ausschalten. Sie würde dann nie wieder zurückkommen.“
„Ich weiß immer noch nicht, was mir Sorgen machen soll. Angst kenne ich nicht.“
„Denk nochmal nach. Vielleicht hilft dir Meditieren weiter“, sagte er und ging.
Ich sah ihm nach. Hatte er vielleicht wirklich Recht? War ich von Angst gezeichnet? Bestimmte sie mein Handeln und mein Leben? Ich brauchte Antworten. Meine Erinnerungen waren noch viel zu schwammig. Auch wenn sie alle wieder da waren. Wo konnte ich ungestört Nachdenken? Die Höhle unter Jaiken kannten zu viele. Mein Zimmer im Windreich gab es nicht mehr. Das Werwolfs Königreich war besetzt. Der Nachtwald. Natürlich. Da konnte ich nachdenken. Ich löste mich auf und erschien vor dem Wald wieder.
Nachtwald. Ja, er trug seinen Namen zurecht. Ich hatte nur ein paar Baumreichen passiert und stand schon beinahe im kompletten dunklen. Es machte also durchaus Sinn ihn so zu nennen. Aber warum man ihn genau mied, war mir nicht klar. Ich hatte eine Erinnerung, in der ich ihn durchwandert hatte. Egal, sollte mir Recht sein. Gab es hier eine Lichtung? Nein, bestimmt nicht. Die Bäume standen so dicht, dass sie nicht umfallen konnten, selbst wenn man versuchte sie zu fällen. Ich ging weiter und kam an eine Gesteinsformation. Perfekt. Der größte Stein oben war von Moos bedeckt und war bereit genug zum Sitzen. Also nahm ich Platz und begann zu meditieren. So wanderte ich durch meine Gedanken und versuchte Antworten zu finden. Warum war ich so durcheinander? Nichts in meinen Gedanken ergab irgendeinen Sinn. Völlig zusammenhangslose Bilder. Da war meine Hochzeit. Der Moment, als ich Onkel von Borian wurde. Uninteressant, für den Moment. Irgendwie musste ich da doch eine Ordnung hineinbringen können. Nur wie? Ich öffnete meine Augen und sah mich um. Plötzlich wurde mein Geist von meinem Körper getrennt und betrat eine andere Welt. Wo war ich denn jetzt? Mein Körper war verschwunden. Vor mir eröffnete sich der Nachtwald in einem völlig neuen Licht. Alles grau in grau. Von der Seite her kam ich. Ich schritt durch den Wald und schien auf der Hut vor irgendetwas zu sein. Plötzlich sprangen die vier Schutztiere aus einem Busch und griffen mich an. Ich verteidigte mich, bis ich meine Deckung völlig fallen ließ. Was war das gerade? Eine Erinnerung? Die Personen begannen zu sprechen. Doch es kam kein Wort bei mir an. Genauso plötzlich, wie ich aus meinem Körper getrennt worden war, wurde ich wieder zurück katapultiert. Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf. Was war das eben?
„Das war eine Erinnerung“, sagte Boreos und trat hinter mich.
Ich sah ihn erstaun an.
„Was machst du hier?“
„Ich lebe hier.“
„Wie bitte?“
„Das ist mein zu Hause, Shian Hi. Weißt du das nicht mehr?“
„Ehrlich gesagt, habe ich zwar meine Erinnerungen, aber es sind immer noch zusammenhangslose Bilder, die sich nicht ordnen lassen wollen.“
„Habe ich nicht anders erwartet. Du hast immer versucht die Vergangenheit zu verdrängen. Sie lassen sich ordnen aber nur, wenn du keine Angst mehr davor hast.“
„Hä?“
„Du hast Angst vor dem, was damals passiert ist. So sehr, dass es dich belastet. Du traust dich einfach nicht, die Gedanken zu akzeptieren. So lange du diese Angst nicht überwindest, wird sich nichts in deinem Kopf ordnen lassen.“
„Das ist doch lächerlich. Ich habe keine Angst. Vor gar nichts.“
„Ach wirklich? Shian Hi, ich kenne dich besser, als beinahe jemand sonst. Es gab nur eine Person, die dich besser kannte. Und das war Zymerana. Wilu und du, ihr teilt vielleicht eure Gedanken, aber er kennt dich nicht so gut. Vielleicht weißt du es nicht mehr, aber du bist ein Meister darin, deine Gedanken zu schützen. Niemand kann in deinen Kopf eindringen.“
„Unsinn. Jeder könnte, wenn er wollte.“
„Ich habe es mehrere Male versucht. Jedes Mal wurde ich von deinem Schutzwall überwältigt und musste aufpassen, mich nicht in den weiten deines Geistes zu verlieren. Aber ich denke, dass ich auch mit einer Wand reden kann. Was ist nur aus dem Shian Hi geworden, den ich kenne?“
„Ich fürchte, der existiert nicht mehr. Verloren gegangen, in den tiefen seiner eigenen Macht.“
„Fürchte ich auch. Ein nächstes Leben ist nicht unbedingt gleich, zu dem alten“, sagte er und wollte wieder gehen.
„Warte.“
Er blieb stehen und sah mich an.
„Was möchtest du noch? Solange du nicht deine Angst überwinden kannst, bist du für uns nicht von Bedeutung.“
„Ich fürchte, dass ich es nicht alleine schaffen kann, Bruder.“
Seine Augen leuchteten eigenartig. Er kam auf mich zu und stellte sich vor mich. Dann sah er mir tief in die Augen.
„Wenn du Hilfe brauchst, dann sind wir für dich da. Wir sind eine Familie.“
„Warum erst jetzt?“, fragte ich und er lachte.
„Du hast jetzt erst gefragt.“
Diese Antwort machte mich jetzt nicht wirklich glücklich. Aber irgendwie konnte ich nicht anders, als anfangen zu weinen. Ich fühlte mich zu Hause. Warum auch immer. Er nahm mich in den Arm und führte mich in den Wald hinein. Ich konnte meine Tränen einfach nicht zurückhalten. Diese ganze Sache hier brachte mich so durcheinander. Ich war verloren. Auf hoher See, ohne Aussicht auf Land. Vor uns erhob sich eine Hütte. Eigentlich mehr eine Villa. Gebaut aus Holz. Unheimlich schön und dennoch schlicht. Boreos öffnete die Türe und führte mich herein. Im Inneren war es warm und behaglich. Sofort flammten mir Bilder vor den Augen auf.
„Nein. Ich will das nicht. Lasst mich in Ruhe“, rief ich und versuchte sie mir aus dem Kopf zu schlagen.
Plötzlich hielt Boreos meine Hand fest und sah mich an.
„Konzentrier dich. Lass nicht zu, dass dich deine Ängste Kontrollieren.“
„Aber.“
„Nein, kein aber. Du bist stärker als sie.“
Er führte mich in einen anderen Raum und setzt mich auf einen Stuhl.
„Schatz“, rief er und Aqurilana kam in das Zimmer.
Sie trug eine Schürze und war wohl gerade am Kochen oder sowas. Als sie mich sah, ließ sie sofort den Lappen, in ihrer Hand, fallen und kam zu mir.
„Was ist passiert?“
„Unser Bruder hat Angst vor der Vergangenheit. Wir müssen ihm helfen, diese zu überwinden“, sagte er.
„Wir können niemandem seine Ängste nehmen. Das kann nur Frucht und der ist tot.“
„Darum geht es auch nicht. Wir können ihm aber helfen, sie zu überkommen.“
„Das muss aber eben warten. Sonst brennt mir der Braten an“, sagte sie und lief wieder in den Nebenraum.
„Sei stark, Shian Hi. Du weißt, dass du es kannst.“
„Ich bin nicht stark. Nicht einmal diese Visionen kann ich aushalten. Ich bin zu nichts zu gebrauchen.“
„Du weißt, dass das nicht stimmt.“
Doch, es stimmte. Innerlich war ich total zerrissen. All die Dinge, die man mir angetan hatte. Chun Ji und Mei-Trian. Sogar Zymerana. Sein Tod war das letzte traumatische Ereignis. Sie hatten mir so viel genommen. Beinahe Kevin, meine Ehre und meine Familie. Sogar meine Unversehrtheit. Chun Ji war ein Teufel. Schlimmer als Jung Chain.
„Ich bin zerrissen, Boreos“, sagte ich und er nickte.
„Vielleicht. Aber du kannst es schaffen. Niemand kann dir etwas anhaben, solange du das nicht willst und du dir sicher bist. Stell dich deinen Ängsten. Werde wieder der, der du eigentlich bist. Nicht verdreht von Angst.“
Angst war aber jetzt ein Teil meines Lebens. Meine Handlungen waren bestimmt von Angst. Wie sollte ich über all das hinwegkommen?
„Boreos, ich schaffe es nicht. Diese Qualen. Jede Nacht haben mich Visionen gequält. Ich konnte seit mehreren Monaten nicht mehr schlafen.“
„Diese Visionen waren der Schlüssel. Sie sind die Ereignisse, die dir im Weg stehen. Du musst sie überwinden.“
„Aber wie? Sag mir wie. Ich habe keine Chance ihnen Einhalt zu gebieten.“
„Shian Hi, das sind deine Erinnerungen. Wenn du dich ihnen stellst, wirst du wachsen. Sie zu überwinden mag nicht leicht sein, aber du musst es versuchen.“
Ich sah ihn gequält an. Mein Herz blutete. Langsam konnte ich nicht mehr. Das war alles viel zu viel. Die Last drohte mich wirklich zu erdrücken.
„Mach die Augen zu. Lass die Visionen kommen. Stell dich ihnen. Andernfalls wird dich die Last wirklich erdrücken.“
Ich nickte und schloss vorsichtig meine Augen. Es dauerte nicht lange, da kamen die Bilder wieder auf mich zu. Vor allem die Schlacht. Ich stand Chun Ji gegenüber. Sie kam auf mich zu und ich wich nur zurück.
„Weich nicht zurück. Zeig ihr, was du kannst“, rief Boreos.
„Ich kann nicht“, gab ich zurück und er nahm meine Hand.
„Du bist nicht alleine. Das warst du niemals. Stell dich ihr“, sagte er und ich blieb stehen.
Chun Ji hob ihr Schwert und wollte gerade zuschlagen, als ich meine Hand hob und eine Windklinge auf sie schoss. Sofort verblasste sie und ich blieb im Dunkeln meines Geistes zurück.
„Sehr gut. Die erste Hürde hast du genommen. Aber vor dir liegen weiter“, sagte er und ein weiteres Bild baute sich vor mir auf.
Kevin lag vor mir, zusammen mit den anderen Schamanen. Sie waren verwundet und atmeten kaum noch. Dahinter standen Chun Jis Schwestern. Sakana hatte ihre Klinge an Kevins Hals. Nein. Ich konnte ihn nicht verlieren. Weder im Traum noch sonst irgendwie.
„Waffen weg, Shian Hi“, sagte sie und ich gehorchte.
Ich ließ meinen Fächer fallen und sie lächelte.
„Gute Entscheidung. Mädels, tötet ihn“, sagte Sakana und sofort kamen Krasima und Krisilana auf mich zu.
„Steh da nicht so dumm rum. Sie wird Kevin töten“, sagte Boreos und ich sah zu Sakana.
Tatsächlich hob sie ihren Dolch. Nein. Nicht mit mir. Meine Fächer schnellten nach vorne und schlugen die Frau weg. Sofort packten die anderen zwei mich und hielten mich fest. Doch das war sinnlos. Meine Arme lösten sich in Luft auf und ich kam frei. Sofort setzten sie sich wieder zusammen. Krisilana zog ihre Sense und Krasima ihr Schwert. Sie wollten zuschlagen, als sie zurückgeschlagen wurden und unsanft zu Boden schlugen.
„Ihr nehmt mir keinen Freund mehr. Eure Tage sind gezählt“, sagte ich und auch diese Vision verblasste.
„Super gemacht, Shian Hi.“
Boreos Stimme klang fast erlösend. Und nun? Was fehlte noch? Ein neues Bild. Ich stand alleine auf einem Feld und führte gerade einen Zauber aus, der ziemlich lange brauchte, um völlig geladen zu sein. Plötzlich geriet alles aus den Fugen. Nein. Ein Zauber, der außer Kontrolle geriet, konnte jeden in seiner Umgebung töten. Blitze gingen neben mir zu Boden.
„Fang dich, Shian Hi“, rief Boreos und ich verstand.
Sofort streckte ich meine Hände aus und berührte die Kugel ebenfalls. Meine Vision und ich versuchten die Magie unter Kontrolle zu bringen. Doch selbst zusammen konnten wir nicht. War ich so von der Rolle? Ein Blitz traf Leila, die zu uns gelaufen kam. Nein. Der nächste Chris. Dann Emilie. Jetzt kam auch noch Kevin gelaufen. Er nicht auch.
„Konzentrier dich, Shian Hi. Konzentrier dich!“, schrie ich mich selbst an und verstärkte den Druck gegen die Kugel.
Ich sah mein ich aus der Vision an. Er konnte die Kraft nicht mehr halten. Doch, konnte er. Ich schloss meine Augen und sammelte sämtliche Konzentration, sowie Kraft. Als ich meine Augen wieder öffnete, hatte mein anderes ich weiße Augen und den Zauber im Griff. Auch diese Vision verschwand wieder. Boreos sagte nichts mehr. War er noch da? Ich wartete, auf das nächste Bild. Doch es kam nichts. Das war es? Meine gesamte Belastung? Lächerlich irgendwie. Ich öffnete meine Augen und sah Boreos an, der vor mir stand und grinste.
„Du hast es geschafft, Shian Hi. Deine Ängste sind überwunden.“
Irgendwie fühlte ich mich gut. Ziemlich gut sogar. Meine Gedanken ließen sich wieder ordnen. Alle. Sogar die von der Schlacht gegen Chun Ji waren wieder da.
„Danke, Boreos“, sagte ich.
Er winkte nur ab.
„Ich habe nichts getan, mein Bruder. Du hast da alles von alleine hinbekommen.“
„Aber du warst da“, sagte ich und erneut rannen Tränen über mein Gesicht.
„Ich war niemals weg.“
Er umarmte mich und ich erwiderte diese Geste. Ich hatte eine Familie. Ihn und Kevin.
„Ich habe ziemlich viel Lärm gehört. Ist alles in Ordnung?“, fragte Ignisia und kam zu uns.
„Alles in Ordnung, Schwester“, sagte Boreos und sie sah mich an.
„Wie ich sehe, hat da jemand wohl seine Ängste überwunden.“
„Woher weißt du das?“, fragte ich verwirrt.
„Ein Dämon kann deine Angst riechen. Ich rieche aber gar nichts bei dir.“
„Weil er seine Ängste überwunden hat. Zum Glück. In seinem vorherigen Zustand hätte Chun Ji sehr leichtes Spiel gehabt.“
„Dann bin ich froh, dass du ihm helfen konntest. Geht es dir jetzt besser, Shian Hi?“, fragte Ignisia mich und ich nickte.
„Ich fühle mich seit langem mal wieder richtig gut. Meine Ängste haben mich doch weiter in Beschlag genommen, als ich mir das eingestehen wollte. Ich denke ich sollte jetzt aber zurückgehen. Man wird sich sicher schon Sorgen machen.“
„Ob Angst oder nicht, du bleibst zum Essen“, sagte Aqurilana und kam wieder in den Raum.
In ihrer Hand hielt sie einen großen Hirschbraten, der wundervoll duftete. Nun gut, zum Essen konnte ich vielleicht noch bleiben.
„Ja gut. Dann habe ich bestimmt noch ein wenig Zeit.“
„So ist es richtig“, sagte Aqurilana und ging weiter.
Boreos und Ignisia folgten ihr. Ich schloss mich ihnen an und betrat das Speisezimmer. Dieses Haus war wirklich größer, als ich gedacht hatte. Dieses Zimmer alleine war so groß, wie mein Zimmer im Windreich. Vor uns stand eine lange Tafel. Darauf stand bereits ziemlich viel Essen. Hauptsächlich Fleisch. Klar. Wir waren hier immerhin unter Dämonen. Und sie waren genau wie ich, Tiere. Ich wunderte mich eigentlich mehr, dass der Hirsch nicht roh war.
„Borian, Ikama. Kommt essen“, rief Aqurilana und sofort kamen die zwei gelaufen.
Zusammen mit Sekama.
„Onkel Shian Hi“, rief Borian und lief zu mir.
„Hey, mein Großer.“
Ich nahm ihn auf den Arm und er umarmte mich.
„Also dann setzten wir uns“, sagte Boreos und wir nahmen Platz.
Ich setzte Borian neben mich und sah dann die Anderen an.
„Es ist angerichtet. Haltet euch nicht zurück. Esst.“
Sofort nahmen sie alle Fleisch und Beilagen. Ich ebenso. Während ich aß, sah ich mich immer wieder um. Sie benahmen sie wie anständige Menschen.
„Onkel Shian Hi. Kannst du uns vielleicht eine deiner alten Kriegsgeschichten erzählen? So wie damals auch?“, fragte Borian und ich sah hilflos zu Boreos.
Er nickte nur und lehnte sich dann zurück.
„Weißt du. Mir fällt gerade keine ein.“
„Das hast du immer gesagt.“
Verflixt. Was jetzt? Welche Geschichte konnte ich denn erzählen?
„Willst du denn eine bestimmte hören?“, fragte ich.
„Eine, die ich noch nicht kenne.“
Der Junge war eine harte Nuss. Also gut, Gedanken. Lasst mich jetzt nicht im Stich. Ah, da war doch etwas.
„Also gut. Ich habe dir noch nie erzählt, wie ich meine Höhlen von den Spinnen und Trollen befreit habe, oder? Oder wie ich an der Seite von Zentauren den Weisheitssee verteidigte?“
„Nein, die hast du nicht erzählt. Erzähl mir von den Zentauren.“
„Na gut. Hoffentlich bekomme ich das noch zusammen. Damals war ich auf einer Reise durch dieses Land und erreichte einen See, der so schön war, dass man ihn nicht beschreiben kann. Das Wasser so rein, wie die Seele eines Kindes. Es handelte sich um heiliges Wasser, dass alles weiß färbte, was damit in Berührung kam. Plötzlich war ich umstellt von vielen Zentauren, die dachten, ich würde ihr Heiligtum entweihen. Denn, du musst wissen, dass es streng verboten ist, dieses Wasser zu berühren. Sie forderten mich auf zu gehen, oder ich würde ihren Zorn zu spüren bekommen. Darauf konnte ich nur sagen, dass ich auf Durchreise war und den See nicht entweihen wollte. Sie glaubten mir und nahmen mich mit zu ihrem Dorf. Ihr Ältester erzählte mir dann, was es mit ihrer Kultur und diesem See auf sich hatte. Bei den Zentauren gilt weißes Fell, als ein Zeichen für Weisheit. Nur wer es sich verdient, darf in das Wasser gehen und wird weißes Fell bekommen. Somit zeigt man Weisheit. Während er noch mit mir sprach, kam ein Bote und erzählte uns, dass es den Trollen gelungen war, den See zu finden und sie ihn als Trinkwasserquelle benutzten wollten. Ich bot ihnen an, zu helfen und sie akzeptierten. Wir gingen zu dem See und sahen uns die Eindringlinge an. Es war eine ganze Horde Trolle. So groß, dass ein Zentaur alleine niemals eine Chance gegen sie hat. Ich befahl ihnen also zurück zu bleiben und stellte mich alleine dem Feind. Nach kurzen Gesprächen, griffen sie mich dann an. Viele der Trolle fielen sofort um, nachdem ich einen kleinen Zauber gewirkt hatte. Doch dann war ich umstellt. Von allen Seiten. Aussichtslos schien diese Lage zu sein. Bis mir auffiel, dass ich ja mehr tun konnte, als nur kleine Zauber zu wirken. Meine Fächer schossen durch ihre Reihen und besiegten nach und nach die Trolle. Als auch endlich der letzte gefallen war, kamen die Zentauren und dankten mir. Ich wurde einer ihrer Freunde und konnte jederzeit ihr Reich betreten.“
„Wow. Ich wusste gar nicht, dass Zentauren sowas zulassen“, sagte Borian und ich nickte.
„Es gibt so viel was du noch nicht weißt.“
„Aber ich will alles wissen.“
Ich musste lachen. Kinder wollten immer alles wissen. Viele Fragen wurden mit einem gezielten warum gekontert. Bis man wirklich in Erklärungsnot kam.
„Glaub mir, ich weiß alles. Wirklich alles. Das willst du nicht.“
„Warum geht der Mond auf und unter?“, fragte er.
„Weil sich unser Erde dreht. Dabei wandert der Mond um die Erde herum. In dieser Welt funktioniert das aber anders, weil wir Parallel zur Menschenwelt liegen.“
„Wo liegt die Menschenwelt?“, fragte er.
„Ganz einfach. Siehst du nachts den hellen Stern im Westen?“, fragte ich und er nickte.
„Das ist die Menschenwelt. Von dort kommen alle Menschen. Wir liegen mehrere Millionen Kilometer davon entfernt.“
„Wie kommt man denn dann so schnell da hin?“
„Eine Teleportation ist schneller als das Licht. Magie bewegt sich mit doppelter Lichtgeschwindigkeit, also können wir große Distanzen problemlos überbrücken.“
Er wollte gerade eine weitere Frage stellen, als Ignisia ihm das Wort abschnitt.
„Wenn ihr fertig mit Essen seid, könnt ihr schon spielen gehen. Und macht euch auch gleich bettfertig. Es ist bald dunkel“, sagte sie und die beiden rannten davon.
Lächelnd sah ich ihnen nach.
„Er verehrt dich, Shian Hi“, sagte Boreos und ich nickte.
„Ja, das tut er. Aber kürz meinen Namen doch ab.“
„Und wie?“
„Shian reicht mir“, sagte ich und er nickte.
„Seit du ihn mit in deine Höhlen genommen hattest, hat er dich vergöttert. Ich weiß nicht genau, was du ihm dort gezeigt hast.“
„Leider weiß ich das gerade selbst nicht. Aber ich kann kurz nachdenken.“
Ich schloss meine Augen und begann zu denken. Da war die Erinnerung.
„Jetzt erinnere ich mich. Wir waren zusammen in meinem Labor und ich habe ihm mein Buch gezeigt. Du weißt schon, das Weisheitsbuch. Das liegt immer noch in meiner Höhle, hoffe ich. Wenn das hier vorbei ist, muss ich die Spinnen und Trolle wieder rauswerfen.“
„Kein Problem, das haben wir bereits getan“, sagte Ignisia und ich sah sie an.
„Wirklich? Vielen Dank. Ähm, wo war ich. Ach ja. Er hat alles, was ich ihm gesagt habe aufgesaugt, wie ein Schwamm. Alles Wissen. Sogar das Buch hat er, freiwillig zu lesen begonnen.“
„Unser Sohn ist ein genialer Erfinder“, sagte Aqurilana.
„Richtig. Er hat die Gesetzte der Mechanik aus meinem Buch und hat begonnen, eigene kleine Geräte zu bauen. So gut, dass ich es nicht besser hätte Zaubern können.“
„Gut zu wissen, dass er sich das selbst beigebracht hat.“
„Ihr habt ihm die richtigen Gene mitgegeben“, sagte ich und wir lachten.
„Weißt du, Shin. Es ist schön, dich endlich wieder bei uns zu haben. Du bist wieder so, wie du einmal warst“, sagte Sekama und ich schüttelte meinen Kopf.
„Nein. Ich werde nie wieder so sein, wie ich einmal war. Das wäre auch nicht möglich. Ein neues Leben ist niemals wie ein altes. Meistens ist es besser“, sagte ich und sie nickten.
„Was auch immer. Jetzt glaube ich daran, dass du Chun Ji wieder schlagen kannst. Und zwar ohne Probleme“, sagte Ignisia.
„Das wird sich noch zeigen. Aber ich danke euch, für das Vertrauen. So, jetzt muss ich aber zurück. Sonst kommt Wilu und schleift mich zurück.“
Sie nickten und erhoben sich. Boreos brachte mich zur Türe.
„Bevor du gehst, Shian Hi. Möchte ich dir noch etwas sagen. Wenn das hier alle vorbei ist, versprich mir mehr Zeit mit deiner Familie, also uns zu verbringen“, sagte er und lächelte.
„Natürlich, Bruder“, sagte ich und er nickte.
„Viel Glück, Kai. Du wirst es brauchen.“
Der falsche Name war Absicht gewesen. Ich umarmte ihn kurz und verschwand dann.
„Die Zeichen sind nicht zu verleugnen. Sie wappnen sich zum Angriff. Wir müssen bereit sein“, sagte Li und ich sah ihn an.
„Jetzt mal langsam. Wer wird angreifen?“, fragte ich und er sah mich an.
„Chun Ji wird angreifen, Wilu.“
„Gut, wenn sie angreifen wird, dann sollten wir bereit sein“, sagte ich.
„Wir sind bereit“, sagte Shian Hi und betrat den Raum.
Sofort drehte ich mich um. Endlich. Wo war er gewesen? Nachdenken konnte bei ihm zwar lange dauern, doch so lange eigentlich nie. Er war nie für einen ganzen Tag gegangen, nur um nachzudenken.
„In wie fern sind wir bereit?“, fragte ich und er kam zu uns.
„Nur so weit, dass ich wieder richtig kämpfen kann. Ich habe meine Ängste hinter mir gelassen und bin bereit, Chun Ji wieder gegenüber zu treten.“
„Denkst du wirklich, du kannst sie aufhalten?“, fragte Li und Shian Hi sah ihn an.
„Wenn nicht ich, wer sonst?“
Das war natürlich ein Argument. Wenn er sie nicht aufhalten konnte, dann niemand. Also ich auf jeden Fall nicht. Für einen normalen Krieg, war ich allen Soldaten überlegen, aber niemals einem Gott. Auch keinem falschen, wie Chun Ji.
„Da hat er Recht, Li. Niemand außer Shian Hi kann sie besiegen.“
„Und was sollen wir in der Zeit machen? Er alleine ist nicht in der Lage ihre gesamte Armee auszuschalten“, sagte Li und Shian Hi sah ihn an.
„Normal würde ich dir wiedersprechen, Li. Doch in diesem Fall nicht. Ich alleine bin wirklich nicht stark genug, es mit allen Schwestern und ihrer Armee aufzunehmen. Meine Geschwister und ich werden jede Hilfe brauchen, die wir bekommen können. Und genau dafür, habe ich euch ausgesucht, Li. Zusammen mit den Zentauren und meinen Werwölfen werdet ihr uns den Rücken freihalten und die Stadt beschützten.“
„Die Werwölfe auch?“
„Ohne sie werde ich nicht in die Schlacht ziehen. Aber ich fürchte, dass du weder die Zentauren, noch die Werwölfe befehligen kannst. Dafür habe ich dich erwählt, Wilu“, sagte er und sah mich an.
„Mich? Aber wie soll ich?“, begann ich, doch er fiel mir ins Wort.
„Du bist selbst ein Werwolf. Also ihr König, neben mir. Auf dein Wort werden sie hören. Und damals hast du, mit mir zusammen die Zentauren vor den Trollen beschützt. Sie stehen in unserer Schuld und werden ebenfalls auf dich hören. Es gibt niemanden, der diesen Auftrag besser machen könnte als du.“
„Aber du weißt doch, dass ich nicht im Mittelpunkt stehen will. Das war noch nie meine größte Freude. Deswegen habe ich ja immer dich vorgelassen.“
„Dennoch wusstest du, dass dieser Tag irgendwann kommen würde. Du kannst nicht ewig nur hinter mir stehen. Wilu, Windschamane. Steh auf und zeig ihnen, wer du bist. Man sollte dich bewundern und fürchten.“
Fürchten war eigentlich genau das, was ich nicht wollte. Niemand musste Angst vor mir haben. Gut, das musste auch niemand Wissen. Aber gefürchtet zu werden war nie mein Ziel gewesen. Deswegen hatte ich immer Shian Hi vorgelassen und bin selbst im Schatten geblieben. Aus gutem Grund. Er war der starke von uns beiden. Wenn mich hunderte Menschen ansahen, dann bekam ich schon beinahe Panik.
„Also gut. Ich bin bereit es zu machen“, sagte ich und sah Shian Hi an.
„Das ist die richtige Einstellung. Ich habe schon mit den Zentauren gesprochen. Aber noch nicht mit den Werwölfen. Boreos und seine Geschwister haben unsere Höhlen von den Monstern befreit und wir können dort wieder einziehen. Möchtest du mitkommen und unser Volk sehen?“, fragte er und ich nickte.
Er hielt mir seine Hand hin und ich ergriff sie. Im nächsten Moment standen wir in einer großen Halle.
„Willkommen in unserer Höhle“, sagte ich und Wilu sah sich um.
„Sehr karg eingerichtet.“
Klar, hier stand nicht viel rum. Eigentlich gar nichts. Es war die Haupthöhle, wo alle Versammlungen stattfanden. Bis auf eine Empore gab es hier gar nichts.
„Das ist auch nur die Versammlungshalle. Ich zeige dir mal unseren Palast“, sagte ich und zog ihn mit mir.
Durch einen Tunnel kamen wir in die nächste Höhle. Vor uns erhob sich ein Berg und in diesen war der Palast hineingearbeitet worden. Man sah nur immer wieder kleine Teile davon.
„Der Palast ist nur so klein?“
„Sieht von außen nur so aus. Er geht tief in den Felsen hinein. Soll ich es dir zeigen?“
Er nickte und wir betraten den Palast. Innen waren die Gänge hell erleuchtet. Dazu waren sie sehr breit, sodass eine ganze Armee hindurch konnte. Das war praktisch und gleichzeitig auch ein Nachteil. Gab es einen Angriff, sammelte man sich am Palast und empfing die Gegner gebührend. Endlich erreichten wir den Thronsaal. Es gab zwar kein Tageslicht, aber er war trotzdem taghell. Zudem war er wunderschön. Die Wände bemalt mit großen Ereignissen, aus der Vergangenheit. Der Kampf gegen Chun Ji. Die Geburt des ersten Werwolfes. Der, ohne zu prahlen, ich war. Mit mir hatte die Blutlinie begonnen. Was auch mehr ein Versehen war, als gewollt. Mein Onkel hatte ein Experiment gestartet, das unheimlich nach hinten losgegangen war und mich zum Wolf machte. Eigentlich war es also Mei-Trian, der schuld war, dass es uns gab. Aber damit hatte er genau das erreicht, was er wollte. Er hatte etwas erschaffen. Wenn auch ein Monster, aber genug davon. Daneben war eine Zeichnung, wie ich diese Höhlen besiedelte. Und noch viel mehr von solchen Zeichnungen. Vor uns standen zwei Throne, aus Gold. Ich führte Wilu darauf zu und setzte ihn auf einen. Auf dem anderen nahm ich Platz.
„Eigenartigerweise, fühlt sich das vertraut an“, sagte er und ich nickte.
„Eigenartig, oder?“
Er nickte und wollte gerade etwas sagen, als mehrere Werwölfe den Raum betraten. Bei sich, trugen sie zwei Kleidungen.
„Mein König. Ihr seid zurück“, sagte meine Beraterin, die ich schon getroffen hatte.
Sie verneigten sich und legten die Kleidungen zu Boden.
„Wir bringen euch eure Rüstungen.“
Ich erhob mich und ging darauf zu. Eine für mich und eine für Wilu? Nicht schlecht. Ich hob sie auf und tauschte die Rüstungen, durch Magie aus. Jetzt trug ich eine Rüstung in violett. Es war heller und an einigen Stellen dunkler. Auf meinen Schultern lag eine dicke Panzerung, die ziemlich schwer war. An meiner Hüfte hingen vier gepanzerte Streifen Stoff. Zudem war der Stoff selbst mit Metall verstärkt. Keine Frage, diese Rüstungen waren das Beste, was ich je gesehen hatte. Da konnte sogar Kemitsu einpacken. Und seine Rüstungen waren schon klasse. Wilu nahm seine Rüstung und sah sie sich genau an. Sie ähnelte meiner ziemlich stark. Ein kurzer Wink meines Fingers und sofort trug er sie auch. Zufrieden sah er an sich herunter.
„Die ist perfekt“, sagte er und ich nickte.
„Sie ist ja auch extra für dich gemacht worden. Wie geht es mit der Besiedelung voran?“
„Sehr gut, mein Herr. Die meisten Werwölfe sind wieder in ihren Häusern. Einige aber eben noch nicht. Wir warten noch, bis sie alle wieder versammelt sind und wollen dann mit euch sprechen, wegen der Schlacht“, sagte die Frau und ich nickte.
„Wilu wird euch anführen. Zusammen mit den Zentauren. Mehr wollen wir gar nicht. Sobald unsere Armee versammelt ist, gebt mir Bescheid, dann kommen wir und holen euch. Aber beeilt euch bitte, denn die Zeit drängt“, sagte ich und sie nickte.
Die Werwölfe verließen den Raum wieder. Wilu sah mich an.
„Shian Hi. Ich habe mich schon lange nicht mehr irgendwo zu Hause gefühlt. Aber hier fühle ich mich irgendwie so sicher. Als wäre es schon immer meine Heimat gewesen“, sagte er.
„Das freut mich, Schatz. Ich zeige dir mal unser Zimmer.“
Ich zog ihn mit mir durch die Gänge, bis ich vor einer großen, goldenen Türe stehen blieb. Vorsichtig öffnete ich sie. Dahinter erhob sich ein Raum, der genauso groß war, wie der im Windreich. Die Einrichtung war schlicht und rustikal. Alles aus Holz. Ebenholz um genau zu sein. Wilu sah sich um und bekam seinen Mund, vor Staunen nicht mehr zu.
„Gefällt es dir?“
„Da fragst du noch? Können wir vielleicht für immer hierbleiben?“
„Kein Problem. Obwohl du ja eigentlich Schamane bist.“
„Das kann gerne wer anders übernehmen, wenn ich dann hierbleiben kann.“
„Kannst du auch so. Und wer sollte das Amt übernehmen? Eigentlich wird man als Schamane geboren.“
„Das ist eine Lüge.“
„Aber eine meiner besten. Du kannst hierbleiben, ob du nun Schamane bist oder nicht. In jedem Reich gibt es einen Zugang zu diesen Höhlen. Deswegen wollten die Spinnen auch hier leben. Von hier aus hätten sie jedes Reich ohne Probleme angreifen können. Zum Glück sind wir jetzt wieder hier.“
Er nickte und ging in die Mitte des Raumes. Mir fiel gerade etwas ein. Wenn die Werwölfe jetzt wieder die Kontrolle hatten, konnte ich mein Buch holen. Das Weisheitsbuch.
„Sieh dich noch ein wenig um, wenn du magst. Ich muss eben in mein Labor uns nachsehen, ob mein Buch noch dort ist“, sagte ich und ging einfach, ohne ihm Zeit zum Antworten zu lassen.
Als ich die Türe hinter mir geschlossen hatte, sah ich mich erstmal um. Wo war mein Labor eigentlich? Ein Werwolf lief an mir vorbei.
„Entschuldigt bitte. Wo find ich mein Labor?“, fragte ich ihn und er musterte mich.
„Eurer Labor ist den Gang herunter, mein König“, antwortete er und ging seines Weges.
Gut, also dem Gang entlang. Ich ging los und erreichte bald eine massive Türe. Als ich versuchte sie zu öffnen, bewegte sie sich keinen Meter. Erstaunt trat ich zurück. Nanu. Was war das denn? Wieso sollte ich die Türe denn so schwermachen, dass ich sie selbst nicht aufmachen konnte? Das ergab keinen Sinn. Ich versuchte es erneut, bis mir etwas auffiel. Da war ein Abdruck einer Pfote. So groß, dass meine Hand da nicht drauf passte. Ah, Moment. Werwolf. Ich verwandelte mich und legte meine Pfote darauf. Sofort klickte die Türe und öffnete sich. Vor mir eröffnete sich eine dunkle Höhle. Vereinzelt standen ein paar Kerzen herum und gaben ein wenig Licht. Sonst konnte ich nicht einmal mit meinen Wolfsaugen etwas erkennen. Was hatte ich mir damals gedacht, als ich es hier so dunkel gemacht hatte? Die Türe fiel hinter mir ins Schloss und sofort flammten noch viel mehr Kerzen auf und erfüllten den Raum mit viel Licht. Es war ein überwältigender Anblick. Ich war umgeben von Bücherregalen, so hoch wie die Decke. Voll mit Büchern. Meine Erinnerungen kamen langsam zurück. Ja, das waren Bücher zu jedem Thema, dass es auf dieser Welt gab. Im hinteren Teil standen noch mehr Bücher, die nur über die Menschenwelt handelten. Ich ging weiter und erreichte die Mitte der Höhle. Hier standen mehrere Tische mit Gerätschaften, die nicht zu beschreiben waren. Mir war ihre Verwendung bekannt, aber nicht ihr Name. Das meiste war eh von mir erfunden worden. Ich drehte mich um und sah ein weiteres Regal, voll mir Zaubertränken. Mir fiel die Kinnlade herunter. Es war mir klar gewesen, dass ich etwas zusammengebraut hatte, doch nicht so viel. Das Regal ging auch bis unter die Decke und war voll mit Flaschen, aller Größen und Formen. Ich ging darauf zu, als ich gegen etwas stieß. Es war ein Buch, das sehr dick aussah und voll mit Staub war. Vorsichtig hob ich es auf und säuberte es. Das war es. Mein Buch der Weisheit. Den Göttern sei Dank, dass es noch hier war. Ich schlug es auf. Es enthielt nicht nur Informationen, über alles, was in dieser Welt vor sich ging, sondern auch über das was noch kommen würde. Wo eigentlich Ende war, schrieb es sich von selbst immer weiter. Mir fiel wieder ein, dass ich eigentlich nie von diesem Buch aufgesehen hatte. Wenn jemand auf mich zukam, konnte ich das sofort lesen, sowie auch seine Absicht. Sehr praktisch, wenn ich das mal so anmerken durfte. Ein Meisterwerk, das nur von meiner Hand stammen konnte. Ich war ein Genie. Oh, da war ich wohl wieder ins Prahlen verfallen. Konnte ich mir aber auch erlauben, so toll wie ich war. Nein, falsche Gedanken. Prahlen war irrational. Bleib Rational, Shian Hi. Nicht prahlen. Ok gut, ich habe mich. Was wollte ich noch gleich hier? Ach ja nur das Buch. Ich schlug es auf und begann zu lesen. Natürlich interessierten mich nur noch die letzten Seiten. Ohne aufzusehen, ging ich los und zurück zu meinem Zimmer. Das Buch schrieb alles mit. So wusste ich genau, ob mir wer entgegenkam oder nicht. Aber das war nicht der Fall. Ich betrat mein Zimmer und sah mich um. Wilu war nicht hier. Vermutlich war er schon woanders hingegangen. Ich wollte gerade umdrehen, als mir ein kalter Schauer über den Rücken lief, bei dem was ich las.
„Ich habe ja viel erwartet. Aber dich hier zu sehen? Welche Ehre du mir doch gibst, Chun Ji“, sagte ich und drehte mich um.
Dabei schlug ich das Buch zu und die Schwester kam aus einer Ecke des Raumes hervor. Sie war die stärkste und gleichzeitig auch schönste der Schwestern. Üppige Brüste, sinnliche Hüfte, guter Geschmack was Kleidung anging und wunderschöne weiße Haare.
„Schon lustig oder, Shian Hi? Ich hatte mir gedachte, dass du so etwas sagen würdest.“
„Was hast du mit Wilu gemacht?“
„Dem kleinen Schamanen? Es geht ihm gut. Er ist gegangen, bevor ich gekommen bin. An ihn komme ich sowieso nicht heran. Du wirst es bestimmt nicht vergessen haben, was du damals gemacht hast.“
„Frisch mein Gedächtnis doch bitte auf“, sagte ich und sie lachte.
„Wie konntest du das nur vergessen, du Idiot? Also ich erkläre es dir“, begann sie, doch ich würgte sie ab.
„Den Idioten will ich überhört haben. Ich habe damals glaube ich folgendes zu dir gesagt gehabt, erinnerst du dich? Und auch wenn ich vergesse, wer ich war, werde ich mich daran erinnern, was damals hier passiert ist. Niemand wird mir dieses Gefühl von Liebe und Zuneigung geben können, wie Wilu es einst getan hast. Genauso wie den Schmerz, den ich durch dich erfahren habe. Die Seele des Windes mag altern. Sie mag sich auch verändern. Aber eins wird sie sicher nicht. Vergessen! Egal was passiert. In der Zukunft werde ich euch finden und zurückgeben, was ihr mir zugefügt habt. Jede Sekunde meines Schmerzes soll ein Jahrtausend eurer Qual werden. Niemand stellt sich ungestraft einem Sturm in den weg, der ganze Berge in die Knie zwingt.“
„Ich sehe, du hast doch ein paar deiner Erinnerungen gerettet.“
„Erspar uns hier ein paar unschöne Momente, ja? Komm zur Sache.“
Sie sah mich erstaunt an.
„So bestimmend, Shian Hi? Sieht dir gar nicht ähnlich.“
„Ich habe mich entwickelt. Also?“
„Meine Forderungen. Du hast sie immer noch nicht erfüllt.“
„Genau genommen, hast du mich auch zu gar nichts aufgefordert. Du hast deine zwei nutzlosen Schwestern geschickt.“
„Wage es nicht, uns zu beleidigen.“
„Oh, aber bitte. Das liegt mir fern. Ich würde euch niemals beleidigen.“
„Deine selbstgefällige Ironie kannst du dir in die Haare schmieren, Shian Hi.“
„Darf ich dir meine Antwort vielleicht direkt sagen? Nein. Ich gebe deinen Forderungen nicht nach“, sagte ich und sie lächelte.
Sofort erschienen Sakana und Krisilana neben ihr. Sie hielten meine Adoptiveltern in den Händen.
„Ist es dir egal, was aus den Geiseln wird?“, fragte sie und die zwei sahen mich an.
„Kai. Geh nicht drauf ein. Uns ist egal, was aus uns wird“, sagte Vater und ich sah Chun Ji emotionslos an.
„Sie sind bedeutungslos für mich. Wofür brauche ich sie? Es sind nicht meine richtigen Eltern.“
„Denk nochmal nach“, sagte Sakana und bedrohte meine Mutter mit einem Dolch.
Verflucht. Konzentrier dich, Shian Hi. Du brauchst einen Plan, der die zwei rettet. Aber wie sollte ich das anstellen? Erstmal weiter das kalte Schwein spielen? Keine Option eigentlich. Lei Jan konnte helfen. Sie war unsichtbar und konnte von hinten angreifen, wenn ich sie herbrachte. Dafür brauchte ich nur Zeit. Ich begann mit meiner Schwester zu sprechen, während ich die Schwestern nicht aus den Augen ließ.
„Deine Zeit ist um. Wie lautet deine Antwort?“, fragte Chun Ji und ich sah sie wieder an.
„Ihr habt gewonnen. Ich werde das Windreich wiederaufbauen, wenn ihr sie gehen lasst.“
„Nein. Erst baust du, dann dürfen sie gehen“, sagte Sakana und ich nickte.
„Oder so. Wollen wir?“, fragte ich und sie kamen auf mich zu.
Ich öffnete mein Buch und ginge voran. Wir traten in den Flur und gingen Richtung Thronsaal. Plötzlich stöhnte Krisilana auf und ging zu Boden. Mein Vater fiel zu Boden und blieb liegen.
„Was war das?“, fragte Chun Ji und sah mich an.
„Guck nicht mich an. Ich habe nichts gemacht“, sagte ich und las in dem Buch.
Es stand nichts über diesen Zwischenfall.
„Ließ vor“, befahl Chun Ji und ich sah sie an.
„Da steht nichts“, sagte ich und sie riss es mir aus der Hand.
„Ich hatte vergessen, dass niemand außer dir es lesen kann“, sagte sie und ich nickte.
Ich nahm das Buch zurück und schlug es wieder auf.
„Das gefällt mir nicht, Chun Ji. Er könnte Krisilana überwältigt haben, und es uns einfach nicht sagen wollen“, sagte Sakana und ich sah sie an.
„Du nennt mich einen Lügner? Ich habe nichts damit zu tun.“
„Irgendwas sagt mir, dass du lügst, Shian Hi“, sagte Chun Ji und kam auf mich zu.
Sie hatte sich gerade erst umgedreht, als auch Sakana aufschrie und zu Boden ging. Damit waren meine Eltern frei. Chun Ji sah mich an und dann auf ihre Schwestern.
„Also jetzt hast du gesehen, dass ich es nicht gewesen bin“, sagte ich und sie kam auf mich zu.
„Du hast etwas damit zu tun. Was für ein Spiel spielst du hier?“, fragte sie und ich lächelte.
„Es nennt sich, befreie die Geisel. Willst du vielleicht mitspielen?“
„Du kleiner“, begann sie, doch dann ging sie zu Boden und rührte sich nicht mehr.
Vor mir wurde Lei Jan sichtbar und sah mich an.
„Ziemlich lächerlich, was sie hier gezeigt haben“, sagte sie und ich lächelte.
„Was hast du erwartet? Mit dir haben sie nicht gerechnet. Das war unser Vorteil. Wo ist Wilu?“, fragte ich.
„Bei uns, im Erdreich. Er wollte etwas holen. Als du dich gemeldet hattest, haben wir ihn nicht mehr gehen lassen. Jetzt wartet er auf uns“, sagte sie und ich nickte.
„Ich bringe nur eben den Müll raus“, sagte ich und ließ die Schwestern verschwinden.
„Wo hast du sie hingebracht?“, fragte sie.
„An ihren Lieblingsort. Das Spinnennest.“
Sie lachte und dann teleportierte ich uns ins Erdreich. Wilu erwartet uns bereits, zusammen mit meinen Geschwistern. Nur die anderen Schamanen fehlten.
„Na endlich. Was ist passiert?“, fragte er, als er mich sah.
„Nur ein kleiner Zwischenfall. Nichts Ernstes. Zumindest haben die anderen jetzt keine Geiseln mehr. Wo sind die Anderen?“, fragte ich und Shan Chun sah mich an.
„Verteidigen das Feuerreich gegen ein paar Dämonen. Nichts Dramatisches. Sie sind so gut wie fertig. Aber wir haben ein anderes Problem, weswegen wir hier stehen“, sagte er.
„Hoffentlich nicht so dringend, das ich nicht vorher die zwei hier versorgen kann, oder?“
„Dafür ist wenig Zeit. Wir kommen mit“, sagte er und wir trugen meine Eltern ins Krankenzimmer des Tempels.
Hier lagen noch ein paar Soldaten, die ich nicht hatte heilen können, weil ich es vergessen hatte. Meine Eltern legten wir auf ein Bett. Ich heilte ihre Wunden und sah dann meine Geschwister an.
„Also. Worum geht es?“
„Es geht um die Schwestern.“
„Um wen auch sonst? Schießt los.“
„Das Windreich ist besetzt von ihren Truppen. Genauso wie das Wasserreich“, sagte Emira.
„Was wollen sie mit den trostlosen Flecken Erde?“, fragte ich.
„Ihre Macht demonstrieren. Ihr Gefolge ist viermal so groß, wie wir das erwartet hatten.“
„Ich will zahlen.“
„Wir haben nicht nachgezählt, du Schlaumeier.“
„Wissen wir denn, womit wir es zu tun haben?“, fragte ich und sie senkten ihre Köpfe.
„Sagt mir jetzt nicht, dass ihr keine Ahnung habt.“
„Leider schon“, sagte Shan Chun.
„Ihr beobachtete, dass sich Truppen sammeln. Wisst, wie stark sie sind. Aber nicht was für Wesen?“
„Dafür war keine Zeit, weil das Feuerreich angegriffen wurde“, sagte Emira.
„Also gut. Wir wissen es sind viele. Was wollt ihr jetzt machen?“, fragte ich und sie wollten gerade antworten, als die Türe aufgestoßen wurde und die drei Schamanen hereinkamen.
Schwer verwundet und völlig am Ende. Sofort sprang ich auf und lief zu ihnen. Bei allen Göttern. Was war passiert?
„Was ist passiert?“, fragte ich Leo, doch er konnte nicht mehr antworten, weil er ohnmächtig wurde.
„Sie haben uns überrannt. Es kamen immer mehr und mehr Dämonen, denen wir irgendwann nicht mehr gewachsen waren. Vergebt uns“, sagte Sebastian und schloss ebenfalls seine Augen.
„Macht sofort drei Betten frei. Ich muss mich um sie kümmern, sonst kommen sie nicht durch!“, schrie ich und sofort bewegten meine Geschwister sich.
Ohne Rücksicht auf Verluste schmissen sie Soldaten, aus ihren Betten, die halbwegs gesund waren. Ich ließ die drei schweben und brachte sie zu den Betten.
„Wilu, komm her“, rief ich und er stellte sich neben mich.
„Versuch dich um Leos Wunden zu kümmern. Sie sind nicht so schlimm wie die der Anderen.“
Er nickte und ging sofort an die Arbeit. Wen zuerst? Andre war schwach, aber stärker als Sebi. Also zuerst Sebi. Ich untersuchte seinen Körper erstmal. Gift? Ja. Spinnengift. Also gehorchten ihnen auch die Spinnen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seinen Körper und zog ein Abbild aus Magie aus ihm heraus. Emira Kariani stellte sich neben mich und sah es sich an.
„Bei allen Waagen dieser Welt. Was haben sie mit ihm gemacht?“, fragte sie und ich sah es mir genau an.
Die Wunden waren in anderen Farben, als der Rest eingefärbt. Jede Wunde hatte eine andere Farbe.
„Das grüne ist Gift. Blau bedeutet magischer Treffer. Rot sind Waffen. Violett sind Pfeile. Beim Buch der Weisheit. Siehst du das?“, fragte ich und zeigt auf sein Herz.
„Was ist das?“, fragte sie und ich Griff in die Illusion hinein.
Ich holte das Herz hervor und hielt es in den Händen. Es war schwarz ein gefärbt. Was bedeutete Schwarz? Das hatte ich noch nie gesehen. Sofort schlug sich mein Buch auf. Da war eine Legende über die Farben. Schwarz stand für magisches Gift. Also nichts Natürliches. Das machte es noch schlimmer.
„Magisches Gift. Was genau es ist, weiß ich nicht. Verflucht. Warum ist Zymerana nicht hier?“
Irgendwas musste ich machen. Wenn ich nicht handelte, würde Sebi nie wieder aufwachen. Ich schloss meine Augen legte ihm meine Hand auf die Brust. Meine Magie griff hinein und löste die Meisten Wunden auf und zog das meiste an Gift hervor. Nur nicht das, welches sich im Herzen befand. Dagegen war ich erstmal Machtlos. Jetzt konnte sein Körper erstmal versuchen alleine damit fertig zu werden. Ich griff auf die andere Seite und zog auch eine Illusion aus Andres Körper heraus. Sie zeigte ähnliche Verwundungen. Aber dieses schwarze Gift war nicht in ihm. Ich heilte ihn schnell und wendete mich dann wieder Sebi zu. Was sollte ich nur mit ihm machen? Ich brauchte Zeit, um herauszufinden, welches Gift man benutzt hatte.
„Er stirbt, Shian Hi“, sagte Shan Chun und stellte sich neben mich.
„Danke, das ist mir gar nicht aufgefallen“, sagte ich scharf und konzentrierte mich dann wieder.
Mir fiel nicht einmal ein Zauber ein, den ich hätte verwenden können. Nicht ein einziger. Zu aller erst musste ich eh herausfinden, was für ein Gift es war. Sonst konnte ich gar nichts machen.
„Jetzt tu doch endlich was“, sagte mein Bruder und riss mich schon wieder aus meine Gedanken.
„Wenn du denkst, dass es so einfach ist, dann mach es doch selbst. Ich muss erstmal herausfinden, was für ein Gift es ist und wie ich es dann neutralisieren kann. Das geht nicht mal so einfach. Also halt endlich deinen Mund, sonst kann ich mich gar nicht mehr konzentrieren!“, schrie ich ihn an und er trat zwei Schritte zurück.
Wut war eigentlich auch irrational. Aber sie half mir gerade ein wenig den Stress zu mildern. Wenn er nicht bald aufhörte mich zu stören würde ich gar keinen Weg finden. Also gut. Nochmal. Gab es einen Zauber, der alles Gift neutralisieren konnte? Ja, den gab es. Aber ich kannte ihn nicht. Zymerana kannte ihn. Das war die Lösung. Wenn ihn jemand kannte, stand er in meinem Buch. Sofort schlug es sich auf, mit der richtigen Seite. Da stand er.
„Anra Behefurion Istura.“
Sofort begann Sebis Körper zu leuchten und ich spürte, wie der Zauber meine Kraft benutzte. Und das nicht gerade wenig. Vor uns sammelte sich eine Substanz in der Luft, während immer mehr von dem Gift aus Sebis Herzen kam. Shan Chun hob seine Hand und wollte es anfassen, als ich ihm auf die Finger schlug.
„Was?“, fragte er.
„Fass niemals eine Substanz an, die du nicht kennst. Das kann gefährlicher sein, als du denken magst.“
Endlich brach der Zauber ab und Sebi atmete auf. Sein Körper war gerettet. Sofort ließ ich das Gift in eine Flasche fließen und verschloss sie. Danach schickte ich sie in mein Labor.
„Das wäre geschafft“, sagte ich und die Anderen nickten.
„Wie schnell werden sie wieder gesund?“, fragte Lei Jan.
„Schwer zu sagen. Sie haben zwar ein gutes Durchhaltevermögen aber sie wurden auch hart mitgenommen. Vielleicht drei Tage, vielleicht aber auch einen Monat. Bei Sebi weiß ich nicht einmal, ob er überhaupt wieder völlig genesen wird. Dafür muss ich erst dieses Gift untersuchen. Danach kann ich dazu eine Aussage machen“, sagte ich und sie sahen sich an.
„Also ist das Feuerreich auch überrannt“, sagte Emira und Lei Jan nickte.
„Offenbar schon“, sagte sie und sah mich dann an.
Ich schloss meine Augen und wanderte ins Feuerreich. Die Stadt war noch unversehrt. Doch die Menschen waren weg. Außer einige Dämonen konnte ich nichts wahrnehmen.
„Wenn es Überlebende gibt, dann kann ich sie nicht aufspüren. Vielleicht haben sie sich so gut versteckt oder sind entkommen. Aber das weiß ich leider nicht“, sagte ich und Chin Ju senkte ihren Kopf.
„Wir haben versagt“, sagte sie und brach in Tränen aus.
Shan Chun begann sie zu trösten, während Lei Jan begann mit einigen Soldaten zu sprechen. Ich stand einfach nur daneben und sah ihnen dabei zu. Viele Menschen hatten im Feuerreich ihr Leben gelassen. Und ein Ende der Morde war noch gar nicht in Sicht. Chun Ji nahm sich alles, was sie zwischen die Finger bekommen konnte. Nicht einmal wir konnten uns davor verstecken. Niemand war sicher. Aber trotzdem mussten wir sie aufhalten und zwar so schnell es ging.
„Shian Hi“, rief Li und kam auf mich zu.
Ich sah ihn an und nickte.
„Was gibt es?“
„Die Schwestern rücken vor. Ihre Armee sammelt sich vor den Toren dieser Stadt“, sagte er und ich sah meine Geschwister an.
„Wir haben ein Problem“, sagte ich und sie sahen mich an.
Emira hatte aufgehört zu weinen, hatte aber immer noch rote Augen.
„Was ist es diesmal?“, fragte Shan und ich senkte den Kopf.
„Die Schwestern sammeln sich, um uns anzugreifen“, sagte ich und sofort sprang er auf.
Lei stieß einen Soldaten beiseite und griff mir an den Kragen.
„Sag mir bitte, dass das ein Scherz sein soll.“
„Das würde ich gerne. Li hat mir gerade gesagt, dass sie ihre Truppen sammeln, um uns anzugreifen“, sagte ich und sie ließ mich los.
„Wir haben viele Soldaten im Feuerreich verloren. Wilu ist der einzige Schamane, der kämpfen kann und wir vier alleine können nicht ihre Streitmacht aufhalten“, sagte sie.
„Ich bin ratlos. Mir gehen die Ideen aus. Selbst wenn wir Werwölfe und Zentauren holen, haben wir keine Chance“, sagte ich und ließ mich auf Sebis Bett fallen.
„Ihr seid Götter. Was müsst ihr schon fürchten?“, fragte Li und wir sahen ihn an.
„Einfach zu viel“, sagte Shan und ließ sich ebenfalls auf ein Bett fallen.
„Es bringt uns nicht weiter, wenn wir nur hier sitzen und auf unseren Untergang warten. Noch haben die Schwestern nicht gewonnen“, sagte er und ich sah ihn an.
Sein ungebrochener Optimismus machte mir nicht wirklich Mut.
„Habt ihr denn alles vergessen?“, fragte Wilu und trat zu uns.
Ich sah ihn an.
„Ihr habt sie schon einmal besiegt. Und da wart ihr nicht so stark wie jetzt. Was damals geklappt hat, wird wieder klappen. Daran glaube ich fest. Wenn jemand sie aufhalten kann, dann seid ihr es.“
„Damals hatten sie aber nicht ihre Armee“, sagte ich.
„Shian Hi. Ich habe dich damals einen Dämon besiegen sehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Du hast dich nicht einmal bewegt und der Dämon war Geschichte. Ihr wollt euch eure Fähigkeiten nur nicht eingestehen“, sagte er und ich sah meine Geschwister an.
„Lass gut sein, Wilu“, sagte Shan Chun und schüttelte seinen Kopf.
„Die Schlacht ist verloren.“
Nein. Die Schlacht war verloren, wenn wir sie nicht führen würden. Ein Weg, eine Schlacht zu gewinnen, war im Umgehen der selbigen. Das brachte aber nicht wirklich den gewünschten Erfolg. Zumindest nicht gegen Chun Ji. Wenn wir uns ihnen Stellen würden, konnten wir gewinnen. Mein Kopf arbeitet gerade hitzig an einer Strategie, die unsere Verluste geringhalten würde, aber gleichzeitig ihre Vergrößerte.
„Ich glaube, ich habe eine Idee“, sagte ich und sie sahen mich an.
„Und die wäre?“, fragte Lei Jan.
„Der einzige Weg, im Kampf unbesiegt zu bleiben, ist nicht zu kämpfen.“
„Richtig. Aber das hilft uns nicht weiter“, sagte Shan Chun.
„Auf den ersten Blick nicht. Chun Ji weiß, dass sie gegen uns nur dann eine Chance hat, wenn wir nicht kämpfen. Sie selbst wird gar nicht angreifen, weil sie nicht verlieren will. Selbst wenn ihre Armee fällt, werden die Schwestern nicht angreifen. Dafür sind sie viel zu eitel. Also können wir die Armee schlagen, ohne fürchten zu müssen, dass wir ihnen gegenübertreten. Ruft die Generäle zusammen. Stellt einen Verteidigungsplan auf. Ich werde die Zentauren und Werwölfe mobilisieren und sehen, was ich sonst noch machen kann. Die Schlacht ist erst verloren, wenn wir nicht mehr Atmen“, sagte ich und sie nickten.
Sie verließen den Raum. Wilu wollte gerade gehen, als ich ihn festhielt und in einen Kuss zog.
„Danke, dass du immer noch für mich da bist“, sagte ich.
Er lächelte.
„Irgendwer muss dich ja auf Kurs halten.“
Ich ließ ihn los und er folgte den anderen. Im gleichen Moment meldete sich meine Beraterin.
„Mein König. Die Werwölfe sind bereit und erwarten eure Befehle“, sagte sie zu mir und ich nickte stumm.
Sofort teleportierte ich mich in die Höhle und war beinahe erschlagen von dem Anblick. Vor mir standen mehrere tausend Menschen. Alle mit Rüstungen und Speeren bewaffnet. Einigen von ihnen waren in Wolfsgestalt. Das waren die älteren Wölfe, für die es die menschliche Hülle nicht gab. Sie weigerten sich, sie anzunehmen.
„Meine Werwölfe“, rief ich und alles sah mich an.
Ich ging auf die Empore und sah nach unten.
„Wir haben unsere Höhlen wieder. Ab sofort stehen wir wieder an den Toren der Reiche und sorgen dafür, dass ihre Feinde nicht mehr eintreten können. Zumindest, so gut wir können. Ich habe euch zusammenrufen lassen, weil ein Krieg bevorsteht. Die Schwestern Chun Jis sammeln ihre Streitkräfte vor dem Erdreich und wollen bald angreifen. Nur mit vereinten Kräften, können wir sie aufhalten“, rief ich und sofort brandete Jubel auf.
„Ich werde euch in das Erdreich bringen und dann losziehen, um noch mehr Verbündete zu holen. Wilu, euer zweiter König wird euch befehligen. Rückt aus, meine Wölfe. Zeigt der Welt wie Scharf unsere Klauen und gefährlich unsere Zähne sind.“
Erneut jubelte man und dann setzte sich der Trupp in Bewegung Richtung Erdreich.
„Eine gute Ansprache, Herr. Wir werden die Soldaten begleiten und danach zum Palast zurückkehren“, sagte meine Beraterin und ging, zusammen mit den anderen Männern, neben ihr.
Ich sah ihnen kurz nach und teleportierte mich dann an den Weisheitssee. Er war wunderschön. Umgeben von dichten Baumreichen, war er beinahe nicht zu erreichen. Das Ufer war weiß und sah beinahe aus, wie Porzellan. Man hatte Angst, näher zu gehen, um die Schönheit nicht zu zerstören.
„Sieh an, wer da ist“, sagte eine Stimme und ich drehte mich um.
Hinter mir stand der älteste der Zentauren. Ein ziemlich alter Pferdemann. Sein Fell war weiß, genau wie seine Haut und seine Harre. Er hatte schon ein Bad in diesem See genommen. An seiner Flanke hing ein Zauberstab.
„Seid gegrüßt, Ältester“, sagte ich und verneigte mich.
Zentauren schätzten Manieren sehr. Also versuchte ich so höflich und förmlich zu sein, wie ich konnte.
„Oh, Shian Hi. Wir haben euch doch gesagt, dass ihr euch nicht extra für uns so gut benehmen müsst. Das habt ihr damals schon nicht getan. Warum jetzt auf einmal?“
„Vielleicht weil ich nicht mehr weiß, dass wir das abgesprochen hatten?“
„Ohne Erinnerungen? Du armer Teufel“, sagte der Zentaur und begann, pferdeähnlich, zu lachen.
„Ich habe schon meine Erinnerungen. Doch leider sind sie unvollständig und ziemlich verwirrend. Sie zu ordnen, ist mir nur Teilweise gelungen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich überhaupt richtig an euch erinnern kann“, sagte ich.
„Ein Bad im See würde eure Erinnerungen auffrischen. Aber ich denke nicht, dass ihr für den Rest eurer Tage weiß sein wollt. Also fällt diese Option weg. Was genau wollt ihr hier?“
„Chun Ji will das Erdreich angreifen. Alle anderen drei Reiche sind bereits gefallen. Wir brauchen eure Unterstützung, um sie aufzuhalten. Es bedarf eurer Weisheit und Treffsicherheit, sie aufzuhalten.“
„Die Schwestern? Wie konnten sie entkommen? War das Siegel nicht perfekt?“
„Es hat an Kraft verloren, als Mei-Trian mich in die Menschenwelt gebracht hat. Das ist Chun Ji erst jetzt aufgefallen.“
„Folgt mir“, sagte der Zentaur und ging los.
Ich folgte ihm und musste schon beinahe laufen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Wir erreichten das Dorf der Zentaur. Sie lebten in großen Holzhütten, die von außen nicht sehr prunkvoll aussahen. Was ihnen außen fehlte, hatten sie aber innen umso mehr. Diese Häuser waren komfortabler als jedes Haus eines Elfs. Der Älteste steuerte auf eine große Halle zu und betrat sie. Ich folgte ihm und wurde von Dunkelheit empfangen. Hier war es doch nie dunkel.
„Warum habt ihr es hier abgedunkelt?“, fragte ich, als plötzlich die Türen zuschlugen.
Eine Falle. Na ganz toll. Die Zentauren waren also nicht unsere Freunde. Und ich lief auch noch blind in diese Falle hinein. Ein Feuer wurde entzündet und erleuchtete einen großen Holzstuhl. Und auf ihm saß, welche ein Wunder, Chun Ji. Sie hatte sich schnell von Leilas Schlag erholt.
„Wie göttliche naiv du doch bist, kleiner Shian Hi. Läufst immer in die offensichtlichsten Fallen hinein. Eigentlich schon peinlich, für den Weisheitsgott.“
„Eigentlich dachte ich das schlaue Wesen wie die Zentauren nicht auf deine Lügen hereinfallen“, sagte ich und sie lachte.
„Du bist gerade umstellt von ihnen. Es macht also keinen Sinn, irgendwas zu machen. Magie wirkt eh auf sie.“
„Du weißt aber, dass sie auf dich wirkt“, sagte ich und sie nickte.
„Aber bevor der Zauber über deine Lippen geht, wirst du sterben. Das willst du doch nicht, Shian, oder?“
„Der Tod ist nichts Neues für mich. Ich habe ihn bereits getroffen. Jung Chain ist kein schlechter Mensch.“
„Er wird dich aber nicht mehr aus seinem Reich lassen, wenn du einmal da bist“, sagte sie.
„Das ist ein Problem, das ich lösen kann, wenn ich davorstehe. Also bitte, Chun Ji. Ich habe gerade nichts zu tun. Was willst du diesmal?“
„Immer noch das gleiche.“
„Mit welchem Druckmittel dieses Mal?“, fragte ich und sie erhob sich.
„Dein Leben. Wäre das nicht ein guter Tausch?“
„Mein Leben ist mehr wert als diese stinkenden Reiche. Die brauchte eh niemand.“
„Und warum willst du sich dann um jeden Preis verteidigen?“
„Ich verteidige nicht die Reiche, sondern die Menschen, die dort leben.“
„Ist dir bis jetzt ja nicht wirklich gelungen“, sagte sie und ich musste lachen.
„Weil ich es noch nicht wirklich versucht habe. Ich bin wie du. Meine Finger mache ich erst im Notfall schmutzig. Und der Notfall ist noch nicht eingetreten.“
„Bekomme ich jetzt meine Antwort, oder nicht?“
„Die sollst du haben. Sie lautete wie vorher. Nein. Ich baue keines der Reiche wieder auf, nur damit du es wieder zerstören kannst.“
„Ach komm schon, Shian Hi. Ich locke dich in Fallen. Nehme dir die Menschen, die dir nah stehen. Was soll ich noch tun? Vielleicht deine richtigen Eltern gefangen nehmen?“
„Das würde ich gerne sehen, wie du Krisuracha und Issyl gefangen nimmst. Wenn du das schaffst, gebe ich freiwillig auf.“
Sie lachte. Ich brauchte eine Möglichkeit zu fliehen. Da fiel mir auch gerade etwas ein. Ein Drache. Er war immun gegen Magie und gegen Pfeile ebenso. Eine Verwandlung war nicht schwer, musste aber extrem schnell gehen. Also bereitete ich den Zauber so vor, dass es schnell passieren würde, wenn der Moment gekommen war.
„Wie du meinst. Du stellst mir die Aufgabe und ich erfülle sie. Genau wie damals. Wir waren ein herrliches Team, Shian Hi. Weisheit und Licht. Du hast in mir großes Potenzial gesehen.“
„Aber nur darin, Gutes zu tun. Und nicht die Welt zu überrennen.“
„Und jetzt stehen wir hier und sind wohl beide von dem Anderen enttäuscht. Also bleibst du bei deinem Nein?“
„Ja.“
„Wie du meinst. Tötet ihn“, sagte Chun Ji und sofort hörte ich das Spannen von Bogensehen.
Jetzt war mein Moment gekommen. Mein Körper wurde in eine Flammenkugel gehüllt und ich wurde zu einem Drachen. Als das Feuer verschwand sah ich mich um. Die ersten Pfeile kamen geflogen und fielen einfach zu Boden. Genau wie ich es mir gedacht hatte. Ich stieß eine Flamme aus und durchbrach die Decke des Raumes. Brennendes Holz kam uns entgegen und ließ die Zentauren zurückweichen. Ich nutzte die Chance und brach durch das Dach. Sofort breitete ich meine Flügel aus und flog davon.
Hinter mir hörte ich Chun Ji nur verärgert Brüllen. Natürlich. Sie war froh, dass sie mich in die Falle gelockt hatte. Doch egal wie oft sie das versuchte, ich fand einen Weg nach draußen. Sie würde mich nicht so schnell erwischen. Ich hatte fast das Erdreich erreicht, als ich ein Brüllen hörte und nach hinten sah. Ein Drache verfolgte mich. Verflucht. Wo kam der denn her? Gehörte er zu Chun Ji? Oder war ich einfach nur in sein Revier eingedrungen? Egal. Ich musste ihn erstmal von der Stadt weglocken. Der Wind änderte meine Flugrichtung und trieb mich nach oben, in die Wolken hinein. Er folgte mir. Das war gut. Ich tauchte in die weiße Masse ein und verlor ihn aus den Augen. Es dauerte nicht lange, da tauchte ich wieder auf und in strahlenden Sonnenschein. Hinter mir stieß sofort der Drache aus der Wolkendecke heraus. Ich blieb auf der Stelle stehen und sah ihn an. Wenn er mich angreifen wollte, würde ich sofort reagieren. Aber vielleicht wollte er ja gar nicht angreifen.
„Wer bist du?“, fragte ich und er musterte mich genau.
„Man nennt mich Wolkenschwinge. Ich bin die Königin der Berge. Mein Clan und ich leben abgeschieden im neutralen Gebiet. Als ich dich habe fliegen sehen, musste ich nachsehen, welcher meine Untertanen sich, ohne meine Erlaubnis entfernt hatte. Aber jetzt sehe ich, dass du nur ein einfacher Mensch bist“, sagte sie.
Für eine Frau klang ihre Stimme erschreckend tief. Meine eigene Stimme kam mir jetzt sehr weiblich vor.
„Verzeiht mir für die Verwirrung, die ich gebracht habe. Meine Widersacherin, Chun Ji hat mich in eine Falle gelockt“, sagte ich doch sie schnaubte nur.
„Ich weiß was passiert ist, Mensch. Das kann ich riechen. Außerdem riecht ihr ziemlich nach jemandem, den ich kenne. Wer seid ihr?“
„Mein Name ist Shian Hi“, sagte ich und sie lächelte mild.
„Also ist eure Prophezeiung wahr geworden.“
„Daran kann ich mich erinnern. Was habe ich damals genau prophezeit?“, fragte ich und sie nickte.
„Kommt mit mir, Shian Hi. Ich werde es euch zeigen“, sagte sie und flog voraus.
Ich folgte ihr, genau auf die Himmelsberge zu. Sie steuerte auf eine Felsspalte zu und schlängelte sich hinein. Bei meinem Zauberbuch. Wie sollte ich das denn schaffen? So erfahren war ich im Fliegen nicht. Also gut. Übergangslos wurde ich zu meiner Tigergestalt mit Flügeln. Erstaunt stellte ich fest, dass sie nicht nur zur Dekoration waren. Ich konnte wirklich fliegen. Ich tauchte ebenfalls in die Felsspalte ein und fand mich in einer Drachenstadt wieder. Unglaublich. Diese Berge bargen so viel Leben. Hier oben, die Drachen und weiter unten meine Werwölfe. Ich landete vor der Königin, die auf einem Felsvorsprung saß.
„Willkommen“, sagte sie und ich sah mich genauer um.
Drachen bauten ihre Nester sehr eigenwillig, an die Berghänge. Sie benutzten ihr Feuer, um den Stein zu schmelzen und danach formten sie ihn zu Vorsprüngen. So entstand überall Platz. Sogar an der Decke.
„Kommt mit“, sagte die Königin und schritt weiter.
Sie betrat eine weitere Spalte und verschwand. Ich folgte ihr und betrat eine Kammer aus purem Gold. Gold in diesem Berg. Wahnsinn. Vor mir lag ein Schatz, der größer war, als alles was ich je gesehen hatte. In der Mitte stand eine Säule. Auf ihr war eine Inschrift. Die Königin stellte sich daneben und wartete, bis ich angekommen war. Erstaunt sah ich mir die Buchstaben an.
„Das habt ihr hinterlassen, Shian Hi. Eine Prophezeiung, über eure Auferstehung.“
Ich begann zu lesen. Doch schnell gab ich es auf, weil ich kein Wort verstand.
„Was ist das für eine Sprache?“, fragte ich und sie lachte.
„Drachensprache. Klauenschrift. Könnt ihr das nicht lesen?“, fragte sie.
„Leider nein. Vielleicht konnte ich es mal, aber ich bin völlig aus der Übung.“
„Dann lese ich es vor.“
Sie begann zu lesen und ich wiederholte die Worte im Kopf.
„In der Schlacht das Leben wir gelassen, nicht zur Ruhe wir können fassen. Zu viel zu tun in dieser Welt, dass man uns nie vergisst. Aus Asche und Staub erheben sich die Helden. Kehren zurück in ihre Heimat um Frieden und auch Ruhe zu schaffen. Zu sorgen für Menschen und Wesen, derer Hilfe sie sich bedienen. Doch nicht nur Freunde werden erwachen auch unerledigte Sachen. Mit den Göttern kommt auch ein Feind einher, der zu besiegen ziemlich schwer.“
Was für einen Schwachsinn hatte ich denn da erzählt? Musste eine Prophezeiung so gesprochen werden oder war das nur meine Idee gewesen?
„Das habe ich damals gesagt?“, fragte ich und sie nickte.
„Es klang damals aber ehrlich gesagt schöner, als heute. Dennoch hat es sich erfüllt. Willkommen zurück, Shian Hi. König der Werwölfe und Weisheitsgott“, sagte sie und senkte ihren Kopf.
Das sollte wohl Verneigen sein. Es sah ziemlich gewöhnungsbedürftig aus.
„Oh bitte, Königin. Ihr braucht euch nicht zu verneigen.“
„Wir haben lange darauf gewartet, dass die Prophezeiung sich erfüllt. Endlich könnt ihr zu Ende bringen, was ihr begonnen habt“, sagte sie.
„Chun Ji.“
„Und ihre Schwestern. Wie ich sehe, sind sie immer noch eure Feinde. Es ist gut, dass manche Dinge wirklich so bleiben wie sie sind. Weißt du denn, wer Chun Ji einmal war?“, fragte sie und ich nickte nur schwach.
Irgendwo in meinen Erinnerungen war sie.
„Sie war einst meine Schamanin. Der größte Stolz Mei-Trians. Ich habe großes Potential in ihr Gesehen. Ihre Machtgier und auch ihren Hass, habe ich immer versucht unter Kontrolle zu halten. Einige Zeit war mir das auch gelungen. Aber irgendwann hat sie sich befreit und ist zu der geworden, die sie heute ist.“
Sie nickte.
„Ihr habt ihr alles gegeben, was sie wollte. Das Reich, die Kraft. Sogar einen Teil Weisheit.“
„Offenbar aber nicht genug, dass sie logisch genug denken kann.“
„Ihr seht das im falschen Licht. Sie versucht eigentlich nur euch zu gefallen. Mehr nicht. Als ihr damals euren Partner in diese Welt geholt habt, ist in ihre eine Welt zusammengebrochen.“
„Moment. Sie hat mich geliebt?“
„Das tut sie immer noch, Shian Hi. Habt ihr das nicht bemerkt? Wenn sie gewollt hätte, hätte sie euch getötet. Doch sie konnte es nicht. Genauso wenig, wie ihr das konntet. Euer Vater hatte euch befohlen, sie hinzurichten. Doch ihr habt euch geweigert und sie gehen lassen. Rückblickend betrachtet, vielleicht euer einziger Fehler. Wenn ihr sie damals vernichtet hättet, wäre es ein für alle Mal vorbei gewesen.“
„Habe ich etwas für sie empfunden, oder warum habe ich sie gehen lassen?“
„Es war eine logische Entscheidung. Liebe habt ihr nur für Wilu empfunden. Eure einzige Liebe. Nicht viele können von sich behaupten sie erfahren zu haben. Zymerana und Boreos. Sie sind, mit Wilu alleine die einzigen, denen ihr je wirkliche Liebe entgegengebracht habt.“
„Nicht einmal meinen Eltern. Warum auch? Meine Mutter hat versucht mich umzubringen, als ich zum Werwolf wurde.“
„Das Verhältnis zu euren Eltern kenne ich nicht. Aber ich weiß von eurem Verhältnis zu Chun Ji. Tut mir bitte einen Gefallen. Wir werden euch in der Schlacht zur Seite stehen, wenn ihr Versprecht sie diesmal wirklich hinzurichten“, sagte sie und sah mir tief in die Augen.
„Ihr habt mein Wort. Diesmal wird sie nicht davonkommen.“
„Solltet ihr euer Wort brechen, wird euch das leidtun.“
Einem Drachen konnte man nicht wiedersprechen. Ich war bereit. Chun Ji würde unseren nächsten Kampf nicht überleben. Da konnte kommen was wollte. Niemand würde ihr helfen können.
„Kehrt nun zurück zu euren Freunden. Wir werden euch bald folgen.“
Ich nickte und verließ die Höhle wieder. Sofort teleportierte ich mich ins Erdreich. Wilu und meine Geschwister standen auf der Mauer und sahen auf das Land.
„Endlich zurück?“, fragte Lei Jan und sah mich an.
„Man hat mich aufgehalten. Die Werwölfe sind schon hier?“, fragte ich und Wilu nickte.
„Ich habe bereits mit ihnen gesprochen und sie vorbereitet. Was ist mit den Zentauren?“
„Die haben mich aufgehalten. Sie arbeiten für unsere Feinde.“
„Also keine Hilfe von ihnen?“
„Ich fürchte nein. Aber dafür habe ich andere Helfer organisiert. Ein Clan der Drachen wird uns helfen“, sagte ich und Shan Chun sah mich erstaunt an.
„Die Drachen? Aber waren sie nicht selbst Anhänger von Chun Ji?“, fragte er.
„Sie haben sich entschlossen uns zu helfen. Und ich muss sagen, dass ich die Entscheidung der Drachenkönigin nicht anzweifeln will.“
„Sehr gut. Wenn die Drachen auf unserer Seite stehen, bleiben nur noch Zentauren, Spinnen, Trolle und Riesen, die den Schwestern helfen.“
„Zusammen mit den Dämonen. Aber die werden wohl das kleinste Problem sein.“
„Es sind übrigens überlebenden aus dem Feuerreich eingetroffen. Auch wenn es nur eine Hand voll Leute sind, haben sie es geschafft dem Kampf zu entkommen. Sie haben uns erzählt was passiert ist und dass in allen Einzelheiten. Danach muss es ein Gemetzel gewesen sein“, sagte Emira.
„Ich habe es nicht anders erwartet. Entschuldigt bitte, ich muss nachdenken“, sagte ich und ließ sie stehen.
Meine Schritte führten mich über die Mauer. Lange Zeit ging ich einfach so vor mich hin, bis ich bemerkte, dass ich verfolgt wurde.
„Du brauchst nicht hinter mir her zu schleichen, Schatz“, sagte ich und drehte mich um.
Wilu war mir gefolgt und sah mich erstaunt an.
„Wie hast du mich gehört?“, fragte er und ich zeigte auf meine Tigerohren.
Dabei fiel mir auf, dass ich meine Flügel noch hatte. Sofort ließ ich sie verschwinden.
„Was möchtest du?“, fragte ich und er trat neben mich.
Er ergriff meine Hand und wir spazierten weiter.
„Ich weiß, warum Chun Ji all diese Dinge tut.“
„Ach wirklich?“, fragte ich und sah ihn an.
Dabei versuchte ich so erstaunt wir möglich zu klingen.
„Du hast ihr das Herz gebrochen“, sagte er und ich blieb stehen.
„Woher weißt du das?“
„Ach komm schon. Du hast es mir damals gesagt. Sie hat dir alles gegeben, um dir zu gefallen. Als du dich aber dann für mich entschieden hast, hast du ihr damit, unabsichtlich, das Herz gebrochen. Danach hat sie alle versucht stärker zu werden um doch deine Gunst irgendwie zu erlangen. Nach unserer Hochzeit war ihr aber klar, dass ihre Bemühungen vergebens waren. Somit hat sie ihre Pläne geändert und wollte die Weltherrschaft.“
Daran konnte ich mich erinnern. Sie fühlte sich von mir angezogen und versuchte wirklich nur meine Gunst zu gewinnen, damit sie den Ring um ihren Finger tragen würde, den jetzt Wilu trug.
„Es liegt in der Vergangenheit. Ich kann es nicht mehr ändern. Bei dir habe ich mich perfekt gefühlt. Der richtige Partner sagt dir nicht, wie perfekt du bist. Er gibt dir das Gefühl perfekt zu sein. Und das konnte sie mir einfach nicht geben. Nur mit dir, Wilu, fühle ich mich komplett.“
„Ich habe es nicht anders gesehen. Ebenso denke ich nicht schlecht von dir. Du bist deinem Herzen gefolgt. Das respektiere ich und sage dir auch, dass du es so machen sollst. Dein Herz zeigt dir den Weg.“
„Eine meiner besten Entscheidungen, die nicht einmal aus Logik heraus getroffen wurde. Es war wirklich die beste Entscheidung meines Lebens.“
„Aus meiner Sicht heraus, würde ich es immer wieder machen.“
„Ich ebenso. Sind die Werwölfe bereit?“, fragte ich und er nickte.
„Nachdem sie hier angekommen sind, haben sie sofort ihre Stellung bezogen. Sie übernehmen die Patrouillen in der Nacht. Man hat sie gut aufgenommen. Aber da gibt es noch eine andere Sache. Die Wunden der Schamanen sind zwar verheilt, aber ihre Kräfte kommen nur sehr, sehr langsam zurück.“
„Das war zu erwarten. Bei ihren Verletzungen können wir froh sein, dass sie sich überhaupt erholen. Wie sieht es bei Sebi aus?“
„Er kommt zu Kräften. Aber noch langsamer als die anderen. Das hatten wir ja aber sowieso erwartet.“
„Immerhin erholt er sich. Das Gift werde ich mir bei Gelegenheit mal ansehen müssen, damit ich genau weiß, was es bewirkt hat. Solange er aber erstmal heilt, brauche ich das nicht.“
„Was denkst du, wann wird Chun Ji angreifen?“
„Schwer zu sagen. Vermutlich wird sie aber nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Das wäre nicht ihre Art. Die Drachen werden auf jeden Fall bereit sein.“
„Hoffentlich haben wir noch ein paar Tage, damit meine Freunde wieder richtig gesundwerden können“, sagte er.
„Was macht eigentlich Jan?“
„Helita trainiert mit ihm zusammen. Lei Jan trainiert nebenbei Fabian ein wenig. Er ist wirklich schon sehr gut. Beide haben sich enorm verbessert.“
„Gut zu hören. Kann Jan dich jetzt beschützen?“
Er lachte nur.
„Bis es soweit ist, wird noch einiges an Zeit vergehen. Aber immerhin würde er nicht mehr sofort fallen, wenn wir in einen Kampf verwickelt werden würde. Er wäre schon eine Art Schutzschild für mich. Dafür brauche ich ihn aber nicht. Gucken wir mal, wie er sich in einer richtigen Schlacht macht.“
„Hoffentlich macht er sich dann gut und stirbt nicht sofort.“
„Das denke ich nicht. Eigentlich mache ich mir auch weniger Sorgen um mich oder die anderen Schamanen. Du bist der Grund, warum ich in Sorge bin.“
„Warum? Was soll mir denn schon passieren?“
„Eine ganze Menge. Chun Ji wird sicher versuchen eure alte Liebe zu benutzten, dich zu verunsichern. Ich will einfach nicht, dass du unachtsam wirst“, sagte er und ich sah auf das Land hinaus.
Es war alles friedlich uns still. Ein sanfter Wind spielte um mich herum und ließ meine Haare flattern.
„Was damals passiert ist, war nur einseitige Liebe. Chun Ji hat sich nie in mein Herz schleichen können. Der Grund, warum ich ihre Beachtung geschenkt habe war zum einen, weil ich für sie verantwortlich war. Und zum anderen weil sie Talent hatte. Ihre Konzentration war groß. Ihre mentale Disziplin fast nicht zu überbieten. Sie hat die Aufmerksamkeit, die ich ihr geschenkt habe, missverstanden. Das habe ich nicht gemacht, weil ich sie gerne hatte, sondern einfach, weil es meine Aufgabe war und ich ihr Potential erkannt habe.“
„Lügst du mich auch nicht an?“
Ich drehte mich um und sah Wilu tief in die Augen.
„Nein. Ich lüge dich nicht an. Nicht mehr. Wenn ich mich nicht dir anvertrauen kann, dann keinem. Du bist meine Sicherheit.“
„Es hat wirklich ganze fünftausend Jahre gedauert, bis du das erkannt hast“, sagte er und umarmte mich.
Eigentlich war ich ein Narr. Das hätte ich auch vor mehreren Jahren sehen können. Kevin oder besser gesagt Wilu war immer für mich da. Sogar, als ich es gar nicht wusste. Hätte er mich damals nicht geärgert, dann wäre ich nie auf Mi-Lans Fächer gestoßen und zurück nach Trimalia gekommen. Zumal es ja eigentlich für ihn gewesen war. Aber durch meine Kraft hatte meine Schwester wohl gedacht, ich sei der Schamane. Langsam löste er sich wieder von mir und nahm meine Hand. Wir spazierten weiter. Ich sah auf. Wolken verdeckten den Himmel und ließen keinen Blick auf den Mond zu. Doch er nährte sich langsam dem Vollmond an. Das spürte ich an meinen Kräften. Auch wenn wir Werwölfe nicht mehr vom Mond abhängig waren, gab er uns dennoch Kraft. Sah der Mond völlig voll aus, gab er uns die Kraft. Also zwei Tage davor, zwei danach und währenddessen. Dann war die Kraft der Wölfe unermesslich. Zumindest meine. Was würde passieren, wenn ich den Schwestern gegenüberstand? Würde ich meine Nerven behalten? Ich war nicht mehr so wie damals. Jetzt hatte ich etwas Großes zu verlieren. Meine Familie. Noch mal von vorne beginnen war keine Option. Diesmal würde es sich entscheiden. Entweder sie, oder ich.
„Genau das. Entweder gehen sie, oder ihr. Aber erneut von vorne beginnen, möchte ich ebenfalls nicht“, sagte Wilu und ich sah ihn an.
Wir teilten unsere Gedanken. Eigentlich bediente aber nur er sich dieser Verbindung. Gut, ich brauchte das ja auch nicht. Er sagte mir immer, was er dachte. Da brauche ich nicht seine Gedanken zu lesen.
„Wenn ich dich erneut vergesse, wird das mein Herz glaube ich nicht mehr aushalten. Außerdem, wer weiß, ob wir diesmal wieder unsere Erinnerungen finden?“
„Es würde sich genauso abspielen, wie diesmal. Die Erinnerungen werden sofort zu ihren Plätzen zurückkehren. Aber wer weiß, ob ich dich beim nächsten Mal nicht umbringen würde, wenn du mich wieder ärgerst. Das will ich ehrlich gesagt nicht.“
„Ich ebenso wenig. Weißt du, was es für ein Gefühl war, als ich festgestellt habe, dass der Junge, den ich gemobbt habe, mein Ehemann war?“
„Vermutlich hast du dich gefühlt wie ich. Aber diesmal wird es nicht so kommen. Wenn sie Gewinnt, werde ich meine Erinnerungen zerstören und mich selbst wegsperren. Dann haben sie Gewonnen. Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich die Welt ungern ihrem Schicksal überlassen würde.“
„Wenn du versagst, dann nimm mich mit. Wir brauchen auch unsere Erinnerungen nicht zu zerstören. Wir gehen einfach in eine andere Welt und werden dort unser Dasein fristen, gemeinsam.“
„Klingt auf jeden Fall besser als sich komplett zu zerstören.“
„Das sowieso.“
„Wilu, ich will, dass du eins weißt. Ich bereue sehr vieles in meinem Leben. Jetzt wo ich die Welt mit andere Augen sehe, wird mir erst bewusst, was für ein Idiot ich gewesen bin. Doch eins weiß ich genau. Würde ich die Chance bekommen, etwas zu ändern, wäre es mein Verhalten, dir gegenüber. Oftmals war ich doch sehr kalt zu dir“, sagte ich und er lächelte.
„Hätte ich nicht das an dir geliebt, hätte ich dich nicht geheiratet. Meine Wahl ist nicht auf dich gefallen, weil du ein Gott warst. Das habe ich zu dem Zeitpunkt nicht einmal geglaubt. Ich liebe dich, Shian Hi. Mit all deinen Ecken und Kanten. Würde ich sie dir abgewöhnen, wärst du nicht der Mann, den ich gerne hätte“, sagte er.
„Mir fällt es schwer, sowas zu glauben.“
Er lachte nur und wir blieben erneut stehen.
„Weißt du, wie oft ich diesen Satz in den letzten Jahren gehört habe?“
„Zu oft?“
„Viel zu oft. Lass uns was vergangen ist, vergessen. Es war eine schöne Zeit. Doch jetzt sind wir zusammen und haben eine genauso schöne Zeit. Wir sind zusammen und das ist alles, was zählt. Und wenn Chun Ji angreift, wird sie sehen, dass wir eine Einheit sind und niemals aufgeben werden.“
Richtig. Wir waren eine Einheit. Wenn Wilu und ich auf einer Wellenlänge waren, hatten wir ungeahnte Kräfte. Diese hatte ich nur einmal demonstriert und Jung Chain damit beinahe getötet. Ohne Wilus Hilfe wäre das nicht möglich gewesen. Wir gingen weiter und unterhielten uns über die Vergangenheit. Bis zum Morgengrauen.
„Eine ganze Nacht ohne Schlaf“, sagte Wilu und ich sah ihn an.
Wir hatten das Erdreich komplett durchwandert. Jede Gasse und die gesamte Mauer, in einer Nacht.
„Stört uns doch nicht, oder? Wir konnten uns wenigstens in Ruhe aussprechen.“
„Das ist wahr.“
Chin Ju kam auf uns zu und winkte und freudig zu.
„Tut mir Leid, dass ich euch beide stören muss, aber ich möchte Wilu für ein wenig Training entführen. Außerdem wartet man auf dich, Shian Hi, im Krankenzimmer“, sagte sie und ich nickte.
„Sei nicht zu streng mit ihr“, sagte ich zu Wilu und gab ihm einen Abschiedskuss.
„Werde ich“, sagte er und ich ging.
Der Tempel war nicht mehr allzu weit entfernt. Im Krankenzimmer liefen viele Priester umher. Sie alle waren ausgebildete Heiler. Allerdings nicht ansatzweise so erfahren und stark wie ich. Für viele kleinere Verletzungen reichte ihr Wissen. Aber für solche Wunden wie der Schamanen, nicht. Ein Priester kam zu mir und sprach mich an.
„Meister Shian Hi. Eure Eltern wünsche euch zu sehen und die Schamanen ebenso.“
„Ich beginne bei meinen Eltern. Wo sind sie?“, fragte ich und er brachte mich zu den beiden.
Sie beide waren jetzt das, was sie sein sollten. Elf und Fee. Meine Mutter hatte ihre Flügel auf dem Rücken und eigenwillige Zeichnungen im Gesicht. Die Ohren meines Vaters waren spitz. Sonst sah er eigentlich nicht anders aus.
„Mein Sohn“, sagte er und ich sah sie an.
„Es tut mir Leid. Wirklich. Ich hätte nie zulassen dürfen, dass sie an euch heran kommen. Das war meine Schuld.“
Sie sahen mich entgeistert an.
„Bist du nicht ganz bei Verstand? Wir haben das Feuer auf uns gelenkt. Mei-Trian hat nach dir gefragt und wir haben behauptet, wir hätten dich versteckt. Also hat er aufgehört zu suchen und versuche deinen Aufenthaltsort aus und heraus zu bekommen“, sagte Mutter.
„Hat er euch gefoltert?“
„Nein. Aber verschieden Wahrheitszauber angewendet“, sagte Vater und Helita trat zu uns.
„Verzeiht, dass ich stören muss. Ich würde gerne mit dir sprechen“, sagte sie zu meinem Vater und er nickte.
„Wenn du erlaubst, Prinzessin, würde ich vorher gerne mit einem Sohn das Gespräch beenden.“
Sie nickte und zog sich wieder ein wenig zurück.
„Ich kann euch nichts zurückgeben, für was ihr getan habt. Nur meinen Aufrichtigen Dank.“
„Wir wollen nichts von dir. Eigentlich wollten wir dir nur sagen, dass wir stolz auf dich sind. Ob du nun wirklich unser Sohn bist oder nicht, wir sind stolz darauf, was aus dir geworden ist“, sagte Vater und tränen sammelten sich in meinen Tigeraugen.
„Ich danke euch, für alles was ihr getan habt.“
„Es war uns ein Vergnügen, Shian Hi“, sagte Mutter und ich nickte.
Dann drehte ich mich schnell weg, damit sie meine Tränen nicht sehen konnten.
„Sie gehören dir, Helita“, sagte ich und ging.
Auch wenn ich versuchte so stark wie möglich zu klingen, misslang das kläglich. Zu viele Emotionen. Auch etwas, was ich damals nie hätte zeigen können. Ich hatte sie eigentlich gar nicht. Sie waren Taub und ausgesperrt. Emotionen machten einen nur schwach. Deswegen war ich auch oft unfair zu Wilu gewesen. Er hatte eigentlich etwas Besseres als mich verdient. Jetzt musste ich lernen, mit ihnen umzugehen. Ich ging zu den Schamanen, die offenbar also wieder gesund waren. Sie saßen zusammen und bereiten sich wohl gerade über etwas, als ich zu ihnen stieß.
„Ihr wolltet mich sehen?“, fragte ich und sie sahen mich an.
„Ja, Meister“, sagte Andre und ihre Blicke sprachen Bände.
Sie wollten sich wohl entschuldigen.
„Bevor ich euch für irgendwas entschuldigt, sage ich gleich, lasst es. Ihr könnt nichts dafür. Ich habe die Wunden gesehen und geheilt. Das ihr es überhaupt geschafft habt, zu überleben war ein Wunder. Vor allem bei dir, Sebi. Was genau ist passiert?“
Sie begannen zu erzählen. Jede Einzelheit des Kampfes. Ich hörte aufmerksam zu. Nach und nach begann ich zu verstehen. Die Armee von Chun Ji war nach einem bestimmten Muster aufgebaut. Fernkämpfer in den letzten Reihen und Magier ganz vorne. Dazwischen alles, was in den Nahkampf gehen konnte. Magier in die erste Reihe zu stellen war für mich ein sehr unlogischer Schachzug. Normal stellte man seine Magier in die letzte Reihe, weil sie einem Soldaten viel zu schnell zum Opfer fielen. Aber nachdem, was die Schamanen mir erzählten, war es so geplant, dass die Fernkämpfer töteten, während die Magier einen Schutzwall bildeten. Eigentlich gar nicht so dumm. Er musste ja auch nur lang genug halten, bis die Schützen genug Soldaten getötet hatten, damit die Magier keine Probleme mehr hatten. Sebi erzählte mir auch, dass Chun Ji selbst ihm dieses Gift verabreicht hatte. Er wurde von einem Magier gelähmt, während sie es in seinen Körper brachte. Also keine Chance etwas zu machen. Die hätte ich dann auch nicht gehabt. Nur, dass mein Körper damit fertig geworden wäre. Sie beendeten ihre Geschichte und sahen mich dann erwartungsvoll an.
„Ich verstehe. Eure Leistung ist mehr als gut gewesen. Ihr habt getan, was ihr konntet. Mehr kann keiner von euch verlangen. Das habt ihr gut gemacht.“
„Aber das Feuerreich“, begann Sebi.
„Ist nicht wegen euch gefallen. Chun Ji ist eine Göttin. Wenn ihr sie Geschlagen hättet, hätte ich euch einen Orden verliehen und euch selbst zu Göttern gemacht. Ihr habt getan was ihr konntet. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob wir es geschafft hätten, das Reich zu halten. Ihr habt das wirklich sehr gut gemacht.“
„Dennoch fühlen wir uns verantwortlich für den Tod vieler Menschen“, sagte Andre.
„Ihr habt mehr als genug Menschen auch das Leben gerettet. Jeder tote Dämon rettet zwei Menschen das Leben. Mehr kann niemand verlangen.“
„Danke, Meister“, sagte Leo.
Ich nickte nur und erhob mich. Doch bevor ich gehen konnte, hielt Andre mich auf.
„Wann geht das Training weiter?“, fragte er und ich sah ihn erstaunt an.
„Du bist noch nicht stark genug, um das Training wieder aufzunehmen.“
„Ich brauche es aber, Meister. Es bringt mir nichts, immer nur hier zu liegen. Trainiert mich, bitte.“
Ich überlegte kurz. Sein Körper schien sich erholt zu haben. Also gut. Wenn er meinte, er würde das schaffen, dann würde ich ihm mehr zeigen.
„In zehn Minuten im Thronsaal. Schaffst du das?“, fragte ich und er nickte.
Dann ging ich in den Thronsaal. Niemand war hier. Eigentlich schon eigenartig. Im Windreich war ich eigentlich immer im Thronsaal gewesen. Mein Bruder schien das nicht so genau zu nehmen. Ich wartete darauf, dass Andre kommen würde. Und genau nach zehn Minuten kam er. Hoffentlich würde er sich nicht selbst quälen. Je nachdem, was er lernen wollte, brauchte er viel zu viel Kraft. Die hatte er einfach noch nicht.
„Meister“, sagte er und verneigte sich.
„Wenn ich so zurückdenke, hast du nicht wirklich viel von mir gelernt, habe ich Recht?“
„Es hat gereicht, einen Kampf zu führen. Aber ich fürchte, dass ich noch mehr brauche.“
„Womit hast du denn Probleme? Wenn dir die Zauber fehlen, kann ich dir nur sagen, les sie nach.“
„Nein, mir fehlen die Zauber nicht. Mir fehlt zeitweise die Konzentration, große Zauber unter Kontrolle zu halten. Gegen Chun Ji ist mir ein Zauber entgleist und hat sich beinahe gegen uns gerichtet. Ich konnte ihn noch unschädlich machen. Er schlug in die Mitte unserer Feinde ein, ohne großen Schaden anzurichten. Die meisten Dämonen haben sich darüber nur amüsiert. Beim nächsten Mal sollen sie spüren, wie dieser Zauber hätte wirken sollen.“
Er verlor die Kontrolle? Das hatte nur einen Grund und den konnte ich mit ihm auch nicht wirklich trainieren, nur erkunden. Es war ganz einfach. Ihm ging zu viel durch den Kopf. Sorgen, Ängste und bestimmt noch viel mehr.
„Wir können versuchen es zu trainieren. Aber ein Zauber kann dir nur entgleisen, wenn du nicht völlig bei der Sache bist. Du hast Sorgen und Ängste in deinen Gedanken, denke ich mal. Was ging dir durch den Kopf, als du den Zauber geladen hast?“
Er senkte seinen Kopf und begann hin und her zu gehen.
„Angst, vor dem Sterben. Meine Einsamkeit, in dieser Welt. Die Furcht jemanden von meinen Freunden zu verletzten. Und nicht letztlich auch die Sorge darüber, zu versagen.“
Du meine Güte, das war eine Menge. Kein Wunder, dass ihm sein Zauber entglitten war. Wenn man über all diese Dinge nachdachte, konnte es schon mal passieren, dass die Konzentration nicht mehr ausreichte, einen Zauber zu wirken. Wenn man ein wenig abschweifte, war das gar kein Problem. Doch soweit? Das konnte tödliche enden.
„Wir müssen versuchen all diese Sorgen aus deinem Kopf zu bekommen. Je weiter deine Gedanken von dem Zauber weg sind, desto schwerer wird es, ihn unter Kontrolle zu halten. Dass er dich nicht sofort umgebracht hat, hat mich gerade sehr gewundert. Kommt aber auch auf den Zauber an. Also gut, beginnen wir. Setzt dich“, sagte ich und er nahm vor mir Platz.
Ich ebenso. Sofort löste mein Körper sich vom Boden. Er tat es mir gleich.
„Schließe deine Augen, Andre. Denk an alles, was dich belastet. Wir werden versuchen, gemeinsam deine Ängste und Sorgen kleiner zu machen oder ganz zu besiegen“, sagte ich und er schloss seine Augen.
Ich drang in seinen Geist ein und sah mir an, woran er dachte. Es waren unendlich viele Gedanken, die aufeinander aufbauten. Die vier, welche er beschrieben hatte, gingen allen anderen Ängsten voran. Die mussten wir angehen.
„Denk nur an eine dieser Ängste. Am besten die größte“, sagte ich und sofort strukturierten sich die Gedanken um.
Im Vordergrund stand jetzt die Furcht davor, jemanden zu verletzten. Er sah das gleiche Bild vor sich, wie ich. In der Vision wirkte er einen Zauber, der völlig außer Kontrolle geriet. Dabei verletzte er einen Freund, nach dem anderen.
„Konzentrier dich. Du kannst ihn kontrollieren“, sagte ich und Andre wich weiter zurück.
„Nein. Ich habe Angst“, sagte er und seine Stimme klang voller Panik.
„Du schaffst das. Als Feuerschamane bist du in der Lage, sowas zu kontrollieren. Jetzt gib dir einen Ruck und kontrollier diesen Zauber, bevor er noch dich vernichtet!“, schrie ich ihn an.
Es wirkte auch. Zögernd ging Andre auf den Zauber zu und streckte seine Hände aus. Doch ich sah sofort, dass es keinen Sinn hatte. Er hatte Angst. Viel zu große Angst. Der Zauber war mächtig. Gar keine Frage. Aber nicht mächtig genug, ernsthaft Gefahr für ihn auszuüben. Trotzdem traute er sich nicht so wirklich, ihn anzufassen. Als seine Hände damit in Berührung kamen, gab es einen lauten Knall und wir wurden aus seinem Geist herausgeworfen. Mit einem Scheppern fiel Andre zu Boden. Ich lief zu ihm.
„Was war das denn?“, fragte ich und er sah mich an.
In seinen Augen standen tränen. Diese Vision hatte ihn noch mehr mitgenommen, als mich damals. Was war nur los mit ihm? Vor seiner Verletzung, hatte er sowas mit links gemacht. Er brauchte sich nicht einmal anzustrengen. Und jetzt ging gar nichts mehr? Das Problem lag vermutlich nicht in seinen Gedanken. Vielleicht auch in seinem Herzen. Wenn die Furcht schon so weit vorgedrungen war, dann hatten wir. Moment mal. Herz? Vielleicht hatte ich etwas übersehen. Wenn Chun Ji auch ihn vergiftet hatte, dann hatte sie es so gut getarnt, dass ich es nicht bemerken konnte. Unmöglich eigentlich. Aber ihr traute ich alles zu. Andre lag am Boden und weinte. Es tat mir weh, ihn so zu sehen. Das war wirklich das erste Mal. Vorsichtig strecke ich meine Hand aus und zog ihn auf die Beine. Dann nahm ich ihn in den Arm und sprach ihm gut zu. Ich erklärte ihm, was mir aufgefallen war und das ich alles tun würde, was in meiner Macht steht, um ihm zu helfen. Langsam beruhigte er sich und wir gingen in den Krankensaal zurück. Meine Eltern und auch die Schamanen waren weg. Es waren auch kaum noch Soldaten hier. Ich setzte Andre auf ein freies Bett und zog erneut eine Illusion aus ihm heraus. Sein Körper sah unversehrt aus. Komplett sogar. Nicht im Herzen, nicht im Kopf. Nirgendwo war auch nur irgendwas zu sehen. Was hatte ich übersehen? Die Wunden waren geheilt. Alle Gifte entfernt. War meine Theorie falsch? Nein, unmöglich. Es gab zwei Dinge, die niemals passieren würden. Zum einen der Weltuntergang. Und zum anderen, dass ich mich irren würde. Es war unmöglich. Ich lag niemals falsch.
„Versuch mal einen kleinen Zauber zu wirken, Andre.“
Er versuche eine normale Energiekugel zu erschaffen. Doch sie fiel ihm, zu schnell, aus der Hand und schlug auf den Boden. In seinem Körper hatte sich nichts getan. Sehr trickreich. Was genau hatte Chun Ji da gemacht? Es ergab eigentlich keinen Sinn. Ich vergrößerte die Stellen, die ich vermutete, sprich Herz und Kopf.
„Nochmal“, sagte ich und er gehorchte.
In seinem Kopf passierte nichts. Doch in seinem Herzen gab es eine ganz kleine Reaktion. Ein winziger Teil verfärbte sich. Viel zu schnell, als das ich die Farbe hätte erkennen können. Aber es war etwas da. Definitiv. Ich brauchte aber einen stärkeren Zauber.
„Leider musst du wirklich mal etwas Stärkeres einsetzten. Dann kann ich vielleicht sehen, was in deinem Körper ist. Die gute und gleichzeitig auch schlechte Nachricht ist, dass etwas da ist. Aber ich kann nicht sehen, was. Du musst wirklich mal eine stärkeren Zauber einsetzten.“
Er nickte und begann einen Zauber zu wirken. Das Mana floss durch seinen Körper, bis es das Herz erreichte. Da stoppte es und begann sich zu stauen. Das Herz verfärbte sich in einer völlig neuen Farbe. Sofort verfärbte sich auch der Kopf und zeigte die gleiche Farbe. Es war ein helles orange. Was war denn orange? Das hatte ich auch noch nie gesehen. Andre brach den Zauber ab und sah mich erschöpft an.
„Ich schaffe es einfach nicht“, sagte er und ich nickte.
„D hast es gut gemacht. Leg dich hin. Dann weiß ich vielleicht, was ich machen kann.“
Er legte sich auf den Rücken und sah zur Decke. Ich ließ mein Buch erscheinen und schlug es auf. Erneut auf die Legende, mit den Farben. Über orange hatte ich keine Aufzeichnungen. Was? Chun Ji hatte etwas völlig neues erfunden? Das war unmöglich. Niemand konnte etwas geheim halten, vor diesem Buch. Egal wer etwas wusste, das Buch wusste es auch. Was hatte sie gemacht? Ich schlug meine Seite über Gifte auf, fand aber auch keinen Eintrag. Gift war es nicht. Zum einen gute, zum anderen schlecht. Weil ich immer noch nichts Genaues wusste. Wie sollte ich denn herausfinden, was sie getan hatte? Ein Zauber? Es gab Zauber, die einem die Konzentration blockieren konnten. Aber die würden mir in Blau angezeigt. Was würde denn noch gehen? Hormone? Eigentlich ausgeschlossen, weil ich sie nicht angezeigt bekommen würde. Das Problem musste tiefer liegen. Ich ließ die Seiten umblättern und sah mir alles an, was interessant war. Meine Augen konnten zum Glück die Informationen schnell genug aufnehmen. Da. Ich stoppte. Eine Seite über Parasiten? Ich begann zu lesen. Neben den allgemeinen Informationen, was Parasiten seien, stand da auch etwas über magische Parasiten. Sie gelangten in die Blutbahn und setzen sich dann in die Ecken des Körpers, wo sie großen Schaden anrichten konnten. Der nächste Satz ließ mir aber das Blut in den Adern gefrieren. Es war möglich Parasiten zu zähmen und dressieren. Dann taten sie genau das, was ihr Herr wollte. Wenn Chun Ji solche Parasiten gezähmt hätte, war es durchaus möglich, dass Andre befallen war. Er hatte das nicht einmal mitbekommen. Wie konnte ich sie denn entfernen? Unsichtbar für das Auge. Normal nicht einmal zu finden. Ja, schön. Ich wollte Lösungen, keine Hinweise. Parasiten zu besiegen war eigentlich nur möglich, wenn der Körper sie erkennen würde. Das würde aber wohl nicht geschehen. Da konnte ich nicht einmal nachhelfen, da ich keine Ahnung hatte, was genau in seinem Körper passierte. Zymerana musste doch etwas gewusst haben, oder? Aber ihn konnte ich noch nicht fragen. Er war noch am Wachsen und nicht weit genug, wieder zu sprechen. Stand denn da keine Möglichkeit, wie ich die Parasiten entfernen konnte, ohne dass ich den Patienten töten musste? Leider nicht. Ich nahm eine Blutprobe von Andre und eine von mir selbst. Ich vermischte die Blutstropfen und sah mir das Ergebnis an. In Andres Blut sah ich nichts. Bei mir gab es ebenfalls keine Reaktion. Nicht einmal die Werwolfs Viren reagierten auf irgendwas. Ging also nicht. Was würde denn noch funktionieren? Mir fiel gerade nichts ein. Irgendwas musste ich aber machen. Konnte ich die die Parasiten vielleicht anlocken? Nicht ohne Gefahr zu laufen, selbst infiziert zu werden. Noch etwas? Boreos. Sein Name schoss mir gerade durch den Kopf.
„Boreos, kannst du bitte eben mal kommen?“, fragte ich und er erschien neben mir.
„Was ist los, Shian Hi?“, fragte er und sah mich an.
„Was kannst du mir über magisch, gezähmte Parasiten sagen?“
„Magisch, gezähmte? Da weiß ich nicht viel drüber. Aber ich kenne wen, der es weiß“, sagte er und ich sah ihn an.
„Wer?“
„Meine Frau“, sagte er und verschwand wieder.
Sofort erschien Aqurilana.
„Also. Wo ist der Patient?“, fragte sie und ich zeigte auf Andre.
„Er hat Probleme, sich zu konzentrieren. Wenn er einen Zauber wirken will, fließt zwar das Mana, wird aber am Herzen und im Kopf blockiert“, sagte ich.
Sie nickte und legte ihre Hand auf Andres Kopf. Als sie ihre Augen schloss, stöhnte Andre auf. Was tat sie da? Ich prüfte die Magieströme der Körper und bemerkte, dass sie etwas andere in seinen Körper brachte, was die Parasiten angriff und zerstörte. Eigene Parasiten? Eventuell. Würde ich sie gleich fragen. Andre entspannte sich langsam und Aqurilana nahm ihre Hand zurück.
„So. Er sollte keine Probleme mehr haben“, sagte sie und ich sah sie an.
„Was genau hast du gemacht?“, fragte ich.
„Ein Dämon besitzt eigene Parasiten. Sie sorgen dafür, dass die eigenen Kräfte sich nicht gegen einen wenden. Sonst hätte man ein Problem. Ich habe es geschafft, sie zu zähme und gerade benutzt, um Chun Jis Parasiten zu zerstören. Zumindest ging ich mal davon aus, dass es ihre waren. So konnte ich das nicht erkennen. Auf jeden Fall zerstören sich die Parasiten gegenseitig und jetzt habe ich sie wieder in mir drinnen. Er ist frei. Also wie gesagt, er hat keine Probleme mehr.“
„Gut zu wissen. Kann ich sowas auch machen?“
„Nicht ohne Gefahr zu laufen, nicht selbst infiziert zu werden. Ich rate dir es zu lassen. In der Schlacht wäre es sehr hinderlich.“
„Was genau, haben die Parasiten getan? Weißt du das?“
„Neben Mana zu blockieren? Sie haben seine Emotionen gesteuert und gezielt Ängste produziert. Dadurch war seine Konzentration direkt völlig gestört.“
„Verstehe. Danke, Aqurilana“, sagte ich und sie nickte.
Dann löste sie sich auf und Andre sah mich an.
„Bin ich geheilt?“, fragte er und ich half ihm hoch zu kommen.
„Du solltest keine Probleme mehr haben. Versuch es. Keine Angst, wenn etwas schief geht, greife ich sofort ein“, sagte ich und er nickte.
Langsam bildete sich eine Energiekugel in seiner Hand. Diesmal konnte er sie festhalten. Sie fiel nicht zu Boden. Erstaunt bewegte er die Hand hin und her. Sie Kugel blieb an ihrer Stelle. Er warf sie und traf einen Vorhang. Dieser fing Feuer, welches er sofort löschte und den Schaden reparierte.
„Es geht wieder“, sagte er erfreut und ich nickte.
„Glücklicherweise. Willst du wieder trainieren?“, fragte ich und er nickte.
„Jetzt bin ich bereit, Meister.“
„Also dann. Sag mir, was du gerne trainieren willst.“
„Angriffe. Ich habe Probleme mit dem Zielen und dem schnellen ausführen von Angriffen“, sagte er und ich nickte.
Sofort hob ich meine Hände.
„Wirf eine Energiekugel nach mir. Wir werden ein wenig Ping Pong damit spielen.“
Er ließ eine Energiekugel erscheinen und warf sie nach mir. Sie war schlecht gezielt und würde über mich hinweg gehen. Ich fing sie trotzdem und sah ihn dann an.
„Das Ziel ist es, das du sie mir zuwirfst. Wenn ich mich nicht bewegen muss, hast du richtig gezielt. Nochmal.“
Ich warf zurück und er fing sie. Sofort warf er zurück. Diesmal zu tief. Ich blockte die Kugel und ging zu ihm.
„Du zielst schlecht. Benutzt du Magie zum Zielen?“
„Nein. Meine Augen.“
„Wenn dein Augenmaß so schlecht ist, ziel doch mit Magie. Ich kann meine Augen schließen und eine Energiekugel genau auf deinen Kopf schießen, ohne dass ich dich sehe. Das kannst du auch. Sieh dir an, was ich mache.“
Ich ließ eine Zielscheibe erscheine und schloss meine Augen. Dann bildete sich eine Energiekugel vor mir. Als ich sie warf, zielte sie von selbst, genau auf die Mitte der Scheibe. Sie schlug ein und zerstört das Ziel komplett. Gut, meine Energiekugeln waren auch tödlicher, als jeder Zauber von Andre.
„Gesehen? Die Kugel sucht sich ihren Weg. Das hilft dir auch, bewegliche Ziele zu treffen. Versuch es selbst mal.“
Ich ließ die Zielscheibe wieder erscheinen. Andre hob seine Hand und schloss seine Augen. Die Energiekugel wurde geworfen und verfehlte die Scheibe.
„Nochmal.“
Andre warf erneut und war diesmal näher dran. Die Kugel korrigierte leicht ihre Flugbahn von alleine. Aber immer noch nicht genug.
„Du bist näher dran. Nochmal.“
Er warf das dritte Mal. Diesmal korrigierte die Kugel und traf die Mitte der Scheibe. Richtig so.
„Jetzt mit offenen Augen“, sagte ich und er öffnete die Augen wieder.
Erneut eine Energiekugel. Sie korrigierte auch ihre Bahn.
„Genau richtig. Du hast es begriffen. Das kannst du mir jedem Zauber machen, mit dem du das willst. Alles lässt sich automatisch Zielen, wenn man das richtig macht. Es sei denn, der Zauber muss eh auf eine Person angewendet werden. Dann brauchst du nicht wirklich zu zielen. Die Person wird so oder so getroffen. Jetzt zu unserem Spiel zurück. Ich werde dir die Kugel immer schneller zurückwerfen, bis du beinahe nicht mehr Reagieren kannst. Du wolltest ja Schnelligkeit trainieren. Also genau das richtige. Los“, sagte ich und trat zurück.
Er warf die Kugel und sie flog mir genau in die Hand. Ich hielt sie fest und warf sie zurück. So ging es hin und her, bis ich anfing, die Kugel nicht mehr festzuhalten. Dann fing ich sie nicht mehr und irgendwann machte ich den Abstand immer kleiner. Andre warf jetzt immer unkonzentrierte und ungezielter. Klar. Jetzt konnte er nicht mehr richtig reagieren, weil ich beinahe vor ihm stand. Für mich war das kein Problem, da ich so viel Erfahrung hatte. Außerdem brauchte ich nur einen Schild, der die Kugel sofort zurückwarf. Ich stand beinahe bei ihm, als die Kugel zurückkam und ihn zu Boden warf. Er sah mich an.
„Nicht schlecht. Du hast es lange durchgehalten. Aber warum hast du bitte keinen Schild benutzt, der die Kugel sofort zurückwirft?“
„Weil sie dann irgendwo hingeflogen wäre und nicht mehr zu euch“, war seine Antwort.
„Falsch. Ich habe auch einen Schild benutzt. Und die Kugel ist dir immer wieder in die Hand geflogen. Also auch ein Schild kann die Kugel gezielt zurückwerfen.“
„Das habe ich noch nie hinbekommen. Meine Schilde haben die Angriffe umgeleitet. Aber meist in den Himmel oder irgendwo hin. Das war ein bisschen gefährlich zeitweise weil sie auch schon mal quergeschlagen haben, in meine Freunde.“
„Dann werden wir jetzt einen Schild schaffen, der gezielt zurückwirft.“
Andre schloss seine Augen und machte eine Handbewegung. Sofort lag ein Schild um ihn herum. Meine Energiekugel traf und wurde an die Decke geleitet.
„Schlampig. So nicht. Nochmal“, sage ich und er nickte.
Sofort erneuerte er den Schild. Gleiches Ergebnis.
„Nein.“
Neuer Schild, gleiches Ergebnis.
„Willst du nicht das machen was du sollst oder klappt es einfach nicht?“
„Es klappt einfach nicht. Was mache ich falsch?“, fragte er.
„Zeig mir, wie du einen Schild erschaffst.“
Andre machte die Handbewegung. Ich prüfte die Manaströme. Sie richteten den Schild fast richtig ein. Einen Fehler hatte er gemacht. Ihm war es nicht gelungen, die Umleitung festzulegen.
„Deine Handbewegung ist nicht völlig richtig. Sieh mal, du machst es so“, sagte ich und zeigte es ihm.
„Um den Schild richtig aufzusetzen, musst du es so machen.“
Ich zeigte ihm die Handbewegung. Er kopierte sie und sah mich dann an.
„So?“
„Ja. Wir versuchen es nochmal“, sagte er und ich trat wieder zurück.
Meine Energiekugel traf seinen Schild und kam wirklich zu mir zurück. Von mir prallte die Kugel auch wieder ab und so spielten wir die Kugel hin und her. Bis wir direkt voreinander standen und die Kugel sich nicht mehr bewegen konnte. Sie löste sich auf und ich nickte Andre zu.
„Sehr gut gemacht. Du siehst, dass es nicht unmöglich ist. Jetzt gilt es, an deinen Zaubern zu arbeiten. Du brauchst Sicherheit und Erfahrung. Die bekommst du nur, wenn du es selbst machst. Willst du sonst noch etwas lernen?“
„Ich würde gerne lernen, so gut zu heilen, wie ihr.“
So gut heilen wie ich? Meine Heilkräfte waren ziemlich stark, das stimmte schon. Aber bei weitem nicht stark genug für alles. Deswegen hatte ich ja Zymerana erschaffen. Damit ich nicht meine gesamte Kraft aufwenden musste. Aber von jemandem musste Zymerana auch diese Kraft bekommen. Wenn ich sie nicht gehabt hätte, wäre er niemals so stark geworden. Also kam das alles von mir.
„Ich kann es versuchen dir zu zeigen. Aber versprechen, das ich alles kann, kann ich nicht.“
„Ihr habt Sebi gerettet. Mein Problem gefunden und viele Soldaten gerettet,
die eigentlich gestorben wären. Das möchte ich auch können“, sagte er und ich nickte.
„Also dann“, begann ich, als uns eine Glocke zusammenzucken ließ.
Das war der Alarm. Jemand stand vor der Stadt und wollte angreifen. Oder irgendwas war passiert. Andre sah mich an. Ich wollte etwas sagen, als Lei Jan gelaufen kam. Im Schlepptau hatte sie Leo.
„Shian. Chun Ji ist hier. Ihre Armee steht vor den Toren der Stadt“, sagte sie und sah mir tief in die Augen.
„Alles klar. Andre, das Training muss warten. Wir müssen sofort auf die Mauer. Soll ich euch mitnehmen?“, fragte ich meine Schwester und sie nickte.
Sie reichten mir ihre Hände und im nächsten Moment standen wir auf der Mauer. Neben meinen Geschwistern und den Generälen.
„So Freunde, dann wollen wir doch mal sehen“, sagte ich und sah nach unten.
Vor der Mauer erhob sich eine Flut von Dämonen. In den vorderen Reihen standen die starken Dämonen, deren Magie ungefähr mit Andres mithalten konnte. Dahinter jene, die mit Klauen oder Schwertern kämpften. Ganz am Ende standen die Dämonen mit Bögen oder anderen Schusswaffen trugen. In der letzten Reihe standen auf die Zentauren. In der Mitte die Kriegsspinnen und Trolle. Was mich nur wunderte waren die Menschen, in den Riehen der Dämonen. Das waren Magier. Wer würde sich denn, freiwillig, auf die Seite der Schwestern stellen? Das ergab keinen Sinn.
„Aha. Der Zirkus ist in der Stadt“, sagte ich und Chun Ji trat, zusammen mit ihren Schwestern, aus der Masse heraus.
„Spotte du nur, Shian Hi. Das Lachen wird euch bald vergehen. Wenn unsere Armee erst dieses Reiche überrannt hat, habt ihr keinen Ort mehr, an den ihr euch zurückziehen könnt, außer die lausigen Flohverseuchten Höhlen, die euch Missgeburten als Heimat dient.“
„Uns zu beleidigen, ist eine Sache. Aber lass meine Werwölfe aus dem Spiel.“
„Etwa einen wunden Punkt getroffen? Bleib geschmeidig, Shian Hi. Oder sagt man das heutzutage nicht mehr? Ist auch egal. Jeder, der einer völligen Vernichtung aus dem Weg gehen will, kann sich uns gerne anschließen. Werdet Teil einer Streitmacht, die eine neue Weltordnung schaffen wird“, rief sie und einige Soldaten sahen sich an.
Dachten sie wirklich daran zu der Schwester zu gehen? Meine Geschwister sahen sich ebenfalls nervös um.
„Bevor einer der Soldaten eine Entscheidung trifft, will ich ein paar Worte sagen. In der letzten Zeit sind viele Dinge passiert, die euch eventuell von eurem Glauben, an die Schamamen und auch uns, erschüttert haben. Jeder von euch, hat das Recht darauf, misstrauisch zu sein. Uns gegenüber. Aber seid bitte auch misstrauisch gegenüber den Schwestern. Sie haben in der Vergangenheit bewiesen, zu was sie fähig sind. Wäre eine Welt unter ihrer Führung wirklich besser als die jetzige? Ich will niemandem in seine Entscheidung hineinreden, sich gegen uns zu stellen. Wer denkt, dass sie es besser machen, als wir, dann steht es euch frei, zu gehen. Sollten wir aber, eurer Meinung nach, alles getan haben, dann kämpft mit uns. Wir werden ihnen zeigen, zu was Menschen fähig sein können, wenn sie eine Einheit sind. Wir sind die Reiche und zusammen sind wir stark“, rief ich und die Gesichter der Soldaten wanderten in meine Richtung.
„Wie ich sehe, will wohl keiner gerettet werden. Nun dann. Zeigen wir ihnen, was wir können. Angriff“, rief Chun Ji und sofort verschwanden die Schwestern.
Ein magischer Schild erhob sich vor uns. Geschosse kamen auf uns zu und viele der Soldaten hoben schon ihre Schilde, um den Angriff abzuwehren. Nicht nötig. Ich war ja da. Ich richtete meine Hand auf die Geschosse und sie blieben in der Luft stehen. Sofort ließ ich sie zu Boden fallen und trat damit einige Nahkämpfer der Gegner. Sogar Magier. Der Schild ging also nicht nach oben.
„Schießt in den Himmel, mit leichter Tendenz zu unserem Feind. Der Schild hat eine Reichweite nach oben. Überschreitet ihr die, können sie nichts dagegen machen.“
Sofort schossen die Bogenschützen in den Himmel. Einige Pfeile gingen über den Schild hinweg. Aber viele andere leider auch nicht. Sie fielen zu Boden, ohne etwas anzurichten.
„Wir müssen den Schild loswerden“, sagte Andre und ich sah ihn an.
„Bei so vielen Magiern wird das beinahe unmöglich. Das schaffe nicht einmal ich“, sagte ich.
„Dafür haben wir doch aber schildbrechende Zauber. Wenn jeder das Feuer auf diesen Schild richtet, dann können wir ihn niederreißen. Ihnen wird schneller die Kraft ausgehen als uns.“
Einen Versuch war es Wert.
„Jeder der schildbrechende Zauber ausführen kann, soll das tun. Wir bombardieren den Schild so lange, bis er fällt“, hallte meine Anweisung durch die Gedanken aller Soldaten.
Sofort gingen Zauber von der Mauer aus und trafen gegen den Schild. Er hielt stand, wurde aber immer wieder sichtbar. Ein Zeichen dafür, dass sie Mühe hatten, dem Bombardement Stand zu halten. Immer weiter gingen Zauber darauf ein. Andre konnte sich wieder wunderbar konzentrieren. Während ich Geschosse abhielt, bombardierten sie den Schild. Ich sah einige Menschen, in den Reihen der Gegner, umkippen. Ihre Kraft war komplett aufgebraucht. Ging einem das Mana aus, konnte man auch noch, sofern man die hatte, göttliche Magie verwenden. Doch war auch die aufgebraucht, war Ende. Das konnte niemand kompensieren. Nicht einmal ich. Aber mir ging das Mana auch gar nicht mehr aus. Der Schild wurde schwächer und schwächer. Während die Schwestern wohl mit dieser Taktik in den anderen Reichen Erfolg gehabt hatten, stießen sie hier auf eine Wand.
„Andre, übernimm mal kurz die Geschosse. Ich denke, dass ich den Schild platzen lassen kann“, sagte ich und er nickte.
Er hob seine Hand und fing die Geschosse alle ab. Gar nicht mal schlecht der Junge. In meiner Hand bildete sich eine Blitzkugel. Sie wurde größer und größer, bis sie mich beinahe erreichte. Ich warf die Kugel und sie blieb am Schild hängen. Aber nicht sehr lange. Sie durchbrach ihn und schlug in die Reihen der Feinde ein. So schnell hatten sie nicht reagiert und viele Gegner wurden zu Boden gerissen und waren tot. Sogar die Herzen der Dämonen.
„Der Schild ist weg. Angriff“, rief ich und sofort hagelte es Pfeile auf die Gegner.
Das war nicht alles, was die Schwestern aufzubieten hatten. Es war viel zu einfach. Die Reihen der Finde lichteten sich bereits. Was kam da noch auf uns zu? Die Schwestern selbst? Die warne auch kein Problem. Wie konnten die Schamanen gegen sie verlieren. Plötzlich begann der Boden zu beben und eine schwarze Masse trat hervor. Sofort sah ich, wie Andre total blass wurde. Also das war letztes Mal passiert?
„Wie beim letzten Mal. Diese Wesen kann man nicht töten“, sagte Andre und sah mich entsetzt an.
„Diese Dämonen?“, fragte ich und er nickte.
„Ein schwarzer Teppich. Wie eine Wand. Wir konnten diese Schatten nicht besiegen. Sie kommen wieder, wenn man sie besiegt.“
Aha. Das waren also sehr zähe Dämonen. Langsam bildeten sich richtige Körper aus der Masse. Die Schatten hatten richtige Körper. Ich hatte momentan auch keine Idee, wie wir die besiegen sollten. Doch eins wusste ich. Jedes Wesen hatte eine Schwachstelle. Man musste sie nur finden.
„Erst mal müssen wir ruhig bleiben. Jedes Wesen hat eine Schwachstelle. Wir müssen nur ihre Herausfinden“, sagte ich und sie nickten.
Die Schatten bezogen ihre Stellung vor der Mauer. Auf ein unsichtbares Signal hin, lösten sie sich auf und die schwarze Masse begann in der Stadt sich neu zu formieren. Sofort begannen meine Werwölfe sich bereit zu machen und Wilu ebenso. Er stand vor ihnen und wartete darauf, dass jemand durchdringen würde. Mit diesen Schatten, ging Chun Jis Plan auf. Sie beschäftigten die Soldaten in der Stadt, während der Rest ihrer Armee dann die Mauer überwinden konnte und damit die Gegner einkreiste. Würden sie uns in den Rücken fallen, war der Kampf verloren. Es würde nichts mehr geben, wofür man kämpfen könnte.
„Könnt ihr die Mauer halten? Ich werde sehen, was ich gegen diese Schatten machen kann“, sagte ich und meine Geschwister nickten.
„Chin Ju, du kommst mit mir. Dich brauche ich vielleicht“, sagte ich und wir sprangen von der Mauer.
Meine Werwölfe waren bereits von Schatten umzingelt. Sie schlugen zwar nach ihnen, konnten sie aber kurzzeitig zerfetzten, bevor sich zwei neue Schatten zusammensetzten. So ging das nicht weiter. Wenn wir sie nicht besiegt bekommen würde, dann hätten wir es bald mit einer übermächtigen Armee von Schatten zu tun. Ich kam neben Wilu zu stehen und sah ihn an.
„Wie ist die Lage?“, fragte ich und er lachte schwach.
„Die Dinger sind zäher als eine Schuhsohle. Schlägst du einen nieder, dann kommen zwei wider“, sagte er.
„Konntest du Widerstand spüren, in den Schatten?“
„Nicht wirklich. Es scheint etwas darunter zu liegen. Aber da kommt man nicht so leicht heran. Die Schatten sind so dick, dass keine Waffe hindurch kommt.“
„Da kommst du ins Spiel, Chin Ju. Versuch es“, sagte ich und sie schlug zu.
Sofort zerfiel der Schatten in viele Einzelteile. Sie war durch die Masse gekommen. Darunter lagen nur Knochen, die jetzt in viele kleine Teile zersprungen waren. Doch sie setzten sich sofort wieder zusammen und bildeten einen neuen Schatten. Ich nahm meinen Fächer und schlug ebenfalls einen Schatten nieder. Als er am Boden lag, schoss ich einen Feuerstrahl darauf und hoffte die Knochen zu zerstören. Doch keine Chance. Sie bekamen nicht einen Kratzer. Verflucht nochmal. Wie sollten wir die denn Schlagen?
„Raus aus ihrer Mitte. Verteilt euch. Wenn wir nicht herausfinden können, wie wir sie schlagen können, müssen wir die Stadt aufgeben“, rief ich und sofort verteilten wir uns.
Meine Schwester und Wilu landeten neben mir, nachdem ich weg gesprungen war.
„Und jetzt? Hast du eine Idee, Shian?“, fragte Chin Ju und ich überlegte kurz.
„Mehr eine Theorie. Aber mehr nicht. Wir müssen erstmal versuchen die Zivilisten aus der Stadt zu bringen. Wilu, deine Aufgabe. Die Werwölfe sollen so viele Zivilisten wie möglich in unsere Höhlen bringen. Andre wird euch mit den Magiern unterstützen. Macht das Beste aus der Situation. Versucht so wenig Schatten wie möglich zu zerstören. Sonst haben wir bald ein sehr großes Problem.“
Wilu nickte und sprang sofort davon um meine Aufgabe zu erfüllen.
„Und wir?“, fragte meine Schwester und ich sah sie an.
„Ich will meine Theorie prüfen. Wenn es mir gelingt einen Schatten zu töten, dann können wir weiterkämpfen. Ansonsten sind meine Höhlen unsere letzte Festung, vor der totalen Vernichtung“, sagte ich und sie nickte.
„Ich gehe zu den anderen und sag es ihnen. Außerdem will ich sehen, wie sie an der Mauer vorankommen. Wenn du etwas hast, dann besieg diesen Haufen Schrott und komm dann zu uns“, sagte sie und ich nickte.
Sofort rannte sie davon und ich blieb alleine zurück. Vor mir standen drei Schatten. Ich sah sie mir genau an und untersuchte sie mit Magie. Da war ein Anker, an den Skeletten. Wenn ich den gelöst bekam, dann konnte ich sie vielleicht zerstören. Ich griff sie an und zerstörte diesen Anker. Sofort zerfiel das Skelett und baute sich nicht mehr so schnell zusammen. Ich zerstörte die anderen drei auch und wartete. Die Knochen bauten sich nicht erneut zusammen und die schwarze Masse verschwand wieder im Boden. So konnte ich die Schatten also wirklich besiegen. Alles klar. Dann wurde es Zeit für einen Rundgang durch die Stadt.
„Ich weiß wie man sie besiegt. Haltet die Mauer, wenn ihr könnt“, sagte ich zu meinen Geschwistern über Telepathie und bekam nur ein Nicken zurück.
Ich begann zu laufen und zerstörte jeden Schatten, der mir in die Quere kam. Es waren nicht mehr viele übrig, als plötzlich die Erde zu beben begann. Ich sah mich um und erwartete eigentlich, dass die Schatten wiederkommen würden. Doch es war nicht das.
„Shian, komm schnell auf die Mauer. Das solltest du dir ankommen“, sagte Shan Chun und sofort teleportierte ich mich auf die Mauer.
Mir fielen beinahe meine Fächer aus der Hand. Die Schwestern standen auf einem Berg, der immer weiter wuchs.
„Was ist das?“, fragte ich und Lei Jan antwortete mir.
„Ein Vulkan.“
„Beim Buch der Weisheit. Wir müssen hier sofort weg. Ich kann den Zauber nicht mehr aufhalten. Sie werden die Stadt komplett zerstören. Wilu, wie geht die Evakuierung voran?“, fragte ich über Telepathie.
„Wir haben fast alle Zivilisten gerettet. Nicht mehr viele und wir haben alles.“
„Dann beeilt euch. Wir müssen alle hier weg. Die Stadt wird gleich von Lava überrollt“, sagte ich und bekam keine Antwort mehr.
Ich konnte aber spüren, wie Wilu unheimlich unter Stress stand und viele Leute anschrie. Kurz prüfte ich, wie viele Menschen noch hier waren. Knapp fünftausend. Alles Soldaten. Die konnte ich locker in meine Höhlen verfrachten.
„Nehmt meine Hand. Ich bringe uns alle hier weg“, sagte ich und sie nickten.
Als sie meine Hand ergriffen hatten, brachte ich uns in meine Höhle. Hier warteten bereits viele Menschen. Einige Soldaten sahen sich ein wenig irritiert um. Ich hatte niemanden vorgewarnt.
„Redet ihr mit ihnen? Ich muss mit meinen Beratern sprechen, damit wir eine schnelle Versorgung der Flüchtlinge gewährleisten können“, sagte ich und sie nickten.
Shan Chun ging zu dem Podest und begann mit den Leuten zu sprechen. Ich rannte zu meinem Palast und fand meine Berater, zusammen mit Wilu im Thronsaal. Sie bereiten gerade darüber, wie sie die Flüchtlinge versorgen sollten.
„Mein König“, sagten sie als sie mich sahen.
„Die Schlacht ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Als ich aber den Vulkan gesehen habe, musste ich die Stadt räumen. Also. Wie können wir die Menschen versorgen?“, fragte ich und sie nickten.
„Bis jetzt haben wir nur eine Idee. Das wäre die zweite große Höhle für sie herzurichten. Viele Betten gibt es hier nicht, da Werwölfe nicht schlafen, in der Regel. Das brauchen wir einfach nicht. Wir können es machen.“
„Warum ist die andere Höhle bis jetzt nur eine Idee?“
„Sie wird gerade für unseren Bergbau benutzt. Viele Eingänge zu den Stollen befinden sich dort.“
„Wir sind im Ausnahmenzustand. Niemand wird in nächster Zeit arbeiten können. Nehmt die Höhle. Die Magier sollen Betten holen. Egal wie und egal von wo. Von mir aus Strohballen oder Moos. Die Leute sollen Betten bekommen. Unsere Jäger sollen aufpassen, wenn sie jagen gehen. Wir brauchen jeden Jäger, den wir haben. Essen ist nicht so leicht zu zaubern, wie Betten. Veranlasst alles“, sagte ich und sie rannten davon.
Wilu auch. Ich war nur noch alleine. Langsam ging ich zu meinem Thron und setzte mich. Das war gerade alles aus dem Ruder gelaufen. Hätte ich den Vulkan früher bemerkt, hätte ich vielleicht etwas machen können. Aber so war es mir unmöglich gewesen.
„Sieh an, wen haben wir denn hier“, sagte Chun Ji und ließ mich zusammenzucken.
Es wunderte mich nicht wirklich, dass sie hier war. Sie wollte mir meine Niederlage unter die Nase reiben. Wir hatten gerade das letzte Reich verloren und damit eigentlich auch das Vertrauen der Leute.
„Wenn das nicht die Schwester ist, die keine Gefühle hat“, sagte ich und sie lachte.
„Daran bist du ja nicht ganz unschuldig“, sagte sie.
Neben ihr konnte ich Sakana spüren und die anderen zwei standen am Eingang des Raumes.
„Bist du hier um mir meine Niederlage und die Nase zu reiben?“
„Es war wirklich peinlich, was ihr da geboten habt. Abgesehen von eurem Sieg über die Schatten. Aber das war zu erwarten. Ihr habt beinahe unsere gesamte Armee ausgelöscht. Doch letztlich musstet ihr dennoch fliehen. Wollen wir das Ganze nicht abkürzen und ihr gebt direkt auf? Wir würden die Bewohner der Reiche verschonen und ihnen erlauben, die Reiche wieder aufzubauen.“
„Ich habe noch fünftausend Erdkrieger hier. Die Windkrieger haben nicht einmal gekämpft. Genauso wenig, wie die Feuerkrieger. Hier werdet ihr auf heftigen Widerstand stoßen. Letztlich ist dieser Kampf aber nur zwischen uns“, sagte ich und sie lachte.
Sie wollte gerade etwas sagen, als Sakana ihr ins Wort fiel.
„Er kann die Idee hinter unseren Handlungen nicht verstehen. Lass gut sein, Chun Ji. Er ist zu schwach“, sagte sie und wollte gehen.
Niemand nannte mich schwach und drehte mir dann den Rücken zu. Sofort war der Raum von einem Sturm erfüllt. Eulen flogen umher.
„Niemand nennt mich schwach und dreht mir dann den Rücken zu“, sagte ich und sofort griffen die Eulen an.
Sie stießen auf die Schwestern herab und verletzten sie, wo sie konnten. Dagegen waren sie auch machtlos. Sakana wurde unsichtbar und schlich sich an mich heran. Die Eulen sahen sie nicht mehr und griffen nur noch die anderen drei Schwestern an. Dabei machten sie einen Lärm, dass man durch die gesamten Höhlen hören musste. Bald würde Verstärkung eintreffen. Sakana stand vor mir und holte gerade zum Schlag aus, als ich ihr an den Hals griff und sie hoch hob.
„Denkst du wirklich, das würde bei mir klappen? Nicht einmal Lei Jan kann sich vor mir verstecken. Warum solltest du es dann können?“
Sie zappelte und versuchte sich zu befreien. Da sie wieder sichtbar war, griffen die Eulen auch sie wieder an. Was nicht gerade förderlich war. Nach einem Angriff schlug eine Eule gegen mich und ließ die Frau los. Sofort wurde sie wieder unsichtbar und rannte zu ihren Schwestern. Sie verschwanden wieder. Mein Zauber brach sofort ab. Kurz danach kamen meine Geschwister gelaufen.
„Was ist passiert?“, fragte Chin Ju und sah mich an.
„Chun Ji war gerade hier und wollte, dass ich mich ergebe. Als Sakana mich dann schwach nannte, habe ich die Beherrschung verloren.“
„Wie kommen sie dazu, immer unsere Kapitulation zu verlangen? Als würden wir so einfach aufgeben“, sagte Shan Chun und ich nickte.
„Völlig absurd. Der nächste Kampf findet sowieso nur zwischen den Schwestern und uns statt. Und ich habe vor sie Herauszufordern. Abseits aller Menschen. Niemand soll in Mitleidenschaft gezogen werden. Ich denke an das Windreich. Da fand die Schlacht damals auch statt. Dort wo es begonnen hat, soll es enden“, sagte ich und sie nickten.
„Wissen die Schwestern davon?“, fragte Lei.
„Bis jetzt noch nicht. Aber ich werde es ihnen sagen. Wann würdet ihr kämpfen wollen? Ich hätte sie für Morgen herausgefordert“, sagte ich und sie nickten.
„Morgen ist gut. Je schneller der Kampf vorbei ist, desto schneller wissen wir, wer herrschen wird“, sagte Shan.
„Was machen wir eigentlich wenn wir verlieren?“, fragte Chin.
„Dann werden Wilu und ich in die Menschenwelt gehen, um dort unsere Tage sorglos zu Ende zu leben. Fern ab von allen Verantwortungen der Macht hier“, sagte ich.
„Also wollt ihr dann fliehen?“
„Fliehen kann man das nicht nennen. Ich habe meine Erinnerungen so modifiziert, wenn sie wieder in meine Verstecke zurückkehren sollten, würden sie zerstört werden. Das will ich nicht. Erneut dieses Spiel zu beginnen, wäre nichts für mich. Also will ich meine Tage dann in Frieden zu Ende leben. Wir würden eh nicht sterben, selbst wenn sie uns töten würden. Wir sind Götter und somit unsterblich.“
„Verstehe. Wenn das so ist, klingt das gar nicht so schlecht“, sagte Shan und ich nickte.
„Geht euch vorbereiten, auf Morgen. Sagt es den Schamanen, von mir aus. Aber niemand anderem. Wenn unsere Generäle es wissen, dann würden sie darauf bestehen, mit uns zu kommen. Das will ich nicht.“
„Wir passen auf. Bis Morgen“, sagte Lei und sie verließen die Höhle.
Ich baute eine telepathische Verbindung zu Chun Ji auf.
„Sieh an, wer da mit mir sprechen will“, sagte sie.
„Wir wollen es beenden. Nur ihr und wir. Morgen. Im Windreich. Wenn die Sonne ihren Zenit erreicht treffen wir uns, an dem Ort wo alles begann. Seit ihr einverstanden?“
„Eine Herausforderung? Ich denke, dass wir sowieso nicht um einen Kampf herumkommen würden. Ja. Wir werden dort sein“, sagte sie und beendete die Verbindung.
Jetzt gab es kein Zurück mehr. Die Herausforderung war gestellt.
„Also wollt ihr alleine kämpfen“, sagte Wilu und betrat den Raum.
„Es ist das Beste so. Wir, nein eigentlich nur ich, will keine Menschen mehr in Mitleidenschaft ziehen. Also beenden wir das Morgen alleine.“
„Finde ich gut. Shian, ich glaube an dich. Aber versprich mir bitte eins. Komm Gesund zurück. Zeig ihnen, was du kannst und vernichte sie“, sagte er und ich nickte.
„Worauf du dich verlassen kannst, Schatz.“
Er kam zu mir und setzte sich auf meine Schoß. Mit einem leidenschaftlichen Kuss verharrten wir einige Zeit, bevor wir in mein Zimmer gingen, um vielleicht ein letztes Mal spaß zusammen zu haben.
Der Morgen kam. Ich ließ mich von einem Zauber wecken, damit ich pünktlich wach war. In der Höhle gab es ja kein Licht, das einem die Tageszeit anzeigte. Ich sagte meinen Geschwistern Bescheid und kletterte dann aus dem Bett. Wilu war dadurch wach geworden und sah mich an. Die letzte Nacht war eindeutig die leidenschaftlichste seit vielen Jahren gewesen.
„Viel Glück, Schatz“, sagte er und ich nickte.
Ich legte meine Rüstung an, setzte die Krone auf und ging dann nochmal zu ihm. Vorsichtig küsste ich ihn auf die Stirn.
„Wir sehen und gleich wieder“, sagte ich und verließ den Raum dann.
Im Thronsaal warteten meine Geschwister bereits.
„Können wir los?“, fragte Shan und ich nickte.
„Ich bin so weit.“
Ich hielt ihnen meine Hand hin und brachte uns ins Windreich. Die Ebene, auf der wir gekämpft hatten, war leer. Es gab keine Häuser mehr, wie damals.
„Wo sind wir?“, fragte Lei und ich sah sie an.
„Das ehemalige Wiluchu. Hier haben wir damals den Kampf geführt.“
„Nicht viel von übrig geblieben.“
„Was hast du erwartet?“
Sie nickte. Die Morgenluft war kühl und zeigte an, dass es Herbst war. Heute Nacht war Vollmond. Das spürte ich auch an meinen Kräften. Der Werwolf, in mir, ließ sich nur schwer kontrollieren.
„Heute gilt es. Sie, oder wir“, sagte Shan und wir nickten.
„Ich wäre für das wir. Aber das wird sich zeigen. Eins wird der Kampf sicher nicht. Einfach“, sagte Chin und ich musste lachen.
Eine Nebelwand kam auf uns zu. Das waren die Schwestern. Es war so weit. Der Kampf würde bald beginnen. Die Schwestern traten aus dem Nebel heraus und stellten sich uns gegenüber.
„Ihr seid früh“, sagte Chun Ji und ich nickte.
„Wir konnten es nicht erwarten, endlich den Sieg zu holen, auf den wir seit tausend Jahren warten“, sagte ich und sie lachten.
„Es wird genau wie damals ablaufen. Ihr werdet uns einsperren und dabei euer Leben lassen. Eure Erinnerungen werden nur langsam zu euch zurückkommen und wir werden wieder entkommen“, sagte Krasima.
Die einzige Schwester, die nicht alleine zu uns gekommen war. Sie hatte blaue Haare, die sehr kurz waren.
„Heute wird es Enden. Entweder ihr, oder wir“, sagte Chin und zog ihr Schwert.
Wir zogen ebenfalls unsere Waffen.
„Dann hoffen wir doch, dass meine Schwestern und ich endlich die Herrschaft übernehmen können. Nach tausenden Jahren des Wartens“, sagte Chun Ji.
Sie zog Schild und Schwert. Krasima trug auch ein Schwert. Krisilana eine Sense. Sakana zwei Dolche.
„Mädels. Zeigen wir ihnen, warum wir nicht zu schlagen waren“, sagte Chun Ji und sofort griffen sie uns an.
Jeder suchte sich das Ziel aus, gegen das er am besten Kämpfen konnte. Krasima griff Shan Chun an. Sakana nahm sich Lei Jan vor. Krisilana geriet mit Chin Ju aneinander und auf mich kam Chun Ji zu. Ich blockte ihren ersten Angriff und stieß sie zurück. Erstaunt sah sie mich an. Doch sie sammelte sich schnell und griff erneut an. Unsere Waffen schlugen im Sekundentakt aufeinander. Meine Umgebung verblasste völlig. Ich sah nur noch die Frau vor mir. Wie eine Furie schlug sie auf mich ein. Doch wir beide konnten die Deckung des Gegners nicht durchbrechen. Zu gleich waren unsere Kräfte verteilt.
„Du hast dich gesteigert, Shian. Aber letztlich wirst du mir doch unterliegen“, sagte sie und ich schüttelte meinen Kopf.
„Ich habe einen guten Grund, nicht zu verlieren. Der sitzt in meinem Zimmer und wartet auf mich“, sagte ich und sie lachte.
„Er wird nach dir drankommen. Habe ich dich aus dem Verkehr gezogen, wird er kein Problem für mich sein“, sagte sie.
„Lass Wilu aus dem Spiel. Er hat damit nichts zu tun.“
„Natürlich hat er das. Er war der Grund, warum du mich damals nicht gewählt hast. Du hast mich für einen Mann sitzen lassen. Warum? War ich nicht hübsch genug? Hatte ich zu wenig Kraft? Sag mir, warum du mich nicht gewählt hast“, sagte sie.
„Weil ich dich nicht geliebt habe. Ich habe dir Aufmerksamkeit geschenkt, weil ich großes Potenzial in dir gesehen habe. Du warst eine Amazone. Stark und schön. Unerreichbar für jeden Mann, außer dem, den du gewählt hattest. Hättest du meine Intention damals nicht missverstanden wären wir heute nicht hier“, sagte ich und sie schäumte vor Wut.
„Ein Mann kann dir nicht das geben, was ich kann. Ich habe dir die Welt zu Füßen gelegt“, sagte sie.
„Ich wollte nicht die Welt. Alles was ich wollte, war jemand, der mich verstanden hat. Und Wilu war der eine.“
Sie hob ihren Schild und schoss einen Lichtstrahl auf mich. Kurzzeitig war ich blind. Sofort stand sie vor mir und schlug mich zu Boden. Au, das hatte wehgetan. Ich wusste nicht genau, womit die mich getroffen hatte. Aber ihr Angriff war nicht durch meine Rüstung hindurch gekommen. Zumindest blutete ich nicht. Mein Augenlicht kam zurück und ich sah Chun Ji vor mir stehen. Sie hatte ihr Schwert an meinem Hals.
„Weißt du, warum ich so stark geworden bin? Weil du meine Hass geschürt hast, der mich all die Jahre am Leben gehalten hat. Noch ein letzte Wort?“, fragte sie und ich sah ihr in die Augen.
Sofort drang ich in ihren Geist an. Wir standen uns jetzt dort gegenüber.
„Was soll das werden, Shian? Willst du mich amüsieren?“, fragte sie und ich lächelte.
„Nein. Ich werde dich von innen heraus besiegen.“
„Viel Glück dabei. Du vergisst, dass wir hier in meinem Geist sind. Niemand kann mich hier schlagen.“
„Niemand außer mir.“
Sofort bombardierte ich sie mit Energiekugel und Windklingen. Doch sie konterte alles. Genau wie beim Training mit Andre, warfen wir uns die Attacken hin und her. Wir beide hatten einen Schild, der den Zauber reflektierte. Egal wie viel wir uns an den Kopf warfen, es sprang immer hin und her. So kam ich nicht weiter. Irgendwie musste ich ihren Schild umgehen. Wenn es nur so einfach wäre, wie es sich anhörte. Eine weitere Energiekugel begann hin und her zu titschen.
„Das ist mir zu dumm“, sagte sie und warf mich aus ihrem Geist heraus.
Unsanft kehrte ich in die Realität zurück. Ich hatte erreicht, was ich wollte Chun Ji war kurz unachtsam. Ich schlug das Schwert weg und stand wieder auf den Beinen. Sie konnte noch gerade ihren Schild heben, bevor meine Fächer ihren Kopf trafen. Sie rutschte nach hinten und befahl ihr Schwert zu ihr zurück. Sofort ging der Kampf weiter. Doch wir konnten die Deckung immer noch nicht überwinde. Die anderen ebenso wenig.
„So geht das nicht weiter. Mädels, sammeln“, rief Chun Ji und sprang von mir weg. Sie sammelten sich vor und nahmen sich an den Händen.
„Vucarina“, riefen sie und sofort begann die Erde wieder zu beben.
Ich merkte, wie der Erde sich zu heben begann und Lava sich sammelte.
„Shan kannst du ihn stoppen?“, fragte ich und er schlug seine Hand in den Boden.
Das Beben stoppte, aber der Berg wuchs weiter.
„Ich kann die Lava zurückhalten. Letztlich ist das nur flüssige Erde. Die kann ich kontrollieren“, sagte er.
„Dann tu das. Lei, trenn die vier, wenn du dazu kommst. Chin versuch ihnen einzuheizen, mit deinem eigenen Feuer.“
„Und du?“, fragte sie und ich sah sie an.
„Ich werde ihnen einen Sturm zeigen, der einen Berg in die Knie zwingen kann.“
Sofort liefen sie los. Ich schloss meine Augen und sammelte alle Wut in mir. Und zwar wirklich alle, die ich jemals empfunden hatte. Sofort begann der Wind aufzufrischen und der Himmel wurde schwarz. Hagelkörner, so groß die meine Hand begannen vom Himmel zu regnen. Dazu zuckten Blitzte im Sekundentakt.
„Jetzt, Mei-Trian“, rief Chun Ji und sofort klarte der Himmel wieder auf.
Nein. Mei-Trian war immer noch auf ihrer Seite. Er kontrollierte den Himmel. Also gut. Wenn es so nicht ging, dann musste es anders gehen. Ich musste meine wahre Kraft zeigen. Meine Augen wurden weiß und meine Flügel erschienen wieder. Jetzt war ich bereit. Ich sah zu den Schwestern. Lava kam noch keine aus dem Vulkan. Aber er wuchs nicht weiter.
„Beeil dich, Shian. Ich kann das nicht mehr lange durchalten“, sagte Shan und ich nickte.
Ich wollte gerade losrennen, als ich Lei Jan zu Boden fallen sah. Sie war nicht durchgekommen. Schnell fühlte ich, ob sie verwundet war. Nein. Nur heftig zurück geschlagen worden. Das war nur eine kleine Prellung. Chin Ju kam auch nicht an die Schwestern heran. Ich stieß ein brüllen aus, das lange über die Eben hallte. Und es kam eine Antwort. Am Horizont erschienen mehrere Drachen und kamen auf uns zu. Ich lief auf die Schwestern zu, als die Drachen uns erreichten und ihr Feuer auf die Schwestern nieder ging. Sie wurden von einem Schild geschützt, der sämtliches Drachenfeuer abhielt. Nicht mehr lange. Ich erreichte die Spitze, sprang ab und schlug gegen den Schild. Meine Faust blieb daran hänge. Ich stemmte mich mit allem dagegen, was ich hatte. Der Schild versuchte mich weg zu schleudern. Doch ich blieb standhaft. Ein knacken und der Schild fiel. Sofort sprangen die Schwestern auseinander. Erleichtert stöhnte Shan auf und nahm seine Hand vom Boden. Der Zauber war zerschlagen. Die Drachen spien immer noch Feuer. Die Schwestern wichen aus und griffen einen der Drachen an. Sie holten ihn vom Himmel und erledigten ihn.
„Zieht euch zurück“, rief ich und sofort flogen die Drachen wieder davon.
Es war Zeit, den Zauber zu verwenden, den ich genau für diesen Tag erfunden hatte.
„Sei Shala“, rief ich und führte die Handbewegung aus.
Die Druckwelle ging über die Eben. Als die Schwestern diese mit ihren Waffen blocken wollten, zerbrachen diese. Das Schlimmste, was ihnen passieren konnte. Keine Waffen mehr. Jetzt hatten sie nur noch ihre Magie und ihre göttliche Kraft.
„Gebt auf“, sagte ich und ging auf sie zu.
„Niemals“, rief Chun Ji und griff mich mit ihren Fäusten an.
Der Angriff zielte aber komplett ins Leere. Sie wurde nach hinten geschleudert und riss Sakana nieder.
„Ich habe noch genug Kraft für drei weitere Wellen. Und diesmal werdet ihr sie nicht blocken können.“
„Ihr habt erst gewonnen, wenn wir tot sind“, sagte Sakana und erhob sich wieder.
„Wenn ihr es nicht anders wollt“, sagte ich und hob meine Hände.
Meine Geschwister kamen zu mir und berührten mich, um meinen Zauber zu verstärken.
„Sei“, begann ich, als Mei-Trian sich einmischte.
„Sie gehören mir“, sagte er und erschien hinter den Schwestern.
Blitze streckten die vier nieder. Sofort entzog Mei-Trian ihnen ihre Kraft.
„Ihr wart von Anfang an eine Enttäuschung. Eure Emotionen für die Kinder haben euch schwach gemacht. Damals hättet ihr sie töten können. Und was habt ihr stattdessen gemacht? Euch verliebt. Das war nicht unser Plan. Ihr solltet sie aus dem Weg räumen. Jetzt stehen wir hier. Dreitausende Jahre nachdem ich euch eine einfache Aufgabe gegeben habe. Jetzt erledige ich das selbst. Durch meine Hand können sie sterben“, sagte er und die Schwestern sackten zusammen.
Ich kam nicht umher zu prüfen, ob sie tot waren. Nein. Sie atmeten. Doch der Verlust ihrer Götterkraft machte sie sehr schwach.
„Mei-Trian. Der selbst ernannte Gott der Himmels“, sagte Lei und kam zu uns.
„Mit euch habe ich eine Rechnung offen, Kinder. Seid fünftausend Jahren warte ich darauf. Und heute wird endlich der Tag kommen, an dem ich triumphieren werde“, sagte er und ich lachte.
„Worüber willst du Triumphieren? Uns? Das wird unmöglich.“
„Euch hätte es gar nicht geben dürfen. Meine Frau hat mich betrogen, mit meine Bruder.“
„Krisuracha war niemals deine Frau. Sie hat dich nur geheiratet, damit du von uns abgelenkt wirst. Bis wir alt genug waren. Dann hat sie dich verlassen“, sagte mein Bruder.
„Genug. Wir werden das jetzt beenden“, sagte er und der Himmel verdunkelte sich.
„Das können wir nicht alleine schaffen“, sagte ich und meine Geschwister nickten.
„Ich rufe all, meine Geschwister“, rief Shan und sofort erschienen auch die anderen vier.
„Mei-Trian, stoppe diesen Wahnsinn“, rief Senka und der Gott lachte.
„Niemals. Auch ihr Acht habt keine Chance gegen mich“, sagte er und der erste Blitz ging zu Boden.
„Er hat die Kräfte der Schwestern. Dadurch ist er sehr stark geworden“, sagte ich und sie nickten.
Sofort zogen sie ihre Waffen. Zum ersten Mal würden wir Seite an Seite kämpfen. Mi-Lan hatte bereits einen Pfeil im Anschlag. Shizude trug eine Peitsche bei sich. Diese war mit Stacheln besetzt. Senkas Waffe war ein Kampfstab und Kliram ging mit zwei Dolchen in den Kampf. Wir alle attackierten Mei-Trian. Doch er bockte jeden Angriff, mit Leichtigkeit. Die Kräfte, die er noch erhalten hatte, machten ihn beinahe unbesiegbar. Doch er hatte eine sehr offensichtliche Schwachstelle. Sein Temperament. Brachte man ihn in Rage, verlor er komplett die Kontrolle. Wir griffen ihn immer weiter an, bis es Mi-Lan gelang einen Treffer zu landen. Sofort sah der Gott sie an und schoss einen Blitz auf sie. Mi-Lan ging zu Boden. Sofort rannte ich zu ihr und heilte ihren Körper. Sie nickte und ging wieder in den Kampf. So kamen wir nicht weiter. Das einzige, was diesen Gott besiegen konnte, war er selbst. Wenn wir seine Blitze umgeleitet bekamen, dann würden wir ihn Schlagen können. Aber einen seiner Blitze zu fangen war purer Wahnsinn. Da konnte ich mich auch gleich umbringen. Wie sollten wir das anstellen?
Ein Blitz riss mich aus meinen Gedanken, der Lei Jan niederstrecke. Sofort heilte ich sie. Mei-Trian schaltete einen nach dem andere aus und zwang mich zum Heilen, anstatt angreifen. Gar nicht so dumm. Ich war gefährlich und das wusste er auch. Wenn ich meine gesamte Macht entfalten würde, konnte er in Bedrängnis kommen. Nachdem ich alle meine Geschwister einmal geheilt hatte, konnte ich wieder von vorne anfangen. Moment mal. Er folgte einem Muster. Er griff sie immer in der gleichen Reihenfolge an. Ich musste nur seine Angriffe blocken. Mi-Lan wich einen Angriff aus. Lei Jan war die nächste. Sie konnte nicht ausweichen, als erschuf ich schnell einen Schild. Der Blitz ging auf den Gott zurück. Erstaunt schrie er auf und taumelte nach hinten. Sein nächster Angriff ging auf Senka. Auch den blockte ich. So verfuhr ich weiter, während der Gott immer mehr Treffer einstecken musste. Endlich kam der Moment er war am Boden. Seine Kraft war erschöpft, nach all den Treffern, die er hatte einstecken müssen.
„Jetzt haben wir dich. Das ist das Ende“, rief ich und sofort sammelten sich meine Geschwister bei mir.
Sie legten ihre Hände an meinen Rücken, um meinen Zauber zu verstärken.
„Sei Shala“, rief ich und schoss die Druckwelle.
Mei-Trian versuchte sie zu blocken, sogar mit Erfolg. Wie war das möglich? Niemnd konnte diesem Zauber wiederstehen. Nicht einmal sein Erfinder. Welche Reserven hatte Mei-Trian denn noch, dass er sowas blocken konnte?
„Seht es ein. Das hat keinen Sinn“, rief er und erhob sich wieder.
„Wie ist das möglich?“, fragte Mi-Lan und ich schüttelte meinen Kopf.
„Ich habt keine Ahnung. Wie auch immer das möglich ist. Ich habe noch Kraft für eine Welle. Aber dann ist Schluss. Wir müssen ihn wirklich an seine Grenze treiben“, sagte ich und sofort begannen meine Geschwister ihn wieder anzugreifen.
Erfolglos. Mei-Trian war viel zu zäh. Plötzlich begann Chin Ji zu husten. Ich sah zu ihr.
„Shian. Bitte. Ihr könnt ihn schlagen. Entreißt ihm die Säule und er kann sich nicht mehr verteidigen“, sagte sie.
„Wenn ich wüsste, wo er sie trägt.“
„Sein Mantel. Genau an seinem Rücken.“
Damit verließen sie erstmal die Kräfte und sie schwieg wieder. Also seinen Rücken. Meine Stunde. Ich ging in den Nahkampf. Ich griff mit meinen Geschwistern an und traf den Mantel. Auch genau die Stelle, die ich wollt. Da hing die Säule. Eine kleine Stange, die von Wolken umgeben war. Ich versuchte danach zu greifen, griff aber ins Leere. Mei-Trian hatte geahnt, was ich vorhatte und war dem ausgewichen.
„Netter Versuch, Shian. Aber das klappt nicht. Ich werde die Säule nicht mehr abgeben“, sagte er und schoss einen Blitz nach mir.
Ich wich aus und schoss eine Windklinge zurück. Doch der Gott zerschlug sie einfach. Meine Geschwister hatten verstanden, was ich vorhatte und unterstützen mich. Doch alle Angriffe gingen ins Leere. Lei Jan kam neben mir zum Stehen.
„Lenk ihn irgendwie ab. Dann kann ich mich vielleicht anschleichen. Weißt du, wie du die Kräfte in die Säule zurückbekommst?“
„Ich habe eine Vermutung. Aber sonst kann ich sie Vater geben.“
Sie nickte und wurde Unsichtbar. Jetzt lag es bei mir. Ich verwickelte Mei-Trian in einen mentalen Kampf. Er versuche sich gegen mich zu wehren und konnte körperlich nicht mehr so richtig verteidigen. Aber er wehrte sich trotzdem erstaunlich gut. Doch dann war es Geschehen. Lei Jan hatte die Säule. Sofort war sie sie zu mir.
„Kehret zurück, Kräfte des Himmels“, rief ich und sofort wurden alle Kräfte aus Mei-Trian heraus gezogen.
Ich ließ die Säule verschwinden und sah den Gott an.
„Jetzt haben wir ihn.“
Ich hob meine Hände und alle Geschwister stellten sich hinter mich. Jeder von ihnen legte seine Hand auf meinen Rücken und verstärkte meinen Zauber.
„Sei Shala“, rief ich und die Druckwelle ging diesmal ungebremst auf Mei-Trian ein.
„Das ist nicht möglich. Ich bin unsterblich!“, schrie er und begann sich langsam aufzulösen.
„Ein für alle Mal. Du bist weder ein Gott, noch bist du unsterblich. Und jetzt wirst du deinen Weg in die Alptraumwelt finden, wo Dämonen wie du hingehören“, sagte ich und er löste sich ganz auf.
Zurück blieben vier Artefakte. Der Lichtkristall, der Schattenball, die Raumkralle und zuletzt der Eiskristall. Ich sah meine Geschwister an.
„Wir haben gewonnen. Gemeinsam“, sagte ich und Tränen füllten meine Augen.
Sofort wurden diese wieder Golden und meine Kräfte deaktivierten sich. Wir umarmten uns alle. Endlich war es geschafft. Wie viele Jahrtausende hatten wir versucht, diesen Moment zu erreichen. Jetzt war er da.
„Es ist unglaublich“, sagte Mi-Lan und wir ließen voneinander ab.
„Wir haben Mei-Trian entmachtet. Endlich kann unser Vater wieder seiner richtigen Arbeit nachgehen“, sagte sie und wir nickten.
Ich sah zu den Artefakten und ließ sie zu mir kommen. Sie schwebten vor mir.
„Stellt euch mal vor, wie viel Kraft wir damit bekommen könnten“, sagte Kliram und wir sahen ihn alle an.
„Wir sind keine Tyrannen, wie Mei-Trian. Er hat sich diese Kraft genommen und du hast gesehen, wohin das geführt hat. Das will ich nicht“, sagte ich und schickte die Artefakte nach Jaiken, zu Vater.
Plötzlich rührte sich Chun Ji. Die Schwestern erhoben sich wieder. Wir sahen sie an und machten uns leicht kampfbereit. Als sie das sahen, hoben sie ihre Hände.
„Keine Angst. Wir sind keine Gefahr mehr für euch“, sagte Krisilana.
„Woher sollen wir wissen, dass wir euch vertrauen können?“, fragte Senka.
„Wir haben unsere Kräfte verloren. Jetzt sind wir nur einfach Schamanen. Gegen euch würden wir keine Sekunde überleben“, sagte Chun Ji.
Ich steckte meine Fächer wieder weg und ging auf sie zu.
„Es tut mir Leid, was damals passiert ist. Wenn ich falsche Hoffnungen bei dir geweckt habe.“
„Das musst dir nicht leidtun. Du warst der Grund, warum ich stärker werden wollte und diesen Einsatz überhaupt gezeigt habe. Ohne dich wäre ich ewig die kleine Schamanin geblieben, die ich einst war. Heute bin ich, auch ohne meine Götterkraft, eine stolze Frau und ehemalige Schamanin des Windreiches.“
„Ich kann nicht entscheiden, was jetzt mit euch passiert. Das wird unser Vater entscheiden müssen“, sagte ich und wie aufs Stichwort erschien er.
Zusammen mit unserer Mutter.
„Meine Kinder. Ich bin so stolz auf euch. Ihr habt alle Götterkräfte zu mir zurück gebracht. Jetzt herrsche ich wieder über den Himmel und alle anderen Elemente, die man mir damals gestohlen hat“, sagte er.
„War uns eine Freude“, sagte Kliram und wir nickten alle.
„Was sollen wir mit ihnen machen?“, fragte ich und zeigte auf Chun Ji.
Sofort senkten sie ihre Köpfe.
„Krisuracha. Ich denke, das ist ein Fall für dich“, sagte er.
Mutter ging zu den Frauen und sah sie sich an. Bevor sie etwas sagen konnte, fiel Chun Ji ihr ins Wort.
„Wir sind bereit für unsere Taten einzustehen. Was auch immer ihr als Strafe für uns bereithaltet, wir werden es ertragen“, sagte sie und Mutter lachte.
„Ich habe doch gar nichts gesagt. Eigentlich wollte ich euch eine Frage stellen. Unsere Reiche brauchen neue Schamanen, nachdem wir keine mehr haben. Wärt ihr bereit, eine zweite Chance zu akzeptieren?“
Sofort sahen die Frauen auf.
„Ihr gebt uns eine zweite Chance? Nach allem, was wir getan haben?“, fragte Sakana.
„Hinter all dem stand Mei-Trian. Er hat euch die Götterkräfte gegeben, die euch beinahe in den Wahnsinn getrieben haben. Ohne sie, könnt ihr viel klarer denken. Also, was sagt ihr?“
Chun Jis Blick ging zu mir und ich nickte nur. Egal wie sie sich entschieden, sie würden ihrem Herzen folgen.
„Wir machen es“, sagte Krisilana, bevor Chun Ji antworten konnte.
„Also gut. Wenn die Reiche wieder aufgebaut sind, werdet ihr sie wieder leiten. Wir haben dafür gesorgt, dass die Menschen dort vergessen haben, was ihr getan habt. Sie werden euch als völlig neue Schamanen anerkennen und mit dem gleichen Respekt behandeln, den ihr verdient“, sagte Vater und sie nickten.
„Wir wissen nicht, wie wir euch dafür danken können“, sagte Krasima.
„Am besten gar nicht. Macht einfach gute Arbeit.“
Die Schwestern nickten und Vater sah uns an.
„Seid ihr bereit, die Reiche wieder aufzubauen?“, fragte er und wir nickten.
„Aber vorher habe ich noch eine Frage. Was ist aus Wilu und den Schamanen geworden?“, fragte ich und er lachte.
„Denk doch mal nach. Wir haben keine Schamanen mehr. Ich werde sie wohl kaum ihrer Kräfte beraubt haben.“
„Sie sind jetzt Götter?“, fragte Mi-Lan ungläubig.
„Ja. Sie haben die Kräfte der Schwestern bekommen.“
Das traf mich jetzt unerwartet. Wilu war ein Gott geworden. Wenn auch kein richtiger Gott, aber er war einer. Somit hatte ich nicht einmal einen sterblichen geheiratet, sondern einen Gott.
„Danke, Vater“, sagte ich und erneut rannen Tränen über mein Gesicht.
„Es war das mindeste, was ich für deinen Einsatz geben konnte“, sagte er.
„Nein. Nicht meinen. Wir haben es gemeinsam geschafft“, sagte ich.
„Ich rede nicht von der Schlacht. Damals hast du dafür gesorgt, dass ihr alle euch erinnern könnt. Du hast die Erinnerungen deiner Geschwister gerettet. Eure Waffen versteckt und Hinweise hinterlassen. Es war sogar deine Idee, dich zu der pflege Familie zu bringen. Mei-Trian hat das getan, was du vorhergesehen hast. Wärst du nicht gewesen, hättet ihr euch an gar nichts erinnern können. Aber was noch wichtiger war. Du hast Jung Chain gezeigt, was passiert ist und ihn dazu gebracht, meinen Körper frei zu geben. Wäre das nicht gewesen wären viele Dinge im Verborgenen geblieben. Jetzt ist wieder alles beim alten und ich hoffe, dass schnell Normalität einkehren wird.“
Wir nickten.
„Baut die Reiche wieder auf. Führt die Menschen zurück und dann erlaube ich euch, euer Leben so zu gestalten, wie ihr das wollt“, sagte er und unsere Eltern verschwanden wieder.
Ich sah meine Geschwister an.
„Wollen wir?“
Sie nickten und teilten sich auf. Jeder Gott für das Reich suchte den Gott, der für seinen Schamanen zuständig war. Und der jeweilige Schamane kam dazu.
„Wir treffen uns in Jaiken wieder“, sagte ich und sie verschwanden alle.
Chun Ji, Mi-Lan und ich erschienen in Wiluchu wieder. Die Ruinen waren frei von allen Wurzeln. Aber es stand immer noch kein Stein auf dem anderen.
„Ich fürchte, alleine schaffe ich das nicht mehr.“
„Du bist nicht alleine, Bruder“, sagte Mi-Lan und hielt meine Hand.
„Auch ich bin für dieses Reich da“, sagte Chun Ji und reichte mir auch ihre Hand.
„Kehrara Anturala Dehrata Paresta Zurukamare“, sagte ich und der Zauber nahm seinen Verlauf.
Vor uns baute sich das Windreich wieder auf. Stein für Stein kehrte an seinen Platz zurück. Als es fertig war, ließen wir uns erschöpft los und betrachteten unser Werk. Es sah aus wie damals. Die Mauer, die Häuser einfach alles.
„Ich habe noch eine Überraschung für euch“, sagte ich und teleportierte uns auf den Marktplatz.
Mein Denkmal war unversehrt gewesen. Doch ich hatte den Brunnen erweitert. Jetzt zeigte er Mi-Lan, Chun Ji und mich. Mich mit meinen Fächern, Chun Ji mit ihrem Schild und ihrem Schwert und Mi-Lan mit ihrem Bogen.
„Es ist wunderschön“, sagte Mi-Lan und ich nickte.
Dann brachte ich uns in den Tempel und zeigte ihnen eine Deckenmalerei. Wir drei waren zu sehen, wie wir das Windreich wieder komplett aufbauten.
„Danke, Shian Hi“, sagte Chun Ji und fiel mir um den Hals.
Erstaunt sah ich Mi-Lan an. Sie lächelte nur und nickte.
„Wir sollten nach Jaiken gehen und die anderen treffen“, sagte ich und sie nickten.
Diesmal brachte uns Mi-Lan dorthin. Wir standen in einem Raum mit sechzehn Stühlen. Jeder Stuhl war mit einem Symbol versehen. Da war ein Symbol für den Wind. Mit jeweils einen weiteren Zeichen. Bei Mi-Lan das Stadtsymbol für Wiluchu. Bei Chun Ji das Symbol für den Anführer und bei mir das Zeichen für den Schamanen. Rechts von mir stand ein Stuhl mit dem Symbol für Licht. Wir nahem auf unseren Stühlen Platz und warteten. Die anderen ließen nicht lange auf sich warten. Sie sahen alle ziemlich erschöpft aus. Natürlich. Ihre Magie war nicht so stark wie unsere. Aber sie hatten es Geschafft.
„Was jetzt?“, fragte Sakana und wir sahen sie an.
„All Menschen sind gerade in meinen Höhlen. Wir werden sie zurück in ihre Heimat führen“, sagte ich.
„Machst du das?“, fragte Shizude und ich nickte.
„Aber nicht alleine. Die Schamanen sollten mir zumindest helfen.“
Die vier nickten.
„Was danach? Werdet ihr zu uns nach Jaiken kommen?“, fragte Mi-Lan.
„Wir ja“, sagte Lei Jan und alle sahen mich an.
Ich schüttelte meinen Kopf.
„Auch wenn Wilu jetzt ein Gott ist, werde ich nicht hier oben leben. Ich bin immer noch König der Werwölfe. Außerdem habe ich Boreos versprochen, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Also mit ihnen. Ihr seid ebenso meine Familie, wie sie. Aber ich werde auf der Erde bleiben“, sagte ich und sie nickten.
„Also dann. Bring die Menschen zurück in die Reiche und dann werden wir wieder unserem Alltagsgeschäft nachgehen“, sagte Senka und ich nickte.
Die Schamanen und ich erhoben uns und trafen uns in der Mitte des Raumes. Ich brauchte uns in die Haupthalle, in der bereits alle Menschen und auch Werwölfe warteten. Als sie uns sahen, verstummten alle Gespräche. Ich stieß die Schamanen nach vorne und trat zurück.
„Wir kehren zurück um euch zu sagen, dass die Gefahr gebannt ist. Mei-Trian ist geschlagen und die Reiche sind wieder aufgebaut“, sagte Krisilana und sofort brach Juble aus.
„Shian Hi hat uns versprochen euch in eure Heimat zu bringen und dann werden wir, als eure Schamanen unsere Arbeit aufnehmen“, sagte Chun Ji und erneut jubelte man.
„Teilt euch bitte auf, in die Reiche, zu denen ihr gehört, damit Shian Hi und nach Hause bringen kann“, sagte Sakana und die Menschen begannen sich zu sortieren.
Währenddessen kam Wilu zu mir. Ich sah ihn an und lächelte. Er zog mich zu ihm und küsste mich leidenschaftlich. Als er sich löste sah er mich eigenartig an. Irgendwie so glücklich.
„Ich freue mich auch, dich zu sehen“, sagte ich und er nickte nur.
„Jetzt bin ich auch ein Gott, Schatz. Und weißt du was noch besser ist? Bald sind wir nicht mehr nur zwei“, sagte er und ich fiel beinahe um.
Wie sollte das gehen? Wilu war ein Mann. Er konnte kein Kind bekommen.
„Bitte?“
„Ich bin schwanger.“
Jetzt war es um mich geschehen. Ich wusste zwar, dass das Leben immer einen Weg fand. Aber so? Wie war das möglich. Das entzog sich sämtlicher Logik. Ich wollte gerade etwas sagen, als Chun Ji mich ansprach.
„Wir wären soweit“, sagte sie und ich nickte.
„Ich komme sofort.“
Sie ging und Li trat zu uns.
„Ich wollte euch danken, Shian. Ihr habe viel für unser Reich getan. Als Schamane und auch als Gott. Wir stehen ewig in eurer Schuld.“
Er verneigte sich und ich lachte.
„Keine Ursache. Wilu, du rührst dich nicht vom Fleck, ich bin sofort wieder da“, sagte ich und ging mit Li davon.
Ich schickte ein Reich nach dem anderen zurück, bis nur noch das Windreich übrig war.
„Wir sehen euch doch hoffentlich zwischendurch mal“, sagte Helita und sah mich an.
„Sehr sicher“, antworte ich und teleportierte sie weg.
Als nur noch meine Werwölfe und Wilu übrig waren, ging ich zu ihm zurück.
„Kehrt in euren Alltag zurück“, rief ich meinen Werwölfen knapp zu und zog Wilu mit mir in den Palast.
Als wir in unserem Zimmer waren brach es erstmal über mich herein.
„Wie konnte das passieren? Seit wann bist du schwanger?“, fragte ich.
„Seit heute. Dein Vater meinte, dass es ein Geschenk an dich sei. Für alles, was du getan hast.“
Vater. Wie auch immer er das gemacht hatte, ich war ihm zu Dank verpflichtet.
„Aber es wird jetzt genau so lange brauchen, wie bei einem Menschen, oder?“, fragte ich und er nickte.
Vorsichtig berührte ich seinen Bauch. Ich konnte das Bewusstsein des Embryos spüren. Es war sehr einfach, weil er in einem sehr frühen Stadium war. Aber das war nicht nur ein Bewusstsein. Das waren zwei.
„Zwei?“, fragte ich und Wilu nickte nur.
Das war zu viel für mich. Ich kippte hinten über und wurde ohnmächtig.
Sechs Jahre sind nun vergangen, seit Mei-Trian gefallen ist. Die Menschen haben es zu einem Feiertag ausgerufen, zu unsern Ehren. Chun Ji und ihre Schwestern sind in ihre Rolle als Schamanen zurückgekehrt und führen die Reiche genauso, wie sie das sollen. Meine Geschwister und ich wachen darüber, dass sie nicht wieder rückfällig werden und all ihre Entscheidungen für die Reiche geschehen. Wilu und ich haben die Höhlen verlassen und sind zu Boreos und seiner Familie gezogen. Wenn irgendwelche Entscheidungen, bei den Werwölfen getroffen werden müssen, machen wir das über Telepathie. Seit Wilu ein Gott ist, kann er auch durch das Werackum teleportier und seine Magie schicken. Er ist viel stärker geworden. Seit fünf Jahren sind wir auch nicht mehr alleine. Nicht nur, dass Boreos bei uns ist, wir haben auch zwei Söhne. Sie sehen beinahe gleich aus. Wilu hat seinen Körper meinem Angepasst und sich die Eigenschaften eines Wolfes gegeben. Einer unsere Söhne, Alexander, hat seine Gene bekommen und die gleichen Eigenschaften übernommen. Der andere, Killian, kommt ganz nach mir. Nicht nur vom Aussehen, sondern auch von der Magie her. Aber noch sind sie sehr jung und wissen, zum Glück, nicht mit ihren Kräften umzugehen. Borian und Ikama haben sich über die neuen Spielgefährten gefreut. Ihre Spiele sehen oftmals sehr brutal aus, sind aber alle nur Freundschaftlich.
Wenn ich so zurückdenke, dann sehe ich eine Geschichte, die verworrener nicht sein könnte. Kevin, mein einst größter Feind, ist jetzt mein Mann und wir haben zusammen Kinder. Was alleine schon totaler Blödsinn ist. Aber für einen Gott ist ja nichts unmöglich. Seine Freunde sind Götter geworden und leben jetzt in Jaiken. Unsere ärgsten Rivalen, Chun Ji und ihre Schwestern sind nun unsere Schamanen und arbeiten daran, dass wir so wenig Arbeit wie möglich haben. Vater und Mutter wachen über uns alle und passen auf, dass niemand Unsinn macht. Die einzigen Probleme die wir haben sind Menschen, die zeitweise den Weg in unsere Welt finden. Aber das war es auch. Unser Leben ist einfach und ruhig geworden. Doch seitdem sind tausende von Jahre vergangen. Heute stehen wir da, wo wir eigentlich immer hätten stehen sollen.
Im Buch der Weisheit steht geschrieben:
Hört immer auf euer Herz. Er kennt den Weg, der für euch bestimmt ist. Und wenn ihr euch in eine Person eures Geschlechts verliebt habt, dann ist es so. Niemand kann euch für eure Gefühle richten. Die Natur geht Wege, die wir nicht immer verstehen. Aber sie sind, in jedem Fall, Wunderbar.
Halorama = Hallo
Kariana = Kai
Wiruma = Wie
Gehamata = geht
Erantu = es
Dimune = dir
Wiluchu = Wind
Irelate = Ich
belforante = befehle
zarukama = zu
weherana = weichen
Schimanura = Schamane
Wiluchu = Wind
erharabama = erhöre
miricha = mich
Verunagala = Vernichte
merika = meine
Ferusneka = Feinde
Krisuracha = Kriegsgöttin /Krieg
Habara = halbes
Poro = Portal
Eresta = erscheine
Prataga = Beschütze
diruma = diese
Sataruma = Stadt
varos = vor
Eridurug = Eindringen
oroma = oder
talestopes = teleport
Kehrara = kehre
Setkasa = Steine
Irama = im
Naru = Namen
eruhukama = euch
zurukamare = zurück
traste = treten
Inferamento = Inferno
dehasta = des
Aquis = Wasser
Labura = Laub
nerusta = nur
Kerivana = Kevin
gehoreste = gehören
Kragusa = Krieger
Selousta = Seele
Arugesta = Augen
Sehukarest = Schutz
Lorastu = Lotus
Dameruta = Dämon
Saratesa = Schlaf
Werackum = Härtestes Metall der Welt
Anturala = an
Dehrata = deinen
Paresta = Platz
Tag der Veröffentlichung: 20.12.2015
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