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So begann der Krieg

Am Anfang gab es Aleta und sie brachte das Licht in die Länder von Jagurin. Sie erschuf die Menschen, Elfen, Trolle, Orks und Feen. Ebenso entsprangen ihrer Schöpfung zwölf mächtige Wesen. Die Drachen. Gleichbedeutend mit einem Gott verkörperten sie die Gefühle aller Wesen. So standen die Dachen neben der Göttin und brachten ihren Willen in alle Länder. Die Jahre vergingen ohne Krieg und Zwietracht. Doch letztlich hatte das Vorhaben der Göttin keine rosige Zukunft. Vier der Drachen wollten mehr sein, als nur Laufburschen. Sie wollten selbst die Macht der Schöpfung. So versuchten sie die Göttin zu stürzen. Erbost über den Ungehorsam beschloss Aleta sie zu bestrafen. Casus, der Drache des Todes, verlor sein Schuppenkleid und musste fortan als ein Schatten seiner selbst weiterleben. Die Drachen der Harmonie und Liebe boten ihm an, seine Verletzungen zu heilen und ihm sein Schuppenkleid zurückzugeben. Doch Casus weigerte sich.

„Alle sollen sehen, was die Göttin getan hat und wie grausam sie ist.“

Und so nahm das Unglück seinen Lauf. Die Drachen des Todes, Neids, Hasses und der Angst zogen sich immer weiter zurück und suchten sich Menschen, die für sie Arbeiteten. Sie versorgten sie mit Drachenblut und gewannen so Halbgötter als Anhänger. Diese nannten sich dann die Drachenjünger. Elitekämpfer für die Drachen. Aleta verlor dadurch immer mehr an Einfluss und büßte letztlich sogar Teile ihrer Macht ein. Sie bat die anderen acht Drachen ihr zu helfen und ihre bösen Brüder zu vernichten. Doch sie weigerten sich. Dieser Krieg tobte zwischen der Göttin und vier Drachen. Sie würden keine Partei ergreifen und ihre Familie angreifen. Aleta war außer sich und ging einen Weg, den die Drachen nicht hatten vorhersehen können. Sie begann Lügen zu verbreiten und Intrigen zu planen. Und dieser Plan gelang als die Feen ihr Sommerfest abhielten. Alle zwölf Drachen kamen dafür traditionell zusammen und feierten das Ende des Sommers. Aleta sorgte dafür, dass ein heftiger Streit zwischen den Drachen entbrannte und sie begannen sich zu bekämpfen. Alle Feen wurden bei diesem Kampf vernichtet. Ein Opfer, dass Aleta hinnahm, nur damit die Drachen sich gegenseitig bekämpften. Der Krieg entbrannte somit. Zwölf Drachen, vier gegen acht. Ihre Kämpfe vernichteten ganze Landstriche. Auch jenes Dorf, das als Tor zum Drachenheiligtum galt. Mehr und mehr Menschen fielen den Kämpfen zum Opfer und langsam musste Aleta einschreiten. Sie schritt in den Kampf und versuchte alles um die Lage unter Kontrolle zu bringen. Doch es war bereits zu spät. Sie hatte nicht mehr die nötige Macht, diesen Kampf zu beenden, den sie so leichtfertig begonnen hatte. Der Göttin blieb also keine Wahl. Sie benutzte einen Zauber, der beinahe ihre gesamte Kraft aufbrauchte. Durch ihn gelang es alle zwölf Drachen einzusperren in ein Gefängnis aus purer Magie. Aleta hatte jedoch nicht an die Anhänger der Drachen gedacht. Die Drachenjünger befreiten ihre Herren. Die vier befreiten Drachen sahnen nun ihre Chance, Aleta einen schweren Schlag zu verpassen. Sie griffen ihre Anhänger an und zerstörten ihre Kirchen. Aleta musste mitansehen, wie ihre Anhänger von den ihnen tyrannisiert wurden. In ihrer Verzweiflung nahm sie die Seelen der Drachen, die sie einst versiegelt hatte und erfüllte damit acht Menschen. Sie sollten die Reinkarnation der Drachen werden und diesen Krieg, den die Göttin leichtsinnig begonnen hatte, beenden. Sie selbst war damit aus dem Kampf heraus. Ihre Kräfte waren vollkommen erschöpft. Sie verfiel in einen tiefen Schlaf. Niemand wusste, wann sie wieder erwachen würde. So war die Welt zunächst ihrem Schicksal überlassen und sah sich den Attacken der Drachen wieder und wieder ausgeliefert.

Das erste Opfer des Krieges

Feuer, das war das einzige was ich noch sehen konnte. Gnadenlos begann es unser Haus nach und nach zu verschlingen. Die Hitze, der Rauch. Alles Dinge, die mich wieder und wieder in meinen Träumen heimsuchen sollten. Der Schrei meiner Mutter durchstieß die Nacht. Sie war wohl eingesperrt und konnte nicht mehr fliehen. Meine Schwester genauso. Mein Vater stand neben mir und musste mitansehen, wie unser Haus Stück für Stück zerfiel. Auch er war vollkommen Machtlos. Wir waren eine einfach Elfenfamilie, die am Waldrand zu einer Elfenstadt lebte. Nun war der Krieg bis zu unserem Haus vorgedrungen und zerstörte mein Leben.

„Jotanate, ich will, dass du jetzt stark bist“, sagte mein Vater und ich sah ihn an.

Damals war ich gerade mal neun Jahre alt. Meine blonden Haare trug ich offen. Die spitzen Ohren lugten darunter hervor. Meine Augen waren blutrot.

„Papa, was geht hier vor sich?“, hatte ich ihn damals gefragt.

Rückblickend betrachtet eine dumme Frage. Er wollte gerade antworten, als mehrere Männer am Horizont auftauchten. Wie ich später erfahren sollte, handelte es sich um die Drachenjünger.

„Jotanate, alles wird gut. Niemand wird“, begann mein Vater.

Doch er verstummte als am Horizont sich ein schwarzer Schatten erhob. Aus dem Rauch blitzen rote Schuppen hervor. Einer der Dämmerungsdrachen flog über uns hinweg. Seine gelben Augen musterten uns, bevor er stoppte. Als nächstes flog uns ein Feuerball entgegen. Den Einschlag bekam ich nicht mehr mit, denn ich wurde ohnmächtig.

Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einem Wagen eines Zirkus. Sie waren an unserem Haus vorbei gekommen und hatten mich liegen sehen. Der Direktor erkannte sofort, dass ich eine Elfe sein musste und so nahmen sie mich mit. Eine Elfe würde ihrer Aufführung eine gewisse exotische Seite hinzufügen.

Zehn Jahre waren vergangen und ich war nun ein fester Teil des Zirkus. Man nannte mich Jotanate, die Frau die in der Luft stehen konnte.

„Sehen sie jetzt die einmalige Jotanate und ihre Akrobatik Vorführung“, rief der Zirkusdirektor und der Vorhang ging auf.

Vor mir saßen mindestens achthundert Menschen, die gebannt zu mir starrten und meine Künste bestaunen wollten. Selbstbewusst trat ich ein und wurde von tosendem Applaus empfangen. Ich nahm Anlauf und sprang auf ein Seil, vor mir. Es war gerade so dünn, das ich darauf stehen konnte und die Zuschauer es nicht sehen konnten.  Ich hörte die ersten erstaunten Rufe. So spulte ich mein Programm herunter. Eine Figur nach der anderen. Auf die, bei denen ich beinahe in der Luft stand, war ich besonders stolz. Außer mir konnte das niemand. Nicht einmal die besten Akrobaten in diesem ganzen Land, wie auch immer man es nannte. Bildung war mir nie zuteil geworden. Mittlerweile war ich schon neunzehn Jahre alt und erinnerte mich nur selten an den Vorfall vor zehn Jahren. Nur in meinen Träumen sah ich immer wieder die Bilder vor mir. So verging die Zeit und ich setzte zum Finale an. Es klappte auch beinahe perfekt. Sprung, Drehung, Sprung, Salto, in der Luft stehen. Doch dann fiel mein Blick auf eine Person, die mich stutzen ließ. Es sah aus, als würde ich selbst im Publikum sitzen. Kurzzeitig verlor ich meine Konzentration und strauchelte. Doch ich konnte einen Sturz vermeiden und landete so auf meinem Hintern, dass es gewollt aussah. Sofort jubelte die Menge und ich erhob mich. Nur mein Doppelgänger nicht. Sie schien unbeeindruckt und sah mich nur teilnahmslos an.

„Das war Jotanate, die einzigartige Frau, die in der Luft schweben kann“, sagte der Direktor und kam auf mich zu.

Er wollte mich noch länger im Mittelpunkt haben, heute jedoch nicht. Meine Gedanken waren nur bei der Frau im Publikum, die so aussah wie ich. Ich verließ die Manege und lief um das Zelt herum. Von drinnen konnte ich hören, wie die nächste Nummer angekündigt wurde. Ich lief weiter, bis ich direkt hinter meinem Ebenbild stand. Vorsichtig zog ich einen Dolch aus meinem Stiefel und hielt ihn ihr an den Hals.

„Eine falsche Bewegung und es wird deine letzte sein“, sagte ich und sie lächelte.

„Das wollen wir doch lieber draußen klären, oder?“, fragte sie und ich nickte.

Zusammen verließen wir das Zelt und gingen zu meiner kleinen Wohnung, die sich im Wohnbereich dieses Zirkus befand. Ein Vorteil, wenn der Zirkus nie wanderte. Man hatte eine feste Wohnung. Wir traten ein und ich ließ den Dolch wieder sinken. Stattdessen ging ich zu dem Kurzbogen, der direkt neben der Türe hing. Den Köcher dazu, hatte ich mir schon um die Beine geschnallt, sodass ich immer einen Pfeil bereit hatte.

„Jetzt sag mir, wer du bist“, sagte ich und begann nervös mit der Sehne zu spielen.

„Hat der Sturz eben weh getan?“, fragte sie.

„Was geht dich das an? Ich will wissen, wer du bist“, sagte ich.

„So ungehobelt? Du hast dich extrem verändert, Jotanate. Du wirst dich bestimmt nicht mehr daran erinnern, doch ich war dabei, als die Drachen unser Haus verschluckten und mit ihm unsere Mutter“, sagte die Person.

„Du willst mir weiß machen, dass du meine Schwester bist, die bei meiner Mutter war, als die Drachen unser Haus angriffen?“

„Ich bin Jatana, deine Zwillingsschwester.“

„Das ist unmöglich. Jatana ist tot. Gestorben, mit meiner Mutter. Ich weiß nicht, wer dich geschickt hat um mich zu täuschen, aber ich werde nicht darauf hereinfallen. Wahrscheinlich will ein anderer Zirkus, dass ich meine Tricks an dich weiter gebe und dann abgesetzt werden kann.“

Ich wollte gerade meine Bogen spannen, als ich feststellen musste, dass sie bereits einen Langbogen in der Hand hatte und auf mich Zielte.

„Zwing mich nicht diese Sehen los zu lassen“, sagte sie und kniff ihre Augen zusammen.

„Erschieß mich. Komm schon. Niemand wird mich vermissen. Der Zirkus hat mich nur aufgenommen, weil ich etwas kann, was kein anderer in diesen Land kann.“

„Ich will dich nicht töten, Jotanate. Ich bin hier um dich zu befreien. Wir gehören beide nicht an diesen Ort. Im Gegensatz zu dir, mag ich nicht so beweglich sein, doch ich habe eine Präzision, die unübertroffen ist. Dein Direktor hat mich immer gezwungen, von dir fern zu bleiben. Ich möchte dich nicht länger im unwissenden lassen müssen“, sagte sie.

„Auch wenn es unmöglich ist, wie hast du den Angriff damals überlebt?“, fragte ich und sie ließ ihren Bogen sinken.

Sie seufzte und sah mir dann in die Augen.

„Mutter hat ihre Magie benutzt um mich aus dem Haus zu befördert, kurz bevor sie starb. Zur gleichen Zeit hat der Drache Vater getötet und dich beinahe mit dazu. Ich sah die Leute vom Zirkus zwar kommen, doch ich konnte sie nicht aufhalten, als sie dich mitnahmen.“

„Sie haben gewusst, dass du lebst?“, fragte ich.

„Ja, der Direktor wusste es. Er sagte zu mir, dass er keine Verwendung für zwei von uns hätte, doch trotzdem könnte er mich nicht frei herumlaufen lassen. Also hat er mich eingesperrt und gezwungen mich von dir fern zu halten.“

„Das geht mir zu schnell. Wie konnte er nur so grausam sein? Du bist die letzte meiner Familie. Wie konnte er nur?“, fragte ich.

„Er hat es getan um dich zu dem zu machen, was du heute bist. Ein Akrobat. Ich bin ein Meister des Bogens. Zumindest wurde ich einem gemacht. Ich habe eine Elfe kennen gelernt. Ihr Name ist Lilith. Sie lebt hier in der Stadt der Söldner. Wenn du mit mir kommst, wird sie sich um uns kümmern.“

„Jatana, ich glaube es nicht. Ich habe all die Jahre geglaubt du wärst tot.“

„Es war nicht meine Entscheidung, dich in diesem glauben zu lassen. Also glaubst du mir?“

„Ja, ich glaube dir. Du weißt zu viele Details, als das du dir diese Geschichte ausgedacht hast. Ich werde mir dir gehen und diese Lilith treffen. Aber vorher werde ich mich an dem Direktor rächen. Für die Schmerzen, welche er mir die letzten Jahre zugefügt hat, soll er büßen“, sagte ich. 

„Wenn du das unbedingt tun willst.“

„Ich will es nicht tun, ich muss. Hätte ich mir alles gefallen lasse, wäre ich nicht mehr am Leben.  Für seine Sünden muss er büßen, auch wenn es mich vielleicht umbringt.“

„Rache ist nicht der Weg einer Elfe.“

„Vielleicht nicht. Aber wenn ich ihm nicht zeige, dass er nicht alles tun kann, dann wird es in Zukunft weitere Kinder geben, die unser Schicksal erleiden. Das will ich nicht. Niemand sollte so etwas durchleben müssen.“

„Die Stadt der Söldner wird nicht mehr sicher sein, wenn du das tust. Der gesamte Zirkus wird dich jagen. Also überleg dir gut, was du tust. Sonst wirst du an deiner Rache zerbrechen“, sagte Jatana.

„Vertrau mir, Schwester. Ich weiß wie ich das machen muss. Es wird aussehen wie ein Unfall“, sagte ich und zog meinen Bogen zurecht.

Das zweite Opfer des Kriegs

Die Angst von damals verfolgte mich bis heute. Damals ist meine Familie den Drachenjüngern zum Opfer gefallen. Nur mein jüngerer Bruder und ich hatten überlebt. Mein älterer Bruder und ich waren in den Bergen auf der Suche nach Feuerholz, als die Drachenjünger anrückten. Eine Armee die größer war als ich es mir je hätte erträumen lassen. Mein Bruder wurde panisch und ließ alles Holz fallen, das wir gesammelt hatten. Diese Armee war nicht bekannt dafür, Gnade walten zu lassen. Ob nun ein Feind oder jemand unbeteiligtes ihnen im Weg stand. Da machten sie keinen Unterschied.

 „Lauf, Liram, lauf!“, schrie mein Bruder und zog mich mit sich. Beinahe hätte ich das Stirnband verloren, das meine Mutter mir zum Geburtstag geschenkt hatte. Damit hielt ich meine blauen Haare im Zaum, die sonst über mein Gesicht hängen würden. Trotz meines enormen und, für einen Achtjährigen, stattlichen Körpers, fiel mir das laufen doch sehr schwer. Mein Bruder hielt mich immer noch fest, als plötzlich eine Lanze an uns vorbeiflog. Sofort sah ich nach hinten und bemerkte, dass die Soldaten ihre Waffen nach uns warfen.

„Pass auf“, rief ich und stieß meinen Bruder von mir weg. Die Lanze verfehlte uns nur knapp.

„Lauf weiter, Liram. Kümmere dich nicht um mich. Ich komme klar. Lauf!“, schrie er und ich wollte gerade loslaufen, als ich jemanden hinter mir bemerkte.

Dort stand unsere Mutter. In ihrer Hand lag ein Stab und in der anderen hatte sie eine Kristallkugel.

„Liram, lauf. Ich helfe deinem Bruder. Wenn du diesem Weg folgst, wirst du zu deinem Vater kommen. Er bringt dich nach Hause“, sagte sie und diesmal lief ich los. Es dauerte nicht lange und da hörte ich eigenartige Geräusche. Ich hatte keine Zeit zurück zu sehen und herauszufinden was vor sich ging. Ich lief weiter und erreichte meinen Vater. Er stand dort mit seinem Schwert und wartete auf mich.

„Schnell, Liram. Komm mit“, sagte er und zog mich mit sich. Wir erreichten eine Luke im Boden und er stieß mich hinein. Hinter mir schloss er sie wieder. Es dauerte nicht lange und da konnte ich hören, wie mein Vater zu kämpfen begann. Mein kleinerer Bruder kam zu mir und klammerte sich an meinen Arm. Er hatte Angst, genau wie ich. Doch ich konnte jetzt keine Schwäche zeigen. Auch wenn Vater nie zurückkommen würde, war ich nun für ihn verantwortlich. Die Soldaten schrien immer wieder auf. Dann war es still. Zu still. Jemand riss die Luke auf. Es waren die Drachenjünger, welche uns hervor zerrten.

„Sieh an, wen wir hier haben. Die Kinder könnten uns nützlich sein. Nehmt sie mit. Vielleicht können wir Drachenjünger aus ihnen machen. Und wenn nicht, kann man sie immer noch für einen guten Preis verkaufen“, sagte der Jünger und man sperrte uns in Käfig ein.

Die Jahre vergingen und die Drachenjünger versuchten uns auszubilden. Die Ausbildung war hart und sie hatten wenig Verständnis dafür, wenn man nicht mehr konnte. Ihre Körper waren von Drachenblut erfüllt und so wurden sie nicht müde. Mein Bruder Lirom und ich taten alles, was sie von uns verlangten. So zogen die Jahre dahin. Unsere Körper wurden gestählt in der Zeit und wir konnten beide passable den Weg eines Kriegers gehen. Ich mit einem Hammer oder eine Axt und mein Bruder mit einem Schwert.

Eines Tages kam ein Junge in das Lager. Die Drachenjünger fielen sofort auf die Knie vor ihm. Wie sich später herausstellte war es einer der Drachen gewesen. Invidia, der Neiddrache. Er inspizierte das Lager.

„Wer sind die Zwei?“, fragte er einen Jünger und zeigt auf uns.

„Wir haben sie vor ein paar Jahren gefangen genommen und trainieren sie, damit sie eines Tages auch Drachenjünger werden können“, sagte ein Jünger.

Jeder Jünger trug eine rote Drachenmaske, was es unmöglich machte sie auseinander zu halten.

„Seit wann nehmen wir so junge Leute auf? Aus denen beiden werden niemals Drachenjünger“, sagte Invidia.

„Seid ihr euch sicher, Meister? Sie haben Talent, ihnen fehlt nur das Drachenblut“, sagte der Jünger.

„Zweifelst du an meiner Urteilskraft? Wenn ich sage sie werden niemals Drachenjünger, dann werden sie das nicht. Werdet sie los, aber tötet sie nicht.“

„Wie ihr wünscht, Meister“, sagte der Jünger und Invidia verließ das Lager wieder.

Den Tag darauf wurden mein Bruder und ich zu meinem Markt geführt und dort sollten wir verkauft werden. Ein Söldner, der gerade von einer Mission zurückgekommen war, sah uns und nahm uns auf, nachdem er die Drachengarde bezahlt hatte. Er gab uns ein Heim und bildete uns weiter aus. Zehn Jahre später, während eines Trainings.

„Unsinn, dein Problem liegt in der Wahl deiner Waffe“, sagte mein Meister zu mir.

„Warum? Was ist mit meiner Waffe?“, fragte ich und sah ihn an.

„Du willst doch ein Krieger werden. Ein wahrer Krieger bedient sich eines Schwertes und nicht einer unhandlichen Axt oder gar eines Hammers, wie du, Liram, es gerne tust.“

„Was ist denn daran auszusetzten? Ich bin schnell, meine Angriffe brechen die Deckung des Gegners und setzten ihn unter Druck. Was sollte ich also ändern?“

„Liram, ich habe es dir oft erklärt. Dein Bruder, Lirom benutzt ein Schwert. Er würde dich mit seiner Schnelligkeit locker in die Tasche stecken.“

„Ich möchte aber nicht so ein langweiliges Schwert benutzten. Die Axt ist halt meine Leidenschaft. Sie ist schnell, wendig und richtete großen Schaden an. Eure Rüstung zerspringt immer, wenn ich euch treffe“, sagte ich und sah ihn an.

Er sagte nichts mehr. Er senkte sein Haupt und schwieg. Das Stirnband rutschte gerade nach unten und ich zog es wieder hoch. Seit meine Mutter gestorben war, hatte ich es nicht mehr abgenommen. In den letzten Jahren hatten wir gelernt zu lesen und zu schreiben. Unser neuer Vater hatte uns auch weiter ausgebildet und somit waren wir noch bessere Krieger geworden.

„Liram, ich spreche bei dir gegen eine Wand. Wenn du diesen Weg der Klinge nehmen willst, dann tu das. Aber beschwer dich nicht, das dein Bruder immer schneller sein wird, als du“, sagte er.

„Lieber langsamer als mein Bruder und stark im Kampf, als umgekehrt.“

Er nickte und lächelte. So fuhren wir mit dem Training fort. Als wir fertig waren, wollte Meister uns noch etwas sagen.

„Liram und Lirom, ich habe eine Überraschung für euch. Der Zirkus hat mich eingeladen, heute Abend bei der Vorstellung zu gegen zu sein. Wollt ihr mitkommen?“, fragte er.

„Da fragt ihr noch?“, fragte Lirom. Meister lächelte nur.

Das dritte Opfer des Krieges

„Was war das für ein Geräusch?“, fragte meine Mutter.

Vor mir lag ihre Kristallkugel in tausenden Scherben. Eine Hexe brauchte diese Kugel um ihre Zauber anwenden zu können. Sie waren dort nicht nur gespeichert, von dort kam auch die Magie. Eigentlich hatte ich die Kugel nicht wirklich angerührt. Die Türe zu dem Raum ging auf und meine Mutter kam herein. Sofort sah sie den Scherbenhaufen vor mir.

„Nelana, was hast du getan? Warum hast du meine Kugel zerstört?“

„Es tut mir leid, Mutter. Ich habe sie wirklich nicht angerührt. Alleine ein Blick hatte ausgereicht um sie zerspringen zu lassen“, sagte ich und trat einen Schritt zurück.

„Weißt du eigentlich wofür diese Kugel gut ist? Damit kann ich meine Zauber benutzten. Ohne sie wird das beinahe unmöglich. Jetzt bin ich eine Hexe, ohne die Möglichkeit zu zaubern“, sagte sie und schlug nach mir.

Doch sie traf nur meine Haare. Die wehten mir kurz vors Gesicht und blieben dann wieder hängen. Ihre ungewöhnliche lila Farbe, empfand ich als schön und auch die zwei Zöpfe, die rechts und links an mir herunterhingen waren ebenfalls sehr schön. Meine Augen strahlten immer ein sehr deutliches Braun aus und machten meine Mutter oft nervös, wenn sie mich ansah. Ansonsten war ich sehr schmächtig und vielen Mädchen meines Alters unterlegen, doch ich hatte einen Vorteil. Ich war eine Hexe. Eine sehr begabte noch dazu. Wo die meisten Hexen erst mit zehn anfingen, magische Kräfte zu entwickeln, begann das bei mir schon mit fünf Jahren. Also doppelt so früh, wie bei allen anderen. Wir hatten unser Haus auch in der Nähe einer Akademie für Hexen. Hier in der Eissteppe stand die Akademie der Akademien. Jeder Hexe würde morden um hier ausgebildet zu werden.

„Du kannst doch dein Buch benutzten“, sagte ich und sah sie an.

Es dauerte nicht lange, da wendete meine Mutter den Blick ab, aufgrund meiner Augen.

„Das ist nicht das gleiche, Nelana. Eine Kristallkugel stärkt magische Kräfte, wohingegen Bücher oder Puppen deine Kräfte nicht stärken, sondern lediglich erlauben, mehr von ihnen zu benutzten“, sagte Mutter.

„Aber du bist doch die einzige Magierin, die den Rat der Magier besiegen kann, ohne eine Waffe“, sagte ich.

Sie lachte.

„Ich bin die Vorsitzende, das ist alles. Es ist nicht gesagt, dass ich sie alle besiegen kann und vor allem nicht ohne meine Kristallkugel. Aber sei ohne Sorge, ich habe noch eine andere Kugel, die ich benutzten kann“, sagte sie und sofort verschwanden die Scherben.

„Das nächste Mal, halt dich von der Kugel fern, Nelana“, sagte sie und zusammen verließen wir den Raum.

Doch plötzlich blieb meine Mutter stehen.

„Schatz, geh bitte in den Keller und versteck dich. Ich werde dich bald holen“, sagte sie und lief davon. Dieses Geräusch. Es klang wie ziemlich lauter Regen. Sofort begann ich zu rennen und lief in den Keller. Dort fand ich meine Schwester und setzte mich neben sie. Sie sah mir nicht bloß ähnlich, sie war ich. Wenn wir nicht andere Haarbänder tragen würde, hätte man uns nicht auseinander halten können. Schweigend saßen wir nebeneinander und warteten auf die Rückkehr unserer Mutter. Vater würde nicht zurückkehren und das schon seit vielen Jahren nicht mehr. Das Geräusch hörte nicht auf. Stundenlang saßen wir dort, bis plötzlich die Türe zum Keller aufgetreten wurde und mehrere Drachenjünger herein kamen. Sie suchten den Keller ab und fanden uns auch recht schnell.

„Zwei wunderbare Exemplare. Bringt sie zu den anderen Mädchen. Sie werden einen guten Preis erzielen.“

Damit zerrten uns zwei Männer aus dem Keller hervor. Wir wurden in einen Käfig gesperrt. Einige Tage wurden wir in dem Lager der Drachenjünger festgehalten. Sie machten sich einen Spaß daraus und zu begaffen. An einem Tag kam ein Junge in das Lager. Er trug eine rote Robe, die mit Flammen verziert war. Seine Haare sahen aus, als hätte er zwei Hörner unter ihnen versteckt. Er ging durch das Lager bis er uns erblickte. Die Drachenjünger schienen ihn gar nicht wahrzunehmen. Er kam zu uns und sah in den Käfig. Auf seinen Lippen lag ein Lächeln.

„General“, rief er, ohne den Blick von uns zu nehmen.

„Ja, Meister Odium?“, fragte ein Drachenjünger und kam gelaufen.

„Wer sind die Zwei? Und warum sind sie in diesem Käfig?“

„Wir haben sie gefangen genommen, als Ihr das Haus der Hexe zerstört habt. Sie hatten sich im Keller versteckt. Sie sind dort drinnen, weil sie unsere Gefangenen sind“, sagte der Mann.

Odiums Lächeln verschwand und er drehte sich zu dem Mann.

„Wo bleiben eure Manieren? Behandelt man etwa so eine Dame? Was habt ihr überhaupt mit ihnen vor? Sie werden keine Drachenjünger, also warum haltet ihr sie weiterhin fest?“

„Aber, Meister. Ihr habt doch befohlen, dass wir jeden gefangen nehmen, der uns gesehen hat.“

„Und deshalb haltet ihr sie fest? Früher oder später werdet ihr sie wieder freilassen müssen. Was gedenkt ihr mit den Zweien zu machen?“

„Wir wollten sie verkaufen.“

„Du kannst wieder gehen“, sagte Odium und der Mann ging.

Er sah uns wieder an und lächelte wieder.

„Verzeiht meinen Untertanen. Sie wissen nicht, wie man mit Damen umgeht. Ich werde sofort veranlassen, dass man euch mit dem euch gebürtigem Respekt behandeln wird. Seht es bitte als kleinen Freundschaftsdienst an. Ich bin mir sicher, irgendwann werdet ihr euch revanchieren können“, sagte er und ging dann.

Kurze Zeit später kam ein Drachenjünger und befreite uns aus dem Käfig. Wir wurden in ein eigenes Zelt gebracht, in dem wir einige Tage verbrachten. Danach wurden wir auf einen Markt gebracht. Dort kaufte uns eine Frau und nahm uns mit in unser neues Heim. Den goldenen Tropfen. Ein Freudenhaus, das von der Kirche Aletas geleitet wurde. Da wir noch sehr jung waren wurden wir erstmal nur als Putzfrauen eingesetzt. Doch zehn Jahre später, als wir neunzehn waren, wurden wir auch in die Reihen der Mädchen aufgenommen und bekamen unsere eigenen Kunden.

„Ihr habt noch zwei Kunden, Nelana“, sagte eine Frau und öffnete eine Türe.

In den Raum traten zwei Männer. Ziemlich groß und fett. Als sie mich sahen fiel ihnen beinahe die Kinnlade herunter.  Das sah ich zwar sehr oft, doch jedes Mal konnte ich mir ein Kichern nicht verkneifen.  Natürlich mussten wir immer sehr verhalten und zurückhaltend sein und nur das tun, worum uns die Männer baten. Die anderen Mädchen in diesem Haus, mussten immer alles tun, egal ob ein Mann sie darum bat oder nicht. Aber darin lag auch der Unterschied von einem einfachen Lustmädchen zu uns. Die Wahl Dinge zu tun. Einige Mädchen hassten uns dafür und andere fürchteten uns, da wir einige der wenigen waren, die Magie benutzten konnten. Die Männer schlossen die Türe und Kalira kam hinter einem Vorhang hervor. Erneut fiel den Männern die Kinnlade herunter. Mit eine kleinen Zauber konnten Kalira und ich unser Aussehen so anpassen, das wir für die Männer immer die Erfüllung ihrer Träume waren. Diese Kräfte waren nicht so ausgeprägt, wie sie sein könnten, weil uns niemand unterrichtet hatte.

„Na, was können wir denn gutes für euch tun?“, fragte ich und entblößte meine Schenkel.

Das schien die Männer nicht zu stören. Irgendetwas stimmte mit den beiden nicht.

„Lasst eure Tarnung fallen, Kinder“, sagte einer der Männer und sah uns eindringlich an.

Seine Augen strahlten etwas Unheilvolles aus, das konnte ich sogar ohne Magie sagen.

„Was denn für eine Tarnung? Denkt ihr etwa wir wären Jungs und geben uns nur als Mädchen aus?“, fragte Kalira und legte sich neben mich.

„Nein, aber wir wissen, dass ein Zauber auf euch liegt“, sagte der Mann.

Wieder strahlten seine Augen so eigenartig.

„Ihr seid auch keine richtigen Männer“, sagte ich und blickte sie an.

Meine Augen taten den Rest. Die Männer wendeten sich schnell ab und sahen mich nicht mehr an.

„Gut, du hast gewonnen, Nelana“, sagte er und sofort wurden aus den Männern zwei Frauen. Schlank, gut gekleidet und wunderschön.

„Hallo, ich bin Stella und das neben mir ist Tara. Wir kommen von der Akademie und wollen euch gerne unterrichten“, sagte Stella.

„Uns unterrichten? Auf einmal? Wir haben eine Aufgabe, für die wir gutes Geld bekommen“, sagte Kalira.

„Wir wollen euch beibringen, eure Kräfte richtig einzusetzen und nicht bloß um irgendwelche besoffene, leichtgläubige Männer zu verwirren. Ihr beide habt sehr großes Potential. Eure Magie ist weiter, als die von unseren Meistern und besten Studenten. Kommt mit uns an die Akademie für Hexen. Das hier ist doch eher schäbig“, sagte Stella.

Ich sah sie genauer an. Ihre Haare waren unter einer Kapuze verborgen. Ihre Augen leuchteten rot und wirkten bedrohlich. Sie war so dünn, dass sogar ich Angst gehabt hätte sie zu berühren.

„Ihr wollt uns also an der Akademie für Hexen haben? Damals, kann ich mich erinnern, habt ihr uns abgelehnt“, sagte Kalira.

„Wir baten euch zu warten“, sagte Tara.

Sie sah ähnlich aus wie Stella nur ihre Augen waren weniger bedrohlich.

„Warten? Zwei neunjährige Mädchen, halb verhungert und erfroren, ohne ein zu Hause sollen warten? Worauf denn? Darauf, dass Kälte oder Hunger uns umbringen?“, fragte ich.

„Nein, darauf, das ihr alt genug seid, um an der Akademie angenommen zu werden“, sagte Stella.

„Bis wir dieses Alter erreicht hätten, wären wir schon tot gewesen“, sagte Kalira.

„Wir konnten euch damals einfach nicht aufnehmen. Es ist ein Gesetzt, von Marina, der Ältesten, das keine Hexe unter fünfzehn Jahren angenommen werden darf. Egal wie stark sie ist. Eure Magie hat sich sehr früh schon entwickelt und gezeigt. Es war damals wirklich schwer für uns euch abweisen zu müssen. Doch Marina hätte euch getötet. Allerdings bittet sie euch jetzt persönlich zu ihr zu kommen und anzuhören, was sie zu sagen hat“, sagte Stella.

„Nein, danke“, sagte ich und sah Kalira an.

Sie nickte und gab mir zu verstehen, dass ich das richtige tat.

„Wenn Marina mit uns sprechen will, soll sie persönlich zu uns kommen“, sagte sie.

„Eine Hexe wie Marina lässt jemanden zu sich kommen, sie geht nicht zu diesen Personen“, sagte Tara.

„Dann tut es mir leid. Aber wir gehen nicht zu Leuten, die uns hätten sterben lassen“, sagte ich und Stella senkte den Kopf.

„Wir werden eure Worte überbringen und gegebenenfalls wiederkommen. Marina wird nicht lange mit einer Antwort brauchen“, sagte Tara und die zwei verließen das Zimmer wieder.

„Was hältst du von der ganzen Sache?“, fragte Kalira mich.

„Die Sache stinkt. Sehr gewaltig sogar. Marina hat sicher kein Interesse an uns. Ansonsten hätte sie keine vier Jahre gewartet um Kontakt zu uns aufzunehmen. Und nur wegen unserer Mutter kann es auch nicht. Wir haben beide nur jeweils die Hälfte von ihrer Kraft. Aber egal aus welchem Grund ich werde trotzdem nicht zu Marina gehen. Sie hat uns damals beinahe verhungern lassen“, sagte ich und Kalira nickte.

„Hier ist ein weiterer Kunde“, sagte jemand und die Tür wurde erneut geöffnet.

Herein trat ein sehr attraktiver junger Mann.

Das vierte Opfer des Krieges

„Du verstehst mich einfach nicht, Vater“, sagte ich und sah meinen Vater an. Er saß vor mir und hatte die Arme vor dem Bauch verschränkt, wie er es immer tat, wenn er sauer war.

„Ich verstehe sehr wohl, was du willst. Du verrätst deinen eigenen Vater. Den Mann, der dich groß gezogen hat und dir gezeigt hat, wie man liest und schreibt“, sagte er und sah mich böse an.

„Du verstehst nichts von dem, was ich dir erklärt habe. Die große Aleta persönlich, hat zu mir gesprochen und ruft mich ihr zu helfen“, sagte ich und sah ihn durch mein eines Auge an.

Durch das andere konnte ich ihn nicht gut sehen, denn davor hingen meine weißen Haare. Wütend erhob mein Vater sich und kam auf mich zu. Sofort stand ich und blickte ihn starr mit meinen eisblauen Augen an.

„Mein Sohn, das ist Blasphemie.  Du wetterst gegen die Drachen, die dich durch dein Leben begleitet haben. Es gibt nicht nur einen Gott. Aleta ist eine Erfindung, um uns zu manipulieren“, sagte er und wollte schon zuschlagen, als mein Bruder dazukam.

„Wenn du Remino schlägst, schlagen wir beide zurück“, sagte er und sah Vater böse an.

Kurz nach unserer Geburt hatte unsere Mutter uns verlassen und war seit dem nicht mehr aufgetaucht. Das einzige was ich über sie wusste, war ihr Name, Clair.

„Misch dich nicht ein Meriano. Du weißt genau, dass ihr beide das nicht tun würdet. Außerdem was sollen zwei Zehnjährige schon gegen einen Mann wie mich ausrichten?“, fragte er.

„Vergiss nicht, wer uns ausgebildet hat, Vater. Remino und ich sind beide stark genug um dich zu besiegen“, sagte Meriano.

„Ich lasse nicht zu, dass man euch den Kopf so wäscht. Ihr wendet euch von allen Lehren ab, die ich euch nahe gebracht habe.“

„Du hast uns das alles vielleicht nahe gebracht, doch wir glauben beide nicht daran“, sagte ich und mein Vater wurde rot vor Wut.

Er ließ die Hand nicht sinken.

„Wenn du das noch einmal sagst, schlage ich dich grün und blau. Ich habe euch die einzige Wahrheit gezeigt, die es gibt“, sagte er.

„Vater, auch ich glaube nicht daran“, sagte Meriano.

Entrüstet sah mein Vater ihn an.

„Du glaubst nicht daran? Wie könnt ihr beide es wagen, an dieser Lehre zu zweifeln?“

„Die Priester von Aleta haben uns alles erklärt. Sie haben uns das alles glaubwürdig geschildert und uns sogar bewiesen, dass Aleta wirklich existiert“, sagte ich.

„Aleta gibt es nicht. Sie ist eine Erfindung. Wollt ihr beide das nicht verstehen? Man versucht uns immer und überall zu manipulieren. Die Drachen sind die einzigen Götter.“

„Du kannst den Krieg nicht einfach leugnen, Vater. Die Drachen verwüsten Städte und ganze Landstriche. Aleta versuche diesen Krieg zu beenden und uns damit alles zu Retten. Über kurz oder lang werden die Drachen uns vernichten. Durch Menschen wie dich, Vater, verliert Aleta an Kraft. Du glaubst an die Drachen und machst sie damit stark, stark genug um ihren Krieg weiterführen zu können. Bis jetzt sind es nur die Dämmerungsdrachen, die wieder erwacht sind. Doch wenn die anderen dazu kommen, dann wird es erneut zu einer großen Schlacht kommen.“

„Ihr wollt es offensichtlich nicht anders. Verlasst mein Haus, sofort. Ich will euch beide nie wieder sehen. Ich kann nicht glauben, dass ihr mir so einen Stoß ins Herz versetzt.  Ich verbanne euch hiermit für alle Ewigkeit“, sagte er und nahm wieder auf seinem Stuhl Platz.

„Du bist wirklich so kalt und verbannst deine eigenen Söhne?“, fragte Meriano.

„Ihr seid nicht meine Söhne. Währt ihr mein eigen Fleisch und Blut, würdet ihr mir nicht widersprechen und auch nicht daran zweifeln, was ich euch gesagt habe“, sagte er.

Die Worte trafen uns beide hart. Meriano war den Tränen nahe, doch ich blieb stark. Die Worte unseres Vaters, nein unseres vermeintlichen Vaters, schmerzten. Doch nicht so sehr wie seine Sturheit oder sogar seine Intoleranz.

„Komm, Meriano. Wir gehen. Aleta wird uns den Weg weisen und uns mit Mitgefühl und Wärme willkommen heißen“, sagte ich und zog meinen Bruder aus dem Raum.

Meriano konnte sich nicht mehr halten, als die Tür ins Schloss gefallen war. Er begann sofort zu weinen und klammerte sich an mich.

„Es ist gut, Meriano. Es ist gut. Wir gehen in Aletas Kirche. Die Priester dort, werden uns helfen“, sagte ich und zog ihn hinter mir her.

Wir packten einige wenige Sachen zusammen und verließen das Haus, das einmal unsere Heimat gewesen war. Unser Weg führte uns in das Kloster von Aletas Bruderschaft. Dort baten wir darum aufgenommen zu werden und die Priester nahmen uns auf. Zehn Jahre lebten wir dort und wurden ein Teil der Bruderschaft.

„Remino, ich habe einen Auftrag für dich, mein kleiner Priester“, sagte der Abt und trat auf mich zu.

Er war ein sehr alter Mann der schon leicht eingefallene Haut hatte. Doch seine Stimme war immer noch sehr scharf.

„Um was handelt es sich?“, fragte ich und sah ihn an.

Meine Haare hingen immer noch über einem Auge, genau wie vor zehn Jahren, als unser Vater uns vor die Tür gesetzt hatte.

„Lady Marina möchte dich sehen. Sie hat einen Auftrag für dich.“

„Dann werde ich zu Lady Marina gehen. Sollte ich meine Waffe mit mir führen?“, fragte ich und zeigte auf den Zauberstab an meinem Gürtel.

„Ja, behalt ihn an deiner Seite. Die Macht von Aleta kann immer von nutzten sein, in egal welcher Situation. Die Drachenjünger sind stark in diesen Tagen. Man muss immer auf alles gefasst sein.“

 Ich nickte. Langsam verließ ich das Kloster. Ein altes Gebäude direkt neben der Akademie für Hexen. Dort wurde man nur als Frau unterrichtet. Egal wie stark die Magie in der Person war. Solange man kein Mädchen war, durfte man dort nicht studieren. Jungs mussten immer in das Kloster gehen, wenn sie Magie erlernen wollten. Hexen konnten uns Priester nicht ausstehen. Obwohl, das mochte untertrieben sein. Wir waren eigentlich Todfeinde. Eine Hexe würde niemals zögern einen Priester umzubringen, wenn sie dazu eine Gelegenheit bekam. Deswegen musste man immer vorsichtig sein, wie man sich in der Akademie verhielt, wenn man zu einem Auftrag gerufen wurde. Ich trat durch das große Tor und befand mich nun in der Akademie. Die Mädchen, die dort lebten waren arrogant und wunderschön. Ich ging die Treppe hinauf, zu Marinas Büro, das sich im obersten Stockwerk befand. Als ich die erste Etage erreicht hatte ereignete sich eine Explosion in einem der Klassenzimmer und mehrere Hexen kamen, mit rußgeschwärzten Gesichtern herausgelaufen. Die Lehrerin sah mich und kniff ihre Augen zusammen.

„Ich hatte es mir doch gedacht. Schon wieder ein Priester“, sagte sie und stürmte los.

Vermutlich ging sie zum Abt. Egal was passierte wir waren immer schuld daran. Selbst wenn wir nicht einmal in der Akademie waren zu dem Zeitpunkt. Die Hexen kamen immer zu uns und stritten mit dem Abt. Es war wohl unsere Aura, die für diese Explosionen sorgte, also waren wir auch Schuld. Mittlerweile war ich es gewohnt, denn solche Anschuldigungen kamen bis zu drei Mal in der Woche. Nur Lady Marina kam nie ins Kloster. Sie war anders als die Hexen hier. Im Gegensatz zu ihnen griff sie immer wieder auf unsere Dienste zurück. In letzter Zeit rief sie mich ungewöhnlich oft.  Dieser Einsatz, war schon der vierte diese Woche. Ich stand vor dem großen Eingangsportal zu Marinas Büro. Gerade traten Stella und Tara durch die Türe. Zwei Hexen, die ebenfalls, zumindest mir gegenüber, nicht abweisend waren und auch von Zeit zu Zeit meine Hilfe in Anspruch nahmen. Meinen Bruder riefen sie nicht so oft, denn er war mehr für die Methode, hau alles Kaputt und erledige so den Auftrag. Die Hexen schätzten diese Art von Arbeit nicht wirklich.

„Hallo, Remino. Hat Lady Marina dich schon wieder gerufen?“, fragte Stella.

„Ja, sie benötigt erneut meine Dienste. Das erstaunt mich, denn es ist schon das vierte Mal diese Woche.“

„Sie hat im Moment viel zu tun. Deswegen ruft sie dich so oft. Ich vermute, dass es um zwei Hexen geht, die sich der Akademie verweigern möchten.“

„Dann bin ich doch aber eigentlich der falsche Ansprechpartner.“

„Bei einem so süßen Priester wie dir, wird keine Hexe wiederstehen können“, sagte sie und zwinkerte.

Dann gingen die beiden. Ich sah ihnen nach und dachte über ihre Worte nach. Aber mehr Zeit hatte ich nicht. Ich musste zu Marina. Ihr Zimmer war nicht zu verfehlen. Große, portalähnliche Türen. Ein Baldachin über der Türe und ein riesiges goldenes Abbild der Hexe. Ich trat darauf zu und klopfte.

„Einen Moment bitte“, rief sie und sofort hörte ich, wie sie Sachen hin und herschob.

Dann ging die Türe auf. Lady Marina war eine unglaubliche Hexe. Wenn jemand Schönheit verkörpern konnte, so war es sie. Trotz ihres enormen Alters, sah sie immer noch jung aus.

„Ah, Remino. Ich hätte nicht gedacht, dass du so schnell kommen kannst“, sagte sie und lächelte mich an.

Ich betrat den Raum und schloss die Türe. Sofort bot sie mir einen Stuhl zum Sitzen an. Langsam nahm ich Platz und sah sie erwartungsvoll an.

„Du fragst dich warum ich dich gerufen habe? Das ist ganz einfach. Es gibt zwei Hexen. Sie sind ziemlich mächtig, Die Töchter von Karaku. Du kennst doch sicher Lady Karaku, oder? Sie war eine der stärksten Hexen, neben mir.“

„Ihr Name ist mir geläufig. Wie lautet mein Auftrag?“

„Ich möchte, dass die beiden unserer Akademie beitreten und hier lernen, Magie zu verwenden.“

„Und wofür benötigt ihr dann meine Dienste? Ich bin ein Priester, Lady Marina. Wenn es richtige Hexen sind, werden sie mich keines Blickes würdigen.“

„Nun, ich gehe nicht davon aus, dass sie dich nicht eines Blickes würdigen würden. Immerhin sind sie quasi Angestellte deines Konvents.“

„So? Wo arbeiten sie denn?“

„Im goldenen Tropfen“, sagte Marina und sah mich eindringlich an.

„Ihr meint das Freudenhaus?“

„Genau das. Ich bin immer wieder erstaunt, wie klug du für einen jungen Priester bist. Wie dem auch sei. Deine Aufgabe ist es, die beiden hier hin zu bringen. Egal wie und zu welchem Preis.“

„Ihr verlangt einiges, Lady Marina. Ihr wisst, dass wir Priester uns den irdischen Freunden nicht hingeben dürfen. Es ist mir untersagt, bis der Abt mich für bereit erklärt.“

„Daran habe ich gedacht. Hier ist ein Brief an den Abt. Sollte er sich weigern, dich gehen zu lassen, gib ihm dieses Dokument. Er wird verstehen. Eins noch. Die beiden sollten unverletzt hier ankommen. Mir ist egal wie du es anstellst, doch sie dürfen nicht verletzt werden.“

„Wie ihr wünscht, Lady Marina. Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber versprechen kann ich euch nichts“, sagte ich und verneigte mich.

„Ich bin mir sicher, dass dir etwas einfallen wird, Remino. Immerhin bis du sehr kreativ. Ich wünsche dir viel Glück“, sagte sie und ich verließ den Raum.

Davor standen zwei Hexen, die offenbar auch zu Marina wollten. Auf meinen Gruß hin, verfinsterten sich ihre Mienen. Einfach ignorieren, Remino. Es lohnt sich nicht darüber aufzuregen, du kannst es sowieso nicht ändern. So ging ich meines Weges. Vor der Akademie angekommen, traf ich meinen Bruder.

„Mir ist zu Ohren gekommen, du hast schon wieder einen Auftrag von Lady Marina?“, fragte er und sah mich grinsend an.

„Ja. Sie möchte das ich ihr zwei Hexen bringe, die sich der Akademie entziehen.“

„Da ist ein Priester natürlich die größte und beste Hilfe. Soll ich dir helfen?“

„Nein, aber du könntest das dem Abt geben. Ich will diesen Auftrag so schnell wie möglich hinter mich bringen. Lady Marina zählt auf mich“, sagte ich und drückte ihm das Papier in die Hand.

„Wie du meinst. Ich werde den Zettel an den Abt weitergeben.“

Er lief davon. Ich sah ihm kurz nach und ging dann in den goldenen Tropfen. Das Freudenhaus befand sich abseits von allen Häusern und Institutionen diese Stadt. Einzig und alleine das Armenviertel grenzte an das Gebäude. Oft wurden Männer ausgeraubt, wenn sie dort waren und später, betrunken, das Gebäude wieder verließen. Wenn die Mädchen dort nicht das Geld hatten, bekam es der nächste Dieb. Durch dieses Viertel ging ich sehr ungern, da man dort, auch mit Waffe, immer Gefahr lief ausgeraubt zu werden.

Die Luft stank. Hier landete der Müll nicht auf einem Misthaufen, sondern einfach auf der Straße. Auf den Gehwegen, lagen Schnapsleichen, bei denen ich mir unsicher war, ob sie noch lebten. Viele Häuser in diesem Teil waren zerfallen und von kaltem Wind durchzogen. Für mich war es oft ein Wunder, das hier Menschen leben konnten. Ich hatte das Freudenhaus gerade erreicht, als ein Geräusch mich zusammen zucken ließ. Hinter einem großen Müllhaufen, kam ein Kind hervor. Nicht viel jünger als ich. Er war mager und sah müde aus. Als er mich erblickte, blieb er stehen und sah mich erstaunt an. Ich erwiderte seinen Blick und musste innerlich weinen. Wie konnte man diesen Kindern nur so etwas antun. Plötzlich schnellte der Junge nach vorne und wollte mir einen Beutel, mit wenigen Kupfermünzen stehlen. Doch ich zog so schnell den Zauberstab und schlug seine Hand weg, dass er meine Bewegungen nur erahnen konnte.

„Das ist eine ganz dumme Idee, mein Freund. Einen Diener von Aleta beklaut man nicht. Stehlen sollte immer das letzte Mittel sein. Die Göttin kümmert sich um uns alle und ist ein Ort der Zuflucht für uns. Im Tempel wirst du etwas zu essen bekommen. Dann brauchst du mir nicht, das wenige Geld zu klauen, das ich besitze.“

Er senkte den Kopf und ich legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Die Göttin stellt dich auf eine harte Probe. Doch wenn du sie bestehst, wirst du die ewige Erlösung finden“, sagte ich zu ihm und er begann zu weinen.

Tröstend legte ich ihm den Arm um die Schulter. Als er fertig war, sah er mich mit neuem Mut an.

„Geh zum Tempel und lass dir von den Priestern etwas zu essen geben. Falls sie dir nichts geben wollen, zeig ihnen das hier“, sagte ich und reichte ihm ein Papier, auf dem das Wappen meiner Familie aufgedruckt war.

„Dann werden sie dir sehr sicher helfen.“

Sofort lief der Junge davon. Ich wollte das Haus betreten als ein weiterer Junge zu mir trat. Er trug eine schwarze Eisenrüstung und hatte lange schwarze Haare. Sein Gesicht wirkte Jung, doch die Augen wirkten alt und irgendwie tot.

„Wie schade, dass du dich um ihn gekümmert hast, Junge. Eigentlich wollte ich ihn gerade holen kommen“, sagte er.

„Wer seid Ihr? Ein Freund des Jungen?“

Er begann zu lachen und er sah mich an.

„Oh nein, nicht einmal Ansatzweise. Man nennt mich Casus und ich bin“, begann er, als ich seinen Satz beendete.

„Der Todesdrache. Ich kenne die Legenden.“

„Legenden, Geschichten oder Gerüchte. Aber vor allen Dingen eins, alles wahr. Ich bin der Todesdrache und ein wenig enttäuscht, dass du mir eine Seele verwehrt hast.“

Ich griff meinen Zauberstab fester und er sah auf meine Hand.

„Keine Sorge, Kleiner. Ich bin nicht nachtragend. Hier gibt es genug Seelen, derer ich mich annehmen kann. Glaub mir dieser Junge ist kein Verlust. Wenn ich ehrlich bin, nehme ich die Seele von so jungen Menschen nehmen soll, fällt mir das besonders schwer. Schön zu sehen, dass es noch Menschen mit gutem Herzen gibt.“

Damit ging der Mann und folgte dem Jungen. Ich sah ihm nach und dachte über seine Worte nach. Konnte das wirklich Casus, der Todesdrache sein? Eigentlich unmöglich. Warum sollte ein Drache hier auftauchen? Es half nicht darüber nachzudenken, ich würde eh keine zufriedenstellende Lösung finden.  Ich betrat das Haus. Sofort wurde ich von einer Wolke von Düften überschwemmt. So sollte er hier immer riechen. Der Abt hatte mich schon einmal hier her geschickt, um zu sehen, ob man mir vertrauen kann. Der goldene Tropfen war eines der wenigen Freudenhäuser, welches sich im Besitz der Bruderschaft befand. Einige Priester kamen hier her um sich ein wenig Abwechslung vom Alltag zu holen. Hinter einem Tresen stand eine Frau und sah mich an.

„Hallo, Kleiner. Hast du dich verlaufen?“

„Nein, habe ich nicht. Ich bin von Lady Marina geschickt worden um zwei Mädchen zu sehen. Sie sollen Hexen sein.“

Ihr skeptischer Blick sagte mir eigentlich schon alles.

„Sie können dir aber nicht weiter helfen. Die Entwicklung gewisser, männlicher Teile, braucht seine Zeit.“

„Gute Frau, ich mag jung aussehen und vielleicht auch zu jung um hier zu sein, doch ich werde diese beiden Mädchen sehen. Lady Marina verlässt sich auf mich. Als Priester ist es also mein Recht, sie zu sehen.“

„Du willst also schon ein Priester sein? Dann kannst du mir sicher dein Wappen zeigen“, sagte sie und hielt mir ihre Hand hin.

Ich zog sofort ein weiteres Papier aus meiner Tasche und reichte es ihr. Sie sah sich das Symbol an und musterte mich.

„So, so. Remino ist also dein Name? Süß. Na gut, wenn du einen Auftrag hast, darf ich dich nicht aufhalten, immerhin gewährt das Konvent uns Schutz. Nimm Platz. Sie haben gerade zu tun“, sagte sie und sah auf eine Türe.

Dort traten plötzlich Tara und Stella heraus.

„Was tut ihr denn hier?“, fragte ich und die zwei sahen mich an.

„Marina wollte, dass wir die Mädchen überreden mit uns zu kommen. Doch sie sind einfach zu verbittert“, sagte Tara.

„Dann werde ich es versuchen, auf meine Art zu machen“, sagte ich und die beiden nickten.

Damit verließen sie das Haus.

„Hier ist noch ein Kunde“, rief die Frau und öffnete die Türe.

Vorsichtig betrat ich den Raum. Vor mir lagen zwei, spärlich bekleidete, Mädchen. Sie sahen sehr gut aus und hatten eine Anmut in ihren Zügen, die ungewöhnlich war. Langsam schloss sich die Türe hinter mir und ließ mich im halbdunkeln.

Die Rache

„Sehen Sie jetzt, die einmalige Jotanate. Die einzige Frau, die in der Luft schweben kann“, rief der Mann und verließ die Manege.

„Sie soll einmalig sein. Ihre Künste sind erstaunlich. Ohne Magie zu benutzten, kann sie in der Luft schweben“, sagte mein Meister und sah in die Manege.

Dort stand Jotanate. Ein junges Mädchen, soweit ich das aus dieser Distanz beurteilen konnte. Plötzlich tauchte der Direktor hinter uns auf.

„Jotanate ist der ganze Stolz unseres Zirkus. Mit ihrem Alter, ist sie so geschickt, das man meinen könnte, sie wäre schon ewig in diesem Gewerbe“, sagt er.

„Dessen bin ich mir bewusst. Habt ihr sie auch gut behandelt?“, fragte mein Meister und sah den Mann an.

„Natürlich. Eine Elfe muss man pflegen.“

Dann trat er neben uns und sah der Aufführung zu. Jotanate war wirklich unglaublich. Ihre Geschwindigkeit, ihr Geschick und ihre Anmut ließen mir den Atem stocken. Immer wieder sprang sie sehr nah an unsere Loge heran, sodass ich einen sehr guten Blick hatte. Nach einiger Zeit und dem vermutlich schon dreißigsten Sprung an uns vorbei, blitzte plötzlich etwas auf. Sofort fiel der Direktor zu Boden und blieb liegen. In seiner Kehle und seinem Herz steckten kleine Pfeile. Sofort sprangen wir auf und zogen unsere Waffen.

„Lauft in die Manege und verteidigt Jotanate. Lilith wusste, dass sie es tun würde. Deswegen sind wir hier. Das ist euer erster Auftritt, als richtige Krieger. Beschützt Jotanate und ihre Zwillingsschwester“, sagte er und sofort liefen wir los.

Es dauerte nicht lange, da hatten wir die Manege erreicht. Jotanate stand dort und sah sich um. Neben ihr stand eine weitere Frau, die genauso aussah wie sie. Als sie uns erblickten, wollten sie schon auf uns schießen, bis ich ihnen zu verstehen gab, dass wir ihnen helfen wollten. Auf den oberen Rängen, waren Bogenschützten aufgetaucht, die uns ins Visier genommen hatten.

„Eine falsche Bewegung, Mörderin, und es ist deine Letzte“, rief jemand.

Jotanate sah sich um.

„Lass das unsere Sorge sein, wir regeln das“, sagte ich und lächelte sie an.

Sofort wandte sie den Blick ab. Wir standen vor den beiden und überblickten erst einmal die Lage. Auf den Rängen saßen nun keine Zuschauer mehr, sondern Wachen und die Artisten. Viele von ihnen hatten ihre Bögen auf uns gerichtete. Dann kam auch schon der erste Pfeil geflogen, verfehlte uns aber. Doch die anderen ließen nicht lange auf sich warten.

„Liram, du kannst von hier aus angreifen. Denk an die Bodenwellen.“

Natürlich. Diese Technik hatte unser Meister mir schon sehr früh gezeigt. Ich hob meine Axt und legte meinen Fuß darauf. Mit aller Kraft trat ich auf den Boden. Sofort explodierte er, einige Meter vor mir und ließ einen Teil der Zuschauerränge verschwinden. Die Männer auf den Tribünen waren ausgewichen. Jetzt rannten sie von den Rängen und drängten in die Manege, genau auf und zu.

Der Abt

„Na, wen haben wir denn da? Einen Priester“, sagte eines der Mädchen und erhob sich.

Trotz der Dunkelheit, konnte ich sie noch gut sehen.

„Ich bin nicht hier um mich zu vergnügen. Ich habe einen Auftrag und muss euch beide bitten mitzukommen.“

„Wo willst du denn hingehen? Hier ist es doch viel gemütlicher und vor allem sicherer. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Mit Priestern kennen wir uns aus. Du wirst sehen, das wird wunderbar“, sagte sie und trat hinter mich. 

Sie wollte mir gerade die Robe öffnen, als Stimmen zu uns durchdrangen.

„Geht beiseite. Ich muss zu meinen Bruder und zwar sofort. Wenn ihr diese Türe nicht öffnet, werde ich es tun. Es geht hier um Leben und Tod“, sagte Meriano.

„Unmöglich. Diese Türen sind absolut sicher. Du wirst dort niemals durch kommen. Also warte, bis sie fertig sind“, antwortete die Frau.

„Geh auf Seite, Mädchen. Du wirst gleich sehen, wie sicher diese Türe ist.“

Damit stieß er einen Schrei aus.

 

„Mädchen, stellt euch sofort hinter mich“, sagte ich und hielt meinen Schild bereit.

„Warum? Glaubst du, er wird durch diese Türe hindurchkommen? Selbst die stärksten Männer haben sich die Zähne ausgebissen.“

„Das mag sein, aber das waren keine Paladine“, gab ich zurück und konzentrierte mich.

Es dauerte nicht lange, da knallte etwas gegen die Türe. Sie knirschte, hielt aber stand.

„Zerbreche!“, schrie mein Bruder und erneut schlug etwas gegen die Türe.

Diesmal wurde sie aus den Angeln gehoben und flog genau auf uns zu. Die beiden Mädchen hinter mir begannen zu schreien. Der Aufschlag, der Türe gegen meinen Schild war härter als erwartet. Zum Glück konnte ich dagegen halten. Kurzzeitig blieb sie an dem Schild stehen, bis ich sie zurück stieß. Sofort konnte ich Meriano erstaunt aufschreien hören. Dann fiel die Türe zu Boden. Er musste sie ebenfalls abgefangen haben. Er sah mich an. In seinen Augen standen Wut und Angst.

„Remino, wir müssen sofort weg. Der Zettel von Lady Marina hat den Abt so verärgert, dass er dich töten will“, sagte er und kam auf mich zu.

„Aber ich kann die Mädchen nicht hier lassen“, sagte ich und sah ihn an.

Sofort ging er auf die beiden zu und legte sie sich über die Schulter. Sie zappelten und versuchten sich zu befreien. Doch es half nichts.

„Auf geht’s. Wir müssen zur Akademie. Dort ist im Moment der einzige sichere Ort.“

Er begann zu laufen. Mein Bruder muss wahnsinnig sein, dachte ich und folgte ihm. Die Mädchen auf seiner Schulter wehrten sich mittlerweile schon nicht mehr. Sie hatten sich ihrem Schicksal ergeben. Kein zappeln  nichts. Wenn ich nicht hätte sehen können, dass beide ihre Augen offen hatten und atmeten, hätte ich gedacht sie wären tot. Das Armenviertel ließen wir schnell hinter uns und die Akademie kam ebenfalls zügig in Sicht. Davor standen schon Stella, Tara und noch mehr der Ausbilderinnen. Als sie uns sahen, liefen sofort mehrere Hexen los und eskortierten uns.

„Nicht dumm von euch hier her zu kommen“, sagte Stella und sah uns an.

„Wo sollten wir denn sonst hin?“, fragte ich und sah sie an.

„Das ist wahr. Lady Marina hat das Ganze in die Wege geleitet. Sie hat uns befohlen euch zu beschützten. Selbst wenn wir dafür einen Priester verletzten müssen. Folgt mir, sie erwartete euch bereits“, sagte Stella und ging voraus.

Wir folgten ihr. Die beiden Mädchen, über Merianos Schulter, waren ruhig. Erstaunlich ruhig. Stella geleitete uns bis in Marinas Büro und ließ uns dort alleine. Lady Marina stand am Fenster und sah hinaus.

„Schön, das ihr hier seid. Meriano, dir wird es doch sicher nichts ausmachen, wenn du die beiden runter lässt, oder?“, fragte sie und sofort setzte er sie wieder ab.

„Was hat das zu bedeuten?“, fragte ich Marina und sah sie an.

Sie ignorierte den Satz.

„Danke, dass ihr die Mädchen hier her gebracht habt. Ich hoffe es hat euch nicht allzu viele Umstände gemacht“, sagte sie und lachte.

 „Zu viele Umstände? Wegen euch will der Abt Remino umbringen. Ihr habt ihm geschrieben, dass er sich den Lüsten des Fleisches hingeben würde. Nennt mir einen guten Grund, warum ich euch nicht umbringen sollte!“, schrie mein Bruder die Hexe an.

Marinas Gesicht blieb emotionslos.

„Einen anderen Ton, bitte. Was glaubst du eigentlich, wen du hier vor dir hast? Ich, Lady Marina, benutzte noch die alte Magie, die schon unsere Vorväter benutzt haben. Sich mit mir anzulegen ist dem Tod gleichbedeutend. Was ich getan habe, dient einem höheren Zweck.“

Gegen Merianos Wut half Marinas Aussage zwar nicht, er sagte allerdings nichts mehr dazu.

„Was habt ihr vor, Lady Marina?“, fragte ich.

Sie wandte sich allerdings den Mädchen zu.

„Nelana und Kalira. Die Töchter Karakus. Sie hat mir schon viel von euch erzählt. Ihr wisst es bestimmt nicht, doch eure Mutter hielt große Stücke auf euch.“

Stille. Nelana und Kalira sagten kein Wort. Marina starrte sie an und die beiden erwiderten ihren Blick. Nelana brach die peinliche Stille dann.

„Ihr seid also die Person, wegen der meine Schwester und ich beinahe gestorben wären“, sagte sie und ihr Atem beschleunigte sich.

„War ich das? Nur weil ein Gesetz, das nebenbei bemerkt, eure Mutter aufgestellt hat, uns verbietet Mädchen unter fünfzehn Jahren aufzunehmen, habe ich euch beinahe umgebracht?“

„Unsere Mutter hätte jeden aufgenommen, der verzweifelt vor diesen Toren gestanden hätte. Wagt es ja nicht etwas anderes von ihr zu behaupten“, sagte Nelana und begann zu weinen.

Vorsichtig ging ich zu ihr und nahm sie in den Arm. Sie wehrte sich nicht. Im Gegenteil. Sie zog mich zu sich hin und ließ mich nicht mehr los.

„Es ist gut. Aleta wird dir Kraft geben und helfen deinen Weg zu finden“, sagte ich und versuchte so tröstlich wie möglich zu klingen.

Nelana blieb stumm und Kalira ergriff das Wort.

„Meine Schwester hat das schon gut auf den Punkt gebracht. Man hat uns hier beinahe dem Tod preisgegeben.“

„Mein Beileid dafür. Ich spreche mich frei, von sämtlichen Entscheidungen, die meine Ausbilderinnen treffen. Von eurer Abweisung wurde ich nicht unterrichtet.“

„Oh, das sehe ich anders. Ihr wusstet davon. Ich habe die Fähigkeit meine Mutter, mit meinen Gedanken an mehreren Orten zu sein. Ich habe gesehen wie Stella zu euch ging und über dieses Thema sprach.“

„Meine Liebe. Ich mag ja vieles sein, aber keine Lügnerin. Was du da angeblich gesehen hast, war nur eine Möglichkeit wie es hätte passieren können. Du hast deine Kräfte nicht genug unter Kontrolle, als dass du so etwas sehen könntest. Das Ereignis hat nie stattgefunden“, sagte Lady Marina und sah mich an.

Nelana lag immer noch weinend in meinen Armen.

„Nun zu dir, Remino. Es ist wichtig, dass du die Stadt verlässt.“

„Davon gehe ich aus, nachdem ihr mich aus dem Konvent gezwungen habt.“

„Es ist das Beste. Dein Abt hält dich zurück, Remino. Du könntest weitaus stärker sein, als du aktuell bist. Allerdings würde er das nicht zulassen, da er Angst vor Leuten hat, die stärker sind als er selbst. Er fürchtete dann um seine Gunst bei der Göttin. Es gibt da allerdings Jemanden den ich kenne. Einen alten Freund der im Heiligen Hafen lebt und euch helfen möchte. Sein Name ist Thomas. Ihr habt bestimmt schon von ihm gehört“, sagte sie.

„Thomas? Der Name sagt mir etwas. Ist das nicht der Sohn von Papst Terra?“

„Richtig. Er kann euch noch besser ausbilden als jeder hier in diesem Konvent. Nachdem er von euch gehört hat, wollte er euch sofort kennen lernen. Es ist erstaunlich, denn normal hat er nie solch einen Eifer an den Tag gelegt wenn es um die Ausbildung von Priestern oder Paladinen ging. Ich habe einen Transport vorbereiten lassen. Einige Hexen werden euch begleiten und dafür sorgen, dass der Abt euch keine Probleme macht.“

„Also denkt ihr, dass wir nicht sicher sind?“, fragte Meriano.

„Auf keinen Fall. Ich kenne den Abt nun lange genug. Er spricht keine leeren Drohungen aus. Wenn er euch haben will, dann wird er alles versuchen euch in die Finger zu bekommen.“

„Wie gedenkt ihr uns denn dann aus der Stadt zu bringen?“, fragte ich.

„Der Wagen, auf dem ihr reisen werdet, ist voll beladen mit magischen Artefakten. Natürlich alles gefälscht. Aber die Priester werden sich dadurch mehr als leicht täuschen lassen. Sollten sie also den Wagen überprüfen, werden sie nur die Fälschungen vorfinden und nichts anderes. Ihr befindet euch in einer Kammer, direkt unter der Ladefläche. Die benutzten wir normal nur um wertvolle Ware zu schmuggeln.“

„Passen wir denn dort hinein?“

„Natürlich. Es ist genug Platz für bis zu sechs Menschen. Es tut mir leid, doch mehr kann ich euch nicht sagen. Man erwartet mich im Rat. Nelana und Kalira, ihr habt euer Zimmer genau neben dem von Remino und Meriano. Man wird euch dorthin führen. Vielleicht solltet ihr euch ein wenig näher kennen lernen, denn ihr werdet demnächst mehr Zeit zusammen verbringen“, sagte Marina und verließ den Raum, bevor jemand Wiederworte leisten konnte.

Nelana weinte immer noch. Eine Hexe betrat den Raum und sah uns verachtend an.

„Mitkommen“, sagte sie knapp und wir folgten ihr.

Ich hielt Nelana immer noch im Arm. Langsam gingen wir durch den Flur und erreichten eine Türe, genau gegenüber von Marinas Zimmer.

„Hier kommen die Mädchen rein. Ihr zwei habt eure Türe da drüben“, sagte das Mädchen und ließ uns allein.

„Denkst du, du kannst alleine bleiben?“, fragte ich Nelana und sah sie an.

Sie nickte nur knapp. Meriano und ich gingen zu der Türe, auf die das Mädchen gezeigt hatte. Das Zimmer dahinter, war komfortabler als ich erwartet hatte. Zwei Betten, ein Badezimmer und sogar mehrere Leuchter.

„Marina hat doch nicht die Besenkammer an uns vergeben“, sagte Meriano und ging zum Fenster.

„Remino, komm her“, sagte er und sofort lief ich zu ihm.

Ich konnte Marina sehen, wie sie vor der Schule stand. In ihrer Hand eine Kristallkugel und einen Stab. Vor ihr, ein ganzes Heer von Priestern. Das musste jeder Priester und Paladin aus dem Kloster sein.

„Das kann nicht sein. Sie werden Lady Marina töten. Ich muss etwas unternehmen“, sagte ich und lief los, ohne das Meriano mich aufhalten konnte.

In der Schule war alles leer. Die Treppe schien sich endlos zu ziehen und kein Ende nehmen zu wollen. Als ich endlich in der Halle angekommen war, fand ich die gesamten Ausbilderinnen von Marina. Sie standen dort und waren kampfbereit. Vorsichtig schlängelte ich mich durch ihre Reihen. Keine von ihnen versuchte mich aufzuhalten. Vor der Türe stand Stella und sah besorgt aus. Doch auch sie hielt mich nicht auf. Ich riss die Türe auf und sah Marina ihren Stab auf die Kugel hauen. Im nächsten Moment leuchtete er und alle Priester wurden zu Boden gedrückt. Marina manipulierte die Gravitation, sodass die Priester nicht mehr aufstehen konnten.

„Nein!“, schrie ich und lief zu Marina.

Sie sah mich an und erstarrte.

„Was tust du hier, Remino? Vergiss nicht, sie wollen dich umbringen“, sagte sie und konzentrierte sich sofort wieder.

„Ich möchte nicht, dass einer der Priester zu Schaden kommt“, sagte ich und sie lachte.

„Ich erteile ihnen gerade eine Lektion im Punkt gehorsam. Man legt sich nicht ungestraft mit mir, der Oberhexe, an. Das sollten sie langsam begreifen.“

„Geht beiseite, Marina. Ich erledige das.“

Bevor sie etwas sagen konnte, schob ich mich schon an ihr vorbei.

„Remino, du bist nicht stark genug. Du kannst nichts gegen sie ausrichten“, sagte Marina, doch ich ignorierte sie.

Ihr Zauber brach ab und sofort erhoben sich alle Priester wieder und sahen mich an. Aus ihren Reihen kam der Abt hervor und stellte sich vor mich.

„Remino, ich hätte nicht gedacht, das du mich so verraten könntest. Dein Ungehorsam verdient den Tod. Ich habe dich wie einen Sohn behandelt und so dankst du es mir? Du bist letztlich genauso hinterhältig und falsch wie dein Vater. Muss wohl in den Genen deiner Familie liegen.“

Das waren die Worte, die das Fass zum überlaufen brachten. Ich riss meinen Zauberstab hervor und kniete mich zu Boden. Meine Magie breitete sich um Boden aus. Als sie weit genug war, nahm ich den Stab vom Boden und ein Lichtkreis erschien. Heiliges Licht, erschaffen aus der Kraft der Göttin. Sofort wichen viele der Priester zurück. Nur der Abt nicht er blieb stehen.

„Was soll das werden? Willst du mich amüsieren?“, fragte er und sah mir tief in die Augen.

Doch bevor ich antwortete, sah er zu Boden. Etwas schien ihn zu stören. Plötzlich begann er zu schreien. Das Licht begann ihn zu verbrühen und das schien schon sehr zu schmerzen. Es dauerte nicht lange und das Licht verschwand. Am Körper des Abtes konnte ich viele Brandwunden sehen.

„Vergleicht mich niemals wieder mit diesem Monster. Ich bin weder Gefühllos noch bin ich dumm genug, jene die ich liebe fortzuschicken“, sagte ich und er blickte mich nur an.

Dann drehte ich mich um und ging zurück zur Akademie. Plötzlich hörte ich ein Stöhne und sah zurück. Dann schoss auch schon ein Strahl auf mich zu. Ich hob meinen Schild und er krachte dagegen. Die Wucht des Aufschlages, warf mich nach hinten. Ich hörte Marina schreien, bevor alles schwarz wurde.

Flucht

Die Soldaten gaben einfach nicht auf. Immer mehr von ihnen drängten auf uns zu und zwangen uns langsam auf die Zuschauerränge zu. Jotanate stand neben mir und schoss immer wieder Pfeile ab. Doch die meisten prallten an der Rüstung der Soldaten ab.

„Lirom, wir müssen hier weg“, rief ich meinen Bruder zu und sein Schwert wirbelte erneut durch die Reihen der Gegner.

„Ja, das müssen wir. Machst du uns Platz?“, fragte er.

„Einen Moment“, gab ich zurück und verstärkte den Griff um meine Axt.

Sofort holte ich aus und schlug zu. Sofort sammelte ich meine Kraft und atmete scharf aus. Der Schlag war so kräftig, das ich damit mehrere Gegner nach hinten warf und so gab ich uns die Möglichkeit weiter in ihre Reihen vorzudringen. Lirom sprang nach vorne und schlug ebenfalls zu. So drängten wir die Männer immer weiter auseinander. Am Ausgang des Zeltes stand bereits jemand und wartete auf uns. Es war eine Frau, die eine Armbrust in der Hand hielt. Neben ihr stand unser Meister und wartete ebenfalls.

„Schneller. Hier entlang“, rief er und wir eilten zu ihm.

Jatana schien die Frau zu kennen und stellte sich sofort neben sie. Zusammen liefen wir durch die Wohngegend der Artisten. Jotanate sah sich um und brach plötzlich aus unsere Formation aus. Sie lief in eines der Gebäude.

„Komm zurück!“, schrie Jatana. Ich wollte schon loslaufen, als unser Meister das Wort ergriff.

„Lilith, bring Jatana hier raus. Wir kümmern uns um Jotanate“, sagte er und sofort liefen die zwei Frauen weiter.

„Lirom, halt ihnen den Rücken frei“, befahl er und sofort setzte sich auch mein Bruder in Bewegung.

Mein Meister und ich stürmten sofort in das Gebäude und liefen fast in Jotanate hinein. Sie hatte einige Sachen bei sich.

„Das musste ich noch holen“, sagte sie und sofort rannte sie weiter.

Wir blieben hinter ihr. Lilith und die anderen kamen schnell wieder in Sicht. Sie standen an einer Ecke und warteten auf uns. Die Bögen der Mädchen waren gespannt und auf jemanden gerichtet.

„Wir sind draußen. Sofortiger Rückzug“, rief unser Meister, doch die beiden Frauen reagierten nicht.

„Lilith, es hat keinen Sinn zu kämpfen“, rief er.

„Es ist egal. Wenn wir die Stadt schon verlassen müssen, dann doch alle zusammen“, sagte sie und schoss. Sofort tauchte ein Mann auf. Der Pfeil traf genau sein Herz und er sank zu Boden.

„Das ist nicht was wir wollen. Kommt jetzt, sonst werden wir alle sterben“, sagte unser Meister und sofort ließen die beiden ihre Bögen sinken.

Dann liefen wir erneut. Es dauerte nicht lange, da hatten wir die Stadt der Söldner erreicht. Hier schien noch nichts von dem Kampf angekommen zu sein. Die Wachen beachteten uns nicht und wir kamen ungehindert hinein. Sofort übernahm Lilith die Führung und brachte uns zu ihrem Haus. Es war das einzige Haus, das nicht aus Stein gebaut war. Sehr einfach und schlicht, aber dennoch schön. Allerdings sehr rustikal. Viele der Anwohner hatten sich schon beschwert, dass es nicht zum Stadtbild passen würde. Lilith öffnete die Türe und ließ uns eintreten. Im Innern war es dunkel.

„Hier sind wir nur kurz sicher. Aber es sollte reichen, um euch alles zu erklären. Jotanate und Jatana, ich werde euch begleiten. Wir gehen zusammen zum Heiligen Hafen. Dort werde ich mit eurer Ausbildung beginnen und euch alles zeigen, was eine Elfe können muss. Liram und Lirom, ihr werdet uns begleiten“, sagte sie und ich sah unseren Meister an.

„Ich komme nicht mit euch. An den Ort, an den ihr geht, müsst ihr euren eigenen Weg finden. Ich kann euch nichts mehr beibringen, der Rest kommt von alleine“, sagte er.

„Aber, wie sollen wir ohne euch überleben?“, fragte ich ihn und war den Tränen schon nahe.

„Das hier ist kein Abschied für immer. Wenn ihr euren Weg durch den Heiligen Hafen gemacht habt, dann werden wir unseren Weg gemeinsam fortsetzten, das verspreche ich euch“, sagte er und lächelte.

„Es tut mir leid, dass ich euch unterbrechen muss, doch wir müssen sofort los“, sagte Lilith und ich sah sie an.

„Flieht. Flieht und überlebt“, sagte unser Meister und verließ die Hütte dann.

Schon jetzt fehlte er mir. Seine Abwesenheit hinterließ eine tiefe Wunde in meinem Herzen.

„Folgt mir. Ich habe bereits Pferde besorgt“, sagte Lilith und verließ das Haus.

Wir folgten ihr. Draußen standen bereits fünf Pferde. Lilith wollte sich gerade in den Sattel schwingen, als ein Pfeil angeflogen kam. Sofort blickten wir in die Richtung, aus der er gekommen war. Dort erblickten wir einen Artisten, der auf einem Baum hockte. Sein Bogen war auf uns gerichtet.

„Ihr geht nirgendwo hin“, sagte er und spannte erneut die Sehne seines Bogens.

Er schoss erneut. Doch er traf nicht. Sofort lief Jotanate zu dem Pfeil und riss ihn aus dem Boden. Sie sprang auf den Mann zu, der gerade einen neuen Pfeil zog. In einer wahnsinnigen Geschwindigkeit zog Jotanate ihren Bogen und legte den Pfeil an. Als sie losließ, traf der Pfeil sein Ziel. Genau zwischen die Augen des Mannes. Sie kam anmutig wieder zu Boden und sah uns an.

„Worauf warten wir noch, wir müssen los“, sagte sie und ging zu einem der Pferde.

Sie saß so schnell im Sattel, dass ich es fast nicht mitbekam. Langsam setzte ich mich in Bewegung, als ich schon Stimmen hören konnte.

„Da vorne sind sie. Sie versuchen zu fliehen. Haltet sie auf!“

Sofort schwangen Liram und ich uns in den Sattel. Dann ritten wir los. Es dauerte nicht lange, da hörten wir Flüche hinter uns. Lilith trieb ihr Pferd schneller an. Schon bald startete unsere Reise in eine ungewisse Zukunft.

Regungslos

Eine Hand strich über meine Stirn. Um meinen Körper musst man eine Deck gelegt haben, denn es war sehr warm. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und sah Nelana direkt ins Gesicht. Erschreckt zog sie ihre Hand zurück und starrte mich an.

„Du bist wach“, sagte sie und sah mir tief in die Augen.

„Seit kurzer Zeit“, gab ich zurück und versuchte mich zu bewegen, doch sie hielt mich auf.

„Der Schlag war ziemlich hart. Du hattest viele innere Verletzungen, die Lady Marina behandeln konnte. “

Sie ließ mich wieder los.

„Was ist passiert? Ich kann mich nicht erinnern.“

„Nun, du hast versucht dich mit dem Abt anzulegen, egal wer versucht hat dich aufzuhalten, du hast nicht gehört. Du konntest dem Zauber des Abtes nicht wiederstehen und wurdest gegen die Türe der Akademie geschleudert. Mach sowas nie wieder. Wir sind noch lange nicht weit genug um es mit der Obrigkeit der Kirche aufzunehmen. Du hattest verdammtes Glück, dass es dich nicht umgebracht hat“, sagte Meriano und sein Gesicht erschien über mir.

„Dann danken wir der Göttin, dass sie mich beschützt hat“, sagte ich.

„Wir können von Glück reden, das du eine gute Konstitution hast und dein Körper sich sehr schnell selbst heilen kann. Wäre das nicht der Fall gewesen, wärst du jetzt tot. Lady Marina hätte dir dann nicht mehr helfen können.“

„Erinnert mich daran, mich bei Aleta für diese Gaben zu bedanken“, sagte ich und schloss meine Augen wieder.

Plötzlich erschütterte etwas die Umgebung. Sofort öffnete ich meine Augen wieder.

„Keine Panik. Das war nur ein Stein“, sagte Nelana und ich lächelte.

„Wie lange dauert unsere Reise noch?“

„Noch ungefähr drei bis vier Wochen. Aletas Reich ist riesig. Der Heilige Hafen liegt leider sehr abseits.“

„Dann werde ich ja noch ziemlich lange so liegen müssen.“ Erneut wackelte alles.

Ich schloss meine Augen und dachte an die Begegnung mit dem Abt. Seine Worte hatten mich in Rage gebracht und das war genau das, was ich nie gewollt hatte.

„Deine Wut ist groß, Remino“, sagte plötzlich eine Stimme und eine Frau erschien vor meinem geistigen Auge.

„Aleta?“

„Mein kleiner Priester. Du hast so tapfer gegen den Abt gekämpft. Es erfüllt mich mit Stolz, jemanden wie dich auf meiner Seite zu haben. Ich habe großes mit dir vor. Mein Name wird von dir durch die Lande getragen. Selbst in Reichen, wo man mich nicht kennt, wirst du bald wandeln. Verliere niemals deinen Glauben an mich.“

„Ich wusste nicht, dass ihr auch auf die Erde kommt.“

„Das bin ich auch nicht. Ich bin immer noch in meinem Reich. Du bist zu mir gekommen. Dein Wunsch mir zu dienen ist größer, als aller Schmerz, den man dir zugefügt hat.“

„Sagt mir, Aleta. Werde ich meinen Vater je wiedersehen?“, fragte ich und ein eigenartiger Ausdruck mischte sich in ihre Züge.

„Nur allzu bald fürchte ich“, antwortete sie.

Damit verschwand sie und ich glitt wieder in das Dunkel meines Geistes zurück. Das monotone Klackern des Wagens war beruhigend. Nelana, Kalira und Meriano saßen neben mir und unterhielten sich.

„Als unsere Mutter damals losgegangen ist, dachten wir dass sie sofort zurückkommen würde. Doch die Drachengarde hat sie getötet. Als die Soldaten uns im Keller fanden, nahmen sie uns mit und verkauften uns. Dadurch sind wir Huren geworden“, sagte Kalira und Nelana seufzte.

„Aber wie habt ihr dann versucht zu der Akademie zu kommen?“, fragte Meriano.

„Wir waren keine Gefangenen. Uns war es erlaubt uns frei zu bewegen. Unsere Hoffnung war es, dass die Akademie und retten würde. Doch man hat uns nur einfach abgewiesen und gesagt, dass wir zu jung seien. Ich kann es immer noch nicht richtig glauben. Zwei Mädchen, kurz vorm Verhungern. Sie haben uns dem Tod preisgegeben.“

„Das klingt grauenvoll“, sagte Meriano.

„Jetzt musst du uns aber erzählen, wie ihr zu Priestern geworden seid“, sagte Nelana.

„Es war Remino, der mich dazu gebracht hat. Ein Priester hatte ihn angesprochen und ihm geraten, in den Dienst der Göttin zu treten. Neugierig ging er ins Kloster und sprach mit dem Abt. Er hat ihm gezeigt, das Aleta existiert und was ein Priester alles kann. Remino war überwältigt von all dem und zeigte es mir. Ich war ebenfalls gefesselt von dieser Kraft und auch dem Gefühl der Göttin. Sie ist bei uns. Egal wo wir hin gehen, sind wir nicht alleine. Aleta ist bei uns und wacht darüber, das uns nichts schlimmes wiederfährt.“

„Und euer Vater hat euch einfach so gehen lassen? Oder hat eure Mutter ihn umgestimmt?“, fragte Kalira.

Meriano lachte und sprach dann weiter.

„Unsere Mutter kennen wir nicht. Ich kann mich nicht einmal an ihren Namen erinnern. Kurz nach unserer Geburt hat sie uns verlassen und ist ihres Weges gegangen. Das ist zumindest, was unser Vater gesagt hat. Doch ich glaube es nicht. Sie ist wegen ihm gegangen oder weil sie nicht anders konnte. Ich wünsche mir, dass ich sie irgendwann einmal kennen lernen darf. Jetzt zu unsrem Vater. Er hat uns aus seinem Leben geworfen, als wir ihm von unserer Idee erzählt haben. Seine Wut hat uns verbannt und seitdem haben wir ihn nicht mehr gesehen. Er antwortet auf keine Briefe oder auf sonst irgendetwas. Mir hat es damals fast das Herz zerrissen, als er uns verbannt hat. Mittlerweile bin ich darüber hinweg. Remino ist immer noch sauer. Er ist zwar nur bedingt älter als ich, wurde aber trotzdem sofort in die Position gezwungen, für uns zu Sorgen. Ich werde nie vergessen, wie stark er war. Er hat nie geweint, egal was passiert ist. Alle Prüfungen, alle Aufgaben hat er gemeistert, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Die Rolle unseres Vaters ist ihm zugefallen und er hat sie vollkommen erfüllt. Ich habe es ihm nie gesagt, doch ich bin so froh, dass ich ihn habe. Ihn zu verlieren wäre Schlimmer als mein eigenes Leben zu lassen. Es gab eine Zeit, da hatten wir nicht viel zu essen. Remino hat alles mir gegeben und selbst darauf verzichtet. Er hat gebettelt. Aber nicht für sich sondern für mich. Dem Abt musste er lange zureden, damit er mich auch ausgebildet hat. Doch nie hat er sich beklagt. Remino ist das wichtigste in meinem Leben.“

Merianos Stimme klang abwesend und wie in Trance. Die Worte berührten mich. Noch nie hatte er darüber gesprochen. Es gab auch noch nie einen Grund dafür. Jetzt wo ich hier lag, wusste ich aber, dass er sich um mich sorgte.

„Das klingt so, als wäre er ein richtig starker Mensch“, sagte Kalira.

„Er gibt sich sehr stark. Doch in seinem Innern sieht es ganz anders aus. Er spricht nie darüber, doch in ihm geht so viel vor. Seine ganze Wut, sein ganzer Schmerz ist dort angestaut. Wie ich gesagt habe, er ist immer noch sauer auf unseren Vater. Wenn man ihn verärgert, hat man einen Feind fürs Leben.“

Innerlich musste ich lachen. All die Jahre hatte ich nie mit ihm darüber gesprochen. Selbst das ich sauer auf unseren Vater war, konnte er eigentlich nicht wissen. Doch wir kannten uns wohl doch so gut, das die Gefühle des anderen nicht im Verborgenen bleiben konnten.

„Ihr seid auch gestraft für euer Leben“, sagte Kalira.

„Das kann man sehen wie man möchte. Wenn wir nicht von unserem Vater verbannt worden wären, wären wir vermutlich nie im Kloster so vorangekommen wie jetzt.“

Plötzlich konnte ich einige Hexen aufgeregt schreien hören. Sofort sprangen die drei auf und klopften gegen eine Wand.

„Was ist los?“, fragte Meriano und eine Luke wurde geöffnet.

„Einige Goblins verfolgen uns. Sie werden von einem Drachenjünger angeführt“, war die Antwort.

Sofort verschwanden die drei und ich war alleine.

Unter freiem Himmel

Die Pferde wurden schnell müde und so waren wir gezwungen, zu rasten. Jotanate und Jatana hatten einen guten Platz entdeckt. Wir saßen auf einer Lichtung, umgeben von gefällten Baumstämmen. So konnte man uns nicht direkt sehen.

„Dann erzählt mal, Jungs. Wie seid ihr zu eurem Meister gekommen?“, fragte Jatana.

„Mein älterer Bruder und ich waren in den Bergen und haben Holz gesammelt. Dabei wurden wir von einigen Drachenjüngern entdeckt, die vorbeizogen. Sie griffen uns an und haben mich beinahe getötet“, sagte ich.

„Unsere Mutter konnte ihn retten. Unseren Bruder und sich selbst aber leider nicht. Sie war eine Hexe und gleichzeitig noch ein Ratsmitglied. Sie war also dementsprechend stark. Durch sie konnte er entkommen. Vater hat dann den Rest getan. Das hat ihn allerdings das Leben gekostet. Als die Armee der Drachen uns dann fand, nahmen sie uns mit. Sie wollten aus uns zu Soldaten machen. Doch Invidia befahl uns zu verkaufen. Also brachte man uns zu einem Markt und wollte uns als Sklaven verkaufen. Unser Meister war zu diesem Zeitpunkt noch ein Söldner. Für Geld hat er beinahe jeden Auftrag angenommen. Er kam gerade von einer Mission zurück und hatte sich seinen Lohn abgeholt. Musste eine sehr lukrative Aufgabe gewesen sein. Als er uns sah hatte er wohl Mitleid, zahlte die Drachenjünger aus und nahm und mit zu sich nach Hause. In seinem Haus erklärte er uns, dass wir ab sofort seine Schüler und nicht Sklaven seien. Er würde uns zu Kriegern ausbilden“, sagte Lirom.

„So sind wir zu unserem Meister gekommen. Wir lernten sehr schnell, da wir viele von den Drachenjüngern schon gelernt hatten. Seine Söldner Truppe war fasziniert von unseren Fähigkeiten und so nahmen sie uns in ihre Mitte auf. Ab und zu durften wir ihnen bei ihren Missionen helfen. Bei einer Mission gerieten wir in eine Falle und unser Meister ließ beinahe sein Leben. Lirom und ich halfen ihm und konnten ihn gerade noch retten. Unser Meister sah uns wie seine eigenen Söhne an und beschloss, dass das Leben als Söldner zu gefährlich war. Er verließ seine Truppe, sodass wir ein gutes und ungestörtes Leben führen konnten“, sagte ich und sah die Mädchen an.

„Das klingt furchtbar“, sagte Jatana und sah mich an.

„Es gibt einige Dinge, die wir getan haben und bereuen. Doch nicht, das wir unseren Meister getroffen haben“, sagte Liram und Jotanate lachte.

„Ihr hattet ein Leben“, sagte sie.

„Wieso?“

„Ich musst um jeden Krümel Brot kämpfen. Jeden Tag trainieren und ans Limit meiner Kräfte gehen“, sagte sie.

„Ach ja. Mich würde interessieren, wie du zum Zirkus gekommen bist“, sagte Lirom und sah Jotanate an.

Sie schloss ihre Augen. Das Thema schien sie nicht wirklich gerne zu besprechen. Doch sie tat es trotzdem.

„Als der Krieg uns erreichte, verloren wir unser Haus und unsere Eltern. Die Drachen haben meinen Vater verbrannt, nachdem unsere Mutter im Haus ums Leben gekommen war. Die Leute vom Zirkus waren eigentlich nur zufällig auf der Durchreise. Als sie das Feuer bemerkten, kamen sie zu unserem Haus und suchten die Gegend nach Überlebenden ab. Als sie mich fanden, bewusstlos und halb tot, dachte der Direktor erst, dass er mich nicht gebrauchen könnte. Doch als er meine Ohren sah, war ihm klar, dass ich eine Elfe sein musste. Die Goldmünzen klingelten nur so in seinen Ohren. Also nahm er mich mit“, sagte sie.

„Mich hat er damals auch gefunden. Ich war bei unserer Mutter, als das Feuer uns überraschte. Irgendwie gelang es ihr mich aus dem Haus zu katapultieren. Sie hat sich geopfert, damit ich leben kann. Im Gegensatz zu meiner Schwester war ich wach. Der Direktor sagte mir, dass er keine Verwendung für zwei Elfen habe, aber mich nicht frei umherlaufen lassen könnte. Also nahmen sie auch mich mit und gaben mir eine Wohnung, abseits der Stadt. Ich durfte mich dem Gelände des Zirkus nicht nähern und auch nicht das Haus für lange Zeit verlassen. Eines Tages stand dann Lilith plötzlich vor meiner Türe. Ich weiß bis heute noch nicht, warum.“

Die Elfe lachte und sah die zwei Mädchen an.

„Ihr wisst es noch nicht. Ich habe eure Ausbildung noch gar nicht so weit getrieben. Wir Elfen können einander spüren. Telepathie ist eine unsere leichtesten Übungen. Ich habe dich oft versucht zu erreichen, doch du hast nie geantwortet. Also beschloss ich nachsehen zu gehen, warum diese Elfe so abweisend ist. Als ich dann feststellte, dass du nicht mehr als ein Kinder wart, verschlug es mir die Sprache. Gewöhnliche Elfen beginnen erst ab zwanzig Jahren, solche Telepathie zu verwenden. Doch ihr beide tut das jetzt schon. Unbewusst, aber ihr tut es“, sagte Lilith.

„Es gibt noch viel, das wir lernen müssen“, sagte Jatana.

„In der Tat. Wir sind auch noch lange nicht weit genug. Ein Krieger kann noch viel mehr, als die paar Dinge, die wir können“, sagte ich und Lilith lachte.

„Ihr habt keine Ahnung. Euer Meister kann Dinge, von denen kein normaler Mensch träumen kann. Vielleicht werdet ihr das auch irgendwann einmal können. Aber eigentlich wage ich daran zu zweifeln“, sagte Lilith und lehnte sich gegen einen Baumstamm.

„Egal, wir müssen morgen früh weiter. Schlaft jetzt.“

Die Stimme der Elfe klang freundlich aber dennoch bestimmend. Wir legten uns zur Seite und zogen die dünnen Stoffdecken über uns. Es war besser als nichts. Die Nächte hier konnten kalt werden. Aber zum Glück nicht heute. So machte es uns nichts aus, das wir unter freiem Himmel nächtigen mussten.

Fälschungen

Die Geräusche der Goblins drangen bis in den Wagen. Ihr Grunzen und ihr Quietschen. Es schien noch keinen Kampf zu geben.

„Rückt die Artefakte sofort heraus“, sagte eine Stimme und ich konnte hören, wie die Hexen zu lachen begannen.

„Wer seid ihr schon, dass ihr uns etwas befehlen könnt?“

Ich konnte genau sagen, dass dies Stellas Stimme war.

„Pah, hüte deine Zunge, Hexe. Ich bin ein Drachenjünger. Stark gemacht, durch das Blut der Drachen, welches wir von unseren Herren erhalten. Meine Kraft ist unendlich“, sagte der Jünger und Stella lachte erneut.

„Wie süß. Letztlich bist du aber ein Priester und ich eine Hexe. Auch mit dem Drachenblut bist du mir nicht einmal ansatzweise gewachsen“, sagte Stella.

„Was lässt dich denken, ich sei ein Priester?“

„Zum einen trägst du den Zauberstab eines Priesters, zum anderen verärgerst du mich gerade so, wie es bis jetzt nur Priester geschafft haben. Das ist unklug“, sagte sie und sofort hörte ich einen Feuerball fliegen.

„Das ist doch unmöglich“, sagte Stella und der Jünger lachte.

„Ich habe dir gesagt, dass ich zu stark bin. Rückt ihr jetzt freiwillig die Artefakte raus?“

„Niemals“, sagte eine andere Hexe und der Mann seufzte.

„Dann lasst ihr mir keine Wahl. Goblins, angriff“, rief der Jünger und sofort quiekten die Goblins los.

Zauber flogen hin und her. Ein Goblin fiel und riss eine Hexe mit in den Tod. Dafür fiel ein weiterer Goblin. Es musste ein verbissener Kampf sein. Leider konnte ich mich immer noch nicht richtig bewegen, sonst hätte ich ihnen geholfen.

„Remino, du musst kämpfen“, sagte Aleta zu mir und ich schloss meine Augen.

Sofort erschien sie vor mir.

„Wie soll ich denn kämpfen? Mein Körper ist immer noch geschwächt“, sagte ich und sie lächelte.

„Ja, das ist er. Aber sorge dich nicht. Ein Priester hat nicht nur hervorragende Selbstheilungskräfte, sondern kann auch Heilungszauber anwenden. Einen davon erlaube ich dir nun zu benutzten. Er wird deinen Körper regenerieren und dich bereit für den Kampf machen. Verwende ihn und greife in den Kampf ein, ansonsten werden noch mehr unschuldige Hexen sterben.“

Aleta verschwand wieder. Das war nun schon das zweite Mal, dass Aleta erschienen war. Sie hatte offensichtlich gefallen an mir gefunden. Was hatte sie noch gleich gesagt? Ich konnte jetzt heilen? Dann wollten wir das mal versuchen. Unsicher tastete ich nach meinem Zauberstab und stellte fest, dass er in meinem Gürtel steckte. Ich zog ihn hervor, umfasste ihn und konzentrierte meine Kraft.

„Heilung“, rief ich und sofort spürte ich, wie mein Körper sich leichter anfühlte und ich ihn wieder bewegen konnte.

Die Göttin hatte mir wirklich die Gabe zur Heilung gegeben. Ein Priester konnte so etwas. Paladine, wie mein Bruder, würden diese Kraft nie bekommen. Dafür waren ihre Fähigkeiten im Umgang mit dem Streitkolben unumstritten gut. Langsam richtete ich mich auf und öffnete die Luke über mir. Sofort wurde der Schlachtenlärm lauter. Ich sah, wie Hexen mit Goblins kämpften und auch mein Bruder den einen oder anderen Goblin niederstreckte.  Vorsichtig verließ ich den Wagen und griff nach meinem Schild, der auf dem Wagen lag. Sofort sah ich mich um und stellte fest, dass einige Hexen schon verwundet waren. Ein Goblin kam auf mich zu. Seine spitzten Zähne wollten sich in mein Fleisch bohren. Hässliche, kleine Wesen. Eine grüne Haut, wie eine Kröte. Rote Augen, die sehr bedrohlich aussahen.  In ihrer Hand hielten sie einen Holzknüppel. Doch eigentlich benutzten sie den nicht. Ihre Krallen und ihre Zähne waren viel gefährlicher. Die Zähne eines Goblins waren schärfer, als jede Klinge der Welt. Ihre Krallen, auch wenn sie nicht sehr lang waren, durchdrangen jede Art von Rüstung. Das einzige, was sie nicht so bedrohlich sein ließ, war ihre Intelligenz. Diese war nämlich eigentlich gar nicht vorhanden. Somit konnte man einen Goblin super an der Nase herumführen. Ich schlug diesen mit meinem Schild weg und sah mich um. Eine Hexe lag neben mir am Boden und atmete nicht mehr. An ihrem Rücken sah ich ganz deutliche Kratz- und Beißspuren. Meriano hatte auch schon ein paar Wunden. Sofort lief ich zu ihm.

„Was tust du hier? Du sollst dich doch ausruhen“, sagte er zu mir und erschlug einen Goblin.

„Aleta hat mir neue Kräfte verliehen. Jetzt kann ich heilen. Also bin ich wieder fit und kann kämpfen. Ich würde niemals mich aus diesem Kampf raushalten“, sagte ich und heilte seine Wunden.

„Dann sei mir behilflich. Der Drachenjünger hat es auf etwas abgesehen. Ich glaube Marina hat gelogen. Da sind nicht nur Fälschungen auf dem Wagen.“

Meriano hatte Recht. Wäre es so, müssten es verdammt gute Fälschungen sein, damit ein Drachenjünger auf sie reinfiel. Sie konnten Magie schon auf einhundert Kilometer ausmachen. Das Drachenblut, mit dem man sie versorgte, schärfte ihre Sinne und verlieh ihnen unmenschliche Kräfte. Der Kampf mit einem dieser Jünger endete immer tödlich, für den Gegner.

„Das glaube ich auch. Aber warum sollte sie uns mit in diese Sache mit uns reinziehen?“

„Ich kann es dir nicht sagen. Aber wir helfen jetzt besser den Mädchen.“

Merianos Blick wanderte zu Kalira, die versuchte den Monstern auszuweichen. Nelana hielt sich etwas zurück und Blätterte in einem Buch. Die Seiten schlugen um, ohne dass sie etwas tat. Plötzlich stoppten die Seiten und sie schlug ihren Stab auf die Seite. Sofort schwebte das Buch und ein Feuerball bildete sich in ihrer Hand. Mehr Zeit das zu beobachten hatte ich nicht. Ein Goblin kam auf mich zu. Sofort hob ich meinen Schild und schlug ihn zurück. Mein Zauberstab begann zu leuchten und ich richtete ihn auf unsere Feinde.

„Kettenblitz“, rief ich und sofort lösten sich drei Blitze.

Sie sprangen zwischen den Goblins hin und her und streckten einen nach dem anderen nieder.

„Remino, wir müssen hier weg“, rief Stella.

 Ihre Zauber streckten einen Goblin nieder, doch sofort traten zwei weitere an seine Stelle.

„Klingt gut und wohin?“

„Hier in der Nähe gibt es ein Dorf. Dort leben weitere Hexen und Priester, die uns helfen können“, sagte sie und ich sah zu Meriano und Nelana.

Meriano schützte Nelana und ihre Schwester, so gut er konnte.

„Wo geht es lang? Ich führe die anderen dort hin“, sagte ich und Stella sah mich an.

„Siehst du den Wald, dort im Norden? Dahinter liegt es. Es nennt sich Ebine. Man wird euch dort beschützen können.“

Stella lief zu dem Wagen und holte eine Kiste hervor.

„Hinter dieser Kiste sind sie her. Bringt sie nach Ebine und händigt sie Cyntia aus. Sie ist die Oberhexe dieses Dorfes. Der Inhalt, ist wichtiger als unser aller Leben. Die Drachenjünger dürfen es nicht in die Finger bekommen. Beschütze es. Wir versuchen alles, um sie von euch abzulenken“, sagte Stella und schritt wieder in den Kampf.

Sofort lief ich zu Meriano und den Mädchen.

„Wir müssen weg. Folgt mir“, sagte ich und begann zu laufen.

Sie folgten mir. Der Wald kam näher und die Geräusche der Schlacht wurden leiser. Ich sah zurück und musste feststellen, dass der Wagen in Brand gesteckt worden war.

„Ich kann nicht glauben, dass die Drachenjünger uns verfolgen“, sagte Kalira und Nelana nickte.

„Sie kennen keine Gnade“, sagte sie.

„Kommt. Wir müssen weiter“, sagte ich und wir betraten den Wald.

Die Stille um uns herum war bedrückend. Kein Vogel sang und kein Reh ließ etwas von sich hören. Die Luft wurde kälter. In dieser Gegend, fiel normalerweise immer Schnee. Selbst im Sommer, konnte man hier noch Schneeballschlachten machen. Zudem hatte man in den Bergen, immer die Möglichkeit zu rodeln. Alles nebensächlich, angesichts der Situation. Hinter uns hörte ich bereits das Grunzten von Goblins und, die Göttin bewahre, größeren Wesen. Neben mir lief Meriano und vor uns die beiden Mädchen. Nelana sah nach hinten und blieb plötzlich stehen.

„Was ist?“, fragte ich und sah ebenfalls zurück.

„Hier ist jemand“, sagte sie und sah in den Wald hinein.

Ich folgte ihrem Blick und auch Meriano versuchte etwas zu erkennen. Doch nichts. Plötzlich drang das Quietschen eines Wagens zu uns durch.

„Da kommt ein Wagen“, sagte ich und Nelana nickte.

Wir sahen in die Richtung und sahen einige Priester auf uns zukommen. Sie eskortierten einen Wagen, der von einem zotteligen Büffel gezogen wurde. Diese Tiere hatte ich schon oft gesehen und mich jedes Mal gefragt, wie sie etwas sehen konnten. Einer der Priester sah uns an und blieb dann stehen.

„Was macht ihr hier draußen?“, fragte er und sah uns ernst an.

Nelana wollte schon etwas sagen, als ich sie zurückhielt.

„Wir sind die Brüder Meriano und Remino. Unsere Aufgabe ist es Ebine zu erreichen und diese Truhe der Oberhexe zu geben“, sagte ich und der Mann musterte uns.

„Remino und Meriano? Eure Gesichter kamen mir irgendwie bekannt vor. Mein Meister, Thomas hat mir von euch erzählt und mich gebeten euch zu ihm zu bringen. Von den zwei Mädchen hat er aber nichts erzählt. Ich bin Jake, der Paladin Lehrer. Ich hatte nicht damit gerechnet euch hier zu finden“, sagte Jake und kam auf uns zu.

„Wir waren auf dem Weg zum Heiligen Hafen, mit einem Transport von Lady Marina. Das sind Nelana und Kalira. Stella hat uns eskortier, doch ein Drachenjünger hat uns überfallen. Wir mussten fliehen“, sagte Meriano.

„Verstehe. Wir sollten nicht länger als nötig hier verweilen. Folgt uns.“

Der Trupp setzte sich wieder in Bewegung. Wir gingen hinter ihnen her. Jetzt fühlte ich mich sicherer. Unter meines gleichen war die Atmosphäre völlig anders. Ich musterte einige Priester. Sie alle trugen Streitkolben bei sich.

„Entschuldigt mich, Bruder. Warum tragt ihr alle Streitkolben?“, fragte ich einen Priester.

„Tragt ihr keinen, Bruder?“, fragte er und sah mich an.

Ich schüttelte den Kopf und zeigte ihm meinen Zauberstab.

„Ah, ihr seid ein Priester. Wir sind Paladine. Wir sind Krieger, im Dienste der Göttin. Deswegen tragen wir keine Zauberstäbe. Unsere Kraft ist größer, als unsere Magie.“

„Gibt es in eurem Kloster Priester?“, fragte ich.

„Weinige. Unser Kloster ist auf die Ausbildung von Paladinen spezialisiert. Man sollte uns eigentlich im gesamten Land kennen. Aus welchem Kloster kommt ihr?“

 „Aus dem Kloster in Nagurin“, sagte ich und er lachte.

„Dann kennt ihr also den liebenswürdigen Abt. Kein Wunder, das er euch das nicht gesagt hat. Ich war auch einst ein Bruder in Nagurin. Die Ausbildung dort war nicht einmal ansatzwiese das, was ich in Ebine erfahren habe. Als Jake das Kloster besuchte bot er mir an, mein Lehrer zu werden und ich ging mit ihm. Wenn ich dich so ansehe, Bruder, dann sehe ich sehr deutlich, dass dein Glaube dir viel Kraft gibt. Der Abt hat Angst vor solchen Priestern wie euch, oder eurem Bruder. Es ist schon ein Wunder, das er überhaupt zugestimmt hat euch auszubilden.“

„Bei mir hat er es freiwillig getan. Doch für die Ausbildung meines Bruders, musste ich kämpfen. Er hat sich strikt geweigert, ihn zu lehren.“

Der Paladin sah meinen Bruder an und zog seine Augenbrauen hoch. Prüfend gingen seinen Augen auf und ab.

„Kein Wunder. Euer Bruder ist noch stärker als ihr. Man hat ihn doch zum Paladin ausgebildet, oder?“

„Nicht wirklich. Seine Fähigkeiten mit dem Streitkolben, sind unglaublich. Aber mehr als blocken und zuschlagen hat man ihn nicht gelehrt“, sagte ich und er lachte.

„Das dachte ich mir, mehr wurde mir auch nicht beigebracht. Euer Bruder macht einen soliden Eindruck auf mich. Aus ihm wird einmal ein guter Paladin. Wenn wir im Dorf sind, wird man euch helfen.“

Damit schwiegen wir den Rest des Weges. Ebine war eine kleine Stadt inmitten der Eiswüste.  Ein großes, rundes, Gebäude, in der Mitte. Rund herum kleinere Häuser. Am Rande des Dorfes erwarteten uns bereits zwei Personen.

Entdeckt

„Aufstehen“, sagte Lilith und vorsichtig schlug ich meine Augen auf.

Mein Po tat mir noch vom gestrigen Tag weh. So viel war ich noch nie geritten. Langsam schälte ich mich aus der Decke und erhob mich. Jotanate und Jatana schliefen immer noch. Lirom hatte sich auch langsam erhoben und streckte sich erst einmal ausgiebig. Er griff nach seinem Schwert und schnallte es sich sofort wieder auf den Rücken. Vorsichtig weckte Lilith die beiden Mädchen. Sie nahmen ihre Bögen und steigen auf die Pferde. So setzten wir unsere Reise fort. Die Stunden vergingen und nichts erwähnenswertes passierte. Man konnte nicht einmal einen Vogel zwitschern hören. Plötzlich zügelte Lilith ihr Pferd und wir stoppten.

„Was ist los?“, fragte Lirom und sah sie an.

„Los, hinter die Bäume“, sagte Lilith und sofort lenkten wir die Pferde zu der Stelle, auf die sie gezeigt hatte.

Leise steigen wir ab und schlichen an die Bäume heran, damit wir an den Bäumen vorbei gucken konnten ohne entdeckt zu werden. Dort stand ein Drachenjünger, zusammen mit einer Horde Orks.

„Lilith, was geht hier vor?“, fragte Jotanate.

„Der Drachenjünger sucht nach etwas“, sagte sie und schloss ihre Augen.

Plötzlich zuckte sie zusammen und sah uns an.

„Er sucht den Stab der Philosophen. Damit könnten sie das Drachenauge in die Finger bekommen. Das darf niemals passieren. Sie könnten die Kräfte der Drachen um ein vielfaches erhöhen“

„Das klingt furchtbar“, sagte ich und sie nickte.

„Dieser Stab sollte sicher sein, bei Lady Marina. Doch so wie ich ihn verstanden habe, hat man den Stab nach Ebine gebracht. Zusammen mit einem Priester, einem Paladin und zwei Hexen.“

„Ich hasse Hexen. Sie sind so arrogant“, sagte mein Bruder und ich musste kichern.

Tatsächlich traten Hexen immer arrogant auf und ließen keine Gelegenheit verstreichen zu beweisen, dass sie die tollsten seien.

„Ebine liegt nicht allzu weit von hier. Wir müssen zu ihnen gehen. Wenn diese Personen, die sind, von denen ich gehört habe, werdet ihr sowieso im Heiligen Hafen nicht aneinander vorbei kommen. Also, auf nach Ebine“, sagte sie und wollte gerade wieder aufsteigen, als jemand hinter dem Baum hervor trat.

Es war der Drachenjünger. Seine Maske verdeckt sämtliche Gesichtszüge und ließ ihn Blind wirken, denn man konnte keine Gucklöcher sehen.

„Sieh an, Lilith. Die Trainerin junger Elfen. Davon gibt es ja leider nicht so viele“, sagte der Mann und lachte.

„Nachdem ihr unsere Königin beinahe getötet hattet, sind wir froh, dass der Lebensbaum es überhaupt geschafft hat“, sagte Lilith.

„Ich hoffe, du hast auch die Kinder bei dir, von denen ich ausgehe. Liram, Lirom, Jotanate und Jatana. Richtig?“, fragte er und zog eine Art Zauberstab hervor.

„Was gehen dich unsere Namen an?“, fragte Jotanate und zog ihren Bogen.

„Du bist frech, kleines Mädchen. Ich will darüber hinwegsehen, da du noch so jung bist.“

Seine Stimme war kalt und es lag etwas Hypnotisches darinnen.

„Was willst du von ihnen?“, fragte Lilith und zog ihre Armbrust.

„Sie müssen mich begleiten. Mit ihnen kann ich den Stab der Philosophen holen. Ohne sie komme ich ja leider nicht an ihn heran. Man würde mich niemals nach Ebine lassen. Ein Drachenjünger müsste schon das Dorf dem Erdboden gleich machen um dort herein gelassen zu werden. Und während ich damit beschäftigt wäre, würde eine Hexe den Stab woanders verstecken. Also, Kinder. Wollt ihr mir nicht helfen?“

„Niemals“, sagte ich und zog meine Axt.

Mein Bruder riss sein Schwert vom Rücken.

„Aufmüpfig und Lebhaft seid ihr, so wie man von euch schon gehört hat.“

„Du wirst keinem von uns etwas tun“, sagte Jatana und schoss einen Pfeil ab.

Der Mann fing ihn einfach aus der Luft, als wäre er in Zeitlupe geflogen.

„Allerliebst. Ihr Elfen seid noch nicht weit genug, um es mit mir aufzunehmen.“

Langsam fing der Mann an mich wütend zu machen. Nicht auszudenken, welche Kraft ich freisetzten konnte, wenn ich in Rage war. Damals hatte ich beinahe meinen Meister und meinen Bruder getötet, als ich richtig sauer war. Lirom sah mich an und bemerkte, was in mir vorging.

„Wenn du uns haben willst, dann wirst du kämpfen müssen“, sagte er zu dem Drachenjünger und dieser sah ihn an.

„Wollt ihr euch wirklich wehren? Auch wenn ihr Krieger sein sollt. Eure Ausbildung ist noch nicht weit genug und ich denke auch, dass euer Meister euch nicht einmal ansatzweise alles gezeigt haben wird. Er war schwach und wird vermutlich meinen Angriff nicht überlebt haben.“

Liroms Augen wurden weiter. Er hatte wohl mit einer ähnlichen Antwort gerechnet, aber der letzte Teil überraschte ihn auch. Allerdings hatte er genau das erreicht, was er wollte. Jetzt war ich wirklich sauer. Niemand erhob seine Hand gegen unseren Meister ohne bestraft zu werden. Langsam bildete sich ein Kraftfeld um mich herum. Eigentlich ungewöhnlich für einen Krieger. Es war etwas magisches, was ich eigentlich gar nicht beschwören konnte. Doch wenn ich wütend wurde, kam es von ganz alleine. Langsam richtete der Blick des Drachenjüngers auf mich. Ich konnte genau spüren, wie er lächelte und eigentlich nur darauf wartete, dass ich explodieren würde. Bitte, wenn er das wollte, sollte er es auch haben. Ich stieß einen Schrei aus und sofort verschwand das Kraftfeld. Meine Axt begann zu brennen. Langsam holte ich aus und vollführte einen normalen Hieb, mitten in die Luft. Doch der Boden, um den Drachenjünger herum, explodierte trotzdem. Allerdings nahm er, aus irgendwelchen Gründen, keinen Schaden. Normalerweise verursachte dieser Hieb solch einen Druck, dass ich Gegner in einem Kilometer Entfernung immer noch treffen konnte. Warum ihn nicht? Der Mann begann zu lachen.

„Das ist also diese Kraft, die euer Meister immer so gefürchtet hat“, sagte er und meine Wut steigerte sich.

„Mit Recht. Mein Meister wusste genau, was ich anrichten kann, wenn ich sauer bin“, sagte ich.

Lilith und die beiden Mädchen hatten sich in Sicherheit gebracht.

„Vielleicht bei einem normalen Menschen. Doch gegen Drachenjünger bist du machtlos. Dein Schlag ist nicht mehr als ein Orkan, gegen einen Berg.“

Die Arroganz in seiner Stimme milderte meine Wut jetzt nicht wirklich. Ich holte erneut aus und schlug nochmal zu. Diesmal rutschte der Mann nach hinten und musste sich schon gegen meinen Schlag lehnen, um nicht umzufallen. Er begann wieder zu lachen. Je mehr er das tat, desto wütender wurde ich.

„Verfalle deiner Wut. Vielleicht kannst du mich so töten, doch die Drachen werden auferstehen.“

Erneut schlug ich zu. Diesmal war der Schlag stark genug, um den Mann nach hinten zu werfen. Staub wirbelte auf und als er sich verzogen hatte, lag der Drachenjünger am Boden. Regungslos. Langsam steckte ich meine Axt zurück und sah zu Lilith. Sie und die Mädchen kamen hinter ihrem Baum hervor.

„Bei allen zwölf Drachen. Dein Meister hatte Recht. Deine Wut kann Berge versetzten“, sagte sie zu mir.

„Das Stimmt. Doch ich versuche es immer zu vermeiden, diese Kraft zu gebrauchen. Sie ist zu gefährlich.“

„Stimmt. Egal was passiert, wir müssen Ebine erreichen. Schwingt euch auf die Pferde und dann los“, sagte sie und saß schon im Sattel.

Wir steigen ebenfalls auf und rasten im nächsten Moment den Weg entlang. Nur weg von diesem Ort, an dem es bald von Drachenanhängern nur so wimmeln würde. Lilith trieb ihr Pferd gnadenlos an. Ich fürchtete, dass dies eine sehr lange Nacht und auch ein sehr langer Tag werden konnte. Ebine lag einen guten Tagesritt von uns entfernt. Sie würde wohl keine Pause mehr machen, bis wir dort waren.

Das Kloster

„Willkommen in Ebine“, sagte ein Mann und musterte uns.

Vor allem meinen Bruder und mich. Er trug eine braune Robe, was bedeutete, dass er ein Abt sein musste. Unter seiner Kapuze sah ich weiße Haare. Seine Haut war faltig und er mochte schon einige Jahre gesehen haben.

„Ihr seid nicht von mir ausgesandt worden. Wer seid ihr?“

„Mein Name ist Meriano und das ist mein Bruder Remino. Hinter uns sind die Hexen Nelana und Kalira. Wir sind auf einer Mission von Lady Marina und müssen zum Heiligen Hafen. Leider hat ein Drachenjünger uns angegriffen. Wir mussten fliehen und sollten diese Truhe, Cynthia überreichen“, sagte Meriano und sofort trat eine Frau neben den Mann.

„Ihr seid hier und sollt mir das geben? Was ist das für ein Müll?“, fragte sie und der Mann schnaubte.

„Also bitte, Cynthia. Das sind unsere Gäste. Sie sind hier auf Befehl von Marina.“

„Das kümmert mich wenig, Leonard. Sie bleiben Priester. Marina würde niemals einen wichtigen Auftrag an einen Priester geben. Dafür haben sie uns, in der Vergangenheit, zu oft enttäuscht.“

„Wenn ihr unseren Priestern oder Paladinen auch immer nur ein Viertel der Informationen gebt, die sie eigentlich bräuchten, dürft ihr nichts anderes erwarten.“

„Sie können halt nicht denken, wie eine Hexe. Also was soll das hier für Müll sein?“

„Darin soll sich etwas befinden, dass wichtiger als unser aller Leben ist“, sagte ich und sofort riss Cynthia mir die Truhe aus der Hand.

Sie öffnete sie und atmete auf.

„Bei Marinas Zauberbuch, er ist noch da. Wie konntet ihr ihn so offen bei euch tragen? Seid ihr verrückt?“

„Stella hat ihn uns gegeben, als der Drachenjünger uns angegriffen hat. Er war auf einem Wagen mit gefälschten Artefakten versteckt, wovon wir aber nichts wussten“, sagte Meriano.

„Mir egal. Ihr seid unzuverlässig und unverantwortlich. Macht das ihr weg kommt, ich will euch nicht mehr sehen und diese zwei Hexen täten gut daran, mir zu folgen, wenn sie nicht so enden wollen, wie die Priester“, sagte Cynthia und ging einfach, ohne uns eines weiteren Blickes zu würdigen.

Leonard gab Nelana und Kalira zu verstehen, ihr zu folgen. Dann wandte er sich uns zu.

„Sie meint es nicht so. Cynthia hat damals ihr Herz an einen Paladin verloren, der es ihr gebrochen hat. Seit dem hasst sie uns über alles. Ich bin Leonard, der Abt dieses Klosters. Ihr müsst erschöpft sein von der langen Reise“, sagte er und Meriano nickte.

„Dann folgt mir.“

Er brachte uns in das große Gebäude inmitten der Stadt. Dies war also das Kloster. Ausnahmsweise war es mal größer, als die Akademie. Im Innern, sah es aus, wie in unserem alten Kloster. Dunkle und kahle Wände mit vereinzelten Statuen von Aleta. Man gab uns ein Zimmer und ließ uns dann alleine.

„Ich kann mich mit dieser Situation immer noch nicht anfreunden“, sagte Meriano und sah mich an. Ich setzte mich auf eines der Betten und erwiderte seinen Blick.

„Das magst du so sehen. Doch die Göttin war es, die uns hier her gebracht hat. Also wird es einen Grund haben“, sagte ich und er stöhnte auf.

Dann schloss er seine Augen und verharrte einige Zeit so. Als er sie wieder öffnete, war seine Mine aufgehellt und sein Blick viel klarer als vorher.

„Aleta, sie“, begann er, schwieg dann aber.

„Was ist mit ihr? Ist sie dir erschienen?“

Benommen nickte er nur.

„Dann weißt du jetzt, wie es sich anfühlt, von der Göttin berührt zu werden. Was hat sie dir gesagt?“

„Das ich meine Zweifel zurücklassen soll und, mit glauben in die Zukunft, erhobenen Hauptes voranschreiten soll. Egal wie schwer der Weg auch wirken mag.“

„Sie ist eine wunderbare Frau. Ihre Hand wird uns durch all diesen Schlamassel leiten. So nebenbei, weißt du wo Nelana und Kalira sind?“

„Vermutlich bei Cynthia in der Akademie. Diese Hexe verdient ihren Namen wirklich. Arrogant, gehässig und völlig selbstverliebt. Genau die Eigenschaften, die eine Hexe ausmachen. Was sie gesagt hat, beleidigt mich schon.“

„Nur weil wir unsere Aufgabe nicht so erledigt haben, wie sie das gerne wollte? Meriano, du weißt genau, das wir uns darüber keine Gedanken machen müssen. Am wenigsten du. Die Hexen haben deine Dienste nie sehr geschätzt, kann das sein?“

Ich wusste, dass diese Frage unsinnig war, doch ich wollte aus seinem Mund hören, dass er es einsah, oft nicht die richtigen Mittel anzuwenden.

„Ich löse die Aufgaben so, wie ich das am besten kann. Das tut jeder Priester und Paladin. Auch du kannst mir nicht erzählen, dass du immer alles so machst, wie man es von dir verlangt, sondern wie du es am besten kannst. Mir fehlt halt dein Fingerspitzengefühl.“

Damit hatte er Recht. Ich war weitaus einfühlsamer und auch bei weitem vorsichtiger. Mir wäre niemals eingefallen, die Türe im Goldenen Tropfen einfach einzuschlagen. Vermutlich hätte ich diskutiert und gewartet, bis ich an der Reihe war.

„Deswegen können wir ja auch gut zusammen arbeiten. Mein Feingefühl, mit deiner Kraft kombiniert, ist einfach unschlagbar“

„Manchmal frage ich mich, warum wir überhaupt für Hexen arbeiten. Letztlich sind sie alle, wie Cynthia.“

„In jedem Menschen steckt auch etwas Gutes. Für diesen Teil, kämpfen wir“, sagte ich und er lachte.

„Remino, du sprichst manchmal, als wärst du selbst schon ein Heiliger.“

Ich wurde ganz verlegen. Was ich gesagt hatte, war genau das was ich dachte. Aber dass ich deswegen schon heilig sein sollte, konnte ich mir nicht vorstellen.

„Ich sage nur, was ich denke. Mehr nicht.“

Meriano nickte nur und ließ sich dann auf das Bett fallen. Er schloss seine Augen und schlief im nächsten Moment schon.

Begegnung

Langsam wurde es kälter. Ebine konnte nicht mehr weit sein. Ungewöhnlich genug, das hier noch Schnee lag. Mitten im Sommer. Unvorstellbar für mich. Da wo wir früher gelebt hatten, gab es nie Schnee. Nicht einmal Temperaturen unter zwanzig Grad. Lilith trieb ihr Pferd weiter an. Ich hatte mich zurückfallen lassen und ritt neben Jotanate her. Sie schwieg. Wie sonst auch immer. Es war schwierig mit ihr ins Gespräch zu kommen, denn sie blockte jeden Versucht sofort ab. Doch ich versuchte es nochmal.

„Geht es dir gut? Du siehst ein wenig unterkühlt aus“, sagte ich und sie sah mich an.

„Mir geht es gut. Mach dir lieber Sorgen um deine eigene Gesundheit“, sagte sie und sah dann wieder nach vorne.

Warum musste sie so abweisend und gleichzeitig so anziehend sein? Hätte ich mich nicht in ein anderes Mädchen, das nicht so kompliziert ist, verlieben können? Nein ich ziehe mir natürlich die eine unter Zehntausend heraus, die am schwersten zu überzeugen war und gleichzeitig auch noch eine Elfe. Verflucht seien meine Gefühle.

„Ich mache mir halt nur Sorgen. Als Krieger ist es meine Pflicht, für die Gesundheit anderer zu Sorgen“, sagte ich und sie sah nicht einmal in meine Richtung.

„Dann sag mir, wo seit ihr Krieger vor zehn Jahren gewesen, als man mich zum Zirkus gebracht hat?“

Die Frage war unfair. Vor zehn Jahren hatte ich meine Eltern verloren und war mit meinem Bruder von der Drachenarmee gefangen worden. Das wusste sie ganz genau.

„Da wo sie auch waren, als meine Eltern und mein Bruder starben. Du bist nicht die einzige, die einen Schicksalsschlag hinnehmen musste“, fuhr ich sie an.

Meine Stimme klang viel schärfer, als ich das eigentlich wollte.

„Wenn du das durchgemacht hast, was ich durchmachen musste, dann können wir von Schicksalsschlägen reden.“

Sie trieb ihr Pferd an, doch bevor es an mir vorbeiziehen konnte, griff ich in die Zügel und bremste sie so.

„Du denkst, dass du das schlimmste Erlebt hast, was man erleben kann? Mein Bruder und ich waren Gefangene der Drachenjünger. Wir haben unsere Eltern verloren und mussten uns ihrem Trainingsprogramm, für schwer erziehbare Soldaten unterziehen. Denkst du wirklich, du hattest als einzige ein schweres Leben?“

„Weißt du eigentlich von was du da redest? Ich habe meine Eltern sterben sehen und musste in der Gewissheit leben, die einzige überlebende meiner Familie zu sein“, ihre Stimme wurde leiser.

„Ich habe meine Eltern genauso sterben sehen, wie du.  Dazu hatte ich einen kleinen Bruder, dem ich das Ganze noch erklären musste. Glaubst du wirklich, dein Leben war ein Alptraum? Wach auf, Jotanate. Dein Leben war auch nicht einfach. Das heißt aber nicht, das andere nicht verstehen können, was du durchmachen musstest.“

Sie lachte. Ich löste meine Hand von ihren Zügeln und sie machte keine Anstalten davon zu reiten.

„Vielleicht habe ich meine Augen verschlossen. Du magst Recht haben, das ich nicht in der Lage bin, zu akzeptieren, dass andere auch ein schweres Leben hatten. Es ist süß zu sehen, wie du versuchst, mit mir ins Gespräch zu kommen und eventuell sogar versuchst, mir näher zu kommen. Aber darf ich dir einen Rat geben? Lass es. Ich bin nicht für eine Beziehung geeignet.“

Damit ritt sie davon und ließ mich alleine zurück. Immerhin war ich einen Schritt weiter gekommen. Sie hatte akzeptiert, dass sie nicht die einzige, mit schwerer Vergangenheit war. Ich wollte gerade aufschließen, als Ebine schon in Sicht kam. Lilith zügelte ihr Pferd und wir kamen neben ihr zum Stehen.

„Wir sind da. Ebine“, sagte sie und wir nickten.

Dann ritten wir in die Stadt hinein. Wir lenkten die Pferde zu einem großen Gebäude. Noch nicht ganz abgestiegen, kamen schon mehrere Menschen auf uns zu.

„Willkommen in Ebine, Lilith“, sagte einer von ihnen und verneigte sich tief.

„Danke, Jermain. Es ist schön wieder hier zu sein. Ist etwas vorgefallen?“, fragte sie und einige Männer brachten die Pferde weg.

Jermain war ein Mann mittleren Alters. Seine Haare waren braun und er trug einen braunen Filzhut auf dem Kopf. Seine Robe war rot und ein Streitkolben hing an seinem Gürtel. Ansonsten stach an ihm nichts besonders hervor.

„Eine heilige Reliquie hat ihren Weg zur Akademie gefunden und ist nun im Cynthias Besitz. Die Reisende, welche sie gebracht haben, haben wir versorgt und untergebracht“, sagte Jermain und wir betraten das große Haus.

Jetzt fiel mir auf, dass es ein Kloster war.

„Ich hoffe, sie sind unverletzt.“

„Sind sie. Der junge Priester kann bereits heilen und hat ihre Wunden während der Schlacht verarztet.“

„Wie alt ist er denn?“

„Das weiß ich nicht genau. Ich würde schätzten Zwanzig“, sagte Jermain und Lilith legte die Stirn in Falten.

„Für solche Kräfte, ist er doch noch etwas jung“, sagte sie.

Bevor Jermain jedoch antworten konnte, schnitt Jatana ihm das Wort ab.

„Wir haben keine Ahnung worum es geht. Doch es wäre schön, wenn wir ein Bett bekommen könnten. Wir sind alle sehr müde“, sagte sie und er lächelte.

„Natürlich. Ihr sollt ein Bett bekommen. Allerdings nicht in diesen Hallen. Im Kloster dürfen keine Mädchen schlafen. Aber in der Akademie erwartet man euch bereits“, sagte er und sofort stand jemand hinter uns.

Jatana und Jotanate verließen das Haus und ließen sich zur Akademie führen.

„Natürlich ist es zu früh für ihre Kräfte.

„Wie ist es möglich, dass er solche Kräfte schon hat?“

„Eigentlich gar nicht. Er kommt aus Nagurin. Der Abt dort lehrt niemanden, der zu viel Kraft hat. Wenn du ihn sehen würdest, wärst du erstaunt, was er schon alles an Kraft hat.“

„Damit werde ich mich bis morgen gedulden müssen. Bekomme ich mein altes Zimmer?“, fragte Lilith und Jermain lief rot an.

„Natürlich. Es ist bereit für euch.“

Damit ging Lilith an ihm vorbei und ließ uns alleine mit Jermain. Er strich sich gedankenverloren durchs Haar, bevor er uns dann wieder ansah.

„Oh entschuldigt. Ihr müsst Liram und Lirom sein, oder?“, fragte er und wir nickten.

„Wir haben ein Zimmer für euch herrichten lassen, direkt neben unseren Neuankömmlingen. Ihr werdet sie also bald kennen lernen. Geduldet euch noch bis morgen und legt euch schlafen.“

Damit ließ er uns alleine und ein weiterer Priester kam. Er brachte uns zu einem Zimmer und ließ uns dann auch alleine. Das Zimmer war klein und beschaulich. Zwei Betten, ein Schrank und ein Fenster. Die Priester mussten alle so leben.

„Was meinte er damit, dass wir uns gedulden sollen, bis wir sie kennen lernen? Denkt der etwa, das wir es nicht mehr erwarten können?“, fragte Lirom mich.

„Ich kann dir nicht sagen, was Lilith ihm alles erzählt hat. Sie waren über Telepathie in Kontakt, so viel kann ich sagen. Vielleicht meinte sie ja, dass wir uns unheimlich freuen, sie kennen zu lernen. Auch wenn wir viel Zeit zusammen verbringen werden, bin ich doch sehr skeptisch, was das angeht. Ich kenne die anderen ja nicht. Hoffentlich haben Jatana und Jotanate ein angenehmes Umfeld“, sagte ich und er lachte.

„In einer Akademie voller Hexen? Bestimmt nicht. Arrogante, eingebildete und selbstverliebte Hexen. Da kann man kein angenehmes Umfeld haben.“

Ich wollte gerade antworten, als jemand klopfte. Sofort erhob ich mich und ging zu der Türe. Vorsichtig öffnete ich sie und erblickte einen jungen Priester, in unserem Alter.

„Verzeiht mir, wenn ich störe“, sagte er und sah mich an.

„Keines Wegs. Was gibt’s?“, fragte ich und er sah mich unsicher an.

„Ihr seid noch nicht lange in einem Kloster, das sehe ich euch an. Die Wände hier sind nicht sehr dick und mein Bruder schläft gerade. Ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr leiser oder gar nicht mehr Sprechen würdet, um ihn nicht aufzuwecken. Er kann sehr ungehalten sein, wenn man ihn stört“, sagte der Priester.

„Natürlich. Wir versuchen, leiser zu sein“, sagte ich und er nickte.

Er wollte gerade gehen, als ihm wohl noch etwas einfiel.

„Wer seid ihr? Ich schätze einfache Reisende seid ihr nicht, oder?“

Die Frage traf mich wie ein Stein. Warum fragte er überhaupt? Sicher, er war ein Priester und durchaus berechtigt, so etwas zu fragen. Doch wofür?

„Ist das wichtig zu wissen?“, fragte ich und sofort riss er seine Augen auf.

„Ich wollte euch keinesfalls zu nahe treten. Es hat mich nur interessiert. Entschuldigt bitte“, sagte er und wollte gerade wieder gehen, als ich ihn aufhielt.

„Ich bin Liram und das ist Lirom. Wir sind Krieger aus der Söldnerstadt“, sagte ich und er machte auf dem Absatz kehrt.

„Ihr seid Krieger? Der Abt hatte erwähnt, dass wir euch erwarten.“

„Du bist?“, fragte ich und er lächelte.

„Ich bin Bruder Remino. Priester aus Nagurin.“

„Lilith hat uns keinen Namen genannt, nur gesagt, dass wir auf zwei Priester und Hexen treffen werden.“

„Ihr seid mit Lilith, der Elfe gekommen. Leonard wusste wirklich, dass ihr kommen würdet.“

„Freut mich, dich kennen zu lernen, Remino“, sagte ich und hielt ihm meine Hand hin.

Vorsichtig ergriff er sie.

„Die Freude ist auf meiner Seite. Wenn ihr reden wollt, ich kann eh nicht schlafen. Wir können uns im großen Saal treffen und uns näher kennen lernen, wenn ihr das wollt“, sagte er und ging dann.

Erstaunt sah ich ihm nach.

„Was eine höfliche Person“, sagte ich und Lirom schnaubte.

„Viel zu freundlich, wenn du mich fragst.“

„Kannst dir ja eine Scheibe von ihm abschneiden“, sagte ich und verließ das Zimmer.

„Wo willst du hin?“

„Ich weiß, dass ich auch nicht schlafen kann. Also gehe ich in den großen Saal und werde mit ihm reden“, sagte ich und ließ dann meinen Bruder hinter mir.

Er schloss die Türe einfach nur. Remino saß in dem großen Saal und schien zu beten oder einfach nur zu entspannen, denn er hatte seine Augen geschlossen.

Cynthia

Es war unheimlich laut in der Akademie. Dauernd rannten Hexen hin und her und tauschten lautstark Geschichten aus. Irgendwann wurde es mir zu Bunt ich erhob mich und riss die Türe auf. Bereit die nächste Hexe anzubrüllen, die hier meinte rumzualbern. Doch sofort herrschte Stille. Warum nicht gleich so? Nachdem Cynthia uns mit in die Akademie genommen hatte, waren Kalira und ich in unserem Zimmer geblieben. Langsam schloss ich die Türe wieder und wie als hätten sie das geplant, war der Lärm wieder da. Sofort riss ich die Türe erneut auf und erwischte eine Gruppe junger Hexen. Nicht viel älter als ich.

„Was fällt euch ein hier so einen Lärm zu veranstalten? Es ist mitten in der Nacht. Es gibt hier auch Hexen, die schlafen wollen!“, fuhr ich sie an.

Doch mehr als unverständliche Blicke kamen nicht zurück. Schön, wenn sie die unschuldigen spielen wollten, gern. Aber nicht mit mir. Ich verließ das Zimmer und schloss die Türe hinter mir. Meinen Stab und mein Zauberbuch waren auf meinen Rücken geschnallt.

„Ihr seid neu hier, oder? An eurer Stelle wäre ich still. Ihr habt keine Ahnung, mit wem ihr es hier zu tun habt“, sagte eine Hexe und trat vor mich.

Sie mochte einen Kopf größer sein als ich und auch kräftiger gebaut. Doch sie war niemals stark genug, um es mit mir aufzunehmen.

„Das stimmt. Ich bin ein Gast in diesem Haus. Und als solcher habe ich hier auch das Recht auf Ruhe. Wenn ihr nicht wollt, bringe ich euch zum Schweigen.“

Dieser Satz brachte mir viele Lacher ein. Genervt verdrehte ich meine Augen und zog mein Zauberbuch. Die andern Mädchen holten Kristallkugeln hervor. Mutter hatte mir damals gesagt, das Kugeln die magischen Kräfte stärkten. Bücher erlaubten nur, mehr von ihnen einzusetzen.

„Ha! Du benutzt ein Buch? Wie lächerlich. Bücher sind sinnloser, als alle andere Zauberutensilien“, sagte ein anderes Mädchen.

Ich sah sie mir genauer an. Pinke Haare. Gefärbt. Nicht Natur. Konnte ja auch nicht jeder so ausgefallene Haare haben, wie ich. Die anderen hatten ebenfalls pinke Haare. Das einzige, worin sie sich unterschieden war ihre Frisur. Eine Geschmacksverirrung nach der nächsten.

„Wer eine Kugel braucht, um seine Kräfte zu stärken, verdient es nicht, sich Hexe zu nennen“, sagte ich und holte meinen Stab hervor.

Die Mädchen ebenfalls.

„Schluss damit und zwar sofort“, sagte jemand und sofort sahen wir in die Richtung.

Dort stand eine rothaarige Hexe. Sie trug ein langes, ebenfalls rotes, Kleid. Ihre Augen strahlten genauso bedrohlich, wie die von Stella.

„Meister Tiana“, sagten die Mädchen und steckten sofort ihre Zauberutensilien weg.

„Ihr macht hier einen Radau, dass man es in der ganzen Akademie hört. Ich weiß, dass es aufregend ist Elfen im Haus zu haben. Doch das ist kein Grund, unsere Gäste deswegen aus dem Schlaf zu holen“ sagte sie und die Mädchen senkten ihre Köpfe.

„Es tut uns leid.“

„Das glaube ich euch nicht. Ihr werdet Nachsitzen und zwar alle“, sagte Tiana.

Ihre Stimme klang noch bestimmender als die von Marina.

„Aber, wir haben doch gar nichts gemacht, diese Hexe“, begann ein Mädchen wurde aber von einem scharfen Blick von Tiana zum Schweigen gebracht.

„Habe ich dich nach deiner Meinung gefragt? Ich kann mich nicht daran erinnern. Du redest nur, wenn ich dich frage. Sonst nicht. Und jetzt seht zu, das ihr ins Bett kommt, bevor ich eure Strafe noch verdreifache.“

Sofort liefen die Mädchen davon. Tiana sah ihnen nach und wandte sich dann mir zu.

„Du musst Nelana sein, habe ich Recht?“

„Ja“, gab ich zurück.

„Marina hat mir einiges von dir erzählt. Deine Kraft ist groß und dein Wille auch. Genau das richtige, um eine gute Hexe zu werden“, sagte sie und ich wurde rot.

„Ich arbeite an meinen Kräften. Mehr kann ich nicht tun.“

„Mehr verlangt auch niemand. Ich erwarte nicht, dass du sofort alles kannst. Dafür bist du ja in der Schule. Cynthia schickt mich um nach euch zu sehen. Wenn ihr wach seid, sollt ihr sofort zu ihr gehen“, sagte Tiana und wollte gehen.

Doch ich hielt sie auf.

„Was genau sollen wir hier?“, fragte ich.

Sie drehte sich nicht einmal um, für eine Antwort und ging einfach. Klasse. Diese Art von Hexen konnte ich super leiden. Jedes Mal, wenn sie das taten, würde ich sie am liebsten erwürgen. Ich ging zurück in unser Zimmer und fand Kalira schlafend vor. Ein Wunder, dass sie bei diesem Lärm überhaupt ein Auge zu bekam. Ich beschloss sie schlafen zu lassen und suchte alleine Cynthias Zimmer auf. Ich klopfte und wartete auf eine Antwort.

„Herein“, sagte Cynthia und ich betrat den Raum.

Er war groß und voll mit Bildern von einem Priester.

„Ah, Nelana. Ich habe dich erwartet. Bitte, nimm Platz“, sagte sie und ich setzte mich auf einen Stuhl.

In dem Raum befand sich nicht mehr als ein Tisch, drei Stühle und ein paar Fenster. Auf dem Tisch hatte Cynthia mehrere Totenschädel liegen, die sie als Briefbeschwerer verwendete.

„Um was geht es?“, fragte ich und sie musterte mich.

Cynthia war eine andere Hexe. Sie trug schwarze Kleidung, mit Federn verziert. Auf ihrer Schulter hockte ein Rabe und ihre Augen sahen beinahe so aus, wie die des Tieres. Ob sie mit den Augen eines Raben sehen konnte? Dazu war sie schlank, wie jeder andere Hexe auch.

„Ich habe Tiana aus der Söldnerstadt gerufen, um euch zu helfen. Sie begleitet euch zum Heiligen Hafen, wo ihr wieder auf Stella treffen werdet.“

„Stella hat den Angriff überlebt?“

„Natürlich. Sie ist eine Hexenlehrerin. Als solche kann sie mit fast allem fertig werden, solange kein Priester oder Geistlicher im Weg steht.“

„Was habt ihr eigentlich gegen die Priester?“

„Genug Dinge, die meinen Hass begründen, darf ich fortfahren?“

Ich nickte nur. Da musste aber jemand mal richtig Schlimm verletzt worden sein. Cynthia hegte einen Hass gegen Priester, der von keiner anderen bis jetzt offen gelegt wurde.

„Sie ist hier um euch zu begleiten und eure Ausbildung zu beginnen. Deine Schwester und du, ihr seid die Töchter Karakus. Was eine Hexe sie doch war. Der ganze Rat hatte Angst vor ihr, weil sie jeden besiegen konnte, wenn sie das nur wollte. Schade, dass ihr nicht einen Deut von eurer Mutter habt. Wirklich bedauerlich. Marina scheint ja große Stücke auf euch zu setzten. Für mich seid ihr nur ganz gewöhnliche Hexen, die dumm genug sind, Geistlichen zu vertrauen. Jämmerlich, wie ihr gelaufen seid. Wollte der Priester oder der Paladin, das ihr flüchtet?“

„Keiner von beiden. Stella hat Remino befohlen uns in Sicherheit zu bringen. Er hat nur seine Befehle befolgt“, sagte ich und Cynthia lachte.

„Pah. Stella wird weich. Früher wurden Hexen immer trainiert, indem man sie an ihre Grenzen getrieben hat. Verweichlichte Methoden. Alles das Werk dieser vermaledeiten Geistlichen. Ist auch egal. Du kannst froh sein, das ich dich nicht Trainieren darf.  Meine Methoden sind weitaus strenger als die der anderen Ausbilderinnen. Es bricht mir zwar das Herz zu sehen, wie ihr zu weichlichen Hexen werdet, doch ich kann nichts dagegen tun. Marina hat mir verboten euch zu trainieren.“

Bla, bla, bla. Meine Güte konnte diese Hexe reden. Das nahm ja kein Ende. Zum Glück hatte Marina ihr verboten uns zu trainieren. Es war besser so. Ihr Hass Remino gegenüber war für mich unbegründet. Nur weil ein Priester sie verletzt hatte, hieß das ja noch lange nicht, dass alle Priester gleich waren. Ich beschloss meinen Mund zu halten und ihre Schimpfereien an mir vorbeigehen zu lassen. Als ich wieder zu ihr sah musste ich feststellen, dass sie aufgehört hatte zu reden.

„Wegen was habt ihr mich denn jetzt gerufen?“, fragte ich.

„Das habe ich dir doch gerade gesagt, du undankbares Stück Dreck.“

Oh, oh, oh. Das durfte nur ein Mensch zu mir sagen. Und dieser Mensch lag sicher eingebettet in einem tiefen Loch, auf einem Friedhof.

„Das darf nur einer zu mir sagen und das war meine Mutter. Vielleicht noch meine Schwester. Aber nicht solch eine verbitterte Hexe wie ihr.“

„Was fällt dir ein, so mit mir zu reden? Ich verlange Respekt“, sagte sie und ich musste kichern.

„Wenn ihr mir keinen Respekt entgegen bringt, dann tue ich das auch nicht.“

Cynthia griff nach einer Kristallkugel und einem Stab. Ich holte ebenfalls meine Zauberutensilien hervor.

„Diese Dreistigkeit wirst du noch bereuen“, sagte sie und schlug ihren Stab auf die Kugel. Er begann sofort zu leuchten.

„Feuerball“, rief jemand und die Türe flog auf. Sofort schoss ein Feuerball auf Cynthia zu und warf sie gegen die Wand. Erstaunt sah ich nach hinten und sah Tiana dort stehen.

„Immer noch die alte Gewitterziege, wie einst“, sagte sie und Cynthia erhob sich.

„Wie kannst du es wagen in diesem Ton mit mir zu reden?“, fragte Cynthia und Tiana lachte.

„Ich bin ein Ratsmitglied. Wie kannst du dich erdreisten meine Schülerin so anzufahren?“

„Du bist hier in meiner Akademie“, sagte Cynthia doch Tiana schnitt ihr das Wort ab.

„Diese Akademie ist eine von vielen, die vom Rat unterhalten werden. Du kannst hier nicht entscheiden, was du willst. Wenn der Rat dir den Befehl gibt, diese Hexen in Ruhe zu lassen, dann tust du das auch, ohne Wenn und Aber. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“

Tianas Stimme war plötzlich eiskalt. Selbst Cynthia erschauderte. Sie leistete aber keine Wiederworte. Langsam kam Tiana zu mir, ließ Cynthia aber nicht aus den Augen. Diese hatte immer noch ihre Kugel in der Hand und war bereit einen Zauber zu wirken. Ihr würde ich sogar zutrauen, einem Gegner, der einem den Rücken zuwandte anzugreifen.

„Komm, Nelana. Wir gehen“, sagte Tiana und ich erhob mich.

Mein Buch und meinen Stab behielt ich aber in der Hand. Wir hatten die Türe fast erreicht, als Cynthia einen Zauber wirkte.

„Gravitationskugel“, rief sie und sofort flog ein schwarzer Ball auf uns zu.

Ich schlug meinen Stab auf das Buch und wirkte einen Zauber dagegen.

„Flammenschild“, rief ich und sofort bildete sich eine Flammenwand, die den Ball abfing.

Als ich sie verschwinden ließ, sah Cynthia mich erstaunt an.

„Dieses Gespräch hat dich weiter gebracht. Verlass dich auf deinen Hass, wenn du trainierst“, sagte sie und Tiana zog mich davon.

„Was“, begann ich doch sie unterbrach mich.

„Cynthia ist eigen. Sie denkt, das alleine sie das Recht hat, über das Leben Anderer zu entscheiden. Mein größter Fehler war es, sie zum Lehrer zu machen“, sagte Tiana.

Dann brachte sie mich zu einem Zimmer und klopfte an die Türe. Ein blondes Mädchen, mit roten Augen öffnete die Türe. Sie hatte zwei Zöpfe in den Haaren, die ihr Gesicht viel runder wirken ließ, als es eigentlich war.

„Was gibt es?“, fragte sie und Tiana lachte.

„Du bist Jotanate oder? Marina hat mir gesagt, dass du kommen würdest. Ich hatte eben eine Unterredung mit Lilith. Sie möchte, dass du Nelana näher kennen lernst. Ihr werdet bald zusammen trainieren, mit noch zwei weiteren Personen. Aber das erfahrt ihr später. Ich rate dir also, mit Nelana zu reden“, sagte Tiana und Jotanate schnaubte verächtlich.

„Seit ich in diesem Haus bin, wurde ich insgesamt schon von knapp einhunderteinundzwanzig Hexen angestarrt. Da kann ich auf eine mehr auch verzichten“, sagte sie und wollte die Türe zuschlagen, als Tiana sie, mit einem Zauber, offen hielt.

Tiana benutzte keine Hilfsmittel für Zauber. Meine Mutter konnte das auch. Doch neben ihr gab es kaum jemanden, der so gut Magie beherrschte, dass er ohne Hilfsmittel einen Zauber wirken konnte. Dafür musste man wirklich ein Meister der Magie sein.

„Ich biete dir das nicht zweimal an. Du wirst mit Nelana sprechen, ob du willst oder nicht.“

Jotanate seufzte. Dann verließ sie das Zimmer und schloss die Türe hinter sich. Tiana führte uns in ein Klassenzimmer und ließ uns dann alleine. Jetzt saßen wir uns gegenüber und schwiegen uns an. Was hatte Tiana sich nur gedacht, uns zusammen zu setzten. Und das mitten in der Nacht.

Aussprache

Ich hörte die Schritte, von Stiefeln, die auf mich zukamen. Es musste einer der beiden Krieger sein, denn Priester trugen niemals Stiefel. Ich wartete, bis er neben mir stehen oder sitzen würde.

„Ich kann auch nicht schlafen“, sagte er und ich lächelte.

„Das dachte ich mir. Setzt dich doch. Wir sind nicht auf der Flucht“, sagte ich und vorsichtig setzte er sich.

Sein erwartungsvoller Blick verwirrte mich. Dachte er etwa, dass ich ihm jetzt mein ganzes Leben aufschlagen würde?

„Was hat euch eigentlich in diese Ecke verschlagen?“, fragte ich.

„Zwei Elfen und ihr. Wir mussten aus der Stadt der Söldner fliehen, weil sie jemanden ermordet hat, der ihr Unrecht getan hat. Auf der Flucht sind wir dann auf einen Drachenjünger gestoßen und Lilith wollte dann sofort hier hinkommen.“

„Also seid ihr auch auf einen Drachenjünger gestoßen.“

„Wieso auch?“

„Wir haben Nagurin verlassen, auf Befehl der Hexe Marina. Sie hat den Abt dazu gebracht, dass er mich umbringen will. Dann hat sie uns mit einem Wagen voller, gefälschter Artefakte, zum Heiligen Hafen geschickt. Auf dem Weg wurden wir von einem Drachenjünger angehalten und angegriffen. Der Göttin sei Dank, dass er nicht selbst angegriffen hat, sondern Goblins die Drecksarbeit machen ließ. Sie waren hinter dem Stab der Philosophen her, den Marina auch auf dem Wagen versteckt hatte“, sagte ich und Liram lehnte sich zurück.

„Diesen Stab hatte Lilith auch erwähnt. Was hat es mit dem auf sich?“

„Ich kann es dir nicht sagen. Habe weder von ihm gehört, noch ihn gesehen. Die einzige Information, die ich bekommen habe, war das er wichtiger ist als unser aller Leben.“

„Das kann sich nur eine Hexe ausgedacht haben, die das Leben verachtet“, sagte er und ich musste innerlich lachen.

Auch er schien eine Abneigung gegen Hexen zu haben. Langsam fragte ich mich, ob Hexen sich absichtlich so gaben, um dieses Bild von sich zu zeigen. Wollten sie gehasste werden? Nun, immerhin wollten Nelana und Kalira das nicht. Das war schon mal eine Erleichterung. Wenn ich längere Zeit mit einer Hexe wie Cynthia zusammen leben musste, würde ich sie am zweiten Tag umbringen. Aletas Wille hin oder her. Für so viel hätte sie mich nicht entschädigen können, dass ich mir so eine Abneigung antat. Den ganzen Tag und vermutlich auch noch die Nacht hindurch. Nein, ich war froh, dass es so war, wie es war.

„Sag mal, Remino. Wie bist du eigentlich Priester geworden?“

Mit dieser Frage hatte ich gerechnet. Sollte ich ihm wirklich die ganze Geschichte erzählen oder lieber lügen? Aber Aleta sah lügen nicht gerne. Also musste ich ihm alles erzählen. Oder vielleicht doch nur eine Kurzfassung, in der Details fehlten? Ich müsste dafür nicht lügen und ihm nicht alles erzählen.

„Früher, haben wir in Nagurin gewohnt. Unsere Mutter hat uns verlassen, kurz nachdem wir geboren wurden. Ich weiß nur ihren Namen und selbst an den kann ich mich nur schwach erinnern. Meriano und ich haben die Hoffnung, dass wir sie eines Tages treffen werden. Wie dem auch sei. Ich traf auf einen Priester in Nagurin, als ich gerade dabei war, Essen zu holen. Er riet mir in den Dienst der Göttin zu treten. Ich habe mir angehört und zeigen lassen, dass es Aleta wirklich gibt. Ihre Anwesenheit überwältigte mich, genau wie das Gefühl, nicht alleine zu sein. So beschloss ich, in den Dienste der Göttin zu treten“, sagte ich und Liram sah mich an.

„Klingt, als hättest du ein sehr einfaches Leben gehabt. Hat dein Vater dich einfach so gehen lassen?“

Mist, er wollte etwas über meinen Vater erfahren.

„Wenn es Recht ist, würde ich darüber gerne nicht sprechen“, sagte ich und er lächelte.

„Also ist da doch noch mehr dahinter, als du zugeben magst. Komm schon. Du kannst es mir erzählen. Mein Bruder und ich haben ebenfalls viel durchgemacht.“

Ich schloss meine Augen. Eine leise Stimme sprach zu mir und sagte, dass ich ihm alles sagen sollte. Er war ein Freund und vielleicht sogar ein Weggefährte, auf den ich in Zukunft nicht verzichten wollte. Also erzählte ich ihm die ganze Geschichte. Wie unser Vater uns rausgeschmissen hatte und wie wir dann die harten Tage im Kloster überstehen mussten. Über unsere Flucht aus Nagurin und unsere Reise nach Ebine.

„Ihr habt auch einiges durchgemacht“, sagte er.

„Nicht so viel, wie unsere zwei Hexen aber einiges, ja. Was ist bei euch geschehen? Seid ihr von eurem Vater zu Kriegern trainiert worden?“

Eine eigenartige Traurigkeit mischte sich in seinen Blick.

„Mein Vater ist Tod. Mein älterer Bruder und meine Mutter ebenso. Sie haben sich geopfert, damit Lirom und ich leben können.“

„Das tut mir leid.“

„Diese verfluchten Drachenjünger haben uns angegriffen, als mein älterer Bruder und ich in den Bergen Holz sammelten. Sie kamen überraschend. Meine Mutter war eine Hexe. Sie ermöglichte mir die Flucht. Mein Vater hat mich und Lirom versteckt und verteidigt, bis er starb. Die Drachengarde nahm uns dann mit und wollte uns zu Soldaten ausbilden. Naja und dann wurden wir Verkauft, von einer Gruppe Söldner gerettet und sind dann letztlich zu unserem Meister gekommen“, sagte er.

Hups, da saß aber ein tiefer Schmerz. Diese Situation hatte er wohl immer noch vor Augen, auch wenn er sich das nicht eingestehen wollte. Er erinnerte mich ein wenig an mich selbst. Stark nach außen, aber innerlich zerstört. Allen Schmerz, alles Leid staute er in sich auf, bis es drohte ihn zu erdrücken. Ich sollte ihm wohl besser helfen. Doch wie? Ich kam ja nicht einmal mit meinen eigenen Problemen zurecht. Wie sollte ich dann ihm helfen?

„Das klingt grauenvoll. Ihr habt einiges miterleben müssen.“

„Die Nähe zu meinem Bruder und Meister, hat mich all die Jahre vor dem Wahnsinn bewahrt. Ich weiß nicht wirklich, wie ich das überstanden habe. Aber irgendwie habe ich das.“

„Mir geht es ähnlich. Als ich für Meriano und mich sorgen musste, hatte ich immer noch an der Wut auf meinen Vater zu knabbern. Er hat mir geholfen, in den ganzen Jahren nicht den Verstand zu verlieren.“

„Wir teilen ein Schicksal. Ich denke, das wird eine gute Zusammenarbeit“, sagte er und lachte.

Ich nickte nur und schwieg dann. Liram erzählte mir noch einige Dinge, die er erlebt hatte und prahlte mit einigen Errungenschaften, die ihm schon gelungen waren. Doch ich hörte nicht einmal mehr richtig zu.

Streit

Jetzt waren schon zehn Minuten vergangen, ohne das Jotanate etwas gesagt hatte. Am liebsten würde ich sie dafür erwürgen. Doch ich hielt mich zurück. Ich war ja auch nicht viel besser. Konversationen, nicht geschäftlicher Natur, zu beginnen war einfach nichts für mich. Ging es ums Geschäft, dann konnte ich reden wie ein Wasserfall. Aber ich sprach doch nicht einfach so fremde Personen an. Am Ende stellten sich noch Dinge ein, die ich gar nicht haben wollte. Jotanate sah einfach nur an die Wand. Wenn sie nicht innerhalb der nächsten fünf Minuten den Mund aufbekommen würde, dann helfe ihr Aleta. Mit Feuer konnte ich umgehen. Sehr gut sogar. Vielleicht würden verbrannte Haare ihr gut stehen.

„Was soll ich eigentlich hier?“, fragte Jotanate plötzlich, als hätte sie gehört, was ich gedacht hatte.

„Das weiß ich selbst nicht. Tiana hat mich selbst mit der ganzen Situation überrascht. Aber dann beginne ich mal. Ich bin Nelana, eine Hexe. Meine Schwester“, begann ich doch Jotanate unterbrach mich.

„Leg jetzt nicht deinen ganzen Lebenslauf offen. Es kümmert mich herzlich wenig. Ich werde dir auch nichts über mein Leben erzählen. Du musst nur eins wissen, Prinzessin. Ich spiele in einer völlig anderen Liga als du. Also vergleich dich niemals mit mir. Was ich durchgemacht habe, kannst du dir nicht einmal vorstellen.“

Hatte sie gerade Prinzessin zu mir gesagt? Was glaubte diese eingebildete Schnepfe eigentlich, wen sie hier vor sich hatte? In mir kochte alles. So hatte mich zuletzt nur Cynthia behandelt. Wenn sie sich jetzt einbildete, dass sie mit mir umgehen konnte, wie ihr das gefiel, dann sollte sie meine Wut zu spüren bekommen.

„Wen nennst du hier Prinzessin?“, fragte ich sie kühl.

Sofort sah sie mich an.

„Oh, habe ich da etwa einen wunden Punkt getroffen? Du bist eine Prinzessin. Dein ganzes verdammtes Leben hinter den Mauern einer Akademie verbracht und nur Bücher gewälzt. Weiß du eigentlich, was es heißt zu leben? Vermutlich nicht. Du hast keine Ahnung, wie grausam das Leben sein kann.“

Mal ganz davon abgesehen, dass ihr Ton mir mehr als missfiel. War auch das, was sie sagte einfach nur Dynamit, das mich beinahe zum Explodieren brachte. Sie kannte mich nicht einmal. Wie konnte sie also solche Dinge sagen? Hatte sie zehn Jahre Prostitution und Gefangenschaft der Drachenjünger hinter sich. Bestimmt nicht. Wenn einer von uns beiden das Leben nicht kannte, dann doch wohl sie.

„Du scheinst mein Leben ja wirklich studiert zu haben“, sagte ich und sie lachte.

„Ihr Hexen seid alle gleich. Selbstverliebt und arrogant.“

„Und das kannst du einfach so sagen, ohne mich zu kennen? Du musst selbst eine Hexe sein, wenn du diese Dinge einfach so sagen kannst und das mit einer Überzeugung, als sei es Gesetz.“

„Kann ich auch. Kennt man eine Hexe, kennt man sie alle. Ihr seid, wie ich gesagt habe, alle gleich. Arrogant, selbstverliebt und jammert wegen der kleinsten Dinge. Ihr widert mich an.“

Jotanate ging. Doch das waren die Worte die das Fass zum Überlaufen gebracht hatten. Manchmal wünschte ich, dass Mutter mir die Gabe für Zeit und Raum vererbt hätte und nicht Kalira. Ich hatte ihre Elementkraft geerbt. Und die würde ich jetzt auch einsetzten. Diese eingebildete Elfe konnte sich nicht alles erlauben. Mein Stab legte sich beinahe von selbst in meine Hand und das Buch schwebte schon vor mir.

„Gefrorenes Feld“, rief ich und sofort bildete sich eine Eiswand vor dem Ausgang. Jotanate blieb stehen. Langsam drehte sie sich zu mir um.

„Willst du mir wirklich beweisen, dass du stark bist?“

Ich antwortete nicht auf die Frage. Mein Buch schlug einen Zauber auf, den ich bis jetzt noch nie in Betracht gezogen hatte. Ich schlug meinen Stab darauf und ließ die Magie fließen.

„Sturm des Drachen“, rief ich und sofort schossen drei Drachenköpfe, aus Feuer auf sie zu.

Jotanate blieb stehen und wartete. Als sie sie fast erreicht hatten, sprang sie in die Luft und wich ihnen geschickt aus. Das musste man ihr lassen. Grazil ausweichen konnte sie. Allerdings brachte ihr das nicht viel gegen mich. Meine Zauber konnten auch den gesamten Raum erfüllen und dann würde sie nicht mehr ausweichen können.

„War ja ganz nett, Prinzessin. Doch jetzt ist es gut“, sagte sie und wollte gerade einen Kurzbogen ziehen, als meine Eiswand zersprang und die Zeit stoppte.

Nur Jotanate konnte sich nicht bewegen. Ich hingegen schon.

„Was geht hier vor?“, fragte Tiana und kam zusammen mit Kalira und noch einer Elfe in den Raum gerannt.

„Ich glaube, ich weiß was hier vorgeht. Meine Schwester kann ihr vorlautes Mundwerk nicht halten“, sagte die Elfe und ging zu Jotanate.

„Seid ihr ihre Schwester?“, fragte ich.

„Jatana. Ja, ich bin ihre Schwester. Tut mir leid, wenn sie euch beleidigt hat.“

„Gegen leichte Beleidigungen habe ich nichts. Aber wenn sie mich verurteilt, bevor sie mich kennt und so tut, als wäre ihr Leben ein Alptraum gewesen und meines eine bunte Blumenwiese mit Ponys, dann hört der Spaß auf.“

Jatana war völlig anders als ihre Schwester. Sie riss ihre Augen auf und begann sofort auf die gestoppte Jotanate einzureden. Was ihr denn einfalle so was zu sagen. Warum sie sich aufführe, als wäre sie eine Wilde und noch mehr. Kalira und Tiana kamen zu mir.

„Ich hoffe du bist dir im Klaren, dass du mit ihr zusammen arbeiten werden musst“, sagte Tiana zu mir.

„Mit dieser arroganten Schnepfe? Niemals“, sagte ich und sie lachte.

„Das Gespräch habe ich nicht verfolgt, doch ich denke, dass sie schon sehr dick aufgetragen haben muss, wenn du so ausflippst.“

„Diese Worte können nicht einmal ansatzweise beschreiben, was ich empfunden habe. Ihre Worte waren wohl gewählt und sollten die richtige Stelle verletzten.“

Kalira löste die Starre. Sofort hob Jotanate einen Bogen und wollte auf mich schießen, als sie verwirrt feststellen musste, dass sie etwas verpasst hatte.

„Was war das denn?“, fragte sie und Jatana sah sie streng an.

„Du hast mal wieder das getan, was du am besten kannst. Jemanden zur Weißglut getrieben. Ich kann dich nirgendwo alleine hingehen lassen. Du redest dich um Kopf und Kragen. Irgendwann finde ich dich noch mit einem Messer im Kopf vor.“

„Dann wäre es halt nicht anders. Das Leben ist nichts mehr Wert für mich“, sagte sie und ging einfach, obwohl Jatana noch auf sie einredete und wütend versuchte sie zum Anhalten zu bewegen.

Resigniert kam sie zu uns.

„Ich entschuldige mich, für ihr Verhalten. Sie denkt, dass ihr Leben einfach nichts mehr wert ist. Wir hatten kein einfaches Leben, aber das heißt nicht, dass es nichts wert ist. Jotanate ist so.“

„Wenn sie nicht aufpasst, wird sie irgendwann nicht mehr aufwachen“, sagte ich und Jatana nickte.

„Sie redet sich wirklich um Kopf und Kragen. Ich hoffe, das die Priester, die wir morgen treffen werden, starke Nerven haben.“

„Ein Priester tut keiner Fliege etwas zu leide. Vor allem nicht die zwei, die ihr Morgen kennen lernen werdet“, sagte Kalira und lächelte Jatana an.

„Dein Wort in Aletas Ohr“, sagte Jatana und ging dann ihrer Schwester nach.

„Zicke“, sagte ich beleidigt und steckte den Stab wieder weg.

„Beeindruckend, Nelana. Du hast beinahe Magie ohne deine Hilfsmittel verwendet. Diese Eiswand war, nebenbei bemerkt, auch ein Wunder der magischen Kunst. Eine Elementarhexe, die Feuer und Eis verwendet. Das gab es schon lange nicht mehr. Die letzte Hexe war, wenn ich mich richtig erinnere, eure Mutter“, sagte Tiana.

„Sie hat uns ihre Kraft vererbt. Von irgendwo mussten die Kräfte ja kommen. Unser Vater war wohl kein Hexer“, sagte Kalira.

„Hexer gibt es nicht. Wenn ein Mann Magie erlernen will, muss er ins Kloster gehen. Bei uns dürfen nur Frauen studieren.“

Tiana sagte das so, als wäre sie stolz darauf. Eigentlich schon dumm, wenn man so darüber nachdachte. Warum Männer ausschließen? Nur weil sie Männer waren? So verlor man doch die ganzen Magier an die Göttin und sie wurden zu dem, was jede Hexe hassen sollte. Ein Priester.

„Ist das denn nicht dumm?“, fragte ich und Tiana lachte.

„Das ist es. In der Tat. Ich kann nicht leugnen, dass diese Regel hirnverbrannt ist. Aber es gibt sie und niemand will sie ändern. So lange das so bleibt, kann man da nichts machen“, sagte sie und ging dann einfach.

Schon wieder. Einfach mitten im Gespräch gehen. Erneut kochte es in mir. Doch diesmal hielt ich mich zurück.

„Nicht die optimalste Umgebung“, sagte Kalira und sah mich an.

„Wenn ich nicht so leicht in Rage zu bringen wäre, dann wäre sie vielleicht besser. Aber ich pflichte dir bei, dass wir hier nicht wirklich gut aufgehoben sind“, sagte ich und lächelte. Zusammen gingen wir in unser Zimmer zurück und versuchten wenigstens noch ein wenig zu schlafen.

Hoffnung

Irgendwann war Liram eingeschlafen, was er auch, mehr oder weniger, lautstark kundtat. Ich hatte mich nicht von meinem Platz bewegt. Auch nicht, als schon mehrere Priester anfingen durch den Saal zu laufen. Ich hatte lediglich Liram zum Schweigen gebracht. Mehrere Priester saßen jetzt schon in dem Saal und unterhielten sich oder beteten. Meriano kam auch nach einiger Zeit, zusammen mit Lirom. Sie setzten sich zu mir und sahen auf Liram herunter, der tief und fest schlief.

„Habe ich mir doch gedacht, dass er keine Nacht wach bleiben kann“, sagte Lirom und lachte.

„Er ist ungefähr nach der Hälfte der Nacht eingeschlafen. Meine Kraft riecht leider nicht aus, um ihn ins Bett zu tragen, also habe ich es gelassen“, sagte ich.

„War auch besser so. Die Schmerzen, mit denen er gleich aufwachen wird, hat er verdient.“

Damit trat Lirom leicht gegen den Arm seines Bruders, der sofort hochschreckte.

„Was, wo? Ich muss wohl eingeschlafen sein.“

„Das hast du auch lautstark kundgetan“, sagte ich lächelnd und er streckte sich.

Wir saßen noch ein wenig zusammen und tauschten Geschichten aus, als Jake und ein andere Mann auf uns zukamen.

„Guten Morgen, Kinder“, sagte Jake und sah uns an.

Jake war ein schlanker und muskulöser Mann. Er trug eine rote Robe, die aus einer West und einer Hose bestand. Das verriet mir, dass er eine höhere Position als Paladin innehatte. Seine Haare waren weiß und verdeckten auch ein Auge. Der Mann neben ihm konnte nur ein Krieger sein. Er hatte einen Streithammer auf dem Rücken. Seine Kleidung bestand ausschließlich aus Leder.  An der Schulter hatte er eine dicke Eisenplatte, zum Schutz vor Angriffen und vermutlich auch um selbst angreifen zu können. Seine Haare waren aufgestellt und braun. Die Augen standen eng zusammen und gaben ihm einen unheimlich bedrohlichen Blick. Dazu strahlten sie unnatürlich grün.

„Das ist Ducan. Seines Zeichens Krieger Meister“, sagte Jake und der Mann verneigte sich.

 Liram und Lirom musterten den Mann.

„Ich freue mich, euch kennen zu lernen. Ich habe einiges von eurem Meister gehört“, sagte Ducan und sofort rissen die beiden ihre Augen auf.

„Er lebt noch? Ist er in Sicherheit?“, fragte Lirom und erhob sich.

„Ihm geht es gut. Er ist auch in Sicherheit. Ich darf euch leider nicht sagen, wo. Er möchte nicht, dass ihr nach ihm sucht. Diesen Wunsch respektiere ich.“

„Immerhin wissen wir, dass es ihm gut geht.“

Liram ließ sich gegen die Wand fallen und atmete auf. Es schien, als sei eine Last von ihm gefallen.

„Kommt mit mir und ich werde euch noch mehr erklären“, sagte Ducan und verließ mit den beiden den Raum.

Jake, mein Bruder und ich blieben alleine zurück. Kurz sahen wir ihnen noch nach, als Jake uns dann ansah.

„Gut. Wir sind alleine. Also ihr beiden. Ich bin Bruder Jake. Trainer für Paladine. Gleich stößt noch Bruder Jermain zu uns. Trainier für Priester. Wir werden euch noch ein paar Dinge erklären müssen, bevor wir mit dem Training beginnen können.“

Er sah nach hinten und erblickte einen Mann, der auf uns zukam. Er trug einen runden Stoff Hut in braun. Seine Haare konnte ich darunter nicht sehen. Eine kleine Brille saß auf seiner Nase. Das Gesicht wirkte noch sehr jung, verglichen mit anderen Priestern. Seine Kleidung war ebenfalls braun und erinnerte mich sehr stark an die von Jake. An seiner Hüfte hing ein Zauberstab, wie ich ihn auch trug.

„Hallo. Ich bin Jermain. Ihr müsste Remino und Meriano sein, oder?“, fragte er und wir nickten.

„Du bist wohl der Priester von euch beiden, richtig?“

Sein Finger zeigte genau auf mich. Benommen nickte ich.

„Gut. Mit dir kann ich immerhin arbeiten. Aber zuvor, fahre fort, Bruder Jake.“

„Danke, Jermain. Also ihr beiden. Euer Leben steht im Dienste Aletas. Die Göttin ist um uns. Sie leitet uns auf dem rechten Pfad. Da ihr aus Nagurin stammt, steht eure Ausbildung noch bei null. Ich kläre euch jetzt ein wenig auf. Es gibt Priester und Paladine. Soweit habt ihr das bestimmt schon verstanden. Priester können Heilen und ihre Kameraden unterstützen, allerdings auch großen Schaden anrichten. Paladine konzentrieren sich auf das Schützen ihrer Kameraden. Man zieht seine Feinde auf sich um dem Priester so Zeit zu geben, zu heilen oder ähnliches zu tun. Anfangen tun wir alle als Geistliche und entwickeln uns dann so, wie die Göttin das will. Sie hat entschieden, dass aus dir, Meriano, ein Paladin werden soll. Remino, für dich hat sie das Amt eines Priesters vorgesehen. Ihr beide ergänzt euch jetzt schon sehr gut. Natürlich gibt es viele Zauber, die nur für euch bestimmt sind. Terra, unser Papst, hat den Befehl erlassen, das wir euch unverzüglich zu ihm bringen und trainieren sollen.“

„Unser Papst? Der Terra? Er will uns sehen?“, fragte ich ungläubig.

Warum sollte jemand wie Terra uns sehen wollen? Meriano und ich waren unausgebildete Geistliche. Was für ein Interesse, konnte er also an uns schon zeigen?

„Ja, genau der. Thomas hat ihm von euch erzählt und jetzt will er euch sehen. Deswegen beginnen wir jetzt auch mit eurer Ausbildung. Meriano, du folgst mir. Remino, du bleibst bei Jermain.

Die beiden ließen uns alleine.

„Also, Remino. Ich habe meine Instruktionen von Thomas. Er möchte, dass ich dir erkläre und zeige, zu was du fähig bist. Ich fürchte nur, dass ich das nicht richtig kann.“

„Aber warum nicht? Ihr seid ein Priester und ich bin ein Priester in Ausbildung. Vermutlich könnt ihr viel mehr, als ihr denkt“, sagte ich und er lachte.

„Kein Grund so förmlich zu sein. Es sind nur wir beide hier. Uns verbindet die Göttin, also darfst du mich auch Bruder nennen. Ja, sowie du das gesagt hast, stimmt das. Leider verhält es sich so, dass ich ursprünglich selbst ein Paladin war und erst vor kurzem zum Priester umgeschult wurde. Auf meinen eigenen Wunsch hin. Man hat mir den Rang des Lehrers gelassen, warum weiß ich selbst nicht genau. Ich muss dir noch ein paar Dinge erklären. Aber nicht hier. Hier kann man mithören. Was ich dir sagen muss, ist nur für deine Ohren bestimmt.“

Jermain zog mich mit sich und führte mich in sein eigenes Zimmer. Es war nicht viel größer, als das von Meriano und mir. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass Lehrer größere Zimmer bewohnen würden, als wir.  Doch offensichtlich nicht. Er setzte mich auf einen Stuhl und schloss dann die Türe.

„Jetzt können wir reden. Lilith, du kannst rauskommen“, sagte er und sofort trat eine Elfe aus dem Schatten, von denen dieses Zimmer genug hatte.

Ihre Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden und blond. Ihr Gesicht war makellos. Die Züge unglaublich. Sie war ein Bild von einer Frau, zumindest für mich.

„Das ist Remino?“, fragte sie und ich nickte.

„Ja, das ist er. Tomas hat sich nicht geirrt.“

„Bist du dir sicher? Ich hatte ihn mir anders vorgestellt.“

„Du weißt doch, dass Äußerlichkeiten täuschen können“, sagte Jermain und Lilith nickte.

Dann nahm sie neben ihm Platz und sah mich an.

„Also, Remino. Du fragst dich bestimmt, wovon wir reden. Terra hatte eine Eingebung von Aleta persönlich. Sie hat uns gesagt, wer du bist und Terra befohlen, auf dich acht zu geben.“

„Das verstehe ich nicht. Warum zeigen unser Papst und auch unsere Göttin so großes Interesse an mir? Ich bin nur ein einfacher Priester, ohne Ausbildung“,  sagte ich und Jermain erhob sich.

„Frag sie doch selbst“, sagte er und im nächsten Moment stand Aleta neben ihm.

Ich sprang auf und fiel sofort auf die Knie. Selbst die Elfe verneigte sich. Ich wusste, dass sie eigentlich nicht an Aleta glaubten, deswegen wunderte mich das Ganze.

„Oh, mein kleiner Remino. Erhebe dich. Du musst nicht vor mir knien“, sagte sie und ich sah sie an.

Aleta lächelte mild. Sie war noch schöner, als ich sie bis jetzt immer gesehen hatte. Lange braune Haare. Weiße Haut, die anmutig wie Milch um sie lag. Ein Kleid aus gelber Seide und eine Krone aus Sonnenstrahlen. Ihre Augen waren völlig weiß und leuchteten.

„Aleta ich“, begann ich doch sie winkte ab.

„Du musst mir nichts sagen, Remino. Ich weiß was du denkst. Immerhin bist du meinen Kräften entsprungen“, sagte sie und ich schluckte.

„Ihr habt mich erschaffen? Habe ich keine leiblichen Eltern?“, fragte ich verwirrt.

„Oh kleiner Remino. Jedes Wesen entspringt meiner Kraft. Ich bin die Göttin und erzeuge Leben. Genauso nehme ich es, wenn die Zeit gekommen ist. Alle Wesen sind meine Kinder, das solltest du als Priester eigentlich wissen. Bei dir verhält es sich allerdings etwas anders. Du bist zwar meinen Kräften entsprungen, aber ich habe großes mit dir vor, Remino. Vielleicht hast du es schon einmal gemerkt. Deine Kräfte sind nicht menschlicher Natur.“

„Was meint ihr damit?“, fragte ich unsicher.

„Was ist damit meine ist, dass du kein Mensch bist, Remino. Du kennst doch die Legende der Drachen, oder?“

„Ja, ich bin mit ihr Vertraut“, sagte ich.

„Dann weißt du, dass es zwölf Drachen gibt. Acht Drachen der Gefühle und vier Drachen der Dämmerung. Die vier Dämmerungsdrachen sind damals meiner Obhut entkommen und wandeln heute noch über Jagurin, meiner wunderschönen Welt.“

„Ich kenne die Geschichten. Wenn Zwietracht, Neid und Hass sich erheben wird der Tod triumphieren und die Welt in Dunkelheit tauchen. Aber das ist doch nur eine Legende, Aleta.“

„Oh, keines Wegs ist das nur eine Legende. Wenn ich mich recht erinnere bist du einem der Drachen bereits begegnet. Casus, dem Todesdrachen.“

„Zumindest hat der Junge behauptet, dass er Casus sei. Aber er sah viel zu Jung dafür aus.“

„Remino, denkst du wirklich die Drachen würden sich nicht an die Menschheit anpassen? Es ist sehr hinderlich wenn man so groß ist wie ein Berg. Man kann keine Städte betreten, mit niemandem interagieren und seine Arbeit kann man auch nicht immer machen. Seit die Menschen diese vier Drachen wieder Anbeten, habe ich einiges an Kraft verloren. Und von Tag zu Tag verliere ich mehr, weil sie meine Anhänger töten oder zwingen sie anzubeten. Irgendwann werde ich zu schwach sein und vielleicht sogar verschwinden. Die Menschen glauben nicht mehr an mich, so wie sie es damals getan haben.“

 „Könntet ihr denn nicht den Menschen zeigen, dass ihr existiert? Sie würden wieder an euch glauben, wenn sie wüssten, dass es euch gibt“, sagte ich.

Eigentlich war das für mich die sinnvollste Lösung. Sie stand doch auch vor mir. Warum sollte sie dann nicht auch anderen Menschen zeigen, dass es sie gab. Wenn nur wir Priester glaubten, dann war ihre Macht nicht groß genug, um die Drachen in Schach zu halten.

„Genau das wollen die Drachen. Aktuell wäre ich keine Bedrohung für sie. Einem Angriff hätte ich nichts entgegen zu setzten. Sterbe ich, so stirbt auch meine Schöpfung. Die Welt würde in Dunkelheit versinken und die Dämmerung wäre da. Sieh es mir bitte nach, wenn ich das nicht riskieren möchte. Ich habe bereits einen Teil meiner Schöpfung verloren, als die Feen ausgelöscht wurden. Mehr setzte ich definitiv nicht aufs Spiel. Und aus diesem Grund habe ich einen Plan geschmiedet. Die Seelen meiner Treuen Drachen, habe ich genommen und werde ihnen die Chance gegeben wieder aufzuerstehen. Eine dieser Seelen, hast du bekommen, Remino. Und deswegen ist deine Kraft auch nicht menschlicher Natur. Du bist der Hoffnungsdrache Spes, Remino.“

Ich der Hoffnungsdrache? Was redete sie da? Wir Priester glaubten nicht an die Drachen und jetzt sollte ich selbst einer sein? Vielleicht wollte Aleta mich prüfen und sehen ob mein Glaube stark genug war, diese Lügen zu durchschauen.

„Das kann nicht sein. Ich bin ein Priester, weil ich an eure Lehren glaube. Ihr müsst meinen Glauben nicht mehr festigen oder auf die Probe stellen.“

Ihr Lachen klang Glockenähnlich und unheimlich schön.

„Das tue ich auch nicht. Remino, was ich dir gerade gesagt habe ist die Wahrheit. Deine Erinnerungen, an dein vorheriges Leben, mögen sehr vage sein. Doch mit der Zeit werden sie klarer und du wirst es verstehen. Du, Remino, bist Spes Drache der Hoffnung.“

Ich, ein Drache? Langsam wurde mir diese Situation zu albern. Was sollte das? War es Liliths Magie, die Aleta vor mir erscheinen ließ? Aleta war auch nicht bekannt dafür, ihre Anhänger hinters Licht zu führen. Also was ging hier vor?

„Ich glaube kein Wort. Mein Vater hat immer geleugnet, dass irgendetwas von Aleta in mir vorhanden sei. Ich wurde nicht einmal richtig getauft. Warum sollte ich dann euren Segen so weit haben, dass ihr mir die Seele eines Drachen gebt? Ihr seid nicht die Aleta, die ich kenne. Vermutlich nur ein Trugbild“, sagte ich und Aletas Züge wurden hart.

„Du zweifelst an mir? An deiner Göttin, die dir Kraft und Leben gibt? Muss ich dich überzeugen, das ich echt bin?“

„Ihr habt mir gesagt, dass ihr euer Reich nicht verlasst. Warum steht ihr dann vor mir? Wenn ihr hier seid, dann könntet ihr auch auf der ganzen Welt erscheinen. Durch eure Anwesenheit hier würdet ihr genau das tun, was ihr eigentlich vermeiden wollt. Ihr würdet die Dämmerungsdrachen genau in diese Stadt locken“, sagte ich und Jermain kam auf mich zu.

„Remino. So kannst du doch nicht mit Aleta sprechen. Sie ist eine Göttin. Die einzige Göttin, die wir haben. Das ist kein Trick oder Illusion. Sie ist wirklich hier um die zu erklären wer du wirklich bist, Remino“, sagte er und ich senkte meinen Blick.

„Wenn ich wirklich ein Drache sein soll, muss ich doch mehr Kraft haben, als normale Menschen. Habe ich aber nicht. Ich bin sogar schwächer als mein Bruder“, sagte ich und Aletas Züge entspannten sich ein wenig.

„Das liegt daran, dass du noch nicht erwacht bist. Aber ich könnte dir ohne Probleme beweisen, dass du der Drache bist, von dem ich rede. Soll ich?“, fragte sie und ich nickte.

Nervös war ich schon ein wenig. Was würde sie jetzt tun? Mich verwandeln? In einen tiefen Schlaf versetzten, da ich die Welt zerstören konnte? Ich wusste es nicht und konnte es mir auch nicht ausmalen. Diese Unwissenheit machte mich ganz krank. Ich beschloss meine Augen zu schließen und auf eine Reaktion zu warten. Doch letztlich fiel mir ein Zitat aus Aletas Schrift wieder ein. Du sollst meiner nicht zweifeln. Mein Schoß ist dein Palast des Friedens. Sie würde mir also nichts tun. Mein Glaube würde mich vor allem beschützten.

„Öffne deine Augen, Remino“, sagte sie und ich schlug sie vorsichtig auf.

Sofort umfing mich eine Welt der Wahrnehmung, die ich vorher noch nie zu träumen gedacht hätte. Meine Augen waren so scharf, das ich jede Unebenheit in den Steinen der Wand ausmachen konnte. Auch wenn alles ein wenig grünlich schimmerte, war es dennoch faszinierend. Gerüche, die vorher nie so klar waren, schwebten mir nun um die Nase. Jedes leise Flüstern konnte ich außerhalb dieses Zimmers wahrnehmen. Erstaunt sah ich Aleta an.

„Was habt ihr getan?“, fragte ich und sie lächelte.

„Ich habe einen Teil deiner Kraft erweckt. Den Teil, der deine Wahrnehmung steuert. So steht dir die Wahrnehmung eines Drachen zu Verfügung. Es ist faszinierend, oder? Du dürftest alles sehen, hören und riechen können. “

„So etwas habe ich noch nie erlebt. Die ganze Welt scheint offen für mich zu sein.“

„So ist es. Du bist ein Drache, Remino. Deine Kräfte erwachen langsam und werden von Tag zu Tag stärker. Terra weiß davon und will dir helfen. Ich habe ihm befohlen dich zu beschützten. Wenn er sich an meinen Befehl hält, wird er alles in seiner Macht stehende tun, damit dir nicht passiert.“

Langsam schwächten sich meine Sinne wieder ab und ließen mich in einer tristen und langweiligen Welt zurück, die für mich eigentlich normal sein sollte. Doch die Eindrücke waren so tiefgehend, das sie mir im Gedächtnis brannten, wie Feuer. Auch wenn die Tatsache mehr als unglaublich war, schien Aleta Recht zu haben. Ich war ein Drache. Der Smaragddrache der Hoffnung.

„Wieso ich, Aleta? Warum habt ihr gerade mich erwählt? Ich habe zwar geschworen euch zu dienen, doch ehrlich gesagt hatte ich mir das ganze etwas anders vorgestellt“, sagte ich und sie lachte.

„Weil du so bist, wie du bist. Ein starker, freundlicher und hoffnungsvoller Priester. Dein Wille mir zu dienen ist ungebrochen, egal was auch passiert ist, du hast nie den Glauben verloren. So habe ich dich erschaffen und dich erwählt, der Smaragddrache zu werden. Es war eine logische Entscheidung für mich.“

Hatte sie auch gewusst, wie mein Vater war? Oder hatte sie das alles als Test gemacht? War mein Vater vielleicht eine Probe, um meinen Glauben zu testen? Diese Frage ließ mich nicht mehr los.

„War mein Vater ein Test, Aleta?“

Ich sprach so leise, das es schwer war mich zu verstehen. Doch die Göttin verstand mich trotzdem. Sie beugte sich zu mir und flüsterte mir etwas ins Ohr.

„Dein Vater war nicht immer so. Nachdem eure Mutter gegangen ist, hat er sich verändert. Er war kein Test und auch nicht von mir beauftragt. Aber das findest du bald selbst heraus“, sagte sie und verschwand wieder.

Sofort fühlte sich der Raum kalt an und alles Licht schien verschwunden. Die Leere, die Aleta hinterließ schien sich nicht füllen zu wollen. Jermain erhob sich und sah mich ernst an.

„Jetzt weißt du, warum wir dich unbedingt zum heiligen Hafen bringen müssen. Terra will euch beschützten und dafür sorgen, das ihr erwacht. Erwachen die Drachen, können die vier Abtrünnigen gebannt werden. Doch dafür brauchen wir dich. Da du, damals deinen Körper geopfert hast, konntest du wiedererweckt werden. Deswegen schickt sie euch los um eure Artgenossen aufzuhalten“, sagte er.

„Aber was ist aus den anderen sieben Drachen geworden? Sind sie für immer verloren?“

„Ich fürchte bei vieren ist die Antwort, ja. Bei dreien, sind wir uns nicht sicher, ob sie nicht vielleicht doch überlebt haben könnten, so wie du.

 „Ich werde sehen, ob es mir gelingt, meine Kräfte zu erwecken. Wenn ja, dann kämpfe ich. Wenn nicht, dann werde ich mit der Welt untergehen“, sagte ich und er nickte.

Lilith rührte sich jetzt zum ersten Mal. Sie ging um mich herum und begutachtete mich von allen Seiten.

„Aleta hat dir diese Kraft geschenkt. Nutzte sie weise, Remino. Ich weiß nicht, warum man diese Kraft keinen Elfen gegeben hat. Sie wären viel berechnender, als Menschen.“

Jermain sah die Frau an und lächelte.

„Genau deswegen nicht. Manche Dinge muss man eben spontan machen und braucht die Urteilskraft eines Menschen oder, in diesem Fall, eines Priesters.“

„Ihr Menschen denkt doch viel zu irrational und unlogisch. Die logische Wahl wäre ein Elf gewesen“, sagte Lilith und ich musste lachen.

Ich hatte schon davon gehört, das Elfen unheimlich stolz auf sich selbst waren und davon überzeugt, dass sie als einzige, richtige Lebewesen seien, mit Ausnahmen der Drachen. Sie standen über allem.

„Vielleicht wäre das so gewesen. Doch Aleta hat mich erwählt. Sie wollte einen Menschen wie mich. Sieh in die Zukunft und hab Vertrauen in die Kräfte von Aleta und der Drachen. Gib niemals die Hoffnung auf, in Frieden leben zu können“, sagte ich und sie sah mich erstaunt an.

„Solche Worte hatte ich nicht erwartet. Vor allem nicht von dir, Remino. In deinem Leben lief gar nichts so, wie es eigentlich sollte. Doch trotzdem Blickst du immer noch in die Zukunft, als sei sie ein Geschenk, welches du erhalten hast.“

„Warum sollte ich das auch nicht tun? Nur weil meine Vergangenheit dunkel war, heißt das nicht, dass ich nicht mit Hoffnung in die Zukunft sehen kann. Vielleicht musste ich einige Schicksalsschläge hinnehmen. Doch das ist kein Grund für mich, nicht an die Zukunft zu glauben. Ohne Hoffnung hätte ich die letzten Jahre nicht überstanden und einfach aufgegeben. Jetzt stehe ich hier. Und das nur, weil ich die Hoffnung hatte, eines Tages in Frieden leben zu können.“

„Aus dir sprechen die Wort der Vernunft, Remino. Ich denke, Aletas Wahl war doch nicht so schlecht, wie ich anfangs dachte. Remino, ich kann Aletas Wahl nun verstehen und denke, dass du es schaffen wirst, die Drachenkräfte zu erwecken. Meine Königin muss davon erfahren. Sie wird euch sicherlich helfen“, sagte Lilith und Jermain erhob sich wieder.

„Wir Geistliche stehen euch bei. Ab sofort werde ich deine Fähigkeiten als Priester trainieren und dir helfen stärker zu werden. Auch wenn du ein Drache bist, lebst du wie ein Priester und musst auch die Dinge tun können, die ein Priester kann.“

„Ich bin bereit, alles zu lernen, was ich lernen muss“, sagte ich und er nickte.

Liebe

Am Morgen standen Kalira und ich früh auf und gingen in die große Halle, der Akademie. Hier wurde auch das Frühstück serviert. Der starre Blick der Ausbilderinnen lag immer auf dem Buffet. Man durfte sich nur von den Dingen nehmen, welche die Ausbilderinnen nicht haben wollten. Mir konnte das egal sein. Zum einen aß ich nicht viel und zum anderen wollte keine Hexe das essen, was ich aß. Fleisch war für alle Hexen ein absolutes rotes Tuch. Und ich ging sogar noch einen Schritt weiter und aß sogar Fleisch, das fettig war. Für viele der Mädchen hier eine Todsünde. Was kümmerte es mich? Sie konnte mich ja nicht dafür bestrafen. Während wir beim Essen saßen, betraten Jatana und, ihre nichtsnutzige Schwester, Jotanate den Raum. Aleta, wie ich dieses Mädchen nicht leiden konnte. Unvorstellbar, das ich mit ihr zusammenarbeiten sollte. Als sie eintraten, wurden sie sofort von vielen jungen Hexen umringt. Sie redeten auf sie ein und schienen sie mit Fragen zu löchern. Beide sahen ein wenig verloren aus.

„Vielleicht sollten wir ihnen helfen“, sagte ich und Kalira sah zum Eingang.

„Wäre vielleicht gut“, sagte sie und erhob sich.

Ich folgte ihr. Auch wenn ich Jotanate nicht ausstehen konnte, so wusste ich doch, dass selbst sie es nicht verdient hatte, von einer Hexe belagert zu werden. Also gingen wir auf den Pulk zu. Die Ausbilderinnen standen seelenruhig daneben und sahen zu, wie ihre Schüler sich zum Affen machten. Warum griffen sie nicht ein? Wäre Tiana hier gewesen, dann hätte sie sofort etwas unternommen. Aber diese arroganten Hexen, waren zu nichts zu gebrauchen. Weder Schüler, noch Lehrer.

„Mädchen, tretet zurück und lasst unsere Gäste in Ruhe“, rief meine Schwester.

Doch niemand reagierte. Sie sah mich hilflos an und verdrehte ihre Augen. Ich lächelte nur und zog meine Waffen. Mein Buch schlug einen Zauber auf und ich las ihn mir kurz durch.

„Ah, das klingt gut“, sagte ich und Kalira las ebenfalls.

„Dann los“, sagte sie und sofort schlug ich meinen Stab auf das Buch und er begann zu leuchten.

„Inferno“, rief ich und begann laut zu lachen.

Sofort richteten sie alle Blicke auf mich. Aus meinen Stab schossen Flammen hervor und die Hexen stoben auseinander. Jatana und Jotanate sahen mich an. Ich brach sofort den Zauber ab und ging auf sie zu.

„Nah kommt. Ich habe das hier nicht gemacht, damit ihr hier Wurzeln schlagt und gleich wieder umzingelt seid“, sagte ich und ging zu unserem Tisch zurück.

Die beiden folgten mir. Wir nahmen Platz und sahen zu der Türe, wo die Hexen immer noch standen und die Situation nicht ganz erfassen konnte.

„Danke, Nelana. Ohne dich hätten wir da bestimmt noch drei Stunde dagestanden“, sagte Jatana.

„Keine Ursache. Ich weiß, wie nervig sie sein können“, sagte ich und Jotanate drehte sich weg.

Sie zeigte gar kein Interesse. Ich beschloss das Ganze als abgehakt anzusehen. Von ihr wollte ich eh keinen Dank. Es dauerte noch geschlagene zehn Minuten, bevor die ersten Hexen sich wieder bewegten. Was war nur los mit ihnen? Hatten sie nicht erwartet, dass ich solch einen Zauber anwenden kann? Oder waren sie einfach erstaunt, dass ich bereit war sie zu verletzten? Egal. Sollten sie denken was sie wollten. Keine von ihnen war mir gewachsen. Also musste ich mir keine Sorgen machen. Es dauerte nicht lange, da betrat Tiana den Raum. Sie sah sich kurz um und steuerte dann unseren Tisch an.

„Guten Morgen, Schüler“, sagte sie und wir nickten.

„Jotanate. Lilith erwartete dich im Kloster. Sie muss etwas mit dir besprechen. Nelana, du kommst mit mir.“

Sofort erhoben wir uns und gingen. Unsere Geschwister blieben an dem Tisch sitzen und sahen uns nach. Tiana führte mich durch die Gänge der Akademie und zu ihrem Zimmer. Ihr eigenes privates Zimmer. Unglaublich, dass ich das mal zu Gesicht bekommen durfte. Es hatte gewisse Ähnlichkeiten mit Marinas Büro. Zumindest Größe und Einrichtung passten.

„Nun, Nelana. Hier sind wir nun. In meinem Zimmer. Es gibt da ein paar Dinge, die ich dir erklären muss.“

„Und die wären?“, fragte ich und sah sie an.

Tiana schien sich nicht wohl zu fühlen. Sie war nervös und spielte oft an ihrer Kleidung herum. Das rote Kleid, welches sie heute trug, war wunderschön. Ich hätte nie gedacht, dass eine Hexe auch Geschmack für Mode haben konnte.

„Du hast, beinahe, alle anderen bereits kennen gelernt. Euch verbindet ein Schicksal. Ihr alle seid von den Drachen angegriffen worden, als ihr noch sehr klein wart. Das war bedauerlich.“

„Ja, spann mich nicht weiter auf die Folter. Was willst du mir sagen?“

„Nelana, du bist kein Mensch, keine richtige Hexe. Die Fähigkeiten, die du besitzt, sind ungewöhnlich für dein Alter. Deswegen haben dich auch alle angestarrt. Sie konnten nicht glauben, dass du solch einen Zauber verwendet hast.“

„Und wenn schon? Meine Mutter war Karaku. Sie hat mir einiges an Kraft hinterlassen. Marina ist ja sehr stolz darauf, dass sie noch die alte Magie beherrscht. Meine Mutter hat mir das ebenfalls beigebracht. Also warum sollte ich dann kein Mensch sein? Das ergibt doch keinen Sinn“, sagte ich und Tiana erhob sich und ging zu ihrem Fenster.

Sie öffnete es und sofort kam ein Licht herein. Eine Frau bildete sich vor uns ab und lächelte mich an. Erstaunlicherweise kam sie mir bekannt vor. Sie war groß, schlank und trug ein grün weißes Kleid. Auf ihrem Kopf saß eine schöne Krone.

„Hallo, Nelana.“

Ihre Stimme kam mir bekannt vor. Doch ich konnte mich nicht erinnern, woher ich sie kennen sollte.

„Ihr seid?“, fragte ich.

„Erkennst du mich nicht? Ich bin Aleta.“

Natürlich. Daher kam sie mir bekannt vor. Aleta. Ich hatte schon einige Zeichnungen von ihr gesehen, doch keine war so schön, wie das Original vor mir.

„Aleta? Warum seid ihr hier und nicht in eurem Reich?“, fragte ich und sie lachte.

„Weil ich dir etwas sagen muss. Tiana hatte sorgen, dass du es nicht glauben wirst. Doch ich sage dir die Wahrheit. Nelana, du bist kein Mensch. Tiana hatte das schon angesprochen. Du bist ein Drache“, sagte sie und ich fiel beinahe um.

Was hatte sie gesagt? Drache? Ich sollte also ein Drache sein. Das war nun wirklich das unglaublichste, was ich je gehört hatte. Ein Drache. Haha. Und vermutlich wollte sie mir gleich auch noch sagen, dass meine Mutter in Wirklichkeit nicht meine Mutter war.

„Ich glaube kein Wort.“

„Das dachte ich mir. Deine Gedanken haben für sich gesprochen. Die Armee der Drachen hat dich damals angegriffen, weil sie wussten, wer du bist. Deine Mutter wusste es ebenfalls, hat aber dein Geheimnis mit ins Grab genommen. Nelana du bist der Rubindrache der Liebe“, sagte Aleta und ich begann zu lachen.

„Ihr fantasiert, Aleta. Oder vielleicht fantasiere auch ich. Warum solltet ihr auch auf die Erde kommen. Ihr seid doch tief und fest am Schlafen.“

Ihre Züge wurden hart. Da musste ich einen wunden Punkt getroffen haben. Das war ja auch meine Spezialität. Ich konnte Menschen genau da treffen, wo es wehtat. Meist unbewusst, aber es klappte immer wieder. Aleta schien da keine Ausnahme zu machen. Letztlich blieb sie doch ein Mensch.

„Du zweifelst also an meiner Prophezeiung und an mir selbst?“, fragte sie.

„Nicht direkt an euch selbst. Aber das was ihr sagt ergibt keinen Sinn.“

Aletas Gesicht wurde ein wenig weicher. Sie schloss ihre Augen und sofort begannen meine Sinne schärfer zu werden. Alles was ich erblickte, bekam einen leichten Rotschimmer. Ich konnte sogar warme Stellen durch die Wand erkennen. Es war einfach unglaublich. Jedes Geräusch. Jeder Geruch war so intensiv, das es ungewöhnlich wirkte. Aleta öffnete ihre Augen wieder und sofort wurden meine Empfindungen schwächer.

„Was war das?“, fragte ich erstaunt und konnte immer noch nicht erfassen, was gerade passiert war.

„Ich habe deine Kraft erweckt. Die, die deine Empfindungen steuert. Dadurch warst du in der Lage zu empfinden wie ein Drache. Glaubst du mir jetzt?“

„Ich. Ich weiß nicht was ich sagen soll.“

Meine Stimme klang viel schwächer, als ich das eigentlich wollte. Doch es ließ sich nicht vermeiden. Zu tief saßen die Eindrücke, selbst nachdem sie verschwunden waren.

„Sprachlosigkeit ist vermutlich völlig normal wenn man das erlebt hat, was du gerade erlebt hast.“

„Warum ausgerechnet ich? Ich habe mein Vertrauen in die Liebe schon vor langer Zeit verloren. Für mich ist die Liebe nur noch ein Geschäft“, sagte ich und sie lächelte mild.

„Das magst du so empfinden, Nelana. Doch ich sehe sehr deutlich, dass du sehr viel Liebe zu geben hast und sie dir immer noch wichtig ist“, sagte sie und löste sich auf.

Ohne sie wirkte der Raum klein und dunkel. Tiana kam zu mir.

„Es tut mir leid, dass ich es dir nicht schon früher gesagt habe. Aber Aleta wollte es so.“

„Du wusstest es schon früher?“

„Oh ja. Viel früher, als du denken magst. Noch bevor ich dich kennen gelernt habe, bekam ich ein Schreiben von Terra. Er hat mich aufgefordert, nach dir zu sehen und dich zu ihm zu bringen.“

„Das wirkt immer alles noch so surreal. Ich kann es nicht wirklich glauben, was gerade passiert ist. Ich soll ein Drache sein.“

„Ich kann mir vorstellen, dass Informationen die das eigene Leben komplett auf den Kopf stellen sehr schwer zu verarbeiten sind.“

„Vielleicht geht das Morgen besser.“

„Ganz bestimmt, Nelana. Ich bin wirklich gespannt wie sich deine Kräfte als Hexe entwickeln werden.“

„Meinst du wirklich ich werde andere Kräfte haben?“, fragte ich und Tiana lachte.

„Vielleicht nicht zwingend anders, aber vermutlich wirst du stärker sein als viele andere Hexen. Die Drachenkraft wird deine Magie verstärken“, sagte sie.

Vermutlich hatte sie Recht. Moment, nein, sie konnte nicht Recht haben. Verdammt sei meine Erziehung als Hexe. Ich konnte doch niemand anderem einfach Recht geben. Das war wieder der Natur von uns Hexen. Niemand außer uns selbst war jemals im Recht. Aber für dieses Mal musste ich mich wohl mit dem Gedanken zufrieden geben, dass Tiana schlauer war als ich.

Freude

Ducan führte mich in einen kleinen Raum, der nur ein Fenster besaß und zwei Stühle. Er nahm Platz und deutete auf den anderen Stuhl. Meinen Bruder hatte er in die Obhut eines anderen Mannes gegeben, dessen Namen er nicht genannt hatte.

„Liram. Endlich treffen wir uns. Ich hab schon viel von dir gehört. Dein Meister lobt dich in den höchsten Tönen.“

Konnte er mir vielleicht mal etwas Neues erzählen? Das wusste ich doch schon.

„Einen Axtkämpfer wie dich, gibt es kein zweites Mal. Wir Krieger wählen den Weg der Klinge. Ob Axt, Hammer oder Schwert. Mit einer dieser drei Waffen können wir sehr gut umgehen. Liram, du hast eine Gabe. Diese Gabe, haben nicht viele. Kennst du die Geschichte der Drachen?“

„Natürlich. Meister hat sie uns oft erzählt.“

„Weißt du auch warum?“

„Mir war es egal.  Ich konnte mich immer gut damit identifizieren.“

„Eben. Und weißt du auch warum? Weil du einer der Drachen bist.“

Was hatte er da gerade gesagt? Ich sollte ein Drache sein? Mehr als unglaubwürdig. Ich konnte weder Feuerspeien, noch war ich groß wie ein Berg und machte ganze Landstriche unbewohnbar.

 „Der Witz war gut. Und was wollt ihr mir als nächstes weißmachen? Das mein Bruder nicht mein Bruder ist?“

„Ich dachte mir, dass du es nicht glauben wirst. Deswegen habe ich jemanden gebeten es dir zu beweisen. Begrüße die Göttin, Aleta“, sagte er und öffnete das Fenster.

Sofort kam eine Lichtkugel herein. Aus ihr erschien die Göttin. Ich hatte sie bis jetzt ein einziges Mal hier im Kloster als Statur gesehen. In Natur sah sie sogar noch viel schöner aus. Ihr Lächeln sorgte dafür, dass auch ich ein Lächeln auf den Lippen hatte.

„Hallo, Liram. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen“, sagte sie.

Wir hatten uns überhaupt mal gesehen? Das war mir neu. Eigentlich konnte ich mich an solch ein Gesicht erinnern. Ich mochte ja noch jung sein, doch solch eine Frau würde ich niemals vergessen.

„Wir haben uns überhaupt einmal getroffen?“, fragte ich unsicher.

„Natürlich. Ich bin überall. Ob in deinen Träumen oder deinen Gedanken. Niemand kann sich vor mir verbergen. Auch du nicht, mein kleiner Drache. Du warst schon immer der Jüngste.“

„Ich habe keine Ahnung, wovon ihr redet.“

Warum sollte ich nicht ehrlich sein? Was sie da von sich gab, klang nach Wörtern, doch ich verstand ihren Zusammenhang nicht.

„Eigentlich hatte ich etwas anderes von dem Drachen der Freude erwartet.“

„Wisst ihr eigentlich, wann ich das letzte Mal fröhlich gewesen bin?“

„Nein. Ich mische mich auch nicht in deine Emotionswelt ein.“

„Seht ihr? Ich nämlich auch nicht. Also kann ich euren Worten nicht wirklich folgen.“

Ihr Lächeln verschwand. Trotzdem sah sie nicht wirklich wütend aus. Eher, als würde sie Mitleid mit mir empfinden.

„Schließe deine Augen, Liram. Ich gebe dir einen Beweis dafür, dass du ein Drache bist“, sagte sie und ich gehorchte.

Wie wollte sie mir denn das Beweisen? Mich in ein berghohes Monster verwandeln? Einige Zeit wartete ich, bevor Aleta weiter sprach.

„Öffne sie wieder.“

Vorsichtig schlug ich meine Augen auf. Sofort explodierte eine Welt der Farben und Eindrücke vor mir. Ich sah jetzt jede Farbe so scharf, das ich auch nur eine kleine Abstufung von Grau in den Steinen ausmachen konnte. Dazu hörte und roch ich alles, was eigentlich zu weit entfernt war um wahrgenommen zu werden. Aber alleine diese Sehkraft war unglaublich. Jedes kleine Partikel konnte ich ausmachen. Doch leider verschwand diese Welt schneller, als mir lieb war. Aleta lächelte mich an.

„Glaubst du mir jetzt?“

Ich wusste gar nicht was ich sagen sollte. Die Welt, wie ich sie eben gesehen hatte, war eine völlig andere. Jetzt hatte ich keine Zweifel mehr. Ich war wirklich ein Drache. Doch sollte ich mich darüber freuen oder nicht?

„Ich. Ich denke schon. Es war unglaublich“, sagte ich und sie lachte.

Ihre Stimme klang so wunderschön, das mir ein Schauer über den Rücken lief.

„Du denkst schon? Hast du nicht eben mit den Augen eines Drachen gesehen? War dir das nicht Beweis genug?“

„Irgendwie schon. Aber ich kann mich einfach nicht damit anfreunden. Soll etwa alles in meinem Leben gelogen gewesen sein? Bin ich letztlich gar nicht der größere Bruder meines Bruders?“

Langsam kam ihr Gesicht auf meines zu. Sie begann mir etwas ins Ohr zu flüstern. Es war eine eigenartige Sprache, die ich nicht verstehen konnte.

„Aratema suhledi wiupan djako etojal vatureskar. Wenn die Zeit reif ist, wirst du diese Worte verstehen und wissen, was ich gesagt habe“, sagte sie und verschwand wieder.

Sofort hatte ich das Gefühl als würde mir irgendetwas fehlen. Ohne sie schien die Welt nicht mehr die gleiche zu sein. Vor allem nicht nach den Dingen, die sie mir gesagt hatte.

„Siehst du, Liram? Du hast eine Gabe. Aus dir kann ein mächtiger Drache werden.“

„Aber warum ich?“

„Weil die Göttin es so wollte.“

„Woher wusste mein Meister das Ganze?“

„Hast du dich denn nie gefragt warum deine Waffe Feuer fängt, wenn du wütend wirst? Oder diese immense Kraft? Nie darüber nachgedacht, woher sie stammen könnte? Du weißt genau, dass kein Mensch stark genug ist, einen Gegner mit einem einfachen Axthieb in einem Kilometer vor sich noch zu töten. Das kann nur ein Drache, Liram. Daher wusste dein Meister es. Und Aleta hat es ihm vor ein paar Wochen gesagt.“

„Vor ein paar Wochen? Wusste er es nicht von Anfang an? Diese Wutausbrüche kamen sehr früh, bei mir“, sagte ich und Ducan schwieg.

„Antworte!“, schrie ich und merkte schon, wie die Wut in mir hochkochte.

„Bleib ruhig, Liram. Du wirst alles erfahren, wenn die Zeit dafür gekommen ist“, sagte er.

Ich hoffte inständig, dass es nicht dazu gedacht war, mich zu beruhigen. Es bewirkte nämlich genau das Gegenteil. Ich wurde noch wütender. Ich wollte schon nach meiner Axt greifen, als mir einfiel, dass ich sie gar nicht bei mir trug. Also bleib meine Hand dort, wo sie war.

„Sagt mir sofort die Wahrheit“, sagte ich.

Irgendwie fühlte mein Körper sich eigenartig an. So schwach und zerbrechlich. Ich fühlte mich wirklich verletzlich. Als fehle mir ein stabiler Panzer.

„Komm wieder runter, Liram. Wut ist nicht wirklich der Weg, den du gehen solltest“, sagte er.

Doch ich konnte und wollte mich einfach nicht beruhigen.

Harmonie

Diese Stadt widerte mich an. Nur grauer Stein. Keine Bäume und keine Natur. Ekelhaft, wo Menschen doch überall leben konnten. Nichts weiter als diese Ebene und Schnee. Ich konnte dieses weiße Zeug nicht mehr sehen. Der Weg zum Tempel war weiter, als ich erwartet hatte. Während ich so vor mich hinschlenderte und ab und zu mal nach rechts und links sah, kamen mir viele Hexen entgegen. Sie alle wollten zur Akademie. Warum war mir ein Rätsel. Das man dort überhaupt freiwillig reinging war für mich eh unverständlich. Kalte Wände. arrogante Zimtzicken, die dachten sie wären was Besonderes und ein Gestank, den man nicht in Millionen von Jahren aus diesem Gemäuer herausbekommen würde. Aber mir sollte es egal sein. Ich musste es auch nicht verstehen. Dafür war ich ja eine Elfe. Hexen waren eh nur arrogant und, was ich nicht verstehen konnte, schön. Zumindest hielten sie sich für schön. Gestern Abend hatte ich gehört, wie eine Hexe zu ihrer Freundin gesagt hatte, dass eine Hexe Schönheit verkörpern würde. Was auch immer sie für Dämpfe inhaliert hatte, sie hatten ihren Dienst getan. Endlich erreichte ich den Tempel und trat ein. Lilith erwartete mich bereits.

„Guten Morgen, Jotanate. Deine Schwester ist gerade bei einer Freundin von mir. Wir beide müssen reden. Folge mir“, sagte sie und ich folgte ihr.

Sie brachte mich in einen Raum, in dem noch zwei Männer saßen. Als ich eintrat, sahen beide mich an.

„Ah, willkommen, Jotanate. Remino wirst du noch nicht kennen. Er ist einer der beiden Geistlichen, die dich unterstützen“, sagte der ältere Mann und der Junge erhob sich.

„Es ist mir eine Freude, eure Bekanntschaft zu machen“, sagte er und verbeugte sich sehr förmlich.

„Ganz meinerseits“, sagte ich kühl und ging an ihm vorbei.

Er sah mich nicht an und blieb gebeugt, bis ich ihn passiert hatte. Erstaunlich. Der erste Mann, der so etwas wie Manieren zu kennen schien. Aber letztlich war er ein Mann und damit ein totaler Idiot, der in Frauen nicht mehr als ein Lustobjekt sah. Lilith bot mir einen Stuhl an und ich nahm Platz. Erwartungsvoll ließ ich meinen Blick zu ihr wandern.

„Jotanate, ich muss mit dir über etwas sprechen, was wir Remino gerade schon erklärt haben. Es wird große Auswirkungen auf dein Leben haben.“

„Dann lass hören. Ich habe wenig Zeit“, sagte ich und Liliths Gesicht wurde unglaublich hart.

„In einem anderen Ton, junge Dame. Du bist noch lange nicht so weit, dass du denken könntest, du wärst etwas Besonderes. Also sei mal ein wenig höflicher. Auch zu Remino“, sagte sie und ich lachte innerlich.

Höflicher sein? Wie höflich sollte ich denn sein? Ich hatte doch gerade gute Laune.

„Entschuldigung. Könntet ihr nun bitte fortfahren, damit wir das hier hinter uns bringen können?“

„Du willst es also auf den Punkt gebracht haben. Jotanate, du bist keine reine Elfe. Du bist ein Drache“, sagte sie und ich lachte laut los.

Ein Drache? Ich? Ein Drache hatte mein Haus zerstört und mich und meine Schwester beinahe getötet. Und jetzt sollte ich selbst ein Drache sein? Unglaubwürdiger konnte sie mir ja nicht kommen.

„Ist das alles? Wollt ihr sonst noch etwas? Ich habe wenig Sinn, für solche Scherze“, sagte ich und erhob mich, ohne eine Antwort abzuwarten.

Ich wollte gerade Remino passieren, als er erstaunlich schnell seine Hand bewegte, meinen Arm ergriff und mich auf den Stuhl zurück beförderte.

„Du denkst also, dass es hoffnungslos ist, sich auf andere Menschen zu verlassen? Da liegst du falsch, Jotanate. Deine Seele ist mit Hass und Intoleranz vergiftet. Reinige dich, sonst wirst du bald in einem tiefen Loch voller Sünde und Schmerz versinken“, sagte er und ließ mich los.

Seine Berührung war unheimlich. Es schien mir, als hätte ich das schon einmal von ihm gespürt. Doch ich kannte ihn doch erst seit ein paar Minuten. Und woher konnte er wissen, was ich dachte?

„Wer bist du schon, dass du so etwas sagen kannst? Etwa mein Vater? Der ist von den Drachen getötet worden“, sagte ich und er wollte antworten, als eine weitere Frau in dem Raum erschien.

„Nein, Jotanate. Das ist der Hoffnungsdrache. Er kann deine Hoffnungen und Wünsche spüren. Eine einzige Berührung reicht aus, damit er alles von dir weiß“, sagte sie und ich sah sie an.

Ich hatte sie schon mal gesehen. Sie sah ein wenig aus, wie Aleta. Aber das war unmöglich. Die Göttin würde niemals auf die Erde kommen. Unmöglich.

„Woher wollt ihr das wissen?“

„Ich bin Aleta, deine Göttin. Wenn es etwas gibt, was ich nicht weiß, so sage es mir“, sagte sie und lächelte mich an.

„Ihr wisst alle nichts über mich. Den ganzen Schmerz, den ich auf mich genommen habe. Ihr wisst gar nichts“, sagte ich und Remino stellte sich erneut vor mich.

Leicht legte er einen Finger auf meine Stirn und schloss seine Augen.

„Dein Schmerz sitzt tief. Der Verlust deiner Eltern ist noch immer groß. Die Wut auf dich selbst ist gigantisch. Warum gibst du dir die Schuld an all dem? Du konntest nichts gegen den Drachen tun. Du warst ein kleines Mädchen. Deine Eltern haben sich nicht geopfert, damit aus dir ein verbittertes Mädchen wird. Überwinde deine Zweifel“, sagte er.

Wovon redete er da? Ich hatte mir nie die Schuld am Tod meiner Eltern gegeben. Oder etwa doch? Unbewusst vielleicht. Nein. Er konnte unmöglich Recht haben. Das war gar nicht möglich. Warum sollte er mich besser kennen als ich mich selbst?

„Was auch immer du da redest, du liegt völlig falsch. Warum sollte ich mir die Schuld am Tod meiner Eltern geben? Sie sind gestorben, weil die Drachen mich haben wollten. Damit das nicht gelingt, sind sie nun Tod. Jetzt verstehe ich es. Wenn ich wirklich ein Drache bin und sie das wussten, dann verstehe ich die ganze Handlung nun.“

„Lügnerin“, sagte Aleta und sah mich streng an.

„Ihr wagt es, mich eine Lügnerin zu nennen?“

Mir egal, ob sie eine Göttin war oder nicht. Wie konnte sie meine Worte anzweifeln? War sie etwa dabei? Sie hatte mich nicht eines Blickes gewürdigt. Diese verfluchten Geistlichen behaupteten immer, das Aleta allen helfen würde. Bei mir hatte sie wohl eine Ausnahme gemacht.

„Nicht in diesem Ton. Ich bin nicht umsonst eine Göttin. Meine Kräfte könnten dich zerschmettern.“

Und wenn schon. Was hatte ich zu verlieren? Ich hatte eh alles verloren, was mir wichtig war. Also konnte sie mir auch mein Leben nehmen.

„Solche Gedanken, solltest du nicht haben, Jotanate“, sagte Remino.

Meine Güte, der liest ja wirklich meine Gedanken. Nicht mal dort konnte ich tun was ich wollte.

„Könnt ihr bitte mal aufhören, meine Gedanken zu lesen? Das ist meine Welt. Da drinnen hat niemand etwas zu suchen.“

Aleta seufzte eigenartig. Dann schloss sie ihre Augen und schien irgendeinen Zauber zu wirken. Plötzlich explodierte die Welt vor meinen Augen, in einer völlig neuen Dimension der Wahrnehmung. Plötzlich fiel mir etwas an Remino auf. Ich konnte Bilder aus seiner Vergangenheit sehen. Irgendein eigenartiger Geruch mischte sich immer wieder in die Luft, wenn ich ein Bild sah.

„Was. Was geht hier vor?“

Meine Stimme klang viel panischer als mir das lieb war. Aleta öffnete ihre Augen wieder und sah mich an.

„Ich habe deine Drachenkräfte angesprochen. Du bist der Saphirdrache der Harmonie.“

„So ein Unsinn.“

Sofort verschwanden die Bilder und Eindrücke wieder und ließen mich in einer Welt voller Einsamkeit zurück.

„Es ist die Wahrheit. Remino, würdest du bitte?“

„Jotanate. Aleta hat mir kurz vor dir offenbart, dass ich ein Drache bin und kurzzeitig mir gezeigt, welche Kräfte ich habe. Mittlerweile kann ich einen kleinen Teil davon schon benutzen. Dadurch kann ich deine Vergangenheit sehen, wenn ich dich berühre. Jeden hoffnungslosen Moment. Von denen es ja einige gab. Du wirst das in Zukunft auch können, ob du willst oder nicht. Durch den Geruch einiger Dinge, wirst du harmonische und weniger harmonische Momente sehen. Du bist ein Drache, Jotanate. Das kannst du versuchen zu leugnen, wie du willst. Aber du kannst es nicht ändern.“

Remino schien nicht er selbst zu sein, während er sprach. Es klang, als würde ihm jemand diese Worte in den Mund legen. Kein Wunder. Es war vermutlich diese Göttin, die dachte sie würde gute Arbeit machen. Egal was die hier vorhatten, ich musste hier raus. Sie versuchten mein Leben zu bestimmen. Niemals sollten andere über mein Schicksal entscheiden. Das der Zirkus es damals getan hatte, reichte mir schon. Wie sollte ich hier rauskommen? Selbst als Akrobat, wo ich hoch springen und kurzzeitig in der Luft stehen konnte, war es beinahe unmöglich. Langsam wanderte meine Hand an den Boden, als plötzlich Fesseln aus Licht sich um mich legten.

„Du bist ein verbittertes kleines Mädchen, Jotanate. Du willst also vor dem Schicksal, das ich dir zugedacht habe fliehen? Dem kannst du nicht entkommen. Egal was du versuchst, die Armee der Drachen wird anfangen dich zu jagen, sobald sie wissen, wo du bist. Ich belebe dich kein zweites Mal wieder. Wenn es sein muss, fessele ich dich an diesem Stuhl, bis du vor Verzweiflung selbst aufgibst und dein Schicksal akzeptierst.“

Die Stimme der Göttin war hat und bestimmend. Sie schien sehr gereizt zu sein.

„Ich lasse mich hier nicht zu irgendwelchen Dingen zwingen!“, schrie ich.

Bevor jemand antworten konnte, gab es einen lauten Knall und alle sahen zu dem Fenster. Sie liefen los und erstarrten.

„Das ist nicht möglich“, sagte der Mann und bekreuzigte sich.

„Es ist soweit. Das Schicksal kann nicht geändert werden“, sagte Aleta und verschwand.

„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Lilith und sah Remino an.

„Ich werde versuchen mit ihm zu reden. Jotanate, du begleitest mich“, sagte er und sofort fielen die Fesseln ab.

Hoffentlich dachte er nicht wirklich, dass ich mitkommen würde. Als ob ich auf eine halbe Portion, wie ihn hören würde. Erneut knallte es und eine Erschütterung ging durch das Haus. Vorsichtig näherte ich mich dem Fenster und sah hinaus. Ich machte sofort kehrt und folgte Remino.

Erwacht

Mir war nie aufgefallen, wie lang die Gänge des Klosters zu sein schienen. Musste man schnell heraus, war man einfach zu lange unterwegs. Außerdem waren sie viel zu schmal. Würde mir jemand entgegenkommen, so würden wir zweifelsfrei zusammenstoßen, oder ich musste Abbremsen, um mich an ihm vorbeizuschieben.

 „Verflucht nochmal“, rief ich und die Geistlichen um mich herum sahen mich unverständlich an.

Keiner von ihnen schien zu verstehen, warum ich so wütend war. Mal ganz davon abgesehen, dass sie wohl auch nicht mitbekamen, was passierte. Ich sah kurz nach hinten und sah Jotanate hinter einer Ecke hervorsprinten. Sie schloss schnell zu mir auf.

„Bist du eigentlich wahnsinnig oder willst du sterben?“, fragte sie mich und ich lächelte.

„Ich bin Priester, Jotanate. Mein Leben steht im Dienst der Göttin. Wenn sie mich in ihrem Reich haben will, dann werde ich zu ihr gehen. Ruft sie mich jedoch nicht, werden wir diesen Kampf gewinnen können“, antwortete ich.

Ich konnte genau absehen, das Jotanate mit dieser Antwort mehr als unzufrieden war. Aber das war mir ehrlich gesagt egal. Jetzt zählte nur eins, und zwar Ebine retten. Endlich kam das Eingangsportal in Sicht. Jake, Lirom und mein Bruder standen bereits dort und sahen nach draußen. Von Liram war keine Spur.

„Meriano“, rief ich und er drehte sich um.

„Remino. Was geht hier vor?“, fragte er.

„Das kann ich dir später erst erklären. Geht wieder rein. Das ist keine Aufgabe, die ihr bewältigen könnt.“

Zu meinem Erstaunen gehorchten sie auch sofort. Im Vorbeigehen sah Jake mich eindringlich an.

„Sei vorsichtig. Hab Hoffnung in die Zukunft und du wirst unschlagbar sein.“

Mit diesen Worten ließ er mich hinter sich und verschwand in den Gängen des Klosters. Jetzt sah ich zum ersten Mal richtig auf den Vorplatz. Dort saß ein Drache. Ein sehr kleiner, aber ein Drache. Er hatte weiße Schuppen, die wie Kristalle in der Sonne wirkten. Aleta sei Dank, das die anderen ihn noch nicht hatten sehen können.

„Remino, was ist das?“, fragte Jotanate mich.

„Zweifellos ein Drache.“

Nelana kam zu uns gelaufen. Sie sah verwirrt und erschreckt zugleich aus.

„Wie ist das möglich? Ich dachte die Drachenkräfte sind noch lange nicht erwacht“, sagte sie.

Also war Nelana auch ein Drache. Das konnte nur bedeuten, dass dort Liram saß und die Akademie bedrohte.

„Aleta meinte es gäbe einen Trick, wie wir die Empfindungen wachrufen könnten. Aber eine Verwandlung sollte dies nicht zur Folge haben. Das ist mehr als ungewöhnlich.“

„Ich denke nicht, dass er das Kontrolliert tut. Vielleicht hat eine sehr starke Emotion wie Wut, Angst oder Hass ihn so weit getrieben, dass er sich verwandelt hat.

Damit hatte Nelana die einzige logische Erklärung genannt. Vermutlich lag es wirklich an irgendwelchen Empfindungen. Aber so früh war das dennoch eigenartig. Normal sollten wir nur unsere Empfindungen benutzten können. Das Liram offenbar schon zum Drachen wurde, das war sehr eigenartig.

„Was machen wir jetzt?“

Jotanate riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah sie an. Zum ersten Mal meinte ich einen Anflug von Angst bei ihr zu sehen.

„Angreifen wird wohl wenig Sinn haben, ist aber die einzige Möglichkeit die mir einfällt. Oder habt ihr eine bessere Idee?“

Meine Frage wurde nur mit Kopfschütteln quittiert. Also mussten wir angreifen. Egal wie es ausgehen würde.

„Aleta wird uns in diesem Kampf beistehen. Wir müssen ihn schnell beruhigen, bevor die Drachenjünger ihn bemerken“, sagte ich.

Nelana sah zum Eingang der Stadt und erschauderte. Ich folgte ihrem Blick und hätte beinahe meinen Zauberstab fallen lassen. Dort standen mehrere Goblins angeführt von drei Drachenjüngern. Ihre roten Masken leuchteten förmlich.

„Da ist einer der Drachen, die unsere Meister suchen. Vernichtete ihn“, riefen sie und die Goblins griffen sofort an.

„Super. Da haben wir ja direkt zwei Probleme. Kümmert euch um den Drachenjünger. Ich helfe Liram“, sagte ich und die beiden sahen mich an.

„Lass uns Liram helfen. Du solltest dich nicht solch einer Gefahr aussetzten“, sagten sie beide gleichzeitig.

Sofort trafen sich ihre Blicke.

„Denkst du, du könntest Remino besser helfen als ich?“, fragte Nelana und Jotanate schnaubte verächtlich.

„Halt mal den Ball flach, Prinzessin. Ich bin geschickter, als du es je sein wirst. Er kann sich auf mich mehr verlassen als auf dich“, sagte sie.

Nelana wollte gerade antworten, als ich dazwischen ging.

„Ruhe. Und zwar alle beide. Ihr kümmert euch um die Drachenjünger und ich helfe Liram“, sagte ich und diesmal liefen die zwei los.

Auch wenn sie weiterhin stritten. Kopfschüttelnd sah ich ihnen nach und ging dann auf Liram zu.

„Liram. Du musst dich beruhigen. Es gibt nichts, vor dem du dich fürchten müsstest“, rief ich ihm zu.

Doch das schien ihn gar nicht zu kümmern. Er sah in Richtung Akademie und bewegte sich dann auf sie zu. Was sollte ich nur tun? Einen Drachen konnte ich nicht am Schweif packen und zurückziehen, wie einen Hund. Oder etwa doch? Ich war doch selbst ein Drache. Warum sollte ich also nicht auch die Kraft dazu haben. Schnell lief ich zu Lirams Schweif und griff danach. Sofort sah er mich an und fauchte laut. Meine Güte war er stark. Mit aller Kraft versuchte er sich loszureißen und warf mich so gegen die nächste Hauswand.

„Gut, das war schon mal nichts“, sagte ich und erhob mich wieder.

Ich klopfte den Staub aus meiner Kleidung und lief erneut auf ihn zu. Liram und ich hatten ein sehr angenehmes Gespräch gehabt, in der Nacht wo wir uns kennen gelernt hatten. Vielleicht erinnerte er sich an mich und würde die Kontrolle zurückerlangen. Also stellte ich mich genau in seinen Weg und sah zu ihm auf.

„Liram. Kannst du mich hören? Beende diesen Wahnsinn und beruhige dich“, rief ich.

Der Kopf des Drachen richtete sich genau auf mich. Die Augen waren voller Wut und auch das Maul war angriffslustig verzogen. Er hob seine Pranke, um einen Schlag auszuführen.

Oh Aleta, das kann nicht gut gehen. Das war das letzte, was ich dachte, bevor die Pranke mich erwischte und aus dem Weg fegte. Erneut schlug ich gegen eine Hauswand und fiel zu Boden. Ich erhob mich wieder. Jetzt schmerzte mir der Rücken. Die Aufschläge waren hart gewesen. Ich wunderte mich, dass ich überhaupt noch stehen konnte und keinen Knochen gebrochen hatte.

„Heilung“, rief ich und sofort verschwanden die Schmerzen.

Die Situation schien ausweglos. Was konnte ich tun? Solange ich nicht an mehr Kraft kommen konnte, würde ich Liram niemals aufhalten. Meine Hoffnung schwand langsam wieder. Doch plötzlich schoss Jakes Stimme erneut durch meine Gedanken.

„Hab Hoffnung in die Zukunft und du wirst unbesiegbar sein.“

Hoffen wir mal, dass er Recht hat. Ich lief erneut los. Diesmal konzentrierte ich mich mit aller Macht darauf, Hoffnungsvoll in die Zukunft zu sehen. Und auch die Hoffnung zu haben, dass ich diesen Kampf gewinnen konnte. Irgendwie fühlte ich mich stärker. Ich hob meinen Zauberstab und richtete ihn auf Liram.

„Kettenblitz“, rief ich und sofort schossen die drei Blitze auf ihn zu. Sie prallten an dem Panzer ab und suchten sich mehrere Goblins als Ziele. Na super. Drachen waren also Magieresistent. Jetzt hatte ich keine Ideen mehr. Meine Hoffnung schwand wieder. Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit und Lirams Schweif traf mich erneut. Der Flug ging noch weiter, als die letzten zwei. Diesmal hinterließ ich auch einen Krater in der Wand, auf die ich traf. Und wie konnte es auch anders sein. Es war natürlich die Akademie, gewesen.

„Es ist aussichtlos. Ich kann nichts gegen ihn ausrichten“, sagte ich zu mir selbst und erhob mich erneut.

Die Heilung ließ meine Wunden wieder verschwinden und mich aufatmen.

„Was soll ich tun, Aleta? Liram ist zu stark für mich“, rief ich und sah in den Himmel.

Jeder andere hätte sich wahrscheinlich gefragt, was ich da tat. Doch Aleta erhörte mich wirklich. Auch wenn sie nicht erschien, sie rief mir etwas zu.

„Werde das, was die Zukunft bestimmt“, waren ihre Worte.

Super. Damit konnte ich fast so viel anfangen, wie mit der Aufgabe, Liram zu beruhigen. Doch etwas an diesen Worten, ließ mich stutzen. Was die Zukunft bestimmt. Sollten wirklich Drachen die Zukunft bestimmen? Waren wir schon weit genug, die Kräfte zu erwecken? Egal was es bedeuten mochte, ich musste schnell handeln. Liram begann schon auf die Türe der Akademie einzuschlagen. Ungeachtet der Zauber, die auf ihn niedergingen.

„Ich rufe dich, Kreuz der Wunder“, rief ich und beschrieb mit dem Zauberstab ein Kreuz vor meinem Körper.

Dann nahm ich den Schild nach vorne und ein Lichtkreis flog auf Liram zu. Als er ihn erreicht hatte, zog ich meine Hand nach unten und ein riesiges Kreuz kam aus dem Himmel gefallen. Es landete neben Liram und sendete Lichtwellen aus. Sofort begann der Drache zu schreien und sah es an. Gut so. Ich wollte auch, dass er das Kreuz attackierte. Dort konnte er am wenigsten kaputt machen. Jetzt hatte ich Zeit, um mir eine Lösung zu überlegen. Doch mir wollte einfach nichts einfallen, oder es lief darauf hinaus, dass ich selbst zum Drachen werden musste. Das würde nur nicht funktionieren. Vielleicht könnte es mir gelingen, einen kleinen Teil freizusetzten. Aber mehr auch nicht. Egal es war immerhin eine Chance und eine andere hatte ich nicht. Also los. Konzentration. Denk an alles, was dir all die Jahre Hoffnung gegeben hat. An die Dinge, die in Zukunft noch Hoffnung brauchen. Es funktionierte. Ich spürte, wie eine neue Kraft in mich hineinflutete und mich erfüllte. Sofort konnte ich wieder empfinden wie ein Drache. Meine Fingernägel wurden länger und schon Krallenähnlich.

„Jetzt wollen wir das nochmal versuchen“, sagte ich und das Relikt verschwand.

 Sofort sah Liram sich orientierungslos um und wollte gerade wieder auf die Akademie einschlagen, als ich ihn angriff. Mit einem Sprung kam ich auf seinen Kopf zu und traf auch. Sofort wurde Liram gegen die Wand geworfen und schüttelte sich benommen. Es hatte geklappt. Ich hatte genug Kraft, um ihm die Stirn zu bieten. Wütend kämpfte Liram sich auf die Beine und knurrte mich an.

„Wir müssen nicht kämpfen, Liram. Wenn du dich einfach beruhigst und wieder zur Vernunft kommst, dann sparen wir uns das alles hier.“

Vermutlich würde er mir nicht zuhören, doch irgendwie hoffte ich trotzdem, dass es klappen würde. Tat es aber nicht. Liram öffnete sein Maul und schoss mit einem Feuerball nach mir. Ich wich aus und da wo er den Boden traf, bildete sich ein großer Kristall. Super, so etwas wollte ich nicht unbedingt abbekommen. Für die Ewigkeit in einem Kristall eingeschlossen waren nicht gerade meine Zukunftspläne. Auch wenn ich dann niemals in Vergessenheit geraten würde. Es war einfach zu früh für mich zu gehen. Erneut fauchte der Drache und ich sah ihm tief in die Augen.

„Bindende Strahlen“, rief ich und schoss eine Lichtkugel ab.

Sie fesselte die Pranken und Flügel des Drachen. Dazu drückten sie seinen Kopf auch noch zu Boden.

„Ich wollte das nicht, doch du lässt mir keine Wahl.“

Ich holte aus und schlug ihm auf den Hinterkopf. Hoffentlich funktionierte das bei einem Drachen genauso gut, wie bei einem Menschen. Liram schloss seine Augen und atmete sehr ruhig. Der Göttin sei Dank, dass es geklappt hatte. Im nächsten Moment lag wieder der kleine Krieger vor mir. Seine Hände und Füße waren gefesselt. Er sah so friedlich aus. Nichts erinnerte mehr daran, dass er dieser große Drache gewesen war, der beinahe das Dorf zerstört hatte. Ich sah nach hinten. Die Mädchen kämpften gegen zwei der Drachenjünger. Es sah aus, als würden sie gewinnen. Doch wo war der dritte Mann? Plötzlich tauchte er vor mir auf und schlug nach mir. Er trug Handschuhe, durch die er selbst Klauen an den Händen hatte.

„So sieht man sich wieder, Remino“, sagte der Jünger und lachte.

„Ich pflege den Umgang mit euresgleichen zu meiden.“

„Oh. Aber du warst es doch, der von mir damals verletzt worden war. Stella hat euch zwar kurzzeitig gerettet, doch nicht ewig. Ich will den Stab der Philosophen haben und zwar sofort“, sagte er und ich funkelte ihn wütend an.

Er wusste wohl noch nicht, wer wir waren. Außer vielleicht von Liram. Aber wenn sie es nur von einem wussten, hatten wir einen Vorteil, dass sie sich nur auf einen Drachen einstellten.

„Den wirst du nicht bekommen. Er ist sicher versteckt.“

Der Mann lachte und hob seine Hand. Vorsichtig löste er seine Maske und entblößte sein Gesicht. Erschreckt taumelte ich nach hinten. Vor mir stand der Abt, der mich damals umbringen wollte.

„Überrascht mich zu sehen?“

„Ihr habt uns betrogen? Wieso habt ihr der Göttin den Rücken zugewendet?“

„Ich scheine wohl in Ungnade gefallen zu sein. Die Göttin gibt jedem mehr Kraft, als mir. Deswegen kann ich auch genauso gut für die Drachen kämpfen und werde ihr Diener. Sie geben mir Kraft und Unsterblichkeit.“

„Wollt ihr das wirklich? Ist das euer Antrieb? Unsterblich werden?“

„Was denkst du denn? Du würdest das sowieso nicht verstehen. Der einzige Grund, warum ich dich und deinen Bruder nicht weiter ausgebildet habe, war dass ihr beide mich in den Schatten gedrängt habt. Aleta war zu sehr in euch vernarrt und hat mir keine Beachtung mehr geschenkt. Ihr ward schuld daran, dass ich jetzt ein Drachenjünger bin.“

„Du hast diesen Weg gewählt. Es war deine Entscheidung, die Göttin zu verraten. Wenn du denkst, das sie nur auf dich gucken würde, dann verdienst du es gar nicht, Abt zu sein“, sagte ich und die Mine des Abtes wurde hart.

„Reden und mich wütend machen, bringt dir gar nichts. Ich habe dich damals besiegt und werde es wieder tun. Mit deinem Tod, wird auch der Drache sterben. Es wundert mich eh, dass ein Drache sich solch einen schwachen Körper gesucht hat, wie den des Jungen.“

„Schwäche lässt sich nicht von außen feststellen. Wir finden sie im Geist. Und bei dir sehe ich, dass du sehr schwach bist. Er hingegen ist stark im Geist. Ich kann nicht zulassen, dass du ihm etwas tust.“

Der Abt hob seinen Zauberstab und wollte gerade einen Zauber wirken, als jemand hinter ihm auftauchte. Ein Schlag und er ging zu Boden.

Verraten

Jake stand vor mir uns sah mich an.

„Das wollte ich schon lange getan haben“, sagte er zu mir und lächelte mich an.

„Der Abt missbraucht seinen Einfluss. Remino, ich weiß was vorgefallen ist. Die anderen haben noch keine Ahnung. Lass uns Liram schnell von hier fortbringen und in Ruhe über die Situation reden“, sagte er und ich nickte.

Zusammen gingen wir zu Liram und hoben ihn hoch. Vorsichtig brachten wir ihn ins Kloster und in Jakes Zimmer. Dort befanden sich auch Jotanate und Nelana.

„Seid ihr in Ordnung?“, fragte ich und die beiden nickten.

„Der Göttin sei Dank.“

„Remino. Auch ihr anderen. Es ist wichtig, dass wir über diese Situation reden.“

„Was gibt es da zu reden? Das war Scheiße was da passiert ist. Mehr kann man dazu nicht sagen“, sagte Jotanate und wir sahen sie an.

Letztlich hatte sie Recht. Die Ereignisse waren wirklich ungünstig gewesen.

„Eure Geschwister haben nichts davon mitbekommen. Sie wissen also nicht, wer ihr seid. Das sollte auch so bleiben. Zumindest fürs erste. Es ist zu gefährlich, wenn zu viele Personen euer Geheimnis kennen. Ihr müsst es für euch behalten“, sagte Jake und sah uns eindringlich an.

„Unser Geheimnis? Was genau meinst du?“, fragte ich.

„Ihr werdet ja wohl eins und eins zusammenzählen können. Ihr vier seid Drachen und außer uns sollte das niemand wissen. Es ist besser für euch.“

„Denkt ihr etwa, dass unsere Geschwister uns verraten würden? Keiner von uns würde dieses Geheimnis preisgeben. Wir wissen, was auf dem Spiel steht.“

Nelana Stimme klang leise und fast so, als würde sie jeden Moment anfangen zu weinen.

„Offensichtlich nicht alle von euch. Wie konnten die Drachenjünger sonst wissen, wo ihr seid?“

„Jetzt macht aber mal einen Punkt, Bruder Jake. Ihr denkt doch nicht wirklich, dass einer von unseren Geschwistern, sie hier her geführt hätte. Drachenjünger können Magie über mehrere Kilometer wahrnehmen. Sie werden Liram gespürt haben. In diese Gegend waren ohnehin schon viele Drachenjünger.“

„Es ist nicht einmal diese Tatsache. Ihr seid die einzige Hoffnung, die wir noch haben, wenn die Drachen wieder ihre Kraft erhalten. Nur ihr können sie aufhalten.“

„Oh bitte, Jake, oder wie auch immer ihr heißt. Wir sind Kinder. Was erwartet ihr? Sollen wir sofort aufsteigen in die Himmel und die Drachenkräfte benutzten? Bis vor ein paar Stunden wussten wir nicht einmal, dass wir solche Kräfte haben. Und um ehrlich zu sein, bin ich immer noch skeptisch, was das angeht. Remino mag sie schon benutzten können, zumindest einen kleinen Teil. Aber weder Jotanate, noch ich sind dazu in der Lage. Ihr könnt nicht von uns erwarten, dass wir sofort anfangen die Drachen zu bekämpfen. Außerdem finde ich eure Verleugnungen schon mehr als unangebracht. Unsere Geschwister würden niemals die Drachenjünger hier her führen. Ihr vergesst nämlich, dass wir alle von ihnen angegriffen wurden. Unser aller Leben war in Gefahr. Wenn ihr also erneut solch einen Verdacht äußern wollt, dann denkt vorher nach, ob er auch angebracht ist. Es kann nicht sein, dass wir eure Hoffnung sind und ihr uns als Gefahr betrachtet“, sagte Nelana.

Ihre Worte fand ich gut gewählt. Sie brachte genau auf den Punkt, was wir alle dachten. Auch wenn weder Jotanate noch ich es ausgesprochen hatte, dachten wir das gleiche.

„Ihr seid Drachen. Als solche unberechenbar. Wir müssen eure Kräfte binden, sodass ihr nicht in die Situation kommt, wie Liram. Er hätte beinahe euch alle umgebracht.“

„Nur weil die Drachenkräfte durch die Wut so stark geworden sind, dass er sie nicht mehr kontrollieren konnte. Ihr verwechselt hier einige Dinge. Ich werde meine Kräfte niemals versiegelten lassen“, sagte ich und Jake sah mich streng an.

„Nur weil die Göttin euch diese Kraft gegeben hat, heißt das nicht, dass ihr tun und bestimmen könnt, was ihr wollt.“

Er wollte gerade weitersprechen, als jemand gegen die Türe schlug und sie niederriss. Jermain, Ducan und eine Frau kamen hereingestürmt.

„Ich wusste doch, dass man dir nicht trauen kann, Jake“, sagte Jermain und hob seinen Zauberstab.

„Was sind das denn für Worte, mein Bruder? Warum sollte man mir nicht trauen können?“

„Wir waren uns einig, dass ihre Kräfte nicht versiegelt werden und wir ihnen keine Vorwürfe, wegen irgendetwas machen, das passiert, solange es mit der Drachenkraft zu tun hat. Warum hältst du dich nicht an die Absprachen?“

„Weil es hirnverbrannt ist“, sagte er und zog seinen Streitkolben.

Plötzlich schlug die Frau sich an die Stirn und lachte laut los.

„Jetzt weiß ich es. Du bist selbst ein Drachenjünger. Ich habe mich schon gewundert, warum du den Abt so leicht besiegen konntest. Ein normaler Paladin hätte das nicht gekonnt. Aber ein Drachenjünger kann den anderen locker bezwingen, weil ihre Kraft gleich groß ist. Du hast dich also ebenfalls auf ihr Seite gestellt.“

Jake ließ seinen Streitkolben sinken und sah die Anderen an.

„Ihr habt Recht. Ich bin ein Drachenjünger. Diese Entscheidung bereue ich nicht und weiß genau, was ich tue. Jetzt geht mir aus dem Weg und den vieren hier wird nichts geschehen, was ich abwenden könnte“, sagte er.

„Das ist mir zu wenig. Diese Kinder haben ein Leben verdient. Auch wenn sie auserwählt wurden, haben sie ein Recht darauf, zu leben“, sagte Ducan.

„Drachen, die für Aleta kämpfen, haben kein Recht auf dieser Welt zu existieren. Sie sind es, die uns in das Verderben stürzen werden. Die Göttin ist nicht interessiert an dieser Welt. Nur durch einen neuen Anfang, könnten wir das ändern.“

„Ihr seid doch verrückt. Nur weil wir nicht so sind, wie die Drachen das wollen, heißt das nicht, dass diese Welt zum Scheitern verurteilt ist. Außerdem würdet ihr durch die Dämmerung selbst sterben“, sagte Jermain.

„Aber als Drachen wiedergeboren werden. Wäre das nicht herrlich? Eine Welt voller Drachen? Nur Götter, die sich nichts befehlen lassen müssen und vor allem nicht von einer Göttin abhängig sind. Es ist beinahe zu schön um wahr zu sein.“

Die Worte von Jake klangen, als wäre er felsenfest davon überzeugt. Doch für welchen Preis? Er hatte sich also entschieden, den vier Drachen der Dämmerung zu helfen, damit die Welt untergehen konnte und die Menschen als Drachen wiedergeboren wurden. Aber dafür gab es doch gar keine Beweise, dass es wirklich so kommen würde. Wenn die Drachen lügen würden, dann wäre die Welt untergegangen und wir alle Tod.

„Jake, warum glaubst du an diese Lehre? Wer garantiert dir, dass du wirklich wiedergeboren wirst? Die Welt, die man dir verspricht klingt nicht lebenswert. Willst du das wirklich?“, fragte ich und er sah mich an.

„Denk doch darüber nach, Remino. Eine Welt voller Drachen. Selbst wenn sie nicht so sein würde, wie man uns verspricht, wäre Aleta nicht mehr da. Bist du es nicht leid, dass sie dein Leben vorgibt? Du kannst nichts selbst entscheiden, wenn sie nicht damit einverstanden ist.“

„Jake, du hast diesen Weg gewählt. Wärst du kein Paladin, müsstest du das auch nicht tun.“

„Und dennoch musst du, wenn du deine Magie anwenden willst, Geistlicher werden. Sonst hast du keine Chance zaubern zu lernen. Diese Welt ist voller Intoleranz und kranker Seelen. Wir müssen sie von solchen Menschen säubern, indem wir die Dämmerung herbeiführen. Liram ist der erste Drache, der sterben wird“, sagte Jake.

„Jake, ich bitte dich. Lass Vernunft walten und komme auf den Pfad der Göttin zurück“, sagte Jermain und Jake lachte.

„Die Göttin ist es, die den Weltuntergang herbeiführt, mit ihren Gesetzten und Richtlinien. Auch diese verfluchten Hexen. Sie sind der Inbegriff von Intoleranz und Eitelkeit. Alles was ich tue, tue ich aus Überzeugung. Der gleiche Überzeugung, die ich auch zu Aleta einst hatte.“

Oh je. Jakes Schmerz saß tief. Ich wusste nicht, was ihn so wütend machte und was ihm diesen Glauben verlieh, doch es tat ihm nicht gut.

„Jake, mein Bruder. Bitte, lass deine Waffe sinken“, sagte ich doch er hörte gar nicht auf mich.

Er schloss seine Augen, drehte sich um und lief auf Liram zu.

„Nein!“, schrie Ducan und warf seinen Hammer.

Doch Jake schlug einfach dagegen und schickte ihn zu Ducan zurück. Der Krieger ging zu Boden und blieb liegen. Die Kraft, die Jake einsetzte, war einfach unglaublich. Ich hatte noch nie gesehen, dass jemand gegen eine Waffe geschlagen hatte um sie so wieder zurück zu schicken. Unglaublich. Würden wir das auch können, wenn wir unsere Kräfte erweckt bekämen? Später. Jetzt mussten wir erst einmal Liram helfen. Er lag immer noch auf dem Boden und Jake hatte ihn fast erreicht.

„Bindendes Siegel“, rief ich und sofort wurde Jake von Ketten aus Licht gefangen.

Er sah mich nur kurz an und lachte dann. Natürlich ergab er sich nicht seinem Schicksal, sondern kämpfte gegen die Ketten an. Zu meinem Bedauern schaffte er es sogar sich langsam zu befreien. Zwar langsam, doch er schaffte es. Hilflos sah ich zu Nelana und Jotanate, die offensichtlich nicht wussten, was sie tun sollten.

„Stirb, Drache“, rief Jake und hob seinen Drachenjünger Zauberstab.

Sofort waberte schwarzer Nebel um ihn herum. Doch bevor er zuschlagen konnte, flog etwas an mir vorbei und erwischte Jake genau an der Brust. Mit einem Aufschrei ging er zu Boden. Langsam drehte ich mich um. Am Eingang stand ein weiterer Geistlicher. Seine Haare waren so geschnitten, als hätte er dabei einen Topf auf dem Kopf gehabt.

„Da bin ich ja im richtigen Moment gekommen“, sagte er und Jermain verbeugte sich vor ihm.

„Willkommen, Meister Thomas“, sagte er und der Mann lächelte.

Das sollte Thomas sein? Der Sohn unseres Papstes. Eigentlich hatte ich ihn mir anders vorgestellt. Er trug die gleiche Robe, wie Jermain auch und sah nicht wirklich aus, als wäre er ein Bischof.

„Danke, Jermain. Ich habe gehört, dass Drachenjünger hier vermehrt aufgetaucht sind. Mit dem nächsten Transport bin ich sofort aufgebrochen. Wie ich sehen kann, auch im richtigen Moment. Viele unserer Brüder haben ihren Glauben in die Göttin verloren und sind, wie Jake, abtrünnige. Sie tun alles um zu verhindern, dass die guten Drachen wieder zu Kräften kommen oder die Menschen ihr Vertrauen in Aleta zurückgewinnen. Es ist eine Katastrophe. Wir stehen einer nie gekannten Bedrohung gegenüber.“

„Das stimmt. Auch wir Hexen können nicht leugnen, dass dies schwere Zeiten sind. Die Schwestern verweigern sich jedem, außer anderen Hexen, aus Angst vor Abtrünnigen. Selbst Cynthia ist noch biestiger als sonst und sieht sogar in jeder Hexe eine Verräterin“, sagte Tiana und Thomas legte seine Stirn in Falten.

„Es ist ernst. Ich bin hier, um die jungen Drachen zu sehen. Wo sind sie?“

„Sie stehen direkt vor euch“, sagte Jermain und wendete sich dann Ducan zu.

Thomas sah in unsere Richtung und musterte uns ganz genau. Seine Augen schienen jede Faser unseres Körpers auf die Probe zu stellen.

„Ihr seid also die jungen Drachen, die Aleta ausgesandt hat, dem ganzen Spiel ein Ende zu bereiten.“

„Es scheint beinahe so“, sagte ich und ging dann zu Liram.

Er lag neben Jakes Bett und rührte sich immer noch nicht. Vorsichtig hob ich meine Hand und ließ meine Magie den Körper untersuchen. Allerdings konnte ich, zum Glück, keine Wunden feststellen. Liram war einfach nur erschöpft, mehr nicht.

„Aleta hat eine gute Wahl getroffen, euch zu nehmen. Ihr seid stark.“

Die Worte von Thomas ließ ich einfach an mir vorbeilaufen. Sie sollten mich gar nicht erst treffen. Was sollte dieses ganze Gerede immer von Stärke und all dem. Wir waren Menschen. Daran konnte keine Tatsache etwas ändern. Egal wie oft sie uns sagen würde, dass wir stark seien, blieben wir doch Menschen.

„Es reicht mir langsam mit diesem Gerede von Kraft. Wir haben sie nicht gewollt und Aleta hat sie uns gegeben, ohne zu fragen. Ich will mir nicht dauernd anhören müssen, das wir stark seien oder sonst irgendetwas“, sagte Nelana und wir pflichteten ihr bei.

„Ich kann verstehen, dass dies eine neue Situation für euch ist.“

„Eine neue Situation? Unser gesamtes Leben ist mit einem Schlag zusammengebrochen. Wir werden niemals ein richtiges Leben haben können. Keine Familie gründen und auch nicht Kinder haben, falls wir das irgendwann mal wollen. Ihr könnte euch nicht einmal vorstellen, was in uns vorgeht“, sagte Jotanate.

Zum ersten Mal musste ich ihr in diesem Punkt Recht geben. Die anderen konnte nicht einmal ansatzweise erfassen, was in uns vorging. Wir waren Drachen. Zumindest war es das, was man uns erzählt hatte. Wir hatten schon eine Ebene der Wahrnehmung betreten, die wir noch nicht gekannt hatten. Und doch fühlte sich das alles so fremd an.

„Beruhigt euch doch bitte. Wut wird uns nicht weiterbringen“, sagte Thomas und in den Gesicht der Mädchen konnte ich ihre Angriffslust ablesen.

„Wut hat uns überhaupt erst in diese Situation gebracht. Wären die Drachen nicht wütend auf Aleta, wäre dieser Krieg nie entstanden. Es ist eine kranke Welt, in der wir leben. Die Menschen trauen sich nicht, zu sagen was sie denken und wenn schon, dann sterben sie dafür. Ich mag diese Welt nicht, das stimmt schon und ich würde sie auch gerne ändern. Aber“, sagte Nelana und drehte sich zu Liram.

„Wie ihr sehen könnte, ist Wut nicht der richtige Weg. Liram konnte die Kräfte nicht mehr kontrollieren. Es kann sein, das die Situation eskaliert. Deswegen könnt ihr nicht sofort annehmen, dass wir die braven Kinder sind und genau das tun, was ihr uns sagt. Wir haben auch noch ein Leben. Auch wir hätten gerne mal Zeit für uns, um das alles zu verarbeiten.“

Thomas sah Nelana an und danach Jotanate. Nach ihr, wanderte sein Blick zu mir. Seine Augen schienen nach Hilfe zu rufen. Erwartete er jetzt, dass ich gegen Nelana und Jotanate redete und ihm half? Nein ganz bestimmt nicht. Sie hatten genau das gesagt, was ich auch dachte. Diese Situation war eskaliert. Liram war überhaupt erst so weit gegangen, weil ihn jemand so weit getrieben hatte. Eigentlich konnte nur Ducan der unglückliche gewesen sein. Doch offensichtlich hatte er keine Kratzer einstecken müssen. Wenn ich schon kleine Krallen bekam, wenn ich nur einen Teil meiner Kraft aktivierte, was passierte dann erst, wenn ich sie vollständig erweckte?

„Ich bin ganz ihrer Meinung. Aleta hat uns diese Aufgabe gegeben, ohne uns zu fragen. Ihr gebt uns nicht einmal eine Minute Zeit, über die ganze Situation nachzudenken oder sie zu akzeptieren. Von mir braucht ihr nicht zu erwarten, dass ich mich gegen Nelana oder Jotanate stelle. Sie vertreten genau die Meinung, die auch Liram haben wird. Also rate ich euch, uns Zeit zu geben und es nicht eskalieren zu lassen. Wer weiß, wer von uns als nächstes die Kontrolle verliert und vielleicht nicht gestoppt werden kann“, sagte ich und Thomas Blick wechselte von flehend zu wütend.

„Ihr seid doch nicht weiter als“, begann er, doch Jotanate stoppte ihn.

Sie stand so schnell neben ihn und hatte ihren Bogen in der Hand, dass er nicht einmal reagieren konnte.

„Passt auf, mit dem was ihr sagt. Für Remino und Jermain mögt ihr ein Heilig sein. Doch für mich seid ihr nur ein Mensch. Ein ganz normaler Mensch. Und ich werde nicht zögern, euch zu töten, wenn ihr nicht ganz schnell darüber nachdenkt, was ihr hier sagt und tut“, sagte sie kühl.

Ihre Stimme klang wirklich bedrohlich. Ich bekam eine richtige Gänsehaut. So hatte ich sie noch nicht erlebt. Irgendetwas an ihr schien auch nicht ganz zu stimmen. Und mir fiel auch sofort auf, was es sein konnte. Ihre Fingernägel waren normal sehr ordentlich geschnitten. Doch jetzt waren sie länger und Spitz. Also war Jotanate wütend und zwar schon ziemlich wütend. Wenn Thomas jetzt nicht auf sie hören würde, dann konnte Jotanate sonst etwas tun und selbst zum Drachen werden und sie wäre nicht so einfach zu beruhigen oder auszuschalten, wie Liram. Ich beschloss darauf zu vertrauen, dass Thomas genug Feingefühl hatte, um zu merken, wenn er zu viel auftrug und nicht weitermachen sollte.

„Beruhigen wir uns alle wieder. Kampf kann nicht der beste Weg sein.“

Jotanate ließ ihn wieder willig los und stellte sich dann neben mich zu Liram.

„Ich schwöre dir, wenn er nicht gleich aufhört zu reden, passiert ihm noch ein Unglück, Remino. Du musst irgendetwas unternehmen, damit er wieder geht“, flüsterte sie mir zu und ich verstand was sie meinte.

„Thomas. Wir würden uns gerne ein wenig ausruhen. Es wäre schön, wenn ihr mit euren Fragen und Ausführungen bis morgen warten könntet“, sagte ich und er sah mich an.

„Also zuerst einmal bin ich für dich nicht Thomas sondern Bischof.“

Das war genau das, was ich vermeiden wollte. Einen Vortrag der wer weiß, wo der Enden würde und was Jotanate dann tat.

„Und zum zweiten, habe ich nicht vor zu warten. Wir werden sofort aufbrachen zum Heiligen Hafen. Mein Vater erwartet euch.“

Ich sah Jotanate an. Sie hatte ihre Augen geschlossen und versuchte sich zu beherrschen. Ich hoffte inständig, dass es ihr gelingen würde. Doch schon nach kurzer Zeit, sah ich, dass sie nicht mit ihrer Wut umgehen konnte. Sofort drehte ich mich zu Thomas um und sah ihn an.

„Wenn ihr noch weiter macht, erweckt ihr den nächsten Drachen, den wir zu zweit nicht mehr stoppen können. Raus mit euch. Jotanate steht kurz davor zu explodieren, weil ihr nicht wisst, wann es Zeit ist aufzuhören. Hinaus!“, schrie ich ihn an.

Unverständlich sah Thomas mich an und lachte dann.

„Sei nicht albern, Remino. Jotanate kann mit ihrer Wut sehr gut umgehen. Außerdem habe ich nicht zu befürchten, denn die Göttin lächelt auf mich herab“, sagte er.

Das war nun endgültig zu viel für sie. Jotanate öffnete ihre Augen wieder. Ihr war es gelungen noch mehr kraft freizusetzten, als vorher. Ihre Augen leuchteten golden und auch ihre Zähne hatten sich schon verändert. Blitzschnell drehte sie sich herum und knurrte Thomas an. Unserer Lehrer an der Türe sahen sofort zu ihr und zogen ihre Waffen.

„Steckt die Waffen weg. Wenn sie schon so weit ist, dann hat Magie überhaupt keine Wirkung auf sie“, sagte ich und sie sahen mich an.

Langsam ließen sie ihre Waffen wieder sinken und warteten darauf, was passieren würde.

„Ihr erdreistet euch zu behaupten, dass ihr unter Aletas Segen steht? Die Göttin liebt jeden Menschen. Doch euch wird sie bald nicht mehr sehen können, wenn ihr weiterhin redet“, sagte Jotanate.

Ihre Stimme klang unheimlich tief. Das musste wohl die Stimme des Drachen gewesen sein. Langsam tastete Thomas nach seinem Streitkolben, bevor Jotanate auf ihn zusprang, seinen Streitkolben hervorriss und ihn dann aus dem Fenster warf. Sie stieß ihn gegen die Wand und wollte gerade zuschlagen, als Nelana sofort neben ihr stand.

„Lass es, Jotanate. Mach uns nicht alle unglücklich“, sagte sie und hielt ihre Hand fest.

Zitternd sah Jotanate sie an und schien sich wirklich ein wenig zu beruhigen. Sie ließ von Thomas ab und zog sich in eine ruhige Ecke im Raum zurück. Vorsichtig ging ich zu ihr und legte meinen Arm auf ihre Schulter. Sie schien zu weinen. Sie ergriff meine Hand und zog mich zu sich. Still weinte sie vor sich hin, während Nelana begann Thomas anzuschreien. Ich verstand zwar nicht einmal die Hälfte, doch das was ich verstand, hatte sich gewaschen.

„Es ist gut, Jotanate. Alles ist wieder gut“, sagte ich zu ihr und sie nickte leicht.

„Ich war so wütend“, schluchzte sie.

„Es gibt keinen Grund mehr beunruhigt zu sein“, sagte ich.

Sie schluchzte laut vernehmlich, bevor Lilith hinter mich trat.

„Remino, ich übernehme das. Hilf du Nelana“, sagte sie und ich sah sie unverständlich an.

„Warum? Ist etwas passiert?“, fragte ich und hörte, wie ein Zauberstab, gegen ein Schild schlug.

Sofort sah ich zum Eingang und musste feststellen, das Nelana am Boden lag und Jermain gegen Thomas kämpfte.

„Was geht da vor?“

„Thomas ist auch ein Drachenjünger, genau wie Jake. Liram hat ihn direkt hier her geführt. Wir müssen fliehen“, sagte Lilith und ich sah sie an.

„Ich kann nicht gehen, solange mein Bruder noch hier ist und Jermain nicht in Sicherheit. Ich habe meine Mutter einst verloren und möchte meinen Meister nicht jetzt auch sofort verlieren“, sagte ich und erhob mich.

Langsam ging ich auf die Türe zu, ohne auf Liliths Warnrufe zu reagieren. Vorsichtig suchte ich Nelana nach Wunden ab. Als ich keine fand, ging ich weiter auf Jermain zu. Er wich einem Schlag von Thomas aus und bekam im nächsten Moment Thomas Schild ins Gesicht geschlagen. Mit einem aufstöhnen ging er zu Boden.

„Sofort aufhören“, sagte ich und Thomas sah mich an.

Sofort verbreiterte sich sein Lächeln. Er ließ seinen Zauberstab sinken und steckte ihn sogar ganz weg.

„Remino, mein Kleiner. Du musst unheimlich unter der Last des Drachen leiden. Lass mich dir helfen und ihm ein für alle Mal ein Ende bereiten“, sagte er und hielt mir seine Hand hin.

„Genau wie ihr Nelana geholfen habt? Oder Jotanate? Ihr seid kein Mensch mehr, Thomas. Auch ihr habt die Göttin verraten.“

„Ich habe Aleta nicht verraten. Sie hat uns verraten, Remino. Verstehst du das nicht? Wir wurden von ihr benutzt, um ihre Kräfte zu stärken. Die Menschen sind Aleta nichts mehr wert. Sie hat ihren Glauben an uns verloren.“

„Nein, Thomas. Du hast deinen Glauben in sie verloren. Du denkst, das Aleta die Welt nicht mehr will. Doch da liegst du falsch. Aleta liebt diese Welt und jeden einzelnen Bewohner hier. Sie hat die Drachen erschaffen, um für Ordnung und Gleichgewicht zu sorgen. Ihr seid es, die nun dieses Gleichgewicht stören und Aleta dazu zwingt, so zu handeln, wie sie es tut.“

Er lachte laut los, während hinter mir Nelana sich wieder erhob. Sie rieb sich ihren Kopf und setzte sich nur langsam wieder hin. Sehr gut. Wenn auch sie wieder kampfbereit war, dann hatten wir eine Chance. Wenn ich Thomas lange genug ablenken konnte, bis sie wieder bei Kräften war, dann würden wir in die zweite Runde eintreten.

„Wirklich, Thomas. Deine Ansichten sind wie die von Jake. Einfach voller Lücken und völlig weltfremd“, sagte ich und er sah mich wieder an.

„Ich erwarte nicht, dass ein Kind wie du das ganze versteht. Doch lass dir eins gesagt sein. Die Welt, wie du sie kennst, wird bald enden, wenn meine Herren beginnen Jagd auf Aleta zu machen. Bald schon, haben sie ihre Kraft entfaltet und können nicht mehr aufgehalten werden. Auch nicht von den vier Drachen, die Aleta wiederbelebt hat“, sagte Thomas.

Mittlerweile stand Nelana wieder und hatte ihre Waffen in der Hand. Ich konnte, aus dem Augenwinkel sehen, dass sie bereit war, anzugreifen.

„Also sind die Drachen schon weit genug, wieder zu fliegen?“

„Du hast keine Ahnung, zu was meine Meister fähig sind. Sie können viel mehr erreichen, als ihr euch ausmalen könnt“, sagte Thomas und führte seine Hand langsam zum Zauberstab.

„Jetzt, Nelana“, rief ich und sprang auf Seite.

Sofort entfesselte sie einen Feuersturm, der Thomas traf und durch die Wand warf.

„Danke, Nelana“, sagte ich und sie lächelte.

„Diese Drachenjünger sind zäh. Ich glaube nicht, dass er lange braucht um hier wieder aufzutauchen. Wie können wir sie besiegen?“, fragte sie und ich begann zu überlegen.

Es hieß, das Drachenblut aus den Jüngern halbe Drachen machen würde. Also konnte ein Drache sie schlagen.

„Unsere Kräfte. Wenn wir die Drachenkraft benutzten, dann sind wir stark genug, ihn zu schlagen“, sagte ich und sah zu Liram.

Er lag immer noch dort und rührte sich nicht. Tiana stand mittlerweile neben ihm und untersuchte ihn.

„So ein Schwein. Jake hat ein Siegel um Lirams Geist gelegt. Wenn ich das gebrochen bekomme, ist er wieder wach“, sagte sie, nachdem ich sie auf seinen Zustand angesprochen hatte.

„Dann versuch es. Wir werden ihn brauchen, im Kampf gegen Thomas“, sagte ich und sie nickte.

Sofort machte sie sich an die Arbeit.

„Nachdem Jotanate aus dem Rennen ist, sind nur noch wir zwei übrig“, sagte ich und sah zu Jotanate, die sich immer noch trösten ließ.

„Das sieht nicht gut aus, Remino. Wenn Thomas hier wieder auftaucht, können wir nur hoffen, dass wir zwei es schaffen ihn abzulenken, bis Tiana fertig ist. Meinst du, das schaffen wir?“, fragte sie und ich wollte gerade antworten, als unsere Geschwister gelaufen kamen.

„Was geht hier vor?“, fragte Jatana und sah zu ihrer Schwester.

„Die Drachenjünger greifen an. Wir versuchen gerade Liram und Jotanate zu beschützen“, sagte ich und sofort liefen Jatana und Lirom zu ihren Geschwistern.

„Wer greift denn genau an?“, fragte Meriano mich und ich wollte schon antworten, als Thomas wieder vor uns stand.

„Dachtet ihr wirklich, ihr könntet mich besiegen? Ich bin unbesiegbar. Ein halber Drache und somit so stark, wie die Göttin selbst.“

Kopfschüttelnd sah ich ihn an und dann Kalira und Meriano.

„Er ist kein Gegner für euch. Wir machen das schon“, sagte ich doch die zwei winkten ab.

„Ihr zwei seid alleine auch nicht stark genug. Wir müssen euch helfen“, sagte Kalira und zog ihre Waffen. Einen Zauberstab und eine Kristallkugel. Meriano zog seinen Streitkolben. Thomas lachte nur und hob ebenfalls seine Waffe.

„Jetzt wird sich zeigen, ob Aleta einen Fehler gemacht hat, oder nicht“, sagte Thomas und griff an.

Meriano stellte sich vor uns und fing seine Schläge ab. Jeder einzelne Schlag fand sein Ende an Merianos Deckung. Kalira schlug ihren Stab auf die Kugel und rief eine Gravitationskugel, die Thomas zu Boden drückte. Nach einiger Zeit hörte er auf anzugreifen und sah uns an.

„Ich hatte euch nicht für so schwach gehalten, dass ihr nicht selbst in den Kampf eingreift. Habt ihr Angst, dass sie etwas erfahren könnten? Fürchtete ihr euch wirklich so sehr vor der Wahrheit?“

„Was meint er?“, fragte Meriano und ich musste innerlich aufschreien.

Eigentlich hatte ich nicht vor gehabt, es ihnen zu sagen. Das würde nur Probleme mit sich bringen. Doch wie sollten wir dieser Situation jetzt noch retten?

„Er meint, dass er erwartet hätte, dass wir stärker wären als ihr. Mehr nicht“, sagte Nelana und wendete so die Katastrophe geschickt ab.

Solange Thomas jetzt nicht nachbohren würde, wäre unser Geheimnis auch noch sicher. Doch war Thomas jetzt wirklich dezent genug?  Er würde vermutlich sofort nachbohren und weiter auf unserem Geheimnis herumreiten. Doch er tat nichts dergleichen. Er lachte nur und hob seinen Zauberstab.

„Ihr ungläubigen werdet sterben, dafür sorge ich. Aber nicht heute. Merkt euch meine Worte. Die Drachen werden euch vernichten“, sagte er und wollte gehen, als Nelana ihn erneut attackierte.

Feuerbälle und andere Zauber gingen auf Thomas nieder, verfehlten aber ihre Wirkung meilenweit. Thomas lachte und schien Nelana immer wütender zu machen. Ihre Feuerbälle wurden größer und größer, bis Thomas plötzlich bemerkte, das er langsam die Kontrolle über ihre Zauber verlor. Erstaunt wich er einem Feuerball aus und schoss einen Blitz nach Nelana. Doch er wurde von einer Flammenwand aufgehalten.

„Was für ein teuflischer Trick ist das?“, fragte er und ich sah ihn an.

„Das sind die Kräfte, die wir haben“, sagte ich und er sah mich erstaunt an.

„Dann haben meine Herren gelogen. Ihr seid doch stärker, als wir alle gedacht haben. Einem Drachenjünger die Stirn zu bieten ist nicht möglich. Auch wenn ich sterbe, wird es noch genug Andere geben, die euch aufhalten können“, sagte er und ging im nächsten Moment in Flammen auf.

Nelana atmete schnell und hatte ihre Hand noch auf dem Zauberbuch liegen.

„Du hast einen Feuerball mit bloßer Hand geworfen?“, fragte Kalira sie und sie nickte.

„Mutter konnte das auch. Ich habe diese Technik mit meiner Wut erlernt. Es ist einfacher, als man denkt.“

Diese Antwort schien Kalira nicht richtig zu befriedigen, aber sie hakte nicht nach. Es war auch besser so. Die Antwort hätte ihr eh nicht gefallen. Nelana hatte die Drachenkraft verwendet, würde das ihrer Schwester aber nicht auf die Nase binden. Ich sah sie an. Langsam beruhigte sich ihr Puls und sie ließ ihre Waffen sinken. Thomas war tot. Der Bischof Thomas, hatte die Göttin verraten und dafür auch den Preis zahlen müssen. Es tat mir weh, einen Bruder wie ihn gehen zu sehen, doch nachdem, was er getan hatte, gab es keinen Ausweg mehr. Jetzt war es langsam so weit, das wir keinem mehr trauen konnten. Traurig aber wahr. Die Geistlichen konnten alle Abtrünnige sein, die eigentlich für die vier Drachen der Dämmerung arbeiteten. Ich sah zu Tiana und musste feststellen, dass es ihr immer noch nicht gelungen war, Liram aufzuwecken.

Der Kristalldrache

„Wo bin ich?“, fragte ich und sah mich um.

Die Umgebung war mir fremd. Vor mir war alles weiß und hören konnte ich auch nichts. Was war das nur für ein Ort? War ich vielleicht tot und wusste es nicht? Aber dafür fühlte mein Körper sich zu gut an. Obwohl, woher wollte ich schon wissen wie es sich anfühlte tot zu sein? Das musste ein magischer Trick sein, den eine Hexe auf mich angewendet hatte. Moment woran erinnerte ich mich eigentlich noch? Ducan hatte mit mir gesprochen und ich war wütend geworden. Warum wusste ich nicht einmal mehr genau. Dann war alles schwarz geworden, bis ich hier wieder aufgewachte. Also was war passiert?

„Menschlein. Es war sehr dumm, was du getan hast“, sagte eine laute und tiefe Stimme zu mir.

„Wer ist da?“, fragte ich und richtete mich auf.

„Du weißt wer ich bin.“

Mit der Antwort konnte ich sehr viel anfangen.

„Ich kenne nicht viele Wesen, mit einer Stimme wie deiner. Also wenn ich ehrlich bin eigentlich gar keine.“

„Du weißt genau, dass das nicht stimmt. Du hast mich schon gesehen und auch gerufen. Erinnerst du dich nicht?“

„Wenn ich dich nicht kenne, wie soll ich dich dann gerufen haben. Das ergibt doch keinen Sinn."

„Fällt es dir immer noch nicht ein, wer ich sein könnte? Ich gebe dir noch einen Hinweis. Ich bin Schuld daran, dass du niemals ein normales Leben führen werden kannst.“

Der Kristalldrache sprach zu mir? Waren wir nicht eins? Aleta hatte doch behauptete, das ich dieser Drache sei. Wie konnte er also zu mir sprechen?

„Ich dachte, ich bin der Drache“, sagte ich und die Stimme lachte laut los.

Langsam zeichnete sich ein Wesen vor mir ab. Es war ein großer Drache, dessen Schuppen wie Kristalle leuchteten. Er war majestätischer, als ich mir je hätte erträumen können. Flügel, so groß wie Häuser. Sein Kopf alleine war gewaltig.

„Unwissender. Aleta hat gesagt, dass du der neue Drache wirst. Doch meine Seele erfüllt deinen Körper. Sie hat dich benutz, um mich wieder zu Kräften kommen zu lassen. Mein Körper war der Preis, den ich zahlen musste um meine Geschwister zu bannen. Deswegen brauchte ich einen anderen Körper, um wieder aufzuerstehen. Deine Wut, hat meine Kräfte aktiviert und deinen Körper verwandelt. Du, Liram, hast der Welt den Kristalldrachen eindrucksvoll vorgestellt. Doch auch ohne meine Seele warst du kein normaler Mensch.“

„Was?“, fragte ich und rieb mir den Kopf.

„Um es einfacher auszurücken, Aleta hat unsere Seelen an euch gegeben, weil sie dachte, wir wären tot. Doch letztlich sind wir Götter und können nicht so einfach sterben. Unsere Körper mussten irgendwann zurückkehren. Ich bin mir sicher, dass du das nicht glauben wirst, aber du bist meine Reinkarnation gewesen.“

„Moment mal. Aber warum sollten ich deine Rein, Dingsda, sein?“

„Ist das so schwierig zu verstehen? Eine Reinkarnation muss keinen Sinn haben. Meine fleischliche Hülle wurde abgelegt und mein Geist ist mit dir wiedergeboren worden.“

„Das ergibt doch keinen Sinn.“

„Doch, Liram. Der Schöpfer der Drachen hat entschieden, dass ich in deiner Gestalt wieder auferstehen soll. Das ich aktuell so zu dir sprechen kann, liegt rein an Aleta.“

„Aber Aleta hat doch die Drachen erschaffen. Müsste sie das dann nicht gewusst haben?“

Der Kristalldrache begann zu lachen und legte sich vor mir zu Boden. Sein gewaltiger Kopf lag nun genau vor mir.

„Der Schöpfer der Drachen und Aleta sind zwei Personen. Das wirst du irgendwann verstehen, wenn die Zeit reif ist.“

„Das ist alles so verrückt“, sagte ich.

„Du meinst wohl eher Surreal, Menschlein.“

„Su was?“

„Wie ich sehe ist meine Weisheit in dir nicht erhalten geblieben. Das ist aber kein Problem, wir werden auch so überleben.“

„Also bin ich so oder so du?“

„Bravo, du scheinst es langsam zu verstehen.“

„Sehr lustig. Aber wenn ich schon mal mit dir reden kann. Warum führt ihr diesen Krieg immer weiter?“

„Weil es und befohlen wird.“

„Von wem?“

„Von ihm. Es tut mir leid, Liram Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich würde es dir gerne erklären, aber musste einen Eid leisten, dass ich nicht darüber sprechen darf. Der wahre Grund für diesen Krieg wird auf Ewigkeiten vergessen bleiben.“

„Das wir der Göttin helfen, stimmt aber hoffentlich, oder?“, fragte ich.

Der Drache schnaubte und einer Rauchwolke umhüllte mich.

„Die Göttin ist eine falsche Schlange. Es ist überliefert, dass sie in ihren Schlaf gefallen ist, weil ihre Kräfte aufgebraucht waren, oder?“

 „So ist die Geschichte geschrieben und wird überliefert.“

„Alles erfunden. Die Göttin hat den Kampf gegen uns Zwölf verloren. Die Wahrheit liegt jedoch noch tiefer. Wir haben nicht die Zeit, dass ich dir alles genauer erkläre. Doch sagen wir es so, das hier ist nicht unser erster Kampf mit Aleta und den Dämmerungsdrachen. Und wäre Aleta nicht so dumm gewesen, dann wäre es vielleicht gar nicht mehr dazu gekommen. Das Siegel, auch wenn es unsere Kraft aufgebraucht hatte, war perfekt. Unsere Körper dafür zu opfern war die richtige Entscheidung.“

„Aber was du mir doch versuchst zu sagen ist, dass nicht die Dämmerungsdrachen die eigentlichen Feinde sind, sondern die Göttin?“

„Exakt. Du bist doch nicht so dumm, wie ich dachte. Das war auch nicht möglich. Aleta versucht euch zu manipulieren, damit ihr vollendet, was sie begonnen hat.“

„Das klingt ja grauenhaft.“

„Weißt du eigentlich, warum ihr getrennt von eurem Geheimnis unterrichtet wurdet?“

„Wie meinst du das? Das unsere Geschwister nicht mit dabei waren?“

„Ja. Wenn es jemand verstanden hätte, dann doch wohl sie. Der Grund dafür liegt in.“

Die Stimme des Drachen verstummte und ich hörte eine Frauenstimme, die mich zum Aufwachen aufforderte. Sie übertönte die Stimme des Drachen und ich konnte ihn nicht mehr verstehen. Die weiße Umgebung verschwand und ich fand mich im Dunkeln wieder.

„Wach auf, Liram“, sagte die Frau und verärgert versuchte ich meinen Augen zu öffnen.

Das Gesicht der Frau sah streng aus und ihre roten Haare verhalfen ihr zu einem sehr bedrohlichen Aussehen.

„Na endlich bist du wach“, sagte sie und zog ihren Kopf zurück.

„Remino, er ist wach“, sagte sie und sofort kamen sie alle zu mir.

Alle außer Jotanate.

„Geht es dir gut?“, fragte Remino mich und sah mir tief in die Augen, als wolle er sagen: „Wage es ja nicht, etwas falsches zu antworten.“

„Ja, einigermaßen. Ich hatte gerade einen unheimlichen Traum gehabt“, gab ich zurück und sah mich um.

„Sieht aus, als hätte ich eine Menge verpasst.“

„Kann man so sagen. Drei Drachenjünger haben uns angegriffen, während du ein Nickerchen gemacht hast“, sagte mein Bruder.

„Tut mir leid. Ich weiß nicht, warum ich so erschöpft war.“

„Es muss etwas Ernstes gewesen sein. Mach dir darüber keinen Kopf“, sagte er und Remino sah mich prüfend an.

Was hatte er denn? War mir ein zweiter Kopf gewachsen oder warum sah er mich dauernd an? Das war ja nicht zum Aushalten. Schlimmer, als eine Frau jemals hätte sein können. Nelana nahm neben mir Platz und strich mir durch die Haare.

„Es ist alles gut. Wir haben die Sache im Griff. Fühlst du dich stark genug, um einen Reise zu beginnen?“, fragte sie sanft.

„Ich kann mich nicht erinnern, dass ich meine letzte Reise schon beendet habe. Ich wollte zum Heiligen Hafen und da endet meine Reise erst.“

Sie lachte und erhob sich wieder. Dann ging Remino zu Jotanate, die weinend in einer Ecke saß. Sofort schossen mir Bilder in den Kopf, als ich sie ansah. Wie sie vor einem Mann stand und ihn beinahe umgebracht hätte, als Nelana sie stoppte. Langsam wurden die Bilder undeutlicher und ich konnte Jotanate dort wieder sitzen sehen. Remino hatte sich nun auf ihre freie Seite, gegenüber von Lilith gesetzt, und hielt ihre Hand. Vorsichtig versuchte ich mich zu erheben und hatte eigentlich damit gerechnet, dass mich einer sofort wieder aufs Bett zwingen würde. Doch es tat keiner. Ihre Gesichter sahen alle ernst aus und sie schienen nachdenklich.

„Worüber macht ihr euch so viele Sorgen?“, fragte ich und sie sahen mich alle an.

„Liram, die Drachenjünger, die uns angegriffen haben, waren Geistliche. Sie sind abtrünnig, wie die Drachen selbst“, sagte Nelana.

„Na ganz toll. Dann können wir ja niemandem mehr vertrauen“, sagte ich und Kalira kam näher zu mir.

„Um ehrlich zu sein, sind wir uns nicht einmal sicher, ob man unseren Meistern oder Aleta vertrauen kann“, flüsterte sie.

Also hatten sogar sie Zweifel an Aleta? Meriano und Remino niemals. Sie bekamen ihre Kraft von der Göttin. Sie waren auf die Göttin angewiesen.

„Verstehe ich irgendwie“, gab ich zurück und sie stellte sich wieder neben ihre Schwester.

„Egal. Wir müssen so schnell es geht aufbrechen“, sagte Nelana und Remino sah zu uns.

„Ich sage, wir sollten nicht zum Heiligen Hafen gehen“, sagte er und wir sahen ihn alle an.

„Warum? Man erwartet uns dort“, sagte Meriano.

„Ja und genau das macht mir Sorgen. Terra hat den Auftrag uns zu beschützen. Aber sein Sohn wollte uns umbringen. Sogar Jake wollte unseren Tod. Wenn sie schon fast nicht zu schlagen sind, was wird dann erst Terra mit uns anstellen?“

„Da hast du eigentlich Recht. Terra könnte auch versuchen uns zu töten“, sagte Lirom und die Erwachsenen sahen uns an.

„Habt ihr wirklich so große Zweifel an anderen Menschen?“, fragte Lilith.

„Ja und diesen Zweifel haben einige Menschen bestätigt“, sagte Meriano.

„Gerade du solltest an Terra glauben. Er ist das Oberhaupt unserer Kirche“, sagte Jermain.

Meriano schien die Worte zu ignorieren.

„Sie haben uns angegriffen und diese Zweifel in uns geweckt. Was haben wir ihnen schon groß getan?“

„Gar nichts. Wir sind einfach, wie wir sind. Das reicht ihnen als Grund. Es ist eine kranke Welt, Meriano“, sagte Kalira und er nickte.

„Wollt ihr euch wirklich von solch kleinen Rückschlägen entmutigen lassen?“, fragte Tiana.

„Kleine Rückschläge? Wir wären beinahe gestorben“, fauchte Nelana sie an.

„Ihr seid aber nicht gestorben.“

„Nein, sind wir nicht. Aber dafür beinahe. Ich finde das nicht amüsant. Und vermutlich ist es nicht verwegen zu denken, die anderen sehen das genauso.“

„Wir finden das auch nicht toll. Aber wir können es nicht ändern. Das einzige was wir tun können, ist euch beschützen“, sagte Ducan.

„Schöne Beschützer seid ihr. Ihr konntet nicht einmal die Drachenjünger davon abhalten uns etwas zu tun. Wir können niemandem mehr vertrauen. Auch euch nicht“, sagte Kalira und Unverständnis erschien auf den Gesichtern der Erwachsenen.

„Wie sollten wir auch einen Drachenjünger aufhalten? Es sind halb Drachen“, sagte Jermain.

„Ihr habt es aber, bis auf gegen Thomas nicht einmal versucht. Wir waren auf uns selbst gestellt und deswegen werden wir auch die Reise zum Heiligen Hafen so weiterbestreiten, wie wir sie begonnen haben. Mit Stella und ihr andere wart mit Lilith unterwegs gewesen oder?“

Jatana und Lirom nickten.

„Dann wird die Reise auch so weitergehen. Wir können niemandem vertrauen.“

Kaliras Worte schienen bei Tiana eine unheimliche Wut zu verursachen. Ihr Gesicht lief hoch rot an. Doch sie sagte nichts und machte auch keine Anstalten uns anzugreifen. Lilith ging zu Jermain und sprach mit ihm, während sie den Raum verließen. Schweigend sah ich ihnen nach. Es waren wirklich harte Worte, die Kalira benutzt hatte. Sie sollten treffen und hatten ihr Ziel auch nicht verfehlt gehabt. Die Erwachsenen kamen nicht wirklich mit ihnen zurecht.

„Seht ihr das auch so?“, fragte Meriano und sah meinen Bruder und mich an.

„Es ist hart, aber sie hat Recht. Wir können niemandem trauen“, sagte ich, wie in Trance.

Mein Kopf wollte diese ganze Situation nicht wirklich verarbeiten. Es war wie ein Meer, das von einem Sturm immer weiter aufgebauscht wurde. Die Gedanken überschlugen sich und machten es unmöglich klar zu denken.

„Remino?“, fragte Meriano seinen Bruder und er sah ihn an.

„Sollen wir wirklich das Vertrauen in jeden verlieren, nur weil uns zwei Menschen hintergangen haben? Es ist nicht richtig, das wir, sie dafür verantwortlich machen was geschehen ist. Sie konnten das genauso wenig ahnen, wie wir. Lilith, Jermain und auch Tiana haben alles getan was sie konnten um uns zu helfen. Und wir danken es ihnen, indem wir sie fortschicken und mit misstrauen belohnen? Ich empfinde das nicht als richtig und spreche mich dagegen aus. Wir brauchen sie, wenn wir zum Heiligen Hafen kommen wollen. Oder kennt einer von euch den Weg?“

Stille. Ja, da hatte Remino Recht. Wir kannten den Weg nicht und zumindest meine Fähigkeiten im Umgang mit Karten waren mehr als begrenzt und quasi nicht vorhanden.

„Da hast du Recht“, sagte Nelana und sah ihn an.

„Die Drachenjünger können überall sein. Doch was können wir schon gegen sie ausrichten. Wir werfen unseren Lehrern vor, dass sie uns nicht beschützen könnten. Doch wir können uns ja nicht einmal selbst helfen.“

Auch damit hatte er Recht. Ich wusste zwar nicht, was passiert war, doch es musste mich arg mitgenommen haben. Sonst hätte ich ja mein Bewusstsein nicht verloren. Ich hoffte darauf, dass man mir später erzählen würde, was passiert war.

„Meriano, Kalira und Jatana. Ich vertraue euch die Aufgabe an, mit unseren Ausbildern zu reden und euch, in unserem Namen, zu entschuldigen. Wir müssen Liram noch etwas erklären“, sagte Remino und die drei gingen, ohne Wiederworte zu leisten.

Mein Bruder blieb jedoch. Er stand an der Türe und wartete darauf, dass etwas passieren würde.

„Lirom. Für dich habe ich auch eine Aufgabe. Geh in die Stallungen und mach einige Pferde bitte Abreise fertig. Sammle ein wenig Proviant und Sattel die Pferde.“

Anstandslos ging Lirom und erledigte die Aufgabe. Remino sah ihm nach, hob dann die Türe auf und stellte sie an die Stelle, wo sie eigentlich sein sollte. Langsam ging er zu den Stühlen, in dem Raum und nahm Platz.

„Was ist das letzte, woran du dich erinnerst?“, fragte er mich und sah mir tief in die Augen.

„Ich habe mit Ducan gesprochen und wurde ziemlich wütend. Danach weiß ich nichts mehr.“

„Gar nichts? Wirklich nichts?“

„Nein. Was ist passiert?“

„Liram, du hast dich in einen Drachen verwandelt und die Akademie angegriffen.“

Was? Das konnte ich jetzt nicht wirklich verarbeiten. Ich sollte zu einem Drachen geworden sein? Aber das war doch unmöglich.

„Das kann nicht sein“, sagte ich und Nelana kam zu uns.

 Sie hob ihr Zauberbuch und ließ eine Seite aufschlagen. Dort war eine Art Spiegel. In ihm sah ich wohl die Ereignisse, wie sie geschehen waren. Tatsächlich sah ich einen Drachen, der leuchtete wie ein Diamant.

„Das bin ich?“

„Ja. Remino konnte dich besiegen. Wie weiß ich auch noch nicht so ganz. Doch er hat es geschafft. Dafür können wir ihm sehr dankbar sein. Liram, wir sind gefährlich. Unsere Wut ist eine Waffe, die nicht einmal die Drachenjünger unter Kontrolle halten können. Werden wir wütend, erwachen die Drachen in uns und übernehmen unsere Körper.“

„Ich muss euch dazu etwas sagen. Der Drache hat mit mir gesprochen, bevor Tiana mich erweckt hat.“

„Was hat er dir erzählt?“, fragte Remino, als Jotanate langsam zu uns kam.

„Er hat mir erzählt, dass nicht unsere Artgenossen die Feinde sind, sondern Aleta selbst.“

„Wieso sollte Aleta selbst der Feind sein?“

„Das konnte er mir nicht genau erklären. Die Gründe für den Krieg liegen tiefer, aber er darf darüber nicht sprechen. Er meinte nur, dass Aleta der Feind ist und dass dieser Krieg von jemandem Befohlen wurde.“

„Das würde die Sache in ein völlig neues Licht rücken. Wenn wirklich Aleta die Böse ist, dann haben wir ein Problem. Sie hat doch Terra befohlen uns zu beschützen“, sagte Nelana und Remino sah sie an.

„Ich hatte schon vorher meine Bedenken. Doch jetzt sind sie auch noch auf Tatsachen gestützt. Wir können nicht zum Heiligen Hafen gehen“, sagte er und Nelana begann zu überlegen.

„Aber was machen wir dann?“, fragte Jotanate.

Ihre Augen waren rot und es sah aus, als hätte sie ziemlich viel geweint. Ihre gesamte Haut sah nass aus.

„Ich habe mal etwas gelesen über ein Dorf. Es liegt weit im Westen. Dort leben Beschwörer und Propheten, fernab von Hexen oder Geistlichen. Dort könnten wir vielleicht Hilfe und ein wenig Klarheit bekommen“, sagte Nelana und Remino sah sie an.

„Da gibt es nur ein Problem. Sie sind nicht gerade für Gastfreundlichkeit bekannt und unsere Lehrer werden niemals erlauben, dass wir nicht zum Heiligen Hafen gehen. Vor allem nicht Jermain.“

„Wenn wir nichts sagen, werden sie auch nicht ja sagen können.“

Nelana hatte Recht. Wir hatten immerhin nichts zu verlieren. Mehr als nein konnten sie nicht sagen. Doch ich hoffte, dass sie ja sagen würden.

„Dann wollen wir mal sehen, ob die anderen sich schon entschuldigt haben“, sagte Remino und wir verließen den Raum und gingen zu der großen Halle des Tempels.

In dunklen Räumen

„Sildera, mein Kind. Kommst du bitte zu mir?“

Meine Mutter rief nach mir. Warum ausgerechnet jetzt? Ich war dabei meine Kräfte zu trainieren.

„Was gibt es denn?“, fragte ich.

Doch keine Antwort. Ich erhob mich und atmete genervt dabei aus. Vorsichtig zog ich mein Oberteil zu Recht. Es war mal wieder hoch gerutscht und entblößte beinahe meine Brüste. Eigentlich würde ich gerne mal etwas Längeres tragen. Doch da wir in einer Wüste lebten, war es hier einfach zu warm für lange Kleidung. Meine Hose bestand auch eigentlich nur aus ein paar Bändern, die um meine Hüfte zusammengebunden waren. Langsam ging ich zu der Türe und öffnete sie. Meine Mutter stand an der Türe. Neben ihr meine Lehrerin. Sie sah besorgt aus, als hätte sie einen schlechten Traum gehabt und gesehen, wie jemand stirbt.

„Was gibt es denn? Ich habe gerade die Geister angerufen um einen Blick in die Zukunft zu werfen“, sagte ich und die beiden sahen mich an.

Meine Mutter war kleiner als meine Lehrerin. Sie trug ihre schwarzen Haare oft offen, sodass sie ihr über den gesamten Rücken fielen. Ihre haselnussbraunen Augen sahen besorgt aus. Sonst war meine Mutter eine sehr zierliche Person. Meine Lehrerin dagegen war kräftig und groß. Unsere Haut war von der Sonne sowieso braun, doch bei ihr sah das, aus irgendwelchen Gründen, noch anders aus. Sie war heller als wir alle.

„Ich hatte eben eine beunruhigende Vision“, sagte meine Lehrerin und Mutter bat sie herein.

Sie setzte sich an unseren Tisch und starrte ins Leere. Die Vision musste wirklich schlimm gewesen sein, wenn es sie so mitnahm. Normalerweise war meine Lehrerin eine starke Person, die nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen war.

„Was habt ihr gesehen?“, fragte ich beunruhigt.

„Drachen. Unzählige Drachen. Sie haben gekämpft. Dabei fiel der Heilige Hafen und unser Heiligtum. Dazu haben sie jeden Menschen in diesen Städten getötet und Aleta ebenfalls in den Tod gerissen.“

„Das klingt ja furchtbar“, sagte Mutter und meine Lehrerin nickte.

„In der Tat. Es war furchtbar. Aleta selbst hat mir befohlen, dich und deine Schwester auf eine Mission zu schicken, sie aufzuhalten.“

„Wenn die Göttin das befiehlt, dann solltet ihr gehen“, sagte Mutter und sah mich an.

„Hallo? Ich habe auch noch ein Leben. Nur weil eine Frau, die nicht einmal existiert, meiner Lehrerin irgendwelche Bilder sendet, heißt das nicht, dass ich darauf höre. Sie kann mir gestohlen bleiben, diese Aleta. Wo war sie damals, als man unser Dorf angegriffen hat?“

„Ich kann verstehen, dass du wütend darüber bist, Sildera. Doch Aleta darf nicht in Kämpfe eingreifen. Sie ist eine Göttin und als solche verpflichtet, das zu tun, was richtig für uns ist. Wenn unser Dorf angegriffen werden sollte, dann konnte sie das nicht ändern“, sagte meine Lehrerin und ich verdrehte meine Augen.

Warum redete sie solch einen Schwachsinn. Das ergab doch keinen Sinn. Sie wusste genau, wie ich zu dieser Situation stand und ich wusste genauso, was sie davon hielt. Eigentlich glaubte sie auch nicht an solche Dinge, wie Götter.

„Warum tut ihr auf einmal so, als würdet ihr an Götter glauben? Ihr habt mir doch selbst gesagt, dass sie nicht existieren.“

Die Miene meiner Lehrerin wurde eigenartig traurig.

„Die Göttin lebt, Sildera. Daran können wir nichts ändern. Sie ist mir erschienen.“

„Oh bitte. Wir brauchen die Göttin doch gar nicht. Die Drachen sind unsere Götter. Sie kümmern sich darum, dass wir alle ein geregeltes Leben haben. Auch wenn sie nicht mehr da sind, so beschützen sie uns dennoch. Im Gegensatz zu Aleta.“

Genau das war es zumindest, was in unserer heiligen Schrift stand. Ich hatte sie oft genug studiert. Wenn man den ganzen Tag auch nur in einem dunklen Raum sitzen konnte, weil einen die Hitze sonst umbringen würde, blieb einem auch nicht viel anderes übrig, als zu lesen. Mir waren leider die Bücher auch schon ausgegangen also hatte ich die Heilige Schrift genommen.

„Das war einst so, Sildera. Doch Aleta ist erwach um wieder zu herrschen und die Drache in ihre Schranken zu weisen. Bitte, begleite mich auf dieser Reise“, sagte sie und ich begann zu überlegen.

„Also schön, wenn euch diese Reise so wichtig ist, dann werde ich mit dir gehen“, sagte ich und sie lächelte.

„Das ist gut. Deine Schwester Delphi ist schon fertig und wartet auf uns.“

Meine Schwester Delphi. Das Wunschkind meines Vaters. Wie ich sie doch hasste. Immer die kleine Prinzessin. Alles was sie machte, war für meinen Vater einfach perfekt. Ich hingegen blieb immer links liegen. Wie gut, dass meine Mutter sich von ihm getrennt hatte. Doch Delphi kam mit uns. Wie sollte ich diese Zeit nur überstehen?

„Dann lass uns gehen“, sagte ich und erhob mich.

„Willst du nichts packen?“

„Was soll ich denn packen? Meine Kleidung, die ich nicht habe? Bücher, die ich nicht besitze? Ich habe nichts zum Packen, Meister.“

„Wenn du das sagst. Ich werde auf dich Acht geben, Sildera. Hab also keine Angst und Vertrauen in die Zukunft.“

Vertrauen? Meine Güte. Wo sollte das noch enden? Diese Reise ging schon gut los, bevor sie überhaupt angefangen hatte. Egal. Ich würde nur das tun, was ich für richtig hielt und nicht mehr. Sollten sie doch alle machen, was sie wollten. Wir verließen das Haus. Die Sonne brannte schon wieder unerbittlich. Meine Halbschwester stand im Schatten eines Hauses. Sie sah mal wieder aus, wie sonst auch. Ihre, braunen, Haare zum Zopf gebunden.  Die Augen waren blau, was, wie ich fand, überhaupt nicht zu ihren Haaren passte. Aber sie weigerte sich, ihre Haarfarbe zu ändern. Ich wusste nicht, warum sie diesen riesen Koffer neben sich stehen hatte. Wer sollte den denn tragen?

„Da seid ihr ja“, sagte sie und lächelte uns an.

Sie hatte noch nie wirklich darauf geachtet, dass ich sie überhaupt nicht leiden konnte.

„Dann wollen wir mal los. Wir machen unseren ersten halt in Futura, der Stadt von Forschung und Fortschritt. Dort werden wir auf noch zwei Reisende treffen, die uns ebenfalls begleiten werden“, sagte meine Lehrerin und ich nickte.

Dann nahm Delphi ihren Koffer in die Hand und wir begannen unsere Reise.

Entschuldigt

 „Ihr wollt also doch, dass wir mit euch gehen?“, fragte Tiana, in einem Ton, den man von ihr gewohnt war, der aber dennoch sehr arrogant klang.

„Ja. Wir würden es niemals bis zum Heiligen Hafen schaffen. Also brauchen wir Hilfe“, sagte ich und die anderen nickten.

„Dann, Remino. Wollen wir euch auch helfen. Die Göttin wird euch den Weg weisen und uns alle beschützen.“

So etwas konnte nur ein Geistlicher sagen. Jermain war immer noch felsenfest von Aleta überzeugt. Ich beschloss ihm erst einmal nichts von Lirams Entdeckung zu erzählen.

„Aber wir werden nicht sofort zum Heiligen Hafen gehen. Wir wollen zuerst in die Stadt der Propheten gehen. Wir müssen wissen, ob Terra uns umbringen will oder nicht“, sagte Nelana und die Erwachsenen sahen sie an.

„Wie ihr das wollt. Wir selbst wissen ja auch nicht, wer Freund und wer Feind ist. Eure Überlegung zu den Propheten zu gehen ist gut. Sie glauben nicht an die Göttin und vertrauen auf die Drachen. Dort werden wir sicher Hilfe finden“, sagte Ducan und rieb sich zufrieden den Bauch.

„Dann lasst uns die Reise beginnen“, sagte ich.

Tiana schien etwas dagegen zu haben, denn sie gab einen genervten Laut von sich.

„So einfach geht das nicht. Die Akademie braucht erst eine neue Herrin, bevor ich gehen kann. Das wird bis Morgen dauern. Also geduldet euch bitte noch ein wenig.“

„Wenn ihr um Zeit bittet, dann sollt ihr die haben. Die Abreise wird Morgen stattfinden“, sagte Nelana und Tiana nickte.

Dann verließ sie den Raum und wir waren mit Ducan, Lilith und Jermain alleine.

„Eure Idee, die Propheten um Hilfe zu fragen, ist exzellent. Sie werden wissen, was die Zukunft noch so bringt“, sagte Ducan.

Er wiederholte sich. Das hatte er doch schon einmal, in ähnlicher Form gesagt gehabt. Ich beschloss allerdings nichts dazu zu sagen. Ich war einfach nur müde und von den Geschehnissen ein wenig mitgenommen. Also beschloss ich mich schlafen zu legen. Die anderen folgten meinem Beispiel und schon bald schliefen wir alle tief und fest. Mitten in der Nacht, begann ich zu träumen.

„Remino“, sagte eine Stimme zu mir.

Vorsichtig sah ich mich um. Ich befand mich in einem weißen Raum, der einfach nur unendlich zu sein schien.

„Wer ist da?“, fragte ich und die Stimme lachte.

„Du kennst mich. Wir leben schon dein ganzes Leben zusammen.“

„Bist du der Smaragddrache?“

„Richtig“, sagte die Stimme und ein großer Drache erschien vor mir.

Er sah beinahe aus wie eine Schlange. Um seinen Kopf konnte ich eine stattliche Mähne sehen. Lange Schnurrharre gingen von seiner Schnauze aus. Seine Schuppen leuchteten grün und reflektierten Licht, das von irgendwo herkam. Ein imposante Gestalt, auch wenn ich mehr einen Drachen erwartet hätte, wie Liram.

„Und ich dachte schon, ich bin du“, sagte ich und er kam mit seinem Kopf genau vor meinen.

„Das ist auch richtig. Du bist meine Reinkarnation. Wir Drachen können nicht sterben. Egal wie sehr Aleta es auch versucht, uns wird sie nicht los. Remino, du musst eins über mich wissen. Ich bin nicht der älteste von uns und auch nicht der stärkste. Dennoch sehen meine Geschwister zu mir auf. Sie vertrauen darauf, dass ich sie mit Hoffnung erfülle und mit gutem Beispiel voran gehe.“

„Und jetzt erwartest du von mir, dass ich mich auch so verhalte?“

„Nein. Du versuchst es ja bereits. Ich möchte dir nur sagen, in welcher Position du dich befindest. Auf dich kann man sich verlassen. Soweit haben meine Geschwister das schon verstanden. Vor allem meine große Schwester, der Rubindrache. Sie ist die älteste von uns. Die Liebe gab es schon, als man an uns noch gar nicht gedacht hat.“

„Also vom Alter her, bin ich aber der älteste.“

Der Drache lachte und zog sich wieder ein wenig zurück. Er war einfach gigantisch. Seine Pranken waren groß genug, um mich zehnmal zu umgreifen.

„Vielleicht bist du, in Menschenjahren, älter. Doch nicht in Drachenjahren. Unser Alter bezieht sich nicht darauf, wie lange wir existieren, sondern auf unsere Arbeitszeit. Unsere körperliche Existenz begann am gleichen Tag. Doch wir haben unser Arbeit zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen.“

„Aber Aleta ist älter als ihr, oder?“

„Bei weitem nicht. Man nennt uns nicht umsonst, die alten Götter.“

„Aber die alten Götter haben nie existiert. Die Dämmerungsdrachen haben sie erfunden, um Aleta zu schwächen.“

„Das ist es, was du glauben sollst. Nein. Mit den alten Göttern, sind wir gemeint. Die Gefühle, für die wir stehen, sind älter als Aleta selbst. Da wir die Personifikation dieser Gefühle sind, gab es uns schon lange bevor ihr. Deswegen konnte Aleta uns auch einen Körper geben. Sie wollte uns verwundbar machen, um unendliche Macht zu erlangen. Aber ihr Plan ging nach hinten los. Wir sind stärker geworden, als sie sich erhofft hatte. Somit konnte sie uns nicht unseres Amtes entheben. Darüber war sie sehr erbost. Als dann unser Bruder, der Tod, angeblich nicht mehr seine Arbeit erledigte, bestrafte Aleta ihn und riss ihm die Schuppen vom Leib. Naja, das war zumindest die Kurzfassung. Eigentlich ist noch mehr geschehen, aber mehr musst du erst mal nicht wissen.“

„Das klingt grauenvoll“, sagte ich und er nickte.

„Ja, das ist es. Die Göttin ist grausam. Nicht die Drachen sind eure Feinde, sondern die Göttin selbst. Remino, du musst noch eins Wissen. Dein Bruder“, begann er doch plötzlich erschien Aleta vor mir.

„Wage es dich, darüber zu sprechen. Dazu hast du kein Recht. Du hast schon genug Lügen erzählt“, sagte sie und schlug mit einem Schwert nach dem Drachen.

Sofort verschwand dieser und sie wandte sich mir zu. Ihre Augen sahen zornig aus und ihre Hände zuckten vor Wut. Blitzschnell griff sie mir an die Kehle und hob mich hoch. Auch wenn das nur ein Traum war, schmerzte es doch sehr. Verzweifelt versuchte ich mich zu befreien, als die Göttin mit mir zu reden begann.

„Ich wollte das nicht, Remino. Dieser Drache sollte eigentlich nie zu dir kommen. Die Aufgabe, die ich dir auferlegt habe, ist eine Nummer zu groß für dich. Merk dir meine Worte. Halt dich von diesem Drachen fern. Er ist gemein und hinterlistig. Seine Lügen könnten das Band zwischen uns zerbersten lassen. Ich sage das auch gerade zu jedem deiner Freunde. Ihr solltet nicht in die Stadt der Propheten, Tel Nuhara gehen. Die Menschen dort wollen die Drachen töten. Sie wissen, wer ihr seid und wollen euch umbringen“, sagte sie und ließ mich los.

„Auf ein Wiedersehen, Remino.“

Mit diesen Worten löste sie sich auf. Nach Luft röchelnd blieb ich am Boden liegen. Bis ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte, dauerte es ein wenig.

„Sie hat den Drachen getötet“, sagte ich und sah mich um.

Dieser Raum fühlte sich plötzlich so kalt an.

„Keine Sorge, Remino. Ich werde immer bei dir sein und dir beistehen.“

Also war der Drache doch noch am Leben. Eigentlich war ich ja auch er. Deswegen konnte er gar nicht sterben. Wie kam Aleta eigentlich darauf, dass die Propheten uns umbringen wollten? Sie glaubten an die Drachen und nicht an sie. Hatte sie da vielleicht etwas eingefädelt, das unsere Reise noch erschweren sollte?

„Jetzt beginnst du zu denken, wie ich, Remino“, sagte der Drache und lachte.

Na immerhin war ich auf dem richtigen Weg. Doch wo sollte das noch enden?

Reisebeginn

Der Morgen kam und mit den ersten Sonnenstrahlen, wurde ich wach. Meriano schlief noch seelenruhig neben mir. Vorsichtig erhob ich mich und zog meine Kleidung an. Von dem gestrigen Ereignis war sie verschont geblieben. Besser so. Ich wollte mir  kein Priestergewand leihen müssen. Es war schon beschämend genug, das ich bis vor einigen Stunden nicht einmal wusste, dass es noch mehr Wege gab, Aleta zu dienen, als man mir erzählt hatte. Lächelnd sah ich meinen Bruder an und verließ dann, lautlos, das Zimmer. Im Kloster war alles still. Die Brüder schliefen noch. Kein Wunder. Die Sonne hatte sich gerade über den Horizont geschoben. Vermutlich war in der Akademie noch nicht einmal an aufstehen zu denken. Auch Liram und Lirom würden noch schlafen. Zielstrebig ging ich auf den großen Saal zu. Dort fand ich Jermain, der gerade am Beten war. Neben ihm stand Lilith und sah ihm dabei zu. Ihr Mund bewegte sich ebenfalls. War sie auch am Beten? Langsam näherte ich mich den beiden. Sie schiene mich gar nicht zu beachten. Ich kniete nieder und tat genau das, was sie auch gerade taten. Doch ich rief die Drachen an und nicht Aleta. Moment? War das nicht eine gewisse selbst Anbetung? Wie tief konnte ich sinken? Jetzt schickte ich schon Gebete an mich selbst. Das war mir wirklich sehr unangenehm. Zum Glück hatte ich nicht laut gesprochen. Jermain beendete sein Gebet und sah mich dann an.

„Guten Morgen, Remino“, sagte er und lächelte.

„Meister“, sagte ich und nickte ihm zu.

„Du bist sehr früh wach. Darf ich erfahren, warum?“

„Ich kann nie lange schlafen. Mir geht immer zu viel durch den Kopf.“

„Das merke ich. Deine Gedanken sind vergiftet mit Hass“, sagte Lilith und sah mir tief in die Augen.

Wusste sie etwa, was in meinem Kopf vor sich ging? Das war unmöglich.

„Nein, Remino. Das ist nicht unmöglich. Es ist relativ simpel. Wir Elfen sind mit den Gedanken anderer verbunden. So hören wir alles, was die anderen denken. Ob sie das wollen oder nicht.“

Dazu wollte ich mich jetzt nicht äußern. Ich hatte schon gehört, das Elfen dachte, sie wären besser als Menschen. Das mochte vielleicht auch stimmen. Aber warum stellte man sich denn über alle anderen? Eigentlich taten so was doch nur Hexen, die eingebildet genug waren, zu denken, sie wären alleine lebensfähig und alle anderen nicht. Sollten sie doch denken, was sie wollten. Auch wenn ich wusste, das Lilith das falsch verstehen konnte, dachte ich bei mir, dass ich später, wenn ich erst als Drache angesehen wurde, diese Tatsache ändern würde.

„Wann beginnen wir mit unserer Reise?“, fragte ich und die beiden lachten.

„Tiana ist immer noch beschäftigt damit, eine Vertretung für Cynthia, zu finden. Das kann noch beinahe den ganzen Tag in Anspruch nehmen, wenn sie überhaupt auf diese Reise mitkommt. Aber ich denke schon. Denn egal wie eingebildet eine Hexe wirken mag. Sie hält ihr Wort“, sagte Jermain und sah zur Türe, wo Jotanate und ihre Schwester, Jatana, standen.

„Wir wollten nur Bescheid geben, das Tiana alle Vorbereitungen getroffen hat und gleich zu uns stoßen wird, sobald sie Nelana und Kalira aus dem Bett geworfen hat“, sagte Jatana und sie betraten den Raum.

„Vielen Dank. Nehmt Platz. Wir werden hier auf sie warten“

Lilith wies auf einige Bänke, wo die zwei auch Platz nahmen. Erstaunlich. Egal was sie taten, es sah immer überwältigend elegant aus. Ich beobachtete sie, so wenig wie ich konnte. Denn ich würde mich auch nicht freuen, wenn man mich immer anstarren würde. Jotanate sah zu mir herüber und kam auf mich zu. Oh, Aleta, hatte sie etwa bemerkt, dass ich sie angestarrt hatte?

„Darf ich mich zu dir setzten?“, fragte sie.

Erstaunt sah ich sie an und nickte nur. Das waren ja mal völlig neue Töne von ihr.

„Es war gestern sehr mutig, wie du Thomas entgegen getreten bist. Und auch, dass du Liram gestoppt hast.“

Unbewusst wurde ich rot. Noch nie hatte mich jemand für meine Arbeit gelobt.

„Es ist meine Aufgabe, andere zu beschützten. Das versuche ich auch zu tun, so gut ich kann.“

Die Worte klangen irgendwie kalt und gefühllos. Ich wollte ihr nicht unbedingt zeigen, dass ich unheimlich stolz war.

„Ich kann riechen, dass du unheimlich stolz bist“, sagte sie.

Ach ja. Sie hatte ja auch eine Fähigkeit, wie wir anderen. Sie konnte also Gefühle riechen. Ich nahm sie durch Berührungen wahr. Riechen war ja natürlich noch einfacher. Das fiel auch nicht ganz so auf, wie eine Berührung. Wenn ich sie durch Berührungen wahrnahm, Jotanate durch riechen, Liram durch sehen dann musste Nelana sie wohl hören. Eigenartig. Wie konnte man denn Gefühle hören?

„Das ist manchmal wirklich unangenehm“, sagte ich und sie nickte.

„Wir drei sind vielleicht ein wenig schlimmer dran als du, denn wir können uns dagegen kaum wehren. Du hingegen braucht eine Berührung. Immerhin kannst du wählen, was du fühlen willst und was nicht.“

„Ob ich mich darüber freuen kann oder nicht, bleibt abzuwarten. Hast du Angst, Jotanate? Ich meine vor dem, was vor uns liegt.“

„Ein wenig. Ich würde es niemals zugeben. Doch ja. Innerlich mache ich mir einige Sorgen. Seit ich gesehen habe, zu was ein Drachenjünger fähig ist, habe ich wirklich Angst vor ihnen. Der einzige, der es mit ihnen aufnehmen kann, bist vielleicht du.“

„Sag so etwas nicht. Ich mag weiter sein, als ihr. Doch ich bin nicht viel stärker. Meine Fähigkeiten sind mehr auf Heilung und Unterstützung ausgelegt. Ihr hingegen seid auch so schon sehr stark und würdet leicht mit mir mithalten können.“

„Aber wir können nicht damit umgehen. Am wenigsten unser kleiner Liram. Er ist zu weit in seine Kräfte verfallen und hat seine Gestalt gewechselt.“

„Ich war auch kurz davor. Meine Finger waren schon zu kleine Klauen geworden. So konnte ich ihm überhaupt etwas anhaben. Wäre das nicht passiert, hätte ich keine Chance gehabt. Zauber prallen von unseren Schuppen ab und mein Zauberstab ist nicht zum schlagen gedacht“, sagte ich und sie sah mich prüfend an.

„Du würdest auch niemals genug Kraft aufbringen können, um in den Nahkampf zu gehen. Nimm das nicht persönlich. Doch wenn man Liram, Lirom und deinen Bruder mit dir vergleicht, sind sie körperlich weiter als du.“

„Stimmt. Aber dafür kann ich Zauber anwenden, von denen die drei nicht einmal zu träumen wagen.“

„Zauber sind vielleicht stark und auch hilfreich. Doch ich finde es feige, einen Zauber anstatt eines gut geplanten Angriffes zu nehmen.“

„Das mag sein. Doch wenn du nicht die Kraft für den Nahkampf hast, nimmst du das nächst beste und das ist eindeutig, der Magiekampf.“

„Du könntest doch mal einen Bogen versuchen. Er würde dir ermöglichen, genau und gezielt deine Gegner auszuschalten.“

„Vielleicht. Aber weißt du was das Schöne an Zaubern ist? Man muss nicht allzu genau zielen. Ich habe nicht wirklich das Sehvermögen, um präzise zu zielen.“

„Hmm. Naja, jeder das was er kann. Wir haben ja noch viel Zeit zu üben“, sagte sie und lächelte.

Wir sahen zum Eingang, wo die anderen, zusammen mit Tiana erschienen waren.

„Ich bin bereit für die Reise“, tat sie laut kund und die anderen sahen sie ebenfalls an.

„Dann wollen wir aufbrechen“, sagte Jermain und ging auf den Ausgang zu.

Wir folgten ihm. Draußen standen unsere Pferde, die schon gesattelt waren. Für jeden von uns eins. Da hatte man sich aber schöne Exemplare ausgesucht. Unsere Geschwister hatte man wohl auch geweckt, denn sie warteten bereits hier. Langsam saßen wir auf und ritten dann los. Einer unbekannten Zukunft entgegen.

Wüstennacht

Die Hitze ließ langsam nach. Den Drachen sei es gedankt. Zum Glück konnte man die Wüste relativ leicht durchqueren. So konnten wir an einem einzigen Tag die Wüste hinter uns lassen. Meine Schwester trug immer noch ihren Koffer. Ich fragte mich zwar, wie sie das tat. Aber solange ich ihn nicht nehmen sollte, war ich zufrieden. Sollte sie doch ihren Mist alleine tragen. Sah ich aus wie ihr Packesel? Diese Nacht würden wir unter freiem Himmel verbringen müssen. Zum Glück war Tel Nuhara die einzige Wüste, in der es nachts nicht bitterkalt wurde, sondern wo der Sand so aufgeheizt war, das er bis zum nächsten Morgen genug Wärme wieder abgab.

„Gut, ihr zwei. Bevor wir Futura erreichen, müssen wir hier rasten und die Nacht ausharren. Ich möchte nicht unbedingt im Dunkeln unterwegs sein.“

Delphi und ich nickten und dann schlugen wir unser Lager auf. Jetzt wurde mir auch bewusst, für was dieser Koffer gut war. Decken, Kleidung und noch mehr Dinge, die ich nicht erkennen konnte, waren dort drinnen. Delphi zog sie heraus und reichte uns jedem eine. Sie hatte wirklich für uns alle diese Dinge mitgenommen?

„Bleibt hier. Ich werde die Umgebung nach Feinden absuchen“, sagte Meister und ging dann.

„Sag mal, Sildera. Wie geht es Mutter?“, fragte Delphi mich.

„Du hättest sie ja mal besuchen können, nachdem ihr ausgezogen seid.“

„Hätte ich ja gerne getan. Doch Vater hat mich in die Küche gesperrt und gezwungen zu arbeiten. Ich hatte nicht eine freie Minute, in der ich hätte das Haus verlassen können.“

„Aber dafür hat er dir doch einiges an Geld gegeben. Wenn du schon alle Sachen für diese Reise bei dir trägst.“

„Ach nein. Die gehören nicht mir. Das sind die Sachen von unserem Meister. Ich selbst habe nicht mehr, als die Kleidung, die ich am Leibe trage.“

„Ich dachte, du warst das Kind, das er immer wollte.“

„Bin ich auch. Aber er wollte dieses Kind, um jemanden zu haben, der den Haushalt macht. Nachdem du dich als zu starrköpfig und mit eigenem Willen herausgestellt hast, warst du unbrauchbar. Mich hingegen, hat er direkt zu Gehorsam erzogen.“

„Das wusste ich gar nicht. Eigentlich habe ich dich immer dafür gehasst, das er dich mehr geliebt hat, als mich.“

„Es war eine zwangsliebe. Er musste so tun, als würde er mich lieben. Nachdem wir ausgezogen waren, hat er mir sein wahres Gesicht gezeigt.“

„Klingt furchtbar. Hätte ich ihm gar nicht zugetraut.“

„Ich auch nicht. Aber genug davon. Beantworte mir meine Frage.“

„Mutter geht es gut. Ach, was rede ich da. Sie ist krank und zwar sehr krank. Ich hatte eine Vision, in der ich gesehen habe, wie sie stirbt. Sie hat eine Krankheit, die man nicht heilen kann. Vielleicht ein Drache aber kein normaler Mensch. Wir haben noch keinen Namen für diese Krankheit. Bei ihr Mutieren die Zellen, greifen gesunde Zellen an und töten diese. Das schwächt sie sehr.“

„Warum hast du mir nichts gesagt? Ich habe einen Brieffreund in Nagurin. Er ist ein Priester. Er hätte uns vielleicht helfen können.“

„Das habe ich aus dem gleichen Grund gemacht, warum ich nie mit dir gesprochen habe. Weil ich davon ausgegangen bin, das du nur ein verwöhntes Gör bist.“

„Ich habe nie gewusst, dass du mich so siehst“, sagte sie und senkte ihren Kopf.

„Zumindest habe ich noch so viel anstand, das ich dir das nicht sofort auf die Nase binden“, sagte ich und sie lächelte.

„Es tut gut, wieder richtig mit dir sprechen zu können“, sagte sie.

Das war zum ersten Mal, dass ich sie als meine Schwester und nicht als Plage sah.

„Auch ich entwickle mich weiter. Vielleicht hat der Drache der Harmonie mir geholfen, meinen Hass zu überwinden.“

„Glaubst du immer noch an die Drachen?“

„Du etwa nicht? Sie waren es, die damals Tel Nuhara beschützt haben. Ob sie nun Götter sind oder nicht, sie sind für uns da. Da bin ich mir sicher. Wenn wir sie brauchen, dann helfen sie uns.“

„Darüber habe ich nie nachgedacht.“

„Hattest du bestimmt auch nicht die Zeit für.“

„Da hast du Recht.“

„Ich sag es mal so, Delphi. Wenn du die Heilige Schrift schon zehn Mal gelesen hast, glaubst du daran.“

„So oft hast du sie schon gelesen?“

„Ja. Ich hatte nichts zu tun. Meine Fähigkeiten, Visionen zu bekommen, lässt immer mehr nach. Ich weiß nicht, ob es an mir liegt oder vielleicht an den Drachen. Doch eins ist sicher. Ich sehe weniger als sonst.“

„Vielleicht will Aleta ja wieder die Drachen töten.“

„Das verstehe ich nicht. Warum ist Meister so darauf versessen, das wir das tun, was Aleta ihr sagt? Das ergibt keinen Sinn. Plötzlich glaubt sie an die Göttin, die eigentlich gar nicht existiert.“

„Kann ich mir auch nicht erklären. Vielleicht weiß jemand in Futura mehr“, sagte sie und legte sich auf den Boden.

„Das hoffe ich auch“, sagte ich und legte mich neben sie.

Schnell begann sie sehr gleichmäßig zu atmen. Auch ich schlief bald darauf ein.

Odium

Die Pferde schritten durch die verschneite Ebene. Der Schnee verschluckte sämtliche Geräusche und ließ uns beinahe verschwinden. Lirom hatte eine vortreffliche Auswahl an Pferden getroffen. Weiß. Sie verschmolzen beinahe mit dem Schnee. Es war schon einige Stunden her, seit wir Manadorf verlassen hatten. Die eisige Ebene würden wir bis zum nächsten Morgen nicht durchquert haben.

„Hier müssen wir rasten. Es wird bald dunkel“, sagte Tiana und wir hielten an.

Sofort begannen wir ein Lager aufzuschlagen. Als wir fertig waren und ein Feuer entzündet hatten, saßen wir zusammen und schwiegen uns an.

„Die Reise wird noch ziemlich lange dauern“, sagte Lilith und wir sahen sie an.

„Aletas Land ist riesig. Hoffen wir, das wir in einer Woche die Wüste erreicht haben“, sagte Jermain.

„Hoffen wir es mal. Wenn keine Drachenjünger dazwischenfunken“, sagte Tiana.

„Davon sollten wir ausgehen. Ich bin nicht unbedingt darauf aus, noch einen zu treffen“, sagte Ducan.

Wir saßen schweigend daneben und waren sehr in uns gekehrt. Die Ereignisse der letzten Tage waren prägend und hatten unser Leben völlig durcheinander geworfen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Drachenjünger uns in Ruhe ließen, oder das Aleta selbst unser Feind war. Sie war doch die Göttin. Sie liebte alle Lebewesen. Und doch ließ mein Traum mich zweifeln. Meine Kraft würde verschwinden, wenn ich aufhören würde, an Aleta zu glauben und das konnte ich nicht riskieren. Zumindest nicht im Moment. Plötzlich mischte sich ein eigenartiges Gefühl in mein Herz. Es kam mir vor, als würde ich von innen beginnen zu gefrieren.

„Spürt ihr das auch?“, fragte ich und sah mich um.

„Was denn?“, fragte Tiana und sah mich an.

„Ich habe das Gefühl, als würde ich von innen beginne zu gefrieren“, sagte ich und sie rissen ihre Augen auf.

„Geht in Deckung. Das bedeutet, dass ein Drache in der Nähe ist“, sagte Lilith und sofort suchten wir Schutz, bei einer nahen Baumgruppe. Es dauerte nicht lange, da trat eine Person hinter einem Baum hervor.

„Wer bist du?“, fragte Jermain und sofort blieb die Person stehen.

„Aus dem Weg. Mit euch habe ich nichts zu schaffen.“

Die Stimme klang ganz offensichtlich männlich. Allerdings noch unheimlich jung.

„Nicht solange wir nicht wissen, wer du bist“, sagte Ducan und die Person lachte.

Der Junge hob seine Hand und sofort sanken unsere Meister zu Boden. Jatana wollte schon losschreien, als ihre Schwester ihr den Mund zuhielt.

„Ich braucht euch nicht zu verstecken, Freunde. Ob ihr euch zeigt oder nicht, ich finde euch. Also erspart mir doch direkt die Mühe, nach euch zu suchen.“

Unsicher sah ich die anderen an. Sie nickten und zusammen traten wir hinter den Bäumen hervor.

„So ist es besser. Klug von euch, mir entgegen zu treten. Immerhin kennen wir uns schon ein wenig länger“, sagte der Junge.

Erst jetzt konnte ich ihn genauer sehen. Er trug eine rote Robe, die mit Flammen verziert war. Seine Haare sahen aus, als hätte er zwei Hörner unter ihnen versteckt.

„Wer bist du?“, fragte Liram.

Doch bevor der Junge noch antworten konnte, tat es Nelana.

„Odium“, sagte sie und er lächelte sie an.

„Wie ich sehe bin ich nicht ganz in Vergessenheit geraten.“

„Was willst du hier?“

„Oh, weißt du das nicht, Schwester?“

Was hatte er gerade gesagt? Schwester? Das war doch nicht möglich.

„Ich habe keinen Bruder“, sagte Nelana und Kalira sah sie an.

„Das ist soweit korrekt. Ich bin dein Gegenteil, Nelana.“

Moment das Gegenteil? Nelana war der Drache der Liebe. Dann musste das der Drache des Hasses sein.

„Das beantwortet mir aber nicht meine Frage“, sagte sie.

„Ach richtig. Wo bleiben denn meine Manieren? Mein Bruder schickt mich her. Ich darf euch eine Nachricht überbringen.“

„Und wie lautet die?“, fragte Meriano.

„Ganz einfach. Auch wenn acht Drachen sich erheben, werden sie keine Chance gegen uns haben. Ende der Nachricht.“

„Ich verstehe kein Wort“, sagte Lirom und sah uns an.

„Ist das nicht offensichtlich? Wartet. Hat Aleta euch gar nichts gesagt? Jetzt verstehe ich. Die Menschen haben euch gesagt, wer ihr seid. Und das auch noch getrennt. Aleta ist doch dümmer als ich dachte.“

„Komm zum Punkt“, fauchte Jotanate ihn an.

„Ihr seid die acht Drachen, die Aleta einst zu sich gezogen hat. Ich bin der Drache des Hasses. Diese kleine Hexe da ist der Drache der Liebe. Also mein Gegenteil. Aleta ist doch dümmer als ich gedacht habe.“

„Warte. Du meinst, wir sind alle Drachen?“

„Offensichtlich, oder? Glaubst du wirklich, dass es Zufall ist, dass ihr zusammen gekommen seid? Aleta mag vier Seelen gehabt haben. Doch ihr seid die Reinkarnation der Drachen. Dafür braucht ihr keine Seelen. Zumindest ihr vier, mit ihnen, werdet euch bald erinnern können. Aber auch dann, seid ihr immer noch zu schwach. Die Hüllen die ihr gewählt habt sind wirklich erbärmlich. So kindlich und zerbrechlich.“

„Du bist doch auch noch ein Kind“, sagte ich und er lachte.

„Aber ich kann meine Kräfte einsetzten. Mein kleiner Finger ist gefährlicher als eure Drachengestalt. Vielleicht werdet ihr ja noch wachsen und stärker. Sonst wird das eine kurze Schlacht, aus der wir als Sieger hervorgehen werden. Lebt wohl, Drachen“, sagte er und verschwand wieder.

„Was war das gerade?“, fragte Kalira.

„Man hat uns erneut belogen“, sagte Nelana und sah ihre Schwester an.

„Stimmt es was er sagt?“, fragte ich und sah Meriano an.

Er nickte nur. Also waren wirklich wir alle Drachen. Aber warum hatte uns das niemand gesagt? Es ergab keinen Sinn.

„Warum hat uns das keiner Gesagt?“, fragte Liram und sah seinen Bruder an.

„Ich konnte es dir nicht sagen. Ducans Freund meinte, ich darf es dir nicht sagen, weil du es nicht verstehen würdest.“

„Das kann nur Aletas Werk sein“, sagte ich und unsere Meister erhoben sich wieder.

„Alles in Ordnung bei euch?“, fragten sie und sahen uns an.

Dafür, dass sie gerade bewusstlos gewesen waren, kümmerten sie sich wenig um sich selbst.

„Soweit ja“, sagte Nelana und half Tiana beim Aufstehen.

„Was ist passiert?“, fragte Jermain.

„Wie ihr gesagt hattet. Ein Drache war hier“, antwortete Meriano.

„Welcher?“, kam von Ducan prompt die Gegenfrage.

„Mein Gegenteil. Der Drache des Hasses“, sagte Nelana und sofort sahen alle sie an.

„Wieso hast du das gesagt? Jetzt wissen“, begann Tiana stoppte aber sofort.

„Er hat es euch gesagt, oder?“

Wir nickten. Es lag wohl auf der Hand, dass der Drache sich wenig darum scherte, was Aleta plante oder vorhatte. Er wollte nur seine eigenen Interessen durchsetzen.

„Aleta wollte eigentlich nicht, das ihr es alle erfahrt. Aber jetzt ist die Katze wohl aus dem Sack. Es stimmt. Ihr seid alle acht Drachen. Wir durften es euch nicht sagen, weil Aleta gedroht hat, uns zu töten“, sagte Jermain

„Aber warum? Was für ein Interesse hat sie daran, uns im Unwissenden zu lassen?“, fragte Lirom.

„Ist das nicht offensichtlich? Sie will die Macht über uns behalten. Indem sie uns nicht alles sagt, sind wir darauf angewiesen, das wir alles durch sie erfahren“, sagte ich und er sah mich an.

In seinen Augen sah ich die gewohnte Reaktion, wenn jemand einen Geistesblitz hatte.

„Aber das würde bedeuten, dass“, begann er und ich beendete den Satz.

„Sie unser Feind ist und nicht die Drachen selbst. Richtig“, sagte ich und unser Meister sahen mich erstaunt an.

„Woher kommt denn diese Erkenntnis?“, fragte Tiana.

„Vom Smaragddrachen. Er hat zu mir gesprochen und auch Lirams Drache hat zu ihm gesprochen. Sie haben beide das gleiche gesagt.“

„Aleta spielt ein falsches Spiel. Das haben wir auch schon durchschaut. Doch wir gehorchen ihr, weil wir hoffen, dass es ihr gelingt, den Krieg zu beenden“, sagte Jermain.

Diese Worte aus seinem Mund erstaunten mich. Immerhin war er ein Priester und Ausbilder. Zumindest er sollte an Aleta glauben.

„Meister, Jermain? Ihr glaubt auch nicht mehr an die Göttin?“, fragte Meriano.

„Oh doch. Aber auf eine andere Art. Ich weiß, das Aleta existiert und mir den Weg weisen wird. Sie wird den Krieg beenden. Dessen bin ich mir sicher. Doch an ihren Methoden zweifele ich.“

„Weiß sie das?“

„Natürlich. Die Göttin weiß alles. Doch sie akzeptiert es. Solange ich sie als meine Göttin ansehe, hat sie nichts gegen meine Zweifel.“

„Klingt als wäre doch ein Funken gutes in ihr“, sagte Kalira und lächelte.

„Sie ist nicht so Böse, wie es euch erscheinen mag. Ihre Entscheidungen mögen nicht immer gerecht sein, doch sie versucht niemanden zu vernachlässigen.“

„Gelingt ihr nicht wirklich, glaubt ihr nicht auch? Egal. Wir müssen vorsichtig sein. Die Drachen scheinen zu wissen, wo wir uns aufhalten“, sagte Jotanate und wir nickten.

„Das Beste wird sein, wenn wir nur noch in Notfällen rasten. Wenn wir ständig in Bewegung bleiben, wird es schwer, euch zu folgen“, sagte Lilith und die anderen stimmten ihr zu.

„Dann sollten wir zusehen, dass wir weiterkommen“, sagte ich und wir packten das Lager zusammen.

Langsam setzten wir unsere Reise fort, die als nächstes in der Wüste enden sollte.

Schmerzlicher Verlust

„Aufstehen ihr zwei. Wenn wir Futura heute noch erreichen wollen, dann müssen wir weiter“, sagte Meister und ich öffnete meine Augen.

Es war immer noch dunkel. Nicht einmal die Vögel sagen. Hatte Meister uns mitten in der Nacht geweckt?

„Was soll das denn? Es ist noch nicht einmal morgen“, sagte ich und richtete mich auf.

Delphi lag neben mir auf dem Boden und versuchte noch einmal einzuschlafen.

„Das ist doch auch nicht schlimm. Bis Futura ist es nicht mehr weit. Dort wartete man auf uns. Je schneller wir da sind, desto besser.“

„Was ist los, Meister? Ihr seid doch sonst nie so schnell und fordert immer alles sofort zu machen.“

„Na hör mal. Auch ich muss mich einmal ändern.“

Ich sah sie genervt an. Sie wusste genau, dass diese Antwort überhaupt nicht das war, was ich hören wollte.

„Na schön. Wenn du es unbedingt wissen willst. Ich mache mir Sorgen. Aleta hat gedroht, dass sie den Wüstendrachen erwecken wird, wenn wir nicht auf sie hören. Das Juwel dieses Drachen befindet sich im Besitz der Hexen im heiligen Hafen. Sollte Aleta ihre Drohung wahr machen, würde nicht nur unser Dorf fallen sondern auch die größte Hauptstadt. Deswegen bin ich so in Eile. Wenn wir Futura nicht bald erreichen, haben wir ein Problem.“

„Die Göttin ist grausam“, sagte ich und rüttelte Delphi richtig wach.

„Manchmal ist sie das, ja. Sie hat eine besondere Aufgabe an uns gegeben.“

„Und was sollen wir nun im Heiligen Hafen?“, fragte ich und ihre Augen wurden unheimlich traurig.

Mir war selbst zum Weinen zumute.

„Dort sollen wir auf die acht Gefühlsdrachen treffen und sie töten, bevor sie erwachen können“, sagte sie und verbarg ihr Gesicht.

Das war es also, was Aleta wollte. Sie wollte unendliche Macht. Mit dem Tod dieser Drachen würde sie als alleinige Göttin da stehen und müsste nicht auf andere Dinge achten. Also ging es ihr nur darum, die Drachen zu töten.

„Das werde ich nicht tun. Da kann Aleta noch so sehr drohen. Ich werde nicht die Götter töten, an die ich glaube.“

„Bitte, Sildera. Eigentlich durfte ich euch das gar nicht sagen. Aleta wird unheimlich wütend, wenn sie das erfährt“, sagte Meister und eine Frau erschien neben ihr.

„Ich habe es bereits herausgefunden“, sagte sie und Meister zuckte zusammen.

Das sollte Aleta sein? Sie sah nicht göttlich aus. Ihre Augen waren grün, genau wie das Kleid, das sie trug. Auf ihrem Kopf saß eine kleine Krone aus Gold. In ihrer Hand lag ein Schwert.

„Oh große Aleta, vergebt mir. Ich konnte nicht anders. Die zwei sind wie meine eigenen Töchter.“

Der Blick der Göttin wirkte tödlich. Wenn sie mit einem Blick töten konnte, dann wären wir jetzt alle tot. Unglaublich, wie böse jemand doch gucken konnte.

„Du hast dich meinen Anweisungen wiedersetzt. Weißt du, was ich mit Menschen wie dir mache?“

„Nein, große Göttin“, sagte Meister.

Doch anstatt etwas zu sagen, durchbohrte Aleta sie. Meisters Augen waren aufgerissen. Sie versuchte wohl etwas zu sagen, doch es kam nichts aus ihrem Mund.

„Meister“, schrie ich und wollte zu ihr laufen.

Doch Aletas Augen richteten sich auf mich und ich blieb stehen.

„Ihr zwei. Euch werde ich dazu verwenden, die Drachen zu töten. Versucht erst gar nicht mir zu wiederstehen. Ich habe meine Methoden euch dazu zu bringen, was ich will.“

„Niemals. Ich werde nicht zulassen, das ihr einen Drachen tötet“, sagte ich und sah der Göttin tief in die Augen.

„Du scheinst einen starken Geist zu haben, kleine Prophetin. Aber letztlich wirst du mir auch unterlegen sein. Ich bin Aleta. Die Göttin, welche größer ist, als jeder Drache. Wenn ihr euch weigert, meinem Befehl zu gehorchen, dann werde ich euer Dorf, vor euren Augen vernichten und euch mit der Schande leben lassen, nichts getan zu haben.“

„Ihr könnt uns nicht drohen. Die Drachen wachen über Tel Nuhara und werden euch nicht gewähren lassen.“

„Die Drachen werden es sein, die euer Dorf zerstören. Ich warne euch nur einmal. Tut, was euer Meister euch gesagt hat und niemandem wird etwas passieren“, sagte die Göttin und löste sich auf.

Ich sank in mich zusammen und atmete aus. Es war ein kleiner Schock gewesen, der Göttin gegenüber zu stehen. Sie war grausam. Genau wie in unseren Schriften geschrieben war. Delphis klägliches weinen riss mich aus meinen Gedanken. Sie kniete neben Meister und hielt ihre erschlaffte Hand. Sämtliche Farbe war von ihr gewichen und sie sah so friedlich aus. Beinahe als würde sie schlafen. Doch die große Blutlache, in der sie lag verriet, dass es nicht so war. Vorsichtig kniete ich mich neben sie und strich ihr langsam über die Stirn.

In der Wüste

Die verschneite Ebene wollte einfach kein Ende nehmen. Es waren schon weitere zwei Tage vergangen und es hatte sich nichts verändert. Langsam wurden wir alle ziemlich müde, da wir nie wirklich schliefen sondern nur unsere Augen schlossen, während wir ritten. Diese Einöde machte das Ganze nicht besser. Keine Dörfer und auch keine Häuser standen in diesem Teil des Landes. Verständlich. Hier gab es einfach nichts. Nicht einmal Wurzeln, die man hätte essen können. Unsere Vorräte neigten sich schon stark dem Ende entgegen und würden nicht mehr lange halten.

„Wie weit ist es noch?“, fragte Jotanate.

Ich hatte ihr vor einiger Zeit eine Jacke von mir geliehen, da sie sonst durch die Kälte gestorben wäre. Die Temperaturen wurden nicht besser. Ganz im Gegenteil. Es schien von Tag zu Tag kälter zu werden.

„Wir sollten eigentlich schon längst die Wüste erreicht haben“, sagte Jermain und sah sie an.

„Und warum wird es dann immer kälter?“, fragte Jatana.

„Das kann ich dir nicht sagen.“

Jermain sprang von seinem Pferd und griff in den Schnee hinein. Erstaunt zog er seine Hand zurück und sah uns an.

„Wir befinden uns mitten in der Wüste“, sagte er und offenbarte uns Sand.

„Das ist nicht möglich. Die Wüste ist komplett gefroren?“, fragte ich und sprang ebenfalls zu Boden.

„So sieht es aus.“

Vorsichtig griff ich selbst in den Schnee und spürte tatsächlich Sand darunter. Doch da war noch etwas. Es war fest. Langsam begann ich zu graben. Der Sand war hart und meine Finger eisig kalt. Vermutlich war ich schon an vielen Stellen verwundet. Doch das kümmerte mich nicht. Ich grub weiter und stieß bald auf etwas. Es sah aus, wie eine Hand.

„Ähm, vielleicht solltet ihr euch das mal ansehen“, sagte ich und sofort kamen alle zu mir.

Ungläubig starrten sie auf meine Entdeckung. Jermain kniete sich hin und sah es sich genauer an.

„Was ist das?“, fragte Nelana und sah mich an.

„Ich weiß es nicht. Was auch immer es ist. Es ist offensichtlich tot“, sagte ich und sie wendete sich ab.

„Das sieht nicht gut aus. Tiana, kannst du mal ein bisschen Feuer machen?“, fragte er und sie zog ihren Stab.

„Inferno“, rief sie.

Sofort traf ein Feuerstrahl den Boden und ließ den Schnee schmelzen. Er ließ den Sand wieder auftauen. Sofort rutschte er beiseite und offenbarte eine Person.

„Ich hatte es befürchtet. Wir befinden uns mitten in Tel Nuhara, dem Dorf der Propheten“, sagte Jermain und wir sahen uns um.

„Du meinst, hier ist das Dorf?“, fragte Ducan.

„Ich meine nicht nur, ich weiß es. Diese Frau ist eine Bewohnerin. Die Häuser müssen auch unter Schnee und Sand begraben sein“, sagte er und die Frau begann zu husten.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte ich und kniete mich neben sie.

Vorsichtig sah sie mich an. Ihre Augen waren leer und es schien, als wäre sie schon in einer anderen Welt.

„Ich wusste das ihr kommen würdet, Drachen“, sagte sie und ich zuckte zusammen.

Woher konnte sie wissen wer wir waren?

„Ich verstehe nicht ganz“, sagte ich und sah auf meine Hände herunter.

Die Haut war wirklich an einigen Stellen aufgerissen. Aber ich blutete nicht.

Die Kälte betäubte sie und ließ mich keinen Schmerz spüren.

„Wer, außer den Drachen, hätte uns gefunden? Für uns ist es zu spät. Aleta hat den Wüstendrachen erweckt und danach die Wüste unter Eis und Schnee begraben. Die meisten Bewohner sind schon Tod. Vielleicht gibt es einige wenige Überlebende, wie mich.“

„Dann müssen wir sie suchen“, sagte ich und sah zu den Anderen. Sie waren schon dabei an weiteren Stellen zu graben.

„Nein. Unsere Zeit ist gekommen. Ihr könnt nicht die ganze Wüste versuchen auszugraben. Zumal ihr mehr Leid als Freud hervorbringen würdet. Hier, nehmt das“, sagte sie und zog zitternd etwas aus ihrer Tasche.

Sie legte es in meine Hand und ich sah es mir genauer an. Es sah aus, wie ein Medaillon zum Umhängen.

„Was genau ist das?“, fragte ich vorsichtig.

„Das ist mein Erbe an diese Welt. Dieses Amulett kann euch zu denen bringen, die ihr sucht. Egal welche Person es ist. Selbst deinen Vater kannst du damit finden“, sagte sie und meine Gedanken begannen zu rasen.

Mein Vater. Ich konnte ihn finden. Doch wollte ich das wirklich? Ihre Hand legte sich an meine Wange.

„Leb wohl, Remino. Drache der Hoffnung“, sagte sie und ihre Bewegungen erstarben.

Entgeistert sah ich sie an. Sie wusste meinen Namen. Wer ich war. Gab es eigentlich etwas, was sie nicht wusste? Ich sah nach hinten und die anderen immer noch am Graben.

„Lasst es sein. Wir können hier nur noch Leichen bergen“, rief ich und sie sahen mich an.

„Wie kannst du dir sicher sein?“, fragte Liram.

„Sie hat es mir gesagt. Der Wüstendrache hat dieses Dorf verwüstet. Anschließend hat Aleta einen Schneesturm entfacht. Eine nette Art zu sagen, ihr geht mir auf die Nerven“, sagte ich und erhob mich.

Nelana kam zu mir und sah auf meine Hände.

„Tut das nicht weh?“, fragte sie und ich sah sie an.

„Nein. Solange sie gefroren sind, nicht. Die Kälte lindert den Schmerz.  Also eigentlich spüre ich gar nichts“, sagte ich und sie nickte.

„Von was für einem Wüstendrachen hast du eigentlich gesprochen? Ich dachte es gibt nur uns Acht und unsere bösen Brüder“, sagte Lirom und sah mich an.

„Es handelt sich um einen Sandsturm, der die Form eines Drachens hat“, sagte jemand und wir sahen uns um.

War Aleta hier? Wollte sie uns erneut die Reise erschweren?

„Wer ist da?“, fragte Jermain und aus dem Boden erhob sich eine Gestalt.

Sie war durchsichtig und schimmerte bläulich.

„Wer seid ihr?“, fragte unser Meister und die Person lächelte.

„Ich bin die, die ihr gerade ausgegraben habt. Wir Propheten verstehen uns auf Beschwörungen und andere Zauber. Also habe ich eine letzte Beschwörung gemacht. Mein Geist soll das letzte sein, das ihr seht. Auf diesem Weg beantworte ich euch auch noch einige Fragen“, sagte sie.

Gewisse Ähnlichkeit mit der Frau, hatte dieser Geist schon.

„Dann sag uns, was du sagen willst“, sagte Tiana.

„Die Göttin will euch töten. Sie hat meine Töchter nach Futura geschickt. Dort sollen sie zwei Mädchen treffen, die Maschinen entwickeln. Dies können Drachen töten. Danach werden sie im himmlischen Hafen auf euch warten. Sowie auch ein böser Drache. Ich habe gesehen, dass es eine große Schlacht geben wird, welche den Hafen vernichtet. Folgt eurem Weg und seid ohne Furcht. Meine Töchter werden euch nichts tun. Egal was Aleta auch androht. Sie glauben an unsere heilige Schrift. Sucht nach ihnen und überzeugt sie davon, auf eurer Seite zu kämpfen. Falls ihr Bedenken haben solltet, das ihr sie nicht findet, habt als Zeichen, das sie euch erkennen werden. Eine meine Töchter hat Visionen und weiß wie ihr ausseht. Es tut mir Leid, doch meine Zeit ist um. Ich wünsche euch alles Gute, meine Drachen“, sagte sie und löste sich auf.

Erstaunt sahen wir uns an.

„Aletas Einfluss geht noch weiter, als wir gedacht haben. Wir müssen auf der Hut sein“, sagte Lilith und Jermain nickte.

„Der Heilige Hafen wird unweigerlich unser Ziel. Oder wollt ihr woanders hin?“, fragte er und sah uns an.

„Mir sind die Ideen ausgegangen. Es wird wohl kein Weg daran vorbeiführen, den Hafen zu erreichen. Also machen wir uns auf den Weg“, sagte ich und die anderen nickten.

„Sitzt auf. Wir haben noch einige Tage vor uns, bis wir dort sind. Unterwegs werden wir hoffentlich, wieder Zivilisation vorfinden“, sagte Ducan und wir stiegen wieder auf die Pferde.

Unsere Reise ging weiter, so wie sie begonnen hatte. Mitten hinein ins Ungewisse.

Propheten in Futura

Es dauerte lange, bevor wir unseren Meister begraben hatten. Delphi hatte die geniale Idee, ihre Seele in einen Juwel zu beschwören. Das war nicht leicht. Doch irgendwie war es mir gelungen. Als Prophetin, konnte ich so etwas. Es war nützlich. So konnte ihre Seele uns immer noch helfen. Zum Glück. Delphis und meine Ausbildung stand noch am Anfang und ich konnte nur sehr wenige Techniken, die eigentlich eine Beschwörerin können musste. Also war diese Fähigkeit doppelt hilfreich. Ich konnte Menschen oder Lebewesen am Leben halten und gleichzeitig noch einiges lernen. Delphi und ich schritten durch einen dichten Wald, der direkt an die Wüste angrenzte. Ich wusste nicht genau wo wir waren, denn Karten von Jagurin hatte ich keine und meine Kenntnisse in Geographie waren beschränkt. Delphi wusste eh nicht wo wir waren. Man konnte ja froh sein, wenn sie sich nicht in ihrem eigenen Haus verlief.

„Sildera? Meinst du wir sind hier richtig?“, fragte sie und setzte den Koffer ab, der einst unserem Meister gehört hatte.

„Ich habe keine Ahnung. Aber nachdem, was Aleta gesagt hat, sollten wir eigentlich auf dem richtigen Weg sein“, sagte ich und sah mich um.

„Sollten wir nicht einmal kurz rasten? Meine Arme werden langsam lahm“, sagte sie und ich nickte.

„Gerne. Wir müssen uns eh nicht hetzten. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind die anderen auch noch hinter uns. Die Drachen werden noch einige Zeit brauchen, wenn sie jetzt erst die Wüste erreicht haben.“

„Ich bin mir immer noch nicht so sicher. Das ist doch völlig gegen unseren Glauben.“

„Delphi, glaub mir. Das spielt hier keine Rolle. Aleta kümmert sich wenig um unsere Kultur oder unseren glauben. Sie will nur, dass wir tun, was sie sagt. Wenn sie erst die absolute Macht hat, dann wird sie nichts mehr aufhalten. Dann kann sie die Welt so gestalten, wie es ihr gefällt.“

„Ich hoffe nur, dass sie nicht den Wüstendrachen erweckt“, sagte sie und ich wollte gerade antworten, als eine Vision sich ankündigte.

Mir wurde davor immer Schwindelig und meine Gedanken rasten. Dann schossen auch schon die Bilder in meinen Kopf und verschwanden blitzartig wieder. Eigenartig. Ich hatte kaum Zeit etwas zu erkennen. Das war ungewöhnlich, denn Visionen gingen oftmals über mehrere Minuten. Doch das war anders.

„Was hast du gesehen?“, fragte Delphi.

Da wurde mir klar, dass sie diese Zeichen auch sehen konnte. Meine Augen mussten weiß geworden sein und mein Körper zuckte normal immer unkontrolliert.

„Ich muss es erst verarbeiten. Die Bilder waren nur wenige Millisekunden zu sehen“, sagte ich und schloss meine Augen.

Ganz ruhig. Sieh dir das Ganze noch einmal an. Es wollte mir nicht ganz gelingen, diese Bilder wieder wach zu rufen. Doch vage konnte ich sagen, was ich gesehen hatte. Es war unser Dorf. Unter einer dicken Sandschicht und Schnee begraben. Unsere Mutter, die von einigen Menschen gefunden worden war und starb. Danach noch Aleta, wie sie mich anlächelte um zu sagen: Das war nur ein Vorgeschmack. Eine Träne rann über meine Wange und Delphi rückte näher zu mir.

„Und?“

„Aleta hat unsere Dorf zerstört und unsere Mutter getötet“, sagte ich schwach.

In Delphis Augen zeichnete sich Unverständnis und Trauer ab. Sie konnte wohl gar nicht erfassen, was ich gerade gesagt hatte.

„Das ist so ungerecht. Erst unser Meister und jetzt unsere Mutter. Wie viele Menschen müssen noch sterben, damit Aleta Ruhe gibt?“, fragte sie mit weinerlicher Stimme.

„Ich weiß es nicht. Doch ich fürchte sie wird nie Ruhe geben“, sagte ich.

„Das will ich nicht. Hörst du mich Aleta? Nimm mich. Ich bin bereit mein Leben zu geben, um alle anderen zu retten. Du bist grausam und gemein. Was haben dir die Menschen getan, das du so handelst?“, fragte Delphi.

Doch keine Antwort. Das war auch nicht zu erwarten. Aleta würde uns nicht antworten, selbst wenn wir die letzten Menschen auf Erden wären. Doch plötzlich tat sich etwas. Ein grelles Licht erschien zwischen den Bäumen und ein Junge trat hervor.

„Hallo, ihr Zwei“, sagte er und sah uns an.

Er war schlank und unheimlich muskulös. Er trug eine enge Rüstung aus Eisen, mit einem Raben, als Wappen. An seinem Gürtel konnte ich mehrere Dolche sehen. Seine Haare waren lang und zu einem Zopf gebunden.

„Wer bist du?“, fragte ich und fuhr mit meiner Hand langsam an die Fächer, welche an Meisters Koffer festgeschnallt waren.

„Wow, ruhig, Kleine. Ich will keinen Kampf mit euch. Ihr würdet eh keine Chance haben. Ich suche nach jemandem.“

„Und wie sollten wir dir helfen können?“, fragte ich und er lachte.

Seine Stimme klang irgendwie kalt und unheimlich.

„Ihr seid Propheten. Eure Visionen erlauben euch jeden Menschen zu sehen. Also, kennt ihr einen Jungen Namens Remino?“, fragte er und ich überlegte.

Meine Visionen zeigten zwar viele Menschen, doch niemals erfuhr ich einen Namen. Dafür war ich einfach zu schwach. Meister hätte das gekonnt. Doch leider hatte sie nie Gelegenheit gehabt, dieses Wissen weiter zu geben.

„Tut mir Leid. In meinen Visionen erfahre ich keine Namen. Ich stehe leider am Anfang meiner Ausbildung. Meine Schwester hat gar keine Visionen“, sagte ich und er lachte.

„Eine Prophetin und eine Schamanin“, sagte er und lachte.

„Was soll das heißen?“

„Du bist doch eine Schamanin, oder? Du rufst Geister, die dich im Kampf unterstützen.“

„Ja, schon. Aber ich bin eine Prophetin. Keine Schamanin. Dafür bin ich noch gar nicht weit genug.“

„Das werdet ihr vielleicht noch lernen. Naja. Vielleicht hilft dir ja ein Bild auf die Sprünge“, sagte er und schmiss mir ein eingerolltes Pergament vor die Füße.

Vorsichtig nahm ich es und entrollte es. Auf dem Papier war eine der Personen aufgemalt, die ich in der letzten Vision gesehen hatte. Der Junge hieß also Remino? Er war es, der meine Mutter gefunden hatte.

„Nein, tut mir Leid. Ich kenne ihn nicht und habe ihn noch nie gesehen“, sagte ich und rollte das Papier wieder auf.

Er kam zu uns und nahm es wieder an sich.

„Schade. Da kann man wohl nichts machen. Darf ich fragen, wo ihr hinwollt?“

„Nach Futura.“

„Oh. Da habt ihr es ja nicht mehr weit. Soll ich euch in die Stadt bringen? Sie ist keine fünfzehn Minuten von hier entfernt. Vielleicht seid ihr ja die Mädchen, die man dort erwartet“, sagte er und ich stutzte.

Er wusste davon. Wer war dieser Kerl? Ein einfacher Mensch bestimmt nicht. Vielleicht ein Soldat?

„Gerne. Führe uns dort hin“, sagte ich und erhob mich.

Delphi ebenfalls. Ich griff den Koffer und folgte dem Jungen, der sofort losging. Er hatte nicht gelogen. Kurze Zeit nach unserem Aufbrechen, tauchte eine Stadt vor uns auf.

„Hier muss ich euch wieder verlassen. Man sieht mich nicht gerne in Futura. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder. Tschau“, sagte der Junge und ging wieder.

Wer bei allen Drachen war er? Er hatte Informationen, die eigentlich geheim sein sollten und kannte sich mit unserem Volk aus.

„Wollen wir?“, fragte Delphi und riss mich aus meinen Gedanken.

„Natürlich“, sagte ich und wir betraten die Stadt.

Futura

„Dort vorne ist ein Wald. Wenn wir uns beeilen, sind wir in ein paar Stunden in Futura“, sagte Lilith und wir nickten.

Sofort trieben wir die Pferde noch mehr an. Sie waren, genau wie wir, müde, liefen aber trotzdem weiter. Lilith hatte nicht gelogen. Vor uns tauchte ein Wald auf und mit ihm wurden die Temperaturen auch erträglicher. Jotanate ritt neben mich und warf mir meine Jacke wieder zu. Kein Danke und auch sonst kein Wort. Hatte ich ehrlich gesagt auch nicht erwartet. Jotanate war nun einmal, wie sie war. Kalt und verschlossen. So etwas wie Dankbarkeit kannte sie nicht. Schade dass ich sie nie berühren konnte. Dann hätte ich genau sehen können, warum sie so war. Vielleicht würde sich das ja ändern. Immerhin sprach sie jetzt schon mehr mit uns. Und sprach, zumindest mich, mit Namen an und sagte nicht einfach nur du. Es vergingen noch einige Stunden, bis wir endlich die ersten Ausläufer der Stadt erreichten. Kleine Häuser, die hier herumstanden. Meist unbewohnt. Es war einfach nicht gut, hier in der Natur zu leben, wenn die Stadt nun einmal dreihundert Meter entfernt war. Futura war eine moderne und sehr belebte Stadt. Die Menschen hier waren oftmals so intelligent, das es keine Rätsel gab, die sie nicht lösen konnten. Angeblich wurden sie so geboren. Naja, das wäre eine Erklärung. Doch aus irgendwelchen Gründen, sahen sie aus, als wären sie alle Geschwister. Sie sahen nicht gleich aus, aber immer ähnlich. Die gleichen Augen, Haarfarbe und Körpergröße. Die Häuser hier sahen mehr aus wie Kugeln. Einige von ihnen schwebten sogar in der Luft. Wie auch immer sie das taten. Magie konnte so etwas zwar auch, doch dafür hätten hier dreitausend Hexen und Priester stehen müssen, damit sie ein Gebäude in der Luft hätten halten können. So viele Hexen lebten vielleicht im Heiligen Hafen. Aber nicht hier. Wir passierten das Stadttor und befanden uns in einer völlig neuen Welt. Diese Stadt war unheimlich sauber. Man hatte einen Weg gefunden, Müll und Hinterlassenschaften zu entsorgen ohne, dass man sie offen stapelte.

„Ich kenne eine gute Herberge hier. Eine Elfe leitete sie“, sagte Lilith und wir ritten ihr nach.

Die Straßen waren breit und in gutem Zustand. Unglaublich. Diese Art von Pflaster war mir unbekannt. Doch ich fand es faszinierend. Es dauerte nicht lange, da erreichten wir ein Haus mit der Aufschrift Herberge zum zukünftigen Helden. Was ein ironischer Name, in der Stadt Futura. Man sagte nicht umsonst, dass die Zukunft hier schon begonnen hatte. Vor dem Haus stand eine junge Frau. Sie sah ein wenig aus wie Lilith.

„Hallo, Lilith. Hätte nicht gedacht, das du dich hier wieder einmal zeigst“, sagte sie und Lilith lächelte verlegen.

„Es ist lange her, Schwester“, sagte sie und stieg ab.

Was? Das war ihre Schwester? Das erklärte natürlich, warum sie sich ähnlich sahen. Aber warum sollte Liliths Schwester hier leben? Elfen zogen doch die Nähe zur Natur vor.

„Alle mal herhören. Das ist Adelia, meine Schwester.“

„Freut mich euch kennen zu lernen“, sagte Jermain und stieg von seinem Pferd.

„Ihr müsst Jermain sein. Lilith hat mir viel von euch erzählt“, sagte sie und Jermain lief ein wenig rot an.

Ich hoffte, dass sie nicht stundenlange plaudern wollten. Wir waren alle müde und wollten eigentlich nur ein paar Stunden schlafen.

„Kommt herein. Ich habe eure Zimmer schon vorbereitet. Ihr müsst euch leider zu viert ein Zimmer teilen“, sagte sie zu uns.

Solange nicht Mädchen und Jungs in ein Zimmer mussten, war es mir egal. In Nelanas Gesicht las ich etwas anderes. Sie und Jotanate auf einem Zimmer. Das war pures Dynamit. Hoffentlich ging das gut. Adelia zeigte uns, wo wir die Pferde abstellen und versorgen konnten und führte uns dann in die Zimmer. Sie waren größer und viel einladender, als in jedem Kloster, das ich bis jetzt besucht hatte. Das waren zwar erst zwei, aber offensichtlich schienen sie alle ähnlich zu sein. Liram und Lirom bezogen sofort die Betten. Man hatte immer zwei übereinander gebaut. Praktisch. So sparte man noch mehr Platz. Meriano legte sich freiwillig nach oben. Die drei schliefen sehr schnell. Doch irgendwie fand ich keine Ruhe. Die Gedanken rasten in meinem Kopf und überschlugen sich. Mein Bruder und ich, waren Drachen. Auf einer Mission, die Welt zu retten. Schön und gut. Doch wie sollten wir das anstellen? Uns war es ja nicht einmal möglich, einen Drachenjünger zu besiegen. Dazu kam noch, das Aleta eigentlich unser Feind war. Das was wir anbeteten, war eigentlich unser Untergang. Sehr schön. Besser konnte das Ganze nicht mehr werden. Es dauerte lange, doch irgendwann fand ich Ruhe. Ich glitt in die Schwärze meines Geistes.

„Hallo, Remino“, sagte eine Stimme und die Umgebung wurde wieder weiß.

„Smaragddrache?“, fragte ich und der Drache erschien wieder vor mir.

„Es ist lange her, seit wir gesprochen haben.“

„Das stimmt. Ich dachte schon du seist Tod, nachdem du so lange nichts mehr gesagt hast.“, sagte ich und er lachte.

„Aleta kann mich hier so oft töten, wie sie will. Ich komme immer wieder. Da ich ein Teil von dir bin, lebe ich solange, wie du atmest.“

„Ich habe so viele Fragen“, sagte ich und er lächelte.

„Das weiß ich. Aber warte damit noch ein wenig. Ich werde dir zuerst einige Dinge erklären. Also zuerst. Dein Bruder ist wirklich ein Drache. Wir Drachen sind Götter. Also können wir nicht sterben. Unsere Körper vergehen. Aber niemals vergehen wir. Den Jungen, den ihr getroffen habt. Der ist wirklich einer unserer Brüder. Seine menschliche Gestalt ist gefährlicher, als ihr es eigentlich je sein dürftet.“

„Das habe ich soweit verstanden. Aber eigentlich kann ein Gott doch einen Gott töten, oder?“

„Nein. Ihr könntet Aleta töten. Aber sie würde wieder erscheinen. So wie wir auch. Ein Gott kann niemals sterben. Deswegen haben wir unsere Artgenossen ja auch eingeschlossen. Sie wären uns, zu diesem Zeitpunkt, noch unterlegen gewesen. Jetzt verstehst du, warum wir so gehandelt haben.“

„Ja. Aber eins ist mir nicht klar. Die Frau, die wir getroffen haben, sprach von einem Wüstendrachen. Was hat es damit auf sich?“

„Eine berechtigte Frage. Wir haben einst Rüstungen für uns erschaffen. Sie wurden aus unseren Schuppen gefertigt und sollten unsere menschlichen Körper beschützten, wie unser Schuppenkleid. Diese Rüstungen nennt man nun Drachenkristalle. Es sind genau Acht. Also auch acht Rüstungen. Diese Rüstungen haben alle ihre Kräfte. So ist die, des Bernsteindrachens eine Rüstung, die Sandstürme hervorrufen kann. So kann man sich schnell zurückziehen. Meine Rüstung kann eine Giftwolke erzeugen, die dich beschützt. So können wir uns verteidigen. Kannst du dir jetzt vorstellen, was es damit auf sich hat?“

„Aleta schickt diese Rüstungen los, um Chaos anzurichten?“

„In der Tat. Sie benutzt sie als Waffe. Außer uns kann diese Rüstung niemand tragen. Wenn es jemand versucht, wird er sofort sterben.“

„Aber wie kann man sie dann losschicken um Chaos zu verbreiten?“

„Das ist Recht einfach. Da es magische Rüstungen sind, brauchen sie keinen Träger. Auch eine Schutzfunktion. Ihr werdet sie holen müssen, wenn ihr den Heiligen Hafen erreicht habt. Terra hat sie in seinem Gewahrsam und wird sie euch freiwillig übergeben, sobald er überzeugt davon ist, wer ihr seid. Es sei denn, auch er ist abtrünnig geworden. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Wir reden hier immerhin von Terra. Er ist der Inbegriff von Loyalität zu der Göttin.“

„Ich fürchte aber, dass er nicht sehr glücklich sein wird, dass wir seinen Sohn getötet haben“, sagte ich und der Drache schnaubte.

„Wenn dieser Mensch glaubt, er könnte es mit uns aufnehmen, dann hat er sich geschnitten. Thomas war verwirrt. Aber sein Vater sollte eigentlich klar sehen.“

„Hoffen wir dass du Recht hast.“

„In der Tat, Remino. Das wäre schön. Ich hoffe auch, dass es uns bald gelingt, dir ein wenig deiner Kraft wieder zu geben. Da ich nicht mehr viel Kraft habe, versuche ich was ich kann um solange bei dir zu bleiben, wie ich kann. Wenn du nachher erwachst, wirst du dich an einige Dinge aus unserem Leben erinnern, bevor dein Körper überhaupt existiert hat.“

„Eins würde mich aber noch interessieren. Warum nehmen Drachen eine menschliche Gestalt an?“

„Weil auch wir Götter sind. Würden wir als Drachen auf Erden wandeln, dann würde uns jeder sofort sehen und vor allen Dingen würden wir mehr zerstören, als uns das lieb wäre. Deswegen tarnen wir uns als Menschen. Um ihnen nahe zu sein. Nebenbei. Es ist einfacher mit jemandem zu reden, wenn man nicht so groß ist, wie ein Berg“, sagte er.

Langsam verblasste er wieder. Doch bevor ich ihn aus den Augen verlor, hatte ich den Eindruck, als würde er mir zu blinzeln. War das gerade wirklich passiert? Hatte er geblinzelt? Dieser Drache war ein Rätsel für mich. Genau wie ich selbst. Immerhin wollte er mir einen Teil der Erinnerung zurückgeben. Die Umgebung wurde wieder schwarz und ich tauchte in einen traumlosen Schlaf.

Liebesdrache

Es kam mir vor wie ein Alptraum, der zur Wirklichkeit wurde. Jotanate und ich auf einem Zimmer. Wie sollte ich diese Nacht überstehen? Kalira verzichtete darauf, oben zu schlafen. Also konnte ich nach oben gehen. Jeder Meter zwischen dieser Person und mir war gut. Doch, egal wie viel es war, es war mir dennoch zu weinig. Naja für eine Nacht sollte das ganz gehen. Wir waren alle so müde, dass wir schnell einschliefen. Sogar ich. Normal lag ich noch Stunden wach und dachte über unsinnige Dinge nach.  Mitten in der Nacht begann ich zu träumen.

„Hallo, Nelana“, sagte eine Stimme und ich schreckte zusammen.

„Wer ist da?“, fragte ich.

Vor mir war ein weißer Raum. Nichts mehr als weiß. War das ein Teil meines Bewusstseins?

„Du kennst mich“, sagte sie Stimme.

Sie war offensichtlich weiblich. Aber dafür ziemlich tief.

„Du bist der Drache?“, fragte ich und die Stimme lachte.

Sofort zeichnete sich ein rubinfarbener Drache vor mich ab. Die Schuppen leuchteten in einem wunderschönen rot. Ihr schlangengleiches Aussehen ließ  sie anmutig wirken. Die Bewegungen wirkten alles so fließend.

„Ja, das bin ich“, sagte sie und lächelte.

„Warum bist du hier? Ich dachte, dass ich du bin“, sagte ich und sie lachte erneut.

„Das stimmt im Großen und Ganzen auch. Wir sind eins. Das was du hier siehst ist nur meine Seele, die du von Aleta erhalten hast.“

„Sag mir eins, vorweg. Warum verstehen Jotanate und ich uns nicht?“, fragte ich.

„Hat man dir das nicht schon einmal gesagt?“

„Doch. Wir sehen uns wohl als Konkurrenten an, im Kampf um einen Jungen“, sagte ich und sie nickte.

„Und warum glaubst du das nicht?“

„Weil ihr Götter seid. Warum solltet ihr so etwas tun?“

„Die Frage ist mehr, warum solltet ihr das tun? Remino ist süß, das stimmt. Aber noch nicht halb so schön, wie seine Drachengestalt. Du hättest ihn damals sehen müssen. Er war einfach.“

Sie stockte. Offenbar fiel ihr dazu nichts mehr ein.

„Das kann ich nicht einmal in Worte fassen. Du wirst es vielleicht sehen, wenn du erwachst. Ich gebe dir einen Teil der Erinnerung zurück. Mehr Kraft habe ich im Moment leider nicht. Sonst würde ich dir alles wiedergeben. Doch ich bin immer noch schwach, wegen Aleta.“

„Was hat sie mit euch gemacht?“

„Nachdem wir unsere Geschwister versiegelt hatten, zog sie alle Kraft, die mit ihr zu tun hatte, zu sich. So wurden auch wir zu ihr gezogen, da sie nicht ganz unschuldig an unserer Form ist. Unsere Geschwister, die Drachen, die ihr Tod geglaubt, wurden bei der Aktion sehr übel mitgenommen. Ihre Geister wurden vollständig zerstört. Es wird auch noch einige Zeit dauern, bis sie sich wieder regeneriert haben. Wenn wir wieder erwachen, fangen sie vielleicht gerade an ihre Kräfte zu bekommen. Eure Geschwister müssen um jeden Preis geschützt werden. Nur wenn ihr alle erwacht, habt ihr eine Chance gegen die anderen Drachen und Aleta.“

„Was sollen wir mit Aleta machen? Wenn wir sie nicht töten können, wie soll dann dieser Krieg je beendet werden?“

„Vermutlich wird das nie passieren. Doch wenn ihr Aleta besiegt, wird sie in einen langen Schlaf verfallen. In dieser Zeit wird es Ruhe geben. Mehr kann ich dir nicht sagen. Vielleicht weiß Remino mehr. Er war es, der uns angeführt hat. Durch ihn konnten wir überhaupt bemerken, was Aleta getan hat. Wir alle vertrauen ihm. Und wie ich gesehen habe, ihr auch.“

„Er strahl eine gewisse Sicherheit aus, die wir brauchen, das stimmt. Ich habe immer das Gefühl, als könnte ich mich auf ihn verlassen.“

„So ist es auch, Nelana. Er ist vielleicht nicht so alt, wie ich. Wir sind nun mit Abstand die ältesten beiden. Nicht in Menschen, sondern in Drachenjahren. Es tut mir Leid, Nelana. Aber meine Zeit ist um. Gehe mit Hoffnung voran und denk immer daran, das auch in den dunkelsten Stunden ein Fünkchen Liebe helfen kann“, sagte der Drache und verschwand.

Ich blieb zurück in dem Dunklen meines Geistes. Ihre Worte wollten sich nicht so richtig festsetzten. Doch bevor ich sie richtig verarbeitet hatte, schlief ich schon wieder.

Assassinen

Der Morgen kam. Mit den ersten Sonnenstrahlen wurde ich wieder wach. Es war doch immer wieder das gleiche. Egal wie müde ich war, mit dem Aufgehen der Sonne war ich wach. Allerdings fühlte ich mich heute erfrischt und wieder einigermaßen bereit zu reisen. Ich zog mich an und verließ, lautlos, das Zimmer. Die Herberge war nur spärlich beleuchtet und schien wie ausgestorben. Langsam ging ich nach unten und gelangte in den Schankraum. Adelia stand schon dort und putzte Gläser und andere Dinge. Sie nickte mir zu, als sie mich bemerkte und ging dann wieder ihrer Arbeit nach. Auf einem, der vielen Stühle, nahm ich Platz und begann nachzudenken. Der Drache hatte mir gesagt, dass ich mich an einige Dinge wieder erinnern könnte. Doch irgendwie fühlte ich nichts anderes. Und doch kam mit die Welt anders vor. Als wäre sie nicht mehr die gleiche. Wenn ich das jemandem versucht hätte zu erklären, wäre ich kläglich gescheitert. Ich konnte es nicht in Worte fassen. Es war einfach anders.

„Ich verstehe dich sehr gut, Remino“, sagte Adelina und kam mit einem Krug Wasser an meinen Tisch.

Sie stellte zwei Gläser vor sich und füllte diese.

„Daran werde ich mich nie gewöhnen“, sagte ich und sie sah mich an.

„Das dich jemand versteht?“

„Nein, das Elfen meine Gedanken lesen“, sagte ich und sie lachte.

„Wir meinen es nicht einmal böse. Es ist einfach ein Zwang. Quasi kannst du sagen, dass wir dazu verdammt sind, die Gedanken anderer zu hören. Du denkst also, das die Welt sich verändert hat?“

„Es kommt mir so vor. Der Smaragddrache meinte, dass ich mich an einige Dinge wieder erinnern sollte. Doch irgendwie finde ich nichts, was ich nicht schon vorher wusste.“

„Bist du dir sicher?“, fragte sie und trank.

Was meinte sie? Wusste sie von Dingen, die ich nicht wusste? Ich wollte sie gerade Fragen, als sie schon Antwortete.

„Du wusstest also schon, dass du auf dem großen Berg Immula geboren wurdest und dort auch aufgewachsen bist? Das wusstest du schon?“

„Woher?“

„Frag nicht. Das ist zu kompliziert um das zu erklären. Also du denkst, dass du dich an nichts Neues erinnerst?

„Es kommt mir so vor.“

„Dann solltest du noch einmal nachsehen. Ich gebe dir einen Rat. Einige Erinnerungen, willst du nicht sehen. Such bloß nicht zu tief“, sagte sie und schüttelte sich.

Ich wollte gerade etwas sagen, als ich Schritte hörte. Sofort ließ Adelina das Glas sinken und sah zur Treppe. Sie erhob sich und ging wieder an den Tresen. Ich sah ebenfalls zur Treppe. Dort standen zwei Mädchen. Nicht viel älter als ich. Beide sahen aus, als wären sie Bewohner der Wüste gewesen. Waren das Propheten? Plötzlich fiel mir der Anhänger ein, den die Frau mir gegeben hatte. Vorsichtig zog ich ihn aus meiner Tasche und legte ihn auf die Flache Hand.

„Zeig mir jene, die in Futura auf mich warten“, sagte ich und sofort erschien eine Person über dem Stein.

Tatsächlich war es eins der Mädchen. Die größere der Beiden. Sofort erstarrte ich. Die zwei schienen mich zu Ignorieren und gingen direkt zu einem Tisch. Ich sah sie mir genauer an. Eine von ihnen trug zwei Fächer an ihrer Hüfte und die andere zwei Ringe, die man Chakrams nannte. Eine Klingenwaffe, die Kreisförmig und unheimlich schnell war. Sie waren es also, die auf mich warteten. Nein eigentlich mehr auf uns. Adelina brachte ihnen ebenfalls einen Krug voller Wasser und zwei Gläser. Sie sprach kurz mit ihnen und verschwand dann im Hinterzimmer. Die zwei Mädchen sprachen nicht. Sie sahen müde und ziemlich mitgenommen aus. Hätte ich doch nur die Gabe, ihre Gefühle zu sehen. Ich hätte sofort gewusst was ihnen zusetzte. Ich konnte nicht anders, als sie anzustarren. Doch plötzlich ging eine Art Welle von dem Anhänger, auf meiner Hand, aus und sofort sahen sie beide mich an. Erschreckt ließ ich beinahe die Kette fallen. Das eine der Mädchen kniff ihre Augen zusammen und erhob sich dann. Langsam ließ ich den Anhänger in meiner Tasche verschwinden und legte eine Hand an meinen Zauberstab. Doch es deutete nichts darauf hin, dass sie mich angreifen wollte oder sauer war. Das wunderte mich. Warum kam sie auf mich zu. Seelenruhig setzte sie sich mir gegenüber.

„Entschuldig bitte. Ich weiß nicht genau wie du heißt, aber ich weiß wer du bist. Kannst du mir bitte die Kette zeigen, die du gerade in der Hand hattest?“

Oh verdammt. Sie hatte es wirklich bemerkt. War das ihre Kette? Unsicher holte ich sie hervor und legte sie auf den Tisch. Sie griff danach und sah sie sich an. Dann schloss sie ihre Augen und drückte die Kette an ihr Herz. Tränen rannen über ihr Gesicht. Sofort erhob ich mich und ging auf sie zu. Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter und sofort schossen mir Bilder durch den Kopf. Dieses Mädchen war wirklich die Tochter der Frau. Sie saß oft in einem dunklen Raum und meditierte. Ansonsten hatte sie immer Bücher in der Hand. Sie schien meine besondere Begabung zu bemerken und sah mich an.

„Jetzt weißt du es“, sagte sie und legte die Kette auf den Tisch zurück.

Sofort kam auch das andere Mädchen und nahm sie in den Arm. Die beiden weinten. Sie waren also Geschwister. Zumindest machte es den Anschein. Vorsichtig nahm ich die Kette wieder an mich. Es dauerte lange, ehe sie sich beruhigten.

„Entschuldige uns bitte“, sagte die Kleinere und sie gingen wieder nach oben.

Was war das gerade? Es war wohl ihrer Mutter Halskette gewesen. Dass sie ihren Tod bedauerten, konnte ich sehr gut verstehen. Ich nahm wieder Platz und wartete. Mein Bruder und die anderen kamen auch relativ Zeitig nach und trafen sich mit mir. Unsere Meister blieben noch auf ihren Zimmern. Kein Wunder. Wo wir gleich geschlechtliche Zimmer hatten, waren sie gemischt auf einem. So waren Lilith und Jermain auf einem Zimmer und Ducan zusammen mit Tiana. Naja, wie sie das wollten. Als wir alle zusammen saßen, brachte Adelia ein kleines Frühstück. Es bestand nur aus Brot, ein wenig Käse und Wasser. Es war mehr, als ich im Kloster bekam. Wir redeten nicht miteinander. Wir alle waren ein wenig aufgewühlt. Vor allem Nelana. Sie war ungewöhnlich still und in sich gekehrt. Das kannte ich nicht von ihr. Wir beendeten das Mahl und schwiegen uns dann weiter an. Irgendwann kamen unsere Meister. Sie hatten erstaunlich gute Laune. Sie nahmen an einem extra Tisch Platz.

„Kann ich vielleicht mit dir sprechen, Remino?“, fragte Nelana mich.

Erstaunt sah ich sie an. Mit mir sprechen? Alleine? Na das musste wohl etwas ernstes sein.

„Natürlich. Gehen wir nach oben“, sagte ich und wir verließen die Runde.

Ich konnte noch spüren, wie sie uns alle nachsahen. Ich führte Nelana in mein Zimmer und schloss die Türe hinter uns.

„Also? Was ist los? Du scheinst heute völlig durch den Wind zu sein.“

„Ich habe heute Nacht mit dem Rubindrachen gesprochen.“

Ihr Drache war also auch erschienen. Das erst Mal, das ein weiblicher Drache sich zu Wort meldete. Und dann auch direkt der älteste.

„Und was hat sie gesagt?“, fragte ich.

„Sie hat mir einige Erinnerungen gegeben. Nicht wirklich schöne Dinge. Wenn ich sie mir so ansehe, dann könnte ich meinen, das Jotanate und ich nur am Streiten waren und es immer noch sind. Und das alles wegen dir. Ich will dich nicht in diesen Streit mit hineinziehen. Doch es scheint kein Weg daran vorbei zu führen. So wie damals, empfinde ich auch jetzt einiges für dich“, sagte sie und schloss ihre Augen.

Sie wollte gerade weitersprechen, als jemand die Türe aufriss und hineinstürmte. Es war eine der Propheten. Sie hatte ihre Fächer gezogen und stellte sich ans Fenster. Sie schlug zu und wurde im nächsten Moment nach hinten geworfen. Sofort kamen auch unsere Geschwister gelaufen.

„Ist alle in Ordnung?“, fragte ich das Mädchen und half ihr beim Aufstehen.

„Es geht schon“, sagte sie und sah auf ihre Waffen.

Dort steckte ein Bolzen. Von einer Armbrust verschossen.

„Auf der anderen Seite“, sagte sie zu Jatana und sofort zog sie ihren Bogen.

„Ja, ich sehe ihn. Kalira?“, fragte sie und sofort hatte sie ihre Kristallkugel und ihren Stab in der Hand.

Sie beschrieb einen Kreis vor sich und lief dann los. Sofort verschwand sie und erschien im nächsten Moment mit einem Jungen wieder. Er war kräftig.  Auf seiner Rüstung war ein Rabe als Wappentier.

„Das ist doch der Kerl, den wir im Wald getroffen haben“, sagte die anderen Prophetin und ihre Schwester nickte.

„Ich wusste, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Er ist ein Meuchelmörder“, sagte sie und ich sah mir den Jungen genauer an.

Er war unheimlich muskulös. An seinem Arm war eine Art Armbrust angebracht, die schon wieder geladen war. Er hatte es also wirklich auf Nelana oder mich abgesehen.

„Was machen wir mit ihm?“, fragte Kalira und sah uns an.

„Ich würde sagen, aus dem Weg räumen“, antwortete Jotanate und zog ihren Bogen.

„Wir dürfen ihn nicht töten. Wenn er uns verrät, wer ihn beauftragt hat, dann wissen wir zumindest, mit wem wir es zu tun haben“, sagte ich und sie nickten alle.

„Waffen in Bereitschaft.“

Sofort zogen alle ihre Waffen und richteten sie auf den Jungen.

„Lös die Starre“, sagte ich zu Kalira und sofort konnte er sich wieder bewegen.

Er sah sich nicht einmal erstaunt um. Es schien, als wüsste er genau, was passiert war.

„Sehr schön. Ihr habt mich gefangen. Und jetzt?“, fragte er und löste seine Waffe.

Sie fiel zu Boden und klapperte laut.

„Wer hat dich geschickt?“, fragte Jotanate und sah ihm tief in die Augen.

„Warum sollte ich das dir sagen, Mädchen?“

„Antworte, oder ich werde“, begann sie doch er unterbrach sie.

„Was wirst du? Mich töten? Das will ich sehen.“

„Sag mir. Kommst du vielleicht aus dem Dorf in den Bergen?“, fragte ich und er lächelte erneut.

„Da kennt sich wohl jemand aus.“

„Ich habe vage Erinnerungen daran.“

„Du bist einmal dort gewesen?“

„In einem früheren Leben, denke ich.“

„Dann wist du auch wissen, was die Drachen dort getan haben. Sie haben dieses Dorf komplett vernichtete, als sie in ihren dummen Krieg gerieten. Aleta will die Drachen tot sehen und euch am liebsten mit dazu. Warum, keine Ahnung. Aber ihr müsst sterben“, sagte er und griff gerade nach einem Dolch, als eine der Prophetinnen reagierte.

Sie riss ihren Ring nach oben, ließ seine Hand durch die Öffnung gleiten und schluderte ihn dann zu Boden. Vermutlich hatte sie ihm dabei auch den Arm gebrochen. Er schien sich nicht dafür zu interessieren. Er lag dort und hatte ein vollkommen emotionsloses Gesicht.

„Tötet mich. Das ist eure Chance. Ihr Propheten seid doch gefährlicher als ich angenommen habe. Ich hätte euch im Wald schon töten sollen“, sagte er und schloss seine Augen.

„Töten wir ihn“, sagte Jotanate und wollte gerade schießen, als jemand durch das Fenster gesprungen kam.

Es war eine Person, die genauso aussah, wie der Junge vor uns. Seine Rüstung war ebenfalls von einem Raben verziert, leuchtete aber weiß. In seiner Hand lag eine Art Sense.

„Na da komme ich ja genau im richtigen Moment“, sagte er und sofort öffnete der andere Junge seine Augen.

„Was hast du hier verloren?“, fragte er und sah ihn an.

„Ich will dich retten. Genau wie die letzten Jahre“, sagte der Neuankömmling und ließ seine Waffe sinken.

„Es tut mir Leid. Mein Freund hier ist ein wenig, übereifrig. Ich hoffe, er hat euch nicht allzu sehr in Schwierigkeiten gebracht.“

„Er wollte uns umbringen“, fuhr Jotanate ihn an.

„Wow, ganz ruhig, Mädchen. Keiner will hier irgendwen umbringen.“

„Warum hat er dann auf Remino und Nelana geschossen?“, fragte Jotanate und zeigte auf uns.

„Wenn er ernsthaft gewollt hätte, dass die zwei Tod sind, dann wären sie es. Da hätte keiner von euch etwas machen können. Er hat absichtlich daneben gezielt“, sagte er und sofort lachte der Junge auf dem Boden.

„Du willst mir unterstellen, dass ich absichtlich ein Ziel davonkommen lasse?“, fragte er.

„Seit dem Tod von ihr, bist du nicht mehr so kalt, wie du dich gibst.“

Der Junge am Boden stand so schnell vor seinem Ebenbild, dass wir nur erahnen konnten, dass er sich bewegt hatte.

„Wage es nie wieder, dieses Ereignis, zu erwähnen. Es war meine Schuld, dass sie nicht mehr da ist. Reib mir das nicht immer unter die Nase.“

„Das tue ich doch gar nicht. Du interpretierst einfach zu viel in diese Aussagen hinein.“

Sofort wollte er zuschlagen, doch er hielt sich zurück. Er zitterte und schien ziemlich mitgenommen. Weinte er etwa auch? Ich konnte es nicht sehen, da er mit dem Rücken zu mir stand.

„Lass uns darüber reden. Könnt ihr uns alleine lassen?“, fragte der weiße Junge und ich nickte.

Jotanate wollte gerade etwas sagen, doch ich gab ihr zu verstehen, den Mund zu halten und zu gehen. wiederwillig verließ sie das Zimmer.  Als die Türe ins Schloss gefallen war, drückte sie mich sofort gegen die Wand.

„Was soll das? Der Junge wollte dich umbringen und du verlässt das Zimmer, damit sie unbemerkt entwischen können? Was für eine Art von Weisheit ist das? Bringt man euch das im Kloster bei?“

„Nein. Man bringt uns bei, dass jeder Mensch eine zweite Chance verdient. So auch du. Lass mich sofort los, oder du wirst es bereuen“, sagte ich ernst und sie kniff ihre Augen zusammen.

Was sie nicht wusste, auch Mariano wusste nichts davon, ich hatte einige Handgriff gelernt hatte, mit denen ich sie spielend besiegen konnte.

„Willst du mir drohen?“, fragte sie und im nächsten Moment wandte ich die Techniken an.

Ich griff nach ihrer Hand, traf eine Nervenbahn und betäubte so ihren gesamten Arm. Als nächste stieß ich gegen ihre Brust und betäubte noch mehr von ihrem Körper. Bevor sie richtige mitbekam, was passierte, lag sie schon am Boden.

„Ich will eins klarstellen. Wenn ich eine Entscheidung fasse, dann ist diese Endgültig. Wenn du ein Problem damit hast und wieder Handgreiflich wirst, wird das hier immer und immer wieder passieren. Ich sagte, wir lassen die zwei Reden, also lassen wir sie das auch. Sie werden nicht verschwinden. Das sagt mir mein Instinkt.“

Meine Worte waren wohl gewählt und spiegelten genau das wieder, was ich dachte. Wenn Jotanate das also nicht verstehen wollte, war sie selbst Schuld. Die anderen sahen mich erstaunt an.

„Was ist los? Dachtet ihr nicht, das ich auch meine Meinungen und Interessen angemessen vertreten kann?“, fragte ich.

„Schon. Aber direkt so? Du hast mich richtig geschockt“, sagte Liram und sah mich an.

„Auch ich lasse mir nicht alles gefallen. Für seine Meinung und Interessen, muss man einstehen. Und das werde ich tun“, sagte ich und sie nickten.

„Alles klar“, sagte Liram und lächelte eigenartig.

Gefiel ihm diese Seite von mir? Hatte er Spaß daran zu sehen, wie ich jemanden verletzte? Das konnte ich mir eigentlich gar nicht vorstellen. Auch ein Krieger kannte so etwas wie Anstand und Manieren. Bevor ich meine Gedanken weiterführen konnte, öffnete sie die Türe wieder. Der Junge in der weißen Rüstung kam hervor.

„Wir sind bereit euch einige Dinge zu erklären“, sagte er und wir betraten alle zusammen wieder das Zimmer.

Jotanate blieb am Boden liegen. Mein Angriff schien sie sehr geschockt zu haben. Der Angreifer saß ruhig auf einem Stuhl und hatte seine Augen geschlossen.

„Es tut mir Leid, das ich euch angegriffen habe. Mein Leben war ein einziges Chaos, nachdem meine Frau getötet wurde“, sagte er und sah uns dann an.

Seine Frau? Er war schon verheiratet? Wie alt mochte er sein? Vielleicht so alt wie ich. Und dann schon im Bund der Ehe? Das war, fand ich, immens Früh.

„Bist du denn schon so alt?“, fragte ich und sein Blick traf mich.

„Sehe ich noch so jung aus? Ich bin über fünfundzwanzig Jahre alt.“

„Was mich sofort zu der Frage bringt. Ihr seht euch total ähnlich. Seid ihr wirklich keine Geschwister?“, fragte Nelana und der Junge lachte.

„Nein, sind wir nicht“, sagte er und sah sein Ebenbild an.

„Es ist mehr, als das was ihr seht. Warum denkt ihr, ist meine Rüstung weiß und seine Schwarz? Ich bin seine gute Seite. Durch ein magisches Experiment wurden wir voneinander getrennt. Eine Hexe namens Karaku, trennt uns einst, damit unser Wunsch, der größte Attentäter aller Zeiten zu werden, erfüllt werden konnte. Seit dem folge ich ihm und passe darauf auf, das er nicht auf die allzu schiefe Bahn gerät“, sagte er und lächelte.

„Damit ich das richtig verstehe. Ihr seid eigentlich ein und dieselbe Person? Nur einmal gut und einmal Böse?“, fragte Meriano und die Zwei nickten.

„So ist es. Vielleicht schaffen wir es irgendwann wieder eins zu werden. Doch das kann noch dauern. Mein Name ist Reviran. Und er heißt Revarian.“

„Reviran, der Gute und Revarian der Böse?“, fragte Jatana und die Zwei nickten.

„Dann kennen wir euch ja schon einmal. Jetzt aber zu euch Propheten. Wie seid ihr hier hingekommen?“, fragte ich und sie sahen mich an.

„Aleta hat uns hergeschickt. Sie wollte, dass wir uns hier mit einigen Leuten treffen und dann zum Heiligen Hafen wandern“, sagte das Mädchen mit den Fächern.

„Nennt uns doch bitte eure Namen“, sagte Nelana.

„Ich bin Sildera und das ist Delphi, meine Halbschwester“, sagte Sildera und nickte dann.

„Also seid ihr auf einer Mission von Aleta?“

„Wir waren es. Sie hat gedroht unser Dorf zu zerstören, wenn wir nicht auf sie hören. Seit ich aber weiß, dass sie es trotzdem getan hat, kann sie vergessen, dass wir ihr helfen. Sie wollte, die Drachen Tod sehen. Und wir sollten das bewerkstelligen. Sie hat unseren Meister ermordet und unsere gesamte Heimat vernichtet. Wenn sie immer noch erwartet, das wir ihr helfen, hat sie sich geirrt.“

Sildera war wild entschlossen und bereit, alles auf sich zu nehmen, was auf sie zukam. Aleta hatte ihr alles genommen und somit einen ernst zu nehmenden Feind erschaffen. Einen, der nichts mehr zu verlieren hat. Oder hatte sie vielleicht mehr zu verlieren, als sie das selbst dachte? Dessen war ich mir nicht ganz bewusst. Zu einem gegebenen Zeitpunkt, würde ich es erfahren.

„Was genau solltet ihr im heiligen Hafen dann tun?“, fragte Jotanate.

„Wir sollten die Drachen töten“, sagte Sildera und senkte ihren Kopf.

Auf Jotanates Gesicht konnte ich wieder diesen gehässigen Ausdruck sehen. Sie war offenbar wütend. Ich kniff meine Augen zusammen und sah sie ganz genau an. Nicht das sie jetzt auch noch die Zwei umbringen wollte. Das wäre nun wirklich zu viel. Ihr Blick traf meinen und sofort bemerkte sie, dass ich sie ansah. Sie wendete ihren Blick ab und sah zu Boden.

„Ihr wollt diese Mission also nicht mehr fortführen?“, fragte ich.

„Denkst du, wir wären blöd? Aleta hat unseren Meister ermordet, unser Dorf zerstört und will noch viel mehr vernichten. Das kann und will ich nicht zulassen. Ich habe die Heilige Schrift schon oft gelesen und weiß, was damals passiert ist. Aleta hat keine Macht mehr über mich“, sagte Sildera und Delphi nickte.

„Da gebe ich ihr Recht. Aleta ist besessen von der Vorstellung, die absolute Macht zu haben. Das wird ihr noch zum Verhängnis, irgendwann.“

„Sie scheinen auf unserer Seite zu stehen. Wenn es euch nichts ausmacht, könnten wir die weitere Reise gemeinsam angehen. Wir müssen zum Heiligen Hafen und werden von Drachenjüngern verfolgt. Wir könnten weitere fähige Krieger an unserer Seite gebrauchen“, sagte ich und Sildera nickte.

„Ich werde euch helfen. Mein Gefühl sagt mir, dass es die einzig richtige Entscheidung ist.“

„Auch ich werde helfen“, sagte Delphi.

„Unser Schicksal scheint verbunden. Wir werden mit euch kommen. Im Heiligen Hafen müssen wir sowieso jemanden treffen“, sagte Reviran und seine böse Hälfte nickte.

„Dann werden wir den weiteren Weg also zusammen bestreiten. Lasst uns mit unseren Meistern sprechen und sehen, ob sie etwas dagegen haben“, sagte ich und die anderen nickten.

Wir gingen zusammen zurück in den Schankraum. Unsere Lehrer saßen zusammen und unterhielten sich mit Adelia. Als wir nach unten kamen sahen sie uns alle an.

„Guten Morgen, Kinder“, sagte Jermain und musterte uns.

„Wer sind denn die neuen?“, fragte Tiana und Kalira trat vor.

„Die zwei Mädchen sind Propheten. Genau jene, die wir suchen sollten. Die beiden Jungs sind Attentäter, die uns zum Heiligen Hafen begleiten werden“, sagte sie und Tiana musterte Reviran.

„Du kommt mir bekannt vor. Bist du vielleicht der Junge, den Karaku von seinem Gewissen getrennt hat?“

Reviran schwieg. Sein Ebenbild ebenso.

„Also doch. Ich wusste, dass du mir bekannt vorkamst. Suchst du immer noch nach einem Weg wieder eins zu werden?“

„Ja. Das tue ich. Wenn Karaku damals nicht von Cynthia gestört worden wäre, wäre auch nichts schief gegangen“, sagte Revarian.

„Ich bedauere zutiefst, was damals passiert ist. Lady Marina sucht seit dem nach einer Lösung für dein Problem.“

„Wenn die Drachen wieder erwachen, gehen wir davon aus, dass sie uns helfen können“, sagte er und Tiana nickte.

„Gut. Also ist unsere Gruppe noch größer geworden. Wir werden uns einen Tag hier aufhalten. Adelia wird uns begleiten, um deine Ausbildung in die Hand zunehmen, Jatana“, sagte Lilith und wir nickten.

„Seht euch ein wenig in der Stadt um. Futura ist eine sehr interessante Stadt“, sagte Ducan und dann unterhielten sie sich wieder.

Ich sah die anderen an und sie nickten nur. Dann verließen wir das Haus und betraten eine belebte Straße.

Dämmerungsdrachen

In einer Höhle saßen vier Kinder zusammen. Sie alle starrten in ein Feuer, das vor ihnen loderte und ein wenig Licht spendete. Einer von ihnen war der Drache des Hasses.

„Du hast sie getroffen, Odium?“, fragte der Größte von ihnen.

Er trug eine enge schwarze Rüstung und hatte lange schwarze Haare, die seine Augen verdeckten. Ein Umhang lag hinter ihm auf dem Boden.

„Ja, Casus. Das habe ich“, antwortete der Hass Drache.

„Und?“

„Sie sind sich ihrer Kräfte nicht bewusst, bedienen sich ihnen allerdings schon. Vor allem der Hoffnungsdrache.“

„Remino? Das kann ich mir nicht vorstellen. Er war doch noch nie für einen Kampf“, sagte ein anderer Junge.

Er war sehr klein und seine Stimme klang sehr kindlich. Sein Körper war von einer roten Rüstung umhüllt, die aussah wie der Panzer eines Drachens.

„Neidisch, Drache des Neides?“, fragte der Hassdrache und der andere lachte.

„Ich und neidisch? Neid ist doch etwas, was mich ausmacht. Natürlich bin ich neidisch“, sagte er und lachte.

„Mäßige dich, Invidia. Wir sind hier um das Vorgehen zu besprechen, das wir an den Tag legen müssen, wenn wir die Drachen aufhalten wollen“, sagte die vierte Person.

Er was kräftig gebaut und sah ziemlich dick aus. Seine Haare waren kurz und standen ihm zu Berge.

„Ach, Metus. Auch als Drache der Furcht musst du hier nicht so große Töne spucken. Du weißt auch, dass unsere Geschwister stark sind. Sogar jetzt schon.“

„Letztlich sind sie immer noch die, die uns damals eingesperrt haben. Da gibt es kein Vertuen.“

„Und wenn schon? Aleta manipuliert sie schon jetzt vortrefflich. Sie werden aufhören den Kampf gegen sie zu führen. Dagegen müssen wir etwas tun. Letztlich haben wir Drachen nur ein Ziel, ihren Tod“

Odium klang sehr überzeugt davon. Doch Casus schien etwas dagegen zu haben.

„Wir wollen alle, das Aleta ihre Fehler einsieht. Aber nur wir vier wollen ihren Tod. Warum hätten sie sonst damals versuchen sollen, uns loszuwerden?“, fragte er.

„Pah. Wir sollten hier nicht schwarzsehen. Sie werden für uns kämpfen, ob sie das wollen oder nicht. Die Furcht ist größer, als der Mut oder auch die Hoffnung.“

Metus erhob sich.

„Wo willst du hin?“, fragte Casus.

„Zu unseren Geschwistern. Ich will sie durch Angst antreiben, für uns zu arbeiten.“

„Das lässt du bleiben. Jeder der ohne meine Erlaubnis diese Höhle verlässt, kann sich auf eine Qual, vergleichbar mit meiner, Bereit machen. Wir lassen sie in Ruhe und sehen wie die Ereignisse sich entwickeln. Unsere Geschwister sind in ihren Körpern. Somit haben sie auch noch ein Wörtchen mitzureden. Wir warten auf die Entwicklung. Vielleicht wollen sie uns nicht mehr bekämpfen“, sagte Casus und die Anderen nickten.

Nelstar und Emilie

Futura war eine hektische und schnelle Stadt. Viele Menschen rannten umher und schienen noch nicht einmal zu wissen, warum sie es eilig hatten, denn oft blieben sie einfach orientierungslos stehen und gingen dann völlig normal weiter. Alle Menschen sahen sich irgendwie ähnlich. Entweder gleich groß. Oder gleicher Körperbau oder Frisur. Und das wirklich ohne Ausnahme.

„Wir sollen hier noch zwei Abenteurer treffen“, sagte Sildera und ich sah sie an.

„Wisst ihr denn wo?“, fragte ich.

„Nein. Aleta hat keinen Ort genannt. Nur, das sie hier sein sollen.“

Aleta hatte wirklich ein Talent dafür, niemandem etwas Genaues zu sagen. Sie hatte uns noch nie wirklich eindeutige Anweisungen gegeben.

„Ich liebe die Göttin. Sie will immer viel, sagt aber nichts“, murrte Nelana und ich nickte.

„Wir werden sehen, ob euch Jemand erkennt. Vielleicht haben wir ja Glück.“

Reviran räusperte sich.

„Wir können unter Umständen helfen. Revarian und ich können beinahe jede Person aufspüren. Wir werden uns mal umsehen“, sagte er und die Zwei verschwanden in einer Gasse.

„Ich habe auch eine Idee“, sagte Jatana und ging voraus.

Wir folgten ihr, ohne zu fragen, was sie vorhatte. Jatana machte vor einem Haus halt und sah sich um.

„Wenn wir uns aufteilen, haben wir mehr Chancen sie zu finden. Remino und Meriano ihr geht ins Kloster. Nelana und Kalira, ihr in die Akademie. Liram und Lirom ihr sucht Söldner aus dieser Stadt auf. Jotanate und ich werden versuchen Elfen ausfindig zu machen. Einer von ihnen wird bestimmt Sildera oder Delphi erkennen.“

„Das ist dein Plan? Verrückt. Delphi und Sildera können nicht gleichzeitig an vier Orten sein“, sagte Jotanate.

„Deswegen benutzten wir unsere Magie. Nelana kannst du ein Bild von den beiden erschaffen?“

„Könnte ich vielleicht. Ich habe es aber noch nie gemacht. Kalira?“

„Kein Problem. Das mache ich mit Links“, sagte sie und zog ihre Kugel.

Sie hob ihren Stab und stellte sich vor Sildera und Delphi.

„Lächeln und nicht bewegen“, sagte sie und schlug ihren Stab auf die Kugel.

Sofort erschien ein Pergament vor ihr. Auf ihm waren Silderas und Delphis Gesichter zu sehen.

„Bitte schön“, sagte sie und reichte Jatana das Bild.

„Sehr gut. Eins brauchen wir noch. Und dann sehen wir bei wem die zwei mitgehen wollen. Am besten teilt ihr zwei euch auf. Dann haben wir nicht so viel Pergament zu schleppen.“

Kalira erstellte noch ein Bild und sah dann die zwei Mädchen an.

„Ich möchte mit Remino gehen“, sagte Sildera und stellte sich neben mich.

„Dann gehe ich mit Kalira und Nelana“, sagte Delphi und die Zwei nickten.

„Wir treffen uns nachher im Gasthaus wieder. Wenn ihr etwas herausfindet, kehrt sofort zurück und wartet dort.“

Wir trennten uns. Mein Bruder, Sildera und ich gingen los. Ich hatte keine Ahnung, wo das Kloster sich befinden sollte und war mir nicht einmal sicher, ob es hier eines gab.

„Habt ihr eine Ahnung, wo das Kloster sein könnte?“, fragte ich und sah in zwei fragende Gesichter.

„Das fasse ich als nein auf. Gut. Dann müssen wir jemanden fragen“, sagte ich und sah mich nach einem Passanten um, den wir fragen konnten.

Doch um uns herum waren nur kleine Mädchen von vielleicht zwölf Jahren. Sie konnten uns bestimmt nicht weiterhelfen. Ich legte meine Stirn in Falten und begann zu überlegen. Wo konnten wir eine Auskunft herbekommen? Aus der Herberge. Lilith und ihre Schwester wussten bestimmt, wo sich hier was befand. Ich wollte gerade meine Überlegung kundtun, als ein Mädchen vor uns stehen blieb und Sildera musterte. Ihre Haare waren orange und ihre Haut unheimlich blass. Die Augen strahlten rot. Sie trug eine Weste und darunter ein Oberteil aus Stoff. Beides war pink. An einer Hand trug sie einen Handschuh, der aussah wie eine Waffe. Auf ihrem Rücken war eine Art Waffe geschnallt, die ich nicht erkennen konnte. Neben dem Mädchen saß eine mechanische Ente am Boden und schein auf etwas zu warten.

„Was ist Quacki? Warum bist du hier hin gelaufen?“, fragte das Mädchen die Ente und diese begann wie wild zu wackeln.

„Entschuldigt bitte. Quacki macht so etwas für gewöhnlich nicht. Er ist darauf programmiert zwei Reisende zu finden. Warum er jetzt genau hier stehen bleibt, weiß ich nicht. Vielleicht ein Problem mit seiner Programmierung. Oder ein Kurzschluss im Sensor. Quacki, beruhig dich erst mal. Ich muss mir deinen Sourcecode ansehen“, sagte das Mädchen.

Doch die Ente hörte nicht auf zu zappeln.

„Quacki wenn du nicht sofort aufhörst, desintegriere ich dich“, sagte das Mädchen und sofort hörte die Ente auf.

„Entschuldige bitte, kleines Mädchen“, sagte Sildera und das Mädchen sah sie an.

„Klein? Das ist aber unerhört. Ich mag klein aussehen aber ich bin schon älter, als du. Auch wenn ich nicht so aussehe, bin ich schon vierundzwanzig Jahre alt. Also nenn mich nicht kleines Mädchen. Nenn mich Nelstar“, sagte sie und Sildera schluckte.

Offensichtlich war es ihr unangenehm, Nelstar verärgert zu haben.

„Du hast zwei Reisende erwähnt, die du suchst. Ich bin ebenfalls auf der Suche nach Jemanden, der hier auf mich warten soll“, sagte sie.

„Du bist Sildera?“

„Ja“

„Gut. Dann habe ich ja gefunden, was ich gesucht habe. Warum sagst du mir das nicht, Quacki? Bitte, folgt mir. Meine Schwestern erwarten euch bereits.“

Sie drehte sich um.

„Alfredo!“, schrie sie und sofort kam ein Roboter angeflogen.

„Ihr wünscht?“, fragte er.

Er sah beinahe aus wie ein Mensch. Wenn man sich die ganzen Zahnräder, Lämpchen und andere Dingen wegdachte, die ich nicht einmal kannte.

„Such die andere Reisende. Nimm Quacki und such nach ihr. Und wenn du schon unterwegs bist, wir brauchen frische Blumen. Ach ja und bevor ich es vergesse. Programmiere Quacki bitte die neuen Kommandos ein, die ich dir gegeben habe“, sagte sie und der Roboter verneigte sich.

„Wie ihr wünscht“, sagte er und schnappte sich die Ente.

Dann ging er fort, während er an der Ente zu arbeiten schien. Wir sahen ihm alle nach.

„Das war Alfredo, mein Butler. Ich habe ihn so gebaut, dass er alles macht, was ich ihm sage. Er ist eine sehr große Erleichterung. Bitte, kommt mit“, sagte sie und ging voraus.

Wir folgten ihr. Jetzt konnte ich erkennen, dass auf ihrem Rücken eine Kanone geschnallt war. Ich hatte von ihnen gehört. Mit ihnen konnte man Raketen und Kugeln verschießen. Nur die Menschen aus Futura wussten, wir sie genau funktionierten. Kein Wunder sie hatten sie ja auch erfunden. Das Mädchen führte uns vorbei an vielen schwebenden Gebäuden, bis sie vor einem stehen blieb. Eigentlich sah das Haus genauso aus, wie jedes andere auch. Doch Nelstar konnte wohl genau sagen, dass es das richtige war. Sie öffnete die Türe und trat ein.

„Jasmin, Emilie, ich bin wieder da“, sagte sie und eine Frau trat vor uns.

Sie sah aus wie Nelstar, in groß. Sie konnte wirklich vierundzwanzig Jahre alt sein. Aber ich verließ mich nicht auf ihr Aussehen. Bei diesen Menschen konnte man wirklich sagen, dass der Schein trügt.

„Wen hast du denn da bei dir?“, fragte sie und musterte uns.

„Quacki hat eine der Reisenden aufgespürt. Das ist sie. Wer die Jungs sind, keine Ahnung“, sagte sie.

„Hat der Algorithmus wirklich funktioniert?“

„Ja. Ich bin selbst erstaunt. Eigentlich dachte ich, dass es eine Fehlplanung ist.“

„Es war auch Tollkühn, zu glauben, er würde wirklich funktionieren. Aber offensichtlich ging es ja. Also gut. Du musst Sildera sein“, sagte die Frau und Sildera nickte.

„Ich bin Jasmin. Die Schwester von Nelstar. Wir haben auf dich gewartet. Aleta wollte, dass wir dich unterstützen, bei deiner Mission. Wer sind die zwei Jungs bei dir?“

„Das sind Remino und Meriano. Sie begleiten mich zum heiligen Hafen, nachdem Aleta mein Dorf zerstört hat. Meine Schwester Delphi ist bei dem Rest der Gruppe.“

„Rest? Wie viele Sei ihr denn?“, fragte sie.

„Sechzehn“, sagte ich und Jasmin schlug sich vor die Stirn.

„So viele? Ich hatte nur mit zwei Gerechnet. Naja. Dann müssen wir halt mehr Waffen herstellen. Da führt kein Weg dran vorbei“, sagte sie und ich sah sie unverständlich an.

„Was für Waffen?“, fragte Sildera.

„Die Waffen, welche die Drachen töten können. Ohne diese Waffen werdet ihr niemals eine Chance haben, die Drachen zu schlagen“, sagte sie.

Bevor einer von uns fragen konnte, winkte sie ab und gab uns zu verstehen ihr zu folgen. Das Haus war größer als ich gedacht hatte. Es war zwar rund, hatte aber zwei Etagen und sogar einen Keller, was mich noch mehr erstaunte, weil es ja eigentlich in der Luft schwebte. Jasmin führte uns zu einer Plattform, die uns nach unten fuhr. Der Kelle lag wirklich unter dem Haus. Dort wo der Sockel war, in den das Haus sich legen würde, wäre es am Boden, war eine Öffnung, durch die wir hindurch fuhren. Der Keller war ein Labor, wie ich es in unserem Kloster einst hatte. Ein Mädchen stand vor einigen Gerätschaften und mischte Flüssigkeiten zusammen.

„Immer noch am Arbeiten, Emilie?“, fragte Jasmin und das Mädchen sah uns an.

„Ich glaube ich stehe kurz vor dem Durchbruch. Der Schleim konnte nicht zusammenhalten, weil ihm etwas fehlte. Egal wie viel Form ich ihm gegeben habe, er ist zerfallen. Jetzt versuche ich gerade das mithilfe einer Chemikalie zu lösen. Wenn das klappt, bin ich einen guten Schritt weiter gekommen. Wer sind die Fremden?“, fragte sie und sah uns an.

Sie sah genauso aus, wie Nelstar. Wenn sie keine Zwillinge waren, wusste ich es nicht mehr. Wirklich wie ein Ei dem anderen gleicht, so glich sie Nelstar.

„Das Mädchen ist die Reisende und die Jungs sind Priester, die sie begleiten. Ich will ihnen die Waffen zeigen“, sagte Jasmin und Emilie nickte.

„Sie liegen da hintern“, sagte sie und zeigte in eine Richtung.

Jasmin nickte und ging los. Wir folgten ihr. Von einem Labor kamen wir in eine Werkstatt. Hier konnte man alles Reparieren, was es in Jagurin gab. Jasmin begann in den Gerätschaften zu wühlen und suchte etwas. Plötzlich stieß sie ein Fluchen aus und hob etwas hoch.

„Nelstar, hast du das hier hingelegt?“, fragte sie und reichte Nelstar das Ding.

Es sah für mich aus, wie ein Zusammenschluss von viel Metall.

„Nein. Zumindest nicht, dass ich mich erinnern könnte. Vielleicht haben Alfredo oder James es hier hingelegt“, sagte Nelstar und warf das Ding achtlos beiseite.

„Ich muss James unbedingt einmal anpassen. Er macht zu viel Unsinn. Ah, hier habe ich sie. Das ist die Waffen“, sagte sie und reichte Sildera eine Kanone.

„Damit kann man Drachen töten?“, fragte sie.

„Davon gehen wir aus. Wir konnten es noch nicht testen. Aber theoretisch geht es“, sagte Jasmin und Sildera begutachtete das Ding in ihrer Hand.

Es sah ein wenig so aus wie Nelstars Kanone.

„Wie funktioniert die?“

Sildera gab die Waffe an Jasmine zurück.

„Ganz einfach. Hier ist ein Hebel. Daran ziehst du und der Schuss geht los. Ist ein Drache in der Nähe, wird er die Kugel anziehen. Wenn sie ihn erreicht hat, wird sie explodieren und seine Schuppen zerspringen lassen. Danach habt ihr leichtes Spiel mit ihm.“

Das klang furchtbar in meinen Ohren. Wenn Sildera diese Waffe abfeuerte, während wir in der Nähe waren, würden wir getroffen, sofern Jasmins Planung aufging. Schrecklich. Silderas Gesicht zeigte sehr deutlich ihre Unsicherheit. Sie wollte die Drachen, also uns, ja nicht töten und hoffte vermutlich inständig, dass Jasmin nicht schießen würde.

„Wollte Aleta wirklich, das ihr solch eine Waffe baut?“, fragte Sildera und nahm mir damit eine Frage ab.

Das interessierte mich auch. Wollte Aleta uns so dringend loswerden?

„Aleta? Nein. Sie hat damit wenig zu tun. In erster Linie haben wir eine Waffe gebaut um diese Stadt zu beschützen. Sollten die Drachen also hier kämpfen, wird einer von ihnen sein Leben lassen“, sagte Jasmin.

Also war es eigentlich zur Verteidigung gedacht und nicht um die Drachen gezielt zu töten. Eine Sorge weniger. Die Menschen von Futura waren also nicht auf Drachenjagd. Gut für uns.

„Verstehe. Sagt mir noch eins. Warum seht ihr euch alle so ähnlich? Seit ihr alle Geschwister?“, fragte Sildera und Jasmin stutzte.

„Wie kommst du denn darauf? Wir haben alle unseren eigenen Charakter. Unserer Körper mögen gleich aussehen, doch wir sind verschieden.“

„Das habe ich bemerkt. Es wundert mich nur, dass ihr alle gleich ausseht.“

„Nun ja. Das ist schwer zu erklären“, sagte Jasmin und Emilie trat zu uns.

„Das ist es nicht. Wir sind Klone. Man hat jeden Menschen, der in dieser Stadt lebt geklont und zwar aus zwei Personen. Den Gründern von Futura. Deswegen sehen wir alle gleich aus“, sagte sie.

Neben ihr lag etwas am Boden. Es sah aus wie eine Kugel aus Schleim, die sich langsam bewegte und zu atmen schien.

„So ist es“, sagte Jasmin und sah sich den Schleim an.

„Gut geworden, oder?“, fragte Emilie und Jasmin nickte.

„Macht er auch das, was er soll?“

„Er kann Feuer speien, Gift absondern und seinen Körper zu Eis verwandeln. Mehr muss er erst mal nicht können.“

„Gut. Du begleitest Sildera auf ihrer Reise. Pack deine Sachen und mach dich bereit“, sagte Jasmin und Emilie nickte.

Sie verließ den Keller und kehrte in das Haus zurück.

„Sildera, ich muss dir ehrlich etwas sagen. Aleta will die Drachen um jeden Preis getötet haben. Dafür hat sie uns auserkoren. Wir haben keine richtigen Gefühle. Das wirst du in den nächsten Tagen erkennen. Nelstar und Emilie werden nicht versuchen die Drachen zu töten, da sie darin keinen Sinn sehen. Solange es so bleibt, brauchst du dir keine Sorgen um sie zu machen“, sagte sie.

„Verstehe. Danke, für den Hinweis. Wir werden dann in unsere Herberge zurückkehren und mit unseren Meistern sprechen“, sagte Sildera und Jasmin nickte.

Sie führte uns auf die Straße zurück. Langsam gingen wir zurück, als Alfredo uns entgegen kam. In seinem Arm lag Quacki und in seiner Hand trug er Blumen. Freundlich grüßte er uns und ging dann seines Weges. Erstaunlich, was sie alles bauen konnten. Sogar Maschinen, die Manieren hatten. Wir suchten unseren Weg zurück zur Herberge. Auf dem Weg konnte ich ganz genau sehen, dass Sildera etwas beschäftigte.

„Woran denkst du?“, fragte ich und sie zuckte zusammen.

Sie musste wirklich sehr tief in ihren Gedanken versunken sein.

„Ich denke an diese Waffen. Wenn wir sie abfeuern sollten, bringen wir euch damit in große Gefahr.“

Hatte sie gerade euch gesagt? Sie meinte also meinen Bruder, unsere Freunde und mich. Wusste sie wer wir waren?

„Wieso?“, fragte ich und versuchte so unwissend wie möglich zu klingen.

Langsam drehte Sildera sich um und sah mir tief in die Augen.

„Denk ja nicht, dass eure Tarnung mich täuschen würde. Das Amulett meiner Mutter, gehorcht nur einem Drachen. Da es dir etwas gezeigt hat, wusste ich schon, dass du einer bist. Und der logische Schluss ist nur, dass die anderen auch welche sind. Acht Drachen fehlen und ihr acht seid unterwegs. Mindestens einer von euch ist ein Drache. Dann kann man davon ausgehen, dass es der Rest auch ist.“

Das leuchtete ein. Warum hatte sie dann aber nichts gesagt?

„Wieso hast du uns nicht gleich gesagt, dass du es weißt?“, fragte ich und sie lachte.

„Weil ich nicht weiß, wie Revarian darauf reagieren wird. Er scheint die Drachen zu hassen, weil sie sein Dorf und seine Liebe zerstört haben. Hätte ich sofort darauf angesprochen, dass ihr Drachen seid, hätte er vermutlich sofort wieder versucht euch umzubringen.“

„Und du hast damit keine Probleme? Ich meine wir sind Drachen. Vermutlich ist sogar jener unter uns, der dein Dorf vernichtet hat“, sagte ich und sie schüttelte den Kopf.

„Mein Dorf wurde vom Wüstendrachen vernichtet. Das ist etwas anderes. Dafür könnt ihr nichts. Außerdem erhalte ich von euch meine Visionen und Kraft. Das gebe ich nicht auf. Ich lebe nach unserer heiligen Schrift und nach der seid ihr Götter. Als solche sehe ich euch auch und werde euch beschützen, so gut ich kann.“

Silderas Worte imponierten mir. Sie war wirklich bereit einen Kampf zu führen, von dem sie den Ausgang nicht wusste. Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass sie auf unserer Seite stand und sogar zu uns betete. Was hieß jetzt schon wieder uns? Wir waren eigentlich noch keine vollwertigen Drachen. Mein Bruder hatte noch gar nichts von seiner Kraft und ich nur eine ganz kleine Menge. Eigentlich konnten wir uns noch nicht als Drachen sehen. Nun ja. Was nicht war, konnte ja noch werden. Wir gingen weiter und erreichten Adelias Haus. Wir betraten den Speisesaal und waren überrascht, wie voll er war. Einige Menschen saßen hier und unterhielten sich, während Adelia hin und her lief. Als sie an uns vorbei ging, stoppte sie kurz.

„Jermain erwartet euch oben. Er muss mit euch dreien reden“, sagte sie und verschwand dann hinter der Theke.

Wir sahen uns an und gingen dann nach oben. Jermain Zimmer lag nicht weit von der Treppe entfernt. Ich trat auf die Türe zu und klopfte.

„Kommt rein“, antwortete Jermain und wir betraten das Zimmer.

„Ihr wolltet uns sehen, Meister?“, fragte ich und verneigte mich.

„Richtig, Remino. Ich habe beunruhigende Nachrichten aus dem Heiligen Hafen“, sagte er und Sildera nickte.

„Die halbe Stadt ist zerstört, oder?“, fragte sie und er riss seine Augen auf.

„Woher weißt du das?“

„Weil der Wüstendrache dort war. Aleta hat ihn erweckt.“

„Wüstendrache? Gibt es noch mehr Drachen?“, fragte er.

„Nein. Ihr dürft das nicht so sehen. Der Wüstendrache ist die Rüstung der Harmonie. Sie beschützt ihren Träger mit einem Sandsturm. Genauso einen hat sie erzeugt, als Aleta sie losschickte“, sagte ich und er nickte.

„Verstehe. Also wisst ihr von den Rüstungen. Das ist gut. Wer hat es euch gesagt?“, fragte er.

„Der Hoffnungsdrache“, sagte ich und er lachte.

„Sie sprechen mit euch?“, fragte er und schlug sich plötzlich gegen die Stirn.

„Keine Sorge. Sildera weiß, wer wir sind. Sie konnte es erkennen, als sie uns das erste Mal gesehen hat. Also redet ruhig weiter. Ja sie sprechen mit uns. In unseren Träumen sind die Drachen allgegenwärtig. Jeder einzelne.“

„Das ist gut. Wenn sie euch helfen, dann werdet ihr schneller wieder zu richtigen Drachen, als ihr alleine je dazu in der Lage wärt. Aleta wird versuchen unsere Reise noch schwerer zu gestalten. Ruht euch bitte aus. Der morgige Tag wird sehr anstrengend. Vor allem werde ich mit deinem Training beginnen, Remino. Es wird Zeit, euch alles zu zeigen, was wir wissen.“

„Ich verstehe, Meister. Wir werden dann jetzt schlafen. Bitte entschuldigt uns“, sagte ich und wir gingen wieder.

Im Flur schickte ich Meriano in unser Zimmer, sodass er sich schon mal ausruhen konnte. Ich wollte alleine mit Sildera noch sprechen.

„Woher hat deine Mutter diese Kette, wenn nur ein Drache ihr Befehlen kann?“, fragte ich und zog sie hervor.

Sildera schwieg. War es ihr unangenehm zu darüber zu sprechen?

„Von einem Drachen. Genauer gesagt vom Hoffnungsdrachen. Bevor er damals starb, gab er meiner Mutter diese Kette, damit sie darauf achten konnte. Aleta hat ein gewisses Interesse an ihr. Warum weiß ich auch nicht.“

Also hing an dieser Kette noch mehr, als ich zunächst gedacht hatte. Wenn Aleta sie haben wollte, konnte das nichts Gutes für uns bedeuten. Ich sah Sildera an. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, als würde sie jeden Moment zu weinen beginnen.

„Es tut mir sehr leid, dass deine Mutter Tod ist. Doch wenn der Drache des Todes sie ruft, dann folgt sie.“

„Wäre Aleta doch niemals erwacht. Dann wären meine Mutter und mein Meister noch am Leben“, sagte sie und schluchzte los.

Was sollte ich denn jetzt tun? Wir standen genau vor Jermains Zimmer. Sildera weinte und ich wusste nicht wohin. Vorsichtig näherte ich mich ihr und umarmte sie. Ohne Reaktion weinte sie weiter. Als hätte ich sie nicht berührt. Plötzlich zuckte sie zusammen und stieß mich von sich weg. Sie taumelte ein paar Schritte und lehnte sich dann gegen die Wand.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte ich und sie sah mich an.

„Ich hatte eine Vision“, stammelte sie und versuchte wohl noch zu verarbeiten, was sie gesehen hatte.

„Was hast du gesehen?“, fragte ich und sie schloss die Augen.

„Einen Drachen, der sich über den heiligen Hafen erhoben hat. Seine Schuppen sind golden und er ist größer als jeder andere Drache, den man kennt. Er fliegt seine Runden bis er plötzlich verschwindet. Vor mir steht ein Junge. Ziemlich kräftig gebaut. Seine Haare sind blond und sein Gesicht sieht eigenartig alt aus. Er spricht mit mir. Findet mich im Heiligen Hafen und erfahrt mehr über euer Leben. Das sind seine Worte. Da endet die Vision leider“, sagte sie und ich nickte.

Sie öffnete ihre Augen wieder und sah mich an. Es schien an ihren Kräften zu zehren, diese Bilder zu sehen. Visionen waren eine tolle Sache. Man konnte Ereignisse aus naher Zukunft voraussehen. Das musste einen Nachteil haben.

„Tut es weh, eine Vision zu haben?“, fragte ich und sie schüttelte ihren Kopf.

„Nein. Es braucht nur einen Teil deiner Magie. So ruckartig wird mehr Magie frei, als man entbehren kann. Das schwächt einen sehr. Es ist auch der einzige Grund, warum man so komisch zappelt und die Augen völlig weiß sind.“

„Verstehe. Hast du das öfters?“

„Nein. In letzter Zeit eigentlich gar nicht mehr. Doch offensichtlich hat deine Berührung etwas ausgelöst. Es wird passieren, Remino. Das weiß ich zu hundert Prozent. Irgendwer wartet im Heiligen Hafen auf uns. Jemand, der sich mit Drachen auszukennen scheint.“

„Verstehe. Vielleicht sollten wir den anderen davon erzählen. Aber fürs erste ruhen wir uns aus“, sagte ich und sie nickte.

Sie ging an mir vorbei und verschwand in ihrem Zimmer. Langsam ging ich zu meinem und öffnete die Türe. Liram und sein Bruder waren auch schon da. Sie saßen zusammen mit meinem Bruder und sprachen über ihre Suche.

„Ihr seid wirklich vom Glück verfolgt“, sagte Liram und sah mich an.

„Es scheint beinahe so. Aber das ist gut. So brauchten wir nicht lange zu suchen. Sind die anderen auch schon alle hier?“, fragte ich und er nickte.

„Wir haben die Suche aufgegeben, nachdem keiner etwas von Söldnern wusste. Die meisten Menschen hier wissen nicht einmal, was ein Krieger ist.“

„Wofür auch? Keiner wird Futura freiwillig angreifen. Man hat hier Waffen in den Laboren liegen, von denen man vermutlich nicht einmal weiß, was sie bewirken oder anrichten können. Wenn jemand Futura angreift, muss er sehr dumm sein.“

„Das glaube ich nicht einmal. Futura steht oftmals im Mittelpunkt von Streitigkeiten. Man will ihre Geheimnisse stehlen. Bis jetzt allerdings nicht erfolgreich“, sagte Liram und sein Bruder räusperte sich.

„Sag mal, Remino. Du scheinst ja ein richtiger Frauenmagnet zu sein. Jede Frau weint sich in deinen Armen aus“, sagte er und ich sah ihn erstaunt an.

„Bitte?“

„Tu doch nicht so. Erst Jotanate, dann Nelana und jetzt Sildera. Wer kommt als nächstes? Tiana?“

„Ach komm. Ich kann nichts dafür, dass sie in meiner Umgebung immer mit ihren schlimmsten Erinnerungen konfrontiert werden. Das ist reiner Zufall“, sagte ich und er grinste.

„Du musst mir bei Gelegenheit mal zeigen, wie man das macht.  Wäre ja einer Verschwendung, wenn du dein Geheimnis nicht weitergeben würdest.“

Darauf sagte ich jetzt nichts mehr. Sollte er doch glauben was er wollte. Alle Mädchen weinten sich bei mir aus, weil ich gerade in der Nähe war und es nicht mit ansehen konnte, wenn eine Frau traurig war. Ich legte mich in mein Bett und lauschte ihrem Gespräch noch einige Zeit, bis ich einschlief.

Tianas Sorge

In ganz Futura gab es nicht eine einzige Hexe. Tiana, Kalira und ich waren die einzigen. Ungewöhnlich. Hier waren so viele intelligente Leute, das eine Hexe sich doch gerade hier wohlfühlen konnte. Doch nein. Keine Akademie und keine Hexe. Was ein Reinfall. Kalira und ich hatten Delphi schnell zurück in ihr Zimmer gebracht und hatten dann Tiana aufgesucht. Sie saß in ihrem Zimmer und las in einem Buch. Als wir zu ihr traten, hielt sie es nicht einmal nötig aufzusehen.

„Ihr Zwei braucht mehr Training. Viel mehr Training. Ihr verschwendet euer Potenzial vollkommen, mit sinnloser Magie. Haltet eure Gedanken beisammen und hört auf das, was ich euch jetzt sagen werde.“

Erst jetzt drehte Tiana sich zu uns und sah uns an.

„In euch schlummert eine Kraft, vor der sogar eure Mutter Angst hatte. Unglaublich, das ihr sie noch nie benutzt habt. Klar, habt ihr die Drachenkraft. Aber eure Magie reicht noch viel weiter als euch das bewusst ist. Ein bisschen Gift oder Eis kann jede Jung Hexe losschicken. Doch du, Nelana, kannst noch viel mehr. Ich habe dich Feuerschilder und sogar das Inferno benutzten sehen. Und doch weigerst du dich weiterhin stärkere Magie zu benutzten. Dein Buch enthält alle Zauber. Genau wie deine Kugel, Kalira. Ich kann euch nicht mehr zeigen, als das was in euren Waffen steht. Ihr habt alle Mittel und auch die Magie, die ihr braucht. Warum weigert ihr euch, das zu akzeptieren?“, fragte sie.

Ich konnte ihr nicht ganz folgen. Wir hatten bis jetzt noch nie wirklich unsere Magie einsetzten müssen. Wie wollte sie also beurteilen, dass wir uns gegen unsere Magie wehrten? Ich war auch bereit stärkere Magie zu benutzten, wenn es nötig war. Doch bis jetzt war es noch nie so weit gekommen.

„Wie wollt ihr das beurteilen? Wir mussten bis jetzt nicht wirklich zaubern. Einzig gegen Thomas und da habe ich gezeigt, was ich kann“, sagte ich und Tiana schnaubte verächtlich.

„Bild dir nichts darauf ein, ihn getroffen zu haben. Er war abgelenkt. Du hast keinen wirklich Gedanken an den Feuerball verschwendet. Außerdem hat er dich getroffen. Eine wahre Hexe muss keine Treffer einstecken. Dafür haben wir doch unsere Schutzschilde. Ihr müsst sie nur benutzten. Ab Morgen geht euer Training los. Ich kann nur einen von euch beiden unterrichten, weil es kaum eine Hexe gibt, die Raum- und Elementarmagie miteinander vereinen kann. Es sind zwei völlig unterschiedliche Wege. Ich kann nur Elementarmagie anwenden. Stella war eine Arkanhexe. Sie wird uns erst im Heiligen Hafen erwarten. Vorher musst du leider selbst zurechtkommen, Kalira“, sagte Tiana und meine Schwester nickte.

„Das wird gehen. Bis jetzt musste ich eh noch nicht in einen Kampf eingreifen. Mein Wissen wird ausreichen euch zu unterstützen“, sagte Kalira und Tiana nickte.

Dann schickte sie sie fort. Als die Türe ins Schloss gefallen war, wich sämtliche Strenge aus Tianas Zügen.

„Setzt dich, Nelana“, sagte sie und zeigte auf einen Stuhl.

Vorsichtig nahm ich Platz und sah sie an. Tiana schien beunruhigt. Warum konnte ich nicht sagen.

„Geht es euch gut, Meister?“, fragte ich und sie sah mich an.

„Nein, Nelana. Mir geht es nicht gut. Ich mache mir große Sorgen um euch. Karaku ist sehr früh von uns gegangen und konnte nichts an euch weiter geben. Es ist eine Verschwendung von Talent gewesen. Aber das macht mir nicht die größten Sorgen. Du scheinst verliebt zu sein, Nelana.“

„Ich verliebt? Niemals. Ich weiß nicht einmal was richtige Liebe ist. Damals im Goldenen Tropfen kannte ich nur Freiliebe. Ich mag viel sein. Aber eins bin ich sicher nicht. Verliebt“, sagte ich und sie schüttelte ihren Kopf.

„Siehst du, wie ich Ducan ansehe?“

„Ja. Eure Augen sind oft strahlend. Ihr scheint gar nichts mehr anderes als ihn zu sehen.“

„Kommt dir das nicht bekannt vor?“

„Nein.“

„Du hast den gleichen Blick, wenn du Remino ansieht“, sagte sie und ich zuckte zusammen.

Ich sollte Remino so ansehen, wie sie Ducan? Das war unmöglich. Ich war eine Hexe. Er ein Geistlicher. So etwas konnte niemals gut gehen. Und doch schien ich etwas für ihn zu empfinden. Nur was es genau war, konnte ich nicht sagen. War es wirklich Liebe? Als Leibesdrache wäre es nicht ungewöhnlich. Aber doch nicht Remino. Er war mehr ein Bruder für mich.

„Ihr müsst euch irren“, sagte ich und Tiana lachte.

„Wenn es um Liebe geht, irre ich mich nie. Genauswenig wie du dich irren solltest. Immerhin bist du als Liebesdrache für sie zuständig. Also wenn du mir erzählen willst, dass du keine Liebe empfindest, kann ich darüber nur lachen. Versuch es ruhig zu leugnen. Doch jeder kann es sehen. Ich werde nichts gegen die Liebe sagen. Ganz einfach, weil es dir überlassen bleibt, ob du einen Priester oder einen anderen Mann erwählst. Doch denk bitte daran, dass nicht jede Hexe so denkt wie ich. Sie werden dir skeptisch gegenüber treten und dich vielleicht sogar ausgrenzen.“

„Meister. Wenn ich wirklich verliebt bin, dann werde ich mir das von keiner Hexe ausreden lassen. Sollen sie ihren Hass gegen die Geistlichen erst mal begründen, bevor sie anfangen mich auszugrenzen. Ich wette das kaum eine Hexe weiß, warum sie gehässig gegenüber der Geistlichen ist.“

„In der Tat. Heute weiß kaum noch eine Hexe, warum wir die Bruderschaft so hassen. Aber du weißt es doch hoffentlich, oder?“

„Nein. Deswegen hasse ich die Geistlichen auch nicht.“

„Dann erzähle ich dir, warum. Früher, zu den Zeiten der Drachen, lebte eine junge Hexe namens Diana. Sie war wunderschön und mächtig zugleich. Sie war immer auf der Suche nach dem perfekten Mann, der für sie sorgen konnte. So durchstreifte sie das Land nach Männern, aller Art. Immer wieder nahm sie sich einen und probierte, ob er der richtige war. Doch jedes Mal wurde sie enttäuscht. Bis sie auf einen jungen Mann traf. Dieser Mann war der erste Verfechter von Aletas Lehre. Sein Namen war Velkra. Er war perfekt. Er sah gut aus, war ein Hexer und tat alles um die Menschen um ihn herum zu beschützen. Diana war sich sicher, dass er der richtige war. Doch Velkra würdigte sie nicht eines Blickes. Sie versuchte immer wieder ihm näher zu kommen. Doch er beachtete sie nie. Bis sie eines Tages ihn zwang mit ihr zu sprechen. Seine Begründung war, dass er einen Bund mit der Göttin eingegangen war und deswegen nicht mit ihr zusammen sein konnte. Diana tobte vor Wut und wollte den Mann zwingen sie zu lieben. Doch er blockte ihren Zauber und verdammte sie dazu, bis zum Rest ihrer Tage eine hässliche alte Frau zu sein. Das haben wir bis heute nicht vergessen. Es ist der einzige Grund, warum wir Geistliche hassen“, sagte Tiana und ich blinzelte verwirrt.

„Weil eine Hexe damals einen Geistlichen nicht zum Mann nehmen konnte und er sich gegen sie gewehrt hat, hassen wir die Bruderschaft? Ist das nicht sehr übertrieben?“

„Ja, das ist es. Ich habe nie gesagt, dass es Sinn macht. Aber das ist der einzige Grund.“

Ich schüttelte nur meinen Kopf.

„Das zeigt uns eins, Nelana. Wir Hexen vertragen es nicht zurückgewiesen zu werden. Jede junge Hexe ist neidisch auf die Priester, weil meistens die, welche gut aussehen, der Göttin voll und ganz gehören. Wir sind eifersüchtig auf eine Gottheit“, sagte Tiana.

„Glaubt mir, wenn eins bei mir nicht geht dann ist es eifersüchtig auf eine Person wie Aleta zu sein.“

„Wieso nicht? Sie hat alles. Macht, Einfluss und ist eine Göttin.“

„Nein. Aleta hat nicht alles. Ihr fehlt etwas sehr wichtiges.“

„Und das wäre?“

„Liebe. Aleta weiß nicht wie es ist zu lieben oder geliebt zu werden.“

Tiana lächelte.

„Du hast es begriffen“, sagte sie und ich zog eine Augenbraue hoch.

„Was?“

„Du hast verstanden, dass es keinen Grund gibt auf Aleta eifersüchtig zu sein. Ihr fehlt etwas, was wir alle haben und nicht mehr hergeben wollen. Die Liebe. Solange du dir darüber klar bist, das Liebe alles besiegt. Sogar einen Jahrhunderte alten Hass.“

„Ja, Meister. Ich werde daran denken. Eins noch. Muss ich auch Jotanate akzeptieren?“

„Warum solltest du das nicht tun? Sie ist ebenfalls ein Drache. Auch wenn ihr zwei euch nicht unbedingt blendend versteht, ist das kein Grund, sich anzufeinden.“

Ich nickte und verließ das Zimmer wieder. Vor der Türe musste ich erst einmal innerlich ausbrechen. Jotanate akzeptieren. Niemals. Bevor ich diese arrogante Zicke akzeptierte, würde Aleta sterben. Ich beruhigte mich langsam wieder während ich Tiana gedanklich alle möglichen Schimpfwörter an den Kopf warf. Ich ging zu meinem Zimmer und öffnete die Türe. Jatana und Jotanate saßen dort und unterhielten sich mit Kalira. Als ich eintrat sahen sie kurz zu mir. Nachdem ich sie gegrüßt hatte, sprachen sie weiter. Jotanate würdigte ich danach nicht mehr eines Blickes und legte mich auf mein Bett. Was Tiana gesagt hatte beschäftigte mich. War ich wirklich in Remino verliebt? Er war süß, ja. Man konnte auch nicht sagen, dass er schwach war. Vielleicht ein wenig verrückt. Aber er wäre ein sehr guter Vater, wenn er einmal Kinder haben sollte. Die Frau, welche er erwählte konnte sich glücklich schätzen jemanden wie ihn zur Seite zu haben. Daran gedacht, dass ich diese Frau sein könnte, hatte ich noch nie. Der Liebesdrache meinte zwar, dass ich damals auch in ihn verliebt war, doch war das wirklich ein Grund das jetzt zu wiederholen? Ich beschloss erst mal mit Kalira darüber zu sprechen und danach eventuell mit Remino. Aber was würde er sagen, wenn ich ihm offenbarte in ihn verliebt zu sein? Eigentlich konnte er mich nur auslachen. Ich verdiente ihn nicht. Womit auch? Mit meiner Prostitution? Das war mehr schlecht als recht. Remino glaubte an Aletas Lehren und nach denen wurden Leute wie ich ihn die Hölle verbannt. Das war so ein heikles Thema. So konnte ich mir jetzt noch Stundenlang den Kopf zerbrechen. Oder es sein lassen und mit Kalira darüber reden. Aber andererseits. Nein. Das sollte ich jetzt gar nicht erst anfangen. Wenn ich so weiter machte, würde ich heute Nacht kein Auge mehr zudrücken. Ich schloss meine Augen und versuchte mich zu beruhigen. Das klappte auch und mit der Dämmerung und Stille, in unserem Zimmer, schlief ich ein.

Harmoniedrache

Die Nacht fand ich irgendwie keine Ruhe. Es lag nicht einmal an Nelana, die in meiner Nähe schlief und das auch lautstark kundtat. Normal konnte man neben mir eine Waffe schmieden ohne, dass ich das mitbekam. Was war heute anders? Lag es an mir? Eigentlich nicht. Der Tag war wie jeder andere auch gewesen. Unheimlich langweilig. In dieser Stadt gab es nur diese grässliche aussehenden Menschen, die sich selbst als klug bezeichneten. Keine Natur gar nichts. Im letzten Dorf war es ja schon trostlos gewesen. Doch das hier übertraf ja alles. Wie konnte man nur ohne Natur leben. Das machte doch keinen Sinn. Plötzlich fielen meine Gedanken in ein tiefes Loch und ich befand mich in einem weißen Raum. Er schien unendlich, auch wenn mir klar war, dass so etwas unmöglich war.

„Hallo, Jotanate“, sagte eine laute Stimme.

Sie war weiblich, auch wenn sie dafür sehr tief klang. Vor mir zeichnete sich ein riesiger Körper ab. Es war ein Drache. Seine Schuppen leuchteten so blau, wie Saphire.

„Wer bist du?“, fragte ich und der Drache lachte.

„Das ist eine dämliche Frage. Ich bin der Harmoniedrache, Jotanate. So wirst du aussehen, wenn du deine Kraft vollständig erwecken kannst.“

„Super und was willst du hier?“

„Mit dir reden. Es gibt da etwas, was du wissen musst.“

„Und das wäre?“

„Nelana, ist nicht dein Feind. Du hast dich damals instinktiv von ihr abgeschottet, weil du geahnt hast, dass sie dir nicht gut tut. Sie ist deine Freundin, Jotanate. Deine Freundin und gleichzeitig auch Rivalin im Kampf um Remino.“

„Welcher Kampf?“

„Du kannst nicht leugnen, dass du ihn unheimlich attraktiv findest. Du würdest ihn sofort heiraten, wenn er dich fragt.“

„Da liegst du aber daneben. Ich würde niemals heiraten. Und Remino mag gut aussehen, ist aber nicht mein Typ.“

„Jotanate. Du bist der Drache der Harmonie. Als solcher sehnst du dich nach einem harmonischen Zusammenleben mit allen um dich herum.“

„Wenn dem so wäre, dann hätte ich Nelana damals nicht so angekeift, oder?“

„Wie gesagt du hast es instinktiv getan. Du konntest dich nicht richtig dagegen wehren. Ganz einfach, weil du gespürt hast, dass Nelana eine Konkurrentin ist. Auch wenn du dich nicht daran erinnerst, hat dein Herz dir damals gesagt, dass es so ist. Du selbst hast es nicht verstanden aber auf dein Herz gehört.“

„Das verstehe ich nicht.“

„Musst du auch nicht sofort. Wichtiger ist, dass du dich bei ihr entschuldigt. Du musst klarstellen, was damals passiert ist. Wenn ihr zwei nicht zusammenarbeitet, wird eure Reise sehr schwer.“

„Sie ist schon schwer genug, mit dieser arroganten Hexe an meiner Seite.“

„Sieh Nelana doch mal in einem anderen Licht. Sie ist eine Person, auf die du dich verlassen kannst, sofern du dich bei ihr entschuldigst und alle Dinge klar stellst. Ihr könntet wie Schwestern sein. Im Moment seid ihr mehr Stiefschwestern.“

„Im Moment ist es mir am liebsten gar nichts mit ihr zu tun zu haben“, sagte ich und der Drache lachte.

„Du hast noch einen weiten Weg vor dir, bis du meine Kräfte erwecken kannst. Erst wenn du gelernt hast harmonisch zu sein, wird sich das Siegel lösen, das ich über meine Kraft gelegt habe.“

„Dann wollen wir mal hoffen, dass ich es irgendwann schaffe. Sonst wird das eine sehr kurze Mission“, sagte ich und der Drache nickte.

Dann verschwand er wieder und ließ mich in meinen Gedanken zurück. Nelana schnarchte immer noch. Hörte sie das eigentlich nicht? Davon würde ich selbst aufwachen. Naja, sie musste damit zurechtkommen und es war die letzte Nacht in diesem Zimmer. Unter freiem Himmel war es nicht so laut, wie hier. Irgendwann glitt ich zurück in einen traumlosen Schlaf.

Der Kräutergarten

Wie jeden Morgen weckte mich die Sonne. Es war fürchterlich. Mit dem ersten Licht wurde ich aktiv. Da konnte ich machen was ich wollte. Vielleicht musste ich mich in einen Raum ohne Fenster legen, damit sich das ändern würde. In meinem Zimmer schliefen noch alle. Vorsichtig zog ich mich an und verließ dann den Raum. In der Gaststube war es still und nur Adelia stand einsam am Tresen und polierte Gläser. Als sie mich bemerkte legte sie ihre Arbeit beiseite.

„Sehr früh wach, Remino. Du kannst nicht lange schlafen, oder?“, fragte sie.

„Mit den Sonnenstrahlen erwachen meine Lebensgeister und treiben mich aus dem Bett.“

„Hast du es gut. Ich brauche immer einen Zauber, der mich aus dem Bett wirft. Sonst werde ich nicht früh genug wach. Hast du schon mal darüber nachgedacht eine Herberge zu eröffnen? Würde bei dir wirklich passen. Freundlicher Service und pünktlich mit Sonnenaufgang jemand unterwegs.“

„Ich denke, das wird mir nie vergönnt sein.“

„Warum nicht?“

„Hast du vergessen wer ich bin? Ich bin der Hoffnungsdrache. An mir hängt weitaus mehr als nur eine Herberge.“

„Auch ein Drache kann Menschen einen Ort der Zuflucht bieten. Gerade er sollte das tun. Wenn nicht die Drachen den Menschen helfen, wer dann? Die eingebildete Göttin, die nur Macht haben will?“

„Sei vorsichtig mit dem was du sagst. Aleta kann dich hören“, sagte ich und sie lachte.

„Was will sie tun? Hier erscheinen und versuchen mich zu töten? Das wird nicht gehen. Sie kann nur Menschen töten, die an sie glauben und das tue ich nicht. Ich habe noch nie an eine Göttin geglaubt. Damals haben die Drachen mein Dorf verteidigt, als die Feen uns angriffen.“

„Gab es damals noch Feen?“

„Als ich noch sehr klein war, ja. Dein Bruder, der Todesdrache, hat das Dorf mit seinem Leben beschützt. Keine Fee war auch nur in der Lage uns anzugreifen, da er sich um uns gelegt hatte. Ich vergesse nie seine Schreie, als die Feen begannen zwischen seine Schuppen zu schlagen. Er hat mir damals sehr leidgetan. Also bin ich zu seinem Kopf gegangen und habe mich neben ihn gesetzt. Ich sagte damals zu ihm, dass ich ihm vertrauen würde und er das Dorf verteidigen konnte, egal gegen wen. Meine Worte machten ihn Stolz und er lächelte. Ich werde nie vergessen, was er damals zu mir gesagt hat. Deine Worte, junge Elfe, sind Musik in meinen Ohren. Dein Glaube ist die Kraft die uns antreibt. Wir Drachen stehen euch solange zur Seite, wie ihr an uns glaubt.“

„Aber das tun sie jetzt nicht mehr“, sagte ich und sie lächelte.

„Du irrst dich. Auch die vier Abtrünnigen stehen uns Menschen noch zur Seite. Wir glauben an sie. Ihr Krieg wird gegen Aleta geführt, die ganze Dörfer in Mitleidenschaft zieht. Das sind nicht die Drachen. Aleta lässt verbreiten, dass es so ist. Durch ihre Priester und Paladine macht sie uns glauben, die Drachen wären der Feind.“

„Das habe ich eine Zeit lang auch gedacht. Bevor ich wusste, dass ich ein Drache bin, habe ich Aleta blind vertraut. Mittlerweile denke ich, dass es falsch ist, ihr zu vertrauen.“

„Richtig. Es ist immer schlecht jemandem Blind zu vertrauen. Egal ob es eine Göttin oder ein Mensch ist.“

„Adelia, ich habe eine Frage an dich. Was genau treibt dich an, mit uns zu kommen?“

„Das ist eine hervorragende Frage. Ich weiß es nicht. Lilith hat mich gefragt und ich habe ja gesagt. Die Ausbildung junger Elfen ist sehr wichtig. Wir Elfen haben selten Kinder, aber wenn, dann kümmert sich ein ganzes Volk um sie. Jotanate und Jatana sind die einzigen Elfenkinder die es im Moment gibt. Vielleicht ist es mein Instinkt, der mich antreibt. Ich weiß es aber nicht genau.“

„Also kommt du einfach so mit?“

„Das kann man so sehen. Wir Elfen leben sehr lange. Das Leben eines Menschen ist für uns nur ein Augenblick. Menschen werden wiedergeboren. Wir Elfen nicht. Wenn wir unsere Bestimmung finden, dann werden wir Erlösung finden und eins mit der Natur werden. Finden wir das nicht, dann verschwinden wir. So wie man es sehen will, wir leben ewig, wenn wir unsere Bestimmung nicht finden, dann sind wir für immer verschwunden. Ich habe sie noch nicht gefunden. Vielleicht erwarte ich, dass ich sie auf dieser Reise finden werde.“

Ich schwieg. Adelia sprach sehr offen darüber. War das ein Zeichen ihres Vertrauens? Oder war es einfach nur, weil ich ein Drache war und sie mir zeigen wollte, dass sie mir beistand? Vielleicht würde ich es irgendwann erfahren. Wir standen uns gegenüber und schwiegen. Ich wusste wirklich nicht, was ich sagen sollte.

„Kannst du kochen, Remino?“, fragte sie und sah mich an.

Was war das für eine Frage? Woher sollte ich kochen können?

„Sehr leidlich. Also eigentlich gar nicht. Im Kloster war ich für den Garten zuständig, wenn ich nicht für Marina oder Stella auf eine Mission gehen sollte.“

„Ein Gärtner also? Dann komm mal mit. Ich zeige dir etwas“, sagte sie und ging durch eine Türe neben der Theke. Ich folgte ihr und gelangte in ihre Küche. Eine große Feuerstelle in der Mitte, mit einem Kessel darüber. Es köchelte schon etwas. Das musste Wasser sein, denn es roch nach nichts. An der rechten Wand war eine weitere Türe. Daneben ein Tisch mit Messern und anderen Geräten zu kochen. Sie öffnete die Türe und vor mir eröffnete sich ein kleiner Kräutergarten. Viele dieser Pflanzen kannte ich. Vorsichtig trat ich nach draußen und war erstaunt. Hinter der Herberge war ein Garten. Grün mitten in Futura.

„Diesen kleinen Garten habe ich mir vor einiger Zeit aufgebaut. Ich brauche ihn auch. Ohne diese Natur würde ich kaputt gehen. Ich habe hier ein Problem mit einem Gewürz. Diese Pflanze will einfach nicht richtig wachsen. Kannst du mir da vielleicht helfen?“; fragte sie und ich sah mir die Pflanze an.

Es war ein sehr seltenes Gewürz mit dem Namen Essenz des Lebens. Sie brauchte sehr lange zum Wachsen und viel Liebe. Sprach man nicht mit dieser Pflanze, ging sie ein. Dieses Exemplar war schon sehr angeschlagen. Ihre Blätter wurden an den Enden schon braun. Der Stängel hing schlaff nach unten und die einzige Blüte war zusammengefallen.

„Hast du mir ihr gesprochen?“, fragte ich und sie sah mich an.

„Nein. Warum sollte ich das tun?“

„Die Essenz des Lebens braucht die Nähe ihres Besitzers, damit sie wächst. Außerdem dauert es zwei Jahre nach dem Pflanzen, bis sie genießbar ist. Wenn du nicht mit ihr sprichst, dann geht sie ein“, sagte ich und kniete mich vor sie.

Ich begann mit der Blume zu sprechen. Über alles was die letzten Tage passiert war. Adelia stand neben mir und sah mir genau zu. Ich berührte die Blätter der Blume und streichelte leicht über ihren Stängel. Ganze zehn Minuten sprach ich mit ihr. Plötzlich wurde der Stängel wieder gerade, die Blüte öffnete sich und offenbarte ihre wunderschönen orangene Blätter, die aussahen wie kleine Schmetterlinge. Die Blätter bekamen wieder Farbe. Plötzlich leuchtete die Blüte auf und verwandelte sich in eine kleine Kugel.

„Eine Essenz“, sagte ich und nah sie von der Blume.

„Wahnsinn, Remino. Ich hätte nie gedacht, dass du dieser Blume so etwas entlocken kannst. Eigentlich produzieren sie nur selten Essenzen. Selbst wenn man alles richtig macht. Ich halte sie nur, damit ich ihre Blätter als Gewürz nehmen kann“, sagte sie und ich lächelte.

Ich wollte ihr die Essenz in die Hand legen. Doch sie schüttelte ihren Kopf.

„Behalt sie. Sie wird dir gute Dienste leisten. Diese Essenz kann Heilkräfte verstärken. Ich denke, das wird dir mehr nutzen, als mir“, sagte sie und ich nickte.

Vorsichtig ließ ich die Kugel in meine Tasche plumpsen und erhob mich wieder. Adelia nahm ein kleines Messer und schnitt ein paar Blätter ab. Dann nahm sie noch andere Gewürze. Thymian, Oregano und Chili. Damit gingen wir in die Küche zurück. Sie legte die Gewürze auf ihren Tisch und nahm ein weiteres Messer. Sorgfältig zerkleinerte sie die Blätter. Ich sah ihr dabei genau zu.

„Wichtig bei dieser Sache ist, dass die Blätter wirklich klein genug sind. Zu große Blätter machen das Essen ungenießbar. Oft ist es sogar besser die Gewürze im getrockneten Zustand zu verwenden. Doch für das Gericht, das wir jetzt zubereiten werden, brauchen wir das nicht. Hier Remino, das soll alles in die Suppe. Kümmere dich bitte darum. Das Wasser kocht. Du musst es eigentlich nur zusammen würfeln und in den Topf. Dann umrühren und vielleicht noch ein wenig nachwürzen. Du schaffst das. Ich kümmre mich um die Anderen, die schon wach sind“, sagte sie und verließ die Küche.

Jetzt stand ich da. Vor mir ein Kessel kochendes Wasser und neben mir alle Zutaten, die hinein sollten. Zögerlich sah ich mir erst mal genau an, was vor mir lag. Verschiedene Gemüsearten. Kartoffeln, Karotten und Tomaten. Daneben ein Salatkopf. Ein Blattsalat. Die Tomaten und den Salatkopf legte ich, fürs erste, auf Seite. Das konnte ich nicht mit in die Suppe werfen. Kartoffeln und Karotten konnte ich hinein. Die schälte ich erst mal und schnitt sie klein. Dann nahm ich mir ein Stück Speck, das Adelia dazugelegt hatte. Dafür brauchte ich ein schärferes und größeres Messer. Das nahm ich mir auch. Als der Speck fertig war, nahm ich mir das Stück Käse, was hier lag. Ich sah es mir genau an. Diese Sorte kannte ich. Es war ein sehr milder Käse, den man sehr gut für einen Eintopf nehmen konnte. Den würde ich aber nicht klein schneiden. Jetzt ging ich zu dem Kessel und warf die Kartoffeln und Karotten hinein. Danach den Käse und den Speck. Das ließ ich kochen, bis der Käse eine cremige Suppe ergab. Ich nahm einen Löffel und probierte. Es schmeckte nach nichts. Also nahm ich mir die Gewürze und warf sie ebenfalls in den Topf. Ein bisschen Salz und Pfeffer und dann probierte ich erneut. Jetzt hatte die Suppe einen guten Geschmack. Aber ihr fehlte noch etwas. Aber was? Das konnte ich nicht genau sagen. Vielleicht Salz? Nein. Eigentlich mehr Gewürz. Aber was? Ich lief schnell in den Garten und sah mich um. Vielleicht würde mir ein Gewürz einfallen, das passen würde. Ich fand auch eins. Dieses Gewürz schmeckte sehr eigenwillig. Man nannte es. Aletas Atem. Warum wusste ich nicht. Ich griff mir ein paar Blätter und rannte zurück. Schnell zerschnitt ich sie und warf sie in mein Gebräu. Sofort wechselte es seine Farbe von Gelb zu Gold. Ich probierte erneut und jetzt war die Suppe, in meinen Augen perfekt. Jetzt ging ich zu dem Salat. Ich begann ihn zu waschen und zu schneiden. Die Tomate ebenfalls. Aber das war mir nicht genug. Im Garten gab es noch mehr Gemüse. Das holte ich mir jetzt auch. Kohlrabi und Gurke. Zudem fand ich Löwenzahn und Brennnessel. Ich nahm alles mit und bereitete es für meinen Salat vor. Adelia kam wieder und sah mich an.

„Bist du soweit?“, fragte sie und sah in den Kessel.

„Fast. Die Suppe muss noch ein wenig Kochen. Der Salat ist so gut wie fertig.“

„Die Anderen sind wach. Und warten schon auf das Essen. Wie lange glaubst du, dauert es noch?“

„Maximal fünf Minuten. Ich bin gleich soweit“, sagte ich und sie ging wieder.

Jetzt wurde es mir erst wirklich bewusst. Ich stand in einer Küche und kochte. Was tat ich hier eigentlich? Das war doch nicht möglich. Wie war es überhaupt so weit gekommen? Adelia musste mich da sehr geschickt ausgetrickst haben. Naja. Machte ja nichts. Es war ja nichts, was mich umbringen würde. Ich rührte die Suppe um und fühlte ob sie warm genug war. Die Kartoffeln waren weich und die Karotten auch. Der Speck gab einen schönen salzigen Geschmack und die Blätter der Essenz machten das ganze erst richtig Schmackhaft. Sie verstärkte den Geschmack von allem, womit sie zusammen kam. Zudem erhöhte sie den Fettverbrauch des Körpers und konnte schlank im Schlaf machen. Ich nickte und war zufrieden. Jetzt nahm ich mir eine große Schüssel und rührte ein Salatdressing an. Dazu benutzte ich verschiedene Öle, Salz und Pfeffer. Es schmeckt nicht perfekt war aber genug. Es sollte ja nicht das Gemüse überdecken. Ich mischte alles zusammen und hob das Dressing dann unter. Dann nahm ich die Schüssel und ging auf die Türe zu. Ich öffnete sie und trat in die Gaststube. Adelia stand an der Theke und polierte wieder Gläser. Sie sah mich kurz an und machte Platz. Ich stellte den Salat auf die Theke. Und sie lächelte. Dann nahm sie Holzschüsseln und füllte sie.

„Einmal an die Tische. Ich kümmere mich um die Suppe“, sagte sie.

Ich nickte und brachte die Schüsseln an die Tische. Alle sahen mich an. Keiner von ihnen sagte aber etwas. Ich stellte jedem eine Schüssel hin und wartete dann neben der Türe, bis Adelia herauskam. Sie kam mit mehreren Silbertellern und brachte sie an die Tische. Als sie fertig war, begannen meine Freunde und Lehrer zu essen.

„Das hast du gut gemacht, Remino. Was hast du mit in die Suppe getan? Solch einen Geschmack habe ich noch nie hinbekommen.“

„Ich habe Aletas Atem genommen. Es macht sich eigentlich immer gut im Essen.“

„War das nicht eigentlich eine Heilpflanze?“

„Schon. Aber sie schmeckt. Wenn man sie mit ins Essen mischt tut man direkt etwas für die Gesundheit. War eigentlich nur eine Idee. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass es so gut schmeckt.“

„Und du wolltest mir weiß machen, du könntest nicht kochen.“

„Kann ich auch nicht. Aber ich weiß wie die Gewürze schmecken und was sie können. Also habe ich versucht etwas zusammen zu mischen, was schmeckt.“

„Das ist dir gelungen. Sehr gut gemacht.“

Ich wurde rot. Es war mir unangenehm, dass sie mich so lobte. Ich hatte eigentlich nicht viel getan. Sie hatte mir doch alles vorgegeben.

„Eigentlich habe ich ja nichts getan. Du hast mir doch alles vorgegeben.“

„Nimm das Lob an. Ich habe dir die Sachen vorgegeben, die in die Suppe sollten. Aber du hast ihr noch deine eigene Note gegeben. Das musst du endlich mal lernen, Remino. Lob kannst du annehmen. Es muss dir nicht unangenehm sein gelobt zu werden.“

Natürlich musste es mir nicht unangenehm sein. Das war es mir aber. Da konnte ich nichts gegen machen. Ich sah zu meinen Freunden. Sie saßen und aßen schweigend an ihrem Tisch. Jermain und die anderen Lehrer ebenfalls und aßen auch schweigend. Jetzt fiel mir auf, das Ducan gewöhnungsbedürftige Tischmanieren hatte. Aber das war mir egal. Ich musste ja nicht bei ihm sitzen. Adelia ging an die Tische und füllte Wasser auf. Als sie zurückkam, zog sie mich mit in die Küche. Dort setzten wir uns an den Schneidetisch. Adelia hatte uns auch eine Portion gemacht und wir aßen ebenfalls.

„Remino, ich habe dich nicht umsonst kochen lassen. Das sollte dir eine Lektion sein. Du hast behauptete, du könntest nicht kochen. Dennoch hast du es getan. Und das auch noch sehr gut. Man weiß nur, dass man etwas nicht kann, wenn man es mal gemacht hat. Außerdem wirst du bestimmt Lob von deinen Freunden und auch Lehrern bekommen. Nimm es an. Es muss dir nicht unangenehm sein. Deine Fähigkeiten sind nicht selbstverständlich. Nimm das Lob an und freu dich darüber, dass du etwas gut kannst“, sagte sie und aß dann weiter.

Sie hatte Recht. Meine Fähigkeiten waren nicht selbstverständlich. Aber Lob wollte ich dafür nicht haben. Wenn Adelia der Meinung war, dass ich damit umgehen lernen musste, dann würde ich mich dagegen nicht wehren. Letztlich war es etwas, dem ich mich eh nicht entziehen konnte. Lob würde immer wieder auf mich zukommen. Wir beendeten das Mahl und räumten alles beiseite. Dann gingen wir nach vorne. Die anderen waren auch fertig und unterhielten sich. Als sie uns bemerkten, sahen sie zu mir.

„Adelia du hast dich selbst übertroffen heute“, sagte Jatana und die Elfe lachte.

„Heute kommt das Essen nicht von mir. Remino hat gekocht“, sagte sie und schob mich leicht nach vorne.

„Remino? Ich wusste gar nicht, dass du kochen kannst“, sagte mein Bruder und ich lächelte verlegen.

„Dann hast eben du, Remino, das sehr gut gemacht“, sagte Jatana und brachte ihren Teller zur Theke.

Sie stellte ihn ab und räumte dann den Rest zusammen.

„Danke, Jatana. Ich mach den Rest“, sagte Adelia und brachte alles in die Küche.

Ich wollte ihr folgen, als Jermain zu mir trat.

„Adelia hat eine unwiderstehliche Art dich zum Arbeiten zu bringen. Das habe ich auch schon feststellen müssen“, sagte er und ich sah ihn an.

„Wie meint ihr das?“

„Ganz einfach. Eine Elfe kann dich zu allem bewegen, wenn sie das will. In diesem Fall hat sie dich zum Kochen gebracht, was eine wirklich sehr gute Idee gewesen ist. Dafür muss ich dich wirklich loben. Hat man dir das in Jagurin beigebracht?“

„Nein. Ich war für den Garten zuständig. Pflanzen sind einfacher zu versorgen, als Menschen.“

„Das stimmt. Sie sind nicht so launisch. Menschen können einem auch schlimme Dinge sagen. Lilith wusste, dass ihre Schwester so etwas tun würde. Sag mir eins, Remino. Macht dir solche Arbeit Spaß?“

Was war das denn für eine Frage? Ich hatte in meinem Leben gerade das erste Mal gekocht und er fragte sofort ob es mir Spaß machen würde.

„Das kann ich nicht genau sagen. Ich habe heute das erste Mal richtig gekocht.“

„Lass dir eins gesagt sein. Auch auf diese Art kannst du der Göttin sehr gut dienen. Köche braucht man auch im Kloster. Doch meist sind sie keine Geistlichen. Remino, ich habe hier einen Brief von einem Freund von mir. Ein Lehrer aus Marshara.“

„Dem Dorf in den Sümpfen?“

„Richtig. Er wird uns im heiligen Hafen treffen. Auch er ist ein Priester Lehrer. Aber im Gegensatz zu mir kennt er den Weg des Paladins nicht. Deswegen werde ich deine Ausbildung zurückstellen und deinen Bruder trainieren. Ich mag nicht so gut sein wie ein richtiger Paladin. Doch ich denke dein Bruder braucht mehr Hilfe, als du. Du kannst bereits den Kettenblitz einsetzten. Das ist weit mehr als viele Priester jemals können werden. Übe das, was du bereits kannst und dann wirst du auch stärker.“

Ich nickte und er ging wieder nach ihm trat Lilith zu mir.

„Hat meine Schwester dich wieder geschickt eingespannt, was?“

„Sieht so aus.“

„Das hast du allerdings sehr gut gemacht. War es deine Idee diese Suppe zu kochen?“

„Nein. Sie hat mir die Zutaten gegeben. Ich habe nur alles zusammengeworfen und gekocht. Ein paar Gewürze hinzugefügt und fertig war es.“

„Du hast Talent, Remino. Viele andere hätte nicht gewusst was zu tun ist. Du hast es instinktiv getan. Vielleicht hat sie Recht. Du würdest einen hervorragend Wirt abgeben“, sagte sie, zwinkerte mir zu und ging dann.

Jotanate und Nelana kamen auf mich zu. Beide schienen es sehr eilig zu haben. Sie schoben sich immer wieder auf Seite und jede von ihnen versuchte zuerst bei mir zu sein. Nelana erreichte mich schließlich und Jotanate stand hinter ihr.

„Das hast du sehr gut gemacht, Remino. Es scheint, als könntest du sehr gut kochen“, sagte sie und sah mir tief in die Augen.

In ihren Augen konnte ich ein ungewohntes Glitzern sehen. Als würde sie gar nicht richtig anwesend sein.

„Danke, Nelana. Ich habe mir auch alle Mühe gegeben“, sagte ich und Jotanate schob Nelana beiseite.

„Wirklich, Remino. Alles was du anfasst wird einfach perfekt. Wie machst du das?“, fragte sie.

Auch in ihren Augen konnte ich dieses Glitzern erkennen.

„Nun ja, nicht alles. Aber ich gebe mir immer Mühe, alles so gut zu machen, wie ich kann.“

„Du hast wirklich Talent“, begann sie, doch Nelana scheuchte sie mit einer Flamme beiseite.

„Magst du nicht vielleicht ein wenig Zeit mit mir verbringen, bevor wir aufbrechen?“, fragte sie und Jotanate schnaubte wütend.

„Das würde ich liebend gerne. Doch ich muss noch Adelia helfen“, sagte ich und zog mich schnell in die Küche zurück.

Als die Türe ins Schloss gefallen war, konnte ich die Zwei streiten hören.

„Lass gefälligst die Finger von ihm. Er gehört mir“, sagte Nelana.

„Da träumst du aber auch nur von. Mit mir hat er viel mehr und das weiß er auch. Remino wird niemals eine Beziehung mit dir eingehen“, sagte Jotanate und Nelana schnaubte.

„Ich bin der Liebesdrache. Wenn einer weiß, wie Liebe funktioniert, dann ich.“

„Ha und ich als Harmoniedrache weiß ganz genau wie eine harmonische Beziehung abläuft.“

„Wir werden sehen, wen Remino eher wählt“, sagte Nelana und die Zwei verstummten.

Ich atmete auf und Adelia trat zu mir.

„Probleme mit den Mädchen?“, fragte sie.

„Was ist nur los mit ihnen? Sie bedrängen mich, wie noch nie.“

„Sie sind verliebt, Remino. Das ist völlig normal. Wenn sie könnten, würden sie sich sofort in Drachen verwandeln und um dich kämpfen, bis eine der beiden stirbt. Den Drachen sei Dank, dass es noch nicht so ist“, sagte sie.

„Aber was soll das? Habe ich keine Wahl? Muss ich eine von ihnen nehmen?“

„Natürlich nicht. In ihren Augen musst du das. Doch wenn du mehr Augen für Sildera hast, verstehe ich das sehr gut.“

Erschreckt sah ich sie an. Woher wusste sie, dass ich Sildera nicht nur nett fand.

„Ach komm schon, Remino. Du weißt doch dass wir Elfen die Gedanken der anderen hören. Ob wir das wollen oder nicht. Schon als du sie zum ersten Mal gesehen hast, konnte ich spüren, wie du dich zu ihre hingezogen fühltest. Zwar nur unterbewusst aber es war so. Hab keine Angst. Nelana und Jotanate werden es verstehen. Sie wollen ihren Wettstreit nur aufrechterhalten um davon abzulenken, dass sie eigentlich gute Freunde sein können. Zumal sind die Zwei nicht so verschieden wie man denken mag.“

„Was soll das denn heißen?“

„Sagen wir es so. Wenn sie nicht streiten würden, wären sie wie Geschwister.“

Ich wollte gerade etwas sagen, als die Türe aufging und Sildera hereinkam.

„Remino, ich wollte nur“, begann sie verstummte aber.

Adelia lächelte und nickte.

„Ich gehe dann mal. Wir sehen uns gleich. Vergesst nicht, dass ihr euer Gepäck noch vorbereitet. Wir reisen bald ab.“

„Ist gut“, sagte ich und sie verließ die Küche.

Sildera sah noch viel schöner aus, als ich mir je hätte träumen können. Das Licht fiel genau auf ihre Haare, die kastanienbraun über ihren Rücken fielen. Sie hatte sie zu einem Zopf gebunden. Ihre Haut war leicht braun. Ihre Augen wunderschön grün.

„Remino, du hast sehr gut gekocht“, sagte sie und senkte ihren Blick.

Ich konnte sofort sagen, dass sie nicht nur das sagen wollte.

„Danke, Sildera. Darf ich dir sagen, dass du“, begann ich unterbrach den Satz aber.

Was war los mit mir? Ich konnte ihr keine Komplimente machen. Kein Priester oder Paladin hatte mir eine Erlaubnis erteilt, mich der Liebe hinzugeben.

„Was bin ich?“, fragte sie und sah mir tief in die Augen.

Sie sahen verträumt aus und schienen mich aufzusaugen. Wie zwei grüne Strudel. Wie sollte ich aus dieser Situation rauskommen?

„Du siehst in diesem Licht umwerfend aus“, sagte ich.

Zur Hölle mit allen verboten. Ich war ein Drache. Aletas Gesetz konnte mir gestohlen bleiben. Sildera konnte wohl mit diesem Kompliment nichts anfangen. Sie starrte mich einfach nur an. Vorsichtig nährte ich mich ihr und wollte ihr einen Kuss auf die Wange geben. Doch bevor ich so weit kam, zog sie mich zu sich und küsste mich auf den Mund. Ein sehr ungewohntes Gefühl für mich. Mir lief ein Schauer den Rücken herunter.

„Remino, es tut mir Leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Das fühlt sich alles so falsch an“, stotterte sie und ich nahm ihre Hand.

„Nein, nicht falsch. Gut“, sagte ich und sie sah mich an.

In ihren Augen konnte ich Unsicherheit ablesen. Sie schien gegen ihre Gefühle an zuarbeiten.

„Es ist nicht richtig. Du bist ein Drache. Ein Gott. Ich bin nur eine kleine Prophetin.“

„Und dennoch finde ich dich viel interessanter, als jeden anderen mit dem ich reise“, sagte ich und sie lächelte verlegen.

„Wir brechen gerade alle Regeln. Die anderen Drachen werden mich umbringen, wenn sie das herausfinden.“

„Wenn Nelana oder Jotanate dir Schwierigkeiten machen, dann sollen sie zu mir kommen. Ich war mit keiner von ihnen zusammen. Sie hätten es gerne. Doch die Realität sieht ganz anders aus.“

„Remino, ich bin mir nicht sicher. Was wenn“, begann sie doch ich legte meinen Zeigefinger auf ihren Mund.

„Nichts was wenn. Denk nicht an die Zukunft. Genieß die Gegenwart. Was morgen ist, ist eine völlig andere Geschichte.“

Sie schwieg und schmiegte sich an meine Brust. Jetzt fiel mir erst auf wie dünn sie eigentlich war. Irgendwie war das auch logisch. In der Wüste gab es bestimmt nicht viel zu essen. Aber darauf würde ich sie nicht ansprechen. Wir blieben noch einige Zeit so stehen, bis sie sich löste und mir tief in die Augen sah.

„Wir sollten uns fertig machen, bevor die anderen ohne uns abreisen“, sagte sie und ich nickte.

Wir verließen die Küche und gingen in unsere Zimmer. Im Flur vor meinem Zimmer konnte ich die Blicke von Nelana und Jotanate spüren, die an ihrer Türe standen und dachten ich würde nicht bemerken, dass sie einen kleinen Spalt offen stand. Einfältig zu glauben ich würde darauf nicht achten. Aber diese zwei waren eh unverbesserlich. Ich betrat mein Zimmer und begann sofort die wenigen Sachen zusammenzupacken, die ich hatte. Es war wirklich nicht mehr als meine Robe, meine Waffen und eine alte Ausgabe von Aletas Schrift. Liram und sein Bruder schienen auch nicht viel mehr bei sich zu tragen. Ich machte mein Bett und wollte dann gehen, als Liram mich zurückhielt.

„Ich muss mit dir noch etwas besprechen. Alleine“, sagte er und unsere Brüder verließen das Zimmer.

„Was gibt es?“

„Nelana und Jotanate machen mir sorgen. Die zwei Sprechen und Streiten nur noch über dich. Jede freie Minute wird mit Streitigkeiten über dich gefüllt. Das macht mir Sorgen.“

„Nicht nur dir. Mir auch.“

„Dachte ich mir. Nur was ist passiert, das sie plötzlich so versessen auf dich sind?“

„Vielleicht weil sie Konkurrenz durch meine persönliche Liebe bekommen haben?“

„Wie meinst du das?“

„Ich meine das Sildera und ich. Naja wir lieben einander“, sagte ich und ihm fiel der Unterkiefer herunter.

„Wirklich? Seit wann?“

„Vielleicht zehn Minuten?“

„Doch schon so lange? Ich dachte ihr Priester dürft euch nicht der Liebe ergeben. Ihr gehört doch Aleta.“

„Ich bin kein normaler Priester. Eigentlich müsste ich darauf warten, dass man mich für bereit erklärt. Aber das interessiert mich nicht mehr. Ich bin ein Drache. Also kann mir diese Regel gestohlen bleiben.“

„Wissen es?“

„Nelana und Jotanate? Ich denke nicht. Vielleicht ahnen sie etwas. Aber wissen dürften sie es nicht.“

„Pass bloß auf, dass sie Sildera heile lassen.“

„Sollten sie ihr auch nur ein Haar krümmen, werde ich ihnen zeigen was es heißt sich meinen Zorn aufzuladen.“

Liram lachte und wir verließen das Zimmer. In der Gaststube trafen wir die anderen, die ebenfalls Reisefertig waren.

Drachenwald

„Dann wollen wir mal los“, sagte Lilith und öffnete die Türe.

Sofort sprang sie nach hinten. Vor der Türe stand Alfredo und sah sie an. Neben ihm Quacki und daneben Nelstar.

„Das trifft sich Prima. Ich wollte gerade klopfen“, sagte sie und Lilith beruhigte sich ein wenig.

„Wer bist du?“, fragte sie und Nelstar lachte.

„Das ist Nelstar. Eines der beiden Mädchen, die uns begleiten werden. Sie hat auf Sildera und ihre Schwester gewartet. Jetzt setzten sie ihre Reise mit uns fort“, sagte ich und Lilith nickte.

„Du hattest es gestern erwähnt, wenn ich mich nicht irre, oder?“

„Ja.“

„Gut. Das ist jetzt aber ein Problem. Wir haben nur elf Pferde.

„Nein, es gibt kein Problem. Wir haben einen Wagen für unsere Ausrüstung. Da können wir euch alle drauf mitnehmen“, sagte Nelstar und lachte.

„Das ist sehr hilfreich. Schaffen eure Pferde denn das extra Gewicht?“

„Was für Pferde? Alfredo zieht den Wagen und der könnte locker mehr als nur euch ziehen. Also macht euch darüber mal keine Gedanken, oder Alfredo?“, fragte sie und der Roboter nickte.

„Madame haben das gut zusammengefasst. Ich bin darauf ausgelegt größere Lasten zu tragen. Nach einem Scan und einer kurzen Berechnung sagen alle Parameter, dass ich nicht an meine Belastungsgrenze stoßen werde“, sagte er mit einer metallisch klingenden Stimme.

„Seht ihr? Kein Grund zur Sorge. Emilie erwartet uns. Kommt schon“, sagte sie und ging.

Alfredo und Quacki folgten ihr.

„Was für ein außergewöhnliches Kind“, sagte Jermain und ich lächelte.

„Sie ist kein Kind. Sie mag jung aussehen. Allerdings ist sie bereits vierundzwanzig Jahre alt. Nennt sich bitte nicht kleines Mädchen oder ähnliches. Sie kann sehr extrem darauf reagieren.“

Die Anderen nickten und wir verließen die Herberge. Adelia hängte ein Schild, mit der Aufschrift Geschlossen, auf. Wir gingen zu unseren Pferden und saßen auf. Adelia hatte auch ein Pferd. Eine Stute die schon etwas betagter zu sein schien. Ihr Fell war pechschwarz. Nur ihre Mähne war weiß. Langsam ritten wir aus dem Stall heraus und trafen auf die anderen, die auf einem Wagen saßen. Auf seiner Ladefläche lagen, neben unseren neuen Freunden, noch viele Geräte, die ich nicht kannte. Es musste alles zu Nelstar und Emilie gehören.

„Wir sind soweit“, sagte Emilie und sprang auf den Wagen.

„Dann los. Wir reiten Richtung Heiligem Hafen.“

„Wir haben eine Route vorbereitet, auf der wir einige andere kleine Dörfer besuchen werden, um Proviant aufzufüllen“, sagte Nelstar und Lilith nickte.

„Dann reitet voran“, sagte sie und Nelstar nickte.

„Los, Alfredo.“

Der Roboter nahm sich ein Seil, band es sich um den Bauch und begann zu laufen. Langsam setzte der Wagen sich in Bewegung und wir ritten hinterher. Nicht lange und wir hatten Futura verlassen. Wir ritten durch einen Wald. Sehr dicht und eigentlich sehr unwirklich. War hier jemals ein Mensch gewesen? Es sah nicht danach aus. Lilith, Adelia und die anderen zwei Elfen atmeten auf. Sie hatten sich lange in Futura aufgehalten und kaum Natur gehabt. Das schien hier eine richtige Erholung für sie zu sein. Die Reise ginge immer weiter und weiter. Meine Güte der Wald war aber lang. Es mochten jetzt schon mehrere Stunden vergangen sein, dass wir losgeritten waren und die Umgebung schien immer gleich zu bleiben. Plötzlich blieb Alfredo stehen und sah sich um.

„Madame, meine Sensoren melden, dass wir nicht mehr vorankommen. Die Distanz zu unserem Ziel setzt sich immer wieder zurück, wenn wir einen gewissen Punkt passieren. Es läge im Bereich des Möglichen, das etwas oder jemand nicht will, dass wir den Wald verlassen“, sagte er und Nelstar erhob sich.

„Funktionier deine Navigation nicht mehr?“, fragte sie und ging zu dem Roboter.

„Madame haben meine Navigation selbst programmiert wodurch ein Fehler ausgeschlossen ist. Nach ihr werden wir immer wieder an diesen Punkt zurückgesetzt.“

Nelstar strich sich durch die Haare.

„Das ist unmöglich. Niemand könnte mächtig genug sein, solch einen Zauber zu sprechen.“

„Aleta könnte es“, sagte Jermain und das Mädchen schnaubte.

„Sie hat zu viel Kraft verloren, seit die Drachen wieder am Leben sind. Kaum einer glaubt an sie. Dafür dürfte ihre Kraft nicht reichen. Gebt mir einen Moment. Ich überprüfe eben Alfredos Navigation“, sagte sie und wir saßen ab.

Tatsächlich. Diesen Baum hatte ich heute schon gesehen. Sehr gut an den Bissspuren in der Rinde zu sehen, die von einem Reh oder ähnlichem zu stammen schienen.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Adelia und sah Lilith an.

„Wir machen das, was richtige ist. Wir teilen uns auf und versuchen herauszufinden, warum wir hier nicht weg kommen“, sagte sie und wir nickten.

„Teilt euch in zweier Teams auf“, sagte Lilith und verließ mit Jermain das Lager.

Ich sah mich um und erblickte Sildera. Gerade als ich auf sie zugehen wollte, stellten sich Nelana und Jotanate in meinen Weg.

„Du kommst doch gerne mit mir mit, oder?“, fragten sie gleichzeitig und sahen sich dann an.

„Was fällt dir ein ihn zu fragen?“, fragte Jotanate Nelana.

„Ich kann ihn fragen was ich will, wann ich es will. Und jetzt geh beiseite“, sagte sie und die zwei begannen zu Kämpfen.

Ich beschloss die Gunst der Stunde zu nutzten und zu Sildera zu gehen. Schnell lief ich zu ihr und sah sie an.

„Wollen wir?“, fragte sie und zeigte in den Wald.

Ich nickte und zusammen gingen wir davon. Hand in Hand. Nelana und Jotanate Schiene nichts davon mitzubekommen. Sie stritten immer noch. Sollte mir egal sein. Langsam wurde es still. Der Wald war dicht und unheimlich schön. Das Blätterdach sah beinahe so aus, wie Silderas Augen. Es war schön nur mit ihr hier zu sein. Ich sah sie an und sie erwiderte meinen Blick.

„Du tust mir nicht gut, Remino“, sagte sie und ich lächelte.

„Dagegen habe ich vielleicht eine Heilung“, sagte ich und küsste sie.

Doch anstatt ihn zu erwidern, drückte sie mich weg und griff sich an den Kopf.

„Eine Vision?“, fragte ich und sie nickte.

„Wir müssen sofort zu den anderen zurück. Sie sind in großer Gefahr“, sagte sie und ich nickte.

Ich begann zu laufen und zog sie mit mir. Doch sie war noch sehr benommen. Also nahm ich sie kurzerhand auf den Arm und lief so zurück. Die anderen kamen schnell wieder in Sicht. Nelana und Jotanate sahen uns entgegen und hörten sofort auf zu streiten. Sie starrten uns mit offenem Mund an. Liram und sein Bruder hatten das Lager wohl verlassen und Delphi war mit meinem Bruder unterwegs. Genau wie Reviran und Revarian. Kalira und Jatana waren auch nicht zu sehen.

„Schon zurück?“, fragte Emilie und sah uns an.

„Sildera hatte eine Vision und meinte wir müssten sofort zurück. Warum hat sie mir noch nicht gesagt“, antwortete ich und Emilie nickte.

Jotanate und Nelana standen immer noch da und sahen zu, wie ich Sildera langsam absetzte und sie zu dem Wagen begleitete, damit sie sich setzten konnte.

„Jetzt erzähl mir aber mal, was du gesehen hast“, sagte ich und sie nickte.

„Drachenjünger. In diesem Wald sind Drachenjünger, die uns töten wollen“, sagte sie und ich riss meine Augen auf.

Sofort rannte ich an den Rand des Lagers und sah mich um.

„Wo sind die anderen hingegangen?“, fragte ich Nelana und Jotanate, die mich immer noch mit offenem Mund ansahen.

„In diese Richtung“, sagte Nelana und ich nickte.

Ich wollte loslaufen, als Jotanate mich zurückhielt.

„Wenn Drachenjünger hier sind, dann ist es sicherer zusammen zu bleiben. Wir müssen sie auf anderem Wege erreichen.“

Da hatte sie leider Recht. Jetzt alleine los zu gehen, war nicht tollkühn, es war wahnsinnig. Sollte Sildera wirklich Recht haben, wovon ich ausging, waren wir in sehr großer Gefahr. Ich ging zurück zu dem Wagen und wollte gerade mit Sildera sprechen als ich einen Ast brechen hörte. Die anderen schienen es auch bemerkt zu haben und sahen in die Richtung. Langsam zogen wir unsere Waffen und warteten auf das was kommen würde. Aus dem Busch sprang ein zerlumpter Goblin hervor, der verängstig aussah.

„Gorothy Hilfe. Menschen wollen Gorothy töten“, sagte er mit seiner piepsigen Stimme.

Es war also auch noch ein weiblicher Goblin. Nach einer Falle sah das Ganze nicht aus. Plötzlich brach ein Drachenjünger aus den Büschen hervor.

„Da bist du ja, kleiner Ausreißer. Mit dir habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen“, sagte er und richtete sein Gesicht auf Gorothy.

„Gorothy nichts getan. Lassen Gorothy gehen“, sagte sie und der Jünger lachte.

„Niemals. Komm sofort her und beuge dich unserem Willen, wie der Rest deiner Familie auch.“

„Gorothy nicht gehen. Gorothy gefunden gute Menschen. Beschützen Gorothy.“

Sofort fiel der Blick des Jüngers auf uns.

„Du bist doch Remino, oder? Der Junge der es geschafft hat Thomas zu töten“, sagte er und ich nickte.

„Das war ich nicht alleine, aber ja, ich bin Remino.“

„Dann habe ich ja doppelt Glück. Zum einen bekomme ich Gorothy wieder und zum anderen kann ich euch aus dem Weg räumen.“

Er hob seinen Zauberstab und wollte gerade einen Zauber wirken, als Jotanate ihm zuvor kam. Sie schoss einen Pfeil und traf genau seine Hand. Sofort musste er seinen Stab fallen lassen. Er sah sie an.

„Du kleines Miststück. Wie kannst du es wagen mich anzugreifen?“, fragte er und Jotanate grinste.

„Das ist sehr leicht. Ich habe meinen Bogen genommen, einen Pfeil angelegt und geschossen. Damit habe ich dich erwischt. Relativ einfach, oder?“

„Du weißt, dass du das bereuen wirst, oder?“

„Der einzige, der etwas bereuen wird, bist du, dass du es gewagt hast in unser Lager zu kommen“, sagte Nelana.

„Ach eine Hexe. Jetzt wird mir auch klar, wo die Magie herkommt.“

„Verzieh dich und dir wird nichts geschehen“, sagte Jotanate und sie stellten sich vor mich.

„Entschuldigt, Mädchen. Aber ich habe einen strammen Zeitplan und wenig Zeit für euch. Würdet ihr bitte beiseite gehen, damit ich meinen Goblin holen und Remino umbringen kann?“

„Nein. Auch wenn unsere Liebe zu Remino vielleicht vergebens ist, werden wir nicht gehen“, sagte Nelana.

Der Drachenjünger seufzte.

„Kann es nicht einmal einfach sein? Könnt ihr nicht einfach aus dem Weg gehen?“

Die Zwei schüttelten ihre Köpfe.

„Dann muss es sein“, sagte der Jünger und wollte gerade angreifen, als ein Eisstrahl an ihm vorbeischoss und einen Baum vereiste.

„Tut mir Leid, wenn ich ungelegen komme. Aber du hast in diesem Wald nichts verloren“, sagte die Person.

Es war ein kräftiger Junge. Nein eigentlich konnte man sagen, dass er dick war. Seine Haare waren blond und sahen gepflegt aus. Er war größer als ich und hatte einen Stab auf dem Rücken. War er ein Hexer?

„Wer bist du?“, fragte der Jünger und der Junge lachte.

„Ich bin bekannt unter dem Namen Kai. Angenehm deine Bekanntschaft zu machen. Diese Kinder sind Gäste in meinem Wald. Lass sie gehen und ich werde Gnade vor Recht ergehen lassen.“

„Wer bist du schon, dass du mir Befehle erteilen kannst?“

„Wenn du dich weigerst, dann wirst du das schneller herausfinden, als dir lieb ist.“

Sofort knurrte der Drachenjünger und griff Kai an. Er lächelte, hob seine Hand und fing den Schlag des Mannes ab. Dann drückte er seine Hand zusammen und warfen den Mann über sich zu Boden. Unglaublich wie kräftig er war. Eigentlich sah er nur gut genährt aus und nicht stark. Aber unter dem ganzen Fett war wohl eine Menge an Muskeln verborgen. Der Drachenjünger stöhnt und wollte sich gerade erheben, als Kai einen Speer zog und zustach. Sofort erstarben alle Bewegungen des Mannes und Kai zog den Speer zurück. Er sah uns an und lächelte.

„Endlich treffen wir uns. Ihr seid geschlagene zwei Stunden immer weiter im Kreis gelaufen bis euch mein Zauber aufgefallen ist“, sagte er und wir ließen unsere Waffen sinken.

„Wer bist du?“, fragte Jotanate und er lächelte.

„Wenn ihr erlaubt. Es ist einfacher auf die Anderen zu warten. Sie müssten jeden Moment wieder vor uns auftauchen.“

Er hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als die anderen vor uns erschienen. Erstaunt sahen sie sich um.

„Wirklich ein Zauber, der uns im Kreis laufen lässt“, sagte Tiana und die Anderen nickten.

Sie schienen Kai gar nicht zu bemerken. Er stand einfach nur da und wartete darauf, dass ihn jemand bemerken würde.

„Wir sollten es weiter versuchen“, sagte Lilith und Adelia schüttelte ihren Kopf.

„Nein, das hätte keinen Sinn. Stattdessen könnten wir ja den Fragen, der dafür verantwortlich ist“, sagte sie und sah Kai an.

Die Anderen ebenfalls.

„Du kommst mir bekannt vor“, sagte Tiana und Kai nickte.

„Eine besondere Freude dich wiederzusehen, Tiana. Es ist lange her.“

„Warst du nicht derjenige, der Lady Marina gelehrt hat?“, fragte sie.

Was? Lady Marina sollte von einem Mann unterrichtet worden sein? Niemals. Das war unmöglich.

„Stimmt. Ich habe Lady Marina gezeigt, wie man die antike Magie verwendet. Sie ist eine grauenvolle Zuhörerin aber eine gute Hexe.“

„Entschuldige wenn ich frage, aber wer genau bist du?“, fragte Reviran.

Die Zwei waren sehr Stille gewesen in letzter Zeit.

„Mein Name ist Kai. Es tut mir Leid, dass ich euch hier im Kreis habe laufen lassen. Es war aber nötig. Ich habe viele wichtige Dinge mit euch zu besprechen“, sagte er und alle sahen ihn erstaunt an.

„Du bist mehr, als du uns sagen willst, oder?“, fragte Revarian.

„Nicht alles ist immer so wie es scheint. Aber wem erzähle ich das? Revarian, ich kenne dein Geheimnis. Und auch von den anderen kenne ich es. Meine Augen können in eure Seele sehen. Nichts ist vor mir verborgen. Folgt mir bitte. Wir sollen an einem angenehmeren Ort sprechen“, sagte er und ging in den Wald.

Wir nahmen unsere Pferde und folgten ihm. Alfredo zog den Wagen und der Rest ging zu Fuß. Es dauerte nicht lange, das tauchte ein großes Haus auf. Es war rein aus Holz gebaut und sah mehr nach einer Villa aus, als nach einem Haus.

Ursprung der Drachen

„Willkommen in meinem bescheidenen Heim“, sagte Kai und öffnete die Türe.

Wir banden die Pferde an und betraten dann, zögernd das Haus. Das Innere war dunkel. Trotz vieler Fenster kam kaum Licht hinein. Das erste Zimmer war riesig. Mehrere Stühle standen um einen Tisch herum. Dieses Bild kam mir bekannt vor. Der Kamin in der hinteren Ecke. Die zwölf Stühle vor einem Tisch und die sechs auf der anderen Seite.

„Das ist der Raum der Drachen“, sagte Sildera und Kai nickte.

„Richtig. Hier haben sich einst alle Drachen getroffen, wenn sie etwas zu besprechen hatten. Wisst ihr, wer auf diesen Stühlen saß?“, fragte er und zeigte auf die sechs Stühle.

„Auf einem von ihnen saß Aleta“, sagte Jermain und Kai nickte.

„Richtig und auf den anderen?“

„Auf einem saß unsere Königin“, sagte Adelia und Kai nickte erneut.

„Lady Karaku hatte hier auch einen Platz“, sagte Tiana.

„Der blaue Wolf auch“, sagte Ducan.

„Terra hat mir auch davon erzählt, das er hier war“, sagte Jermain.

„Richtig. Ich habe sie alle erraten. Nur einen nicht. Wer saß auf dem sechsten Stuhl?“, fragte er und Sildera sah ihn an.

„Aletas Mann“, sagte sie und er applaudierte.

„Das stimmt. Aletas Mann hatte auch einen Stuhl in dieser Runde. Und wer war Aletas Mann?“

Sie hatte überhaupt einen Mann? Nirgendwo hatte ich davon gelesen. Jermain schien auch nichts davon zu wissen.

„Sie hatte keinen Mann“, sagte ich voller Inbrunst und Überzeugung.

„Ich weiß, dass er in eurem Glauben nicht auftaucht, aber es gab ihn. Sie hat nie über ihn gesprochen, weil es ihr peinlich war. Aletas Mann war der Urdrache. Aus ihm wurden alle anderen Drachen erschaffen. Ohne eine Vorlage hätte Aleta niemals die Drachen formen können.“

„Du willst sagen, dass es mehr als zwölf Drachen gibt?“, fragte Jotanate.

„In der Tat, es gibt dreizehn. Die zwölf Drachen der Gefühle und den goldenen Drachen der Natur“, sagte Kai und nahm auf einem Stuhl Platz.

„Aber über ihn gibt es keinerlei Aufzeichnungen“, sagte Jermain.

„Auf seinen Wunsch hin. Der Golddrache war nie wirklich dafür bekannt, im Mittelpunkt zu stehen. Deswegen hat er auch mit Aleta Schluss gemacht. Sie wollte ihn bei sich haben. Er sollte auch als Gott verehrt werden. Doch er weigerte sich. Naja, die ganze Geschichte zu erzählen würde jetzt zu lange dauern, aber sagen wir es so. Aleta akzeptierte es nicht und die zwei Stritten lange, bis der Golddrache verschwand.“

„Und was soll uns das jetzt sagen?“, fragte Emilie.

„Das ihr darüber nachdenke sollt, was Wahrheit oder Lüge ist. Aleta versucht die Wahrheit zu verschleiern, wo sie nur kann. Aber ich habe euch ja nicht grundlos aufgehalten. Die acht Drachen mögen vortreten“, sagte Kai und ich schluckte.

Er wusste wer wir waren. Emilie und Nelstar wussten es jetzt auch. Sogar Reviran und Reviran.

„Welche Drachen?“, fragte Nelstar und Kai lachte.

„Die acht Gefühlsdrachen, die mit euch reisen“, sagte er und ich schluckte erneut.

Vorsichtig trat ich nach vorne.

„Die Hoffnung macht also den ersten Schritt“, sagte er und ich ging zu einem Stuhl.

Nelana folgte mir.

„Die Liebe hat auch zurück gefunden.“

Jotanate kam auf uns zu.

„Die Harmonie kommt auch zurück.“

Liram stellte sich hinter einen Stuhl.

„Willkommen zurück, Freude.

Meriano trat vor.

„Die Vernunft ist da.“

Kalira zögerte erst, machte aber dann auch ihren Schritt.

„Glück gehabt, dass du wieder da bist.“

Jatana folgte unserem Beispiel.

„Ich bin Dankbar, dass du den Weg von alleine gefunden hast.“

Jetzt fehlte nur noch Lirom. Er ließ sich aber auch nicht mehr lange bitten und schloss zu uns auf.

„Damit ist auch das Vergnügen zurück. Nehmt Platz, Drachen“, sagte Kai und wir setzten uns.

„Ihr seid die Drachen?“, fragte Emilie und sah uns an.

„Ja, das sind sie. Gibt es damit ein Problem?“, fragte Kai und sie nickte.

„Wir haben den Auftrag alle Drachen zu töten“, sagte sie und Reviran zog einen Dolch.

„Ihr fasst die Drachen nicht an. Wenn ihr es wagt, werden wir euch töten“, sagte er.

„Ich bin doch erstaunt, dass ihr euch für sie einsetzt. Eigentlich hasst ihr die Drachen doch, oder?“, fragte Kai und Revarian antwortete diesmal.

„Ja, das tun wir. Doch wir hassen die Drachen, die einst unser Dorf verwüstet haben. Die sind allerdings Tot. Das sind neue Drachen, die damit nichts zu tun haben. Wir vertrauen darauf, dass sie nicht den gleichen Fehler wie ihre Vorfahren machen.“

„Du hast ein gutes Herz, Revarian. Auch wenn du das niemals zugeben würdest.“

Revarian schnaubte und sah dann wieder zu Nelstar und Emilie. Die zwei standen dort immer noch wie angewurzelt.

„Also gut, junge Drachen. Ich habe euch hergeholt um euch etwas zu sagen. Eure Kräfte entwickeln sich zu langsam. Das liegt daran, dass Aleta euch behindert, wo sie nur kann. Sie kann nicht verhindern, dass ihr eure Kraft bekommt, doch sie kann diese Prozedur verlangsamen. Das tut sie auch mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen. Doch ihr könnt dem entgehen. Es gibt einen Diamanten, den man Auge des Drachen nennt. Ja, das klingt sehr offensichtlich nach einem Artefakt, dass von den Drachen erschaffen wurde. Aber da muss ich euch enttäuschen. Dieser kleine Stein wird den Stab des Philosophen aktivieren. Dieser kann euch helfen eure Kräfte zurück zu bekommen“, sagte Kai und sah uns nacheinander tief in die Augen.

„Wo genau finden wir ihn?“, fragte Jatana und er lächelte.

„Den braucht ihr nicht suchen. Hier ist er“, sagte er und legte einen kleine Diamanten auf den Tisch.

Er war nicht viel größer als mein Findernagel, leuchtete aber umso heller.

„Einer von euch muss ihn an sich nehmen“, sagte Kai und Nelana griff danach.

„Das mache ich“, sagte sie und ließ den Stein in ihrem Buch verschwinden.

„Wird er dort nicht herausfallen?“, fragte ich und sie schüttelte ihren Kopf.

„Sieh her“, sagte sie und öffnete das Buch.

Der Kristall war nicht da. Er war auf dem Buchdeckel in einer Vertiefung eingelassen und leuchtete dort. Unglaublich das sah gewollt aus und nicht nach einem Versteck.

„Jetzt müsst ihr nur noch wissen, wo der Stab der Philosophen ist“, sagte Kai und Tiana sah ihn an.

„Lady Marina hat ihn nicht mehr. Cynthia müsste ihn noch haben. Ich werde das sofort klären“, sagte Tiana und verließ den Raum.

Kai sah ihr nach und danach lehnte er sich zurück.

„Darf ich euch eine Frage stellen?“, fragte Jermain und sah ihn an.

„Sicher. Was bedrückt dich?“

„Woher wisst ihr von dem Stab der Philosophen? Und woher kommt euer Wissen über Aleta und ihren Mann? Das weiß niemand, außer Terra und er hat verboten davon zu sprechen.“

„Habt ihr es immer noch nicht verstanden? Aleta hat in ihrer Schrift versucht ihren Mann zu verschweigen. Doch das ist ihr nicht gelungen. Wenn man genau hinsieht, findet man einen Hinweis auf ihn. Im Kapitel der Drachen ist von einer Kraft die Rede, welche die Drachen zerschmettern kann. Im Endeffekt stimmt das nicht. Niemand kann die Drachen töten. Zumindest nicht endgültig. Woher ich das alles weiß? Ich war dabei“, sagte er.

„Ihr wart dabei? Das ist unmöglich. Niemandem, außer den vier Helden und Aleta war dabei. Ihr Mann hat diesem Treffen nicht beigewohnt“, sagte Jermain.

Kai wollte gerade antworten, als Tiana zurückkam.

„Schlecht Nachrichten. Cynthia ist mit dem Stab über alle Berge. Keiner weiß, wo sie ist“, sagte sie und er lächelte.

„Ihr werdet sie finden, davon bin ich überzeugt. Tiana, ich habe eine bitte an dich. Kannst du ihnen erklären, wer ich bin?“, fragte Kai und Tiana sah sich um.

„Wollt ihr mir sagen, ihr wisst alle nicht, wer das ist?“, fragte sie und wir schüttelten unseren Kopf.

Woher sollten wir wissen, wer Kai wirklich war? Seinen Namen hatte ich noch nie gehört. War er vielleicht ein Geistlicher? Oder ein Hexer? Das wusste wohl niemand von uns. Er war der magischen Kunst mächtig. So viel wussten wir alle.

„Kinder, das ist kein Mensch. Kai ist der Drache der Natur“, sagte Tiana und mir fiel die Kinnlade herunter.

Das sollte ein Drache sein? Der dreizehnte Drache, mit dem alles begonnen hatte? Er sah nicht so aus, wie wir, oder unsere bösen Geschwister. Er hatte nichts Göttliches an sich.

„Woher willst du das wissen, Tiana?“, fragte Ducan und sie lachte.

„Das ist sehr einfach. Lady Marina hat sich von dem Golddrachen das Zaubern beibringen lassen. Niemand anderes als Kai hat sie unterrichtet. Ohne ihn wäre Marina nicht so mächtig, wie sie ist.“

„Aber das macht doch keinen Sinn. Ein Drache würde uns doch das Blut in den Adern gefrieren lassen, oder?“, fragte Nelana und er schüttelte seinen Kopf.

„Nur die bösen Drachen. Nein, eigentlich darf man sie ja nicht böse nennen. Sie sind verwirrt, weil Aleta sie umbringen will. Verängstig und verunsichert, versuchen sie ihren eigenen Weg zu finden, in dieser Welt voller Hass“, sagte Kai und ich sah ihn an.

Wenn das wirklich der Golddrache war, war er eigentlich unser Vater. Aus ihm waren die Drachen endstanden. Das würde zumindest erklären, woher er wusste, wer wir waren.

„Sind wir deine Söhne?“, fragte ich und er lachte.

Zum Lachen war das eigentlich nicht. Es war eine ernst gemeinte Frage. Wenn wir Drachen waren und er der Golddrache, mussten wir seine Kinder sein.

„Nein, das seid ihr nicht. Die Drachen entwickeln sich weiter. Die einzigen Kinder, die ich habe, sind eure Geschwister, die nicht anwesend sind. Sie sind wirklich meine leiblichen Kinder“, sagte er.

„Dann müssen sie ja Götter sein“, sagte Meriano und Kai schüttelte seinen Kopf.

„Nicht direkt. Sie sind keine Kinder von Aleta und mir. Ich hatte eine Frau, vor Aleta. Ihr Name war Argena. Mit ihr hatte ich vier Söhne. Doch sie starb bei der Geburt unseres vierten Sohnes und ließ mich mit den Kindern alleine zurück. Irgendwann gelang es dann Aleta zur Göttin zu werden. Wie genau weiß ich bis heute nicht. Sie bot mir an, bei der Erziehung der Jungs zu helfen und ich nahm das Angebot dankend an. Nach und nach stellte ich fest, dass Aleta eine sehr nette Person war, der ich vertrauen konnte. Also gingen wir eine Ehe ein, damit wir beide nicht alleine waren. Meine Söhne waren gegen diese Verbindung, denn sie befürchteten, dass Aleta mich nur ausnutzten wolle um mächtiger zu werden. Ich ignorierte diese Warnungen und blieb bei ihr. Irgendwann kam Aleta dann in den Sinn, die Drachen zu erschaffen und ich stimmte zu. Sie wollte sie dazu benutzten, den Menschen zu zeigen, was ihr Wille war. Also suchte ich mir zwölf Sterbliche, die ich mit den Seelen der Drachen erfüllte, die ich erschaffen hatte. Unter anderen auch meine Söhne. Sie bekamen die schlechten Gefühle nicht ohne Grund. Sie waren prädestiniert für sie. Zudem suchte ich mir noch zwei Elfen, zwei Krieger, zwei Hexen und zwei Geistliche, denen ich die Seelen ebenfalls anvertraute. So endstanden die zwölf Drachen. Nachdem sie ihre Arbeit begonnen hatten, fiel ihnen auf, dass sie ewig im Schatten Aletas stehen sollten. Doch meinen Söhnen missfiel das und sie stachelten die Drachen auf. Sie stellten sich selbst als Götter hin und ließen sich anbeten. Zu meinem Erstaunen verlor Aleta an Macht. Die Menschen wandten sich von ihr, an meine Söhne und die anderen Drachen. Damit hatte ich nicht gerechnet und Aleta genauso wenig. Sie befahl mir, die Seelen zurück zu nehmen. Doch ich weigerte mich. Woran die Menschen glauben sollte man ihnen nicht nehmen. Das wäre herzlos und dumm. Aleta war sehr zornig mit mir. Sie drohte damit, mich zu zerschmettern. Doch ich wusste genau, dass es ihr nicht möglich war. Also ließ ich es darauf ankommen. Sie griff nach meinem Schwert und verschwand damit. Den Rest der Geschichte kennt ihr. Sie verlor den Krieg gegen die Drachen und fiel in ihren Schlaf“, sagte Kai und erhob sich.

„Das ist also der Grund, dass sie so ist, wie sie ist?“, fragte Liram.

„Welcher Grund? Aleta ist wie sie ist. Da wird kein Drache oder sterblicher etwas dran ändern. Aleta bleibt wie sie nun einmal ist. Gemein, hinterhältig und machthungrig. Was sie macht, dient nur dem Zweck sie stärker zu machen. Das wusste ich damals und gab den Drachen eine weitere Gabe, die ich nicht mehr habe. Die Gefühlsdrachen sind unsterblich. Egal wie oft man sie tötet, sie kehren wieder. Es dauert zwar einige Zeit, doch sie kehren wieder. In diesem Falle in eurer Gestalt.“

„Aleta ist krank“, sagte Lirom und Kai schüttelte seinen Kopf.

„Sagt so etwas nicht. Aleta ist eine Göttin. Sie mag nicht den besten Weg gehen, aber sie geht den Weg, der für sie bestimmt ist. Daran werden wir auch nichts ändern können“, sagte er und die Türe wurde geöffnet.

Sofort sahen wir alle zum Eingang. Mir war, als würde mein Blut in den Adern gefrieren. Dort standen vier Jungs. Keiner älter als ich. Einen von ihnen kannte ich. Es war der Hassdrache.

„Willkommen, meine Söhne“, sagte Kai und die vier traten näher.

Sie stellten sich hinter uns und verneigten sich vor ihm.

„Wir sind deiner Einladung so schnell nachgekommen, wie wir konnten“, sagte einer von ihnen.

Er trug eine schwarze Rüstung und hatte lange schwarze Haare.

„Nehmt Platz“, sagte er und sie nahmen auf den letzten vier Stühlen Platz.

„Was haben sie hier zu suchen?“, fragte Lilith und zog ihren Bogen.

„Wir sind hier, weil unser Vater und gerufen hat. Habt ihr damit ein Problem, Elfe?“, fragte der Junge und Lilith schluckt.

„Keinen Streit“, sagte Meriano und der Junge lachte.

„Vernünftig. Ihr wärt uns eh nicht gewachsen“, sagte er und Kai zischte.

„Lasst diese Anspielungen. Ich habe euch nicht ohne Grund geholt. Das sind meine Söhne, die vier Drachen der Dämmerung, wie ihr sie nennt. Das ist Odium, der Hass. Ihr habt ihn schon kennengelernt, oder?“

„In der Tat“, antwortete Jotanate und sah den Jungen böse an.

Er lächelte nur und sah dann wieder zu seinem Vater.

„Neben ihm sitzt Metus, die Furcht.“

Der nächste Junge sah uns an. Er trug eine rote Rüstung, die an Drachenschuppen erinnerte. Sein Körper sah mit Abstand am jüngsten aus.

„Daneben Invidia, der Neid.“

Invidia war sehr kräftig gebaut. Seine Haare waren kurz, blond und standen zu berge.

„Und zum Schluss noch Casus, der Tod selbst“, sagte Kai und der Junge, der bis jetzt gesprochen hatte sah uns an.

„Freut mich euch kennen zu lernen, Brüder. Ich hätte nicht gedachte, das ihr solche Körper wählt. Aber lassen wir diese Streitigkeit ruhen. Was willst du von uns, Vater?“, fragte er und sah ihn an.

„Das ist relativ simpel. Beschützt sie vor Aleta“, sagte er und sie lachten.

„Aleta will sie gegen uns aufbringen und wir sollen sie beschützten? Eher sterbe ich, als sie zu beschützten“, sagte Metus.

„Wenn ich sage beschützt sie, dann beschützt ihr sie. Daran gibt es nicht zu diskutieren“, sagte Kai und erhob sich.

„Vater, was ist los?“, fragte Casus und erhob sich ebenfalls.

„Aleta ist auf dem Weg hier her. Sie hat mitbekommen, was ich den Drachen erzählt habe. Das missfällt ihr. Sie will mich umbringen“, sagte Kai und goldene Drachenschwingen erschienen auf seinem Rücken.

Man konnte sehr genau die Schuppen an den Stellen sehen, wo keine Haut war.

„Du bist verrückt, Vater. Wieso wirfst du dein Leben so weg?“

„Das tue ich nicht. Aleta wird es sehr viel Kraft kosten, wenn sie mich töten will. Das schwächt sie zusätzlich. Sollte ich sterben, gebt Remino mein Herz. Er kann etwas damit anfangen“, sagte er.

Sein Herz? Das klang sehr ekelhaft. Was sollte ich mit einem Herzen? Vor allem einem Drachenherzen? Damit konnte ich so viel Anfangen, wie der Hass mit der Liebe. Casus nickte und sah zur Türe. Sie wurde aufgestoßen und Licht flutete uns entgegen. Am Eingang stand Aleta und sah hinein.

„Darf man reinkommen?“, fragte sie und betrat das Haus.

„Du bist doch bereits drinnen, Aleta. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen“, sagte Kai und seine Hände wurden zu Klauen.

„Nicht lange genug, Schatz. Wir konntest du es wagen, diese Geschichte jemandem zu erzählen? Ich dachte das bliebe unter uns.“

„Es gibt Dinge, die man nicht verstehen muss. Bist du hier um mich zu töten?“, fragte er und sie lächelte.

„Eigentlich war ich das, ja. Aber wie ich sehe, sind ja alle versammelt. Dich jetzt anzugreifen wäre purer Wahnsinn. Casus würde wohl kurzen Prozess mit mir machen.“

„Sehr richtig. Niemand wird unserem Vater auch nur ein Haar krümmen“, sagte Casus und auf seinem Rücken erschienen ebenfalls Flügel.

Sie waren nur aus Knochen und die Haut war an vielen Stellen zerfetzt. Ob er damit fliegen konnte?

„Ruhig, mein Stiefsohn.“

„Ihr seid nicht meine Mutter. Das wart ihr noch nie. Ihr wolltet unseren Vater immer nur ausnutzen, um mehr Macht zu erlangen. Euer Verhalten widert mich an“, sagte er und Aleta lachte.

„Natürlich, Casus. Du warst schon immer der wildeste von euch. Deine Brüder hatten nie den Schneid mir die Meinung zu sagen, oder zu wiedersprechen. Erbärmliche Drachen Seid ihr.“

„Hütete eure Zunge, Aleta“, sagte Odium und auch auf seinem Rücken erschienen Flügel.

Seine Schuppen waren blutrot.

„Nicht doch. Ich will niemanden beleidigen. Lasst uns Platz nehmen. Wenn wir schon über die Vergangenheit sprechen, dann kann ich dazu auch noch etwas beisteuern“, sagte sie und sofort liefen Nelstar und Emilie nach draußen.

„Was tun sie?“, fragte Odium und ich schüttelte meinen Kopf.

„Ich weiß es nicht“, sagte ich und sah ihn an.

Aleta hatte sich neben Kai gestellt und Platz auf dem Stuhl genommen. Er setzte sich ebenfalls wieder. Auch wir Drache nahmen wieder Platz.

„Also hat Kai euch von der Geschichte eurer Geburt erzählt. Ich werde euch jetzt etwas über mich verraten, was er vergessen hat. Das Schwert, das ich damals von ihm nahm“, sagte sie und hob ein Schwert.

Sie legte es auf den Tisch und strich darüber.

„Es kann euch töten. Mit einem Schnitt bin ich in der Lage eurem Leben ein Ende zu machen. Außer Casus. Er ist der Tod. Dadurch kann er nicht sterben. Zumindest nicht durch körperlichen Schaden. Etwas anderes konnte ich noch nie testen, da Kai ihn abschirmt. Genau wie euch.“

„Was wollt ihr damit sagen?“, fragte Meriano und unsere Meister traten näher.

„Ihr habt meine Untertanen bekehrt. Die sechs Personen waren alle auf meinem Befehl unterwegs. Keiner von ihnen hat auch nur versucht euch zu töten. Bis jetzt“, sagte sie und Nelstar trat durch die Türe.

Neben ihr standen Alfredo und Quacki. Hinter ihr Emilie, mit dem Schleim. Sie beide trugen die Waffen in der Hand, die Drachen töten konnten. Emilie zielte und schoss. Ihr Ziel sollte eigentlich Metus sein, doch er warf sich zu Boden und das Geschoss verfehlte ihn.

„Merken. Diese Geschosse fliegen zu langsam und Zielen nicht von alleine“, sagte sie und Nelstar nickte.

„Schnapp sie dir, Alfredo“, sagte sie und sofort kam der Roboter auf uns zu.

Ich sprang auf und zog meinen Zauberstab. Die anderen zogen ebenfalls ihre Waffen. Ich zielte auf Alfredo und wollte gerade einen Zauber wirken, als ich ein Schwert klappern hörte.

„Tu es nicht, Aleta!“, schrie Kai.

Ich sprang herum. Die Göttin stand hinter Invidia und wollte gerade zuschlagen, als ein weiterer Schuss von Emilie abgefeuert wurde. Invidia war wohl das Ziel. Er duckte sich und das Geschoss traf Aleta genau am Kopf. Sie ging zu Boden und alle sahen zu ihr. Das Schwert klapperte, als es zu Boden fiel.

„Gut so“, sagte Invidia und hob das Schwert auf.

Er warf es zu seinem Vater, der es fing und hinter dem Tisch hervorkam.

„Legt die Waffen nieder und ich werde euch verschonen“, sagte er und die Mädchen lachten.

„Was will ein Mensch gegen uns ausrichten?“, fragte Nelstar und Alfredo schlug nach Kai.

Er fing den Schlag mit bloßer Hand ab und stieß den Roboter zurück. Sein Kopf schlug gegen die Wand und er ging zu Boden. Kleine Blitzte zuckten über den Körper des Roboters und es sah nicht so aus, als würde er sich noch bewegen.

„Nun zu uns“, sagte er und ging auf die Mädchen zu.

Diesmal schoss Nelstar. Doch das Geschoss ging einfach durch Kai hindurch. Er musste unglaublich stark sein, wenn es so ausweichen konnte. Er holte aus und zerschnitt die Waffen der beiden. Fluchend sprangen zu nach hinten.

„Ihr werdet keinem Drachen etwas tun. Ich habe euch nicht hergebracht, damit ihr hier endet. Lasst also diese Spielchen und kommt auf unsere Seite. Aleta kann euch nichts versprechen, was ihr nicht auch von uns erhalten könntet“, sagte Kai und die zwei sahen ihn an.

„Wir tun das für die Wissenschaft. Nicht für eine Person die, aus wissenschaftlicher Sicht, nicht existiert“, sagte Nelstar und Emilie nickte.

„Ihr armen Kinder. Dann bleibt mir nichts anderes übrig“, sagte er und hob sein Schwert.

Doch bevor er etwas tun konnte, stand Aleta hinter ihm. Wie hatte sie das gemacht? Ebene lag sie noch neben mir und rührte sich nicht mehr. Der Schuss musste sehr wehgetan haben. Jetzt stand sie hinter Kai, als wäre nichts gewesen. Sie nahm sein Schwert so schnell aus seiner Hand, dass man es nur erahnen konnte. Die Klinge ging nieder und traf seinen Rücken. Er schrie nicht. Langsam drehte er sich um und sah Aleta an.

Rückkehr der Verlorenen

„Ich wusste, dass du dumm genug bist, mich zu töten. Du weißt, was das heißt, oder?“, fragte Kai und sie lachte.

„Deine Kinder können mir nichts antun, was mir Angst machen müsste“, sagte sie und er schüttelte seinen Kopf.

„Nicht meine Söhne. Ich“, stöhnte er und ging zu Boden.

Aleta lachte und wandte sich dann zu uns.

„Euer Vater ist Tod. Ich biete euch an, diesen Kampf zu beenden und ich lasse euch vielleicht leben“, sagte sie und Metus sah sie an.

Alle Vier sahen geschockt aus. Aleta hatte ihren Vater getötet. Den Mann, der sie erzogen hatte und ihnen ihre Kraft gegeben hatte. Auf Kosten seiner eigenen Unsterblichkeit.

„Du Monster“, sagte Casus und Aleta lächelte.

„Das war nur der Anfang. Mit diesem Schwert werde ich euch alle töten“, sagte sie und erschien vor Metus.

Sie wollte zuschlagen. Doch bevor die Klinge sich bewegte legte sich eine Kette darum und verhinderte jede Bewegung. Wir alle sahen zum Anfang. Reviran hatte sie geworfen und funkelte Aleta wütend an.

„Lasst die Drachen in Ruhe. Sie sind die einzige Chance, die wir noch haben, wenn wir Frieden wollen“, sagte er und Aleta lachte erneut.

„Frieden bekommt ihr auch, wenn ich sie alle töte. Dann haben wir eure Rache und ich meine Macht.“

„Ihr seid wirklich krank, Aleta“, sagte Reviran und Kais Köper begann zu zischen.

Wir alle sahen zu ihm. Langsam fing er an zu zerfallen und mehrere kleine Lichter stiegen auf.

„Das ist unmöglich“, sagte Aleta.

Der Körper von Kai schien nicht real zu sein. Die kleinen Lichte zeigten, dass wir hier eine Illusion von Feen vor uns hatten. Eigentlich sollten sie alle tot sein. Doch mehr und mehr Lichter erschienen. Kais Körper war nun nicht mehr da. Nur noch die Feen schwebten über der Stelle wo er gelegen hatte.

 „Ihr habt einen schweren Fehler gemacht, Aleta“, sagte eine Fee und schwebte auf Aleta zu.

„Ich dachte ihr seid alle Tod“, sagte sie und die Fee lachte.

Ihre Stimme war eindeutig weiblich.

„Das war es auch, was ihr denken solltet. Nachdem ihr unsere Vernichtung auf unserem Sommerfest eingefädelt hattet, schmiedeten wir einen Plan, zusammen mit Kai. Er hat uns in diesem Haus aufgenommen und versteckt, sodass ihr uns nicht mehr finden konntet. Und der zweite Teil seines Plans ist nun angelaufen. Wir wussten, dass ihr auf diese Geschichte anspringen würde und haben unsere Schuld damit beglichen. Ihr habt allen hier gezeigt, wer ihr wirklich seid. Eine verzogene, eingebildete und hochnäsige Betrügerin. Eure Kraft bezieht ihr daraus euren Anhängern Angst zu machen. Das hat nun ein Ende“, sagte die Fee und Aleta lief rot an.

Sie musste sehr wütend sein. Kein Wunder. Was die Feen sagten würde mich auch zur Weißglut treiben, wenn ich betroffen wäre.

„Wie könnt ihr es wagen so etwas zu sagen? Ich habe euch geholfen, eure Kultur überhaupt erst möglich gemacht. Eure Dörfer wurden von mir so gut versteckt, dass niemand sie finden konnte. So dankt ihr mir also all die Zuneigung, die ich euch habe zukommen lassen?“, fragte Aleta und eine Fee lachte.

„Zuneigung? Wie erklärt ihr euch dann, dass ihr genau zu unserem Frühlingsfest eine Konferenz der Drachen einberufen habt? Ihr wolltet uns loswerden. Jede Fee kommt zu diesem Fest und so wären wir alle auf einem Fleck gewesen. Durch einen Streit unter den Drachen wären wir alle getötet worden. Und da keine von uns Bewaffnet gewesen wäre, hätten wir auch keine Möglichkeit gehabt uns zu wehren“, sagte der Lichtball.

„Ihr habt die Welt in einen Krieg gestürzt nur um uns zu vernichten.“

„Warum hätte ich das tun sollen?“

„Weil ihr wusstet, dass ihr keine Chance hättet gegen Kai zu kämpfen. Also wolltet ihr ihn schwächen, indem ihr uns aus dem Spiel nehmt. Nun heute werden wir zurückkehren und unseren Platz, als Wächter der Natur wieder einnehmen.“

Aleta sah sich um. Sie war umzingelt. Von vier Drachen, unseren Lehrer, den Feen und uns. Immer wieder wanderte ihr Blick durch unsere Reihen, als suchte sich nach einem Punkt um durchzubrechen. Den schien sie aber nicht zu finden.

„Gib dir keine Mühe, Aleta“, sagte eine Stimme und wir sahen auf.

Von einer Treppe kam Kai herunter. Er trug eine goldene Rüstung, die seinen Schuppen ähnelte. Die Feen hatten wirklich eine genaue Kopie von ihm erstellt. Aleta sah ihn an und lächelte.

„Du gibst dir also wirklich die Ehre, du Angsthase?“, fragte sie und Kai trat neben mich.

Ich ging einen Schritt zur Seite, damit er sich in unseren Kreis stellen konnte.

„Angsthase? All die Jahre hast du wirklich alles versucht um meine Kräfte zu schwächen. Jetzt ist Schluss damit. Die Feen werden sich wieder um die Natur kümmern. Damit wird meine Kraft zurückkehren.“

„Du bist nicht nur ein Angsthase, sondern auch ein Verräter. Ein elender Heuchler und Schwächling. Du hattest damals nicht den Mut, deinen Kindern die Kraft wieder zu entziehen. Du hast befürchtet, sie würden sich rächen“, sagte Aleta und Kai lachte.

„Rächen? Meine Söhne sollten sich an mir Rächen? Sei nicht albern, Aleta. Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich Ihnen ihre Macht nicht nehmen können. Einmal aufgeteilt konnte ich sie nicht mehr zurücknehmen. Aber abgesehen davon, du hast da etwas, was ich gerne wiederhaben möchte“, sagte er und sah auf das Schwert.

Auf seinem Rücken erschienen Drachenschwingen und ein Zauberstab legte sich in seine Hand.

 „Dein Schwert? All den Aufwand, nur um mir dieses Schwert wieder abzunehmen? Es muss dir ja sehr wichtig sein“, sagte sie und lächelte hämisch.

„Hast du eine Ahnung, was das für ein Schwert ist?“, fragte Casus und Aleta sah ihn an.

„Natürlich. Das ist ein Schwert aus Drachenschuppen. Es wird niemals Stumpf und auch nicht zerbrechen“, sagte sie und Kai grinste.

„Dieses Schwert ist mehr, als du dir vorstellen kannst.“

„So ein Unsinn. Ich habe es mehrmals untersucht und auch untersuchen lassen. Niemand konnte versteckte Fähigkeiten finden. Was sollte bei euch anders sein?“

„Nun ich werde dich nicht über seine Fähigkeiten aufklären, also kannst du es mir auch wiedergeben. Das ist deine letzte Chance. Gib mir das Schwert, oder stirb“, sagte Kai und Aleta sah ihn wieder an.

„Nein“, sagte sie und schnellte nach vorne.

Kai riss seine Hand nach oben und eine gelbe Welle ging durch Aletas Körper. Er berührte mehrere Stellen und sofort sackte sie zusammen. Im Fallen ließ sie das Schwert los. Kai fing es auf und ließ seine Flügel verschwinden.

„Offenbar hat dein Gedächtnis gelitten. Du solltest wissen, dass ich zu so etwas fähig bin“, sagte er zu Aleta.

Sie rührte sich nicht. Hatte er sie getötet?

„Was ist mit ihr?“, fragte ich und Kai sah mich an.

„Das ist eine uralte Technik.  Damit blockiere ich ihre Nervenbahnen und verhindere so, dass sie sich bewegt. Einige Stunden wird es noch dauern, bis sie erwacht“, sagte Kai und ging zu seinem Platz.

„Kinder, ihr habt mir sehr geholfen. Geht wieder zurück in euer Versteck, bevor Aleta erwacht“, sagte Kai und seine Söhne nickten.

Sie verließen das Haus und ließen uns alleine. Die Feen schwebten zu Kai und tauchten ihn in Licht.

„Nun zu euch. Jetzt wo ich mein Schwert zurück habe, muss ich euch noch eine letzte Information mit auf den Weg geben. Aleta wird einen Weg finden, ihre Macht zu steigern, auch ohne, dass jemand an sie glaubt. Ihr müsst vorsichtig sein. Vertraut niemandem einfach so“, sagte er und sah zu den zwei Mädchen am Eingang.

Sie knieten dort und versuchten die Überreste der Waffen zusammen zu flicken um sie wieder zu benutzten.

„Ob sie euch helfen oder nicht, bleibt abzuwarten. Habt ihr noch Fragen?“, fragte er und sah uns an.

„Ja, ich habe eine“, sagte Nelana und er sah sie an.

„Dann bitte.“

„Ist es ein Zeichen von Angriffslust, wenn ein Drache seine Flügel erscheinen lässt?“, fragte sie und Kai lachte.

„Nicht nur Angriffslust. Es ist eine Drohung. Wir machen uns größer, als wir sind und bereit, unsere Gestalt komplett zu verändern. Das werdet ihr feststellen, wenn ihr den Stab der Philosophen gefunden habt“, sagte Kai und verschwand.

Mit ihm die Feen. Aleta lag immer noch auf dem Boden und rührte sich nicht.

„Wir müssen sofort weg hier“, sagte Jermain und ich nickte.

„Sofort raus hier. Auf die Pferde und los“, sagte ich und Reviran schüttelte seinen Kopf.

„Wartet“, sagte er und ging zu den Mädchen.

Er sprach mit ihnen und sie nickten. Was genau er sagte, hörte ich nicht.

„Sie werden uns begleiten. Keine Versuche mehr die Drachen zu töten. Sie haben gesehen, was Aleta wirklich will und sie sind dagegen. Sobald Alfredo wieder laufen kann, geht es weiter“, sagte Reviran und wir nickten.

Trotzdem wollte ich nicht hier drinnen bleiben. Wenn Aleta wieder wach wurde, wollte ich nicht hier sein. Also ging ich nach draußen und wartete auf die anderen. Die ließen auch nicht lange auf sich warten. Wir holten unsere Pferde und warteten. Bis auf Nelstar und Emilie waren wir alle versammelt. Plötzlich fielen mir zwei Raben auf, die in einem Baum saßen und uns beobachteten. Ich sah sie an und erschauderte. Die Augen der Tiere waren pechschwarz und schienen mich zu verschlucken. Unheimliche Tiere.

„Die habe ich auch gesehen. Sie könnten Spione von Cynthia sein“, sagte Nelana und trat neben mich.

Sie öffnete ihr Buch und ließ einen Feuerball erscheinen. Kurz bevor sie ihn abwerfen konnte, stellte Revarian sich vor sie.

„Die gehören zu uns“, sagte er und einer der Raben krächzte.

„Wie zu euch?“, fragte sie und ließ den Feuerball verschwinden.

„Nelana, du wirst es nicht wissen, aber der Rabe auf ihrer Rüstung hat eine Bedeutung. Die Gilde, der sie angehören heißt nicht umsonst die Raben. Sie sind eine Eliteeinheit, von Attentätern, die nur leben um zu töten“, sagte Tiana und Revarian nickte.

„So ist es. Es wundert mich nicht, dass du noch nicht von uns gehört hast. Wir sind in vielen Teilen von Jagurin bekannt. Viele Hexen bitten uns, Menschen für sie zu töten.“

„Ist Cynthia dann eine von euch? Sie sah auch aus, als würde ihr ein Rabe folgen“, sagte Nelana.

„Nein. Cynthia ist eine Hexe. Sie hat sich so verändert, damit man mehr Respekt vor ihr hat. Das hat nichts mit den beiden zu tun“, sagte Tiana und Nelana nickte.

Sie ließ ihr Buch wieder verschwinden und sah zu den Raben nach oben. Auf ein unsichtbares Signal hin, kamen sie herunter und setzten sich bei Reviran und Revarian auf die Schultern. Ich beobachtete sie genau. Es sah aus, als würden die Tiere ihnen etwas ins Ohr flüstern.

„Wir müssen sofort weiter. Drachenjünger sind auf den Weg hier her“, sagte Revarian und wir nickten.

„Wie gehen die Reparatur arbeiten voran?“, fragte ich ins Haus und Nelstar söhnte auf.

„Ich habe es fast. Alfredo hat wieder Energie. Ich muss nur noch seine Kaputten Beine austauschen“, kam die Antwort und ich nickte.

„Also beeilen wir uns besser“, sagte ich und die anderen nickten.

Sie saßen schon auf, als Nelstar aus dem Haus kam.

„Es kann losgehen“, sagte sie und Alfredo kam aus dem Haus.

Sofort gingen sie anderen zu dem Wagen und setzten sich wieder. Ich stieg auf mein Pferd und Alfredo legte sich das Seil wieder um. Dann begann er zu laufen und ich ritt los. Die anderen folgten mir. Weiter auf den heiligen Hafen zu. Diesmal ohne, dass ein Zauber uns daran hinderte.

Meisters Rat

Die Reise ging schon ziemlich lange. Remino ritt neben unserem Wagen und schien schon beinahe auf dem Pferd zu schlafen. Eigentlich sah er sehr süß aus. Schief auf dem Sattel und nur noch durch die Steigbügel am Sitzen. Meine Schwester war ebenfalls am Schlafen. Delphi konnte nie lange auf bleiben. Reviran und Revarian saßen mir gegenüber und sahen, an mir vorbei, in den Wald. Dabei saßen die Raben auf ihrer Schulter und hielten ebenfalls Ausschau. Wonach wusste ich nicht. Alfredo war langsamer geworden. Aber nur, weil die Pferde nicht mehr so schnell laufen konnten. Eigentlich durfte er nicht müde werden. Er war ja mit einer Batterie oder so was betrieben. Zumindest hatte Nelstar das gesagt. Ich wusste nicht genau, was sie damit meinte. Was war eine Batterie? Sie konnte es mir nicht erklären. Das würde wohl zu lange dauern. Kein Wunder, dass man die Leute aus Futura nicht mochte. Sie waren sehr eingebildet und dachten, sie wären etwas Besonderes. Naja, sollten sie es halt für sich behalten. Mir war es egal. Vorsichtig schob ich meine Hand zu den Fächern neben mir. In ihnen hatte ich Meisters Kristall eingepasst, damit er nicht verloren gehen konnte. Ihre Seele hatte schon lange nicht mehr mit mir gesprochen. War vielleicht am Ende mein Versuch fehlgeschlagen, sie zu retten?

„Nein, Sildera. Ich bin noch hier“, sagte Meisters Stimme und sie kam aus meinem Fächer heraus.

Eine durchsichtige Gestalt, die blau schimmerte. Mehr war sie nicht mehr. Aber auf diesem Weg konnte sie leben und ihr Wissen noch weitergeben. Reviran wurde aufmerksam und sah zu mir.

„Meister. Ihr habt lange nicht zu mir gesprochen Ich dachte schon ich hätte versagt.“

„Nein, meine kleine Sildera. Du hast nicht versagt. Dein Wissen mag begrenzt sein, doch es reicht. Zumindest reicht es für solche Dinge. Hör mir zu, Sildera. Du musst vorsichtig sein. Aleta wird versuchen dich wieder für sie zu gewinnen. Gehe bloß nicht drauf ein. Du darfst unter keinen Umständen nachgeben, hast du verstanden?“

„Natürlich nicht, Meister. Das würde ich niemals vor allem jetzt nicht mehr. Wo ich doch Remino liebe“, sagte ich und ihr Gesicht wurde traurig.

„Du darfst ihn nicht lieben. Remino ist unerreichbar für dich. Misch dich nicht in die Geschicke der Drachen ein. Das könnte fatale Folgen für dich haben“, sagte sie und Unverständnis mischte sich in mein Gesicht.

„Warum? Was sollte denn passieren?“

„Zum einen könnte man dich benutzten, um an ihn heran zu kommen. Und des Weiteren werden die weiblichen Drachen dich sicher umbringen, wenn sie weit genug sind“, sagte sie und ich senkte meinen Kopf.

Ich wollte gerade weitersprechen, als Reviran sich neben mich setzte.

„Hör nicht auf sie. Wenn du ihn liebst und er dich, dann solltest du dich nicht darum kümmern. Die Liebe findet ihren Weg. Immer wieder aufs Neue. Du darfst nur nicht die Hoffnung daran verlieren, dass ihr eins Tages zusammen sein könnt“, sagte er und Meister stöhnte.

„Wer bist du? Misch dich nicht in dieses Gespräch ein. Was ich meiner Schülerin rate, ist meine Sache. Ich versucht sie nur zu beschützen.“

„Schöner Schutz. Sich der Liebe zu verweigern. Ich habe mir sagen lassen, es gäbe einen Drachen, der durch Liebe stark wird. Sie würde also somit Nelana helfen.“

„Was verstehst du schon davon?“

„Es scheint mir weitaus mehr, als ihr. Meine Frau und ich sollten uns auch nicht lieben. Wir durften nicht zusammen sein, weil ich nur ein Attentäter bin und sie war eine Wächterin. Eine Verbindung die niemals sein durfte. Ich habe sehr lange damit gewartet sie dennoch zur Frau zunehmen. Dadurch war unsere Zeit bis zu ihrem Tod sehr begrenzt. Sildera sollte nicht den gleichen Fehler machen“, sagte er und ich lächelte.

Eigentlich wusste ich, dass er Recht hatte. Aber ich konnte jetzt nicht meine Meinung sagen. Ich war immer noch auf die Hilfe von meinem Meister angewiesen. Sie zu verärgern wäre dumm.

„Ich werde mich an eure Warnung erinnern, Meister“, sagte ich und sie verschwand wieder.

Reviran sah mich an und ich konnte in seinem Blick schon seine Frage ablesen.

„Warum?“, fragte er und ich lächelte.

„Meine Ausbildung hat noch nicht einmal begonnen. Sie muss mir noch einige Dinge beibringen. Es wäre dumm sie zu verärgern“, sagte ich und er nickte.

„Dennoch. Revarian und ich, wir haben unsere Liebe einst verloren, als wir genau das getan haben, was dein Meister dir geraten hat. Jetzt haben wir die Fähigkeit verloren zu lieben.“

„Wie meinst du das? Wie kann man nicht mehr Fähig sein zu lieben?“, fragte ich und er schüttelte seinen Kopf.

Er wollte gerade antworten, als Revarian ihm den Mund zuhielt.

„Wenn du erlaubst, werde ich das erzählen“, sagte er und Reviran nickte.

„Es war zu der Zeit, als die Drachen ihren Krieg begonnen hatten. Warum wissen wir ja alle mittlerweile. In meinem Dorf lebte ich zusammen mit meiner Frau. Wir waren frisch vermählt worden von Dilectio, dem Liebesdrachen. Eigentlich wollte ich bei ihr bleiben, wurde aber von vielen Menschen verfolgt, da ich den einen oder anderen Auftrag zu schlampig ausgeführt hatte und somit gab es Zeugen, die mich jagten. Noch während unserer Hochzeit hielten mir einige Drachen den Rücken frei und vernichteten jeden Angreifer, der es wagte uns zu stören“, sagte er.

Seine Stimme klang sehr traurig, als würden diese Ereignisse gerade in diesem Moment passieren.

„Die Drachen und du ihr müsst euch ja sehr gut verstanden haben“, sagte ich und er lachte.

„Die Drachen waren meine besten Freunde. Ich habe die Aufträge in ihrem Namen ausgeführt. Auch für Spes und Gratia. Die friedlichsten aller Drachen wollten dennoch Vergeltung für jene, die sie erzürnten. Wie auch immer. Nach unserer Hochzeit begann der Krieg untern den Drachen und zerstörte das Dorf in den Bergen. Meine Frau und ich flohen, wurden aber sehr bald von einigen wütenden Bewohnern anderer Dörfer gejagt. Als sie uns ausfindig gemacht hatten, begannen sie mit der Jagd. Während wir flüchteten, traf ein Pfeil meine Frau und tötete sie. Dieser Verlust machte mich wütend und füllte mich mit Hass. Ich schloss einen Pakt mit Casus. Es bekam meine Seele und ich dafür die Fähigkeit mich zu rächen. Und das tat ich. Erst einen Mann. Dann zehn. Hundert, Tausend. Ich machte ihr Dorf ausfindig und vernichtete sie alle. Frauen, Kinder und sogar alle Tiere. Ich war so wütend. Jeder Tote gab mir mehr Kraft, da Casus stärker wurde. Nachdem ich meine Rache hatte, fühlte ich mich nicht besser. Eher noch schlechter. Casus nahm meine Seele an sich und entließ mich. Er meinte nur, dass er mich rufen würde, wenn mein Dienst gebraucht wird. Geplagt von Gewissensbissen, suchte ich Karaku auf, die mächtigste Hexe, die es zu dieser Zeit gab. Ich bat sie darum mein Gewissen zum Schweigen zu bringen. Sie meinte, dass es beinahe unmöglich wäre meinen Wunsch zu erfüllen. Dennoch wollte sie es versuchen. Während des Vorgangs platzte Cynthia in den Raum hinein und störte damit Karakus Konzentration. Anstatt mein Gewissen zu entfernen hat sie mich von ihm getrennt. Das Ergebnis siehst du nun vor dir“, sagte er und schloss seine Augen.

So war das damals gewesen. Das erklärte auch, warum er so verschlossen war.

„Warte mal. Du sagtest doch, dass Casus deine Seele hat. Dann arbeitest du für ihn?“, fragte ich und griff meine Fächer fester.

„Meister Casus will euch nicht töten. Wenn er das wollte, hätte er mir das längst befohlen. Er scheint Remino und seine Freunde gewähren zu lassen. Ich finde es richtig. Gegen einen Drachen hätte ich keine Chance. Maximal gegen euch oder die zwei Erfinderinnen. Aber ein Drache ist ein völlig anderes Kaliber, als ihr“, sagte er und sah nach oben.

Sein Rabe stürzte herab und landete auf seiner Schulter. Das Tier schien ihm etwas ins Ohr zu flüstern und flog dann wieder davon.

„Mach deine Kräfte bereit. Wir bekommen Besuch“, sagte er und ich sah ihn an.

„Was meinst du?“, fragte ich und erhob mich.

„Die Drachenjünger haben uns entdeckt und verfolgen uns. Sie schließen schnell auf. Bei ihnen sind mehrere Orks und Goblins. Jetzt kannst du mal zeigen, was du kannst“, sagte er und erhob sich.

Vorsichtig überprüfte er seine Arme. Daran waren Schienen befestigt, an denen ich Schwertspitzten sehen konnte. Reviran hatte ebenfalls solche Waffen.

„Ich sag es den anderen“, sagte Reviran und rannte los.

Er weckte jeden, der eingeschlafen war und erzählte ihnen was vor sich ging. Sofort stoppten sie ihre Pferde und sprangen ab. Sie zogen ihre Waffen und bildeten einen Kreis. Alfredo zog den Wagen in die Mitte und machte sich dann ebenfalls kampfbereit. Es dauerte nicht lange, da konnte ich das grunzen der Orks hören. Sie brachen durch die Bäume hervor und rannten auf uns zu.

Reminos erwachen

Reviran trat zu mir und stieß mich an. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich beinahe eingeschlafen war.

„Remino, Drachenjünger verfolgen uns. Mach dich Kampfbereit“, sagte er und ich war sofort hellwach.

Drachenjünger? Unmöglich. Waren sie hier um den Tod einem der Ihren zu untersuchen? Oder hatten die Dämmerungsdrachen sie geschickt? Reviran lief zu den anderen und erzählte ihnen ebenfalls was er mir auch gesagt hatte. Lilith befahl sofort, dass wir einen Kreis bildeten und die Pferde in die Mitte nahmen, damit ihnen nichts passieren würde. Das taten wir auch. Alfredo zog den Wagen ebenfalls hinein und stellte sich dann zu Nelstar, die ihre Waffe gezogen hatte. Sie trug eine Kanone, die tragbar war. Emilie hingegen etwas viel kleineres mit einem Wassergefäß. Was auch immer das für Waffen waren, sie konnten tödlich für unsere Gegner sein. Zumindest war das meine Hoffnung. Sildera trat zu mir und sah in den Wald. Die ersten Orks brachen durch die Büsche und stürmten auf uns zu. Doch anstatt anzugreifen hielten sie an und begannen uns zu umzingeln. Hinter ihnen Goblins, die hämisch grinsten und ihre Keulen auf ihre freien Hände schlugen.

„Sieh an. Wen haben wir denn hier?“, fragte ein Drachenjünger und trat aus dem Wald hervor.

„Wenn das nicht die Gruppe ist, von denen mein Meister so viel erzählt hat. Es heißt ihr sollt sehr gefährlich für uns Drachenjünger sein. Dennoch tragt ihr ein Artefakt bei euch, den ich gerne an mich nehmen würde“, sagte er und hielt uns seine klauenbesetzte Hand hin.

„Und was sollte das sein? Vielleicht unsere Waffen?“, fragte Tiana und hatte schon wieder diesen arroganten Tonfall in ihrer Stimme.

„Eure Waffen sind völlig irrelevant für mich. Ich will den Stein“, sagte er und die Orks grunzten zustimmend.

„Steine gibt es hier doch wohl genug, oder?“, fragte Jermain und klang sehr selbstsicher dabei.

„Deine Selbstsicherheit kann nicht über deine Angst hinwegtäuschen, Bruder. Kleriker sind so engstirnig. Ihr habt keinen Blick für das Wesentliche. Wir sind in der Überzahl, ausgestattet mit den Kräften eines Drachen“, sagte der Jünger und Reviran trat vor.

„Welcher Drache schickt euch?“, fragte er und der Jünger richtete sein Gesicht auf ihn.

„Eigentlich seid ihr gar nicht würdig, den Namen meine Meisters zu erfahren. Aber, da ihr sowieso nicht überleben werdet, kann ich wohl eine Ausnahme machen. Meister Casus hat mir diesen Auftrag gegeben. Wir sollen ihm das Drachenauge bringen. Auch wenn du sein enger Vertrauter bist, nehme ich keine Befehle von dir entgegen. Du kannst dir also deine lächerlichen Versuche sparen, Revarian“, sagte er und Reviran schnaubte.

„Wisst ihr, wen ihr hier umstellt habt?“

„Was eine dämliche Frage. Natürlich weiß ich das. Zwei Raben, zwei Erfinder, drei Hexen, vier Elfen, drei Kleriker, zwei Krieger und zwei Propheten. Ihr seid meinen Kräften also nicht gewachsen. Gebt doch bitte gleich auf“, sagte der Jünger und die Orks grunzten.

„Dann wird wohl kein Weg um einen Kampf herumführen“, sagte Reviran und ein Messer schoss aus seinem Ärmel hervor.

Bei Revarian ebenso. Sie schnellten nach vorne und griffen die Orks an. Einer nach dem Anderen fiel ohne, dass man die zwei sehen konnte. Sildera und ihre Schwester griffen ebenfalls an. Delphi schnellte mit ihren Chakrams durch die Orks. Ihr Kampfstil erinnerte mich eher an einen Tanz. Sildera wartete wohl darauf, dass ein Ork in ihre Nähe kam. Die Goblins wurden von Nelstar und Emilie schon unter Beschuss genommen. Aus Nelstars Kanone kamen Kugeln, während Emilie mit Seifenblasen zu schießen schien. Jeder Goblin, der getroffen wurde, lag, bedeckt von Schleim, am Boden. Die Reihen unsere Gegner lichteten sich. Nur noch der Drachenjünger blieb übrig. Unsere Freunde griffen ihn an, wurden aber, durch eine kurze Bewegung seiner Hand, zu Fall gebracht.

„Gutes Personal zu finden ist beinahe unmöglich. Wie schade. Dann muss ich doch selbst in den Kampf eingreifen.“

Mit diesen Worten zog er seinen Zauberstab und richtete ihn auf uns. Unsere Meister stellten sich vor uns und schützten uns.

„Den könnt ihr uns überlassen. Spart euch eure Kräfte“, sagte Tiana und ein Feuerball erschien in ihrer Hand.

Sie griffen ihn an. Jermain hatte einen Streitkolben in seiner Hand, zusammen mit seinem Schild. Der Jünger schlug, mit der bloßen Hand, dagegen und ließ ihn zerspringen. Ein weiterer Schlag und Jermain flog an uns vorbei gegen einen Baum. Tianas Zauber hatten keinerlei Wirkung auf den Jünger. Jeder Feuerball wurde einfach absorbiert. Lilith sprang um den Gegner herum und verpasste ihm immer wieder Tritte, während Adelia auf ihn schoss. Die Angriffe schienen den Drachenjünger nicht zu interessieren. Lange Zeit ließ er Adelia und Lilith gewähren. Dann drehte er sich und entfesselte einen Zauber. Die Druckwelle warf beinahe alle von uns um. Nur Meriano und ich konnten sie blocken. Der Rest unserer Freunde und Lehrer lag am Boden. Ich half Liram beim Aufstehen und sah unseren Gegner an.

„Wir müssen ihn angreifen“, sagte Lirom und kämpfte sich wieder auf die Beine.

„Genau“, sagte Jotanate und lief los.

Der Rest folgte ihr. Nur ich nicht. Ich blieb zurück und kümmerte mich um unsere Meister. Sie hatten einiges einstecken müssen. Jermain war bewusstlos, nachdem er mit einem Baum kollidiert war. Tiana lag erschöpft am Boden. Ihre Kraft schien aufgebraucht. Lilith und Adelia mussten die volle Breitseite der Zauber gespürt haben. Sie atmeten, waren aber bewusstlos. Zuerst ging ich zu Tiana und untersuchte sie nach Wunden.

„Mir geht es gut. Kümmre dich um Jermain“, sagte sie schwach und sofort lief ich zu meinem Meister.

„Heilung“, sagte ich und weißes Licht flutete über Jermains Körper.

Er öffnete seine Augen wieder und sah mich an.

„Sehr gut gemacht, Remino“, sagte er und ich half ihm auf die Beine.

Sofort lief er zu Lilith und Adelia. Ich wollte ihm folgen, doch Tiana legte ihre Hand auf meine Schulter.

„Du musst in den Kampf eingreifen“, sagte sie und ich sah zu meinen Freunden.

Sie lagen beinahe alle am Boden. Nur Nelana, Jatana und Meriano standen noch. Der Rest lag entweder verletzt oder erschöpft am Boden. Und für meine Freunde sah es nicht gut aus. Egal wie viel Energie sie in ihre Angriffe steckten, der Jünger ignorierte es. Langsam ging ich auf sie zu, als die Essenz in meiner Tasche anfing zu leuchten. Erstaunt sah ich auf meine Tasche. Eine kleine Fee erhob sich und hielt die Essenz in ihrem Fingern. Unglaublich, dass sie sie überhaupt halten konnte.

„Iss sie“, sagte sie und ich nahm die Essenz in die Hand.

„Sie ist zu kostbar dafür. Vielleicht findet man in einem Jahrhundert einmal eine Essenz. Ich kann sie nicht essen. Vielleicht brauchen wir sie noch“, sagte ich und sie schüttelte ihren Kopf.

„Die Essenzen erscheinen nur, wenn ein Drache sie braucht. Du brauchtest sie. Also hat die Pflanze dir eine Essenz geschenkt. Iss sie. Dann wird deine Kraft sich steigern“, sagte sie.

„Woher willst du das wissen?“, fragte ich und sie atmete genervt aus.

„Kai hat es mir gesagt. Er hat mich gebeten bei euch zu bleiben.“

„Und wer bist du?“

„Soll ich dir jetzt noch meinen Stammbaum und meine Lebensgeschichte vorlegen? Ich bin Krisilana, die Eisfee. Zuständig für das Ende des Herbstes. Jetzt esse diese Essenz, oder deine Freunde werden sterben.“

Krisilana war also von Kai geschickt worden, um uns zu helfen. Die Essenz lag in meiner Hand. Was würde passieren, wenn ich sie aß? Eigentlich verstärkte diese Pflanze nur Heilkräfte. Bevor ich meine Gedanken weiterführen konnte, rissen mich schreie auf meinen Gedanken. Ich sah zu meinen Freunden. Nelana und Jatana waren getroffen worden und lagen am Boden. Nur mein Bruder stand noch. Er wehrte sich, so gut er konnte, war dem Jünger allerdings unterlegen.

„Jetzt mach endlich!“, schrie Krisilana und ich aß die Essenz.

Sie schmeckte bitter und süß zugleich. Ein sehr eigener Geschmack. Ich hatte sie noch nicht ganz verspeist, als ich eine ungewöhnliche Kraft in mir spürte. Meine Sinne wurden wieder scharf und ich fühlte mich stark. Die Welt explodierte in grün vor mir, als meine Augen zu Drachenaugen wurden. Ich konnte alles sehen. Jede kleinste Vertiefung und Ausschachtung in der Maske meines Gegners. Doch das war nicht alles. Mein gesamter Körper schien innerlich zu brennen. Die Wärme breitete sich rasend schnell aus und durchflutete mich vollkommen. Etwas an meinem Körper fühlte sich verletzlich an. Als würde mir eine richtige Rüstung fehlen. Wie der Panzer eines Drachen. Und genau dieser erschien. Meine Haut wurde zu Schuppen und ließ meine Robe zerreißen. Meine gesamte Kleidung fiel zu Boden und ließ mich so zurück, wie Aleta mich einst schuf. Doch nicht lange. Smaragdfarbene Schuppen überfluteten meinen Körper und bildeten eine Panzerung, stärker als alles Material auf dieser Welt. Doch meine Verwandlung hatte gerade erst begonnen. Aus meinem Rücken schossen Schwingen hervor. Sie fühlten sich wie zusätzliche Arme an, die aus meinen Schulterblättern kamen. Meine Füße begannen zu wachsen. An den Enden meiner Zehen erschienen scharfe und gebogene Klauen. An meinen Händen ebenso. Auch sie wuchsen und nahmen Dimensionen an, die ich mir niemals hätte träumen lassen. Mit jedem Herzschlag wurden auch meine Beine stärker. Mehr eines Drachen würdig. Mein Rückgrat verlängerte sich und bildete einen Schweif, der sich ungewohnt anfühlte. Wie eine Verlängerung meines Körpers, mit der ich alles tun konnte, was ich wollte. Mein Oberkörper wuchs und wuchs. Als nächstes war mein Hals dran. Er wurde länger und länger. Egal wie weit etwas an meinem Körper wuchs, die Schuppen wuchsen mit. Plötzlich schoss mir ein höllischer Schmerz durch den Rücken. Mein Gesamter Körperbau änderte sich und zwang mich auf alle viere. Aufrecht stehen ging mit diesem Körper nun nicht mehr. Mittlerweile war ich größer als die Bäume um uns herum. Einige von ihnen waren meiner Verwandlung auch schon zum Opfer gefallen. Mein Körper wuchs nicht mehr. Doch meine Verwandlung war noch nicht abgeschlossen. Mein Kopf wurde von einem heftigen Schmerz heimgesucht. Ich wollte mir sofort an die Schläfe fassen, fiel aber nur zur Seite, da ich auf drei Beinen nicht mehr stehen konnte. Stacheln schoben sich durch meine Schuppen, während meine Haare zu Boden fielen. Sie waren nicht lang, säumten aber beinahe meinen gesamten Kopf. Jetzt konnte ich fühlen, wie immer mehr Blut in meinen Kopf floss, während er größer wurde und sich meinem Körper anpasste. Ich schloss meine Augen und wartete darauf, dass der Schmerz vorbeigehen würde. Es dauerte nicht lange und ich öffnete meine Augen wieder. Ich war ein Drache. Majestätisch, groß und dennoch anmutig. Erstaunt hob ich meinen Kopf. Durch meinen längeren Hals konnte ich meinen Gesamten Körper betrachten. So hatte ich also einmal ausgesehen? Unglaublich. Ich kämpfte mich auf die Beine, was nicht wirklich einfach war. Meinen Flügel konnte ich nicht zur Hilfe nehmen, denn der Muskel eignete sich nicht zum Abstützen. Außerdem waren die Knochen dort viel zu dünn, als dass sie mein Gewicht hätten tragen können. Als ich es endlich geschafft hatte stieß ich einen lauten Schrei aus. Dieser hätte bei einem Menschen vielleicht schrill geklungen. Jetzt war es ein lautes Brüllen. Aus dem Augenwinkel konnte ich den Drachenjünger zurückzucken sehen. Er hatte Angst vor mir. Plötzlich begann mein Körper erneut zu schmerzen und ich schrie auf. Auch das war nicht mehr als ein Brüllen. Auf meinem Rückgrat schoben sich zacken hervor. Jetzt musste meine Verwandlung aber abgeschlossen sein. Eigenartig, dass der Drache in meinen Gedanken immer anders ausgesehen hatte.

„Meister Spes“, rief der Drachenjünger und fiel auf die Knie.

Ich sah ihn an. Also dienten sie nicht nur den bösen Drachen, sondern allen Drachen. Somit auch mir.

„Was fällt dir ein, mich aufzuhalten?“, fuhr ich ihn an.

Meine Stimme war so laut, dass ich selbst zusammenzuckte. Die Drachenstimme war viel tiefer als meine eigene, verriet aber dennoch, wer ich war.

„Vergebt mir, Meister. Ich wusste nicht, wer ihr seid“, sagte der Jünger.

„Das zähle ich nicht als Entschuldigung. Glaubst du wirklich das Drachenauge wäre bei jemandem, der kein Drache ist? Für dein Vergehen sollte ich dich hinrichten“, sagte ich.

Die Worte kamen aus meinem Mund wie ferngesteuert. Was redete ich da? Es war eigentlich nicht meine Art. Woher kamen diese Worte? War ich so in einem Rausch gefangen? Egal woher sie kamen, sie schienen ihre Wirkung nicht zu verfehlen.

„Habt erbarmen, Meister. Ich habe nur auf den Befehl eurer Brüder nach dem Auge gesucht. Hätte ich gewusst, dass es bei euch ist, hätte ich niemals angegriffen.“

Die Stimme des Drachenjüngers klang unheimlich ängstlich. Er fürchtete mich und meine Gestalt. Vermutlich mehr meine Gestalt. Kein Wunder. Meine Pranken würden ihn schneller zermalmen, als ihm das lieb war.

„Ich will Gnade vor Recht ergehen lassen. Aber ich spreche eine Warnung aus. Solltest du es jemals wieder wagen, uns anzugreifen, wirst du einen noch höheren Preis als dein Leben bezahlen müssen“, sagte ich und der Jünger schluckte.

„Wie ihr wünscht, Meister. Ich danke euch für eure Gnade.“

„Geh mir aus den Augen und bete, dass wir uns nie wieder begegnen“, sagte ich und der Jünger rannte davon.

Als er weg war, atmete ich auf. Die Verwandlung war anstrengend und hatte viel Kraft gebraucht. Abgesehen von den Schmerzen, war es eigentlich eine sehr schöne Erfahrung gewesen. Vorsichtig sah ich mich um. Meine Freunde lagen zum größten Teil noch am Boden und rührten sich immer noch nicht. Meriano sah zu mir auf und schien seinen Augen nicht zu trauen. Von hier oben sah er sehr klein aus. Seine Augen waren voller Sorge und sein Mund stand offen. Jermain hatte Lilith und Adelia schon geheilt. Auch sie sahen zu mir und waren entweder erstaunt oder ängstlich.

„Was ist los mit euch? Habt ihr Angst vor mir?“, fragte ich.

Meine Stimme war viel zu laut. Viele Vögel ergriffen die Flucht.

„Remino, du“, begann Tiana stoppte aber.

„Was ist mit mir?“, fragte ich und sie schluckte.

Unglaublich. Ich konnte sogar hören wenn einer von ihnen schluckte. Das war zwar sehr ungewohnt aber irgendwie auch faszinierend.

„Du hast dein Kraft gefunden“, sagte Adelia und innerlich nickte ich.

„Ja, das habe ich“, flüsterte ich.

Doch selbst das war lauter, als hätte ich als Mensch gebrüllt.

„Verwandle dich zurück. Du kannst so nicht weiter reisen“, sagte Jermain und ich sah ihm tief in die Augen.

„Das würde ich gerne. Wenn ich wüsste wie“, sagte ich.

Natürlich hatte ich keine Ahnung, wie ich diesen Körper kontrollieren konnte. Ich wusste nicht, wie ich mich zurückverwandeln sollte. Die Essenz hatte die Verwandlung ausgelöst. Doch rückgängig machen konnte ich sie nicht. Dann fiel mir etwas ein. Die Fee Krisilana musste noch hier sein. Vielleicht wusste sie es.

„Krisilana“, rief ich und sofort erschien die Lichtkugel vor meinem Gesicht.

„Du willst wissen wie du dich zurückverwandelst, oder?“, fragte sie und ich nickte.

„Das weiß ich nicht. Doch eins weiß ich. In dieser Gestalt kannst du deine Freunde, die Pferde und den Wagen zum heiligen Hafen fliegen. Dort wirst du Kai und Terra finden. Beide können dir helfen“, sagte sie und ich stöhnte innerlich auf.

Bis zum heiligen Hafen waren es noch mehrere Wochenritte. Das würde ich niemals so lange durchhalten.

„Das sind aber noch mehrere Wochen, bis wir dort ankommen“, sagte ich und sie lachte.

„Du kannst fliegen. Kein Pferd dieser Welt ist schneller als ein Drache. Selbst wenn du deinen Rücken voll mit Menschen hast, bist du immer noch schneller als jedes Pferd und jeder Roboter, der von einem Erfinder gebaut werden kann“, sagte sie.

Na super. Ich hatte meine Kraft erweckt und konnte nichts damit anfangen. Wunderbar. Vielleicht war das ein Vorteil, dass wir schnell im heiligen Hafen ankommen würden. Doch ein Nachteil, dass jeder mich sehen konnte. Jedes Dorf das wir überfliegen würden, würde mich sehen und wissen, ein Drache ist erwacht. Das konnte ein Vorteil oder Nachteil sein.

„Dann müssen wir alles zusammenpacken und ich fliege uns zum heiligen Hafen, wenn einer mir die Richtung vorgeben kann“, sagte ich und sah meine Freunde an. Jermain hatte angefangen sie zu Heilen.

Genau wie Meriano. Seine Heilkünste mochten beschränkt sein, doch es reichte für einfache Wunden. Als alle wieder wach waren und über meine Gestalt gestaunt hatten, legte ich mich zu Boden. Die Pferde musste ich bei meiner Verwandlung in alle Himmelsrichtungen versprengt haben. Ich hatte Angeboten sie zu suchen, doch Adelia hatte abgelehnt. Sie würden uns zum heiligen Hafen folgen. Dafür hätte sie wohl gesorgt. Also ließ ich meine Freunde auf meinen Rücken klettern. Es fühlte sich eigenartig an, wie ihre Schuhe oder Kleidung über meine Schuppen strichen. Irgendwie wie Ameisen auf der Haut. Als sie alle saßen, griff ich nach dem Wagen und begann mit den Flügeln zu schlagen. Es dauerte ein wenig und kostete viel Kraft, doch ich konnte mich in die Luft erheben. Unglaublich. Ich flog. Plötzlich spürte ich den Wind in meinen Schwingen und ließ mich in die Luft heben. Hoch über dem Wald stand ich nun und schlug erneut mit meinen Schwingen, um mich in eine Richtung zu bewegen. Es dauerte ein wenig, bis ich merkte, wie ich die Luftströmungen zu meinem Vorteil nutzen konnte. Als ich es herausgefunden hatte, schoss der Wald unter uns vorbei. Die Sonne stand hoch am Himmel und ich warf einen gigantischen Schatten auf den Wald. Die Reise ging jetzt eindeutig schneller, als vorher.

Zuflucht der Natur

Die Stille um mich herum war beruhigend. Unterm Palast im heiligen Hafen hatte ich meine Zuflucht. Eine Zuflucht war ein sicherer Ort, den Drachen erzeugen konnten. Dadurch hatten wir einen Rückzugsort, den nur jene Wesen betreten durften, denen wir das erlaubten. Abgesehen von anderen Drachen, darauf wirkte dieser Schutz nicht. In meine Zuflucht durften nur vier Personen. Terra, der blaue Wolf, Rudolf. Kein Wunder, dass er nur der blaue Wolf genannt werden wollte. Dann noch die Elfenkönigin und Karaku. Eine von den Personen war verstorben. Also musste ich der Hof Hexe, Keila, auch Zugang gewähren. Sie war eine sehr unangenehme Person. Sie zog das Niveau von Arroganz bei einer Hexe, auf eine völlig neue Ebene. Sie hasste Geistliche nicht nur. Letzte Woche hatte sie einen Paladin ermordet, weil er sich erdreistet hatte sie anzusprechen. Wenn ich an Terras Stelle gewesen wäre, hätte ich sie dafür selbst umgebracht. Aber leider war Terra viel zu sehr auf seine Lehren konzentriert, als dass er so was tun würde. Um mich herum tropfte Wasser zu Boden.

„Meister Kai“, sagte Terra und betrat meine Zuflucht.

Terra war ein alter Mann. Seine Haare, die nicht mehr unbedingt zahlreich waren, wurden schon weiß. Sein Gesicht war sehr faltig. Kein Wunder. Der Mann war schon mehr als siebzig Jahre alt. Für einen Drachen nicht mehr als ein Wimpernschlag. Die Robe von Terra war blau und mit Symbolen wie Kreuzen oder anderem versehen. An seiner Hüfte hingen sein Zauberstab, Streitkolben und Schild. Im Gegensatz zu vielen anderen war Terra ein Meister beider Wege. Ein Paladin sowie ein Priester.

„Terra. Komm näher, mein Freund“, sagte ich und öffnete meine Augen.

Um mich herum schwebten die Feen und erhellten so diesen Raum. Die Steine waren mit Moos bewachsen. Vor mir ein kleiner See, der, je nach Wetterlage, mal größer oder kleiner wurde. Ein Tropfen nach dem anderen fiel hinein und hinterließ Wellen. Ich selbst saß auf einem Stein, inmitten der Kammer.

„Ist es mir erlaubt mit euch zu sprechen?“, fragte Terra, so unterwürfig wie immer.

„Aber sicher. Setz dich“, sagte ich und er nahm auf einem Stein vor mir Platz.

„Ich mache mir Sorgen um die Reisenden. Aleta ist wütend. Sehr wütend sogar. Jeder Geistliche hat den Befehl erhalten, nach den Reisenden zu suchen und sie zu töten“, sagte er und ich lächelte.

„So hatte ich sie eingeschätzt. Mach dir keine Sorgen. Die Kinder stehen kurz davor zu erwachen. Wenn sie zu Drachen werden, dann wird kein Geistlicher es auch nur wagen sie anzugreifen.“

„Dennoch mache ich mir große Sorgen. Wenn sie erst den Wald verlassen haben, dann brauchen sie noch einen ganzen Monat, bis sie hier sind.“

Ich wollte gerade antworten, als eine Fee zu mir kam. Es war Krisilana. Eine der Feen, die ich den Drachen zum Schutz zur Seite gestellt hatte.

„Kai. Remino ist erwacht“, sagte sie und ich lächelte.

„Danke, Krisilana. Es sieht so aus, Terra, als sei Remino erwacht. Die Hoffnung ist wieder stark genug. Also hoffen die Menschen wieder“, sagte ich und er sah mich an.

Seine Augen wirkten traurig. Es schien mir, als verheimliche er mir etwas.

„Was bedrückt dich, Terra? Ist es kein Grund zur Freude, wenn die Drachen erwachen?“

„Meister, ich. Darf ich offen sein?“

„So offen wie es dir beliebt.“

„Ich Zweifel daran, dass sie stark genug sind, Aleta die Stirn zu bieten. Was machen wir, wenn sie wieder unter ihren Bann fallen? Das würde erneut einen Krieg hervorrufen und weitere Jahre dauern, bis die Drachen zurückkehren würden. Ich bin des Wartens müde. Ich möchte eine Welt erleben, die Frei von Gewalt und Krieg ist“, sagte er.

„Die Welt, welche du gerne hättest, Terra, gibt es nicht. Solange die Menschen leben, werden sie Gewalt ausführen. Egal was man auch tut. Da können weder Aleta noch alle Drachen etwas gegen unternehmen.“

„Aber es wäre mir schon ein großer Sieg, wenn es immerhin keinen Krieg mehr geben würde. So viele Menschen sind bereits gestorben. Weitere werden noch kommen. Wo soll das enden?“

„Ich kann es dir nicht sagen. Eins weiß ich allerdings sehr sicher. Keiner der Drachen wird Aleta erneut dienen. Sie wissen von ihrer Grausamkeit. Remino und Meriano, die zwei Geistlichen, sind auf dem Standpunkt angekommen, dass Aleta existiert, aber auf dem falschen Weg ist.“

„In diesem Punkt muss ich euch vertrauen, Meister. Oh, es wäre mir beinahe entfallen. König Simon hat mir befohlen euch darüber zu informieren, dass er es begrüßen würde wenn ihr seinen Truppen beitretet.“

„Richte dem König meine Grüße aus. Sag ihm, dass ich nicht an den Geschicken des Palastes interessiert bin.“

„Wie ihr wünscht, Meister“, sagte er und ging wieder.

Ich schloss meine Augen und wollte mich wieder konzentrieren, als Krisilana wieder zu mir kam.

„Was gibt es noch?“, fragte ich und sah sie an.

„Remino weiß nicht wie man sich zurück verwandelt. Sie werden den heiligen Hafen bald erreichen“, sagte sie und ich kräuselte meine Lippen.

„Hättest du das nicht direkt sagen können? Dann hätte ich Terra sofort beauftragt eine Robe für ihn zu organisieren. Ich werde sie in Empfang nehmen. Du suchst Terra und befiehlst ihm zum Schattenberg zu kommen“, sagte ich und die Fee flog davon.

Ich schüttelte meinen Kopf, griff nach meinem Schwert und verließ meine Zuflucht. Vor mir lag ein Gang des Palastes. Die roten Teppiche, die Vorhänge aus Seide und die Tische aus feinstem Holz. Auch wenn dies nur der Weg zum Keller war, war er prunkvoller als jeder Adelssitz in Jagurin. Ich schloss meine Augen und stand im nächsten Moment vor dem Palast. Langsam ging ich durch die Gassen des Heiligen Hafens, bis ich die Berggipfel der Schattenberge erreichte.

Ankunft im Hafen

Fliegen war eindeutig schneller als laufen und reiten, aber für mich anstrengender. Das Gewicht auf meinem Rücken und in meinen Pranken machte die Sache nicht leichter. Oft kamen Windböen aus Richtungen, die nicht vorteilhaft waren. Sie drückten mich nach unten oder zur Seite. Unter uns erstreckten sich die ersten Ausläufer des Gebirges, am Heiligen Hafen. Unser Flug ging schon einen ganzen Tag. Die Nacht über hatte ich nicht geschlafen. War auch nicht nötig, denn ich war so voller Energie, dass ich gar nicht müde wurde. Nur meine Flügel wurden langsam lahm.

„Remino. Hier sollten wir landen, wenn du das schaffst“, sagte Jermain zu mir und ich nickte.

Ich sah zu Boden und suchte nach einem Ort, an dem ich meinen riesigen Körper absetzten konnte. Hinter einem Berg erhob sich ein Tal. Dort war viel Platz. Langsam setzte ich zur Landung an. Doch der Wind machte mir einen Strich durch die Rechnung. Er drückte mich zu Boden, sodass ich beinahe zur Seite gefallen wäre. Zum Glück konnten meine Freunde sich noch festhalten.

„An der Landung müssen wir aber noch arbeiten“, sagte Liram und ließ meine Rückenzacken los.

„Kannst das nächste Mal ja selbst fliegen“, sagte ich und er lachte.

Um uns herum war nichts, außer Bergen und Wald. Man nannte diese Berge Schattenberge, weil in diese Täler keine Sonne schien. Vorsichtig legte ich mich zu Boden und ließ meine Freunde zu Boden klettern. Noch während sie abstiegen, konnte ich Stimmen hören. Sie waren sehr leise. Doch ich konnte immerhin verstehen, was sie sagten.

„Er ist in einem Tal gelandet, Herr. Dort hinten“, sagte die Stimme eines Mannes.

„Ich danke dir. Geh zurück in den Palast“, sagte Kai.

Kai war hier? Was zog ihn zum heiligen Hafen? War er wegen uns hier?

„Kai ist hier“, sagte ich, nachdem auch der letzte von meinem Rücken gestiegen war.

„Kai? Was will der denn hier?“, fragte Nelana und ich schüttelte mich.

Endlich konnte ich meine Flügel entspannen. Das tat gut. Wie eine Erleichterung.

„Vielleicht hat er auf uns gewartet“, sagte Kalira und Sildera stöhnte auf.

„Kann sein. Endlich stehen. Das war anstrengend“, sagte sie und ich sah auf sie herunter.

„Was soll ich denn sagen? Ich habe das Gefühl als würden meine Flügel gleich abfallen“, sagte ich und sie lachten.

„Ein riesiger Drache, aber nicht genug Kraft uns alle zu tragen.

Verächtliche schnaubte ich und meine Freunde wurden in eine Rauchwolke gehüllt.

„Ihr seid nicht so leicht, wie ihr denkt“, sagte ich und sie husteten.

Das war auch meine Absicht gewesen. Der Rauch war meine Rache für das Gelächter.

„Wir haben sie gefunden“, rief jemand und auf einem Gipfel erschien eine Person.

Sie schien jemandem zu zuwinken. Zwei Menschen traten zu ihm. Einer von ihnen war bestimmt Kai. Der Andere, war vielleicht ein Vertrauter von ihm. Langsam kamen die Zwei näher. Kai konnte ich jetzt gut erkennen. Die Person neben ihm war Terra. Der Papst von Aletas Kirche. Was wollte er hier? Eigentlich musste er doch auf ihrer Seite stehen. Ich stieß einen drohenden Laut aus.

„Beruhig dich, Remino“, sagte Kai und betrat die Lichtung, auf der ich stand.

Terra immer noch neben ihm.

„Was will Terra hier?“, fragte ich und alle sahen die Zwei an.

„Terra ist ein enger Freund von mir. Genau wie der blaue Wolf oder die Elfenkönigin. Er ist hier weil er dir eine Robe mitbringt. Außerdem wartet er schon lange auf euch und ist froh euch endlich zu sehen.“

Also war Terra wirklich auf unserer Seite. Wenn Kai sagte, dass er ein Freund sei, dann stimmte es.

„Willkommen, Drachen. Ihr habt eine lange Reise hinter euch. Es ist nur natürlich, wenn ihr euch ausruhen wollt. Doch zuerst müssen wir uns um Remino kümmern“, sagte Terra und meine Freunde traten zurück.

Nur Jermain nicht. Er ging auf Terra zu uns kniete nieder.

„Eure Heiligkeit. Ich habe euren Auftrag ausgeführt und die Drachen sicher zum heiligen Hafen begleitet“, sagte er und Terra legte eine Hand auf seine Schulter.

„Ich bin sehr zufrieden mit deinem Dienst. Hast du ihre Ausbildung begonnen?“

„Nein. Dafür hatte ich keine Zeit. Viele Drachenjünger haben uns verfolgt und dann ging die Reise, durch das fliegen so schnell, dass ich keine Gelegenheit dazu hatte“, sagte er und Terra lachte.

„Dein Freund erwartet dich im Palast. Lass mich Remino helfen und dann gehen wir zu ihm.“

Jermain erhob sich wieder und trat zurück.

„Entspann dich, Remino. Ich werde dich jetzt zurückverwandeln“, sagte Kai und ich nickte.

Sofort traf ein Strahl mich und mein Körper begann zu schrumpfen.

„Dreht euch bitte um. Remino wird nackt sein, wenn er wieder ein Mensch ist“, sagte Terra und sofort drehten meine Freunde sich um.

Aus den Schuppen wurde wieder Haut. Die Stacheln verschwanden und auf meinen Krallen wurden wieder Finger. Mein eigener Körper fühlte sich fremd an. Die Kraft, die ich als Drache hatte, floss immer noch durch mich hindurch und ließ ihn eigenartig schwach wirken.

„Dein Körper mag sich fremd anfühlen“, sagte Kai und ich nickte.

Plötzlich fiel mir auf, dass ich wirklich nackt war. Sofort verdeckte ich meine Männlichkeit. Terra reichte mir eine Robe und ich nahm sie entgegen. Die Robe eines Priesters brauchte man nur über den Kopf zu ziehen. Sie war mehr ein Kleid, als eine Kleidung.

„Das du dich anders fühlst, ist völlig normal. Du wirst viel Energie spüren. Die kommt von deiner Drachengestalt. Ab sofort kannst du dich verwandeln, wann du willst. Das bedarf zwar einiger Übung, doch wenn du es schaffst, wirst du auch nicht jedes Mal neue Kleidung brauchen.“

Kai hatte ein Lächeln auf den Lippen. War es, weil ich so unbeholfen war? Oder vielleicht weil er jemanden hatte, dem er Dinge beibringen konnte? Das vermochte ich nicht zu sagen.

„Es ist in Ordnung. Ihr könnt euch wieder umdrehen“, sagte Terra und meine Freunde sahen zu mir.

„Lasst uns zum Palast gehen. Der König möchte euch sehen.“

Terra ging voran und wir folgten ihm. Am Ende ging Kai. Das Tal kam mir auf einmal so große vor. Eben sah es noch aus, wie ein Strich in der Landschaft. Der Berg war ziemlich hoch, doch der Aufstieg ging sehr schnell. Hinter dem Berg erhob sich der heilige Hafen. Die Häuser waren gigantisch. Sie hatten alle mehrere Etagen und ragten weit in den Himmel hinauf. Der Palast thronte in der Mitte von allem. Es war der prunkvollste in Jagurin. Alleine das Hauptgebäude war so groß wie die Stadt selbst. An jedem Ende befand sich ein Turm, der alles überragte. Ich hatte bis jetzt nur Geschichten gehört. Sie waren alle wahr. Jedes Haus war mit roten Ziegeln gedeckt. Auf einigen waren sogar Flache Dächer, auf denen man sich Sonnen konnte. Die Besitzer sollten eine Menge Gold dafür verlangen. Terra führte uns über die Schattenberge, bis in die Stadt hinein. Wir standen auf dem oberen Marktplatz. In seiner Mitte thronte ein Brunnen. Auf dem Brunnen stand Aleta. Um sie herum befanden sich Pferde. Am unteren Rand des Brunnens befanden sich Drachenköpfe, die Wasser auf Aleta spien. Links von uns befanden sich die Gelehrten. Sie konnten aus bestimmten Steinen Artefakte herstellen. Mehr wusste ich darüber leider nicht, nur, dass es ein sehr schwieriger Prozess war. Alleine diese Steine zu finden war schon schwer. Und die Herstellung war gefährlich. Es schlug sehr oft fehl. Vor diesem Gebäude war ein Krämerladen. Auf der anderen Seite befand sich ein Gildenmeister. Diese Gildenmeister erlaubten jedem Abenteurer eine Gilde zu gründen. solange sie darauf aus war, neue Gebiete zu erforschen oder den Menschen vom Hafen zu helfen. Hinter dem Brunnen war noch ein kleiner Platz bevor es eine Treppe hinunter ging. Dort kam man überhaupt erst in die Stadt. Auf diesem Platz befand sich eine Pforte zur Dunkelheit. Wenn man sie durchschritt betrat man eine neue Welt. Es hieß, dass Aleta in ihrem Schlaf Alpträume gehabt hätte. Diese Orte waren wohl das Resultat davon. Um zu verhindern, dass sich diese Gebiete ausbreiten konnten, gab es dort Priesterinnen. Sie lebten abgeschieden von der Welt. Viele Abenteurer waren in diese Gebiete aufgebrochen und nie wieder gekommen. Terra führte uns durch kleine Gassen. Die Häuser waren so hoch, dass keine Sonne zum Erdboden durchdrang. Wie konnte man hier nur leben? Das war mir unbegreiflich. Einige Zeit später erreichten wir den Seiteneingang des Palastes.

König Simon

„Kommt herein“, sagte Terra und die Soldaten an der Pforte salutierten.

Vorsichtig traten wir durch das Tor. Die Gänge des Palastes waren hoch. Man konnte die Decke nur erahnen. Zudem waren sie dunkel. Der Boden war von einem roten Teppich bedeckt. An den Wänden hingen ähnliche Teppiche. Terra führte und weiter in den Palast hinein. Bis wir vor einem weiteren Tor standen. Wir waren so oft abgebogen, dass ich nicht mehr wusste, wo wir waren.

„Wartet hier. Ich muss dem König berichten, dass ihr hier seid“, sagte Terra und trat durch das Tor.

Die Soldaten, die hier wachten, musterten uns.

„Was sollen wir hier?“, fragte Jotanate und Adelia sah sie an.

„Wenn der König euch sehen möchte, dann müsst ihr zu ihm gehen. Er ist gewohnt immer seinen Willen zu bekommen. Wenn er seinen Willen nicht bekommt, könnte er wieder Krieg gegen die Elfen oder andere Völker führen“, sagte sie und Jotanate nickte.

Das Tor ging auf und Terra kam auf uns zu.

„König Simon erwartet euch. Ein paar Regeln. Der Thronsaal ist voll mit Soldaten. Bei dem kleinsten Anzeichen von Gefahr, greifen sie an. Bei dem König stehen sein Onkel, der blaue Wolf, die Hexe Keila und meine Wenigkeit. Schaut Keila niemals direkt an. Vor allen Dingen redet nicht mit ihr. Letzte Woche ist ein Bruder zu Grabe getragen worden, weil er es gewagt hatte sie anzusprechen. Der König wird euch einige Dinge erklären. Stellt keine Fragen während er redet. Egal wer ihr seid, er wird euch töten lassen, wenn ihr ihn unterbrecht“, sagte er und wir nickten.

Das ging ja schon gut los. Jeder kleinste Fehltritt wurde sofort mit dem Tod bestraft. Terra ging los und wir folgten ihm. Der Thronsaal war riesig. In kurzen Abständen standen Säulen. Zwischen ihnen standen Soldaten. Sie waren bereit jeden anzugreifen, der dem König gefährlich werden konnte. Am Ende des Ganges stand der Thron. Ein prunkvoller Sessel. Auf rotem Kaschmir saß der König. Er war erst elf. Seine Eltern waren früh gestorben. Seit dem beriet sein Onkel ihn und kümmerte sich um alles, was der König noch nicht entscheiden konnte oder wollte. Der König selbst trug eine rote Kleidung mit einer viel zu großen Krone. Sein Gesicht sah uns gelangweilt entgegen. Die Augen waren blau und die Haare rot. Sein Onkel war ein schlanker Mann. Er trug eine weiße Kleidung, die mit Gold verziert war. Auf dem Kopf des Mannes saß eine Perücke. Der blaue Wolf war ein sehr alter Mann. Mindestens so alt wie Terra. An seinem Rücken hing ein Streithammer. Die Haare des Mannes waren blond und sein Bart weiß. Für sein Alter hatte er einen sehr enormen Körper. Muskulöser als Ducan und Liram zusammen. Seine Augen sahen streng aus. Lady Keila war eine schlanke Frau, die typisch wie eine Hexe aussah. Ihre Nase trug sie so hoch, dass man sie an der Decke hätte festbinden können. Auf ihrem Kopf thronte ein kleiner spitzer Hut mit einem Halbmond am Ende. Ihre Haare waren lang und wellig. Ihre Farbe war schwarz. Mehr konnte ich nicht erkennen, weil ihre Augen zu mir gingen und ich den Blick sehr schnell abwendete. Vor dem König machte Terra halt und verneigte sich.

„Hier sind die Reisenden, nach denen ihr verlangt habt“, sagte er und erhob sich wieder.

„Warum sind sie noch gleich hier? Es ist so schrecklich langweilig wenn ihr den Gang herunter kommt. Ach ja, jetzt weiß ich es wieder.“

Die Stimme des Königs klang gelangweilt. Er schien beinahe beim Reden einzuschlafen.

„Ich habe euch herbringen lassen, weil“, sagte er und sah seinen Onkel an.

„Sagt es ihnen, Onkel. Ich habe keine Lust mit ihnen zu reden“, sagte er und der Mann nickte.

Er trat vor uns und lächelte.

„Seine königliche Hoheit hat euch herbringen lassen, weil einer von euch seine Truppen unterstützen soll. Letzt Woche ist eine Stelle frei geworden, die wir nicht füllen können. Es wäre eine Ehre, wenn einer von euch sie übernehmen könnte“, sagte er.

Moment. Wir waren hier, weil ein verzogener kleiner Junge uns für seine Streitmacht haben wollte? Ich sah meine Freunde an. In ihren Gesichtern konnte ich die gleiche Reaktion ablesen.

„Das kann nicht euer ernst sein, Majestät“, sagte Kai und sofort sah der König in seine Richtung.

Seine Augen sahen zornig aus.

„Wer wagt es dieses Gespräch zu unterbrechen?“, fragte er und Kai trat vor.

„Ich wage es“, sagte er und der König lächelte.

„Wenn ich mich recht erinnere, habt ihr meine Einladung abgelehnt. Also mischt euch nicht in dieses Gespräch ein“, sagte er.

„Ihr wisst, wen ihr hier vor euch habt?“

„Es sind die Reisenden, die von Aleta gesegnet sind. Das hat sie zu mir gesagt. Sie sind dazu auserwählt, mir zu dienen“, sagte der König und Kai lachte.

„Wie kannst du es wagen über mich zu lachen? Wachen! Ergreift ihn!“, schrie der König und sofort setzten sich die Soldaten in Bewegung.

Sofort griffen Terra und der blaue Wolf an ihre Waffen und warteten auf die Reaktion von Kai. Die Soldaten hatten ihn umstellt. Das schien Kai aber nicht zu kümmern.

„Im Namen König Simons, bist du unter Arrest gestellt“, sagte ein Soldat und wollte Kais Hände fesseln.

Doch anstatt ihn zu berühren gingen seine Hände nur durch Kai hindurch.

„Habt ihr es immer noch nicht begriffen? Ich bin zu mächtig, als das ihr mir etwas anhaben könntet. Die Natur gibt mir Kraft und das nicht zu knapp. Als Golddrache befehle ich euch die Waffen ruhen zu lassen.“

Keiner der Soldaten hörte auf ihn. Der erste Schlug nach Kai, lief aber erneut ins Leere. Kai griff nach ihm und warf in gegen eine Säule.

„Ruft eure Soldaten zurück, mein König“, sagte Terra und König Simon sah ihn an.

„Dabei war es gerade so interessant. Geht wieder zurück“, sagte der König und die Soldaten ließen Kai in Ruhe.

„Entschuldigt mich. Auch als Golddrache untersteht ihr dem König. Sich seinen Befehlen zu wiedersetzten hat ernsthafte Konsequenzen“, sagte Keila und sah Kai an.

„Hütete eure Zunge, Hexe. Ich bin ein Gott. Niemand steht über mir. Weder Aleta noch ein Drache. Und vor allem nicht ein elfjähriger Junge, der die Manieren eines Straßenjungen hat“, sagte Kai und das Gesicht der Königs wurde rot.

Er sprang auf und zog ein Schwert.

„Für diese Beleidigung werde ich euch töten“, sagte er und lief auf Kai zu.

„Nein, eure Hoheit“, sagte sein Onkel.

Doch es war zu spät. Kai wich dem Schwert des Junge aus, griff nach seiner Hand und brachte den König zu fall.

„Euer Temperament macht euch schwach, Simon. Ich habe euch trainiert und das Training beendet. Aber nicht, wie ihr es erzählt, weil ihr ausgebildet seid, sondern weil ich euren Hochmut und euer Temperament nicht unterstütze. In die Geschicke der Drachen sollt ihr euch nicht einmische“, sagte Kai und Simon schnaubte.

„Was haben diese Kinder mit den Drachen zu tun?“

„Das sind die Drachen“, sagte Kai und Simon lachte.

Vorsichtig ließ Kai ihn los und aufstehen. Simon griff sein Schwert und steckte es zurück in die Scheide.

„Wenn ihr wirklich die Drachen seid, will ich eure wahre Gestalt sehen“, sagte er und ich schluckte.

Der einzige der sich verwandeln konnte, war ich. Unsere Blicke gingen zu Kai und er schüttelte seinen Kopf.

„Das ist nicht möglich, mein Herr“, sagte ich und der König schnaubte.

„Warum nicht? Seid ihr nicht die Drachen?“

„Doch, das sind wir. Ich bin“, begann ich doch er unterbrach mich.

„Ich habe nicht danach gefragt wer du bist. Ich will eine Antwort.“

Uff. Dieser Junge war echt anstrengend.

„Wir sind noch nicht alle erwacht. Der einzige, der sich verwandeln könnte, wäre ich. Und wenn ich es tun würde, wäre beinahe der gesamte Plast niedergerissen“, sagte ich und Simon lachte.

„Der Wüstendrache hat die halbe Stadt in Schutt und Asche gelegt. Wir konnten einiges wieder aufbauen. Der Palast würde niemals zerfallen. Kein Drache wäre große genug den Palast zu zerstören. Wenn ich keinen Beweis bekomme, dann ist es ganz einfach. Ihr lügt mich an. Oder vielleicht wollt ihr einfach nicht. In diesem Falle müsste ich euch eigentlich töten lassen. Das würde aber meinen Plan, meine Armee um eine Person zu erweitern, vereiteln. Morgen beginnt ein Turnier. Ihr werdet daran teilnehmen. Jeder von euch. Der Gewinner wird meiner Armee beitreten“, sagte der König und setzte sich wieder.

„Wie ihr wünscht“, sagte Adelia und der König nickte.

„Eins noch“, sagte Keila und stellte sich vor den König.

„Ihr mögt die Drachen sein, was nicht bewiesen ist. In diesem Palast herrschen Regeln. Auch ihr müsst euch daran halten. Terra wird euch nicht eingeweiht haben. Also bleibt es wieder einmal an einer Hexe hängen, das zu tun. Durch die Flure wird nicht gelaufen. Auf den Zimmern ist absolute Ruhe zu halten. Im Ostflügel ist das Sprechen für jeden, der keine Hexe ist, verboten. Mein Labor betritt niemand und auch sonst kein Zimmer. Ihr bleibt solange auf eurem Zimmer, bis eine Eskorte euch abholt. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?", fragte sie und wir nickten.

Bevor sie wieder zurückging, trat Tiana hinter uns hervor. Sofort erstarrte Keila.

„Tiana. Was hast du hier zu suchen?“, fragte sie.

„Ich begleite die zwei Hexen und bilde sie aus. Zudem sind mir Geschichten zu Ohren gekommen, die ich mit dir bespreche muss. Ihr scheint den Rat zu vernachlässigen, Keila. Das Gefällt uns Ratsmitgliedern nicht“, sagte sie und Keila schluckte.

„Wie ihr wünscht, Tiana“, sagte sie und trat zurück.

Unglaublich. Tiana wurde von jeder Hexe respektiert. War sie vielleicht die Oberhexe? Früher war Karaku die Anführerin des Rates gewesen. Wer es jetzt war, wusste ich nicht. Der König entließ uns und Terra begleitete uns vor die Türe.

„Das lief besser, als ich erwartet hätte“, sagte er und sah uns an.

„Bei Karakus Kristallkugel, das lief alles andere als gut. Konntest du den König nicht von dieser hirnverbrannten Idee mit dem Turnier abbringen?“, fuhr Tiana Terra an.

„Nein, konnte ich nicht. Kai und ich haben mehrere Stunden auf ihn eingeredet, konnten aber nichts erreichen. Er will dieses Turnier und dagegen sind wir machtlos. Du kennst den König genauso gut, wie ich, Ratsmitglied“, sagte Terra und Tiana schüttelte ihren Kopf.

„Ich bin immer noch der Meinung, dass ein Kind nicht König sein sollte. Er hat überhaupt kein Gespür dafür, wie viel an ihm hängt.“

„Das mag sein, Tiana. Aber wir müssen ihn unterstützen. Unser Konvent steht im Dienste des Königs. Ihr Hexen genauso.“

„Pah. Wenn wir könnten, würden wir ihn sofort absetzten und eine der unseren auf den Thron bringen. Gut, dass wir dafür nicht den Einfluss haben“, sagte Tiana und ein Soldat sah uns an.

„Ihr sprecht schlecht über unseren König“, sagte er und Tiana sah ihn wütend an.

„Habe ich dir erlaubt mit mir zu sprechen?“, fragte sie und ein Feuerball erschien in ihrer Hand.

„Ruhig Blut, Tiana“, sagte Kai und kam aus dem Thronsaal.

Sofort ließ Tiana die Hand sinken und sah ihn an.

„Aber“, begann sie doch er unterbrach sie sofort.

„Ich weiß was passiert ist. Der König ist stur und hört nicht auf meinen Rat. Kinder, ich möchte euch morgen sehen. In meiner Zuflucht. Terra wird euch zu mir bringen“, sagte Kai und ging dann.

„Er ist einfach“, begann Tiana und ein Mann trat zu uns.

„Herzlich willkommen im Palast. Ich bin der Haushofmeister. Folgt mir bitte, ich bringe euch in eure Zimmer“, sagte er und ging voran

Wir folgten ihm. Die Zimmer befanden sich im Obergeschoss des Palastes. In einem Raum, der genau sechzehn Türen hatte.

„Jeder von euch bekommt ein eigenes Zimmer. Sucht euch eins aus und fühlt euch wie zu hause. Wenn der König euch rufen lässt, wird ein Diener in euer Zimmer kommen. Solltet ihr etwas brauchen, so zieht an den Schnüren neben der Türe“, sagte der Mann und ging wieder.

„Sucht euch ein Zimmer, der Rest soll uns egal sein. Morgen werdet ihr von Terra geholt“, sagte Jermain und betrat ein Zimmer.

 Adelia und Lilith ebenfalls. Nachdem alle unsere Lehrer ihre Zimmer bezogen hatten, suchten wir uns unsere Räume. Nachdem wir mehrere Türen geöffnet hatten, mussten wir feststellen, dass die Räume alle gleich waren. Ein riesiges Bett, ein Schrank, ein Tisch, Teppiche in rot und ein Spiegel neben der Türe. Es war alles unheimlich prunkvoll.

„Mir egal was ihr macht, ich nehme mir das Zimmer und schlafe“, sagte Jotanate und ging in ein Zimmer.

Ich sah die anderen an und auch sie zogen sich zurück. Also nahm ich das Zimmer, das übrig blieb. Es war größer als jedes Zimmer, in einem Kloster. Für mich also eigentlich zu viel. Vorsichtig ging ich auf das Bett zu und nahm Platz. Es fühlte sich sehr weich an. Ideal um darauf zu schlafen. Aber an schlafen war für mich nicht zu denken. Zu viel war passiert. Erst die Verwandlung in einen Drachen und dann auch noch die Aufforderung zum Turnier. Das musste erst mal verarbeitete werden. Ich begann alles noch einmal Revue passieren zu lassen. Doch plötzlich klopfte es an meiner Türe.

„Ja?“, fragte ich und König Simon trat ein.

„Hallo. Du musst Remino sein“, sagte er und kam auf mich zu.

Er trug weder seine Krone noch sein Schwert. Nicht einmal seinen Mantel. Er sah beinahe so aus wie ein ganz normaler Mensch, was er eigentlich auch war.

„Wie kann ich euch helfen, mein König?“, fragte ich und er lachte.

„Nenn mich Simon. Hier ist niemand außer uns beiden. Ich bin nur Simon, in diesem Raum“, sagte er.

„Und was möchtet ihr dann, Simon?“, fragte ich.

„Förmlichkeit kann man dir wohl nicht so leicht abgewöhnen. Mein Onkel und auch Terra meinten ich solle euch kennen lernen. Ihr seid wohl der stärkste Krieger in dieser Gruppe.“

„Nein, das bin ich nicht. Vielleicht bin ich der einzige der erwacht ist. Aber ich bin nicht stark. Meine Stärke liegt im Heilen und unterstützen. In diesem Sinne bin ich kein Krieger. Liram und Lirom sind Krieger. Sie kämpfen. Ich verbreite eigentlich die Lehren der Göttin. Allerdings bin ich daran nicht mehr interessiert.“

„Verstehe. Du bist sehr bescheiden. Bescheidenheit ist ein Tugend, Remino. Nur wenige Menschen besitzen sie. Aber seien wir ehrlich. Geht es dir nicht auch nur um Überlegenheit?“

„Majestät, oder Simon, was auch immer. Ich bin ein Drache. Der Hoffnungsdrache. Ich muss nicht mehr nach Macht streben, denn ich habe die bereits. Nur Stärke alleine bringt gar nichts. Man braucht auch Verständnis und Barmherzigkeit. Nicht alle Menschen wollen nur Macht.“

„Du bist ein Sonderfall, Remino. Wie dem auch sei. Das Turnier, ist nur eine Art Ausstellung. Ihr sollt zeigen, was ihr könnt. Mein Onkel will euch zwar in meiner Armee sehen, doch das ist mir egal. Ich brauche nicht noch mehr Soldaten. Das solltest du wissen. Es geht einfach nur darum zu zeigen, was ihr könnt. Deine Freunde werden sich wohl auch nicht zurückhalten. Darum solltest du es auch nicht tun.“

„Ich verstehe, Majestät. Daran werde ich mich erinnern“, sagte ich und lachend ging er.

Dieser Junge war unmöglich. Vielleicht war er einfach noch zu jung. Die Geschichte hatte aber auch eine sehr große Verantwortung auf sein Haupt gesetzt. Die Bürde König zu sein wog schwer auf seinem Haupt. Ich wollte sie nicht tragen müssen. Vielleicht war er auch nur so, weil er diese Verantwortung nicht begreifen konnte. Doch darüber wollte ich mir nicht den Kopf zerbrechen. Ich entledigte mich der Robe, verschloss die Türe und legte mich schlafen.

Silberdrache

Draußen mochte es mittlerweile Mitternacht sein. In meiner Zuflucht war es immer dunkel. Egal zu welcher Tageszeit. Vor mir saß die Elfenkönigin. Ihre Krone bestand nur aus Blättern und auch ihr Bogen war aus Blättern gemacht. Nur die Elfen und ich konnten diese Bögen herstellen. Die Blätter lösten sich auf, sobald jemand anderes ihn berührte. Neira, so war ihr Name, saß schweigend vor mir und starrte in den kleinen See, der von den Tropfen immer wieder in Bewegung gesetzt wurde. Warum sie hier war wusste ich noch nicht. Genauso wenig, warum sie ihren Bogen bei sich trug und Terra nicht hier war. Normal waren Neira und er immer zusammen. Nicht wirklich verwunderlich. Neira liebte diesen ihn. Doch er konnte nicht ihr Mann werden, weil er kein Elf war. Ihr richtiger Mann wusste, dass es nur eine Zweckehe zwischen ihnen war und akzeptierte das. Sie beide waren damit nicht glücklich, führten allerdings getrennte Leben.

„Die Bäume haben über dich gesprochen“, sagte Neira endlich und sah mich an.

„Das wundert mich nicht. Mit meiner Aktivität und der Rückkehr der Feen werden die Bäume wieder gesprächig“, antwortet ich.

„Sie erzählen mir aber sehr unschöne Dinge. Aleta hat versucht dich zu töten?“

„Einer von tausenden gescheiterten Versuchen. Langsam werde ich ihrer Müde. Allerdings weigere ich mich sie zu töten. Dafür bin ich nicht da“, sagte ich und ihre Augen wurden klein.

Im Gegensatz zu Terra war Neira noch sehr jung. Jung bedeutete, dass sie genauso alt war, wie er. Schon achtzig Jahre alt. Allerdings sah sie immer noch so aus, wie eine zwanzig jährige Dame in der Blüte ihrer Zeit. Das würde sich auch erst mal nicht ändern. Elfen alterten nicht nur langsamer. Sie lebten lange. Das Leben eines Menschen war für sie nicht mehr als ein Augenzwinkern. Neira war sich dessen bewusst. Sie stellte sich nicht über die Menschen. Eher unter sie. Für sie waren Menschen ein wichtiger Teil dieser Welt. Viele Elfen waren immer nur der Meinung, dass Menschen minderwertig waren. Ein Fehler der Schöpfung.

„Ich mache mir Sorgen, Kai. Sie wird von Tag zu Tag skrupelloser. Die Göttin würde es sogar fertig bringen und den Walddrachen erwecken. Damit würde beinahe meine gesamte Stadt fallen.“

„Soweit werde ich es nicht kommen lassen. Der Walddrache ist bereits unschädlich, weil Remino erwacht ist. Seine Rüstung hört nur noch auf ihn und wird bald zu ihm kommen. Genau wie die Waffe.“

„Ist er denn schon bereit dafür?“

„Noch lange nicht. Remino ist erst erwacht. Doch mit jedem erwachten Drachen schwindet Aletas Einfluss. Und das ist wichtig. Wenn sie keine Drachenjuwelen mehr hat, dann haben wir mehr Chancen. Sie kann keine Städte mehr bedrohen. Du bist nicht mehr von ihr Abhängig. Genauso wenig wie Lady Marina, Terra oder Rudolph“, sagte ich und sie lachte.

„Du bist der einzige, der ihn bei seinem wirklichen Namen nennt. Wenn er das wüsste, wäre er sehr wütend.“

„Davon gehe ich aus. Er hat seinen Namen noch nie gemocht. Neira, hast du Angst?“

„Natürlich. Aleta bedroht meine Elfen. Gegen den Walddrachen sind wir machtlos. Dieses Juwel ist stärker, als jeder Elf. Sogar als ich. Mein Mann ist in den Wäldern und sucht nach Anzeichen für sein Erwachen. Bis jetzt ohne Erfolg.“

„Warum genau bist du jetzt hier? Weil du Angst hast und hoffst ich kann dir helfen?“

„Wenn es so einfach wäre, dann hätte ich das schon nach dem Tod der Drachen getan. Nein. Ich bin hier wegen dem Turnier. Simon hat uns alle eingeladen. Selbst Lady Marina ist hier“, sagte Neira und sah nach hinten.

Am Eingang stand die Hexe und sah zu uns.

„Hallo, Kai“, sagte sie und kam auf uns zu.

„Dich hier zu sehen, habe ich nicht erwartet, Oberhexe“, sagte ich und sie lachte.

„Es tut gut dich zu sehen, Kai.“

„Dass ihr vier, mal wieder zusammen findet, hätte ich nicht erwartet. Seit Rudolph seine Krieger Schule eröffnet hat, geht er eigentlich nirgendwo hin. Und du verlässt Nagurin auch nicht mehr.“

„Geschenkt. Ich kann nicht oft verreisen. Das Amt als Oberhexe ist anspruchsvoll. Viele Hexen wollen etwas von mir. Dagegen kann ich nichts machen. Zudem lenke ich die Geschicke des gesamten schwarzen Turms.“

„Den hatte ich vergessen. Gibt es diese Elitehexen immer noch?“

„Natürlich. Aber genug davon. Kai, was ist mit dem Seedrachenkristall den ich in meinem Besitz habe? Wie gefährlich genau kann er sein?“

„Das weiß ich nicht. Meine eigene Rüstung ist sehr gefährlich. Komisch, dass du genau das zur Sprache bringst. Aleta wird nicht versuchen den Seedrachen zu erwecken. Eigentlich sollte das unmöglich sein“, sagte ich.

„In eigentlich steckt immer so ein kleiner Teil von, aber es gibt eine Möglichkeit.“

„Ich weiß nicht wie viel weiter Aleta bereit ist zu gehen. Wenn sie die verbotene Schwelle überschreitet, kann sie sogar alle vier Kristalle gleichzeitig erwecken. Das wäre fatal für die gesamte Welt.“

„Mach mir bloß Hoffnung. Also wissen wir eigentlich gar nichts?“, fragte sie und ich sah zum Eingang der Zuflucht.

Dort stand ein Krieger. Seine Rüstung hatte leise geklappert. Neira schien das auch gehört zu haben und sah ebenfalls nach hinten. Er trug einen Helm, der sein Gesicht verbarg. Ich konnte sofort sagen, dass es sich um den blauen Wolf handelte. Kein anderer Krieger durfte hier herein.

„Wir wissen nur, dass Aleta Terras Kristall erweckt hat“, sagte er und kam zu uns.

„Blauer Wolf“, sagte Marina und er schob sein Visier nach oben.

Rudolph, der blaue Wolf, war ein sehr alter Mann. Von allen war er der älteste mit fünfundachtzig Jahren. Sein Gesicht war von Narben und Falten durchzogen. Wenn man ihn ohne seine Rüstung sah, hätte man auch direkt sagen können, dass er eigentlich ein sehr mickriger Mann war. Der einst stolz  trainierte Körper war dem Alter doch erlegen und nicht mehr ganz so muskulös.

„Jetzt fehlt nur noch einer“, sagte ich und Terra kam ebenfalls zu uns.

„Dachte ich mir doch, dass hier ein Versammlung stattfindet“, sagte er und kam zu uns.

„Dann sind ja nun alle versammelt. Und nun? Was wollt ihr mit dieser Zusammenkunft bezwecken?“

 „Die Stärkung einst unzerstörbarer Bande“, sagte Neira und ich lachte.

„Meinst du das ernst? Euer Band war vieles und in erster Linie instabil. Karaku hat bei dem kleinsten Anzeichen von Fehlern einen Herzinfarkt bekommen. Du, Terra, hattest nur Augen für unsere kleine Neira und Neira hat nur Augen für dich gehabt. Und du, Rudolph, hast alles versucht um Karakus Gunst zu erlangen. Der Krieg war damals für euch nur ein Spiel. Ihr habt ihn geführt, um zusammen zu sein. Jetzt wollt ihr mir erzählen, dass euch ein Band verbunden hat?“

„Jetzt beleidigst du uns aber, Kai. Wir haben getan, was nötig war, um die Drachen unter Kontrolle zu bekommen. Das Aleta ein falsche Spiel spielt wussten wir damals nicht. Dieser Krieg war viel, aber kein Witz“, sagte Terra.

„Eigentlich hat Kai Recht. Ich habe damals nur wegen Terra gekämpft. Aber er war meine Inspiration. Durch ihn habe ich einen Grund gehabt für die Menschen zu kämpfen. Sonst hätten die Elfen sich in ihrem Wald versteckt und abgewartet, ob die Drachen das nicht alleine klären könnten. Eigentlich war es gut, dass ich Terra hatte“, sagte Neira.

So offen hatte sie noch nie gesprochen. Es war ihr wohl wichtig, dass die anderen darüber Bescheid wussten.

„Und das ich um Karakus Gunst gekämpft habe, soll wohl ein schlechter Witz sein. Ich habe diese arrogante, aber unheimlich schöne Hexe immer gehasst. Sie hat doch nur an sich gedacht. Ihr Mann war einfach dumm, sie zu verlassen“, sagte er und ich lächelte.

„Du weißt, was damals passiert ist“, sagte ich und er sah mich an.

„Natürlich weiß ich das. Ich war ja auch dabei.“

„Genau und du kennst auch Karakus Mann.“

„Was soll diese Stichelei?“, fragte er und wurde nervös.

„Du bist Karakus Mann?“, fragte Marina und er sah sie an.

„Nie im Leben“, antwortete er mit unsicherer Stimme.

„Du hast sie im Stich gelassen, nachdem sie schwanger war. Nelana und Kalira waren auf sich gestellt, nachdem Karaku gestorben ist. Du bist sogar zu ihrer Beerdigung gekommen. Damals habe ich mir nichts dabei gedacht. Doch jetzt verstehe ich das“, sagte Marina.

„Ihr versteht gar nichts. Karaku und ich waren nie zusammen. Ich war ihr nicht gut genug.“

„Es reicht mit den Lügen“, sagte ich und er sah mich an.

„Dies ist ein heiliger Ort. Hier zu lügen ist die schlimmste Art von Blasphemie. Du hast Karaku nur aus einem Grund verlassen. Weil du Angst hattest. Niemals hättest du ein Vorbild sein können. Nicht bei deiner Vergangenheit“, sagte ich und er ballte seine Faust.

„Woher willst du das wissen?“

„Die Natur hat es mir verraten. Das Gras schnappt viele Geschichten auf, die man eigentlich nicht erzählen mag.“

„Eins will ich klarstellen. Die Entscheidung zu gehen, habe ich nicht alleine getroffen. Es war Karakus Idee. Sie wollte nicht vor den anderen Hexen schlecht da stehen, weil sie einen dummen Krieger als Mann erwählt hatte“, sagte er und Marina sah ihn an.

„Ich arbeite seit Jahren daran, die Einstellung der Hexen zu verändern. Vor deinen Töchtern könntest du es zugeben. Sie haben ein Recht darauf zu erfahren, wer ihr Vater ist. Anders als andere Hexen verachten sie niemanden. Du solltest mit ihnen reden“, sagte Marina und er seufzte.

„Wenn es nur so einfach wäre. Was würdest du sagen, wenn plötzlich jemand vor dir steht und dir sagt, dass er dein Vater sei, der eigentlich vor einigen Jahren gestorben sein soll? Fändest du das toll?“

„Nun. Nein“, sagte sie.

„Blauer Wolf, ich mische mich niemals in solche Angelegenheiten ein. Doch hier wird das nötig sein. Deine Töchter haben eine harte Zeit hinter sich. Wenn sie erwachen, dann werden sie wissen, wer du bist. Denkst du nicht, dass sie noch wütender sein würden, wenn sie es so erfahren? Ihr Vater lebt und war zu feige die letzten Jahre es ihnen zu sagen“, sagte ich und er sah mich an.

„Du hast Recht, Kai. Und danke, dass du mich endlich mit meinem richtigen Namen ansprichst“, sagte er.

„Dein richtiger Name ist Rudolph. So werde ich dich auch weiterhin nennen.“

Terra wollte gerade das Wort ergreifen, als noch jemand diesen Ort betrat. Sofort sah ich auf und erblickte Keila. Sie stand unsicher dort und schien sich nicht entscheiden zu können, zu uns zu kommen oder dort zu stehen.

„Was willst du hier?“, fragte ich und sie schluckte.

„Eigentlich wollte ich mit euch sprechen, Meister. Der König hat eine Nachricht für euch, die ich überbringen soll“, sagte sie.

Hier unten legte sie immer eine sehr große Demut an den Tag. Kein Wunder. Sie stand einem Drachen gegenüber, von dem sie wusste, dass er keine Sekunde zögern würde sie zu töten.

„Dann sprich“, sagte ich und sie kam näher.

„Der König möchte Zutritt zu diesem Ort gewährt bekommen, weil er mit euch sprechen möchte, Meister“, sagte sie und verneigte sich sogar.

„Was willst du wirklich, Keila?“, fragte ich und sie sah auf.

„Aber Herr“, begann sie wurde aber von mir unterbrochen.

„Der König wird hier unten niemals rein kommen. Dafür habe ich gesorgt und das weiß er auch. Da kann er mich noch so oft bitten.“

„Herr, ihr könnt ihm nicht ewig den Zugang verwehren. Immerhin befindet sich eure Zuflucht in seinem Palast“, sagte sie.

„Und? Dieser Raum war schon hier, bevor es den Palast gab. Hier unten bin ich geboren worden. Also verteidige ich diesen Ort. Geh zu Simon und richte ihm folgendes aus. Wenn er hier unten rein will, muss er sich das verdienen und erwachsen werden. Einen halbstarken König lasse ich hier unten nicht rein. Nicht in tausend Jahren“, sagte ich.

„Ihr eingebildeter, Bastard. Haltet ihr euch für etwas Besseres als alle anderen, nur weil ihr ein Drache seid?“, fragte sie und in meinem Kopf gingen sofort mehre Sachen gleichzeitige vor.

Zum einen Verarbeitete ich, was sie gesagt hatte, sah mir ihren Gesichtsausdruck an, ob es ihr nur so rausgerutscht war und zum Schluss kamen mir direkt Millionen Wege in den Sinn sie angemessen zu bestrafen. Marina erhob sich sofort und zog ihren Waffen.

„Keila, lauf“, rief sie und die Hexe sah sie an.

„Wieso? Wollt ihr mich töten?“, fragte sie und Marina schüttelte ihren Kopf.

„Nein. Aber ich kann ihn nicht lange zurückhalten, damit er dich nicht tötet“, sagte sie und ich lächelte.

Langsam erhob ich mich. Mein Blick traf Marinas und sofort ließ sie ihre Waffen sinken. Sie konnte genau ablesen, dass ich gar nicht vorhatte Keila zu töten. Nun ja. Ich wollt ihr Schmerzen zufügen. Aber töten würde ich sie nicht. Das war unter meiner Würde. Je näher ich Keila kam, desto nervöser wurde sie. Doch sie rührte sich keinen Millimeter. Sie war offensichtlich bereit mir die Stirn zu bieten. Das gefiel mir an dieser Hexe. Sie umging keinen Konflikt sondern steuerte immer direkt darauf zu.

„Eure Aussage amüsiert mich, Keila. Denkt ihr wirklich, dass ich mich über andere Menschen stelle? Ich habe damals abgelehnt als Gott angesehen zu werden, weil ich mich eben nicht über die Menschen stelle. Mir liegt das Wohlergehen der Menschen mehr am Herzen als mein eigenes. Ohne mich würde vielleicht die Natur aufhören zu wachsen und in einen ewigen schlaf verfallen, bis ich wiedergeboren werde. Letztlich bin ich ein Drache und kann über einige Dinge entscheiden, die ihr euch nicht erträumen könnt.“

„Mit eurer arroganten Art treibt ihr Aleta doch dazu so zu handeln. Ich kann mir nicht vorstellen, das sie freiwillig gegen euch Kämpft.“

„Vorsicht, Keila. Eure Aussage hat mich amüsiert. Aber aus diese Freude kann auch sehr schnell der Wille werden euch zu töten. Mischt euch nicht in die Angelegenheiten der Drachen ein“, sagte ich und sie schluckt.

„Aber“, begann sie.

Sofort erschienen meine Flügel und auch meine Klauen.

„Kein Wort mehr. Ihr habt eure Antwort. Richtete sie dem König aus und meidet mich die nächste Woche. Wenn ihr euch noch einen Fehltritt bei mir erlaubt, bereue ich es vielleicht euch nicht sofort getötet zu haben“, sagte ich und sie lief davon.

Ich sah zu den anderen.

„Ihr habt euch verändert, Drache“, sagte Rudolph und ich lachte.

„Warum?“

„Früher hättet ihr sie gnadenlos getötet. Mittlerweile lasst ihr doch eher Gnade vor Recht ergehen“, sagte er.

„Tausend Jahre voller Einsamkeit und Kampf mit meiner Exfrau, verändern einen. Das kannst du mir glauben.“

„Frauen. Man kann nicht mit ihnen, aber auch nicht ohne sie“, sagte er.

„Was uns wieder zu Nelana und Kalira führt. Du musst es ihnen sagen“, sagte ich und er nickte.

„Ihr habt alle Recht. Ja, sie sollten es erfahren. Wenn sie mich hassen wollen, sollen sie das tun.“

„Du bist gewachsen, Rudolph“, sagte ich und er lachte.

„Ein Mensch hört nie auf zu lernen. Vielleicht ein Drache, denn anders kann ich mir nicht erklären, dass du nicht meinen Spitznamen verwendest.“

„Sehe das nicht so eng. Ich bin nun einmal in einer Zeit aufgewachsen, wo so etwas verpönt war“, sagte ich und wir alle lachten.

„Wie spät ist es eigentlich?“, fragte Neira und wir sahen uns an.

„Ich denke, dass die Sonne gerade über die Stadt aufsteigt.“

Vor meinem inneren Auge erschien ein Bild von der Stadt. Die Sonne schob sich gerade über die Mauer und tauchte die Dächer in rotes Licht.

„Es ist Morgen. Das Turnier beginnt bald“, sagte ich und sie nickten.

Dann standen sie alle auf, verneigten sich und verließen meine Zuflucht. Alle bis auf Marina. Sie blieb noch.

„Kai, ich“, begann sie brach aber ihren Satz ab.

„Es ist lange her, dass wir alleine gesprochen haben“, sagte ich und sie nickte.

„Viel zu lange. Es gibt da etwas, dass ich dich fragen möchte“, sagte sie und öffnete ihr Zauberbuch.

Darin lag ein Ring. Der Ehering meiner toten Frau.

„Woher?“, fragte ich, doch sie winkte ab.

„Karaku hat ihn mir gegeben. Willst du mich heiraten?“, fragte sie und ich nahm den Ring.

Er war seit damals keinen Tag älter geworden. Als sei die Seele meine Frau immer noch in ihm um auf mich zu achten. Auch wenn Argena keine Göttin gewesen war, hatte sie ein gutes Herz und immer ein Auge auf meine Gesundheit und auch Charakter. Marina hatte große Ähnlichkeit mit meiner Frau.

„Marina, ich. Was soll ich dazu sagen? Das trifft mich unvorbereitet. Ich weiß ehrlich nicht, ob ich für eine weitere Ehe bereit bin. Erneut eine Frau zu verlieren würde mein Herz nicht verkraften“, sagte ich und sie lächelte.

„Macht dir das wirklich sorgen? Oder hast du Angst, dass ich dir vielleicht zu dominant werde?“

Sie wusste genau an welche Stellen sie stechen musste, um meine Ehre anzusprechen und mich so dazu zu bringen das zu sagen, was sie hören wollte.

„Natürlich nicht. Marina, hast du dir das auch gut überlegt?“

„Mehrere Jahre. Doch ich hatte nie den Mut mit dir darüber zu sprechen. Jetzt habe ich ihn zusammen genommen und sage es dir. Ich liebe dich, Kai. Ich will mit dir zusammen alt werden und dich in einem späteren Leben wiederfinden.“

Das waren genau die Worte, die meine Frau gesagt hatte, als sie mich geheiratet hatte. War Marina vielleicht die Wiedergeburt meiner Frau? Menschen kamen wieder auf die Erde. Nur in einer anderen Gestalt und ohne Erinnerung an ihr früheres Leben.

„Marina, wenn ich dich heirate, möchte ich dich um etwas bitte. Werde mein Drache. Sei die Göttin, die auch einst in meiner Frau steckte“, sagte ich und steckte ihr den Ring an.

Ihre Augen leuchteten. Offensichtlich war sie überglücklich, dass ich ja gesagt hatte.

„Argena kann ich nicht ersetzten, Kai. Aber ich kann dir das geben, von dem ich beinahe unendlich viel habe. Meine Liebe“, sagte sie und kam auf mich zu.

Vorsichtig nahm ich sie in den Arm. Sofort ließ ich meine Flügel und Klauen verschwinden.

„Wenn wir wirklich heiraten sollten, muss ich aber noch jemanden rufen“, sagte ich und sie nickte.

„Deine Söhne werden bestimmt nicht begeistert sein“, sagte sie.

„Ich rufe euch, Drachen“, rief ich und sofort erschienen meine Söhne vor mir.

„Du hast gerufen, Vater?“, fragte Casus.

„Ja. Es geht um unsere Familie. Ein neues Mitglied möchte uns beitreten. Lady Marina hat mir einen Antrag gemacht und ich werde ihn annehmen. In ihr ist der Geist eurer Mutter wieder auferstanden“, sagte ich und Casus musterte sie.

Sofort schärfte er seine Sinne und begann Marinas Geruch aufzunehmen. Plötzlich schreckte er zurück.

„Das ist nicht möglich. Sie ist wirklich Mutter“, sagte er und ich nickte.

„Das habe ich auch festgestellt. Aber diesmal will ich Argena nicht verlieren. Deswegen seid ihr hier. Helft mir, aus ihr einen Drachen zu machen“, sagte ich und Casus bekam große Augen.

„Weißt du wie viel Kraft uns das kosten würde?“

„Auch nicht mehr, als einen Kampf gegen Aleta zu führen. Unsere Aufgabe wird es nicht beeinflussen. Also?“

Casus nickte. Metus ebenfalls. Invidia und Odium stellten sich nicht gegen ihre Brüder und gaben ebenfalls ihr Einverständnis.

„Beginnen wir. Marina, Oberhexe des Schwarzen Turms. Bist du bereit das Amt als Drache anzunehmen und dich um die dir zugewiesen Aufgabe zu kümmern, im Interesse der Menschen und der Drachen?“, fragte ich und Marina schluckte.

„Ich bin bereit“, sagte sie und sah mich nervös an.

„Meine Söhne, gebt ihr Marina euren Segen, damit sie der Silberdrache der Natur werden kann?“

„Sie hat unseren Segen“, sagte Casus und sie reichten Marina ihre Hand.

Vorsichtig ergriff ich ihren Arm und führte ihre Hand zu denen meiner Kinder. Dann legte ich meine ebenfalls darauf und konzentrierte mich. Ein kurzes Leuchten und ich spürte sofort wie meine Kraft auf Marina überging. Meine Söhne mussten es ebenfalls merken. Als alles vorbei war, ließ ich Marina los, die sofort zu Boden sank. Die Kraft, die sie gerade bekommen hatte, war wohl doch ein wenig viel für sie.

„Es ist vollbracht. Willkommen in der Familie, Marina, Drache der“, begann Casus und sah mich an.

„Moment, Natur? Aber du bist doch“, begann er und ich winkte ab.

„Die Natur ist mächtig. Die Elemente kann man teilen. Also wird Marina nun als Drache von Feuer und Wasser arbeiten, während ich als Drache der Luft und Erde arbeiten werde.“

„Du weißt aber schon, das Aleta sehr wütend darüber sein wird, oder?“

„Natürlich. Aber das ist mir egal. Argena ist wieder bei mir und das ist alles was zählt.“

„Hoffen wir, dass Aleta nicht auf die Idee kommt euch jetzt anzugreifen“, sagte Casus und ich lächelte.

„Nein, das wird sie nicht.“

„Dein Vertrauen in die Zukunft hätte ich gerne, Vater.“

„Ich kenne Aleta. Ihr fehlt immer noch einiges an Kraft, nach meiner letzten Attacke. So schnell kann sie uns nicht mehr angreifen. Außerdem fehlt ihr eine Waffe gegen uns. Also haben wir erst mal ruhe“, sagte ich und die Vier verschwanden wieder.

„Komm, Marina. Das Turnier wird gleich beginnen“, sagte ich und half ihr beim Aufstehen.

„Ich fühle mich so anders“, sagte sie und ich nickte.

„Das ist völlig normal. In ein paar Stunden wird das Gefühl verschwunden sein. Das kannst du mir glauben.“

Zusammen gingen wir in den Palast und von dort in die Arena.

Kampf gegen Reviran

Es klopfte an meiner Türe.

„Priester Remino, der König lässt nach euch schicken. Das Turnier wird in Kürze beginnen. Er bittet euch, eure Vorbereitungen abzuschließen und mir dann zur Arena zu folgen.“

Ich knurrte nur zustimmend. Beunruhigender weise klang es genau wie ein Drachenknurren. Hatte ich mich über Nacht etwa verwandelt? Das konnte eigentlich nicht sein. Dafür fühlte mein Körper sich auch viel zu verletzlich an. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und sah mich um. Das Zimmer war immer noch dunkel. Diese Vorhänge hielten wirklich alles Licht draußen. Ich schob die Decke beiseite und zog die Robe an, die Terra mir gegeben hatte. Langsam ging ich zu einem Spiegel, der neben der Türe hing und sah hinein. Hatte ich mich innerhalb der letzten Tage verändert? Mein Körper sah anders aus, als ich das gewohnt war. Ich war viel kräftiger. Meine Zähne waren spitz und es sah beinahe so aus als hätte ich ein Raubtiergebiss. Was war nur mit mir los? Klar, der Drache in mir war erwacht. Also kehrte die Hoffnung zu den Menschen zurück. Aber musste mein Körper sich so verändern? Ich war ja kräftiger als Liram. Mal sehen, ob sich meine Kraft auch gesteigert hatte oder ob ich einfach nur kräftiger aussah. Ich öffnete die Türe und sah die anderen schon warten. Bei ihnen stand der Haushofmeister und sah mir entgegen.

„Wir sind vollzählig. Folgt mir“, sagte er und führte uns durch den Palast.

Wir gingen immer weiter und weiter. Der Palast war wahnsinnig groß. Es dauerte einige Zeit, bis wir endlich den Ort erreichten, an den wir kommen sollten. Die Arena. Diese befand sich im Innenhof des Palastes. Dort fanden immer Turniere statt, erklärte uns der Mann und führte uns dann in Zellen. Die Türen wurden verschlossen und wir blieben alleine zurück. Mein Bruder und ich saßen schweigend nebeneinander und sahen auf unsere Schilde. Der Geist eines Turniers lag mir nicht. Ich war niemand der mit seiner Stärker die anderen in den Schatten stellen wollte. Was sollte dieses ganze Theater? Wenn der König sehen wollte, was wir konnten, dann hätte er auch so nach einer Vorführung fragen können. Ein Sieg in diesem Turnier würde für mich nicht in Frage kommen. Ich wollte dieses Turnier so führen, dass ich meinen Spaß hatte und es mir egal war, wie weit ich kam. Zudem wollte ich keinen der anderen ausversehen verletzten, nur weil meine Drachenkraft langsam zu mir kam. Das wäre mir sehr unangenehm gewesen.

„Remino?“, fragte mein Bruder und ich sah ihn an.

„Ja?“

„Versuch bitte nicht dieses Turnier absichtlich zu verlieren. Das könnte an dem Ego einiger unsere Freunde kratzten. Wie zum Beispiel Jotanate oder Liram. Sie absichtlich gewinnen zu lassen, würde ihnen sehr nahe gehen. Mach es so, wie immer. Kämpfe mit allen Mitteln, die du hast.“

„Ich möchte aber niemanden verletzten“, sagte ich und er lachte.

„Sie werden auch nicht davor zurückschrecken dich zu verletzten. Also kümmre dich nicht darum.“

Er hatte Recht. Weder Jotanate noch Nelana oder sonst irgendwer würde berücksichtigen, dass ich ihnen nicht schaden wollte.

„Danke, Bruder.“

„Ich wünsche dir viel Glück, Remino“, sagte er und ich nickte.

„Dir auch.“

„Wir werden wohl nicht aufeinander treffen. Alles Gute.“

Damit erhoben wir uns und gingen los. Das Tor zur Arena wurde geöffnet, sodass wir eintreten konnten. Ich konnte die Menschen jetzt schon jubeln hören. Dann traten wir aus dem Gang hervor und standen auf dem sandigen Boden dieses Kolosseums. Die Ränge waren voll mit Zuschauern. Unglaublich. Eigentlich hatte ich gedacht, dass es so früh am Morgen niemand hier sein würde. In einer Loge saßen der König, sein Onkel, Terra, Kai, Marina und noch andere Personen, die ich nicht kannte.

„Begrüßen sie bitte mit einem großen Applaus die Teilnehmer des Turniers. Jotanate, Jatana, Nelana“, sagte der Sprecher und führte all unsere Namen auf.

„Die Paarungen wurden dem Zufall überlassen und folgendermaßen aufgestellt. Den ersten Kampf bekommen Nelana und Jotanate“, rief der Mann und die zwei Mädchen sahen sich ernst an.

Was war das denn für ein Los? Diese Paarung galt für mich als das vorweggenommene Finale. Die Zwei würden bis zum letzten Blutstropfen kämpfen.

„Die anderen Kämpfer verlassen bitte die Arena, sodass dieser Kampf beginnen kann.“

Wir gingen in einen Raum, neben der Kampffläche. Von dort konnten wir zusehen, wie Jotanate und Nelana kämpfen würde.

„Was meint ihr, wer gewinnt?“, fragte Liram und sah voller Spannung zu den beiden.

„Keiner. Das gibt ein Unentschieden“, sagte ich und er lachte.

„Einer der beiden muss fallen. Sonst wird dieser Kampf nie zu Ende gehen.“

„Dann bleibt abzuwarten, wer zuerst seinen Stolz überwindet und aufgibt“, sagte ich und sah ebenfalls in die Arena.

Nelana hatte ihre Waffen in der Hand. Das Buch suchte wohl noch nach den richtigen Zaubern. Jotanate machte gerade ein paar Dehnübungen.

„Beginnt“, rief jemand und sofort griff Nelana an.

Sie schoss einen Feuerball, dem Jotanate geschickt auswich. Ihre Pfeile verbrannten an einer unsichtbaren Wand vor Nelana. So ging der Kampf weiter. Nelana benutzte ihre Zauber, denen Jotanate auswich und sie schoss auf Nelana, kam aber nicht durch den Schild. Plötzlich ging es sehr schnell. Nelana breitete ihre Arme aus und ein Eissturm brach los. Jotanate fiel aus der Luft, wie ein Apfel vom Baum. Ihr Aufschlag schien hart zu sein. Aber das bekam sie gar nicht mehr mit, denn sie war von einer dicken Eisschicht umgeben.

„Nelana gewinnt ihren Kampf“, sagte der Sprecher und Jubel brach auf der Tribüne aus.

„Als nächstes kämpfen Remino und Reviran gegeneinander.“

Bitte was? Ich sollte gegen Reviran antreten? Wer hatte denn diese Paarungen gelost? In der ersten Runde direkt einen Gegner wie ihn, war unangenehm. Reviran war ein ernst zu nehmender Gegner. Ich wusste nicht einmal zu was er fähig war. Langsam erhob ich mich und ging nach draußen, währen Nelana zu uns kam. Der Sand knirschte unter meinen Schuhen. Jotanate wurde gerade aus der Arena getragen. Das konnte nicht gut enden. Vielleicht würde ich Reviran unbeweglich machen können, wie Nelana Jotanate. Aber das war nur eine Theorie. Reviran stand mir gegenüber und lockerte seine Muskeln. Wozu war dieser Junge fähig? Ich zog meinen Zauberstab und machte mich kampfbereit.

„Beginnt“, rief der Sprecher und sofort griff Reviran an.

Er sprang auf mich zu. Mit einer Geschwindigkeit, die unglaublich war. Ich hatte kaum Zeit meinen Schild zu heben und seine Attacke abzuwehren. Seine Faust traf meinen Schild und ließ mich einen guten Meter nach hinten rutschen.

„Nicht getroffen“, fluchte Reviran und startete einen neuen Angriff.

Doch diesmal war ich schneller.

„Bindendes Siegel“, rief ich und sofort wurde er von Lichtstrahlten gefangen.

Verzweifelt versuchte er dagegen an zu kämpfen. Doch vergeblich. Dieser Zauber konnte mir den Sieg locker bescheren. Dabei war es etwas, was jeder Priester sehr früh lernte.

„Glaub nicht, dass es schon vorbei ist“, sagte Reviran und verschwand.

An seiner Stelle hing nur noch ein Holzpfahl mit einem Schal in den Ketten. Ein Austausch Zauber. Sehr clever von ihm gemacht, dass musste ich neidlos anerkennen. Mir war nicht bewusst, dass er solche Techniken beherrschte.

„Kopf hoch“, rief er und warf etwas nach mir.

Es war eine Lichtkugel. Sie bewegte sich sehr langsam, kam aber stetig auf mich zu. Ihr auszuweichen war ein Leichtes für mich. Aber Reviran versteckte sich hinter der Kugel. Da war ich mir sicher.

„Heilige Kraft der Drachen, komme zu mir und vernichte meine Gegner“, rief ich und beschrieb ein Kreuz vor meinem Körper.

Sofort zog ein Kreuz aus Feuer von mir los und prallte auf die Kugel von Reviran. Kurzzeitig blieben die zwei aneinander hängen, bis ich Revirans Angriff nach hinten schieben konnte. Ich hörte ihn nur erstaunt aufschreien und merkte, wie er ebenfalls Druck auf die Kugel ausübte.

„Jetzt habe ich dich“, rief ich und sprang ab.

Ich schlug gegen die Kugel und ließ sie so verschwinden. Mein Kreuz traf Reviran genau und ließ ihn zu Boden fallen. Schwer Atmend blieb er liegen.

„Remino gewinnt“, rief der Sprecher.

Langsam ging ich zu Reviran und heilte seine Wunden.

„Gut gekämpft, Remino“, sagte er und ich lächelte.

„Genau wie du.“

„Hätte nicht gedacht, dass du meine Attacke so einfach durchbrichst.“

„Das war auch reine Spekulation. Ich war mir selbst nicht sicher, ob das klappen würde.“

„Die nächsten Kämpfer sind Meriano und Liram“, rief der Sprecher.

Zusammen verließen wir die Arena und nahmen außerhalb Platz.

Rückkehr der Liebe

Die Kämpfe langweilten mich. Nachdem ich Jotanate ausgeschaltet hatte, war das ganze sehr eintönig geworden. Remino gewann gegen Reviran und Liram verlor gegen Meriano. Wie unerwartet. Remino würde mein nächster Gegner sein. Dann konnte ich ihm zeigen, zu was ich fähig war. Auch wenn er sich meiner Liebe gewiss sein konnte, würde das nichts am Ausgang des Kampfes ändern. Ich war eine Hexe und als solche auch bereit alles zu tun, was nötig war. Die Kämpfe gingen weiter und für Meriano ging der nächste Kampf gegen Sildera. Sildera, der Dorn in meinem Auge. Sollte ich auf sie treffen, würde ich sie nicht nur einfrieren. Sie stand zwischen Remino und mir. Jotanate war keine Gegnerin für meinen Charme. Ich würde alles anwenden, was ich gelernt hatte, um Remino zu verführen. Wofür war ich denn eine Prostituierte und Hexe in einem? Ich kannte Wege einen Mann willig zu machen, von dem Jotanate nicht einmal träumen konnte. Warteten wir einmal den Kampf gegen Remino ab. Das wird wohl nicht ganz so einfach wie gegen Jotanate. Die erste Runde war vorbei. Jetzt kam mein zweiter Auftritt.

„Die nächste Runde bestreiten Nelana und Remino.“

Jetzt war der Moment gekommen. Remino gegen mich. Hexe gegen Geistlicher. Eine uralte Feindschaft. Eigentlich durfte ich gar nicht verlieren. Gegen einen Geistlichen durfte eine Hexe niemals den Kürzeren ziehen. Aber war ich wirklich stark genug Remino zu schlagen? Er hatte schon einen Teil der Drachenkraft und konnte wer weiß was vollbringen. Gegen ihn zu verlieren war keine Schande, würde aber unheimlich an meinem Ego kratzen. Niemals. Ich würde nicht verlieren. Egal was kommen mochte. Ich würde Remino genauso besiegen wie auch Jotanate. Genauso leicht und spielerisch. Langsam gingen wir in die Arena und stellten uns gegenüber.

„Auf einen guten Kampf“, sagte Remino und richtete seinen Zauberstab auf mich.

„Möge die bessere Gewinnen“, sagte ich.

Er beantwortete meine Provokation nur mit einem Lächeln und einem Nicken.

„Beginnt“, rief die Stimme und ich startete meinen Angriff.

Genau wie gegen Jotanate benutzte ich häufig Feuerbälle. Doch das zeigte genauso wenig Effekt wie bei ihr. Remino blockte sie meist mit seinem Schild. Er war nicht so beweglich wie Jotanate dafür konnte er unglaublich Blocken. Sein Schild war wie eine Wand. Undurchdringlich für mich. Dann schlug mein Buch plötzlich einen Zauber auf, den ich noch nie in Betracht gezogen hatte. Einen Versuch war es wert.

„Eisschwerter“, rief ich und sofort schossen Eisschwerter aus dem Boden und zwangen Remino in die Luft.

Genau wo ich ihn haben wollte. Dort oben konnte er nicht blocken. Doch bevor ich dazu kam etwas zu tun, reagierte Remino.

„Heiliges Licht.“

Er richtete seine Hand auf mich und eine Lichtmauer ging von ihm aus. Sie breitete sich über die gesamte Arena aus und ließ mir keinen Raum mehr auszuweichen.

„Feuerwand“, rief ich und sofort bildete sich ein Feuerschild um mich herum.

„Nutzlos“, rief Remino und hatte sogar Recht.

Mein Schild zerbrach wie Glas und ließ mich hilflos gegen den Zauber zurück. Erstaunlicherweise brannte das Licht nicht. Es war mehr wie eine Wand. Als würde mein Körper gegen eine Backsteinwand gedrückt. Mit aller Kraft versuchte ich mich dagegen zu stemmen, konnte aber nicht das unvermeidliche verhindern. Ich wurde gegen die Außenwand des Rings gedrückt und verlor somit das Duell.

„Sieger ist Remino“, rief die Stimme.

Das durfte nicht sein. Remino hatte mich mit einer einzigen Attacke geschlagen? Unmöglich. Nicht einmal Marina hätte diese Kraft gehabt. Remino war ein Drache also wunderte mich seine Kraft nicht wirklich. Aber ich war doch ebenfalls ein Drache. Warum war ich so viel schwächer als er? Langsam kam er auf mich zu und heilte alle Wunden von dem Kampf.

„Es tut mir Leid, Nelana. Doch ich konnte es nicht schmerzfreier machen“, sagte er zu mir und half mir beim Aufstehen.

Machte dieser Junge Witze? Er hatte mich mit einem einzigen Zauber erledigt. Etwas was nicht einmal die stärksten Hexen bewerkstelligen konnten. Remino tat das mit Leichtigkeit und entschuldigte sich dafür, dass es nicht Schmerzfreier ging? War er noch zu retten?

„Keine Ursache“, sagte ich und verbarg meinen Ärger.

Eigentlich war ich stinksauer. Aber ich wollte Remino jetzt keine Vorwürfe machen. Wenn er nun einmal so stark war, dann war mir das Recht. Vielleicht war mein Training auch einfach zu weit in den Hintergrund gerückt. Seit einiger Zeit hatte ich keinen Zauber mehr gesprochen. Von einem Zweikampf mal ganz abgesehen. Vielleicht hatte ich auch einmal solch eine Niederlage gebraucht, um zu sehen, wie schwach ich eigentlich war. Wir verließen die Arena, während ich innerlich über mich selbst schimpfte und mich selbst beleidigte. Die nächsten Kämpfer wurden aufgerufen.

„Sildera und Meriano bitte in die Arena“, rief der Sprecher und die zwei traten ein.

Ich nahm wieder auf den Bänken in dem kleinen Raum Platz, als plötzlich jemand zu mir trat.

„Nelana, wir müssen reden“, sagte die Person und ich sah auf.

Lady Marina stand neben mir und sah mich, mit strengem, Blick an.

„Sehr wohl“, antwortete ich und folgte ihr.

Vor dem Raum blieb sie stehen und sah mich an.

„Komm mit“, sagte sie und führte mich durch das Kolosseum.

Wir erreichten die Loge, auf der sie gesessen hatte. Hier oben waren einige Menschen, die ich nicht kannte. Aber auch Kai und Tiana. Marina führte mich zu Kai und setzte sich neben ihn.

„Hallo, Nelana“, sagte Kai und lächelte mich an.

„Seid gegrüßt, Golddrache“, sagte ich und verneigte mich.

Offensichtlich hatte ich ihn damit amüsiert. Kai lachte nämlich.

„Nicht so formell, Nelana. Wir sind beide Drachen. Du musst nicht mit mir reden, als sei ich etwas Besonderes. Ich habe dich nicht grundlos rufen lassen. Dein Kampf eben, was genau hält dich zurück?“, fragte er und ich stutzte.

Mich sollte etwas zurückhalten? Niemals. Ich hatte gegeben, was ich konnte. Es war eben nicht genug.

„Gar nichts. Wie kommt Ihr darauf, dass mich etwas zurückhält?“

„Ich habe diesen Zauber schon oft bei Marina gesehen oder auch bei Tiana. Sie beide können damit sogar Terra in die Knie zwingen. Ein Geistlicher hat große Probleme in der Luft, weil er dort nicht Blocken kann. Genau dort schlägt dieser Zauber erst richtig zu. Leugne es nicht und kehre einmal in dich. Was hält dich zurück?“

Ich schloss meine Augen und folgte seinem Rat. Eine kleine Reise durch mein Bewusstsein konnte nicht verkehrt sein. Vielleicht hielt mich ja wirklich etwas zurück, was ich mir nicht einmal als Störung bewusst war. Also hieß es Suchen. Das tat ich auch. Da waren Erinnerungen an mein Leben im Golden Tropfen. Die Erinnerung daran, wie ich Remino begegnet war. Meine Sorgen über das zukünftige Leben als Drache. Und eine Erinnerung an meine Mutter. Tränen stiegen mir in die Augen. Mutter. Viel zu früh hatte ich sie verloren und war von der Drachenarmee gefangen genommen worden. Dann relativ zügig in den Goldenen Tropfen gekommen. Natürlich war das nicht schön. Aber hielt mich das wirklich zurück?

„Lass sie los, Nelana. Deine Mutter war eine große Hexe und hat dir etwas vermacht was niemand dir wegnehmen kann. Deine Liebe“, sagte Kai und ich zuckte zusammen.

Er hatte Recht. Ich war mir nie darüber klar, dass ich meine Liebe hatte. Mutter war immer so gütig zu uns. Sie hatte beinahe alles getan, was wir von ihr wollten. Im Rat war sie kürzer getreten, damit sie mehr Zeit für uns hatte, nachdem unser Vater gegangen war. Vater. Ich war mir nie sicher, aber ein Gefühl sagte mir, dass er nicht gestorben war und ich ihn eines Tages wiederfinden würde. Diese Hoffnung hatte mich all die Jahre angetrieben und auch als Prostituierte davon abgehalten den Verstand zu verlieren. Wer war mein Vater. Das beschäftigte mich wirklich sehr. Warum hatte er uns einfach verlassen? War er ein Priester? Oder noch Schlimmer ein Krieger? Mich kümmerte das nicht. Ich hegte nur einen gewissen Hass gegen ihn, sollte ich ihn jemals zu Gesicht bekommen. Er hatte uns zurückgelassen. Plötzlich begann mein Buch zu leuchten. Ich öffnete meine Augen und sah zu, wie mein Buch zu schweben begann. Es schlug die Seite mit dem Spiegel auf und legte sich dann auf den Boden. Sofort erschien eine Illusion von meiner Mutter. Erstaunt taumelte ich zurück.

„Wie ist das möglich?“, fragte ich und sie lächelte.

„Kleine Nelana oder auch Dilectio. Drache der Liebe. Ich habe einst diesen Zauber in dein Buch geschrieben, damit ich dir etwas mitteilen kann, wenn du soweit bist. Dein Vater, er steht genau hinter mir“, sagte sie und ich sah durch sie durch.

An der Wand stand ein Krieger, der einen Schal vor seinem Gesicht hatte. Vom Alter her konnte er genau der Mann sein, den meine Mutter meinte.

„Wir haben damals beschlossen getrennt zu leben und euch nichts zu erzählen, weil es nicht möglich war. Eine Hexe und ein Krieger. Und dazu auch noch die Oberhexe. Unsere Beziehung musste verborgen bleiben. Es euch zu sagen, hätte damals keinen Sinn gemacht, da ihr es eh nicht verstanden hättet. Der blaue Wolf ist dein Vater, Nelana. Und auch Kaliras Vater. Auch wenn ich nicht mehr bei euch sein kann, lebe ich in euren Herzen weiter. Egal zu was ihr werdet, Drachen oder Dämonen, ich werde euch immer lieben. Egal was kommt“, sagte sie und löste sich auf.

„Mutter, warte“, rief ich.

Doch das hatte keinen Sinn. Es war nur eine Illusion. Sie hatte damals in mein Buch geschrieben und diesen Zauber wohl speziell vorbereitet. Aber eigentlich konnte sie die Zukunft ja nicht kennen. Also konnte jeder Mann der Mann sein, von dem sie sprach.

„Dein Vater hält dich also zurück. Ist es der Hass gegen ihn? Oder eher die Liebe?“, fragte Kai und legte seine Hand auf meine Schulter.

„Weder noch. Es ist die Hoffnung ihn eines Tages zu sehen“, sagte ich und Tränen sammelten sich in meinen Augen.

„Dann habe ich eine Überraschung für dich“, sagte er und ging zu dem Mann in der Ecke.

Zusammen kamen sie zurück.

„Nelana, darf ich vorstellen? Rudolph, der blaue Wolf“, sagte er und der Mann nahm seinen Schal ab.

Das Gesicht des Mannes kam mir bekannt vor. Bei meiner Geburt hatte ich es gesehen. Die Erinnerung war sehr vage, doch sie war da. Das musste wirklich er sein. Der Mann, der mich in die Welt gesetzt hatte. Jener Mann, der mich alleine gelassen hatte, weil meine Mutter eine Hexe war.

„Hallo, Tochter“, sagte er und ich erschauderte.

Sogar seine Stimme kam mir so bekannt vor. Es war unheimlich. Ein wildfremder Mann, den ich noch nie gesehen hatte, stand vor mir und entpuppte sich als mein Vater.

„Bist. Bist du es wirklich?“, fragte ich und ging auf ihn zu.

Langsam ging er in die Knie, sodass wir auf Augenhöhe waren. Vorsichtig streckte ich meine Hände aus und berührte sein Gesicht, in der Angst, es könnt einfach in Rauch verblassen. Doch das tat es nicht. Es war real.

„Vater“, flüsterte ich und begann zu weinen.

„Es ist gut, Nelana. Ich bin für dich da“, sagte er.

Innerlich war ich überglücklich. Doch mein Verstand sagte mir, dass ich ihn zur Rede stellen sollte. Er war einfach abgehauen und hatte nichts getan, Kalira oder mich groß zu ziehen. Nicht einmal vor der Drachenarmee hatte er uns retten können. Doch hatte er es überhaupt versucht.

„Wo warst du, als ich dich mehr als dringend gebraucht habe?“, fragte ich.

„Ich war niemals weit weg. Während ihr bei der Drachenarmee gefangen wart, habe ich sie infiltriert und dafür gesorgt, dass ihr gut behandelt werdet. Ich habe dafür gesorgt, dass ihr verkauft wurdet. Die Betreiberin des Goldenen Tropfens ist eine sehr alte Freundin von mir und war mir einige Gefallen schuldig. Deswegen habe ich euch dort überhaupt unterbringen können und euch eine sehr gute Zeit als Lustmädchen ermöglicht. Ihr musstet nicht das tun, was die anderen Mädchen taten. Das war alles, was ich tun konnte, ohne in die Öffentlichkeit treten zu müssen und das Geheimnis zu offenbaren, was eurer Mutter und ich verborgen ließen. Mehr war mir wirklich nicht möglich. Ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst“, sagte er.

Seine Stimme klang schwach, als würde er selbst jeden Moment anfangen zu weinen. Auch für ihn durfte das hier nicht einfach sein. Er hatte immerhin beschlossen seine Töchter nie mehr zu sehen, solange seine Frau noch lebte. Mit ihrem Tod war es beinahe ungefährlich sich zu zeigen und als unser Vater zu präsentieren. Was kümmerte es mich, ob mein Vater ein Krieger oder ein Priester war? Es machte doch keinen Unterschied. Mensch war Mensch. Wenn meine Mutter diesen Mann geheiratet hatte, dann was es ihre Entscheidung. Wahre Liebe konnte man nicht in eine Bahn zwängen. Sie bahnte sich ihren Weg. Wie Wasser durch einen Felsen. Unaufhaltsam.

„Ich vergebe dir“, sagte ich und er zitterte.

Konnte er es nicht fassen, dass ich das gesagt hatte? Egal was es war. Ich war glücklich. Endlich hatten sich meine Hoffnungen bestätig. Mein Vater war nicht tot und stand vor mir. Er hielt mich im Arm und freute sich genauso wie ich, ihn zu sehen.

„Ab jetzt wird alles gut“, sagte er und begann tatsächlich zu weinen.

Tränen fielen auf mein Haar. Das störte mich nicht. Mein Vater war bei mir. Ich wollte gerade etwas sagen, als eine Wache angelaufen kam.

„Mein König. Es tut mir leid euch stören zu müssen, doch die Drachenjünger stehen vor unseren Toren und wollen angreifen“, sagte er und Simon stöhnte.

„Schickte sämtliche Soldaten los. Ich werde gleich nachkommen. Welche Mauer?“

„Sie sind von osten gekommen, haben die Stad aber komplett umstellt.“

Simon begann zu überlegen.

„Wie müssen euch sofort in Sicherheit bringen“, sagte sein Onkel.

Doch Simone winkte ab.

„Wichtiger ist es, dass unsere Untertanen sicher sind. Ich bin ersetzbar. Sie sind weitaus wichtiger. Niemand sollte das besser wissen als ihr, Onkel. Ich werde zum Haupttor kommen“, sagte Simon und der Soldat lief davon.

„Wir können sie nicht aufhalten, Majestät. Der Hafen wir fallen“, sagte Simons Onkel.

„Unsinn. Diese Stadt ist seit Jahrhunderte uneinnehmbar. Was sollte sich geändert haben, dass sie auf einmal zu uns durchdringen könnten?“, fragte Keila und alle sahen sie an.

„Vielleicht die Tatsache, dass ein Teil der Mauer beinahe komplett zerstört ist?“

„Stimmt. Das hatte ich verdrängt. Lady Marina, können wir Hexen etwas tun?“

Der Blick von Marina verriet alles.

„Der gesamte schwarze Turm soll ausrücken. Alle Elitehexen und alle Auszubildende. Jede Frau soll diese Stadt mit ihrem Leben verteidigen“, sagte sie und Keila nickte.

Dann lief sie davon und arrangierte wohl alles Nötige.

„Lady Marina, ich möchte eure Entscheidung nicht anzweifeln. Aber ihr seid euch hoffentlich bewusst, dass wir durch diesen Befehl viele Hexen verlieren werden, oder?“, fragte Tiana und trat vor sie.

„Dessen bin ich mir bewusst. Doch ich kann es nicht zulassen, dass diese Stadt fällt. Sie ist das Zentrum allen Handels und das Tor zu den anderen Kontinent in Jagurin. Als Zentrum ist, sie das wichtigste das wir haben. Wenn einige Hexen ihre Leben lassen müsse, damit es bestehen bleibt, müssen wir dieses Opfer in Betracht ziehen“, sagte sie und Tiana nickte.

„So sei es, Oberhexe“, sagte sie und Marina nickte.

„Nelana, es ist Zeit“, sagte Kai und sah mich an.

„Bist du bereit alles hinter dir zu lassen und zu kämpfen?“

„Ich denke schon“, sagte ich und mein Vater ließ mich los.

„Konzentrier alles auf den Kampf und du wirst siegreich sein“, sagte er und ging zu Marina.

„Es ist Zeit Liebling. Bist du bereit deine Kraft zu testen?“, fragte er und sie nickte.

Hatte er sie gerade Liebling genannt? War mir etwas entgangen? Egal. Jetzt galt es die Stadt zu verteidigen.

„Vater?“, fragte ich und sah ihn an.

„Meine Krieger sind bereit. Wir kämpfen um jeden Meter Boden“, sagte er und wollte gerade gehen, als ich ihn aufhielt.

„Sei bitte vorsichtig. Ich will dich nicht wieder verlieren“, sagte ich und er lachte.

Damit ging er. Ich war alleine in der Loge. Das Kolosseum war mittlerweile komplett leer. Nur ich stand noch hier. War ich wirklich bereit? Konnte ich meine Sorgen ablegen und mich voll auf den Kampf konzentrieren? Eigentlich war mir das nicht möglich.

„Nelana“, rief jemand und ich sah nach hinten. Dort stand Reviran und sah mir entgegen.

„Wir warten alle auf dich“, sagte er und ich nickte.

„Ich komme“, sagte ich und hob mein Buch auf.

Sofort lief ich los und folgte ihm zu den anderen. Sie standen im Thronsaal und warteten auf mich. Vor ihnen stand König Simon. Er trug eine Rüstung, die ihn lächerlich wirken ließ. Der Körper viel zu groß für seinen Kopf.

„Dann sind ja alle versammelt. Ich brauche eure Hilfe, Drachen und Reisende. Die Stadt ist angeschlagen und in keiner guten Verfassung. Da brauch man nichts schön zu reden. Wir stehen einer nie da gewesenen Bedrohung gegenüber. Ihr Drachen könnt die Drachenjünger aufhalten. Sie müssen euch gehorchen. Also hoffe ich, dass ihr ihnen etwas Vernunft einreden könnt. Haltet diese Stadt um jeden Preis“, sagte Simon und verließ dann den Palast.

„Was jetzt?“, fragte Meriano und sah Remino an.

„Kämpfen. Uns wird nichts anderes übrig bleiben. Jotanate, kannst du kämpfen?“, fragte er und sah sie an.

Mein Zauber durfte ihr eigentlich keinen Schaden zugefügt haben.

„Ja. Nelana war gnädig zu mir“, sagte sie und sah mich mit etwas Respekt an.

Oder hatte ich mir das jetzt eingebildet? Fürchtete sie mich jetzt etwa? Stören würde es mich nicht. Aber es war doch etwas übertrieben.

„Dann gehen wir“, sagte Remino und ging voran.

Die anderen folgten ihm. Ich wollte auch gerade gehen, als Jotanate vor mich trat.

„Gut gekämpft, Nelana. Hätte nicht gedacht, dass du solche Zauber verwenden kannst. Tut mir Leid, was ich damals gesagt habe“, sagte Jotanate und hielt mir ihre Hand hin.

Sie entschuldigte sich wirklich. Träumte ich? Die dumme Jotanate zeigte offensichtlich eine Seite, die mir gefiel und sehr schön war.

„Vergeben“, sagte ich und ergriff ihre Hand.

„Dann lass uns den Drachenjünger mal ordentlich den Hintern versohlen“, sagte sie und wir gingen zusammen den anderen nach.

Remino führte uns durch das Chaos hier. Die Menschen rannten umher und brachten ihr Hab und Gut in Sicherheit. Ich wusste nicht, ob es schon gelungen war, die Stadt zu verteidigen oder ob schon die ersten Monster durch sie zogen. Allerdings kam die Antwort sehr schnell. Eine Hexe kam neben uns zu fall und blieb liegen. Ihr Hals vor voller Bissspuren. Die Monster waren näher als wir uns das Denken mochten.

„Zur Seite!“, schrie Reviran und wir stoben auseinander.

Im nächsten Moment kam ein Monster zu Boden. Es sah aus wie ein Goblin. Allerdings viel größer. Auf seiner Stirn war eine Art Narbe.

„Verflucht, das ist ein Mutagoblin“, sagte Revarian und sah das Monster an.

„Was bitte?“, fragte ich und er zeigt auf das Wesen.

„Dieser Goblin wurde mit Drachenblut versorgt. Es fördert ihre Kraft und macht ihre Körper beinahe unverwundbar. Aber ihre Intelligenz ist weiterhin nicht vorhanden. Diese Narbe auf dem Kopf ist vom Eintreten des Blutes. Vorsichtig sie sind schneller und tödlicher als jedes andere Wesen“, sagte er und ließ seine Messer am Arm ausfahren.

Ich zog mein Zauberbuch und ließ das Wesen nicht aus den Augen.

„Jotanate, kannst du es positionieren?“, fragte ich und sie nickte.

„Kein Problem. Einen Wunsch, wo es stehen soll?“

„Am besten da, wo ich gut Angreifen kann. Vor mir“, sagte ich und sie nickte.

„Sollst du haben.“

Sie zog ihren Bogen und griff das Wesen an.

„Was hast du vor?“, fragte Revarian und ich ließ eine Seite in meinem Buch aufschlagen.

„Es vernichten“, sagte ich und schlug meinen Stab auf das Buch.

Dann sah ich mich nach Jotanate um. Sie sprang umher und wich den Schlägen des Monsters sehr gut aus.

„Jetzt!“, schrie ich und sie nickte.

Sie sprang ab und landete direkt hinter mir. Der Mutagoblin sah mich an und legte seinen Kopf schief.

„Ich habe dich. Vortex der Flammen.“

Unter dem Monster bildete sich ein Kreis. Im nächsten Moment schoss ein Flammentornado in die Luft und verdeckte den Goblin. Er schrie nicht und gab auch sonst kein Geräusch von sich.

„Das wird keine Wirkung haben, sie sind immun gegen Feuer“, sagte Reviran und sah mich an.

„Aber ihre Blut nicht. Darauf habe ich es abgesehen“, sagte ich und er nickte.

Er verstand wohl, dass ich das Drachenblut verbrennen wollte. Mal sehen, ob dieser Plan funktionieren würde. Langsam ließ der Zauber nach und der Tornado verschwand. Vor uns lag ein kleiner Goblin, wie man ihn kannte.

„Es hat wirklich geklappt“, sagte Reviran und sah mich an.

„Einen Versuch, war es wert“, sagte ich und er lachte.

„Wir müssen zur Mauer“, sagte Remino.

„Gut. Weißt du zufällig auch, wie wir dahin kommen?“, fragte Kalira und Remino sah sie an.

„Woher sollte ich das wissen? Ich bin nur ein Priester.“

„Ich glaube, wir brauche nicht mehr suchen“, sagte ich und alle sahen in die Richtung in die ich sah.

Da kam eine riesige Armee auf uns zu. Voller Mutagoblins, Orks und Goblins. Angeführt wurden sie von mehreren Drachenjüngern. Wie viele es waren, konnte ich nicht sagen.

„Aus dem Weg, Kinder. Wir wollen euch nichts tun“, sagte einer der Jünger und kam vor uns zum Stehen.

„Und wer glaubst du, bist du, dass du mir Befehle erteilen kannst?“, fragte ich und er zog seine Maske ab.

Zum Vorschein kam Jake.

„Das ist unmöglich“, sagte ich und er lachte.

„Nichts ist unmöglich. Wir Drachenjünger sind selbst Halbgötter. Eure kleinen Attacken und auch die von Thomas konnten mir nichts anhaben“, sagte er.

„Monster“, sagte ich.

„Du schmeichelst mir. Macht Platz. Ich will euch nicht verletzten müssen“, sagte er.

Das konnte ihm so passen. Ich war ein Drache. Der Liebesdrache. Er konnte nicht mit mir reden, wie er das wollte. Plötzlich schoss eine erstaunliche wärme durch meinen Körper. Es fühlte sich an als würde ich innerlich verbrennen. Doch bevor ich noch etwas anderes spürte, wurde ich von einer Kugel aus Magie umgeben. Dann ging alles sehr schnell. Mein Körper wuchs, wurde zu dem eines Drachen. Ich sah genauso aus, wie Remino, nur mit rubinroten Schuppen. Die Kugel verschwand wieder. Erstaunt sah ich auf meinen Körper und musste feststellen, dass ich noch eindrucksvoller aussah, als ich mir das erträumen konnte. Langsam richtete ich meinen Kopf auf Jake. Er sah mich an und erschauderte.

„Meister Dilectio“, sagte er und verneigte sich.

„Wie könnt ihr es wagen in diesem Ton mit mir zu sprechen? Ihr habt Teile von Drachenblut in euch. Welches von uns gegeben wurde.  Denkt ihr wirklich, dass ihr euch alles erlauben könnt?“

„Verzeiht, Meister.“

„Wofür haltet ihr euch eigentlich? Die allmächtigen Drachenjünger, die tun und lassen können was sie wollen? Hat man euch befohlen diese Stadt anzugreifen?“, fragte ich und er erschauderte.

„Nein, Meister. Wir sind hier, weil auf der Suche nach einem Artefakt sind. Wir vermuten es hier.“

„Vermutet? Ihr vermutete es hier? Denkt ihr wirklich ein paar Vermutungen lassen mich darüber hinwegsehen, dass ihr es gewagt habt mir die Stirn zu bieten? Ich hoffe ihr habt mehr als das.“

„Nein, Meister. Haben wir nicht.“

„Dann sehe ich keinen Grund darin euch leben zu lassen“, sagte ich und holte tief Luft.

„Wartet“, rief Jake und sah mich an.

„Wir sind auch wegen euch hier. Eure Brüder wünschen nicht, dass euch etwas zustößt. Das waren ihre letzten Anweisungen. Wir sollen euch im Auge behalten.“

„Wie rührend von euch. Warum tötet ihr dann die Menschen hier? Ihr wusstet doch nicht einmal, wer wir sind.“

Jake schluckte. Diese verbesserte Wahrnehmung war wirklich klasse. Ich konnte alles sehen und hören. Sogar die Angst von Jake riechen. Natürlich hatte ich nicht vor diese Menschen zu töten.

„Bitte, Dilectio. Wir stecken in einer Krise. Eure Brüder geben uns keine Befehle mehr. Wir müssen aus eigenem Willen handeln und der bringt uns oft in solche Situationen wie jetzt“, sagte Jake und sah mich an.

„Wenn ihr keine Befehle bekommt habe ich einen für euch. Zieht euch zurück und wartete darauf, dass wir euch welche geben. Ihr könnt nicht einfach plündernd über das Land ziehen und nehmen was ihr wollt. Vor allem nicht das Leben anderer.“

„Wie ihr befehlt, Dilectio“, sagte Jake und erhob sich wieder.

Damit drehte die Streitmacht um und verließ die Stadt. Meine Freunde kamen zu mir.

„Sehr gut, Nelana. Du hast sie verjagt“, sagte Remino und sah mich an.

„Das hättest du auch gekonnt“, sagte ich und er nickte.

„Wenn ich die Gestalt eines Drachen wieder angenommen hätte, ja.“

Jotanate sprang auf meinen Rücken und kletterte auf meinen Kopf.

„Was machst du?“, fragte ich und sie sah sich um.

„Nachsehen, ob sie auch wirkliche gehen und man sie gehen lässt. Aber es sieht so aus, als würden die meisten Soldaten nicht mehr stehen, um sie aufzuhalten“, sagte sie und ich kicherte.

Langsam kamen die Menschen wieder aus ihren Häusern. Einige von ihnen sahen mir neugierig entgegen. Andere kamen aber auch schon dem Ausdruck von blankem Hass zu mir.

„Seht nur, ein Drache“, rief jemand und viele Menschen gaben ihm Recht.

„Wenn die Drachen hier sind, ist es kein Wunder, dass die Armee angreift. Immerhin sind es die Drachen, die die Welt an den Abgrund treiben.“

„Was? Wir treiben die Welt an den Abgrund? Und was tut Aleta? Sie versucht uns zu töten“, sagte ich und sah mich um.

„Ohne euch war es besser. Aleta hat nicht versucht irgendwen zu töten. Sie hat einfach nur in ihrem Reich ausgeharrt und die Geschicke der Welt auf sich beruhen lassen. Und wenn sie euch töten will, dann nur aus Rache, weil ihr sie damals beinahe umgebracht hättet. Ihr Drachen seid nichts weiter als ein Schandfleck auf dem Antlitz dieser Erde“, rief eine Frau und Remino trat vor mich.

„Glaubt ihr nicht, dass ihr ein wenig übertreibt? Aleta spielt ein doppeltes Spiel. Sie will die absolute Macht über alles und jeden. Also versucht sie Herrin der Gefühle zu werden“, sagte er.

„Und wenn schon. Ohne die Drachen ging unser Leben auch weiter. Seit sie wieder aufgetaucht sind, gibt es nur noch Krieg mit der Drachenarmee. Ohne euch sind wir besser dran. Wir brauchen euch nicht!“, schrie jemand und die Menge begann ihm zuzustimmen.

„Aber“, begann Remino.

Doch er gab den Versuch schnell auf. Die Menge wurde immer wütender und sie begannen sogar schon mit Steinen nach mir zu werfen. Es fühlte sich zwar an, als würden Wassertropfen gegen meine Schuppen prallen, doch es war nicht wirklich schön. Das musste aufhören und zwar sofort. Ich holte tief Luft und stieß ein sehr lautes Brüllen aus. Sofort wichen die Menschen zurück und hörten aus mit Sachen zu werfen.

„Wie könnt ihr es wagen mich zu attackieren. Eigentlich müsste ich euch für diese Torheit alle bestrafen. Doch euer Leben in die Hände Aletas zu legen ist Strafe genug. Kommt, Drachen, wir gehen“, sagte ich und legte meinen Körper so zu Boden, dass meine Freunde an mir heraufklettern konnten.

Das taten sie auch. Alle bis aus Reviran.

„Fliegt schon mal vor. Ich komme gleich nach“, sagte er und ich erhob mich.

Ich sammelte meine Kraft und stieß mich vom Boden ab. Eine Windböe ging durch meine Schwingen und hob mich weit über die Stadt. Ich folg in die Schwarzberge. Genau zu dem Ort, wo Remino einst gelandet war.

Johannes

Ich sah Nelana nur kurz nach und schenkte dann der Menge vor mir wieder Beachtung. Die meisten Menschen sahen Nelana ebenfalls nach. Mit ihrer Reaktion hatte ich eigentlich gerechnet, weil die Menschen ziemlich sauer auf die Drachen waren. Ich war damals ebenfalls sehr wütend gewesen. Aber nicht auf die guten Drachen. Sondern nur auf die Vier bösen.

„Bewohner von Jagurin, Menschen vom Heiligen Hafen“, rief ich und sofort sahen alle mich an.

„Warst du nicht auch ein Drache?“, fragte jemand und ich lachte nur.

„Ich bin kein Drachen, nein. Dafür bin ich etwas viel schlimmeres. Meine Wenigkeit ist ein Rabe. Ein Assassine der hohen Elite.“

„Schön und was willst du von uns?“

„Einfach nur eine Frage stellen. Wollt ihr wirklich, das Aleta die Macht über die Gefühle bekommt?“

„Wenn dadurch endlich Frieden herrscht, ja.“

„Es würde Frieden herrschen. Doch Aleta würde die absolute Kontrolle über euch erlangen. Versteht ihr das? Sie könnte frei über euch bestimmen. Wenn sie will, dass ihr sterbt, dann sterbt ihr. Will sie nicht, dass ihr euch verliebt, passiert es auch nicht. Ihr werdet zu Marionetten einer Frau, die nur nach Macht giert. Wollt ihr wirklich, dass eine Frau euer Leben bestimmt? Wenn ja, dann werde ich den Drachen nahe legen, ihre Bemühungen gegen Aleta einzustellen. Sollte es jedoch nicht der Fall sein, dann solltet ihr euch entschuldigen. Die Drachen sind es, die unsere Welt wieder Frieden bringen können. Ohne sie werden wir in die Hände einer tyrannischen Frau fallen, gegen die wir uns nicht wehren können“, sagte ich und ging.

Die meisten Menschen dachten wohl gerade darüber nach, was ich gesagt hatte. Andere winkten sofort ab und gingen. Und wieder andere diskutierten heftig. Plötzlich stand ein Mann vor mir. Wo war er hergekommen? Ich hatte ihn weder kommen sehen, noch wahrgenommen. Vorsichtig sah ich auf. Es war ein Bewohner der Sümpfe. Sogar ein Uhreinwohner. Ihre Katzengleiche Gestalt war einfach unverwechselbar.

„Bewegende Ansprache“, sagte er und seine gelben Augen musterten mich.

„Danke“, sagte ich verwirrt und versucht seinem Blick auszuweichen.

„Du bist ein Assassine. Und setzt dich für die Drachen ein? Das ist ungewöhnlich. Dein Dorf wurde von ihnen zerstört.“

„Die Drachen waren einst meine Freunde. Die dunklen Drachen waren daran schuld, dass mein Dorf gefallen ist und damit auch meine Frau.“

„Verstehe. Ich bin auf der Suche nach einem gewissen Remino. Weißt du wo er ist?“

„Remino? Der ist gerade mit Dilectio wegeflogen. Ich wollte ihnen gerade nachgehen“, sagte ich.

„Dann erlaube mir dich zu begleiten. Die Zeiten sind gefährlich und man sollte nicht alleine sein.“

„Wer seid ihr?“, fragte ich und er lachte.

Dabei entblößte er seine scharfen Zähne.

„Ich bin ein Freund von Jermain und Reminos Lehrer. Mein Name ist  Johannes. Die meisten nennen mich aber nur Johan.“

„Dann wollen wir sie mal suchen gehen“, sagte ich und er nickte.

Wir gingen in Richtung Schwarzberge. Nelana würde wohl an der gleiche Stelle lande, wie Remino einst. Es war genug Platzt und die Umgebung war schon zertrampelt. Diese Stelle musste ich nur wiederfinden. Aber ein Drache, der größer als ein Berg war, war nicht schwer zu finden. Verstecken konnten sie sich ja nicht.

Enttäuscht

Nelana Landung war sanft. Zumindest sanfter als meine. Aber das änderte nichts daran, dass auch sie unheimlich viel Staub aufwirbelte und mehrere Bäume umknickte.

„Wir sind angekommen“, sagte Nelana und legte sich zu Boden.

Sofort kletterten wir nach unten. Ich hatte noch nicht ganz den Boden berührt, als ich hörte wie Jotanate wild zu fluchen begann.

„Die ganze Arbeit völlig umsonst. Kein Mensch will, dass wir wieder erwachen. Sie wollen sich alle Aleta ergeben. Sind die noch zu retten? Mir scheint es ja nicht so. Man ich könnte“, begann sie, doch ich ging dazwischen.

„Beruhig dich, Jotanate. Wut hilft uns hier auch nicht weiter. Ganz im Gegenteil. Sie wird es nur noch schlimmer machen. Wenn die Menschen sich so entschieden haben, müssen wir das akzeptieren. Wir müssen in ihrem Interesse handeln. Ist es ihr Interesse, dass wir verschwinden, dann tuen wir das. Aleta wird nicht siegen, denn solange es uns gibt, werden wir verhindern, dass sie die Macht erlangt. Solange die Menschen immer noch zweifeln, verliert sie kontinuierlich an Macht. Das ist unser großer Vorteil. Egal was kommt. In einem Kampf würden wir sie besiegen. Solange die Menschen sie nicht mehr anbeten, haben wir immer eine Chance“, sagte ich und Jotanate sah mich an.

„Ich kann mich einfach nicht beruhigen, Remino. So etwas ärgert mich sehr. Warum leben wir nicht harmonisch miteinander? Das ist der einzige Weg, wie wir diesen Krieg beenden können.“

„In diesem Punkt hast du Recht. Aber die Menschen sehen das nicht so. Vielleicht wenn du erwachst. Aber vorher nicht. Solange die Harmonie nicht in ihren Herzen ist, bleibt alles so, wie es ist.“

„Ja zu dem Punkt muss ich euch etwas sagen“, sagte Jemand und ich drehte mich um.

Hinter uns stand Casus. Er lächelte und trug keine Waffe bei sich. Was wollte er hier?

„Casus“, zischte Nelana und fauchte ihn an.

„Ganz ruhig, Große. Ich bin nicht euer Feind, schon vergessen? Aleta ist der Feind. Remino und Nelana, ihr seid beide schon erwacht. Zumindest glaubt ihr das. Die Gestalt, die ihr angenommen habt ist nur vorübergehend, bis eurer Kräfte wieder vollständig erholt sind. Eigentlich seht ihr anders aus. Na gut, vielleicht einige von euch nicht sehr großartig anders, aber andres. Ach ja und was mir eingefallen ist. Ich habe hier etwas für euch beide, Remino und Nelana“, sagte er und warf mir einen Stein zu.

Es sah aus, als wäre es eine Drachenschuppe von einem grünen Drachen. Nelana hatte er eine in Rot gegeben.

„Das sind die Drachen, die Aleta erwecken kann. Also eure Rüstungen. Wenn ihr eure Kräfte versteht, werden sie sich automatisch anlegen und nicht mehr weit von euch entfernt aufbewahrt werden können. Aleta hat schon die Macht über diese Juwelen verloren. Also ist es ungefährlich sie euch zu geben“, sagte er und verschwand wieder.

Was hatte er gesagt? Wir hatte noch gar nicht unsere richtige Gestalt? Aber wie war das möglich. Kai meinte doch, dass wir zum Drachen werden, wenn wir erwachen. Nelana war ein Drache und ich ebenfalls. Wie konnte es dann sein, dass ich eine andere Gestalt haben sollte.

„Das ist ganz einfach. Du bist erwacht aber hast nur einen Teil deiner Drachenkraft. Kehrt sie zu dir zurück, wirst du zu dem, der du eigentlich bist. Doch dafür müsst ihr den Stab der Philosophen finden“, sagte Kai und trat zu uns.

„Wieso?“, begann ich doch er unterbrach mich sofort.

„Wieso ich es euch nicht direkt gesagt habe? Hätte es euch gefreut, wenn ihr erfahren hättet, dass ihr noch immer nicht erwacht seid, obwohl ihr euch in Drachen verwandeln könnt? Es war mehr eine Frage der Moral, als der Vernunft.“

„Wo finden wir den Stab?“, fragte Jotanate und trat zu uns.

„Zuerst, verwandle ich Nelana zurück, wenn sie das will“, sagte Kai und sah sie an.

Nelana nickte und im nächsten Moment stand wieder die Hexe vor uns.

„So jetzt zu dem Stab. Cynthia hat ihn wohl an einen geheimen Ort gebracht, den keine Hexe kennt. Marian konnte nichts in Erfahrung bringen. Zudem ist Cynthia selbst auch verschwunden. Somit kann man sie nicht mehr Fragen. Ich habe meine Söhne mit der Suche beauftragt, doch auch sie können ihn nicht schneller finden, als ihr. Sobald sie etwas wissen, werden sie es euch wissen lassen. In den Steppendörfern wurde Cynthia zuletzt gesehen. Vielleicht könnt ihr dort mit der suche beginnen“, sagte Kai und drehte sich um.

„Eure Kraft hängt an diesem Stab. Ihr müsst ihn finden.“

Mit diesen Worten ging er wieder und ließ uns verwundert zurück.

„Diese verfluchte Hexe“, sagte Nelana.

Ich wollte gerade etwas sagen, als unsere Lehrer zu uns kamen. Zusammen mit Reviran und einem Eingeborenen aus den Sümpfen. Seine Ohren waren unheimlich groß. Das Fell in seinem Gesicht beinahe schwarz. Hinter ihm wedelte ein Schweif hin und her. Seine Augen leuchteten leicht, da es hier sehr dunkel war.

„Hallo, Kinder“, sagte Ducan und sah uns an.

„Wieso seit ihr hier? Wir dachten ihr verteidigt den Hafen“, sagte Tiana mit einem gewissen aggressiven Unterton.

„Nelana ist erwacht und hat die Drachenjünger fort geschickt. Die Bewohner wollten, das wir verschwinden und deswegen sind wir hier her gekommen“, sagte Jatana und sah Lilith an.

„Sie haben Angst“, sagte sie und Adelia lachte.

„Kein Wunder. Aleta hat verbreitet, dass alleine die Drachen an diesem Krieg schuld sind. Die Menschen wissen es nicht besser und glauben es. Damit hat sie eine bessere Position, als wir. Sie kann den Menschen immer noch Befehle erteilen. Dagegen wehren sie sich nicht, denn Aleta ist für sie ja die Gute.“

In Adelias Stimme konnte ich eine gewisse Sorge hören. Aletas Methoden gaben ihr wohl auch zu denken. Zudem war das, was sie sagte, nicht wirklich schön.

„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte ich und der Mann neben Reviran trat vor.

„Ich trete vor euch, als Diener Aletas. Mein Name ist Johannes. Aber viele nennen mich nur Johan. Ich bin ein guter Freund von Jermain. Als solcher möchte ich euch einen Rat geben. Die Menschen können böse Dinge sagen. Aber ihr dürft niemals böse Dinge über euch selbst sagen. Denn wo ein Wille ist da ist auch ein Weg. Ihr wollt, dass die Menschen sehen, wie böse Aleta ist. Euer Freund hier, hat den Bewohnern vom Hafen einige Dinge gesagt, die sie zum Nachdenken anregen werden. Gebt die Menschen nicht so schnell auf“, sagte er.

Nelana schnaubte verächtlich und drehte sich um. Jotanate ebenfalls. In dem Punkt schienen die zwei sich einig zu sein.

„Eure Worte sind aufrichtig, Bruder Johannes. Aber in unseren Herzen wächst langsam ein gewisser Hass auf die Menschen, dich nicht zu begreifen scheinen, dass wir ihnen helfen wollen. Für uns ist es schwer jemandem zu helfen, wenn er sich dagegen wehrt“, sagte ich und er nickte.

„In der Tat ist denen, die sich der Hilft verwehren keine zu gewähren. Doch in diesem Fall handelt es sich um die gesamte Population dieser Welt. Das könnt ihr nicht einfach ignorieren und wegen leicht kritischer Worte aufhören eure Arbeit zu machen“, sagte er.

„Wir wollen auch nicht unsere Arbeit nieder legen. Doch wenn wir Aleta besiegt haben sollten, werden wir den Menschen vielleicht mit der gleichen Feindseligkeit gegenübertreten.“

„Und das könnte ich nur zu gut verstehen. Dennoch liegt es nicht in euer Macht darüber zu entscheiden, wer leben darf und wer nicht. Ihr seid ein Vorbild für die Menschheit. Auch wir Lotuser sind auf eure Gnade angewiesen. Eins dürft ihr niemals tun. Die Macht, die euch gegeben wurde, missbrauchen.“

Damit hatte er Recht. Mir war das bewusst. Doch war es den anderen auch klar? Wir hatten Macht. Diese machte uns zu den Herrschern über die Gefühle. Die Hoffnung und auch die Liebe waren bereits wieder gekehrt und die Menschen hofften wieder. Genauso liebten sie einander. Sie dachten nur nicht daran, dass Nelana und ich dafür verantwortlich waren. Ein Zustand, der sich nicht ändern würde. Das machte mir solche Sorgen.

„Kinder. Es ist Zeit“, sagte Tiana und wir sahen sie an.

„Was für eine Zeit?“, fragte Nelana und Tiana lachte.

„In die Steppe aufzubrechen. Die Reise dorthin wird einige Zeit brauchen.“

„Woher wisst ihr davon?“

„Lady Marina hat es mir gesagt. Ich weiß über alles, was Kai euch gesagt hat, Bescheid. Wir müssen Cynthia finden. Schade, dass keiner von euch ein Drache ist. Dann würde die Reise nicht einmal einen Tag dauern.“

„Ich könnte es versuchen“, bot ich an, doch sie winkte ab.

„Wenn wir dich nicht zurückverwandelt bekommen, haben wir ein Problem. Im Hafen Hermit werden wir Pferde vorfinden. Dafür hat der König gesorgt. Zudem wird eine Eskorte von Soldaten uns begleiten. Unter anderem auch Lady Keila und ein gewisser Siegmund“, sagte sie und Liram stieß einen erstaunten Laut aus.

„Unser Meister kommt mit uns?“, fragte er und Tiana sah ihn schief an.

„Wenn er euer Meister war, dann ja. Zudem, Kalira, wird Stella zu uns stoßen. Sie wird deine Ausbildung in die Hand nehmen.“

„Das wird nicht nötig sein, aber ich danke euch“, sagte Kalira und Tiana nickte.

„Gehen wir“, sagte sie und wir gingen los.

Zu einem der kleinen Häfen dieser Stadt.

Vertraut mir Brüder

„Du hat ihnen die Rüstungen geben?“, fragte Invidia und sah Casus an.

„Warum nicht? Aleta hat keine Macht mehr über sie.“

„Und was wenn sie sich wieder gegen uns wenden, wie damals? Diese Rüstungen sind aus ihren Schuppen gemacht. Da kommen nicht einmal unsere Waffen nicht durch.“

„Mach dich nicht lächerlich, kleiner Bruder. Wenn unsere Waffen versagen haben wir immer noch unsere Fänge und Krallen. Sie würden auch durch unsere Rüstungen kommen, also sehe ich da keine Probleme. Also wo ist der Punkt sie ihnen nicht zu geben?“

„Casus, bei allem Neid, der mir heilig ist. Das ist ein Problem, wenn sie gegen uns sind. Im Gegensatz zu unseren Rüstungen haben ihre noch einen schützenden Effekt. Das könnte ein Problem für uns werden. Oder entfesselt deine Rüstung seit neustem einen Sandsturm. Oder eine Giftwolke?“

„Nein. Das muss sie auch nicht. Denn es geht auch ohne solch eine Schutzmaßnahme.“

„Lass dich nicht blenden, Bruder. Du magst der Tod selbst sein, doch auch deinen Körper kann man zerschlagen. Das sollte dir klar sein.“

„Ist es mir. Doch mir ist es egal. Unsere Brüder und Schwestern werden sich nicht gegen uns wenden. Dafür wird unser Vater, unsere Mutter und auch Aleta sorgen.“

„Das hast du damals auch gesagt. Danach sind wir beinah getötet worden. Von unseren eignen Brüdern“, sagte Invidia.

„Diesmal ist es anders. Sie wissen nicht, was damals passiert ist. Außerdem werden auch sie einsehen, dass Aletas Tod unausweichlich ist. Vor allem, weil ich etwas weiß, von dem ihr noch keine Ahnung habt. Lasst euch überraschen und vertraut mir“, sagte Casus und schwieg damit.

Invidia sah ihn an und ging dann wieder.

„Vertraut mir, meine Brüder. Die neuen Drachen sind anders, als die Letzten“, sagte er noch und verschwand in einem schwarzen Nebel.

Inquisitor

Wir erreichten den Hafen bei Einbruch der Dunkelheit. Der Weg war länger als wir gedacht hatten. Zu Schade, dass wir auf keinem Drachen oder Pferd reiten konnten.

„Willkommen in Sudtan, Drachen“, sagte ein Soldat und salutierte vor uns.

„Wir haben einen langen Weg vor uns. Habt ihr ein Quartier bereit?“, fragte Tiana und der Mann nickte.

„Folgt mir. Der König hat vorgesorgt“, sagte der Mann und führte uns zu einem Gasthof.

Meine Füße taten mir weh. Das war eigentlich ungewöhnlich. Im Kloster musste ich auch viel laufen, hatte aber nie Probleme damit gehabt. Es schien, als sei mein Körper anders als sonst. Viel stärker, aber dennoch verletzlicher. Meine Schultern waren beinahe doppelt so breit wie vorher. Ich hatte nicht trainiert und dennoch wurde ich kräftiger. Eigenartig. Mit meiner Verwandlung in einen Drachen konnte das nichts zu tun haben. Oder vielleicht doch? Ich wusste es nicht.

„Hier hat der König eure Zimmer herrichten lassen. Es ist sein Sommersitz, direkt am Meer. Außerdem hat er mir eine Nachricht für euch gegeben. Nachdem ihr erwacht seid, sollte ihr zu ihm kommen um ihm zu berichten, welche Zukunft diesem Land bevorsteht und was ihr tun werdet. Die Menschen im Stich lassen, oder eure Arbeit.“

„Danke, du kannst gehen“, sagte Terra und der Mann verließ das Gasthaus.

„Das sieht sehr bescheiden für einen Sommersitz des Königs aus“, sagte Nelana und Tiana lachte.

„Das täuscht. Es soll niemand sehen. Hier unten ist alles wie in einem normalen Gasthof. Doch oben nicht mehr“, sagte sie und Lady Keila trat zu uns.

„Tiana. Welche Freude, dass ihr hier seid. Habt ihr den Weg gut gefunden?“

„Von den Schwarzbergen bis hier her ist ja nicht schwer zu finden. Was ist der neuste Stand?“

„Der König hat den heiligen Hafen abriegeln lassen. Niemand darf heraus und euch folgen. Dazu hat er verboten über die Drachen zu sprechen. Viele Kopfgeldjäger wollten hinter euch her, haben aber ihren eigenen Kopf verloren. Die Stadt ist halb zerstört, wird aber wieder aufgebaut. Mehr können wir alle im Moment nicht tun.“

„Traurig, dass es Menschen gibt, die wirkliche den Tod der Drachen wollen“, sagte Tiana und sah uns an.

„Lasst euch bitte nicht davon entmutigen. Der König hat mir aufgetragen euch eine Entschuldigung zu senden. Wir entschuldigen uns für alles, was die Menschen zu euch gesagt haben. Keiner der königlichen Familie oder auf jener, die ihr nahe stehen, wollen euch etwas Böses. Wir stehen euch zur Seite und werden euch helfen, wo wir nur können“, sagte sie und wir nickten.

Ehrlich gesagt war es mir aktuell egal. Die Menschen hatten ihren Standpunkt klar gemacht. Das war das einzige was für mich zählte.

„Ich bringe euch nach oben. Wir werden im Morgengrauen abreisen. Bis dahin solltet ihr noch ein wenig ruhen“, sagte Keila und ging nach oben.

Wir folgten ihr. Das Obergeschoss sah beinahe so aus wie im Palast. Rote Teppiche, mit Gold verzierte Ornamente und prunkvolle Türen.

„Die Zimmer haben immer Platz für jeweils vier Personen. Ihr müsst euch aufteilen“, sagte sie und ließ uns dann alleine.

„Ich gehe mit Jotanate“, sagte Nelana und zog das Mädchen mit sich.

Erstaunt sahen wir ihnen nach. Die Zwei schienen sich gut zu verstehen. Ungewöhnlich. Eigentlich waren sie die besten Feinde. Ihre Schwestern folgten ihnen. Ich wollte gerade sagen, dass ich mit Sildera gerne ein Zimmer teilen wollte, als Jermain uns zuvorkam.

„Remino und Meriano, ihr kommt mit uns“, sagte er und wir folgten Johan und ihm.

Ein Zimmer voller Geistlicher. Welche Langeweile uns erwarten würde. Wir betraten das Zimmer. Ich bekam nicht mehr mit, wer mit Sildera auf ein Zimmer gehen würde. Aber eigentlich war es mir egal. Mir fiel nur ein, dass Liram und Lirom offensichtlich mit Tiana und Ducan ein Zimmer teilen mussten und das war für mich schon ein Lächeln wert. Die Zimmer sahen genauso aus wie im Palast. Viel Platz und prunkvoll eingerichtet. Die Betten sahen bequem aus. Vorsichtig nahm ich auf einem Platz und wartete dann darauf, was kommen würde.

„Wir haben euch nicht einfach so zu uns genommen“, sagte Jermain und schloss die Türe.

Er sah uns an und lächelte dann.

„Heute werden wir euch etwas geben“, sagte er und zog einen Streitkolben.

„Terra hat uns befohlen euch auszubilden. Dafür werden wir euch einen höheren Rang verleihen. Trete vor, Meriano“, sagte er und Meriano trat vor ihn.

Dann kniete er sich hin und senkte den Kopf.

„Hiermit ernenne ich dich, Meriano, zum Apostel.“

Meriano ein Apostel? Das war früh für uns. Apostel waren oftmals nicht einmal lang gediente Geistliche. Damit stand Meriano eigentlich über Jermain selbst. Er war als Lehrer sowieso relativ gering vom Rang her.

„Remino. Nun zu dir“, sagte er und ich erhob mich.

Johan kam zu mir und legte seinen Zauberstab auf meinen Kopf, nachdem ich auch kniete.

„Ich erhebe dich in den Rang eines Inquisitors“, sagte er und innerlich brach ich in Tränen aus.

Inquisitor. Eine große Ehre für jeden Priester, der etwas auf sich hielt. Vor mir standen nur noch der Großinquisitor und der Papst. Langsam erhob ich mich wieder.

„Mit diesen Rängen habt ihr eine Richtung in die sich eure Kräfte entwickeln können. Die werden wir euch bei Gelegenheit beibringen. Hier drinnen ist das unmöglich. Remino, du hast bereits einen Zauber gefunden, den Inquisitoren verwenden. Der Lichtkreis ist ein wirkungsvoller Zauber. Doch soweit ich weiß, hast du ihn damals nicht richtig ausgeführt. Johan wird dir zeigen, wie man das richtig macht. Doch jetzt ruht euch aus. Wir müssen morgen weit reisen und früh los“, sagte Jermain und wir nickten.

Ich legte mich ins Bett und Johan löschte das Licht. Unheimlich war nicht einmal die Dunkelheit, sondern eher seine Augen, die leuchteten, wie die einer Katze. Er legte sich ebenfalls hin und so begann eine entspannende Nacht für mich.

Jemand klopfte an die Türe und dadurch wurde ich wach.

„Es geht los“, sagte Lady Keila und sofort war ich wach.

„Wir kommen“, sagte Jermain und sofort wurden die Vorhänge aufgezogen.

Draußen war es immer noch dunkel. Doch immerhin schob sich die Sonne schon langsam über den Horizont. Langsam erhob ich mich und streckte mich ausgiebig. Mein Bruder blinzelte noch verschlafen und brauchte noch zwei Minuten, bis er aufstehen würde. Ich wollte das Zimmer gerade verlassen, als Johan mich zurückhielt.

„Du solltest deine neue Robe anziehen“, sagte er und zeigte auf einen Schrank.

„Was für eine neue Robe?“

„Du bist ein Inquisitor. Als solcher brauchst du auch eine Robe, die das zeigt.“

Ich ging zu dem Schrank und öffnete ihn. Dort befand sich eine rot braune Robe. Vorsichtig nahm ich sie. Das Material war sehr weich und konnte einen sehr gut warm halten. Ich zog die Jacke an, die Hose, die Handschuhe und zum Schluss noch die Schuhe. Unter der Robe lagen ein Zauberstab und ein Schild.

„Die sind ebenfalls für dich“, sagte Johan und lächelte.

Der Schild war dreieckig und hatte in der Mitte das Gesicht eines Orks. Aus dem Mund kamen Ketten, die mit allen drei Ecken verbunden waren. Er war ebenfalls rot nur am Rand ein wenig braun. Der Zauberstab sah mehr wie eine Keule aus. Sein Stab war schön lang. Doch oben war er Rund und sah mehr nach einer Keule als nach einem Zauberstab aus. Aber er war eine sehr effektive Waffe. Er stärkte meine magischen Kräfte bei weitem mehr, als mein alter Stab. Das konnte ich spüren, denn es floss mehr Energie durch mich, als mit dem alten Zauberstab. Langsam drehte ich mich um und sah Johan an, der einen Helm in der Hand hielt.

„Das ist das letzte Teil.“

Der Helm lag um meine Stirn und gab mir ein kleines Horn. Allerdings war ich zufrieden damit.

„Diese Rüstung hat der Großinquisitor selbst ausgewählt. Er hofft dich bald zu treffen. Remino, mit deiner Beförderung beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Du bist jetzt erwachsen. Ich kann dir nur noch zeigen, welche Kräfte in dir liegen. Den Rest musst du selbst herausfinden. Auf dieser Reise wirst du sehen, zu was du fähig bist.“

Natürlich würde ich das sehen. Immerhin war ich ein Drache. Diese Kräfte kannte ich nicht einmal ansatzweise.

„Wir sollten gehen. Keila wartet nicht gerne.“

Wir verließen das Zimmer, während mein Bruder sich noch anzog. Er hatte ebenfalls eine neue Rüstung bekommen. Letztlich unterschieden sich aber nur die Waffen und die Helme. Vor dem Haus standen Keila, meine Freunde und Gefährten, zusammen mit mehreren Soldaten.

„Endlich. Braucht der letzte Geistliche noch länger?“, fragte sie und Johan nickte.

„Nicht mehr lange, aber immerhin ein wenig länger.“

„Gut. Unsere Reise führt uns in die Prärie. Ganz in die Nähe der Söldnerstadt.“

Jotanate wurde blass. Sofort sah ich zu ihr.

„Was ist los?“, fragte ich und sie begann zu zittern.

„Wir haben ein paar Probleme mit dem ansässigen Zirkus dort“, sagte Lilith und Jatana sengte ihren Kopf.

„In wie fern?“, fragte Keila und Lilith schluckte.

„Sie wollen Jotanate töten“, sagte sie und Keila riss ihre Augen auf.

„Na super. Das macht die Suche bestimmt leichter“, sagte sie.

„Es war damals nicht zu verhindern. Eigentlich war es auch nicht geplant, dass wir zurückkehren“, sagte Jatana.

„Es ist leider wie es ist. Was machen wir denn da?“, fragte Keila und begann auf und ab zu gehen.

Mittlerweile stand auch Meriano bei uns.

„Lass uns doch erst einmal losgehen. Die Menschen dort werden sich bestimmt kaum noch an den Vorfall erinnern. Das ist schon einige Zeit her“, sagte Jermain und Keila nickte.

„Natürlich. Darüber nachzudenken lohnt sich eh nicht. Gut. Die Pferde sind bereit. Wir reiten los“, sagte sie und führte uns zu einigen Pferden.

Mir teilte sie eine schwarze Stute zu.

„Sei vorsichtig mit ihr. Sie ist sehr eigensinnig.“

„Ich werde schon aufpassen“, sagte ich und stellte mich vor das Pferd.

Ihre großen Augen musterten mich. Plötzlich kam sie auf mich zu und stieße mir gegen die Brust.

„Das verstehe ich mal als Vertrauensbeweis“, sagte ich und sie schnaubte.

Langsam saß ich auf und wartete darauf, das Keila voranreiten würde. Sie saß auf ihrem Hengst, wie eine Dame. Die Beine zur Seite und den Blick starr nach vorne.

„Los geht die Reise“, sagte sie und sofort setzte sich unser Trupp in Bewegung.

„Den Stab zu finden wir wohl nicht leicht“, sagte Liram und ritt zu mir.

„Das denke ich auch nicht. Cynthia wird ihn wohl kaum offen versteckt haben“, sagte ich und sah nach hinten.

Dort ritten Nelana und Jotanate. Von ihren Streitereien am Anfang war nicht mehr viel zu spüren. Sie sahen mehr aus wie gute Freunde.

„Sag mal, Nelana. Hast du vielleicht eine Idee, wo Cynthia sein könnte?“, fragte ich und sie lachte.

„Woher sollte ich die haben? Meine Schwester kann manchmal zwar die Zukunft sehen, aber auch nicht immer. Wir wissen es beide nicht. Aber vielleicht kenne ich wen, der uns helfen kann“, sagte sie sah zurück zum Hafen.

„Du kannst ruhig zu mir kommen, Jake“, sagte sie und ein Mann mit Kapuze trat zu ihr.

„Meister Dilectio?“, fragte er und verneigte sich.

Das war wirklich Jake. War er uns nicht von der Seite gewichen?

„Ich wusste, dass du mich nicht alleine gelassen hast. Du warst in meinen Gedanken. Weißt du etwas über Cynthia?“

„Sie arbeitet nicht für uns. All ihre Entscheidungen sind aus freiem Willen entstanden. Sie könnte den Stab überall versteckt haben. Aber wenn ich raten müsste, würde ich ihn im Tao Gebirge verstecken. Dort kann ihn niemand aufspüren. Weder Drache noch Jünger“, sagte er und Nelana nickte.

„Dieses Gebirge liegt bei meiner alten Heimat“, sagte Liram.

Seit er seinen Meister getroffen hatte, war er wie ausgewechselt. Viel fröhlicher und zielstrebiger. Vor allem redete er mehr. Auch wenn das nicht immer vorteilhaft war. Wenn Nelana oder Jotanate noch gesprächiger werden sollten, dann wäre das fast nicht mehr zu ertragen. Zum Glück sprach  Liram sowieso nicht viel. Egal wie viel mehr, es störte einen nicht.

„Reiten wir also zum Tao Gebirge. Jake, du kannst dich wieder entfernen. Du hast uns sehr geholfen“, sagte Nelana und er nickte.

„Bevor ich gehe, Meister Dilectio, hätte ich eine Frage. Warum gebt ihr euch mit diesen Menschen ab? Es sind doch nur kleine Fische, die euch irgendwann fallen lassen werden, wenn sie haben, was sie wollen.“

„Lass das mal unsere Soge sein. Wenn sie es wagen, uns fallen zu lassen, sollen sie den Zorn der Drachengarde und der Drachen spüren. Du kannst gerne in der Nähe bleiben, solange man dich nicht entdeck, und über uns wachen.“

„Sehr gerne, Meister. Wir werden ein Auge auf euch haben. Ohne euch wird der Krieg niemals beendet werden können.“

Vorsichtig zog Jake sich zurück und mischte sich unter die Soldaten. Dabei verlor ich ihn aus den Augen. Wie hatte er eigentlich den Angriff von Thomas überlebt? Eigentlich war er Tod. Hatte Casus da seine Finger vielleicht im Spiel? Anders konnte ich mir das nicht erklären. Aber vermutlich würde Jake uns darüber aufklären, sobald wir eine Gelegenheit dazu hätten. Unsere Pferde schritten weiter voran. Die Rüstungen der Soldaten klapperten Monoton. Diese Reise würde wohl jetzt ein paar Antworten liefen, sofern wir Cynthia finden würden.

Neue Drachen

Auf einem Pferd zu sitzen war ziemlich ungewohnt für mich. In der Wüste gab es keine Pferde, wenn überhaupt mal Kamele, aber mehr nicht. Reiten hatte ich nie gelernt, weil ich es einfach nicht gebraucht hatte. Ich hatte mir von Adelia zeigen lassen, wie man auf einem Pferd saß. Die Beine zur Seite gelegt, die Zügel fest im Griff und den Kopf nach vorne gerichtet. Man nannte es wohl den Frauensitz. Es war nicht wirklich bequem. Aber so konnte ich immerhin reiten. Die Stute, auf der ich saß war jene, die Remino von wo auch immer nach Futura gebracht hatte und bei seiner Verwandlung im Wald verschwunden war. Ein sehr ruhiges Pferd, das zufrieden war, wenn man es nicht zu sehr antrieb. Die ganze Zeit ritt Remino vor mir her. Majestätisch und unheimlich elegant. So sah es zumindest für mich aus. Delphi war am Schlafen. Manchmal war meine Schwester unmöglich. Sie konnte sogar beim Reiten schlafen. Ein Soldat war so freundlich gewesen und hatte die Zügel ihres Pferdes an sich genommen, damit es nicht stehen blieb. An meiner Hüfte hingen meine Fächer, in denen immer noch die Seele meines Meisters steckte. Sie war still geworden und hatte seit unserem letzten Gespräch nicht ein Wort mit mir gewechselt. Doch irgendwie war mir klar, dass dies nur die Ruhe vor dem Sturm war. Meine Fächer begannen zu leuchten und die Seele meines Meisters stieg empor. Außer mir schien das keiner zu bemerken.

„Sildera, es ist Zeit“, sagte sie und sah mich traurig an.

„Zeit wofür?“

„Deine Bestimmung zu beginnen. Ihr beide müsst euch entscheiden. Willst du meine Seele aufnehmen und als Kampfschamanin deinen Weg bestreiten. Oder wählst du den Weg der magielosen Tänzer?“

„Meister, warum habt ihr mir nicht gesagt, dass wir eine Seele in uns aufnehmen müssen, wenn wir unseren Weg weiter gehen?“

Die Soldaten um mich herum sahen mich an. Sie konnten die Seele von ihr nicht sehen. Aber man hörte, dass ich mir niemandem sprach. Zumindest in ihren Augen.

„Wäre ich nicht Tod, könntest du gar nicht dein volles Potenzial entfalte. Deine Schwester hat bereits gekämpft und gezeigt, wie stark sie ist. Nun bist du an der Reihe. Eigentlich hatte ich für dich den Weg der Kampfschamanin vorgesehen. Sonst hätte ich dir nicht diese Fächer anvertraut, die du instinktiv genommen hast. Nimmst du meine Kraft, wirst du fähig sein zu kämpfen, wie niemand sonst. Eine Kampfschamanin beschäftigt sich mit der Beschwörung von Geistern und anderen Dingen, die einem im Kampf helfen. Eigentlich hast du keine andere Wahl.“

„Ich kann euch nicht umbringen, Meister. Nachdem ich euch gerettet habe, werde ich euch jetzt nicht sterben lassen. Es muss einen anderen Weg geben.“

„Wie ich gesagt habe, du hast keine Wahl. Dein Körper hat bereits begonnen, meine Kraft aufzunehmen. Bald wird dieser Vorgang abgeschlossen sein. Du brauchst nicht zu versuchen dich zu wehren. Es ist natürlich, was hier passiert. Keine Angst, Sildera. Du wirst alle Fähigkeiten erlernen, indem du meditierst und in die tiefen deines Geistes hinabsteigst. Darf ich dir nun vorstellen? Dein Geist, der Wolf von Tel Nuhara.“

Vor meinem geistigen Auge erschein ein blauer Wolf, dessen Haare in Flammen standen. Seine Augen waren leer und er sah mich an. Kein anderer außer mir sah dies.

„Aber, Meister“, begann ich doch sie unterbrach mich.“

„Leb wohl, Sildera. Früchte dich nicht, vor den Dingen die vor dir liegen. Das Schicksal hat großes mit dir vor.“

Damit löste sich Meister ganz auf und nur noch der Wolf blieb zurück. Er trottete langsam neben mir her, während ich noch versuchte das Ereignis zu verarbeiten. Sie war fort. Dafür war ich nun eine Kampfschamanin und hatte einen Geist, der zu mir passte. Der Wolf von Tel Nuhara. Ich hatte von ihm gehört. Aber niemals hatte ich mir träumen lassen, dass er real war. Eigentlich war dieser Wolf eine Legende. In den Tiefen der Wüste lebte einst eine Bestie, die alles fraß, was ihr vor die Schnauze kam. Niemand wusste wirklich was es für ein Wesen war. Bis eines Tages eine junge Prophetin mit reinem Herzen in die Wüste ging um dieses Wesen zu finden. Es war meine Mutter gewesen. Sie fand einen Wolf, der nur drauf wartete, dass ahnungslose Wanderer ihm zu nahe kamen. Als meine Mutter ihn bemerkte und zu ihm sprach, erschrak er. Eigentlich konnte niemand ihn sehen. Nur Kinder mit einem wirklich reinen Herzen.

„Hab keine Angst. Ich tue dir nichts“, sagte das Mädchen zu ihm und der Wolf erschauderte.

Wusste sie nicht, welcher Gefahr sie gegenüber stand. Er knurrte, fletschte seine Zähne und brüllte das Mädchen an. Doch sie lachte nur.

„Sei doch nicht so gemein zu mir.“

Der Wolf fiel aus allen Wolken. Diese Mädchen hatte keine Angst vor ihm. Sofort verstummte er und musterte sie neugierig. Er konnte genau sehen, dass sie etwas Besonderes war. Vorsichtig ging er auf sie zu. Er stupste leicht gegen ihre Hand und wurde sofort von einer eigenartigen Kraft erfüllt. Diese Mädchen war anderes als alle Menschen die er bis jetzt getroffen hatte. Er wollte bei ihr bleiben und ihr helfen. So wurde aus diesem Mädchen eine Verschlingerin. Einer der beiden Wege, die eine Kampfschamanin bestreiten konnte. Ob ich auch zu einer wurde? Verschlingerrinnen konnten die Seelen anderer in sich aufnehmen und sie für ihre Zwecke nutzen. Eigentlich wollte ich niemand sein, der anderen Wesen ihre Seele raubte. Doch dieser Wolf neben mir war eigentlich ein Beweis dafür, dass ich die Kraft dafür hatte. Sich darüber den Kopf zu zerbrechen half mir auch nicht weiter. Ich sah mich um. Jeder Soldat schien sich zu langweilen. Keila ritt vor der Gruppe her und sah nicht einmal nach hinten. Warum auch? Es war ja nicht so als wäre es wichtig zu wissen, ob der Rest der Gruppe mithalten konnte. Diese Frau war eigenartig. So egoistisch konnte ein Mensch doch gar nicht sein. Keila belehrte mich wohl eines Besseren.

„Alles in Ordnung, Sildera?“, fragte Remino und mir fiel auf, dass er neben mir her ritt.

„Ja. Es ist nur. Ich weiß auch nicht“, sagte ich und wendete meinen Blick ab.

„Hat es etwas mit dem Geist neben dir zu tun?“

Um der Drachenwillen, woher konnte er das wissen? Hatte er den blauen Wolf gesehen?

„Kannst du ihn sehen?“, fragte ich und er nickte.

„Ist das nicht der legendäre blaue Wolf?“

„Ja, das ist er. Meine Mutter hat ihn damals in der Wüste gefunden. Sie war die erste richtige Kampfschamanin unseres Clans. Und jetzt bin ich auch eine.“

„Das ist doch gut. Jetzt kannst du besser kämpfen“, sagte er.

„Schon. Aber es hat die Seele meines Meisters gekostet. Eine Kampfschamanin kann nur ihre Kraft entfalten, wenn sie die Seele eines anderen aufnimmt. Ohne das wäre ich immer noch eine einfache Prophetin.“

„Das tut mir Leid. Also ist dein Meister jetzt endgültig Tod?“, fragte er und ich nickte.

„Casus wird ihrer Seele gnädig sein und sie ins Paradies begleiten. Dessen bin ich mir sicher.“

Das war ein schwacher Trost dafür, dass ich sie verloren hatte. Der Tod war ein Teil des Lebens. Das wusste ich. Doch egal wie oft ich es auch sagte. Es konnte nicht über den schmerzlichen Verlust meines Meisters und meiner Mutter hinwegtäuschen. Beide waren durch die Hand der Frau gestorben, die sich selbst Göttin nannte. Innerlich schwor ich mir hoch und heilig. Aleta würde dafür bezahlen, auch wenn es mich umbrachte. Ich sah Remino wieder an und lächelte. Eigentlich wollte ich ihm sagen, dass es mir jetzt besser ging, als der Wolf zu mir aufsah und seine Augen meine trafen. Sofort verfiel ich in eine Vision. Vor mir sah ich eine Höhle. Darin standen Remino und seine Freunde. Ihnen gegenüber eine Frau mit schwarzem Kleid. Das musste die Hexe sein, die wir suchten. Sie hielt einen Stab in den Händen und lachte, während die Höhle zusammenbrach. Erstaunt wurde ich zurück in die Realität geworfen. Remino hielt mich fest, weil ich drohte vom Pferd zu fallen.

„Was hast du gesehen?“

„Euch, eine Frau und den Stab. Ihr wart in einer Höhle, die eingestürzt ist“, sagte ich und er legte die Stirn in Falten.

„Ist das ernst zu nehmen?“

Was war das denn für eine Frage? Das war eigentlich ein Ausblick auf die Zukunft. Diese Dinge trafen eigentlich immer ein. Doch eigentlich sah ich nie Ereignisse, die mehr als fünf Minuten voraus lagen. Was der Wolf mir da gezeigt hatte, war neu.

„Das kann ich dir nicht genau sagen. Vielleicht kann mir der Wolf diese Frage beantworten“, sagte ich und sah ihn an.

„Ist das ernst zu nehmen?“, fragte ich und er schnaubte.

Dann sah er mich an und nickte nur.

„Ja, Remino. Es wird eintreffen“, sagte ich.

„Dann müssen wir wissen, wie wir das verhindern können.“

„Kann ich dir nicht sagen. Ich habe nur gesehen, dass die Höhle einstürzt, nicht wodurch.“

„Aber immerhin wissen wir, dass Cynthia in einer Höhle ist“, sagte er und ich nickte.

Nur wo, wussten wir alle nicht. Aber es machte die Tao Berge sehr wahrscheinlich. Vielleicht wusste Liram etwas darüber. Immerhin waren diese Berg einmal sein zu Hause gewesen.

„Vielleicht kann Liram uns helfen. Er hat dort immerhin mal gelebt“, sagte ich und Remino nickte.

Sofort ließ er sich zurückfallen und sprach mir Liram. Erst jetzt fiel mir auf, dass Remino eine neue Robe trug. Diese Robe war viel edler als seine alte. Ich sollte ihn drauf ansprechen, warum er eine neue Robe trug. Eigenartig. Plötzlich blieb der ganze Trupp stehen.

„Was ist los?“, fragte ich und sah nach vorne.

Dort stand die Hexe aus meiner Vision.

„Hallo, Keila“, sagte sie und Keila stieg von ihrem Pferd.

„Cynthia. Welche Überraschung“, sagte sie.

„Bist du hier um dich zu ergeben?“

„Mit Nichten. Denkst du wirklich, ich würde den Stab einfach so rausgeben? Ich bin hier um den Drachen ein Angebot zu machen. Sie sollen vortreten und mit mir sprechen“, sagte Cynthia und Keila sah zu uns.

„Kinder. Kommt her“, rief sie und sofort ritten Remino und die anderen nach vorne.

Delphi war immer noch am Schlafen. Reviran und Revarian flankten mich und sahen der Situation sehr genau zu.

„Was geht da vor?“, fragte Nelstar und ihr Roboter trottete zu uns.

Sie saß auf seinen Schultern.

„Keine Ahnung. Diese Hexe will wohl unseren Drachen ein Angebot machen“, sagte ich und der Wolf neben mir begann zu knurren.

„Hast du etwas gespürt?“, fragte ich und er nickte.

„Beschütz sie“, sagte ich.

Er lief zu Remino und stellte sich neben  ihn. Seine Augen beobachtete Cynthia sehr genau. Ihre Worte waren für mich jetzt sehr gut hörbar. Der Wolf war also mehr als nur ein Geist und Kämpfer. Er war eine Verlängerung meiner selbst.

„Hallo, Kinder. Wir haben uns in Ebine so schnell getrennt, dass ich keine Gelegenheit hatte euch etwas mit auf den Weg zu geben. Der Stab, den Lady Marina zu mir hat bringen lassen ist in meiner Tasche. Ich gebe ihn euch, wenn ihr mir dafür etwas gebt.“

„Und das wäre was?“

„Unsterblichkeit. Ich möchte auch das Drachenblut bekommen, das man den Drachenjüngern gibt. Somit würde ich ewig jung bleiben.“

„Ist das dein Ernst? Du willst ewig jung bleiben?“, fragte Jotanate und die Hexe lachte.

„Jede Hexe muss schön sein. Ich mache da keine Ausnahme. Doch Schönheit vergeht mit der Zeit. Ich will sie mir erhalten. Ihr gebt mir einen kleinen Teil eures Blutes und ich werde ewig jung bleiben“, sagte sie und Remino sah auf den Wolf herunter.

Konnte ich durch ihn auch Kommunizieren?

„Das ist Wahnsinn“, sagte ich und Remino schien mich zu hören.

„Das ist Wahnsinn, Cynthia. Es ist nicht bewiesen, dass Drachenblut ewig jung hält“, sagte er.

Wow, diese Kräfte waren unglaublich. Es war wirklich praktisch, wenn man den Wolf losschicken konnte um zu spionieren oder auch zu kommunizieren.

„Die Drachenjünger haben mir versichert, dass es so ist. Also, geht ihr dieses Angebot nun ein, oder nicht?“

Remino sah seine Freunde an und begann sich zu beraten.

„Hört mir zu. Wir können auch direkt mit den anderen sprechen. Sildera hört uns und kann uns weiter helfen. Unsere Meister könnten in dieser Situation hilfreich sein. Sildera holst du sie?“, fragte er und ich nickte.

Sofort sah ich mich um und rief nach den Lehrern der anderen. Sie kamen zu uns.

„Remino und die anderen können uns hören. Sie brauchen unsere Hilfe. Cynthia will Drachenblut im Austausch gegen den Stab. Was sollen wir tun?“, fragte ich sie.

„Es ihr nicht geben. Als Oberhexe, weiß ich, zu was sie fähig sein kann. Cynthia ist eine Hexe des schwarzen Turms. Sie wird ihre Abmachung nicht einhalten“, sagte Tiana und der Wolf gab es weiter.

„Also, was dann? Sollen wir sie angreifen?“, fragte Jotanate.

„Nein. Sie ist stark. Vielleicht sogar zu stark. Außerdem weiß sie, wer ihr seid. Das ist viel zu gefährlich“, gab Lilith zurück.

„Uns gehen die Ideen aus“, sagte Nelana und Johan meldete sich.

„Ich habe noch eine. Versucht Zeit zu gewinnen. Sildera und ich kommen zu euch und überraschen sie von hinten“, sagte er und die andere nickten.

„Was hast du vor?“, fragte Jermain und sah seinen Freund an.

„Sildera ist eine Kampfschamanin. Wenn sie ihre Geister richtig einsetzt, kann sie Cynthia den Stab abnehmen, ohne dass wir kämpfen müssen. Sollte das fehlschlagen, beschützte ich sie und ihr könnt Cynthia immer noch angreifen“, sagte er und Jermain nickte.

„Seid vorsichtig“, sagte Reviran und ich stieg ab.

Johan und ich brachen aus der Formation aus, ohne dass Cynthia das mitbekam. Vorsichtig schlichen wir durch einen kleinen Wald neben uns. Mein Wolf stand immer noch bei Remino und übertrug mir alles, was sie sagten.

„Wie viele Geister hast du bis jetzt schon angewendet?“, fragte Johan mich.

„Keinen“, sagte ich und er legte die Stirn in Falten.

„Dann wird das kniffliger als erwartet. Kennst du deine Fähigkeiten?“

„Ich bin erst seit ein paar Minuten Kampfschamanin. Für meine Kräfte hatte ich noch keine Zeit.“

„Dann muss ich dir etwas sagen. Du hast drei Arten von Geistern. Neben deinem Wolf. Einmal das Geistertor, die Seelenvögel und die Schlagen der Qual. Diese drei Dinge können Cynthia verwirren und sie in deine Gewalt bringen. Zudem kannst du sie verfluchen und eine Voodoo Puppe erstellen, die dann alles an Cynthia weiterleitet. Schlägst du diese Puppe, schlägst du sie. Wir müssen es versuchen. Konzentrier dich und versuch den Zauber zu finden“, sagte er und ich schloss meine Augen.

Ich suchte nach meiner Kraft und stieß sehr schnell auf etwas. Aber keine Geister, sondern andere Beschwörungen. Hände aus Dunkelheit. Das konnte auch funktionieren. Wenn Cynthia wirklich den Stab in ihrer Tasche hatte, dann konnte ich ihn von dort stehlen. Vorsichtig hob ich meinen Fächer und Johan sah mich erwartungsvoll an.

„Hand aus Schatten“, sagte ich und sofort erschien eine Hand aus Schatten vor mir.

Erstaunt sah Johan mich an.

„Kannst keine Geister rufen aber so was? Das ist noch einfacher. Denkst du, du kannst sie steuern?“

„Versuchen wir es“, sagte ich.

Vorsichtig bewegte ich meinen Fächer in die Richtung, in die sich die Hand bewegen sollte. Sie tat es auch. Wirklich genau dahin, wo ich es ihr anzeigte. Langsam ließ ich sie auf Cynthia zu fliegen. Die Hexe bekam davon nichts mit. Sie war immer noch mit Remino und den anderen am Diskutieren. Wo genau hatte sie denn den Stab? Eine Tasche konnte ich bei ihr nicht sehen. Vielleicht eine Innentasche? Oder eine Handtasche, die woanders lag? Ich wusste es nicht. Plötzlich griff Cynthia in ihr Kleid und holte den Stab hervor. Ich konnte genau sagen, dass es der Stab der Philosophen war. Sie warf ihn in die Luft und wollte ihn wieder fangen. Doch jetzt nutzte ich meine Chance. Ich ließ die Hand nach vorne schnellen und griff den Stab. Cynthia schrie auf, als das schwarze etwas über sie hinwegfegte und sich den Stab griff.

„Ich hab ihn“, rief ich und die Hand kam zu mir zurück.

Sie legte den Stab in meine Hand.

„Das hast du sehr gut gemacht, Sildera. Jetzt können wir Cynthia angreifen. Oder vielleiht müssen wir das auch nicht tun. Sie hat ihr einziges Druckmittel verloren.

„Wie kannst du es wagen“, sagte sie und sah in unsere Richtung.

Durch den Wolf hörte ich genau, was sie sagte. Sie tobte vor Wut und schimpfte. Hätte nie gedacht, das Hexen solche Worte kannten. Sie fluchte besser als jeder Bauerntrampel. Sie wollte gerade in unsere Richtung gehen, als Jotanate sie aufhielt. Sie begannen erneut zu diskutieren, während Johan und ich zurück zu den anderen gingen.

„Wir haben ihn“, sagte Johan zu Jermain und er nickte.

„Das war hervorragende Arbeit, Sildera“, sagte Tiana und nahm den Stab entgegen.

Mittlerweile war meine Schwester auch wach. Sie sah mich an.

„Der Wolf? Ist das nicht Mutters Gefährte?“, fragte sie.

„Ja, das ist er. Der Namensgeber des Kriegers. Der blaue Wolf von Tel Nuhara“, antwortete ich und Tiana sah mich an.

„Wirkliche der legendäre Wolf? Er ist dein Geist?“

„Ja, es sieht so aus. Durch ihn konnten wir mit den anderen Sprechen und sie auch verstehen. Er ist mein Partner.“

„Ein mächtiger Geist. Kannst du ihn Cynthia angreifen lassen?“

„Theoretisch schon. Aber bis jetzt ist noch kein Kampf entfach. Er soll Remino beschützen.“

„Gut. Jetzt müssen wir Cynthia noch zu Vernunft bringen und dann können wir weiter Reisen“, sagte Ducan und sah zu Cynthia.

Sie sprach immer noch mit den Drachen. Worüber sprachen sie so lange? Plötzlich riss Cynthia ihren Zauberstab in die Höhe und entfesselte einen Zauber. 

„Ihr die ihr keinen Respekt vor mir habt, senkt eure Köpfe vor mir“, rief sie und ein Meteoritenschauer begann auf die Drachen nieder zu gehen.

Meine Vision war wahr geworden. Die erste Vision des Wolfes war wahr geworden. Er selbst wurde von keinen Steinen getroffen. Da er ein Geist war, konnte er allem ausweichen. Allerdings konnte er sie auch nicht zerstören. Remino und seine Freunde begannen umher zu springen und wichen den Steinen aus.

„Wir müssen etwas tun“, sagte Ducan und lief los.

Dabei zog er einen Hammer.

„Johan?“, fragte Jermain und der Mann nickte.

„Mit Aletas heiligem Licht rufen wir die Kraft der Göttin. Kreuz des Schutzes“, riefen sie und sofort fiel ein Kreuz vom Himmel.

An seinem Kopf waren vier Flügel fest gemacht, die das Kreuz bildeten. Neben jedem Flügel war ein Gesicht der Göttin. Es sendete Lichtwellen aus, welche die Meteoriten zerstörten. Tiana schoss mit Feuerbällen auf die Steine und konnte sie somit auch zerstören. Adelia und Lilith standen ein wenig verloren da. Reviran und Revarian hatte ihre Ketten gezogen und schlugen damit die Steine aus ihrer Flugbahn und machten sie unschädlich. Delphi konnte nichts tun. Aber ich hatte noch eine Idee. Ich schloss erneut meine Augen und suche nach meinen Kräften. Ich fand einen neuen Zauber.

„Kalura Rampregion“, rief ich und erneut schossen Hände von mir los.

Sie waren viel größer als die eine Ebene. Sie klatschen immer wieder zusammen und zermalmten die Steine zu Staub. So versuchten wir den Zauber unschädlich zu machen. Doch Cynthia war davon wenig beeindruckt. Sie hielt den Zauber immer noch aufrecht und lachte nur. Egal wie viele Steine wir zerstörten, es kamen immer mehr.

„Delphi, kannst du?“, fragte ich, während ich Steine zermalmte.

„Ich kann nicht nah genug ran“, sagte sie.

„Es sind zu viele Menschen da vorne. Wir können nicht zielen“, sagte Lilith und sah an ihrem Pfeil vorbei.

Das ging also alles nicht. Aber mein Wolf konnte vielleicht.

„Schnapp sie dir“, rief ich ihm zu und er nickte.

Sofort griff er Cynthia an. Erstaunt fiel sie zu Boden, als er sie ansprang. Offensichtlich konnte sie ihn auch nicht sehen. Der Wolf heulte laut und ein blauer Feuersturm erhob sich um ihn. Cynthia wurde erfasst und im Kreis um ihn herum gewirbelt. Sie kam mit einigen Bandwunden zu Boden. Ihr Zauber war abgebrochen und sie sah sich verwirrt um.

„Was war das?“, fragte sie und Remino stellte sich neben sie.

„Das war die Kraft des Wüstenwolfes. Du hast verloren, Cynthia. Gib auf, oder stirb“, sagte er und Cynthia blinzelte verwirrt.

„Der Wüstenwolf? Wie kommt er hier hin?“, fragte sie.

Ich lächele und ging auf sie zu. Remino versuchte es ihr zu erklären, als ich sie erreichte. Ich legte dem Wolf die Hand auf den Kopf. Sein Fell war warm und fühlte ich wirklich wie Feuer an. Nur es verbrannte mich nicht.

„Er ist mein Partner“, sagte ich und der Wolf wurde sichtbar.

Cynthia schrie auf und wich zurück. Der Wolf stieß ein Knurren aus, was eher wie Lachen klang.

„Ich kann ihm gerne befehlen die umzubringen. Das wäre für ihn kein Problem.“

„Aufgeben ist keine Option für eine Hexe“, rief sie und schoss einen Gravitationsball auf uns.

Doch der Wolf schnellte nach vorne und verschluckte ihn. Sofort begann sein Fell heller zu leuchten.

„Das ist nicht möglich“, rief sie und der Wolf ging auf sie zu.

„Er will deine Seele, Cynthia. Ich kann ihn nicht mehr lange zurückhalten. Also gib auf oder verschwinde für immer“, sagte ich und mein Partner leckte sich die Lippen.

„Ich sag es gerne nochmal. Aufgeben ist keine Option.“

Sie wollte gerade einen neuen Zauber wirken, als der Wolf zubiss und ihre Seele verschlang. Der Körper blieb zurück. Doch Cynthia war nicht mehr. Sie war jetzt ein Teil von meinem Wolf und speiste meine Kraft. Je mehr Seelen der Wolf aufnehmen würde, desto mehr Kraft würde ich bekommen. Selbst wenn ich nicht den Weg der Verschlingerin gehen würde.

„Es ist tragisch, dass es so weit kommen musste. Sie hat mir keine Wahl gelassen“, sagte ich und Remino sah mich an.

„Du musst dich nicht rechtfertigen, Liebste. Es war die beste Möglichkeit einen weiteren Zauber von ihr zu verhindern“, sagte er und ich lächelte.

„Danke“, sagte ich und umarmte ihn.

Sofort kam der Wolf zu uns und rieb sich an unseren Beinen.

„Natürlich du willst auch geliebt werden“, sagte ich und begann ihn zu kraulen.

Die anderen kamen zu uns und sahen auf Cynthias Körper herunter.

„Was ist passiert?“, fragte Ducan und stieß den Körper der Hexe an.

„Mein Partner hat ihre Seele verschlugen“, sagte ich und er sah mich an.

„So etwas kannst du?“, fragte er.

„Ich nicht. Aber der blaue Wolf von Tel Nuhara. Er kann die Seele jedes Menschen verschlingen. Allerdings nur solange ich das zulasse.“

„Das ist unheimlich“, sagte er und ich lachte.

„Natürlich. Das macht ihn sehr gefährlich. Aber ich habe hier ja auch keinen Schoßhund, oder?“

„Nein. Auf keinen Fall. Ich dachte nur Rudolph hätte ihn getötet.“

„Hat er nicht. Es ist etwas anders abgelaufen. Zumindest wenn man den Geschichten meines Dorfes Glauben schenken kann. Ich werde Rudolph jedoch nicht sagen, dass der Wolf nicht tot ist. Obwohl ich mir nicht einmal sicher bin, dass er das nicht schon längst weiß“, sagte ich und der Wolf hechelte zufrieden.

„Wir haben genug Zeit verloren. Wir haben den Stab“, sagte Keila und kam zu uns.

„Richtig“, sagte Tiana und reichte Remino den Stab.

Er hielt ihn in den Händen wie ein Kind. Sehr vorsichtig und darauf bedacht, nichts an ihm zu verunreinigen oder zu zerstören.

„Nelana?“, fragte er und sie holte das Drachenauge hervor.

Vorsichtig setzten sie die beiden Teile zusammen. Als sie in Berührung kamen, blendete uns ein helles Licht. Als es verschwunden war, war der Stab zerbrochen und lag am Boden.

„Was ist passiert?“, fragte Meriano und sah sich um.

„Der Stab ist zerbrochen“, sagte Jatana und sah ihn sich an.

„Aber ohne einen Effekt?“, fragte Kalira.

„Scheint beinahe so.“

„Aber was war das für ein helles Licht?“

Liroms Frage beschäftigte uns alle und konnte nicht beantwortete werden.

„Entschuldigt, das ging alles etwas schnell. Normal sollte es wohl nicht so schnell gehen“, sagte eine Frauenstimme und Lady Marina erschien vor uns.

„Lady Marina?“, fragte Nelana und sie nickte.

„Ich bin nun ebenfalls ein Drache und Teile meine Kräfte mit Kai. Durch das aktivieren des Stabs, habt ihr uns gerufen. Wir sind hier um euch über die Kräfte der Drachen aufzuklären“, sagte sie und Kai erschien neben ihr.

„Richtig. Die Drachen der Natur enthüllen nun das Geheimnis. Also. Remino und Nelana sind erwacht. Jotanate und Liram stehen kurz davor. Doch die anderen Drachen sind noch keinen Schritt weiter gekommen. Die Kräfte regenerieren sich einfach nicht. Zu meinem Bedauern mussten wir leider die Kräfte der Drachen neu verteilen“, sagte er.

„Neu verteilen?“, fragte Meriano.

„Meriano und auch ihr anderen, die ihr ausgewählt wurdet. Eure Körper können mit der Kraft der Drachen nicht anfangen. Würden wir euch die Kraft einfach so geben, dann würde es euch sofort umbringen. Nestar, Revarian, Delphi und Sildera, ich war gezwungen euch diese Bürde aufzuerlegen. Ihr werdet nun die neuen Drachen werden.“

„Aber wieso?“, frage Kalira und Kai sah sie an.

„Wie gesagt, biologisch gesehen können eure Körper nicht mit dieser Kraft umgehen. Mit Reminos erwachen hätten eure Kräfte weiter entwickelt sein müssen, als sie es waren. Die Drachen haben sich an euch geklammert, in der Hoffnung dass ihr stark genug seid. Ihr Wunsch war es außerdem, dass sie alle zusammen bleiben können. Ich gebe zu, dass dies nicht die schlauste Variante war. Es tut mir sehr leid, aber wir können es nicht ändern“, sagte Kai und ließ den Kopf hängen.

An seiner Stimme alleine konnte ich hören, dass es ihm sehr schwer fiel uns das alles mitzuteilen. Eine ungewohnte Demut und Trauer lag in ihr.

„Damit sind wir nutzlos“, sagte Kalira und Lady Marina sah sie an.

„Keineswegs. Vielleicht habt ihr die Drachenkraft nicht mehr, aber ihr seid nicht nutzlos. Eure Kraft ist auch ohne die Drachenseelen enorm. Daran kann niemand etwas ändern. Steht euren Freunden und Geschwistern im Kampf bei. Seid nur etwas vorsichtiger. Es steht nun keine Geheime Kraft mehr hinter euch, welche euch beschützen kann, wenn ihr euch einmal verschätzt. Bald werden Liram und Jotanate in der Lage sein, sich zu verwandeln und bringen weitere Gefühle zurück.“

„Aber wie sollen wir die Kämpfe bestreiten? Wir bekommen es mit Drachenjüngern, Aleta und die Drachen wissen was noch zu tun. Alleine ein einfacher Drachenjünger ist schon zu stark für uns“, sagte Meriano.

„Und dennoch wäre es euch Möglich diese Gefahren zu bannen. Außerdem unterschätz niemals die Kraft eines Drachen. Eure Geschwister sind bei euch und können euch beschützen. Zumindest würde es mich sehr wundern, wenn Remino es zulassen würde, dass dir etwas zustößt, Meriano. Nichts ist unmöglich“, sagte Marian und Kai sah uns an.

„Den neuen Drachen möchte ich noch ein paar Dinge mit auf den Weg geben. Die Kräfte, welche ihr bekommen habt, sind enorm. Vielleicht merkt ihr es nicht sofort, aber eure Kraft hat sich gesteigert. Die Drachenkraft hingegen, das wird noch einige Zeit brauchen, bis sie entwickelt ist. Es ist nicht möglich, dabei nachzuhelfen, das müssen eure Körper von alleine schaffen. Sind sie aufgeladen werdet ihr eure Gestalt ändern können. Sildera, oder eher Fortuna, du bist ein sehr besonderer Drache. Als Glücksdrache spielst du eine sehr zentrale Rolle im Leben der Menschen. Glück ist etwas was jeder Mensch verspürt, ob er das nun zugeben würde oder nicht. Du wirst viel Kraft bekommen, wenn diese Gruppe glücklich ist. Arbeite daran. Delphi du bist die Vernunft. Nelstar, dein Gefühl wird die Dankbarkeit. Und Revarian, du teilst dir mit Reviran die Stellung von Voluptast, dem Drachen des Vergnügens. Versprecht mir, daran zu arbeiten die Drachen zu werden, welche wir für euch vorgesehen haben. Wenn ihr alle erwacht seid, werden wir uns wiedersehen. Bis dahin seid vorsichtig und geht euren Weg durch Jagurin mit Zuversicht und Hoffnung.“

Mit diesen Worten  verschwanden die zwei und ließen uns alleine zurück, mit einigen ungelösten Fragen. Ich sollte jetzt ein Drache sein. Das bedeutete dann, dass Remino und ich doch ein Paar seien konnten. Auch wenn es gegen jegliche Geschichtsbücher sprach, da die Hoffnung ein Einzelgänger war. Doch das war ja nun ein neues Kapitel in der Drachengeschichte und wir würden es aufschlagen. Aber dennoch kam mir das alles so eigenartig vor. Ich ein Drache? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Vor allem nicht, weil ich die Kräfte von einem anderen bekommen hatte. Manchmal ging das Leben eigenartige Wege.

„Dann haben wir nun eine Umstrukturierung erfahren. Sollte der Stab uns aber nicht eigentlich unsere Kräfte vollständig wieder aufladen?“, fragte Jotanate und sah Remino an.

„Das wurde uns zwar gesagt, scheint aber nicht der Wahrheit zu entsprechen. Vielleicht reichte Kais Kraft nicht mehr aus um unsere Kräfte wieder aufzuladen“, sagte er und eine Stimme ertönte.

„Das stimmt nicht. Mein Vater wäre stark genug. Er hat es einfach nicht getan“, sagte Invidia und erschien vor uns.

„Invidia?“, fragte Nelana und sah ihn an.

„Casus hat mich hergeschickt als wäre ich ein Bote des Todes und nicht der Drache des Neids. Faul wie immer, mein Bruder. Naja aber von meinem Ärger mal abgesehen hat Casus eine Nachricht für euch. Der Stab hat eure Kräfte nicht aufgeladen, allerdings in euren Körpern etwas bewirkt, sodass die Drachenkraft schneller aufgeladen wird. Das hat Vater gemacht, da die Kraft zu viel wäre, sie euch auf einmal zu geben.“

„Aber wenn er so was kann, warum hat er es dann nicht bei uns getan?“, fragte Jatana und Invidia sah sie an.

„Das hat er euch doch erklärt. Biologisch ist es nicht möglich, dass ihr diese Kräfte halten könnt. Es würde eure Körper zerfetzten. Die Drachen haben sich einfach vertan und die falschen Wirte gewählt. Dafür entschuldige ich mich bei euch“, sagte er und nickte.

 „Dann waren wir von Anfang an nicht dafür geeignet?“

„Leider nein. Da eure Geschwister geeignet waren, dachten sie, ihr wäret auch geeignet und haben es nicht geprüft. Es war kein Fehler, ihr das Potenzial hattet. Doch leider hat sich das als unwahr herausgestellt.“

„Verstehen kann ich das immer noch nicht richtig“, sagte Reviran.

„Die Drachen sind nicht mehr in ihnen. Sie stecken jetzt in euch. Es wird eine kurze Zeit dauern, bis sie euren Körper als ihren eigenen ansehen werden.“

„Aber sie sind doch Tod, dachte ich.“

„Im Grunde sind sie das, für euch. Während Remino und die anderen sich erinnern werden, wird euch das nicht gelingen. Euer altes Leben ist Tod und damit die Drachen. Was nun aus euch wird, liegt nun bei euch. Ihr könnte Tyrannen sein, oder auch die Helfer, die ihr einst gewesen seid. Wählt euren Weg selbst.“

Damit verschwand der Drache und ließ uns alleine.

„Das war unerwartet“, sagte ich und alle sahen mich an.

„Richtig. Von uns konnte das wohl niemand erahnen“, sagte Liram und sah dann seinen Bruder an.

Dieser begutachtete seine Hände als störe ihn etwas daran.

„Was ist los?“, fragte er und Lirom sah ihn an.

„Mein Körper fühlt sich so eigenartig an. So verletzlich.“

„Kein Wunder. Wenn der Drache jetzt bei jemand anderem ist, kann das passieren. Mein Körper selbst fühlt sich verletzlich an, als würde mir ein Panzer fehlen“, sagte Liram und sein Bruder sah ihn an.

„Das ist etwas anderes. Du bist immer noch ein Drache. Deine Verwandlung war einmal schon beinahe abgeschlossen. Ich hatte nur die Drachenkraft, mehr nicht. Jetzt habe ich nichts mehr. Gar nichts.“

„Mir gefällt das Ganze auch nicht. Aber ich kann es nicht ändern. Aber wenn dein Körper mit dieser Kraft nicht umgehen kann, ist es leider so. Ich will dich nicht sterben sehen, weil man Hofft du könntest doch zum Drachen werden. Und gar nichts hast du auch nicht. Du hast mich und deine eigenen Kraft. Jetzt liegt es eben nur bei Reviran und Revarian, die Kräfte von Voluptast zu erwecken.“

„Es hätte auch anders gehen müssen“, sagte er und ich nickte.

„Es gab bestimmt einen Weg. Doch dieser ist der einfachste und vielleicht auch schnellste Weg. Aleta verliert zwar an Kraft, aber das macht sie umso hemmungsloser. Die Drachen müssen schnell zurückkehren, damit ihr Einhalt geboten werden kann“, sagte ich und sein Blick traf meinen.

Ich konnte Trauer und Angst aus ihm lesen. Ebenso Hass und Enttäuschung. Lirom verkraftete den Verlust nicht. Er hatte diese Kraft genossen und geliebt. Jetzt war sie nicht mehr da und er stand auf sich alleine gestellt. Mich würde es auch aufregen, wenn man mir meine Kräfte nahm. Allerdings kannte ich die Drachenkraft noch nicht. Sie war neu und mein Körper konnte damit noch nichts anfangen. Genauso wenig wie der von Lirom. Diese Situation wurde mir langsam unangenehm, je länger er mich ansah. Also wendete ich meinen Blick ab und sah zu Boden. Natürlich konnte niemand etwas für diesen Verlust. Aber Lirom schien sich genau das zu sagen. Oder auch nicht. Ich vermochte das nicht zu beurteilen.

„Was geschehen ist, ist geschehen. Wir können es nicht ändern. Also lasst uns überlegen, was wir als nächstes tun sollten“, sagte Meriano und ich sah zu ihm.

Er schien sich nicht über die Situation zu freuen, war aber auch nicht übermäßig Sauer, wie Lirom.

„Es gibt eigentlich nichts mehr zu tun“, sagte Remino und sah ihn an.

„Eure Kräfte sind noch nicht wieder da. Irgendetwas haben wir also übersehen. Und warten, bis sie aufgeladen sind, kann noch ziemlich lange dauern. Also, hat einer eine Idee?“

„Ich habe eine“, sagte Revarian und wir sahen ihn an.

„In meinem Dorf steht ein Schrein. Die Drachen wurden dort verehrt. Vielleicht finden wir da etwas, was uns helfen kann“, sagte er.

„Und wo liegt dieses Dorf?“, fragte Keila.

„Im Himmelsgebirge“, sagte er und Keila stöhnt.

„Dann müssen wir ja in die andere Richtung gehen. Das ist Wahnsinn.“

„Habt ihr eine bessere Idee?“, frage ich und sie nickte.

„In den Palast zurückkehren und warten, bis die Drachen erwacht sind. So lange können wir eh nichts tun“, sagte sie und wir lachten.

„Das ist genau, was wir nicht wollen. Untätig rumsitzen und warten, bis endlich etwas passiert. Nein, Revirans Idee ist gut. Wir reisen in die Berge“, sagte Meriano und wir nickten.

„Das kann ich nicht zulassen. Ihr habt keine Erlaubnis, euch vom königlichen Hof zu entfernen“, sagte sie und Jermain legte den Kopf schief.

 „Was hat der Hof mit unseren Handlungen zu schaffen?“, fragte er und sprach damit genau an, was ich mir auch dachte.

Der Königshof hatte nichts mit den Geschicken der Drachen zu tun, deren Seele wir nun in uns trugen. Warum sagte Keila also so etwas?

„Der König hat euch diese Eskorte nur zur Verfügung gestellt, weil ihr seine Leibeigenen seid. Deswegen hat er euch auch noch nicht beim ersten Mal getötet. Die Drachen unterstehen seinem Kommando. Dem Kommando des Gottkönigs“, sagte sie und wir alle sahen sie entsetzt an.

Gottkönig? Das war mir neu. Simon hielt sich also für einen Gott? Ein männlicher Aleta. Das war es natürlich, was dieses Land brauchte. Zwei von dieser Sorte. Da würden irgendwann auch acht Drachen machtlos sein. Je mehr Menschen sich zu Göttern erhoben, desto weniger Macht konnten wir haben. Was veranlasste Simon zu diesem Schritt?

„Habe ich etwas versäumt? Seit wann ist Simon ein Gott?“, fragte ich und Keila sah mich wütend an.

„Das ist egal. Er hat sich zum Gott ernannt und somit ist er auch einer.“

Das ergab irgendwie keinen Sinn, es sei denn. Das war gar nicht Simon. Ich hatte Geschichten über den König gehört. Er war verwöhnt, eingebildet und selbstverliebt. Aber einfach nicht die Sorte Menschen, die sich zum Gott ernennen würden. Aber mir fiel auch niemand ein, der seinen Platz einnehmen konnte. Keine Hexe konnte soweit ihre Gestalt und Stimme anpassen.  Ich sah Remino an und schickte meinen Wolf zu ihm. Außer uns beiden konnte ihn im Moment niemand sehen.

„Vielleicht ist Simon gar nicht mehr auf dem Thron. Er wirkte nicht wie ein Mensch, der sich zum Gott ernennt“, sagte ich und Remino hörte zu.

„Hatte ich mir auch gedachte“, antwortete er und schickte den Wolf zu mir.

„Lady Keila. Simon wirkt nicht wie die Sorte Mensch, die sich über alle andere erhebt und Herrscht, als sei man etwas Besseres. Er mag jung sein, doch nicht dumm. Trotz seins Alters, ist Simon sehr klug. Es würde ihm, denke ich, wiederstreben, sich zum Gott zu erheben“, sagte er und die Hexe lachte.

„Dann kennt ihr ihn nicht gut.“

„Oder er sitzt nicht auf seinem Thron“, sagte Remino.

Die Hexe sah ihn entsetzt an.

„Ausgeschlossen niemand kann“, begann sie wurde aber durch eine Explosion unterbrochen.

Rauch zog über den heiligen Hafen und tauchte die umlegenden Gipfel in ein gespenstisches Grau.

„Was geht da vor?“, fragte sie und sah zur Stadt.

„Vermutlich hat jemand die Stadt angegriffen“, sagte ich und Keila drehte sich wieder um.

Ihr Gesicht sah fassungslos aus. Als könne sie gar nicht begreifen, was ich gerade gesagt hatte. Die Soldaten begannen schon in Richtung Hafen zu reiten. Nachdem auch der letzte uns verlassen hatte, verdecke Keila ihr Gesicht.

„Endlich alleine“, sagte sie und begann zu lachen.

Sofort veränderte sich ihr Körper und eine Elfe stand vor uns. Ihre Finger waren riesige Krallen. Ihre Haut war grau, wenn sie nicht sogar schon leicht ins Schwarze spielte. Auf ihrem Kopf trug sie einen Kopfschmuck, der aussah wie getrocknete Kuhhaut. Ihre Farbe war rot. Sonst war sie sehr spärlich bekleidet. Ihre gesamte Kleidung war rot und sah aus wie der Hut. Es wurden die wichtigsten Stellen verdeckt. Ihre Schuhe hatten hohe Hacken und sahen aus wie Knochen.

„Eine Elfe?“, fragte Jatana und sah die Frau an.

„Elfe? Das war ich einmal. Bis man unsere Stadt zerstörte. Unser Lebensbaum verdorrte, nachdem ihr Elfen euch erdreistet habt, euren eigenen zu pflanzen. So wurden wir zu Dunkelelfen. Mein Name ist“, begann sie doch Adelia führte den Satz zu ende.

„Lena“, sagte sie und die Elfe sah sie an.

„Adelia. Lange nicht gesehen, alte Freundin. Was macht dein Garten?“

„Wächst und gedeiht“, sagte sie und Lena lachte.

„Ich hatte ja noch nie einen grünen Daumen. Mir gehen sämtliche Blumen ein. Was führt dich hier her?“

„Die Ausbildung zweier Jungelfen.“

„Rührend. Unsere Kinder werden nicht so liebevoll aufgezogen wie eure.“

„Nachdem wir uns von eurem Reich getrennt haben und unser eigenes aufgebaut haben, ist euer Reich zerfallen. Ohne Elfen als Sklaven konnte euer Baum nicht lange überleben.“

„Über Haarspaltereien brauchen wir uns nicht aufzuregen. Ich muss euch jetzt bitten, alle mit mir zu kommen. Obwohl, bitten ist so ein weiches Wort. Als Königin aller Dunkelelfen befehle ich euch mit mir zu kommen.“

Befehlen war nun wirklich das richtige Wort. Die Stimme der Elfe war unheimlich bedrohlich. Ich wusste nicht einmal warum. Eigentlich schien sie vollkommen normal zu sprechen. Trotzdem klang es bedrohlich.

„Was erlaubst du dir?“, fragte Jotanate und trat vor die anderen.

„Wie kannst du denken, dass die Drachen auf dich hören? Wir sind die einzigen Wesen, die Befehle weitergeben dürfen, da wir in Harmonie mit den anderen Wesen dieser Welt stehen. Auch so Befehlen wir nicht, wir bitten. Wenn man nicht auf uns hört, werden wir vielleicht wütend aber mehr auch nicht.“

„Pah. Wer glaubt euch denn das? Ihr seid genauso wie alle anderen Götter auch. Selbstverliebt und Arrogant. Aber darum geht es mir nicht. Ich kann euch helfen, eure Kräfte aufzuladen.“

„Hört nicht auf sie. Lena war schon immer für ihre Manipulationen und Täuschungen bekannt“, sagte Adelia und Lena lachte.

„Das ist kein Trick, Kinder. Kommt zu mir und empfangt die Kraft der Drachen“, sagte sie und breitete ihre Arme aus.

Verwirrt sahen wir uns an. Reminos Blick war entschlossen. Er trat vor und sah der Elfe genau ins Gesicht.

„Wir können diese Kräfte auch alleine aufladen. Dafür brauchen wir euch nicht“, sagte er und Lena lachte weiter.

„Dann wählt ihr also lieber den Weg des Todes. Auch eine Variante. Ogrie!“, rief sie und die Bäume begannen zu knacken.

Plötzlich sprang etwas aus ihnen hervor. Riesig und fett. Mit einem Knall kam das Wesen zu Boden. Sofort wichen wir alle zurück. Es war ein Ogre, der vor uns stand. Ihre Körper waren voller Fett und nur wenig Muskeln. Sie benutzten eigentlich alle Keulen aus Holz. Gefährlich machte ihre Größe und auch ihr Gewicht sie. Wen ein Ogre um sich schlug konnte er ein ganzes Haus in wenigen Sekunden dem Erdboden gleich machen. Auf ihrem Kopf hatten sie alle ein Horn. Ihre Augen waren klein und oftmals konnten sie auch gar nicht richtig sehen. Deswegen schlugen sie auch oft ohne Sinn und Verstand um sich.

„Ogrie, kümmre dich um sie“, sagte Lena und der Ogre kam auf uns zu.

Symphonia

Der Ogre hatte uns mittlerweile erreicht und schnupperte. Dieses Exemplar war offensichtlich blind. Ich hatte meinen Bogen schon in der Hand und zielte eigentlich auf seine Augen. Das konnte ich mir jetzt wohl schenken. Plötzlich hob er seine Keule und wollte gerade zuschlagen, als zwei Hände, aus Schatten, über uns hinweg schossen. Die Keule rührte sich nicht mehr, egal wie sehr der Ogre es auch versuchte. Sofort sah ich zu Sildera. Sie hatte ihre Fächer auf den Ogre gerichtet und hielt ihn fest.

„Macht schon. Ich weiß nicht, wie lange ich ihn halten kann“, rief sie und ich schaltete sofort.

Ich sprang ab und verpasste dem Ogre eine Abfolge von Tritten, die einen normalen Menschen oder auch jedes andere Wesen umhauen würden. Ihn juckte das nicht einmal. Er reagierte gar nicht und versuchte seine Keule zu bewegen.

„Zurück, Jotanate. Ich mach das“, sagte Nelana und ich sprang wieder zurück.

Sofort gingen Feuerbälle und andere Zauber auf den Ogre nieder. Alle anderen versuchen es ebenfalls. Nichts drang zu ihm durch und schadete ihm. Nicht einmal Jatanas Pfeile oder Lirams Axt.

„Es kann nicht sein, dass wir keine Chance haben. Wir harmonieren doch zusammen. Dadurch wird unsere Kraft gesteigert. Das kann alles nicht sein“, rief ich und ein Feuer entfache in meinem Körper.

Sofort wurde ich von einer Blase aus Wasser umschlossen. Mein gesamter Körper veränderte sich, bis ich zu einem Drachen geworden war. Genau wie Nelana. Meine Schuppen waren blau. Sonst sah ich genauso aus, wie Nelana. Das Wasser explodierte und durchnässte alle um mich herum. Sofort stieß ich ein Brüllen aus und ließ meine Freunde zusammenzucken.

„Ich bin erwacht!“, schrie ich und scheuchte alle Tiere im Umkreis auf.

Erstaunt sah Lena zu mir hoch. Sie konnte wohl nicht glauben, was gerade passiert war. Ich konnte sehr genau Angstschweiß riechen. Das gefiel mir. Nicht nur, dass ich unheimlich mächtig war, ich konnte auch die Gefühle anderer riechen. Welche eine famose Gabe.

„Ein großer Fehler, Lena. Du hast dich mit mir, Symphonia angelegt. Für dieses Vergehen werde ich dich vernichten“, rief ich und stieß eine Flamme aus.

Meine Freunde sprangen alle zur Seite. Als das Feuer verschwand hatte ich den Ogre in einen Saphir verwandelt. Also verbrannte unser Feuer nicht. Es versteinerte die anderen. Nett. Dadurch töteten wir eigentlich nicht, sondern erschufen Staturen.

„Wie kannst du es wagen, Ogrie etwas anzutun? Hast du denn kein Herz?“, fragte die Elfe und sah zu mir auf.

„Ich habe ein Herz. Aber meins ist nicht so schwarz wie deines. Ich rate dir zu verschwinden, Königin der Dunkelelfen“, sagte ich.

„Du hast es weit gebracht, Lena. Das solltest du nicht alles wegwerfen und dich auf einen Kampf mit den Drachen einlassen“, sagte Lilith.

„Eine ganze Armee von Dunkelelfen ist bereit mir zu folgen, wenn ich die Menschen oder Elfen bald auslöschen werde. Selbst die Drachen werden uns nicht aufhalten können.“

„Wenn es dein Wunsch ist zu kämpfen, dann werde ich nicht so gnädig sein wie mit deinem Freund hier. Dich werde ich zermalmen wie einen Käfer unter meinen Klauen“, sagte ich und sie lachte.

„Das ist lächerlich. Die Königin zieht sich nicht zurück. Dunkelelfen kämpfen bis zur letzten Frau. Da kann niemand etwas dran ändern. Und deswegen müsst ihr jetzt leider sterben“, sagte sie und griff Liram an.

Er blockte ihren Schlag. Mit aller Gewalt versuchte Lena nun gegen Lirams Axt zu drücken und ihn damit in die Defensive zu zwingen. Doch seine Kraft reicht locker aus um ihr die Stirn zu bieten. Ich konnte sie nicht mehr angreifen, ohne dass ich nicht Liram oder jemand anderes erwischen würde. Dieser Körper war nicht nur praktisch.

Latitia

Die Elfe war ziemlich kräftig. Endlich mal jemand, der sich mit mir messen konnte. Ihre Klauen drückten gegen meine Axt. Doch ich bewegte mich keinen Millimeter. Dafür war sie nicht stark genug.

„Gib es auf, Elfe. Du hast keine Chance gegen mich“, sagte ich und sie lachte.

„Das magst du denken. Doch wir Elfen sind weitaus schneller, als ihr Menschen“, antwortete sie und drückte noch kräftiger.

„Liram!“, rief mein Meister und ich sah zu ihm.

„Der Kampfschrei“, rief er und mir kam sofort in den Sinn was er meinte.

Ich konnte mit einem Schrei meinen Gegner wegdrücken. Also holte ich tief Luft und schrie. Sofort wurde Lena von mir Weg gedrückt und schlug gegen einen umgestürzten Baum. Das hatte ich noch nie probiert. Diese Technik funktionierte wirklich viel besser, als ich erwartet hatte. Doch das war noch lange nicht alles. Jotanate hatte jetzt die Drachenkraft. Auch ich fühlte mich voller Kraft. Als würde ich beinahe überlaufen vor Energie. Ich schloss meine Augen und versuchte herauszufinden woher diese Kraft kam. Plötzlich spürte ich, dass etwas mit meinem Körper passierte. Ich begann zu wachsen. So musste Remino sich gefühlt haben, als er zum Drachen geworden war. Im nächsten Moment war ich zu einem imposanten Drachen geworden, der leuchtete wie ein Kristall. Erstaunt sah Jotanate mich an.

„Frag mich nicht“, sagte ich und sie lachte.

Bei einem Drachen klang das ziemlich eigenartig. Lena sah auf.

„Latitia“ sagte sie und ich sah sie an.

Doch bevor ich antworten konnte, begannen Nelana und Remino zu leuchten. Im nächsten Moment waren wir alle zu Drachen geworden.

Ein schwerer Verlust

Nachdem Liram und Jotanate ihre Kraft erweckt hatten, spürte ich ein eigenartiges Gefühl. Als wolle mein Körper es ihnen gleich tun. So wurde ich auch zum Drachen. Lena sah erstaunt auf. Sie war von vier Drachen umzingelt. Was war passiert? Ich sah nun völlig anders aus, als beim letzten Mal. Mein Körper glich mehr dem einer Schlange. Ich hatte keine Flügel mehr. Meinen Kopf schmückte eine wunderschöne Mähne, zusammen mit zwei langen Schnurrhaaren und zwei stattlichen Hörnern. Nelana hatte sich ebenfalls in solch einen Drachen verwandelt. Dieser Körper kam mir bekannter vor, als mein menschlicher. Als hätte ich ihn schon ewig gehabt.

„Die ersten vier Drachen sind erwacht“, rief ich und brüllte laut.

Die anderen stimmten ein, während der Rest sich die Ohren zuhielt. Es musst ein ohrenbetäubender Lärm sein, für einen Menschen. Selbst Lena hielt sich ihre Ohren zu. Als wir verstummten sah sie auf.

„Alle vier Drachen, erwacht“, sagte sie und wir lachten.

„Die Gefühle kehren zu den Menschen zurück. Sie müssen nicht mehr ohne sie leben. Möchtest du Leben, Elfe? Oder lieber sterben?“, fragte ich und Lena begann zu zittern.

„Eine Dunkelelfe zieht sich nicht zurück. Würde ich es tun, dann wäre ich keine Königin mehr.“

Sofort versucht Lena auf Sildera zu, zu rennen. Mein Körper schnellte nach vorne und blockierte ihren weg. Sie versuchte über mich zu springen, doch ich schnellte, wie eine Schlange nach vorne und schnappte nach ihr. Ich erwischte die Elfe und zog sie zurück. Dann warf ich sie hoch in die Luft und sah ihr nach. Sofort spie Jotanate eine Flamme und versteinerte sie. Ihr Aufschlag ließ sie in tausend Teile zerspringen. Lena war damit Geschichte. Ihr Körper war nicht mehr als tausenden Saphirsplitter.

„Das wäre erledigt. Jetzt müssen wir nachsehen, was im Hafen geschehen ist. Wollt ihr mitkommen?“, fragte Nelana und sah unsere Freunde an.

„Ihr könnt uns bestimmt brauchen“, antwortete Meriano und sofort legte Jotanate ihren massigen Körper zu Boden.

Sie stiegen alle auf und dann erhob sie sich, zusammen mit Liram in die Luft.

„Wollen wir?“, fragte Nelana und sah mich an.

„Hoffentlich können wir noch fliegen“, sagte ich und stieß mich vom Boden ab.

Tatsächlich mein Körper überwand die Schwerkraft und ließ mich durch die Luft schweben. Die Bewegung kam aus meinem Schweif. Wie eine Schlange schlängelten wir uns durch die Luft, nachdem Nelana zu mir gekommen war. Wir flogen zum heiligen Hafen, der immer noch brannte. Als wir näher kamen, konnte ich auch sehen, warum. Dunkelelfen hatten die Stadt angegriffen und zerstörten alles was ihnen in den Weg kam. Der Palast brannte lichterloh und es war kein Ende in Sicht. Auf dem Vorplatz des Palastes, standen Terra, Nerin, der blaue Wolf, und auch Lady Marina. Sie alle hielten den Palast, so gut sie konnten. Durch die Stadt streiften viele Soldaten und versuchten die Dunkelelfen zu verjagen. Das kostete aber oftmals eher Menschen das Leben, als es rettete. Wie Fliegen fielen die Soldaten den Elfen zum Opfer. Liram und Jotanate waren gelandet und hatten unsere Freunde abgesetzt. Ihre massige Gestalt war Hinderlich in der Stadt. Sie würden noch mehr niederreißen, als die Elfen. Also konnten nur Nelana und ich wirklich angreifen.

„Verteidigt den Platz. Nelana und ich streifen durch die Stadt. Ihr seid zu groß dafür“, rief ich ihnen zu und beide nickten.

Nelana und ich begannen unsere Runde. Sie flog ans südliche Ende und ich nach Norden. Die Elfen hatten uns schon bemerkt, ignorierten uns aber. Ich dachte mir, dass es besser war. Ich fand eine Hauptstraße. Sie war schön breit und voller Dunkelelfen. Mein Körper tat genau das was ich wollte. Er ging im Sturzflug nach unten und ließ mich durch die Straße fliegen. Meine Klauen zerrissen die Elfen. So flog ich bis zum anderen Ende der Stadt und stieg dann wieder Empor. Das gleiche hatte Nelana auch getan. Jetzt mussten wir von Osten nach Westen fliegen. Auch das taten wir und dezimierten die Elfen noch weiter. Als wir wieder über Stadt waren sahen wir nach unten. Viele Elfen waren gefallen und der Rest war durch die ganze Stadt versprengt. Plötzlich hörte ich Liram oder Jotanate Brüllen. Aber nicht aggressiv. Man hatte sie verwundet. Meriano, war das erste was mir durch den Kopf schoss. Nelana und ich flogen zum Platz zurück und fanden Aleta vor unseren Freunden. Vor ihr lag Liram und rührte sich nicht mehr. Jotanate war verletzt. Sofort stießen wir herab und landeten vor ihr. Ich sah mir ihre Wunde an, während Nelana die Göttin abschirmte.

„Geht es?“, fragte ich und Jotanate sah mir in die Augen.

„Es brennt wie verrückt. Als würden Feuerameisen durch die Wunde krabbeln“, sagte sie und ich sah genauer hin.

Tatsächlich lag ein Zauber auf der Wunde, der eine Heilung verlangsamen sollte. Aleta hatte ganze Arbeit geleistet. Diese Sperre konnte ich nicht umgehen.

„Ich kümmere mich gleich darum“, sagte ich und überlegt.

Dann fiel mir ein, dass wir eigentlich Tiere waren. Mächtige und große Tiere. Was taten Tiere bei ihren Wunden? Sie leckten sie. Genau das tat ich bei Jotanate jetzt auch. Sie schrie erstaunt auf, als meine Zunge das erste Mal über ihre Wunde glitt. Aber offensichtlich schien es zu helfen. Sie entspannte sich.

„Danke“ sagte sie und ich sah sie an.

Die Wunde begann zu Heilen. Ich hatte den Zauber einfach aufgelöst. Also konnte unser Speichel heilen. Das war gut zu wissen.

„Geh mir aus dem weg, Dilectio. Ich habe mit Spes zu reden“, sagte Aleta und Nelana fauche.

„Das einzige was du noch zu besprechen hast, ist deine Henkersmahlzeit. Zur Auswahl stehen Versteinerung oder zerquetschen.“

„Allerliebst. Du kannst mich nicht töten. Egal, was du auch versuchst.“

„Finden wir es heraus“, sagte Nelana und wollte gerade angreifen, als ich sie aufhielt.

„Lass gut sein, Nelana. Ich rede mit ihr“, sagte ich und Nelana gab den Weg frei.

Langsam schlängelte ich mich auf Aleta zu. Sie sah genauso aus, wie beim ersten Mal.

„Spes, du alter Tagedieb. Du hast nichts Besseres zu tun, als immer wieder in meinem Weg zu stehen, oder?“

„Wie damals“, antwortete ich.

„Also seid ihr wieder erwacht. Wie ich sehe, aber nicht alle. Nur ihr vier? Das ist langweilige ich hatte gehofft euch alle auf einmal vernichten zu können.“

„Was willst du, Aleta? Uns anzugreifen wäre Sinnlos. Du hast viel zu viel Kraft verloren“, sagte ich und sie nickte.

„In der Tat. Im Moment wäre ich unterlegen. Aber dafür habe ich etwas vorbereitet. Eure Vergangenheit erwartet euch“, sagte sie und sofort war ich von völliger Dunkelheit umfangen.

Vor mit erschien mein Vater. Er sah mich an.

„Remino, was ist aus dir nur geworden? Genau das, was ich nicht wolle. Die Drachen sind böse, mein Sohn. Sie sind es, die diese Welt in den Untergang treiben. Jetzt bist du selbst einer. Du hast dich auf diese Bestien eingelassen“, sagte er und ich sah ihn an.

Ja, genau das hatte ich. Die Drachen, die mir damals nicht meine Heimat und auch nicht meine Mutter genommen hatten. Auf die Drachen, die jetzt alles daran setzten, diese Welt zu retten.

„Du wusstest es damals“, sagte ich und er lachte.

„Natürlich wusste ich es. Ich wusste was für Missgeburten dein Bruder und du waren. Drachen. Jene Wesen, die mein Leben einst zerstört hatten. Eure Mutter ist ihnen zum Opfer gefallen“, sagte er.

„Das stimmt nicht. Ich kann mich an damals erinnern. Wir Drachen waren immer zusammen unterwegs. Meine Mutter ist uns nie begegnet.“

„Richtig. Aber deine Mutter ist eine Priesterin der Dunkelheit. Sie ist in der anderen Welt und verhindert, dass sich Aletas Alpträume ausweiten, die ihr der Göttin bereitet habt.“

„Lügen!“, schrie ich und er zuckte zusammen.

„Es ist bereits zu spät, Remino. Das Schicksal kann nicht mehr geändert werden. Euer Weg endet hier und heute“, sagte er und ich spürte sofort einen unheimlichen Schmerz in meiner Brust.

Es fühlte sich an, als würde mein Herz brechen.

„Was?“, fragte ich und er schloss seine Augen.

„Dein Bruder hat seine gerechte Strafe bekommen“, sagte er und sofort flutete mir wieder Licht entgegen.

Verwirrt sah ich mich um. Mein Vater war nicht mehr da. Nichts erinnerte mehr an dieses Gespräch. Nur meine eigenen Gedanken.

„Remino“, drang eine Stimme zu mir durch.

Das war eindeutig mein Bruder. Doch er klang sehr schwach. Sofort sah ich zu ihm und musste feststellen, dass er schwer verwundet war. Genau wie Jatana, Kalira und auch Lirom.

„Nein!“, brüllte ich und stand sofort neben ihm.

Vorsichtig sengte ich meinen Kopf und sah mir sein Wunde an. Sie war sehr tief und es sah so aus, als hätte jemand mit der Hand genau durch seinen Brustkorb geschlagen.

„Meriano, nein“, sagte ich und er hob seine Hand.

„Casus will mich offensichtlich bei sich haben. Ich habe versagt, Remino. Ich konnte dir nicht helfen. Durch meinen Tod habe ich die Welt dem Untergang preisgegeben.“

„Nein, hast du nicht. Ich kann dich retten“, sagte ich und fuhr, vorsichtig, mit meiner Zunge über seine Wunde.

Doch nichts geschah. Gar nichts.

„Diese Wunde kommt von Aleta. Sie ist unheilbar, Sogar für einen Drachen. Meine Zeit ist um, Remino. Versprich mir eins. Erzähl unsere Mutter von mir.“

Damit schloss er seine Augen und seine Hand sank wieder zu Boden.

„Meriano? Meriano? Nein. Verlass mich nicht. Bitte!“, schrie ich und brüllte meinen ganzen Schmerz in die Welt hinaus.

Meine Stimme war so laut, dass ich mehrere Gebäude zerstörte. Mein Bruder war weg. Einfach so. Der Moment der niemals hätte kommen sollen, war nun da. Es war grausam. Aleta hatte sich jetzt nicht nur einen Feind gemacht. Die anderen hatten ihre Geschwister ebenso verloren wie ich. Auch  bei ihnen konnte ich sehen, dass sie wütend waren. Nicht nur auf die Göttin sondern auch auf die Menschen. Menschen. Sie waren eine Plage. Ein Dorn im Fleisch unserer Körper. Alles war sie brachten war Schmerz und Zerstörung. Sie hatten es so weit kommen lassen. Wie konnten sie auch an Aleta glauben? Diese grausame, eingebildete Hexe. Sie sollte bluten für diese Tat. Genauso wie die Menschen jetzt bluten sollten. Ich sah zu den andere. Ihre Augen hatten sich rot verfärbt. Sie fühlten wohl genauso wie ich. Liram holte mit seiner Pranke aus und riss ein Haus nieder. Nelana warf ihren Körper gegen den Palast und riss einen Turm ein. Jotanate schlug nach ein paar Menschen, die an uns vorbei liefen. Das letzte was ich hörte waren ihre Schreie. Und jetzt wollte ich auch zuschlagen. Ich hob meinen Schweif und riss den Brunnen in der Mitte der Stadt ein.

„Hört auf, bitte!“, schrie Terra und versuchte uns von unserem Vorhaben abzubringen.

Er war auch ein Feind. Terra war ein Menschen und ein Diener Aletas. Er bekam seine Kraft durch sie. Das machte ihn zu einem Ziel. Ich holte tief Luft und stieß eine Flamme aus. Sofort sprang Lady Marina nach vorne und hob ihren Stab. Sie fing den Feuerstrahl ab und teilte ihn.

„Lass das“, sagte sie und funkelte mich wütend an.

Was sollte ich lassen? Die Menschen zu bestrafen, die mir meinen Bruder genommen hatte? Bestimmt nicht. Ich drehte mich um und zerstörte weitere Häuser. Genau wie meine Freunde. Der Hafen zerfiel nach und nach. Bis ich auf eine weitere Leiche stieß. Es war die von König Simon. Der König war Tod. Seine Krone war nicht mehr da. Vorsichtig berührte ich ihn mit einem Schnurrhaar und sah mir an, was passiert war. Sein Onkel hatte ihn ermordet und Lena auf uns angesetzt. Er hatte sich die Krone genommen und war in die Berge geflohen. Ein weiteres Beispiel für die Grausamkeit der Menschen. Einige Soldaten kamen auf mich zu. Ihre Speere waren auf mich gerichtet.

„Schützt den König“, riefen sie und griffen mich an.

Was sollte das werden? Wollten sie mich amüsieren? Diese Speere würden niemals durch meine Schuppen dringen. Und der König war tot. Daran gab es keinen Zweifel. Was sollte das also? Egal. Sie würden nicht überleben. Wie viele andere Menschen auch nicht. Mein Schweif peitschte voran und schlug die Soldaten weg. Plötzlich stand eine Frau vor mir. Sie trug eine weiße Robe. Es war eine Priesterin der Dunkelheit. Ihrer Kopfbedeckung nach, war sie eine Oberschwester. Ihr Hut war mehr eine Kapuze.

„Hör bitte auf, mein Sohn“, sagte sie.

Ich stutzte. Sie hatte Sohn gesagt. War sie meine Mutter? Nein das war unmöglich. Meine Mutter hatte mich verlassen. Vor vielen Jahren. Es war unmöglich, dass sie diese Priesterin war. Sofort fauchte ich sie an.

„Du erinnerst dich nicht. Das ist tragisch. Deine eigene Mutter, hatte dich verlassen, kurz nachdem du das Licht der Welt erblickt hattest. Dein Bruder und du ihr habt lange nach mir gesucht, das weiß ich. Ich weiß auch, wie du für ihn gesorgt hast. Alles konnte ich sehen. Nur nicht bei euch sein. Zumindest nicht in der Person. Der Priester damals wurde von mir geschickt um dich anzusprechen, damit ihr ein bessres Leben haben konntet. Das hatte sogar bedingt Erfolg. Der Abt und auch euer Vater haben mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bitte, Remino. Beruhige dich. Rache wird deinen Bruder auch nicht mehr zurück bringen“, sagte sie.

Ihre Stimme klang so vertraut. So, als würde ich sie schon ewig kennen. Das konnte wirklich meine Mutter sein. Sie wusste immerhin genau, was mit meinen Bruder und mir passiert war. Konnte das sein? Hatte sich mein Wunsch erfüllt? War das wirklich meine Mutter? Langsam beruhigte ich mich und sah sie neugierig an.

„So ist es besser. Ich kann verstehen, dass du verwirrt bist. Aleta kann grausam sein. Aber nicht wenn ich da bin. Gegen mich kann sie nichts ausrichten. Komm ein wenig näher, damit ich dich berühren kann“, sagte sie und ich kam vorsichtig auf sie zu.

Als ich sie erreicht hatte, legte sie mir ihre Hand auf den Kopf und sofort wurde alles Schwarz.

Aletas Alptraum

Liram und Jotanate wüteten immer noch im Hafen. Remino war verschwunden und Nelana hatte sich weinend in eine Ecke zurückgezogen. Somit war die Stadt ein Schlachtfeld und zerfiel immer weiter. Emilie und Nelstar diskutierten gerade darüber, wie man die zwei aufhalten konnte, damit sie nicht die ganze Stadt zerstören würden. Lady Marina suchte ihren Mann und Terra kümmerte sich um die Wunden der anderen. Meriano lag vor mir und blutete immer noch. Sein Tod war noch nicht lange her.

„Sildera“, sagte Delphi und ich zuckte zusammen.

Langsam sah ich sie an.

„Was gibt es?“

„Sieh nur“, sagte sie und zeigte auf die Leichen.

Langsam begannen sie zu leuchten und ihre Geister erhoben sich. Neben mir stand mein Wolf und hatte seine Augen geschlossen.

„Bist du das?“, fragte ich und er sah mich an.

Er nickte leichte und die Seelen sahen mich an.

„Sildera. Wir müssen zu unseren Geschwistern“, sagte Jatana und ich nickte.

Sofort hob ich meine Fächer und richtete sie auf sie. Dann befahl ich sie zu ihren Geschwistern. Alle bis auf Meriano.

„Was ist los? Willst du nicht gehen?“, fragte ich und er schüttele seinen Kopf.

„Remino ist irgendwo. Ich weiß nicht wo. Aber nicht mehr in dieser Welt. Außerdem will ich diesen Abschied nicht schwerer machen, als es überhaupt schon ist. Nimm meine Seele, Sildera. Dann wirst du mehr Kraft bekommen und den Drachen damit stärken.“

„Das kann ich nicht. Bitte, versteh das. Du bist Reminos Bruder. Ich kann nicht seinen Bruder endgültig töten.“

„Aber ihm unendliche Qualen bescheren? Denkst du wirklich, das wird ihn noch mehr freuen?“

Da hatte er Recht. Einmal beschworen musste ein Geist aufgenommen werden. Sonst würd er dauerhaft durch die Welt der Fleischlosen wandern, dazu verdammt den Schmerz seines Todes immer und immer wieder zu spüren. Vorsichtig hob ich meine Hand und befahl seine Seele zu mir. Er verschwand in meinen Fächern und gab mir mehr Kraft. Damit hatte ich zwei Seelen aufgenommen. Eigentlich wollte ich keine Verschlingerin werden. Ich hatte festgestellt, dass es auch einen weiteren Weg gab. Den Weg der Beschwörerin. Dieser erlaubte mir die Kraft meiner Hände zu verstecken und Soldaten aus Schatten zu erschaffen, wenn ich stark genug dafür war. Und dafür hatte ich mich entschieden. Da aber Kampfschamanen generell Seelen aufnehmen konnten, war es egal, ob ich sie nahm oder nicht. Es gab mir Kraft. Plötzlich fiel mir auf, dass so still war. Kein Drache schrie oder zerstörte etwas. Unsicher sah ich mich um. Sie standen dort und sprachen mit den Geistern ihrer Geschwister. Ein trauriger Anblick. Kurz nach dem Tod lag der Schmerz sehr tief. Das konnte niemand ändern. Niemand. Nicht einmal Dilectio. Die Liebe war eigentlich stärker als der Tod. Doch sie konnte ihn nicht verhindern. Einzig dafür sorgen, dass niemand sie vergessen würde. Langsam kamen die Drachen und ihre Geschwister zu uns.

„Wir haben sie beruhigt bekommen“, sagte Lirom und die Drachen sahn uns an.

„Tut uns Leid, dass wir durchgedreht sind. Aber diese Situation hat unseren Hass angestachelt. Es war, als würden wir ferngesteuert“, sagte Jotanate und ich nickte.

„Es gibt Schlimmeres. Der Hafen war eh schon sehr stark angeschlagen. Ihr habt ihm einfach nur den Rest gegeben. Das wird niemanden stören. Ich muss eure Geschwister aber jetzt zu mir nehmen. Sonst sind sie dazu verdammt auf ewig ihren Schmerz zu spüren und über die Welt zu wandern“, sagte ich und sie nickten alle sechs.

Ich hob meine Hand und zog die Seelen zu mir. Tränen rannen über die Gesichter der Drachen. Dann drehte Nelana sich um und ging zu den Körpern ihrer Geschwister. Vorsichtig hauchte sie sie an und hüllte sie in Rauch. Als dieser Verschwand waren die Körper nicht mehr da. Dafür waren mehrere Staturen, von ihnen, erschienen. Unter jeder stand: „Ein gefallener Held im Kampf um die Stadt und um die Welt.“ Damit hatte sie ihre Schwester unsterblich gemacht. Genau wie die anderen. Man würde sie als Heden feiern. Keiner würde wirkliche wissen warum. Aber wenn man ihnen schon ein Denkmal setzte, war das wohl genug. Plötzlich hörte ich ein Klatschen und drehte mich um. Dort stand der Onkel der Königs. Er trug die Krone und sah uns an.

„Das war ein wunderschön berührendes Schauspiel. Doch leider umsonst. Ich werde diese hässlichen Denkmäler vernichten, wenn ich diese Stadt wieder aufbaue. Einzig ihr Drachen steht mir dafür im Weg. Doch mit Aleta zusammen ist es mir gelungen, einen angemessenen Gegner für euch zu finden“, sagte er und mehrere Dunkelelfen führten Kai heran.

Seine Hände und Füße waren gefesselt. Dazu hatte man seine Augen verbunden.

„Kai“, sagte ich und er sah auf.

Hören konnte er mich. Nur nicht sehen.

„Lauft, Kinder. Er wird mich zwingen gegen euch zu kämpfen“, sagte er und der Graf schlug ihm ins Gesicht.

„Du hast nicht mit ihnen zu reden. Du musst nur Kämpfen. Und genau das tust du jetzt auch. Sonst werde ich deine Frau töten lassen.“

Was? Sie hatten Lady Marina? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Sie war eigentlich in den Palast gegangen und zu Kais Zuflucht um nach ihm zu sehen.

„Er lügt, Kai. Marina ist in deiner Zuflucht und wartete dort auf dich“, sagte ich und der Graft lachte.

„Gib dir keine Mühe. Er weiß, wo sie ist. Jetzt akzeptiert euer Schicksal“, sagte er und sofort wurden die Ketten gelöst.

Jemand zog Kai die Augenbinde ab und sofort erschienen seine Drachenschwingen. Dazu sein Klauen und sein Schwert.

„Es tut mir leid, Kinder“, sagte er und schnellte nach vorne.

Sein Schwert traf Nelana und warf sie gegen den Palast, oder zumindest das was noch übrig war. Danach schlug er Liram weg und dann Jotanate. Er sah sich um und suchte wohl sein nächstes Ziel. Er beschloss auf mich zu zulaufen. Doch ich beschwor meine Hände und warf ihn weg. Erstaunt fing er seinen Flug ab und rutschte über den Boden. Sofort wechselte er das Ziel und schnellte auf Nelstar zu. Ich sah zum Grafen und suchte nach Lady Marina. Ich fand sie auch. Einige Soldaten hatten sie ebenfalls in Ketten gelegt. Aber eigentlich konnte sie das nicht sein. Es sei denn sie hatte sich umgezogen. Ihr Kleid eben war rot und blutig gewesen. Dieses war sauber und weiß.

„Geh und such im Schloss nach Marina“, sagte ich zu meinem Wolf und er lief davon.

Kai kämpfte gegen Alfredo und Quacki, die ihm ziemlich gut standhielten. Nelstar feuerte immer wieder auf ihn, konnte aber keinen Effekt erreichen. Unsicher sah ich mich nach Reviran und Revarian um. Doch sie waren nicht zu sehen. Suchten sie vielleicht nach Remino? Aber das war unwahrscheinlich. Obwohl. Den beiden würde ich beinahe alles zutrauen. Plötzlich hörte ich Marinas Stimme. Mein Wolf hatte sie wohl gefunden.

„Marina?“, fragte ich und bekam sogar eine Antwort.

„Ich bin auf dem Weg, Sildera. Der Palast ist zerstörter, als ich gedacht hatte. Es dauert noch ein paar Minuten. Haltet ihn solange hin, damit er keinen Unfug macht“, sagte sie und lief von meinem Wolf davon.

Er wartete auf meine Anweisungen. Ich rief ihn zurück und kurze Zeit später stand er neben mir. Kai hatte Alfredo mittlerweile ausgeschaltete und kämpfte gegen Nelstar und Emilie gleichzeitig. Emilie hob ihre Waffe und rammte sie in den Boden. Sofort verfärbte er sich rot und explodierte im nächsten Moment. Kai wurde nach hinten geschleudert und krachte gegen die Palastruine.

„Was machst du denn da? Du sollst sie töten“, rief der Herzog und Kai sah ihn an.

„Ihr könnt es gerne selbst versuchen. Das ist nicht so einfach“, antwortete er und griff Delphi an, weil sie am nächsten stand.

Doch sie tanzte um ihn herum und wich allen Schlägen aus. Sie verwundete Kai und schlug sein Schwert weg.

„Du kämpft nicht richtig“, sagte der Herzog und Kai sah ihn wieder an.

„Wie gesagt, versucht es selbst einmal. Dann werdet ihr merken, welche Arbeit das ist.“

„Schluss damit“, sagte Lady Marina und trat aus den Ruinen hervor.

Sofort wich alle Farbe aus dem Gesicht des Herzogs und die andere Marina sah auf.

„Marina?“, fragte Kai und sie nicke.

„Ich lasse mich nicht so schnell fangen, das weißt du doch. Außerdem habe ich den Palast verteidigt, mit Terra und den anderen. Das hätte Spuren auf meinem Kleid hinterlassen. Hast du nicht daran gedacht?“

„Ich konnte nur deine Stimme hören, die um Hilfe rief. Mehr nicht“, sagte er und sie nickte.

„Du hast niemanden umgebracht. Damit sehen wir das als erledigt an. So und nun zu euch Herzog und Aleta. Das war das letzte Mal, dass irgendwer durch euch zu Schaden gekommen ist. Du hast deinen Neffen getötet. Ist dir nichts wichtiger, als deine Macht?“

„Nein. Er war zu jung, verwöhnt und eingebildet. Ich habe ihn gehasst. Unter mir wäre der Hafen neu erblüht und hätte eine völlig neue Struktur bekommen. Zudem wären die Bürger richtige behandelt worden, wie sie es verdient hätten“, sagte der Herzog und Marina sah ihn an.

„Also du meinst, alles für den Königshof und nichts für sie?“

„So ist das die einzig richtige Entscheidung. Nichts anderes steht dem König zu.“

„Euer Neffe war weitaus weiser als ihr. Vielleicht war er verwöhnt und schwierig. Doch ein guter Mensch. Ihr habt einen besonderen Platz in der Hölle verdient“, sagte sie und er lachte.

„Meine Verbündete, Aleta wird nicht zulassen, dass ich nicht im Himmel lande.“

„Aber mein Sohn“, sagte Marina und Casus erschien vor ihr.

Zusammen mit der Seele von Simon.

„Ihr habt einen großen Fehler gemacht, Onkel. Der Hafen braucht eine starke Hand. Mein Vater hat nicht umsonst mir die Krone gegeben. Ihr seid einfach kein König. Eure Einstellung passt nicht“, sagte Simon und der Herzog wurde Rot vor Wut.

„Wie kannst du dir erlauben, so etwas zu sagen?“, fragte er und Casus trat vor.

„Eure Zeit ist um, Herzog. Ihr kommt mit mir“, sagte er und seine Hand wurde zu einer Klaue.

Im Gegensatz zu Kai hatte er dort keine Schuppen mehr. Nur noch Knochen. Er schlug zu und nahm die Seele des Herzogs an sich. Langsam drehte er sich um und kam zu mir.

„Hier, Fortuna. Diese Seele wird dir mehr Kraft geben. Simon möchte euch auch helfen, stärker zu werden, damit ihr Aleta schlagen könnt. Nehmt sie“, sagte er und hielt mir seine Klaue hin.

Zögernd ergriff ich sie und nahm die Seelen in mich auf. Es war ein eigenartiges Gefühl. Noch mehr Seelen in meiner Kraft. Sie würden irgendwann sowieso völlig verschwinden. Doch im Moment konnte ich ihre Präsenz noch sehr genau spüren. Der Herzog war immer noch fassungslos. König Simon voller Wut und die vier anderen voller Trauer.

„Danke, Casus“, sagte ich und er nickte.

„Und nun zu dir, Aleta“, sagte er und die falsche Marina sah ihn an.

„Enttarnt“, sagte sie und sofort stand Aleta vor uns.

„Ihr habt einen schlimmen Fehler gemacht. Der Hafen war nicht nur die Zuflucht unseres Vaters. Es war unsere Heimat. Wir Drachen dulden euren Zerstörungswahn nicht länger, den ihr auf uns abzuwälzen versucht. Jetzt ist endgültig Schluss.“

„Was willst du tun, Casus? Mich kratzen? Du alleine bist nicht mächtig genug um es mit mir aufzunehmen“, sagte sie und hob ihre Hand.

„Ich bin aber auch nicht alleine“, sagte er und sofort erschienen seine Brüder neben ihm.

„Ah die Drachen der Dämmerung. Einst wurde Prophezeit, dass ihr mich schlagen werdet. Zeigt mir, dass ihr das Zeug dazu habt“, sagte sie und sofort griff sie die vier an.

Sie sprangen auseinander und zwangen Aleta sich auf einen zu konzentrieren. Sie entschied sich für Invidia und folgte ihm. Er war schneller als sie und so wechselte sie ihr Ziel. Ich sah ihnen nur kurz zu und beobachtete dann die anderen Drachen. Sie langen immer noch am Boden und rührten sich nicht. Kai und Marina sahen nach ihnen. Doch eins wunderte mich. Wo war Remino? Sein Bruder meinte, er wäre nicht mehr in dieser Welt. Wo dann? Das ergab keinen Sinn. Remino war eigentlich im nordöstlichen Teil der Stadt gewesen. Seit dem hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Vielleicht sollte ich ihn suchen gehen.

„Delphi. Hilf den anderen, so gut du kannst, ohne zu sterben. Ich muss Remino suchen“, sagte ich und sie nickte.

Dann lief ich davon. Die Pforte zur Dunkelheit befand sich in diesem Teil der Stadt. Vielleicht war er dort. Aber warum? Das würde keinen Sinn machen. Er würde nicht die Stadt verlassen, solange sie in Gefahr war. Mehrere Trümmer versperrten mir den Weg. Es war mühselig die Stadt zu durchqueren.

„Lauf. Such Remino“, sagte ich zu meinem Geist und er lief voraus.

Ihn hielten Steine nicht auf. Sie waren für ihn nicht da. Schnell hängte er mich ab. Ich kletterte über weitere Trümmer, als ich ein leises Wimmern vernehmen konnte. Sofort sah ich mich um. Unter einem Stein lag ein kleiner Mantikor. Ich sah nur seinen Schweif und einen Teil seiner Mähne. Verzweifelt wimmerte er und versuchte sich zu befreien. Das war gar nicht gut. Ein Mantikor dieses Alters verließ seine Mutter nie. Egal wo sie hinging. Was machte er also alleine hier? Die Mutter war gefährlich. Wenn sie bemerkte, dass ihr Kind weg war und sie mich hier fand, war ich Tod. Giftstacheln war dann mein kleinstes Problem. Ein Mantikor konnte die Gravitation kontrollieren und Lichtstrahlen als Waffe verwenden. Sie waren sehr gefährliche Wesen. Trotzdem. Die Mutter war nicht in Sicht. Also näherte ich mich vorsichtig dem Wesen und sprach dabei zu ihm.

„Hab keine Angst. Ich helfe dir. Hör auf so rum zu hampeln. Du verletzt dich noch.“

Natürlich hörte er nicht auf mich und wurde noch panischer, als er meine Stimme hörte. Vorsichtig schickte ich eine Schattenhand los und hob die Steine an. So konnte ich ihn befreien. Er schnellte sofort nach vorne und suchte Schutz hinter einem weiteren Felsen. Vorsichtig lugte er hervor und musterte mich. Ich konnte nicht sagen, ob er verletzt war, oder nicht.

„Komm her. Ich tue dir nichts“, sagte ich und kniete mich hin.

Er war sich unsicher. Sollte er wirklich zu mir gehen? Es dauerte einige Zeit, bis er sich endgültig entschied es zu versuchen. Immerhin hatte ich ihm das Leben gerettet. Fast war er bei mir, als ich ein Brüllen hören konnte. Kein Drache, nein. Das Brüllen eines Löwen. Die Mutter musste wieder hier sein. Sofort ging der kleine wieder in Deckung. Ich sah auf. Dort stand der Mantikor und sah auf mich herunter. Dann stieß er herab und blockierte meinen Weg zu dem Jungen. Wütend fauchte er mich an. Super. Eine wütende Mantikor Mutter. Ein Traum wurde wahr.

„Ich wollte deinem Jungen nichts tun. Er brauchte Hilfe und ich konnte dich nicht sehen. Tut mir Leid, wenn ich dich in Rage gebracht habe. Verzeih mir“, sagte ich und verneigte mich vor ihr.

Natürlich brachte das keinen Effekt. Sie würde mir nicht zuhören, selbst wenn sie mich verstehen würde. Sie hob ihre Pranke und wollte gerade zuschlagen, als ihr Junge nach vorne schnellte und sich vor mich stellte. Für seine Größe war er unheimlich flink. Erstaunt schrie seine Mutter auf und ließ ihre Pranke sinken. Sie begannen sich zu unterhalten. Es war nicht mehr als Knurren und jaulen. Doch ich wusste genau, dass sie sprachen. Entweder beschloss der Kleine gerade meinen Tod oder meine Rettung. Das blieb abzuwarten. Sie sprachen einige Zeit, bis der große Mantikor nicke und wieder davon flog. Ohne sein Kind. Erstaunt sah ich auf das Wesen herunter. Es sah mich mit riesigen Augen an. Seine Mähne war gelb, genau wie sein ganzes Fell. Der Giftstachel an seinem Schweif war eingeklappt, sodass er mich nicht angreifen wollte. Seine Hörner waren noch winzig und stachen Rot aus seiner Mähne hervor.

„Und jetzt?“, fragte ich ihn und er rieb sich an meinem Bein, wie eine Katze.

Ah, er wollte wohl bei mir bleiben. Das war ungewöhnlich für diese Tiere. Sie verließen ihre Mutter eigentlich nie. Dieser hier aber offensichtlich schon. Langsam ging ich zurück in die Hocke und streichelte seine Mähne. Sofort begann er zu Schnurren und flatterte, unbeholfen, mit seinen winzigen Flügeln.

„Ich glaube ich nenne dich Lotus. Wie die Blume. Du siehst so süß aus“, sagte ich und hob ihn hoch.

Für seine Größe wog er doch schon einiges. Es fühlte sich an als wären es locker vier bis fünf Kilo. Für solch ein kleines Knäul war das ungewöhnlich. Ich untersuchte ihn kurz nach Wunden, fand aber keine. Also versuchte ich mir meine Weg wieder durch die Trümmer zu bahnen, während ich mit meinem Wolf sprach. Er hatte Remino nicht finden können und suchte die Stadt nun komplett nach ihm ab. Das konnte nicht sein. Ein Drache verschwand nicht einfach so vom Erdboden. Einige Zeit und viele Umwege später, erreichte ich endlich das Tor zur Dunkelheit. Viele Abenteurer waren von dort nicht mehr zurückgekommen. Aber ich würde es schaffen. Ich war Fortuna, der Drache des Glücks. Mit ein bisschen Glück würde ich es schaffen. Ich atmete tief ein und trat durch das Tor. Sofort wurde ich von Dunkelheit empfangen. Dann baute sich eine neue Welt vor mir auf. Sie war von Schatten überzogen und wirkte ziemlich unwirklich. Vor mir stand eine alte Statur von Aleta. Davor drei Priesterinnen. Normal waren sie blind. Sie konnten nichts sehen. Diese drei wohl noch nicht.

„Willkommen in Aletas Alptraum. Bist du ein weiterer Abenteurer, des versuchen will, das Chaos zu beenden?“, fragte mich die Mittlere.

„Nein. Ich suche jemandem. Der Drache der Hoffnung ist verschwunden, als er den Hafen verteidigt hat. Da er nicht mehr in unserer Welt war, dachte ich, er wäre vielleicht hier“, sagte ich und der Mantikor begann zu wimmern.

Er hatte wohl Angst.

„Jenen, den du suchst, befindet sich hier. Bei der Oberpriesterin Clair. Sie ist dort, in dieser Hütte“, sagte die Priesterin und zeigte auf eine alte Holzhütte.

Ich nickte kurz und ging dann darauf zu.

„Sei gewarnt. Clair ist mächtig. Mächtiger als du dir das vorstellen kannst.“

„Danke für die Warnung“, sagte ich und betrat dann endgültig die Hütte.

Im Inneren wurde ich von einer großen Halle empfangen. Vor mir stand eine Priesterin mit weißer Robe. Sie wandte mir den Rücken zu. Doch ich ging davon aus, dass sie genau wusste, dass ich da war.

„Willkommen, Sildera. Ich habe dich beobachtete“, sagte sie und drehte sich nicht einmal um.

„Ihr seid Clair?“, fragte ich und sie lachte.

„Das ist mein menschlicher Name. Hier nennen sie mich alle nur Oberpriester. Namen sind Schall und Rauch. Sie spiegeln nicht wieder, wer wir sind, Fortuna.“

Sie wusste wer ich war? Eigenartig. Woher wusste sie das alles, wenn sie hier eigentlich die ganze Zeit lebte.

„Ja, ich denke, dass ist verwirrend für dich. Woher sollte jemand, der diese Welt nie verlassen wird, wissen, wer du bist.“

„Es wundert mich, ja.“

„Deinen Freund hat es auch gewundert. Remino ist hier. Aber nicht in deiner Reichweite. Er hat sich dem Raum der Prüfungen gestellt, um seine Kräfte als Inquisitor zu testen. Er bekämpft einige Schatten. Wenn er damit fertig ist, wird er her wieder auftauchen.“

„Sagt mir. Wie ist er hier hingekommen? Und warum ist er wieder ein Mensch?“

„Marie wird es dir angedeutet haben. Ich bin mächtig. Sehr mächtig. Der Drache wurde ohnmächtig, als er zu mir kam. Ich habe ihn hier hin gebracht und zurück verwandelt. Sobald Remino diese Welt verlässt, wird er wieder ein Drache sein. Doch hier haben Drachen keinen Zutritt. Also verwandeln sie sich wieder zurück, wenn sie über unsere Schwelle treten. Ich habe eine Bitte an dich, Mädchen. Gib mir deine Hand. Ich möchte mit meinem Sohn sprechen“, sagte sie und sah sie erstaunt an.

Ihr Sohn? Was hatte ich mit ihrem Sohn zu tun? Was auch immer es war, ich tat ihr den Gefallen. Vorsichtig reiche ich ihr meine Hand und die nahm sie entgegen. Sofort erschien Meriano vor mir. Sie hatte seine Seele von mir genommen. Eigentlich war das unmöglich. Der Mantikor sprang mir vom Arm und versteckte sich hinter meinem Bein.

„Hallo, mein Sohn“, sagte sie und Meriano sah sich verwundert um.

„Wo bin ich?“, fragte er und Clair lachte.

„Du bist im Reich der Dunkelheit. In Aletas Alptraum.“

„Und wie komme ich hier her? Eben war ich noch im Paradies.“

„Ich wollte einmal mit dir Sprechen, mein Sohn.“

Meriano konnte gar nicht verstehen, dass sie ihn Sohn nannte. Er hatte seine Mutter nie gesehen. Er wusste nicht einmal ihren Namen.

„Du sollst meine Mutter sein?“

„So ist es. Ich musste euch sofort verlassen, da ich die Dunkelheit nicht so lange alleine lassen durfte. Es war der größte Fehler meines Lebens, das weiß ich. Doch ich kann es nicht ungeschehen machen.“

„All die Jahre, habe ich mir gewünscht nur dein Gesicht zu sehen. Du warst nie da. Nie.“

„Ja. Aber ich konnte es nicht ändern. Ich wollte dir nur deinen letzten Wunsch erfüllen. Erzähl deiner Mutter von dir.“

Meriano Augen weiteten sich. Offensichtlich wusste sie auch hier genau, was ihr Sohn wollte. Also erzählte er. Alles, was in seinem Leben passiert war. Seine Mutter hörte aufmerksam zu und verzog keine Miene. Für eine Mutter wirkte sie sehr kühl. Ich wusste nicht einmal warum. Meine Mutter war immer aufgeschlossen und glücklich, wenn ich mit ihr gesprochen hatte. Clair war sehr in sich gekehrt und das genaue Gegenteil meiner Mutter. Meriano beendete seine Geschichte mit vielen Tränen. Es nahm ihn sichtlich mit. Oder er war einfach glücklich.

„Mein Sohn. Ich bin stolz zu sehen was aus dir geworden ist. Auch wenn du kein Drache bist, bin ich überglücklich dich als Kind zu haben. Wir hatten viel zu wenig Zeit zusammen.“

„Ich. Ich kann gar nicht beschreiben, welches Gefühl ich gerade habe. Es fühlt sich an wie tieftraurig und himmelhoch Jauchzend.“

„Wenn du wütend auf mich bist, verstehe ich das voll und ganz.“

„Nein. Ich bin nicht sauer. Einfach nur. Ich weiß auch nicht. Glücklich und dennoch traurig.“

„Meriano, mein Sohn. Du wirst nun zu dieser jungen Dame zurückkehren. Unterstütze sie, so gut du kannst und denk immer daran. Dein Körper mag vergehen, doch dein Geist nicht.“

Merianos Geist verschwand wieder und kehrte in meine Fächer zurück. Kurz danach erschien Remino vor uns. Er sah erschöpft aus, aber glücklich.

„Willkommen zurück, mein Sohn.“

Remino sah mich erstaunt an. Ich lächelte und sah zu Boden. Der Mantikor war immer noch hinter meinem Bein und dachte man würde ihn nicht sehen. Ich nahm ihn wieder auf den Arm, auch wenn er verärgert krächzte.

„Hallo, Sildera. Wie hast du mich gefunden?“, fragte er.

„Das war ziemlich einfach. Dein Bruder sagte mir, dass du in einer anderen Welt seist. Da du genau in diesem Stadtteil verschwunden warst, konntest du eigentlich nur hier sein.“

„Eine sehr schlaue Überlegung. Meine Mutter hat mich hergebracht um zu verhindern, dass noch mehr Gebäude meiner Wut zum Opfer fallen.“

„Das war eine gute Idee. Der Hafen war eh schon vollkommen zerstört. Eigentlich hätten ein paar zerstörte Häuser mehr oder weniger keinen Unterschied gemacht.“

„Dennoch hab ich für die Sicherheit des Hafens gesorgt. Wer hätte ahnen können, wo die Wut eines Drachens endet und seine Gnade beginnt. Remino hätte sämtliches Leben auslöschen können“, sagte Clair und sah ihn an.

„Ich weiß nicht wie es so weit kommen konnte. Meine Wut hat irgendwie meine Handlungen kontrolliert. Die Wut auf meinen Vater, auf Aleta und die Menschheit, die es erst so weit hat kommen lassen“, sagte er und senkte seinen Kopf.

„Mach dir keinen Kummer, Remino. Es war nicht abzusehen, dass so etwas passieren würde“, sagte ich und Clair nickte.

„In der Tat. Nicht einmal ich hätte damit gerechnet, dass die Drachen so wütend sind“, sagte sie.

„Was soll ich nun tun, Mutter? Ich habe viele unschuldige Menschen getötet. Den heiligen Hafen beinahe komplett zerstört und meinen Bruder verloren. Ich weiß nicht wie es weiter gehen soll.“

„Spes, Drache der Hoffnung. Du hast nichts Unrechtes getan. Nur das, was du für richtig hältst. Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Doch versuche bitte deine Wut im Zaum zu halten. In deinem Fall kann sie Berge versetzten. Hast du getestet, welche Kräfte du als Inquisitor hast?“, fragte Clair und Remino nickte.

„Ja. Es ist ziemlich erstaunlich, zu was ich fähig bin. Lichtkreise, Blitzschläge und noch mehr“, sagte er und sie lachte.

„Remino. Als mein Sohn bist du ein halber Schattenpriester. Wir haben anderes Blut als ihr Drachen oder Menschen. Deswegen hatte der Abt auch Angst vor dir. Er wusste, dass du ähnliche Dinge tun kannst, wie ich. Das kann ich dir aber nicht beibringen. Du musst es selbst herausfinden. Ich muss euch jetzt verlassen, denn die Dunkelheit schläft nicht. Die Schwestern waren schon viel zu lange ohne mich.“

Damit ging Clair und ließ uns alleine.

„Sildera ich“, begann er, doch ich unterbrach ihn.

„Ich will keine Entschuldigungen hören. Keine Ausreden. Du hast aus Wut gehandelt. Wenn Delphi etwas passiert wäre, hätte ich nicht garantieren können, dass ich nicht genauso gehandelt hätte. Wenn ich auch nicht so viel Schaden hätte anrichten können.“

„Es ist schön, dass du hier bist“, sagte er und kam auf mich zu.

Er hatte mich fast erreicht, als mein kleiner Freund krächzte. Erstaunt sprang Remino nach hinten.

„Ein Mantikor?“

„Ich habe ihm geholfen und seit dem begleitet er mich. Das ist noch nicht lange her, aber er hat mir immerhin schon einmal das Leben gerettet. Auch wenn es seine eigenen Mutter war die mich beinahe getötet hätte. Was er jetzt hat, weiß ich nicht. Vielleicht hat er Angst vor dir.“

„Dann muss er mich wohl erst noch kennen lernen. Lass uns zurückgehen“, sagte er und zusammen gingen wir wieder in den heiligen Hafen. Als wir aus dem Portal schritten, bot sich uns ein Bild des Grauens.

Rückkehr zum Hafen

Sildera schnappte nach Luft und ich musste mich auch zusammenreißen, nicht in Panik zu verfallen. Vor dem Portal kämpften die Drachen der Dämmerung gegen Aleta. Sie waren alle schon verwundet, wohingegen Aleta noch unberührt aussah. Wo war Kai? Wollte er seinen Söhnen nicht helfen? Sie würden diesen Kampf verlieren. Metus wich einem Zauber von Aleta aus. Er zerstörte ein Haus. Aleta war hemmungslos. Sie schlug die Stadt kurz und klein. Egal was ihr im Weg war. Casus blutete stark aus einer Wunde am Bauch. Ich sah Sildera an. Ihr Mantikor hatte sich auf ihre Schulter gesetzt und versuchte sich hinter ihrem Kopf zu verstecken. Ich musste handeln. Sonst war es zu spät. Ich zog meinen Zauberstab und lief auf die vier zu.

„Komm zurück“, rief Sildera, doch ich ignorierte sie.

„Heilung“, rief ich und sofort schloss sich die Wunde an Casus Bauch. Er drehte sich nicht um, nickte aber.

Das verstand ich mal als Dankeschön. Sofort kam ein Zauber von Aleta und verfehlte mich nur knapp. Neben mir entstand ein kleiner Krater. Mit der Göttin war nicht zu spaßen.

„Runter, Remino!“, schrie Invidia und warf mich zu Boden.

Ein Schlag von Aleta verfehlte uns nur um Haaresbreite und warf uns einige Meter nach hinten.

Invidia versuchte mich zu schützen, konnte aber auch nicht viel tun. Die Schläge waren heftig. Beinahe schon zu heftig für mich. Als wir endlich zum Liegen kamen, sprang er sofort wieder auf.

„Halt dich aus dem Kampf raus. Aleta ist viel zu mächtig für dich. Solange die Menschen nicht hoffen, hast du keine Chance. Lass uns das machen“, sagte er und schritt wieder in den Kampf ein.

Ich konnte ihnen nicht einfach nur zusehen. Dort war die Frau, die meinen Bruder getötet hatte. Er musste gerächt werden. Aleta musste sterben. In seinem Gedenken wollte ich diesen Kampf zu Ende bringen. Meine Kräfte als Inquisitor würden mir dabei helfen. Ich wollte gerade zurücklaufen, als plötzlich der Drachendiamant zu leuchten begann. Er veränderte sich und legte sich um meinen Körper. Sofort wurde meine Rüstung durch eine neue ersetzt. Die Smaragddrachen Rüstung. Sie sah aus wie ein Panzer. Die Handschuhe und Stiefel waren mit Drachenschuppen verstärkt. Das Brustteil war in grün und an den Schultern mit einer Miniatur Ausgabe meiner Hörner versehen. Über meinem Kopf lag ein Helm aus Stoff, mit Stahl von außen verstärkt. Vor meinen Augen war eine Art Maske aus Schuppen. Ich konnte dadurch sehen und atmen. Es sah mehr wie ein Schleier aus, der mein Gesicht schützte aber für mich beinahe unsichtbar war.

„Es endet. Hier und heute“, sagte ich entschlossen und ging auf die Kämpfenden zu.

Sildera war in Deckung gegangen, weil die Göttin auch drohte sie anzugreifen. Casus schlug Aleta gerade zu Boden, als ich sie erreichte. Erstaunt sahen einige Drachen mich an.

„Spes“, sagte Metus und ich nickte.

„Jetzt bin ich wieder ganz ich selbst. Aleta, es endet. Hier und jetzt. Du hast meinen Bruder umgebracht. Dieses Verbrechen kann und will ich dir nicht verzeihen.“

„Wie süß. Du kannst mir nicht verzeihen? Aller liebst. Auch mit dieser Rüstung kannst du mir nichts anheben. Ich bin unverwundbar“, sagte sie und wollte aufspringen, aber ich auf ihren Brustkorb trat und sie wieder zu Boden zwang.

„Dann tue ich etwas mit dir, was schlimmer ist, als der Tod. Ich werde dir so viele Schmerzen bereiten, dass du den Verstand verlieren wirst.“

Aleta sah mich an und versuchte sich zu befreien. Doch mein Fuß blockierte ihre Bewegungen.

„Feigling, Spes. Du hast wohl Angst dass ich dir etwas tun könnte. Sonst würdest du nicht verhindern, dass ich mich bewege.“

„Das hat völlig andere Gründe. Ihr seid grausam und schreckt vor nichts zurück. Doch jetzt beende ich es.“

Ich schloss meine Augen und konzentrierte all meine Kraft.

„Blitz und Donner gebt mir Kraft. Vernichtet meine Feinde“, rief ich und sofort löste mein Körper sich vom Boden.

Blitzte zuckten um mich herum und erzeugten ein Blitzfeld. Die anderen Drachen waren zurückgewichen. Aleta lag am Boden und schrie. Die Blitzte zuckten über ihren Körper und taten genau das, was sie tun sollten. Ihr Schmerzen bereiten. Eigentlich war ich über mich selbst erschreckt, wie grausam ich doch war. War ich als Drache auch so gewesen? Das wusste ich nicht. Der Zauber ließ langsam nach und ich setzte wieder auf dem Boden auf. Sofort kamen die anderen Drachen angelaufen und stellten sich neben mich. Aleta lag vor uns und atmete schwer.

„Wie in alten Zeiten, Spes. Den Zauber hast du mittlerweile perfektioniert“, sagte Invidia zu mir und schlug mir auf die Schulter.

Ich wollte gerade antworten, als er von mir weg sprang. Sein Schlag hatte eine kleine Giftwolke entfacht. Dafür war also meine Maske gedacht. Damit ich sehen konnte, aber kein Gift einatmete, sollte mich die Rüstung verteidigen.

„Hatte vergessen, dass dieser Schutzmechanismus aktiv ist, sofern du die Maske auf hast.“

„Kann ich die auch abnehmen?“, fragte ich und er nickt.

„Zieh die Kapuze ab. Dann ist sie weg.“

Vorsichtig zog ich den Helm nach hinten und wirklich löste die Maske sich auf. Jetzt konnte ich viele Wunden auf Aletas Haut sehen.

„Narren. Denkt ihr wirklich, dass solch ein Zauber mich töten kann? Ich bin die Göttin. Niemand kann mich schlagen“, sagte sie und erhob sich wieder.

Sofort hob ich meinen Schild und machte mich bereit einen weiteren Angriff von ihr zu blocken. Doch es kam keiner. Aleta starrte uns einfach nur an.

„Schluss damit“, sagte Kai und trat zu uns.

Sofort sah Aleta ihn an.

„Kai“, zischte sie und er nickte.

„Ich freue mich auch dich zu sehen. Du wolltest doch nicht ernsthaft deinen bösen Blick benutzten, oder? Die Drachen kannst du nicht versteinern“, sagte er und sie atmete wütend aus.

„Was geht es dich an, was ich tue oder nicht? Es wäre meine Entscheidung gewesen. Und wenn wir uns noch Stundenlang angesehen hätten. Es hätte nichts gebracht aber mir mehr Zeit zum Regenerieren gebracht.“

„Angst, Aleta? Fürchtest du zu verlieren? Sonst würdest du nicht auf Zeit spielen. Hast du wirklich solche Angst?“, fragte Kai.

„Du hast keine Ahnung. Du kennst mich nicht. Keiner von euch weiß zu was ich wirklich fähig bin.“

Sie schlug nach uns. Doch zum Glück traf sie nur meinen Schild. Der Schlag war Kräftig aber nicht zu stark um ihn nicht zu halten. Fluchend sah sie zu mir. Offensichtlich hatte sie vergessen, dass ich den Schild dort hielt.

„Es reicht, Aleta. Wenn du weiter machst, wird Remino dich töten. Willst du das? Einen Teufelskreis, der sich immer wieder wiederholen wird?“

„Es wird sich nicht mehr wiederholen. Wenn ich die Seelen der Drachen habe, werde ich sie ein für alle Mal vernichten. Dagegen kannst weder du, noch sonst jemand etwas tun.“

Aleta war wirklich sehr wütend. Wo sollte das hier enden? Darin, dass sie uns erneut angriff und einen von uns tötete? Ich hielt die Göttin im Auge, als ich plötzlich das Brüllen der anderen hören konnte.

Mehrere Drachen stiegen über der Stadt auf und kamen auf uns zu. Aleta fluchte laut und verschwand dann wieder. Sie war feige. Nur weil noch mehr Drachen kamen, nahm sie sofort reiß aus. Ehrenhaft war das nicht. Außerdem zog es das unvermeidliche nur in die Länge. Sie würde sterben. Egal durch wessen Hand. Sie würde den Tag nicht mehr Erleben, an dem ihre Schöpfung eventuell ein Ende fand. Erschöpft drehten sich die vier Drachen zu mir und sahen mich an.

„Danke, Remino. Du hast uns sehr geholfen“, sagte Casus und ich nickte.

„Es wäre gegen meine Natur, wenn ich euch einfach so dem Schicksal überlassen würde. Wir sind die Drachen und wir müssen zusammen halten“, sagte ich und sie nickten.

„Willkommen zurück, Spes. Es ist schön, dass du erwacht bist“, sagte Casus und reichte mir seine Hand.

Selbstbewusst ergriff und schüttelte ich sie. Die anderen Drachen sahen uns zu. Als wir fertig waren landeten die Anderen neben uns. Sie verwandelten sich, von alleine, wieder zurück und sahen Casus und seine Brüder an.

„Ihr habt einen guten Kampf gegen Aleta abgeliefert. Das war wirklich unglaublich“, sagte Nelana und Metus wurde leicht rot.

„Wir haben nur getan was nötig war. Mehr nicht.“

„Sei nicht so bescheiden, Metus. Ihr habt hervorragende Arbeit geleistet.“

„Leider nicht ganz so gut. Aleta ist entkommen und immer noch auf freiem Fuß. Wir müssen wachsam sein. Auch wenn sie vielleicht geschwächt ist, hat sie immer noch die Macht, Menschen zu manipulieren. Das ist immer noch ein große Problem für uns“, sagte Casus und Jotanate nickte.

„Solange es Menschen gibt, die an sie glauben, wird sie immer wieder zu Kräften kommen.“

„Wir kehren in unsere Zuflucht zurück und besprechen unser weiteres Vorgehen. Wir sehen uns wieder, Drachen“, sagte Casus und die vier verschwanden.

Sildera kam zu uns und stellte sich neben mich. Sie war, zum Glück, unverletzt. Ich wollte gerade etwas sagen, als Lady Marina gelaufen kam.

„Kommt schnell. Aleta hat mehr Schaden angerichtet, als wir dachten. Terra liegt im Sterben“, sagte sie und sofort liefen wir zum Palastvorplatz. Dort standen Nerin, der blaue Wolf Rudolph und Stella. Sie alle sahen auf Terra herunter, der sich wand vor Schmerz. Als wir zu ihnen traten, sah Nerin uns an.

„Tu etwas, Kai. Terra hat versucht uns zu heilen und hat dabei einen Zauber aktiviert. Seit dem liegt er so am Boden und hat Schmerzen.“

„Ich kann nichts tun. Wenn ich sofort hätte eingreifen können, wäre es nicht so weit gekommen. Doch leider war Aleta noch hier. Also habe ich keine Chance mehr, etwas zu tun“, sagte Kai.

Ich sah auf Terra herunter. Er war schon sehr alt, für einen Menschen. Bald hätte das Alter ihn sowieso umgebracht. Doch das wäre nicht so Schmerzhaft gewesen. Seine Augen öffneten sich und er sah mich an.

„Remino“, stammelte er und ich näherte mich ihm.

„Nimm das hier. Ich ernenne dich zum neuen Papst“, sagte er und reichte mir seinen Streitkolben, Zauberstab und das Wappen das Papstes.

Schweigend nahm ich sie entgegen.

„Ich werde in eurem Namen weit über die Kirche wachen“, sagte ich und er lächelte gequält.

„Mach es nicht wie ich. Ich war dumm. Mein Leben war langweilig und von Einsamkeit geprägt. Lebe, Remino. Dein Leben ist wichtiger als die Kirche“, brachte er gerade noch hervor, bevor er starb.

Nerin sah auf ihn herunter und legte ihre Hand auf seine Brust.

„Möge dein Schicksal sich erfüllt haben, Geliebter“, sagte sie und sein Körper verschwand.

„Was?“, fragte Jotanate und sah Nerin an.

„Sein Schicksal ist in Erfüllung gegangen. Nun ist er Teil des Lebensbaum Xera.“

„So etwas geht?“

„Natürlich. Wir Elfen leben sehr lange. Finden wir unsere Bestimmung werden wir eins mit dem Wald. Schaffen wir es nicht, verschwinden wir auf ewig. Keiner wird sich je an uns erinnern. Das klingt furchtbar. Ist aber das Leben einer Elfe.“

„Dann hoffe ich, dass ich meine Bestimmung finde“, sagte Jotanate und Nerin lachte.

„Das wird kein Problem sein. Du bist ein Drache, Jotanate. Dem Tod brauchst du nicht zu begegnen.“

Jotanate drehte sich um und ging in die zerstörte Stadt hinein. An was auch immer sie dachte, es setzte ihr ziemlich zu. Nelana gab mir zu verstehen, dass sie ihr nachgehen würde. Als sie weg war sah Rudolph uns an.

„Wo ist Kalira?“, fragte er und ich senkte meinen Kopf.

„Bei Casus“, sagte ich und er wurde blass.

„Meine Tochter ist Tod?“, fragte er ungläubig.

„Leider. Genau wie all unsere Geschwister. Einzig Delphi hat überlebt. Und unsere neuen Freunde“, sagte ich und er sank auf sein Knie.

„Ich habe sie nie gesehen. Es war mir nicht vergönnt zu sagen, wer ihr Vater ist“, sagte er und brach in Tränen aus.

„Macht euch keinen Kummer. Kalira wusste es. Sie ist nicht sauer mit euch“, sagte Sildera.

„Woher willst du das wissen?“, fragte er.

„Ganz einfach. Sie ist bei mir. Ich habe ihre Seele in mich aufgenommen und bekomme dadurch mehr Kraft.“

„Meine Tochter. Kann sie mich hören?“

Sie nickte.

„Nur hören antworten kann sie nur mir. Aber ich werde ihre Antworten weitergeben.“

„Kalira, ich bereue, dass ich dich alleine gelassen habe. Deine Schwester und du haben das nicht verdient. Ich wollte dich nur einmal sehen, mein Kind. Doch leider war ich zu feige. Verzeihst du mir?“, fragte er und sah sich um.

Sildera schloss ihre Augen und versuchte offenbar Kontakt mit Kalira aufzunehmen.

„Sie bereut es selbst, euch nie getroffen zu haben. Seid versichert, dass sie nicht wütend ist. Nur traurig nie die Chance bekommen zu haben, euch zu erleben“, sagte sie und Rudolph vergrub sein Gesicht in den Händen.

Plötzlich wanderte Silderas Blick zu ihrem Wolf.

„Kannst du? Na dann her mit ihr“, sagte sie und der Wolf nickte.

Sofort erhob sich ein Geist neben Sildera.

„Vater“, sagte er und nahm die Form von Kalira an.

„Kalira“, stotterte Rudolph.

„Es tut mir leid, dass ich nicht stark genug war, Aleta zu besiegen. Auch das ich nie stark genug war zum Drachen zu werden. Jetzt bin ich nicht mehr als ein Geist und bald nicht mehr sichtbar für dich. Ich vergebe dir, dass du uns alleine gelassen hast. Ich vergebe dir auch, dass du es mir nicht früher gesagt hast. Meine Zeit ist nun um. Ich muss weiterziehen, Vater. Leb wohl. Bis im nächsten Leben. Möge Fortuna dir gnädig sein“, sagte sie und verschwand wieder in der Erde.

Der Krieger weinte immer noch. Konnte man es ihm verübeln? Ich hatte vor ein paar Minuten meinen Bruder verloren. Doch sein Verlust wurde durch das Treffen mit meiner Mutter einigermaßen ausgeglichen. Auch wenn der Schmerz tief saß. Liram lag bei Delphi und weinte ebenfalls. Hinter ihm stand sein Meister mit Nerin. Die Elfenkönigin weinte nun ebenfalls. Elfen waren nicht dafür bekannt ihre Gefühle offen zu zeigen. Doch Nerin tat es gerade. Lilith und Adelia ebenfalls. Wenn es stimmte, was Adelia gesagt hatte, dann war, Jatanas Tod ein Grund für ein Volk zu trauern.

„Remino“, sagte Sildera und kam auf mich zu.

„Was gibt es?“, fragte ich und sie schmiegte sich an mich.

„Geht es dir gut?“

„Nein. Geht es mir nicht. Ich habe meinen Bruder verloren und Gewissheit, dass mein Vater daran schuld ist. Das werde ich ihm nicht verzeihen“, sagte ich.

Während ich mit meinem Vater gesprochen hatte, war Meriano umgebracht worden. Von Aleta. Mein Vater war daran genauso schuld wie die Göttin. Sollte er mir noch einmal vor die Augen treten, würde ich ihn umbringen. Egal was es mich kosten würde.

„Versprich mir bitte, an deiner Rache nicht zu Grunde zu gehen“, sagte sie und ich sah sie erstaunt an.

„Ich verspreche es dir“, sagte ich.

Sie war ja jetzt auch ein Drache. Also konnte sie meine Emotionen auch wahrnehmen. Wie auch immer sie das tat. Aber das war nebensächlich. Jetzt war sie das wichtigste in meinem Leben. Und dafür würde ich genauso Kämpfen wie für meine Rache. Ohne sie würde ich wirklich zerbrechen. Sie zu verlieren würde mein Herz zerspringen lassen. Vorsichtig sah ich auf und erblickte mehrere Soldaten, die auf uns zukamen. Es waren Drachenjünger. Vermutlich alle Drachenjünger die es auf dieser Welt gab.

„Meister Spes“, sagte jemand und sie verneigten sich alle.

Sie wussten wer ich war. Aber warum waren sie hier?

„Was macht ihr hier?“, fragte ich und einer sah auf.

Vorsichtig löste er seine Maske und Jake kam zum Vorschein.

„Wir sind wegen euch hier. Aleta war euch zu nahe, als dass wir es ignorieren konnten. Sämtliche Drachenjünger sind nun hier um euch zu beschützen.“

„Wo wart ihr vor einer Stunde, als mein Bruder durch Aletas Hand fiel?“, fragte ich und er senkte seinen Kopf.

„Da war ich noch damit beschäftigt, alle Drachenjünger zu versammeln. Und dann seid ihr verschwunden, Spes. Eigentlich dachten wir ihr wäret tot. Doch, den Drachen sei Dank, seid ihr noch am Leben.“

Eigentlich war ich wütend darüber, dass sie nicht gekommen waren unsere Geschwister zu retten. Doch das durfte ich ihnen nicht anhängen. Sie konnten da noch weniger für als ich selbst.

„Es ist gut, dass ihr hier seid. Doch leider ist Aleta schon wieder weg. Ich bitte euch, den Hafen zu verlassen und im Gebirge auf uns zu warten. Die Menschen hier werden es nicht gutheißen, wenn sie euch sehen“, sagte ich und Jake öffnete seinen Mund.

Er wollte offensichtlich schon etwas sagen, überlegte es sich aber anders. Besser so. Egal was er gesagt hätte, ich hätte ihn nur an meinen Befehl erinnert.

„Was hat das zu bedeuten?“, fragte Sildera und sah mich an.

„Ich bin mir nicht ganz sicher. Doch die Drachenjünger gehorchen den Drachen. Vielleicht hat Casus oder ein anderer Drache sie uns geschickt. Ich weiß es nicht. Aber eins ist sicher. Unsere Reise mit ihnen fortzusetzten wird einfacher als alleine“, sagte ich und sie nickte.

„Der Hafen ist zerstört. Die Menschen versprengt und erschreckt. Was jetzt?“, fragte Tiana und kam zu uns.

Hinter ihr standen mehrere Hexen. Unter anderem auch Tara und Stella.

„Zu den Himmelsbergen. Wir müssen herausfinden, was dort ist“, sagte ich und sie nickte.

„Dann müssen wir los. Je eher wir dort sind, desto besser.“

„Nicht so schnell, Tiana“, sagte Jermain und trat zu uns.

„Was gibt es denn noch? Wir verschwenden wertvolle Zeit“, sagte sie.

„Tuen wir nicht. Die Bruderschaft erwartet, dass der neue Papst ihr Anweisungen gibt“, sagte Johan und ich sah ihn an.

„Ich soll was?“

„Es ist eine Tradition, dass beim Wechsel eines Papstes, dieser dem Konvent eine neue Mission gibt. Terra hat damals die Mission erlassen, Aleta ohne Einschränkung zu dienen, was viele als Fehler angesehen haben. Genau deswegen sind so viele Brüder auch zu den Drachenjüngern übergelaufen. Du wirst etwas Vergleichbares tun müssen.“

„Aber“, begann ich doch er unterbrach mich.

„Wehr dich nicht dagegen. Terra hat eine gute Wahl getroffen, dich zum Papst zu machen. Du kennst die Gefahr des kopflosen folgen. Lass die Bruderschaft nicht denselben Fehler begehen.“

Jetzt stand ich hier. Super. Die gesamte Bruderschaft erwartete, dass ich ihnen einen Kurs geben würde. Aber brauchte man wirklich einen Kurs? Eigentlich konnten sie doch genau das tun, was sie für richtig hielten. Vielleicht war genau das der Weg, den ich gehen würde. Glaube war für mich nichts, was sich vereinheitlichen ließ. Jeder hatte eine andere Ansicht und genau das würde ich den Brüdern vorgeben. Zudem war es sinnlos die Frauen aus dem Orden zu verbannen. Auch sie konnten der Göttin oder den Drachen dienen. Bevorzugt natürlich den Drachen. Aber sollte jemand weiterhin an die Göttin glauben, sollte er das tun.

„Ich verstehe. Wann soll ich zu ihnen sprechen?“, fragte ich.

„Sie werden sich morgen versammeln. Solange werden wir hier bleiben müssen. Die Kirche mag zerstört sein. Doch es wird auch ohne gehen“, sagte Johan und ich nickte.

„Dann sollten wir zurück zur Sommerresidenz des Königs gehen. Dort könnten wir bleiben.“

„Vortreffliche Wahl. Dann sollten wir losgehen. Wo sind die anderen?“

„Nelana und Jotanate sind in der Stadt verschwunden und wo Reviran und seine andere Hälfte sind, weiß ich nicht“, sagte ich.

„Direkt hinter euch“, sagte Revarian und ich drehte mich um.

Sie standen hinter mir. Ihre Raben auf den Schultern. Silderas kleiner Freund knurrte sie an. Sofort bückte sie sich und hob ihn hoch. Beruhigend sprach sie zu ihm.

„Könnt ihr vielleicht Nelana und Jotanate sagen wo wir sind, wenn sie fertig mit ihrem Gespräch sind?“, fragte ich und Revarian nickte.

„Wir werden auf sie aufpassen und darauf warten, dass sie sich beruhigt haben. Dann bringen wir sie zu der Sommerresidenz des Königs. Verlass dich auf uns“, sagte er und die Zwei verschwanden zwischen den Trümmern.

„Dann los“, sagte ich und unser Trupp setzte sich in Bewegung.

Nerin und Rudolph kamen mit uns. Hoffentlich hatte die Residenz des Königs nichts abbekommen.

Reminos Vater

„Was ist los mit dir, Jotanate?“, fragte ich und trat zu ihr.

Sie saß vor einigen Trümmern und blickte auf den Boden. Auf meine Frage antwortete sie nicht. Es schien als wäre sie gar nicht da.

„Du weißt genau, was los ist, Liebesdrache“, sagte sie und ich lächelte.

Woher sollte ich wissen, was los war? Ich konnte ihre Gefühle nicht wahrnehmen. Zumindest wusste ich nicht wie.

„Woher sollte ich das wissen?“

„Ach komm schon, Nelana. Du kannst Gefühle hören.“

„Selbst wenn es so wäre, hätte ich diese Frage gestellt, das weißt du.“

„Und dennoch werde ich dir darauf keine Antwort geben. Zumindest nicht die, die du haben willst.“

„Ich habe ebenfalls meine Schwester verloren. Das ist genauso schwer für mich, wie für dich.“

„Du weißt gar nichts, darüber“, sagte sie und sah mich an.

„Und genau deswegen möchte ich, dass du mir hilfst es zu verstehen.“

„Ernsthaft? Würdest du mir ebenso helfen, dich zu verstehen, wenn ich dich darum bitten würde?“

„Natürlich. Ich weiß wir hatten einen sehr unterkühlten Start. Aber mittlerweile bist du meine beste Freundin. Auch wenn wir beide in den gleichen Jungen verliebt sind.“

„Und jetzt stehen wir beide hier, mit nichts, als unseren Drachenkräften, die uns im Kampf nicht geholfen und unsere Geschwister in den Tod getrieben haben.“

„Es ist verrückt, oder? Wir, die eigentlich die Welt retten sollen, treiben die Menschen die wir lieben in den Tod. Paradox, oder?“

„Das ist nicht lustig, Nelana.“

„Finde ich auch nicht. Aber wenn ich eins gelernt habe, während ich im Goldenen Tropfen gearbeitet habe, ist es das. Gibt das Leben dir saures, mach es süß. Lass dich niemals von deinem Weg abbringen, nur weil er steinig ist.“

„Und das sagt mir das Mädchen, das einfach nicht akzeptieren wollte, das Remino eine Andere liebt.“

„War ein schlechtes Beispiel, oder?“

„Grauenhaft.“

„Ach komm, Jotanate. Du weißt wovon ich rede.“

„Natürlich. Doch akzeptieren will ich es nicht. Meine Schwester war das wichtigste in meinem Leben. Und jetzt ist sie weg. Getötet von der gleichen Frau, die auch meine Eltern in den Tod getrieben hat“, sagte sie.

Plötzlich flammten mir einige Bilder vor den Augen auf. In ihren Worten lag ein gewisser Ton, der ihre Stimmung genau wiederspiegelte. Verwirrt, wütend, traurig und zugleich verletzlich. Konnte man überhaupt so viel auf einmal fühlen?

„Aleta ist grausam. Ich kann mir nicht erklären, wie wir ihr damals vertrauen konnten.“

„Das weiß ich auch nicht genau. Vielleicht werden wir es im Himmelsgebirge erfahren. Aber dafür müssen wir dort erst einmal ankommen.“

„Die Vergangenheit ist vorbei. Ob wir sie kennen oder nicht, interessiert niemanden. Aleta wird weiter morden. Das dürfen wir nicht zulassen. Sie zerstört die Harmonie zwischen den Menschen.“

„Nicht nur das. Sie erstickt auch die Liebe im Keim. Und das macht mich sehr traurig.“

„Wie meinst du das?“, fragte sie und ich lachte.

„Hast du nie bemerkt, dass deine Schwester nur Augen für Meriano hatte? Sogar du warst ihr egal, wenn er ihr nahe war. Sag mir jetzt nicht, dass hast du nie mitbekommen?“

„Nein, habe ich nicht. Sie war in Meriano verliebt?“

„Offensichtlich. Auch wenn sie es niemandem gesagt hat. Nicht einmal ihm. Vielleicht sind sie jetzt bei Sildera vereint und haben endlich den Mut sich nahe zu sein. Das weiß ich nicht. Aber ich finde es traurig, dass eine Liebe erst nach dem Tod richtig beginnen kann.“

„Nelana, sei bitte ehrlich. Liebst du Remino?“, fragte sie und ich musste innerlich lachen.

Diese Frage lag mir auch auf der Zunge. Doch ich hatte mich nicht gewagt sie auszusprechen.

„Du willst, dass ich ehrlich bin? Ja, ich liebe ihn. Ob Drache oder nicht. Er ist eine Person, die sich für andere einsetzt. Solange er in der Nähe seiner Freunde ist, passiert ihnen nichts.“

„Es geht mir ähnlich. Remino ist einfach ein Fels in der Brandung. Der einzige Mann, der meiner Meinung nach würdig ist, sich so zu nennen. Einfühlsam, stark und er hat auch noch Geschmack für Mode.“

„Findest du? Naja. Diese Roben finde ich sehr geschmacklos.“

„Es muss sie tragen. Und eigentlich finde ich sie nicht schlecht.“

„Wir sollten vielleicht zu den anderen zurückgehen Sie werden sich Sorgen machen.“

„Du hast Recht, Nelana. Lass uns gehen.“

Jotanate erhob sich. Ich tat es ihr gleich und wollte gerade gehen, als Reviran und Revarian zu uns traten.

„Die anderen sind im Sommersitz des Königs. Wir sollen euch dorthin begleiten“, sagte er und wir nickten.

Zusammen gingen wir los. In Gedanken hoffte ich, dass das Gebäude nichts abbekommen hatte.

 

Die Sommerresidenz war in perfektem Zustand. Von dem Kampf war hier nichts mehr zu sehen. Allerdings war niemand mehr da. Alle Einwohner waren geflohen oder ermordet worden. Remino saß vor der Türe und sah auf die Ruinen des Hafens. Meine Schwester und ich saßen mit Nelstar und Emilie zusammen und schwiegen uns gegenseitig an.

„Ich kann es nicht glauben. Der Hafen ist gefallen“, sagte Nelstar und ich sah sie an.

„Schon unvorstellbar. Aber Aleta hat auch fleißig daran gearbeitet, dass es so kommt.“

„Für die Einwohner war es schlimm genug. Doch Kai hat das Ganze noch schlimmer getroffen, glaube ich“, sagte Emilie und Delphi sah sie an.

„In wie fern? Ihm kann es doch egal sein, ob die Stadt fällt oder nicht. Er ist frei vom König.“

Genau das hatte ich auch gedacht. Delphi hatte ganz Recht. Kai war nicht an den König oder den Hafen gebunden. Sein Reich war die Natur. Er konnte sein, wo er wollte.

„Seine Geburtsstätte lag unter dem Palast. Aleta hat ihm eine letzte Erinnerung genommen“, sagte Nelstar.

Daran hatte ich gar nicht gedacht. Doch Kai hatte ja wirklich seine Zuflucht unter dem Palast. Konnte Aleta sie denn so einfach vernichten?

„Ich denke nicht, dass Aleta die Zuflucht zerstören konnte“, sagte ich und die Türe ging auf.

Remino war eingetreten und ging wie in Trance in das obere Stockwerk. Uns beachtete er gar nicht. Irgendetwas beschäftigte ihn. Nur was war es? Alleine der Tod seines Bruders konnte es nicht sein. Vielleicht steckte noch viel mehr dahinter, was er nicht gestehen wollte. Eigentlich hatte er noch nicht richtig um seinen Bruder getrauert. Er war Tod und danach hatte er den Hafen angefangen noch weiter zu zerstören. Remino war eine starke Person. Doch nicht so stark wie er sich gab.

„Woran denkst du, Sildera?“, fragte Delphi und ich zuckte zusammen.

Ich hatte ganz vergessen, dass sie auch noch hier waren und ich Remino einfach nachsah.

„Nichts. Es ist alles in Ordnung. Ich musste nur gerade an die Schlacht denken“, sagte ich.

Der Wolf neben mir sah zu mir auf. In seinen Augen konnte ich sehen, dass er besorgt war.

„Das war auch nichts  Alltägliches. Aletas Diener waren stärker, als ich das je erwartet hätte“, sagte Emilie.

„War das nicht abzusehen? Kai hatte doch gesagt, dass Aleta einen Weg finden wird, stärker zu werden, ohne dass jemand zu ihr betet.“

Das hatte er wirklich gesagt. Aber nicht, dass es so schnell gehen würde. Aleta war wirklich gerissener als jeder von uns gedacht hätte. Sie fand Wege, die niemand wohl je in Betracht ziehen würde.

„Wir müssen vorsichtig sein. Wenn Aleta noch mehr Kraft bekommt, haben wir ein ernstes Problem. Nicht einmal wir Drachen sind in der Lage, sie zu schlagen“, sagte ich.

„Daran kann ich mich noch nicht ganz gewöhnen. Wir sind jetzt Drachen“, sagte Nelstar.

„Ich kann es auch noch nicht glauben. Einfach so, hat man uns die Kraft der Drachen gegeben. Ich fühle noch nichts“, sagte ich und Delphi nickte.

„Auch wir spüren keinen Unterschied. Warum ausgerechnet wir ausgewählt wurden, weiß ich nicht. Meint ihr vielleicht, das Kai wusste, dass die anderen Sterben würden?“

„Das kann gut sein. Casus könnte so etwas voraussehen. Vielleicht hat er Kai darauf angesprochen. Abwegig ist es nicht. Kurz nachdem Kai ihnen die Kräfte nahm, sind sie gestorben. Das kann kein Zufall sein“, sagte ich.

„Auf jeden Fall wäre es ein sehr eigenartiger Zufall“, sagte Delphi.

„Denkt ihr wirklich Casus weiß, wer wann stirbt?“, fragte Emilie und ich sah sie an.

„Er ist der Tod. Wenn es jemand weiß, dann er“, sagte ich und sie schüttelte ihren Kopf.

„So etwas ist nicht möglich. Niemand weiß wann man stirbt. Auch der Tod selbst nicht.“

„Wir könnten ihn ja Fragen“, warf Delphi ein.

Eigentlich fand ich das gar keine Schlechte Idee und Emilie offenbar auch nicht. Die Sache hatte nur einen Haken. Ich wollte nicht unbedingt, dass Remino oder einer der anderen es erfuhr. Ich wollte gerade meinen Gedanken kundtun, als wir das Klirren von Flaschen hörten. Sofort sahen wir alle zu der Quelle. Liram lag neben einem Regal. In der Hand eine Flasche Schnaps. Neben ihm einige leere Flaschen alkoholischer Getränke. Offenbar hatte er schon mehr als nur eine Flasche getrunken und war nun zusammengebrochen. Lallend lag er am Boden und lachte verrückt.

„Sieht so aus, als hätte da jemand einen Weg gefunden seine Probleme zu lösen“, sagte Nelstar.

Vorsichtig erhob ich mich und ging zu Liram. Er nahm mich wohl gar nicht wahr. Vorsichtig griff ich nach seinem Arm und versuchte ihn auf die Beine zu ziehen. Doch meine Kraft reichte nicht aus und er fiel wieder zu Boden.

„Liram?“, fragte ich und stupste ihn an.

Doch keine Reaktion. Stattdessen begann er zu schnarchen. Er schlief. Jetzt? Erstaunt sah ich zu den anderen. Sie lachten nur und sprachen dann weiter.

„Verdammt Liram. Ich will dir nicht wehtun. Wach auf“, sagte ich und zog schon meine Fächer.

Doch der kleine Krieger reagierte immer noch nicht.

„Lass ihn liegen“, sagte plötzlich Liroms Stimme.

Sein Geist erschien neben mir und sah auf seinen Bruder herunter.

„Wenn er wach wird, hat er einen ordentlichen Kater. Und das gönne ich ihn. Man ertränkt seine Probleme nicht. Sildera, versprich mir eins. Sag ihm, dass er ein Dummkopf ist. Und das ich immer bei ihm sein werde, egal was passiert“, sagte er und löste sich wieder auf.

Ich nickte nur noch und ging dann zurück. Noch war ich nicht ganz auf meinem Platz, da ging die Türe auf und unsere Lehrer betraten das Haus. Jermain, Adelia, Lilith, Ducan, Lirams Meister, Johan und Tiana. Sie sahen nur kurz zu uns und gingen dann nach oben. Bis auf Lirams Meister er ging zu seinem Schützling und sah auf ihn herunter.

„So jung und doch schon dem Alkohol zugetan. Was habe ich nur falsch gemacht?“, fragte er und wir sahen ihn an.

„Wir kennen ihn noch nicht so lange, aber eigentlich trinkt er nicht. Das muss wegen seinem Bruder sein“, sagte Nelstar und er sah uns an.

„Das sehe ich aber nicht als Grund an, seine Probleme zu ertränken. Auch er sollte das wissen.“

„Uns trifft dieser Verlust nicht so hart wie sie, doch wir sind ebenfalls betrübt. Habt doch Verständnis mit ihm“, sagte ich und er sah mich an.

„Du bist Sildera, oder?“

„Das stimmt. Ich bin die Beschwörerin Sildera“, sagte ich und er nickte.

„Du erinnerst mich an eine Frau, die ich einmal gekannt habe. Sie war die Bezwingerin des Wüstenteufels, nachdem was der blaue Wolf erzählt hat.“

„Sie war eine Närrin. Eine grausame Person. Ich habe sie manchmal ziemlich gehasst“, sagte ich.

„Wieso? Sie war es doch, welche die Wüste vor den Banditen gerettet hat. Ohne sie würde es euer Dorf nicht geben.“

„Sie war ein Monster. Eine seelenfressende Bestie. Sie hat tausende Menschen abgeschlachtet. Darauf bin ich nicht stolz. Sie war vieles aber keine Heldin.“

„Das hat auch keiner behauptet.“

„Und dennoch erinnern sich viel an sie, als Retterin der Wüste. Nein, nicht sie hat die Wüste gerettet, sondern der blaue Wolf, neben mir. Er war es, der überhaupt so viel Kraft hatte, meiner Mutter das zu ermöglichen. Er verdient es, das man sich an ihn erinnert, auch wenn er nur ein Geist ist.“

„Das weiß niemand, kleine Prophetin. Aber wenn der Wolf bei dir ist, bist du dann nicht auch eine Verschlingerin?“

„Ich beherrsche diese Technik. Doch ich bin und bleibe eine Beschwörerin. Ich will keine Bestie werden, wie meine Mutter.“

„Auch wenn du das nicht wahrhaben willst, eigentlich bist du genau wie sie“, sagte er und ich stutzte.

Woher kannte er meine Mutter? Oder glaubte sie zu kennen? Wer war dieser Mann wirklich? Ein einfacher Söldner konnte er nicht sein.

„Wer seid ihr, das ihr so etwas wissen könnt?“

„Man nennt mich Albert. Den Schatten der Wälder.“

Albert? Dieser Name läutete bei mir sämtliche Alarmglocken. Schatten der Wälder? Meine Mutter hatte ihn einmal erwähnt. Er war es, der damals den Standort unseres Dorfes preisgegeben und die Krieger zu uns gesendet hatte. Der ganze Krieg, der tausende Propheten getötet hatte, war nur durch ihn endstanden.

„Ihr habt damals den Standort unseres Dorfe preisgegeben“, sagte ich.

„Unglücklicherweise ist es das, was man sich erzählt. Den Standort eures Dorfes habe ich nicht weitergegeben. Es war anders.“

„Und wie soll es gewesen sein?“

„Deine Mutter und ich trafen uns einst in einem Wald. Wir besprachen, wie wir die Wüste abschotten konnten, damit niemand auf die Idee kommen würde, nach euch zu suchen. Dabei belauschte uns ein anderer Krieger mit großem Namen.“

„Wer?“

„Der große Barana. Meister aller Krieger. Durch den Angriff auf euer Dorf wurde er zum König aller Krieger erhoben. Seine Herrschaft endete jedoch abrupt durch sein Ableben. Daran war niemand anderes, als eure Mutter schuld. Sie hat seine Seele verschlungen, nachdem sie euer Dorf beschützt hatte. Vielleicht hat sie viele Menschen getötet. Doch nur dadurch war es ihr möglich, euch von der Landkarte zu streichen. Verurteilt diese wunderbare Frau nicht danach, wie viele Menschen sie getötet hat.“

Davon hatte Mutter nie erzählt. Nur davon, wie sie dieses Menschen damals getötet hatte, weil sie unsere Heiligtümer plündern wollten. Die Geheimnisse der Propheten. Jetzt lagen sie begraben, unter Schnee und Eis in der Wüste. Wie paradox. Schnee und Eis in der Wüste. Aber was mich mehr störte, was hatte meine Mutter mit diesem Mann zu tun?

„Was genau hatte meine Mutter mit euch zu tun, dass ihr all dies wisst?“

„Das ist sehr einfach. Wir waren einst verheiratet, Sildera.“

„Wie? Nein, das kann nicht sein. Sie hätte mir das erzählt. Mein Vater hat sich von meiner Mutter getrennt.“

„Richtig. Wir haben uns getrennt. Nur weil es nicht anders ging, nachdem die Krieger euch angegriffen hatten. Zwanzig Jahre später, stehst du hier, Sildera. Die letzte Beschwörerin der Welt. Aus dir ist eine hübsche junge Dame geworden.“

„Moment. Ihr wollt behaupten, dass ihr?“, begann ich doch er winkte ab.

„Hast du dich nie gefragt, warum der Mann, den du kennst, nichts von dir wissen wollte?“

„Weil ich einen eigenen Willen hatte und er eine Sklavin haben wollte.“

„Das mag einer der Gründe sein. Nein. Deine Mutter hat sich mit ihm vermählt, als klar wurde, dass sie schwanger war. Er wusste davon und auch, dass es nicht sein Kind ist. Mich erreichte diese Nachricht sehr spät. Während eines Streites, wegen deiner Erziehung, hatte sie Angst, er würde dir etwas antun. Sie nahm Kontakt mit mir auf und bat mich, dich aufzunehmen. Doch mir war es nicht möglich, da ich als Söldner ein sehr gefährliches Leben führte. Also zog sie deinen Meister mit ins Boot und versteckte dich bei ihr. Als sich die Wogen geglättet hatten, nahm sie dich wieder zu sich. Und dann kam Delphi. Sie ist wirklich eine Tochter des Mannes, den du kennst. Deine Mutter hatte dir damals erzählt, dass dein Vater gegangen sei und Delphi eine andere Mutter hatte. Nein, das ist falsch. Leider hatte deine Mutter nie die Gelegenheit es dir zu sagen. Das habe ich jetzt getan.“

Er war mein Vater? Ein Krieger? Dazu auch noch der Mann, den man für den Angriff auf unser Dorf verantwortliche machte. Nein das konnte nicht sein. Der Wolf sah zu mir auf. Er musste spüren, wie stark mich die Worte des Mannes verwirrten. Seine Fellfarbe änderte sich zu rot. Sofort hob Albert sein Schwert und sah auf ihn herunter.

„Was habt ihr?“, fragte ich und er sah mich an.

„Wenn dieser Wolf seine Farbe ändert, ist er angriffslustig. Ich weiß, wozu er fähig ist. Seine Macht habe ich bereits zu spüren bekommen“, sagte er und ich sah auf ihn herunter.

Tatsächlich knurrte er stumm und starrte den Krieger unentwegt an. Jede Bewegung des Mannes wurde sehr genau untersucht.

„Schluss damit“, sagte ich zu ihm und sofort wurde er wieder blau.

Er sah mich an und legte sich dann zu Boden.

„Das, das kann nicht sein“, stotterte er und ich sah ihn an.

„Was?“

„Nicht einmal deine Mutter konnte ihn so kontrollieren.“

„Ich kontrolliere ihn nicht. Er hörte auf meine Worte. Das hat nichts mit Kontrolle zu tun. Will er nicht hören, tut er es auch nicht.“

„Deine Mutter hat mir etwas anders erzählt.“

„Was auch immer sie gesagt hat, es kann nicht stimmen. Aber es ist mir egal. Ich brauche erstmal Zeit die Informationen zu verarbeiten. Ihr findet mich draußen“, sagte ich und stand auf.

Als ich die Gaststube verließ, trottete der Wolf hinter mir her. Draußen ließ ich mich zu Boden fallen und sah auf die zerstörte Stadt in der Fernen. Es stiegen immer noch Rauchwolken auf. Der Wolf saß neben mir und sah ebenfalls in die Ferne.

„Dich bedrückt etwas“, sagte er und erstaunt sah ich ihn an.

„Du sprichst?“, fragte ich und er nickte.

„Denkst du ein mächtiges mystisches Wesen hat keine Stimme? Ich spreche nur normalerweise nicht.“

„Warum nicht?“

„Muss jeder außer dir wissen, dass ich auch sagen könnte, was ich möchte?“

„Das leuchtete ein. Ja, mich bedrückt einiges. Meine Mutter war mit einem Krieger verheiratet, der sich als mein Vater herausstellt. Ich habe keine Stiefschwester sondern eine richtige Schwester. Dazu hat meine Mutter mehr getan, als sie jemals zugeben wollte. Ich bin sehr verwirrt.“

„Soll ich dir von deiner Mutter erzählen?“

„Du hast sie so gut gekannt?“

„Ich bin mit ihr gegangen, weil sie mir das Leben gerettet hat.“

„Was?“

„Als der Mann, den du als Rudolph kennst, in die Wüste kam und nach mir suchte, hatte ich deine Mutter schon lange getroffen. Sie kam sehr oft zu mir, und leistete mir Gesellschaft. Ich lebte damals in einer Höhle, sodass sogar die Mittagshitze uns nichts anhaben konnte. Normalerweise zeigte ich mich nur ihr. Und an diesem Tag, kam der Krieger. Bereit mich zu töten, wenn er mich finden würde. Ich hörte nur die Schritte und dachte deine Mutter würde kommen. Also verließ ich meine Höhle und mir stand plötzlich ein verängstigter Krieger gegenüber. Seine Augen zeigten mir sofort, dass er beriet war mich zu töten, sollte ich ihn angreifen. Doch ich hatte kein Interesse an ihm. Ich wollte die Höhle gerade wieder betreten, als er eine Bombe nach mir warf. Wütend sprang ich herum und drohte ihm. Doch anstatt zu laufen, griff er erneut an. Seine Angriffe kamen mit großer Wut und ich konnte ihm nicht lange standhalten.“

„Moment. Du bist doch ein Geist. Wie kann dich körperlicher Schaden überhaupt erreichen?“

„Zu dieser Zeit kannte ich diese Fähigkeit nicht. Der Krieger verwundete mich schwer und wollte mir gerade den Gnadenstoß verpassen, als viele kleine Vögel um ihn herum flogen. Es waren die Seelenvögel deiner Mutter. Der Krieger war gezwungen von mir zurück zu weichen. Sie drohte ihm sofort, wenn er nicht gehen würde, wäre seine Seele verloren. Doch auch diesmal ignorierte er alle Warnungen. Er griff deine Mutter an. Sie war eine unglaubliche Kampfschamanin.“

„Kampfschamanin?“

„Tänzer oder Kampfschamanin. Einen der beiden Wege geht ihr. Du bist selbst eine.“

„Ich dachte ich bin eine Prophetin.“

„Indirekt ja. Aber als Beschwörerin, bist du eine Schamanin. Du rufst Geister, die dich im Kampf unterstützen. Deine Mutter war eine Verschlingerin. Sie ruft die Geister zu sich, damit sie mehr Kraft bekommt. Aber weiter mit meiner Geschichte. Der Krieger schlug sich tapfer, gegen deine Mutter. Doch letztlich musste er sich geschlagen geben. Die Geister waren zu stark für ihn. Also floh er. Ich bekam das ganz nur sehr verschwommen mit. Denn, meine Wunden waren so fatal, dass ich kaum noch das Bewusstsein halten konnte. Als sie gewonnen hatte, kam sie sofort zu mir und versorgte mich. Sie trug mich in die Höhle, reinigte die Wunden und machte Verbände aus ihrer Kleidung. Zu dieser Zeit musste sie bereits schwanger gewesen sein. Ich spürte die Anwesenheit eines weiteren Wesens. Eines Säuglings. Doch leider konnte ich es deiner Mutter nicht sagen, denn ich wurde ohnmächtig. Als ich wieder zu mir kam, saß deine Mutter zitternd vor mir. Das Feuer, meine Mähne war erloschen und du weißt selbst, wie kalt die Wüste nachts ist.“

„Eigentlich ist es auch nachts warm.“

„Nicht in einer Höhle. Dort kommt keine Sonne hinein und nichts heizt sich auf. Ihre Kleidung war zu meinen Verbänden geworden und sie selbst saß nun, halb nackt, vor mir und zitterte am ganzen Leib. Vorsichtig schob ich mich näher zu ihr, um sie zu wärmen. So lagen wir zusammen in der Höhle. Sie wich nicht von meiner Seite, bis meine Wunden verheilt waren. Für ihre Hilfe war ich sehr dankbar und beschloss bei ihr zu bleiben und meine Schuld zu begleichen, indem ich ihr und ihrem Kind helfen würde, sofern du, auch eine Schamanin geworden wärst. Deine Mutter willigte ein, unter einer Bedingung. Nach ihrem Tod sollte ich nicht sofort zu dir kommen. Sondern erst, wenn du auch reif genug dafür wärst. Deswegen sitze ich jetzt hier. Dein Freund und Helfer.“

„Eins verstehe ich noch nicht. Warum hat meine Mutter mir das nicht erzählt?“

„Was hättest du von ihr gehalten, wenn sie dir erzählt hätte, dass sie den legendären blauen Wolf, der als Schrecken der Wüste gilt, das Leben gerettet hat.“

„Wesentlich mehr, als im Moment“, sagte ich und er lachte.

Er wollte gerade weitersprechen, als ein Mann aus dem Wald stolperte. An seinem Körper konnte ich viele Wunden sehen. Mit verzweifelten Augen sah er zu mir.

„Hilf mir“, brachte er noch gerade so hervor, bevor er zusammenbrach.

Ich sprang auf und lief zu ihm. Seine Wunden stammten von einem Schwert. Sie hatten gewisse Ähnlichkeiten, mit den Wunden von Meriano. Sie mussten von Aleta stammen.

„Keine Sorge. Ich hole Hilfe“, sagte ich und schickte den Wolf zu Remino.

Sein Gesicht kam mir bekannt vor. Irgendwie sah er aus wie Meriano. Allerdings viel älter.

„Wer bist du?“, fragte ich und hielt meine Hand über seinen Kopf.

Ich erforschte seinen Geist. Dort herrschte ein heilloses Durcheinander. Viele Bilder überschlugen sich. Aber immer wieder sah ich Remino und seinen Bruder. War dieser Mann ihr Vater? Die Türe ging auf und Remino kam hervor. Seine Augen waren rot, als hätte er viel geweint. Wortlos kam er zu mir und sah auf den Mann herunter. Sofort wurde sein Blick ernst.

„Du verdienst es nicht anders“, sagte er und wollte gehen, als ich ihn aufhielt.

„Was soll das heißen? Dieser Mann braucht Hilfe“, sagte ich und er schüttelte seinen Kopf.

„Nachdem er mich und meinen Bruder damals verbannt hat, verdient er es nicht einmal, dass ich ihn eines Blickes würdige.“

„Ist er dein Vater?“, fragte ich und er nickte.

„Dann, in der Drachen Namen, musst du ihm helfen. Du kannst deinen eigenen Vater nicht sterben lassen?“

„So wie er mich beinahe hätte sterben lassen, so überlasse ich ihn nun seines Schicksals. Er verdient nichts Besseres.“

„Remino, du hast großes Glück, dass er dich gefunden hat. Seit vielen Jahren hast du nichts mehr von ihm gehört. Kannst du nicht einfach verzeihen, was er damals getan hat?“

„Nein. Ich kann und will es nicht vergessen“, sagte er und wollte erneut gehen, als der Wolf ihn aufhielt.

„Er wurde von Aleta verwundet. Der Feind deines Feindes ist dein Freund“, sagte er und Remino sah ihn nur wortlos an.

„Ich weigere mich, ihm zu helfen“, sagte er und ging.

Sein Hass auf diesen Mann musste groß sein. Plötzlich rührte er sich wieder.

„Remino“, stieß er hervor und sofort blieb er stehen.

„Du hast nie meinen Brief erhalten“, sagte er und versuchte etwas aus seiner Tasche zu ziehen.

Doch es schien ihm sehr schwer zu fallen. Vorsichtig drehte ich ihn auf den Rücken und half ihm. Es war ein Zettel, der leicht mit Blut befleckt war. Ich nahm ihn und begann zu lesen. Die Worte waren jedes einzelne in Schönschrift geschrieben. Sogar in Kalligraphie. Eine Kunst, die nur wenige Menschen beherrschten.

„Was steht da?“, fragte Remino.

Er drehte sich nicht einmal um.

„Liebe Söhne, vor vielen Jahren habe ich den größten Fehler meines Lebens begannen. Ich habe auf die Göttin gehört, die unbedingt euch, in ihrem Dienste wissen wollte. Sie drohte an, mich und eure Mutter zu töten, wenn ich euch nicht dazu bewegen würde, ihr zu gehören. Das einzige was euch und ihr im Wege stand, war ich. Also hat sie mich erpresst. Jetzt erst finde ich den Mut, es euch zu sagen, denn ich denke, dass ihr nun reif genug seid. Ich weiß, dass du, Remino, immer sauer auf mich sein wirst. Du warst schon immer nachtragend. Doch als Drache der Hoffnung kannst du dir das eigentlich nicht erlauben. Ich bitte nicht um euer Verständnis. Auch nicht um eure Gnade. Eigentlich bitte ich nur um eins. Um Zeit die Dinge zu korrigieren, die ich damals zu feige war, nicht zu ändern. Eines Tages werden wir uns wiedersehen. Euer Vater, Apostel der Drachen“, las ich vor und Remino begann zu zittern.

„Viele Jahre ist es jetzt her, seit du uns verbannt hast. Jetzt erst findest du den Mut uns zu sagen, was damals passiert ist?“

Keine Antwort. Der Mann atmete noch kaum. Seine Wunden hatten beinahe seine gesamte Lebensenergie an sich genommen.

„Remino. Wenn du ihm nicht hilfst, dann wird er sterben“, sagte ich und er drehte sich um.

Seine Augen waren voller Tränen.

„Dann würde ein Fehler in meinem Leben korrigiert sein“, sagte er und lief ins Haus.

Den Groll gegen seinen Vater konnte ich nicht verstehen. Aber eins war mir klar. Ich musste diesem Mann helfen.

„Kannst du?“, fragte ich den Wolf und er schüttelte seinen Kopf.

„Ich kann nicht heilen“, sagte er.

„Hol Jermain. Schnell“, sagte ich und er lief erneut los.

Kurze Zeit später standen Johann und Jermain bei mir.

„Was geht hier vor?“, fragte Jermain.

„Reminos Vater ist hier aufgetaucht. Aleta hat ihn beinahe getötet. Er weigert sich ihn zu heilen. Aber ihr könntet ihm helfen“, sagte ich und Johann zog seinen Zauberstab.

Sofort begann er mit der Heilung. Einige Wunden schlossen sich. Doch viele nicht.

„Es tut mir Leid. Das ist alles, was ich tun kann. Die Wunden von Aleta sind groß und voller Magie. Ein einfacher Priester kann das nicht korrigieren“, sagte Johan und ich sah zur Sommerresidenz.

Remino stand am Fenster und sah auf uns herunter. Mein Partner stand bei ihm und so konnte ich hören, dass Remino weinte.

„Kann ihm denn niemand helfen?“, fragte ich Johan und er nickte.

„Einzig Aleta kann diese Wunden heilen. Vielleicht noch ein Drache, aber ich denke nicht, dass Remino ihn heilen wird.“

„Nur weil sein Vater ihm damals etwas angetan hat? Das ist Jahre her. Kann er nicht verzeihen?“

„Remino ist nachtragend. Verärgert man ihn einmal, hat man einen Feind fürs Leben. Sein Vater hat sich seine Wut aufgeladen. Auch wenn es ihm vielleicht schwer fällt, doch Remino wird ihm nicht helfen“, sagte Johan.

„Sprich mit ihm“, sagte ich zu meinem Wolf und nickte nur.

„Es tut mir Leid, aber ich fürchte dieser Mann hat nur noch ein paar Stunden zu leben.“

Reminos Einsicht

Sildera stand neben dem Mann, der Reminos Vater sein sollte. In meinen Augen war es mir relativ egal, wer er war. Dieser Mann brauchte Hilfe und dieser sture Bock von Priester weigerte sich, sie zu gewähren. Letztlich war ich aber auch nur ein Geist, der beschlossen hatte, mit Sildera zu reisen. Jetzt stand ich hier im Flur neben Remino. Sildera hatte mir gesagt, ich solle mit ihm sprechen. Sie wollte wirklich, dass ich eines der größten Geheimnisse lüften sollte. Bald wusste die ganze Welt, dass ich sprechen konnte. Egal. Dieser Mann verdiente den Tod nicht. Er wurde von unserem Feind angegriffen. Nach der alten Regel war der Feind meines Feindes mein Freund. Warum wollte Remino das nicht verstehen?

„Ihm deine Hilfe zu verwehren wird keinen von uns glücklich machen“, sagte ich zu ihm.

Sein Blick blieb starr auf seinen Vater.

„Nein, das stimmt.“

Super, dass er immerhin das einsah. Aber warum stellte er sich dann so stur?

„Warum stehst du dann noch hier?“

„Er verdient es nicht am Leben zu bleiben.“

„Weil er deinen Bruder und dich damals rausgeschmissen hat? Du hast es doch gehört. Er wurde gezwungen. Aleta hat ihn dazu gezwungen. Wäre es dir lieber gewesen, dass er jetzt schon Tod gewesen wäre? Ob er euch verbannt oder von Aleta ermordet wird, hätte keinen Unterschied gemacht. Du weißt mittlerweile wie grausam die Göttin sein kann. Und dennoch weigerst du dich ihm zu helfen?“

„Bevor mein Bruder starb, habe ich ihn gesehen. Er war es, der mich abgelenkt hat, damit Aleta unsere Geschwister töten konnte.“

„Das war eine Illusion, Remino. Keiner, außer dir konnte es sehen. Sie hat euch alle getäuscht. Ansonsten hätte ihr euren Geschwistern geholfen. Das konnte sie nicht riskieren. Dein Vater kann da nichts für.“

Ich sah wieder nach unten. Sildera saß bei dem Mann und hatte seinen Kopf in ihrem Schoß gebettet. Er erzählte ihr von seinem Leben. Wie Aleta damals zu ihm kam und ihn zwang seine Söhne zu verbannen. Das war genau der Moment. Jetzt konnte Remino es selbst hören. Ich stellte meine Pfote auf seinen Fuß und übertrug alles, was ich von Sildera hörte.

„Meine Söhne waren mein ein und alles, nachdem meine Frau gegangen war. Sie hinterließ mir nichts, außer die Liebe zu ihr und meine Kinder. Aber ich wusste genau, dass sie gehen musste. Ohne sie würden sich Aletas Alpträume ausbreiten und bald das ganze Land übernehmen. Sie ist eine starke Frau. Vielleicht kennst du sie. Sie ist die Oberpriestern Clair. Eine wunderbare Frau. Sie hat mir zwei Söhne geschenkt, die ich bis zum heutigen Tag liebe. Auch wenn sie mich hassen. Ich habe oft versucht ihnen zu schreiben, denn ich habe immer wieder Briefe von Meriano bekommen. Doch keiner meiner Briefe ist jemals bei ihnen angekommen. Aleta hat sie abgefangen und vernichtet. Ich hatte nie die Chance ihnen zu sagen, was wirklich passiert ist. Versprichst du mir, es ihnen zu sagen?“

„Natürlich. Sobald ich sie sehe, werde ich es ihnen sagen.“

„Als Drachenapostel bin ich ein Spion in Aletas Kirche und überwache, was die Göttin befiehlt um den Drachen das Leben schwer zu machen. Bitte, die Drachen müssen Leben. Ohne sie wird das Land ewig von dieser Frau regiert. Aleta darf nicht triumphieren.“

„Das wird sie auch nicht. Aleta wird niemals gewinnen. Euer Sohn wird das nicht zulassen.“

„Remino ist ein guter Junge. Ein guter Drache. Immer voller Hoffnung und glauben. Als er damals für seinen Bruder gebettelt hat, habe ich ihnen immer wieder Geld, Essen oder sonstiges zukommen lassen. Über mehrere Ecken, damit Aleta das nicht mitbekommen konnte. Ich habe gelitten, Mädchen. Jeden Tag aufs Neue. Meine Söhne, vor meinen Augen und ich durfte nicht zu ihnen. Es verging nicht ein Tag, an dem ich nicht im Kloster war. Zudem habe ich gebetet. Zu Casus und den anderen Drachen, dass sie mir helfen sollten. Dann, wurden meine Gebete erhört. Von Kai, dem Vater aller Drachen. Er bot mir an, in seinen Dienst zu treten. Ich nahm sein Angebot an und wurde ein Apostel. Heimlich schleuste man mich in das Kloster ein, damit ich den Abt überwachen konnte. Dieser Mann war grausam. Er wollte Remino töten, weil er die Gunst der Göttin mehr genoss, als er. Das konnte ich nicht zulassen also habe ich den Abt abgelenkt und mich selbst in die Schussbahn geworfen. Ich wünschte nur, meine Söhne könnten es hören und ihren Hass überwinden. Was gäbe ich nicht dafür, sie noch einmal in meinen Armen halten zu können.“

Remino stand immer noch da. Die Tränen auf seinem Gesicht waren zahlreich und tropften schon zu Boden. Sein Vater sprach noch weiter, aber ich beschloss ihn nicht mehr damit zu quälen.

„Denkst du immer noch, dass er es nicht verdient hat zu leben?“, fragte ich und er nickte.

„Ja.“

Dieser Junge war doch noch sturer und vielleicht sogar dümmer als ich gedacht hatte. Da blieb mir nur noch ein letztes Mittel. Sein Bruder. Merianos Seele schlief in mir und würde erwachen, wenn ich sie rief. Das tat ich auch. Sofort erschien der Geist neben mir.

„Remino, du bist herzlos“, sagte er und sein Bruder sah ihn an.

„Nur weil ich unseren Vater hasse?“

„Weil du ihn hasst, trotz allem, was du gehört hast. Es ist an der Zeit zu verzeihen, Remino.“

„Wie? Ich kann nicht vergessen, was er getan hat.“

„Er hat uns geholfen, Remino. Sein Leben wurde verschont, weil er uns verbannt hat. Hätte er nicht so gehandelt, wäre er Tod. Du kannst ihn wieder sehen, Remino. Den Mann der uns groß gezogen hat. Einen Verfechter der Drachen. Jenen Mann, dem wir unser Leben verdanken. Vielleicht war die Zeit ohne ihn nicht leicht. Aber ist das ein Grund, ihn sterben zu lassen? Nein. Ich denke nicht. Du musst endlich deinen Hass ablegen, Remino“, sagte Meriano und verschwand wieder.

Remino sah wieder nach draußen. Silderas Blick traf ihn. Ich wusste genau, dass sie ihn so um Hilfe bat. Endlich wanderte seine Hand zu seinem Zauberstab. Doch anstatt ihn zu ziehen, blieb er einfach so stehen. Sein gesamter Körper bebte. Plötzlich ging das Fenster vor uns auf und er sprang nach draußen. Im Fallen wurde er zu einem Drachen und landete neben Sildera. Tat er das, damit sein Vater nicht sah, wer er war? Vorsichtig sprang ich ebenfalls aus dem Fenster und landete sanft. Sofort lief ich zu Sildera.

Spes Entscheidung

Vor mir lag mein Vater. Jener Mann, den ich so abgrundtief gehasst hatte, all die Jahre. Neben ihm die Liebe meines Lebens. Alles was ich gehört hatte, konnte ich nicht so wirklich glauben. Doch ich verstand, dass er den Tod nicht verdiente. Er hatte einiges aufgeben müssen, damit wir leben konnten. Mein Bruder lebte zwar nicht mehr, aber immerhin hatte er uns mehr Zeit verschafft.

„Eure Wunden sind tief, Apostel“, sagte ich.

„Meister, Spes. Ja, Aleta hat mir einige Wunden zugefügt, die niemand heilen kann.“

„Ich habe mitbekommen, dass du gute Arbeit für uns Drachen geleistet hast. Dafür möchte ich dich belohnen“, sagte ich und hauchte ihn kurz an.

Sofort schlossen sich seine Wunden.

„Danke, Meister“, sagte er und ich nickte.

Sildera sah mich an. Doch ich erwiderte ihren Blick nicht. Ich ging wieder auf das Haus zu. Doch plötzlich sagte mein Vater noch etwas.

„Du bist gewachsen, mein Sohn“, sagte er und ich blieb stehen.

 „Woher willst du das wissen?“, fragte ich, mit meiner tiefen Drachenstimme.

„Du hättest mich früher niemals geheilt. Egal wie viele Leute auf dich eingeredet hätten.“

Mein Vater kannte mich genauso gut, wie ich mich selbst. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, mir seinen Brief zu geben. Und dennoch hatte er es getan.

„Du wusstest, dass es keine Sinn hätte, mich um Hilfe zu bitten. Warum hast du es dennoch getan?“

„Um zu sehen, ob du immer noch so stur wie damals bist.“

„Waren die Wunden echt?“

„Ja. Aleta hat mich erwischt, als ich im Heiligen Hafen die Dunkelelfen getötet habe. Ich konnte ihr keine Sekunden standhalten und wurde schwer verwundet. Als ich dann sah, wie ihr hier hin gegangen seid, dachte ich mir, dass ich immerhin die Lügen aus deinem Leben beseitigen sollte. Du hast deine Mutter getroffen. Deinen Bruder verloren und gesehen, dass dein Vater nicht der herzlose Mann ist, für den du ihn immer gehalten hast.“

Es stimmte ich hielt ihn nicht mehr für ganz so herzlos wie noch vor einigen Stunden. Doch entschuldigte das wirklich seine Tat von damals? Zu sagen vermochte ich das nicht. Ich wusste nur eins. Ich würde mehr Zeit brauchen, bis ich ihm wirklich verzeihen konnte.

„Es sollte noch ein freies Zimmer geben. Ich werde Morgen zum Konvent sprechen und danach brechen wir in die Himmelsberge auf. Du hast meine Erlaubnis uns zu begleiten, wenn du nicht hier bleiben willst“, sagte ich und ging.

Die Worte klangen viel kühler, als ich eigentlich gehofft hatte. Aber eigentlich wollte ich ihm auch nichts vormachen. Ich war sauer und enttäuscht. Aber auch ein wenig glücklich, zu wissen, dass er es nicht freiwillig getan hatte. Vorsichtig verwandelte ich mich zurück und betrat das Gasthaus wieder. Im Inneren war die Stimmung berückt. Nelstar und Emilie saßen zusammen und diskutierten. Über was konnte ich nicht verstehen. Delphi sprach mit Lirams Meister. Johan und Jermain standen am Tresen und sprachen mit Adelia und Lilith. Tiana saß in einer freien Ecke und leerte gerade ein Glas Rotwein. Bestimmt nicht das erste, diesen Abend. Nelana und Jotanate konnte ich nicht sehen. Genauso wie Reviran und Revarian nicht. Sie waren wohl noch nicht hier angekommen. Ich beschloss wieder in mein Zimmer zu gehen, als ich ein Geräusch hörte. Das war unverkennbar das Schnarchen von Liram. Ich sah in die Richtung und ihn neben der Theke liegen. In seiner Hand eine Flasche Wein und um ihn herum noch mehr Alkohol. Er hatte wohl versucht seinen Kummer zu ertränken. Auch nicht der richtige Weg. Langsam ging ich zu ihm und stupste Liram an. Er must ziemlich betrunken sein, denn er bekam nichts mit. Nach einem weiteren Versuch, ihn wach zu bekommen, gab ich auf und ging so nach oben. In meinem Zimmer lag bereits eine päpstliche Robe auf meinem Bett. Daneben Terras Waffen. Sie würden ab sofort mir gehören. Ich war der Papst von Aletas Kirche und bereit einen Weg zu gehen, den vor mir noch niemand gegangen war. Fest entschlossen legte ich die Robe beiseite und legte mich schlafen. Ein wenig nervös war ich schon. Die Zeremonie morgen entschied darüber, ob die Priester uns helfen würden oder nicht. Es lag einiges an Verantwortung bei mir. Ich musste versuchen mein Anliegen stichfest und logisch zu erläutern, sodass die Brüder uns helfen würden. Wie ich das genau anstellen sollte, wusste ich noch nicht.

Clair

Reminos Vater redete immer noch mit mir. Nachdem seine Wunden geheilt waren, stand er wieder, sprach aber immer noch mit mir. Eigentlich interessierte mich das alles weniger. Weder, wie er seine Frau getroffen hatte, noch wie er Remino und seinen Bruder geliebt hatte. Das hatte er auch schon mehrfach betont. Aus Anstand lauschte ich seinen Worten, war aber mit meinen Gedanken woanders. Remino machte mir Sorgen. Er hatte zwar seinen Hass überwunden und seinen Vater geheilt, aber irgendwie wirkte er immer noch unterkühlt. Plötzlich spürte ich jemanden hinter mir. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf und erblickte Clair. Sie stand dort, ohne ihre Robe. Ihre goldenen Haare fielen über ihre Schultern, bis zum Boden. Dazu trug sie ein weißes Kleid, das ihre Proportionen hervorhob.

„Willst du das arme Mädchen noch länger mit deinen Geschichten langweilen?“, fragte sie und der Mann drehte sich um.

„Clair“, sagte er ungläubig und sie lächelte.

„Hallo, Geliebter.“

Ihre Stimme war klar und unheimlich schön. Nicht so wie in der anderen Welt.

„Ich habe dich seit so vielen Jahren nicht mehr gesehen. Warum bist du nie gekommen?“

„Weil Aleta ihre Alpträume ausweitet. Wir Schattenpriester haben alle Hände voll zu tun, diese Kraft einzudämmen und Aleta in ihren Schranken zu halten. Das gelingt uns auch, teilweise. Bis jetzt sind nur kleine Gebiete mit ihren Alpträumen bedeckt.“

„Ist vielleicht?“, fragte ich und Clair lachte.

„Aleta selbst ein Alptraum? Das ist gut möglich. Vielleicht kennen wir die Göttin gar nicht. Aber sie hat nicht die gleiche Energie, wie ein Alptraum. Letztlich würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen, dass es nicht wirklich so ist. Die Kraft der Alpträume ist groß. Je weniger Skrupel Aleta zeigt, desto stärker wird sie. Bald riecht auch meine Kraft nicht mehr aus.“

„Was tust du dann hier?“, fragte Reminos Vater.

„Weißt du es nicht? Ich habe die Dunkelheit verlasen, damit ich dich und meinen Sohn noch einmal sehen kann. Solange Aleta ihre Ängste weiter verteilt, werde ich nie wieder die Gelegenheit bekommen, euch zu sehen. Remino ist jetzt Papst und bei seiner Ansprache möchte ich dabei sein, bevor ich für immer in der Dunkelheit verschwinde. Gelingt es uns nicht, Aleta aufzuhalten, werden wir verschwinden. Genau wie der Rest der Welt und Aleta selbst. Es würde eine dunkle Welt voller Qualen und Monster werden. Die wenigen Menschen, die nicht zu Monstern würde, würden zwangsläufig jenen zum Opfer fallen, die nicht solches Glück hatten.“

„Clair. Ich will nicht, dass du dich solch einer Gefahr aussetzt.“

„Denkst du wirklich, dass ich jetzt auf dich hören würde? Auch nicht all diese Jahre später. Wach auf. Remino ist kein Kind mehr. Er ist erwachsen. Nein, ich muss zurück. Im Moment können meine Schwestern noch alleine mit der Kraft fertig werden.“

„Wie damals, Clair“, sagte er und sie kam zu uns.

Sofort umarmte Reminos Vater sie. Sie erwiderte diese Geste.

„Du hast mir gefehlt, Clair.“

„Du mir auch.“

Neben mir saß mein Wolf und beobachtete dieses Schauspiel ebenfalls. Plötzlich stupste etwas gegen mein Bein. Es war mein Mantikor, der offenbar nach mir gesucht hatte. Langsam nahm ich ihn auf meinen Arm und begann seinen Bauch zu kraulen. Offenbar gefiel ihm das. Bildete ich mir das nur ein, oder hatte er zugenommen? Er fühlte sich schwerer an.

„Sildera, du hast da zwei ungewöhnliche Partner“, sagte Clair und kam auf mich zu.

„Einer ist mein Geist und der anderen ist freiwillig zu mir gekommen, nachdem ich ihm das Leben gerettet hatte.“

„Dieser Mantikor hat eine gewisse Energie. Er wächst, Sildera. Bald wird er groß genug sein, dass du auf ihm reiten kannst. Zudem wird er dich beschützen. Du kannst von Glück sprechen, dass seine Mutter dich noch nicht gefunden hat.“

„Das hatte sie schon. Doch er konnte sie wohl überzeugen, dass er bei mir bleiben will. Seit dem ist er hier. Ich habe ihn Lotus genannt. Weil er so süß ist, wie eine Blume.“

„Außergewöhnlich. Und der Wolf? Ist das wirklich der Wüstenwolf?“

„Ja, der blaue Wolf von Tel Nuhara. Meine Mutter hat damals mit ihm schon gelebt und jetzt ist er bei mir.“

„In ihm hat du einen sehr mächtigen Verbündeten gefunden.“

„Das weiß ich. Er ist für mich ein Partner und Freund. Ihn nicht bei mir zu haben, wäre schlimm.“

Es war gerade mal, wenn überhaupt, einen Tag her, seit wir zusammen gekommen waren. Ich sagte jetzt schon, dass er mir fehlen würde? Nun ja, es entsprach der Wahrheit. Aber nach so kurzer Zeit, war es erschreckend, dass ich so etwas sagte.

„Sildera, oder eher Fortuna. Du bist gesegnet, mit der Kraft der Drachen und mit mächtigen Verbündeten, wie damals.“

„Was war damals?“

„Damals hattest du auch Verbündete. Welche das genau waren, vermag ich nicht zu sagen. Aber es scheint mir, als wäre es für dich normal dich mit Verbündeten zu umgeben.“

Das klang logisch. Alleine konnte man nicht jeden Kampf bestreiten. Lotus sowie mein Wolf halfen mir dabei. Sie waren für mich da, egal was kommen mochte. Lotus noch nicht wirklich als Kämpfer, aber als aufmunternder Zeitgenosse. Wie alt mochte er auch sein? Fünf, sechs Monate? Das war für einen Mantikor kein Alter. Er würde lange Zeit bei mir bleiben, egal wie lange ich lebte. Aber überleben würde er mich, einen Drachen, nicht. Nach einem Drachen waren diese Wesen die zweit ältesten.

„Nicht jeder Kampf kann alleine Entschieden werden. Verbündete zu haben, ist gut“, sage ich und sie nickte.

„Solange man nicht Aleta als Verbündete hat, ist alles gut. Sildera, mein Sohn liebt dich und ich denke du erwiderst diese Gefühle. Ich möchte euch meinen Segen geben. Ihr beide seid ein schönes Paar und ich hoffe, dass ihr zusammen alt werdet“, sagte sie und ich nickte.

Den Segen der Mutter hatten wir schon. Meine Mutter konnte ihren Segen nicht mehr geben und mein Vater hatte da wenig zu melden. Ich kannte ihn ja nicht einmal richtig.

„Ich danke euch, Clair, dass ihr mir euren Segen gebt.“

Sie lächelte und sah zum Hafen. Die Sonne ging auf. Ich hatte die ganze Nacht hier draußen verbracht? Wie die Zeit doch vergehen konnte. Die Türe zur Gaststätte wurde geöffnet und Jermain kam zusammen mit den anderen heraus. Nur Remino war noch nicht da.

„Guten Morgen, Clair“, sagte Johan und verneigte sich.

„Johannes. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Meine Schwestern sind für deine Hilfe immer noch dankbar.“

„Das hoffe ich doch. Die Arbeit meiner Brüder war sehr genau geplant und koordiniert. Es sollte euch ja helfen.“

„Wo ist mein Sohn?“, fragte Clair und Johan lächelte.

„Er kommt sofort“, sagte er und sah zum Haus.

Die Türe ging auf und Remino trat hervor. Er trug eine blaue Robe, ähnlich der, die Terra auch einst getragen hatte. An seiner Hüfte hingen Streitkolben, Zauberstab und Schild. Auf seinem Kopf thronte eine Kapuze aus Stoff. Die Robe war zum Glück sehr weit. Seine Drachenrüstung konnte man darunter nicht sehen.

„Papst Remino“, sagte Jermain und verneigte sich.

„Gehen wir. Die Bruderschaft wird bald versammelt sein“, sagte er und unser Trupp setzte sich in Bewegung.

Remino ging voran und ich lief ihnen hinterher. Clair war bei ihrem Sohn und sprach mit ihm. Er war angespannt, entspannte sich aber, je länger sie sprachen. Delphi lief neben mir her. Ihre Waffen waren an ihren Rücken geschnallt, sodass sie sie schnell greifen konnte.

„Müssen wir wirklich zu dieser Zeremonie?“, fragte sie.

„Unsere Reise geht erst weiter, wenn Remino mit der Bruderschaft gesprochen hat. Du kannst dir das ruhig mal ansehen, wenn du sonst schon nichts für deinen Glauben übrig hast“, sagte ich und sie lachte.

Meine Mutter sprach mir Mut zu. Sie tat nichts anderes, seit wir die Sommerresidenz hinter uns gelassen hatten. Es war gut, dass sie hier war. Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, sie noch einmal zu sehen.

„Welchen Weg wirst du gehen, mein Sohn?“, fragte sie und ich sah sie an.

„Den Weg des uneinheitlichen Glaubens. Jeder soll so glauben, wie er das für richtig hält. Kopfloses Folgen bringt uns nur in eine Lage wie jetzt. Aleta ist eine Göttin geworden, als die Menschen daran glaubten, sie sei wirklich eine. Jeder soll selbst entscheiden, was er glaubt und was nicht.“

„Das ist ein sehr provokanter Weg, den kein Papst bis jetzt eingeschlagen hat. Aber es wird Zeit für einen Umschwung.“

„Genau das denke ich auch. Aleta wird bestimmt einige Anhänger verlieren, aber dennoch viele behalten. Die Frage ist nur, glauben die Brüder an die Drachen? Oder werden sie sofort eine Revolution begehen und versuchen uns zu töten?“

„Das werden wir erfahren, wenn es soweit ist“, sagte sie.

Wir erreichten die Trümmer, die einst der heilige Hafen gewesen ist. Der Königliche General empfing uns.

„Willkommen im heiligen Hafen, Papst Remino. Zumindest was noch davon übrig ist. Die Bruderschaft erwartet euch. Wir sind hier um euch zu eskortieren.“

„Dann geht voran, General“, sagte Remino und der Mann nickte.

Sofort stellten sich die Soldaten um uns herum und führten uns zum Palast. Viele Trümmer waren beiseite geräumt worden. Das hatte wohl die ganze Nacht gedauert. Jetzt für die Vorstellung des neuen Papstes, arbeitete niemand hier. Viele Priester standen an dem Ort, der einmal der Thronsaal gewesen war. Man konnte nur noch ein paar Säulen sehen, die standen. Wir wurden vor die Priester geführt und dann stellten die Soldaten sich hinter uns. Remino trat vor und sah auf die Priester herunter.

Papst vor den Brüdern

Die Brüder sahen mir mit erwartungsvollem Blick entgegen. Keiner von ihnen wagte es auch nur ein Wort zu sagen. Meine Rede hatte ich schon hunderte Male im Kopf aufgesagt. Doch ob die Worte auch so kommen würden, wie ich sie mir gedacht hatte, war eine andere Sache.

„Brüder“, begann ich und holte nochmal tief Luft.

Du schaffst das. Sie werden dir zuhören. Du bist ihr Papst. Sag, was du dir gedacht hast. Dir wird nichts passieren.

„Als neuer Papst trete ich vor euch. Terra starb bei dem Versuch dieses Stadt zu halten. Getötet von jener Frau, die wir lange Zeit als Göttin angesehen haben. Aleta hat nicht nur ihn ins Reich des Todes geschickt. Auch meinen geliebten Bruder und noch viele andere Menschen die nicht nur mit lieb und teuer waren. Die Göttin ist grausam und machthungrig. Ich habe es gesehen und gebe es nun an euch weiter. Niemand verlangt von euch, dass ihr aufhört an sie zu glauben. Doch eine Bitte habe ich an euch. Hinterfragt, dass, woran ihr glaubt. Kopflos einfach einer Lehre zu folgen hat genau den Effekt, den wir jetzt haben. Aleta hat sich zur Göttin aufgeschwungen. Jetzt tyrannisiert sie uns alle. Jagurin ist ihr ausgeliefert. Sie benutzt uns als Werkzeuge für Krieg und Tod. Und wisst ihr, was mich an der Sache am meisten stört? Die Tatsache, dass wir auch noch folgen. Ich habe es abgelegt, der Göttin blind zu vertrauen. Ich entsage mich ihr voll und ganz zu gehören. Warum? Weil ich weiß, dass eine Person alleine nicht die Geschicke der Welt alleine handhaben kann. Dafür braucht es mehr als nur eine Göttin. Die Drachen standen Aleta zur Seite, bis sie bemerkten, was die Göttin wirklich tun wollte. So entbrannte der Krieg, der bis heute andauert. Die Drachen kehren zurück und wollen jetzt Aleta in ihren Schranken weisen und ihre Zeigen, was es heißt eine Gottheit zu sein. Und mein Anliegen ist es nicht, zu sagen, dass wir nicht mehr an die Göttin glauben. Nein. Ich schlage einen neuen Weg ein. Jeder, der glauben will, egal wie, darf an die Göttin oder die Drachen glauben. Unser Glaube ist etwas, was uns niemand nehmen kann. Ihr dürft glauben, was ihr wollt. Und wie ihr das wollt. Letztlich stehen wir einer Bedrohung gegenüber, die niemand einschätzen kann. Niemand kann sagen, wer sie im Endeffekt bannen können wird. Aleta, oder die Drachen. Vielleich kommt Aleta auch zur Vernunft. Wir wissen es nicht. Also lautete mein Kurs, wie ich bereits gesagt hatte. Glaubt was und wie ihr das wollt.“

Die Brüder vor mir sahen mich entgeistert an. Einige von ihnen sahen so aus, als wollten sie sagen, das hat er nicht wirklich gesagt, oder? Es rührte sich niemand.

„Woher wollt ihr wissen, dass die Drachen nicht wirklich so böse sind, wie Alte das sagt?“, fragte jemand.

„Das ist eine gute Frage“, antwortete ich und öffnete die Knöpfe der Robe.

Sofort glitt sei zu Boden und offenbarte meine Drachenrüstung. Einige Brüder begannen zu tuscheln und eine gewisse Unruhe kam in die Masse.

„Da ich selbst ein Drache bin“, sagte ich.

„Terra hat einen Drachen zum Papst ernannt? Das kann nur ein Fehler sein“, rief jemand anderes und ich nickte.

„Ich muss zugeben, dass es auch für mich keinen Sinn ergeben hat. Doch letztlich war auch ich einst ein Bruder in Aletas Kirche. Im Kloster Nagurin. Außerdem ist mir, auf meiner Reise aufgefallen, dass viele Brüder bereits Drachenjünger sind. Es scheint mir also, als wäre die Bruderschaft nicht mehr so stark wie damals. Dieser Kurs hat nicht den Sinn uns zu stärken, sondern eher uns wach zu rütteln. Kopfloses Folgen hat keinen Sinn. Niemand weiß alles. Weder Drache noch Aleta.“

„Die Drachen sind böse. Wir müssen sie töten“, sagte jemand und einige Brüder zogen ihre Streitkolben und Zauberstäbe.

Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Vor ihnen stand eines der Wesen, die nach ihrem Glauben für den Krieg verantwortlich waren. Doch viele Brüder wandten sich von uns ab und stellten sich ihnen entgegen.

„Was unser Papst sagt, stimmt. Wir haben viel zu lange blind gehorcht. Diese Zeit müssen wir hinter uns lassen. Vielleicht ist Aletas Weisheit wirklich nicht die einzige. Die Drachen sind immerhin die Hüter unserer Gefühle. Sie können uns helfen, den Blick klar zu haben, für die Dinge die noch kommen“, sagte ein Bruder und sofort wurde heftig diskutiert.

„Genau das wollte ich erreichen. Denkt nach, bevor ihr etwas glaubt. Das ist alles, was ich euch mit auf den Weg geben kann“, sagte ich und sofort verstummten sie alle.

„Es lebe unser Papst“, rief jemand und viele Stimmten ein.

Die Meinungen der Brüder waren sehr zwei geteilt. Aber genau das wollte ich erreichen. Eine Hälfte, die nachdachte und die andere, die dazu noch bewegt werden musste. Jetzt dachten sie alle nach, bevor sie jemandem folgten. Meine Aufgabe war damit erfüllt. Ich hatte den Brüdern einen neuen Auftrag gegeben. Langsam drehte ich mich zu meinen Freunden.

„Ich bin fertig. Wir können gehen“, sagte ich und Johan kam auf mich zu.

„Du hast eine gute Rede gehalten, Remino. Lass die Brüder doch noch ein wenig von deiner Größe bewundern, bevor wir gehen.“

Langsam führte er mich weiter nach vorne und näher an die Brüder heran. Plötzlich gab es einen großen Aufruhr. Die Menge teilte sich und Aleta stand dort.

„Euer Weg missfällt mir, Papst Remino“, sagte sie und ich sah sie an.

„Das du es wagst hier zu erscheinen, Aleta“, sagte ich und sie lachte.

„Dies ist meine Bruderschaft. Jeder Mann hier, gehört nur mir. Sie haben alle zugestimmt, dass ihr Körper alleine mir gehört. Und auch ihr glaube gehört mir. Das man glauben kann, was man will, ist reine Blasphemie, Papst.“

„Und dennoch ist es der Weg, den jeder Bruder bestreiten kann. Selbst du, Aleta, wirst mich nicht von meinem Weg abbringen.“

„Deswegen bin ich auch nicht hier. Ich bin hier, um deiner Regentschaft ein Ende zu bereiten. Wegen meine großen Unzufriedenheit, verurteile ich dich, Remino, zum Tode“, sagte sie und sofort stellten sich mehrere Brüder vor mich.

„Ihr habt uns einen Papst genommen. Nicht auch noch den nächsten. Remino hat einen Weg eingeschlagen, der Mut und Vertrauen benötigt. Doch wir sind bereit ihn zu gehen“, sagte ein Bruder und Aleta sah ihn an.

„Wollt ihr alle sterben? Vergesst nicht, wem ihr euren Körper gegeben habt. Das war ich. Ich bin eure Göttin und niemand sonst.“

„Und dennoch zwingt ihr uns, euren Glauben anzunehmen. Doch zu welchem Preis? Es hat Menschen das Leben gekostet. Damit habt ihr gegen eure eigene Lehre verstoßen. Das können und wollen wir nicht ignorieren.“

„Narren. Damit habt ihr euren Tod heraufbeschworen“, sagte Aleta und die Brüder hoben ihre Schilde.

Keiner von ihnen war hier her gekommen, ohne seine Waffen. Alte holte zu einem Zauber aus. Als sie ihn warf, schoss mir nur ein Gedanke durch den Kopf. Rette die Brüder. Sofort erweckte ich meine Drachenkraft und warf mich in den Zauber. Meine Schuppen wehrten den Zauber ab und leiteten ihn in den Himmel.

„Ich lasse nicht zu, dass du noch mehr Brüder tötest“, sagte ich und knurrte sie an.

„Spes. Du kannst mich nicht davon abhalten, diese Verräter zu töten. Auch nicht als Papst dieser Kirche. Du hast keine Macht über mich“, sagte sie und schoss erneut einen Zauber auf mich. Doch auch diesmal wehrten meine Schuppen ihn ab.

„Genug“, rief Nelana und sprang auf meinen Rücken.

Sie hielt ihr Zauberbuch bereit und sah Aleta an.

Vier Drachen und Aleta

Reminos Körper hatte mir sämtliche Sicht genommen. Doch jetzt nicht mehr. Von hier oben sah Aleta sehr klein aus. Ihr zweiter Zauber war ebenfalls an Reminos Schuppen abgeprallt.

„Genug“, rief ich und Aleta sah mich an.

„Dilectio“, sagte sie und ich nickte.

„Ja, Aleta ich bin es. Der Liebesdrache. Was du hier tust, tolerieren wir alle nicht.“

„Und jetzt wollt ihr mich aufhalten? Wie süß. Die großen Drachen wollen mich töten.“

„Nein, nicht töten. Wir wollen dich zur Vernunft bringen. Bemerkst du nicht, was du tust? Du misshandelst jene, die an dich glauben und dir deine Kraft geben. Die Bruderschaft glaubt an dich, als eine Göttin. Sie bekommen Kraft von dir. Aber was gibst du ihnen sonst? Nur Tod und Verachtung. Du widerst mich an, Aleta“, sagte ich und sie lachte.

„Der Liebesdrache widert sich an. Allerliebst. Du hast auch keine Chance gegen mich“, sagte sie und ich nickte.

„Das ist richtig. Ich alleine habe keine Chance gegen dich. Aber Remino und ich sind stark genug“, sagte ich und sofort begann die Drachenschuppe zu leuchten.

Ich hatte sie an meinem Stab befestigt, weil sie schön aussah. Jetzt wurde sie zu einer Rüstung. Sie legte sich an meinen Körper und ließ meine Kleidung verschwinden. Eigentlich war ich jetzt nicht wirklich geschützt. Meine Brüste waren gepanzert, und meine Schultern. Um meine Hüfte hing ein großer Rock, der voll mit Panzerung war. Die Schuhe waren ebenfalls gepanzert. Sonst trug ich noch einen kleinen Helm, der mehr ein Diadem war. Alles war mit Drachenschuppen besetzt, sodass dort niemand hindurch kommen konnte. Über den Bauch und die Arme lag ein dünner, blickdichter Stoff in Rot. Wofür auch mehr Rüstung? Ich war eine Hexe. Niemand konnte zu mir durchdringen, wenn ich das nicht wollte. Also würde es auch nicht gehen. Selbst meine Waffen hatten sich verändert. Ich hielt jetzt einen längeren Stab in der Hand. An seiner Spitze war eine Flamme. Mein Buch war jetzt größer und mit Schuppen besetzt.

„Das Drachenjuwel“, sagte Aleta und ich nickte.

„Jetzt ist es wieder da, wo es hingehört. An meinem Körper“, sagte ich und sie fluchte laut.

„Wollt ihr, Brüder, euch das wirklich gefallen lassen? Die Drachen bedrohen eure Göttin“, sagte Aleta und einige Brüder zogen ihre Waffen.

„Ihr vergesst, das Aleta bereit ist, eure Brüder zu töten. Einfach nur weil sie sich von dem Glauben leicht lösen. Lasst ihr euch das gefallen?“, fragte ich und Remino schnaubte zustimmend.

„Hört nicht auf sie“, rief Aleta.

„Richtig, hört nicht auf sie. Hört auf euer Herz“, sagte Liram und kletterte neben mir auf Remino.

„Euer Herz kennt den Weg. Niemand sonst.“

Plötzlich begann etwas in Aletas Kleid zu leuchten und flog zu Liram. Es war wohl seine Rüstung. Sie legte sich an seinen Körper und ließ ihn wie ein völlig neuer Mensch wirken. Sie war eine richtige Eisenrüstung und sah sehr schwer aus. Der Helm verdeckte Lirams gesamtes Gesicht. Dazu war sie mit Kristallschuppen besetzt. Seine Axt sah jetzt größer und schwerer aus. Sie war beinahe doppelt so groß. Die Schneide war ebenfalls aus Drachenschuppen gemacht und sah aus, als würde sie jedes Material schneiden können.

„Meine kostbaren Juwelen“, sagte Aleta und Jotanate landete neben mir.

„Es hat keinen Sinn, Aleta. Sie kehren zurück, ob du das willst oder nicht. Wir Drachen lassen nicht zu, dass du der Bruderschaft, wohl gemerkt deiner Bruderschaft, etwas antust“, sagte sie und eine weitere Rüstung erschien.

Jotanate war ebenfalls knapp bekleidet. Aber das musste sie auch. Ihre Beweglichkeit durfte nicht durch irgendwelche Plattenrüstungen oder anderes gehemmt werden. Dafür war ihre Rüstung aus Saphirschuppen gemacht und ihr Bogen beinahe doppelt so groß wie vorher. Wo keine Rüstung war, war ihr Körper von blauer Seide umhüllt.

„Auch Symphonia“, sagte Aleta und Jotanate nickte.

„Ich erinnere mich wieder an damals. An meinen Tod und auch daran, wie du unseren Bruder Casus tyrannisiert hast.“

„Er hatte es nicht anders verdient. Aber zurück zu uns. Ihr seid immer noch keine Gegner für mich. Aber ich will gnädig zu den Brüdern sein und Reminos Weg nicht in Frage stellen. Aber eins will ich noch einmal betonen. Eure Körper gehören mir. Niemand, der ein Priester Aletas ist, kann sich davon frei sprechen“, sagte sie und verschwand wieder. 

Sofort entspannte mein Körper sich und ich klappte das Buch wieder zu. Auch bei Remino konnte ich Erleichterung spüren. Seine Schuppen glitten wieder auseinander. Das war wohl ein eindeutiges Zeichen, dass er entspannt war.

„Geht bitte von mir runter“, sagte er und wir glitten zu Boden.

Sofort wurde Remino wieder zu einem Menschen und stellte sich zu uns.

„Ihr habt es alle gesehen. Aleta ist skrupellos. Dennoch halte ich an meinem Kurs fest. Glaubt das, was ihr denkt, dass sie Wahrheit ist. Ob jetzt Aletas Lehre oder die Lehre der Drachen. Das macht keinen Unterschied. Wichtig ist nur, dass ihr euren Glauben niemals verliert“, sagte er und viele Brüder jubelten.

Sofort kamen sie näher und umringten uns. Jetzt gab es für uns alle kein Entkommen. Sie jubelten und schlugen uns auf die Schultern. Sogar uns. Doch wir hatten mit ihnen nichts zu tun. Jotanate war eine Elfe. Ich eine Hexe und Liram ein Krieger. Dennoch behandelten sie uns, wie ihre eigenen Brüder. Das hätte ich nicht erwartet. Langsam wurde es still und ein alter Mann trat aus der Menge hervor. Er sah erst Remino an und dann uns.

„Ich danke euch, Drachen, für euren Schutz“, sagte er und verneigte sich.

„Erhebt euch, Großinquisitor“, sagte Remino und der Mann richtete sich wieder auf.

„Vor ein paar Tagen habe ich noch deine Rüstung ausgewählt, Remino. Du warst ein Inquisitor. Jetzt bist du ein Papst und Drache. Ich glaube an dich. Du wirst es schaffen, Aleta in ihre Schranken zu weisen. Wir alle haben es gesehen. Die Göttin ist grausam und gemein. Sie hätte unsere Brüder einfach so abgeschlachtet. Wären Remino und seiner Freunde nicht gewesen, hätte sie damit auch Erfolg gehabt. Wir alle können ihnen Danken. Ihr wolltet sie töten und dennoch haben sie sich dafür entschieden euch zu helfen. Ich für meinen Teil höre auf den Rat unseres Papstes. Glauben wir an das, was wir für richtig halten. Die Göttin hat vergessen, wem sie ihre Macht verdankt. Vielleicht müssen wir sie daran erinnern. Glauben wir nicht mehr an sie, wird sie Macht verlieren und die Drachen haben noch mehr Chancen sie zu töten. Glauben wir an die Zukunft, ohne Krieg, die wir uns alle schon seit vielen Jahren wünschen.“

Schweigen. Offenbar hatte der Mann genau das angesprochen, was einige Dachten aber sich nicht gewagt hatten, laut auszusprechen. Die Priester schienen Zeit zu brauchen darüber nachzudenken. Ihr gesamter Glaube war in den Grundfesten erschüttert. Das konnte ich nicht nachvollziehen. Das einzige woran ich glaubte war meine ewige Schönheit. Ich war ein Drache und eine Hexe. Also der Inbegriff von allem Schönen. So etwas banales, wie Religion kümmerte mich wenig. Aber für diese Menschen schien es wichtig zu sein.

„Ihr werdet Zeit brauchen, darüber nachzudenken. Das habe ich nicht anders erwartet. Meine Freunde und ich werden in die Himmelsberge aufbrechen. Das heißt ihr habt einige Zeit, bis ich wieder da bin, um über meine Worte nachzudenken. Ich lege euch auch ans Herz, es zu tun. Keiner wird von euch verlangen euren Glauben komplett zu überdenken. Aber ihr solltet zumindest über meine Worte nachdenken.“

Reminos Worte stießen auf positive Resonanz bei dem Brüdern. Sie glaubten an ihn. Er war ihr Papst. Der Mann, der ihnen den Glauben vorlebte. Und auch wenn ich ihn immer noch, vergebens liebte, wurde dies wieder einmal bestätigt. Remino war einfach jemand auf den man sich verlassen konnte. Keiner sonst hätte die Brüder so geschützt, wie er. Ich hätte mich nicht, für eine Hexe, in die Schussbahn geworfen. Das musste ich mir so eingestehen. Dafür war ich einfach nicht der Typ. Aber Remino sah es als seine Aufgabe an. Das war auch völlig in Ordnung. Anders wäre er für mich auch nicht mehr halb so interessant.

Fortuna

Die Bruderschaft zerstreute sich in alle Winde, nachdem Remino sie fortgeschickt hatte. Ich stand dort, mit meinem Wolf und meinem Mantikor, und wartete auf seinen nächsten Schritt.

„Wir können gehen“, sagte er und hob seine päpstliche Robe auf.

Langsam zog er sie wieder an und sah sich dann um.

„Remino, deine Ansprache war bewegend. Zudem hat Aleta einen schweren Fehler gemacht, ihre Bruderschaft anzugreifen. Viele Brüder werden jetzt an die Drachen glauben, die sie beschützt haben“, sagte Clair und er nickte.

„Danke, Mutter. Ich hatte gehofft, dass meine Worte die richtige Wirkung zeigen würden.“

„Es ist Zeit für mich zu gehen. Lebe wohl Remino und ihr anderen auch. Ich werde die Dunkelheit nicht mehr verlassen können, bevor Aleta nicht geschlagen ist. Sonst wird die Welt bald ein einziger Alptraum sein.“

„Sei vorsichtig, Mutter. Mit Aleta ist nicht zu spaßen“, sagte Remino und sie lachte.

„Ich weiß, was ich tue. Aleta hat schon oft versucht uns etwas anzutun, ist aber letztlich an ihrer eigenen Kraft gescheitert. Sie kann ihre eigenen Alpträume nicht betreten und auch keine Kraft dorthin leiten. Wir sind relativ sicher, solange sie nicht übermäßig viel Energie aufwendet und weitere Alpträume erschafft, die wir vielleicht nicht mehr kontrollieren können. Lebt wohl“, sagte Clair und ging.

Wir sahen ihr nur kurz nach, bis Alfredo etwas sagte.

„Madame Nelstar. Meine Sensoren zeigen an, dass sich mehrere Menschen auf den Schwarzgipfeln sammeln. Sie könnten zu einer Gefahr für unsere Reise werden. Soll ich eine andere Route berechnen?“, fragte der Roboter.

„Nein, Alfredo. Ich denke nicht, dass es nötig sein wird. Oder?“, fragte sie in die Runde.

„Es ist nicht nötig. Das sind Drachenjünger. Sie werden uns begleiten“, sagte Jotanate und Nelstar nickte.

„Kein Grund zur Sorge, Alfredo. Wir brechen bald auf“, sagte sie und der Roboter ging in die Knie.

Sofort kletterte sie auf seine Schultern. Die Ente stellte sie auf die andere Seite. Remino war fertig mit dem Anziehen seiner Robe und so konnten wir aufbrechen. Das taten wir auch. Diesmal würden wir laufen müssen, denn keine Pferde waren im Hafen oder an der Sommerresidenz. Lena hatte sie alle verjagt und wir selbst waren auch nicht ganz unschuldig daran. Auf meinen Schultern saß mein Mantikor. Heute kam er mir noch schwerer vor. Vorsichtig griff ich nach ihm und setzte ihn zu Boden. Er protestierte zwar lautstark, ließ es sich aber gefallen. Langsam wurde er mir einfach zu schwer. Unbeholfen versuchte er zu fliegen, konnte aber seinen Körper nicht vom Boden heben. Verärgert krächzte er und lief dann hinter mir her. Wir kämpften uns durch die Trümmer. Immer wenn wir nicht weiterkamen, halfen Liram oder Jotanate. Liram konnte dir Steine mit Leichtigkeit zerschlagen. Jotanate konnte sie mit einem einzigen Tritt zerspringen lassen. So kamen wir den Schwarzgipfeln immer näher. Plötzlich meldete sich Alfredo.

„Die gewählte Route enthält Verkehrsstörungen. Soll eine Alternativ Route gewählt werden?“

Was redete er da?

„Kann diese blöde Navigation nicht einmal richtig funktionieren?“, fragte Nelstar und zog einen Schraubenschlüssel.

Zumindest hatte sie mir gesagt, dass man dieses Gerät so nannte. Sie schlug gegen Alfredos Brust und wartet.

„Verkehrsführung abgebrochen. Wählen sie bitte ein Ziel“, sagte er und Nelstar sah ihn fassungslos an.

„Was für einen Mist habe ich denn da gebaut?“, fragte sie und begann Alfredo an weiteren Stellen zu schlagen.

„Mit Verlaub, Madame. Aber mit roher Gewalt werden sie es auch nicht reparieren können“, sagte er und Nelstar kratzte sich am Kopf.

„Dann müssen wir kurz rasten, damit ich“, begann sie, doch Revarian unterbrach ihren Satz.

„Wir brauchen niemanden, der uns den Weg beschreibt. Reviran und ich kennen ihn im Schlaf. Vergiss nicht, dass ist unsere Heimat“, sagte er und Nelstar kräuselte ihre Lippen.

„Aber ich muss doch meinen Fehler beheben“, sagte sie und sah ihn unschuldig an.

„Das kannst du machen, wenn wir rasten.“

Nelstar flucht, unternahm aber keinen Versuch ihn umzustimmen. Wir erreichten das Tor zum Schwarzgipfel und verließen den Hafen. Hinter uns erschienen Soldaten, als wollten sie auch wirklich überprüfen, dass wir gingen. Der General sah uns nach und dann begannen sie weiter mit den Aufräumarbeiten. Es ging erstaunlich schnell. Vor uns erhob sich das Schwarzgebirge. Es würde lange dauern, bis wir dort hindurch wären. Wir waren noch nicht ganz am ersten Berg angekommen, da sahen wir eine große Menschenmasse. Das mussten die Drachenjünger sein. Einige von ihnen sahen uns entgegen.

„Jake. Sie kommen“, rief jemand und sofort trat Jake aus der Masse hervor.

Keiner der Drachenjünger trug seine Robe oder seine Maske. Sie alle sahen aus wir ganz gewöhnliche Priester oder Menschen. Also wären wir die Reisenden, gefolgt von einer Masse gewöhnlicher Passanten. Ob das jetzt diskreter war, konnte ich nicht sagen.

„Willkommen in unserer Mitte, Drachen“, sagte Jake und viele der Jünger verneigten sich.

Remino trat vor ihn und sah Jake tief in die Augen.

„Es ist lange her, seit wir uns das erste Mal begegnet sind“, sagte er und Jake nickte.

„Damals wollte ich euch noch töten“, antwortete er und Remino winkte ab.

„Ich rede vom aller ersten Mal. Spes und du. Ihr habt euch getroffen, als du noch sehr klein warst.“

„Erinnert ihr euch daran, Meister?“, fragte er und Remino nickte.

„Du warst vier. Dein Dorf wurde von mehreren Soldaten angegriffen. Deine Eltern wurden von der Armee des Grafen getötet. Da fand ich dich. Einsam und verlassen inmitten der Kämpfer. Vor dir deine Eltern, die nie wieder aufwachen würden.“

„Ihr habt mir damals das Leben gerettet und mich in Sicherheit gebracht. Das werde ich euch niemals vergessen“, sagte er und Remino lachte.

„An diesem Tag bist du ein Drachenjünger geworden. Mein Blut fließt durch deine Adern.“

„Es ist mir eine Ehre euch wieder zu treffen, Meister. Ich hätte nicht erwartet, dass ihr euch daran erinnert.“

„Genug von der Vergangenheit. Wir müssen in die Himmelsberge. Am besten schnell“, sagte Remino und Jake nickte.

„Wir Drachenjünger haben euch Pferde besorgt und einen Wagen, auf dem man Ausrüstung und Nahrung transportieren kann“, sagte er und Remino nickte.

„Kommt ihr mit uns?“

„Ein kleiner Teil wird euch begleiten. Aber wir werden uns im Verborgenen halten. Damit niemand verdacht schöpft.“

„Dann lasst uns aufbrechen. Es ist noch ein weiter Weg bis zu den Bergen“, sagte Remino und Jake nickte.

Sofort führte er uns zu einigen Pferden. Ich bekam einen braunen Hengst, der offenbar durch die Anwesenheit meines Mantikor sich gestört fühlte. Er tappte unruhig hin und her. Super. Ich konnte nicht einmal richtig reiten und jetzt auch noch so ein Pferd.

„Du solltest vielleicht auf dem Wagen reisen“, sagte Jotanate zu mir und hielt die Zügel des Pferdes fest.

„Das wäre vielleicht besser. Aber eigentlich müsste ich nur meinen Mantikor auf dem Wagen lassen.“

„Er ist ein Baby, Sildera. Zum einen will er deiner Nähe sein. Zum anderen weißt du nicht, ob er nicht vom Wagen springen würde um zu dir zu laufen. Dann würde das Pferd panisch werden und dich vermutlich abwerfen. Daraus könnten Verletzungen resultieren, die uns behindern würden. Fahr lieber auf dem Wagen mit und lass mich den Hengst reiten“, sagte sie und ich nickte.

Ich ging zu dem Wagen, der schon mit Nelstars und Emilies Ausrüstung beladen war. Neben dem Essen und der Ausrüstung war noch Platz für mich. Ich nahm Platz und wartete. Jake nahm die Zügel in die Hand und schwang sich vorne auf den Kutschbock. Nachdem wir alle saßen, sah Jake sich um.

„Können wir?“, fragte er.

„Wir sind bereit“, sagte Nelana und Jake ließ die Pferde lostraben.

Unser Trupp begann die Reise, die erst in einem Dorf enden sollte, das eigentlich als Legende galt. Die Zeit verging. Ich hatte mittlerweile Delphis Zügel in der Hand, weil sie wieder schlief. Ich wusste nicht einmal, warum sie so viel schlafen konnte. Schlief sie nachts nicht? Solange sie nicht  vom Pferd fiel war mir alles egal. Unsere Gruppe schwieg. Wir waren alle in uns gekehrt. Keiner wollte sprechen. Nelana ritt neben Jotanate. Ich kannte die zwei eigentlich nur als gute Feinde. Dass sie sich jetzt nicht ankeiften war ein Wunder. Nun ja. Liram ritt neben meinem Vater her. Auch wenn ich immer noch nicht glauben konnte, dass dieser Krieger mein Vater sein sollte. Ich nahm es erstmal als gegeben und würde die Antwort vielleicht in meiner Mutters Halskette finden, sobald ich die Drachenkraft erweckt hatte. Lilith und Adelia ritten zusammen mit Ducan und Tiana. Auch wenn Tiana jetzt die Oberhexe war, schien sie sich einen Dreck um ihre neue Aufgabe zu kümmern. Sie hatte ich wohl in den Kopf gesetzt, Nelana auszubilden. Und deswegen blieb sie in keiner Akademie. Mein Wolf lief neben dem Wagen her. Er brauchte keine Pause. Als Geist hatte er beinahe unendlich viel Kraft. Solange ich ihn nicht berührte oder mit ihm sprach konnte keiner meiner Freunde ihn sehen. Neben mir hatte sich Lotus zusammengerollt und schnarchte munter vor sich hin. Langsam wanderten meine Gedanken zu der Vergangenheit. Ich sah Bilder von meinem Meister und seinem Tod.

„So fixiert auf die Vergangenheit?“, fragte Jake und ich zuckte zusammen.

„Woher willst du?“

„Das wissen? Relativ leicht. Du bist ein Drache und ich ein Drachenjünger. Wir können über Telepathie kommunizieren. Zudem sendest du unfreiwillig immer das, was du denkst, an uns weiter.“

Das war mir unheimlich. Jake konnte also immer sehen, was ich dachte. Eigentlich war mir das gar nicht Recht.

„Kann ich das auch unterbinden?“, fragte ich und er nickte.

„Wenn du nicht einfach so durch deine Gedanken streifst und wenn du deine Drachenkraft vollständig aufladen kannst. Dann geht das von alleine weg. Aber eigentlich gilt das als Schutzfunktion. So wissen wir, wenn du in Gefahr bist. Ein Drache ruft auf diesem Weg immer um Hilfe, wenn er noch nicht erwacht ist.“

„Und ich habe gerade um Hilfe gerufen?“

„Indirekt schon. Aber ich denke nicht, dass ich dir bei deiner Vergangenheit helfen kann. Da kannst du dir nur selbst helfen.“

„Ich verstehe nur nicht, wie die Göttin so grausam sein konnte und meinen Meister ermordet hat, der eigentlich das getan hat, was sie verlangte. Hat die Göttin kein Herz?“

„Das ist eine Frage, die keiner von uns zu beantworten vermag. Niemand weiß, ob Aleta ein Herz hat oder nicht. Sie selbst weiß es sicherlich nicht einmal. Aber musst du das wissen, um zu sagen, Aleta ist böse und verdient den Tod?“

„Nein, eigentlich nicht. Ich kann nur nicht vergessen, wie sie sämtliche Propheten töten konnte. Nur meine Schwester und ich haben überlebt.“

„Aleta hat die Wüste eingefroren, oder?“

„Ja.“

„Das habe ich ihr nicht zugetraut. Sie ist Herzlos. Ohne die Propheten kann niemand mehr wissen, was passieren wird. Jetzt ist alles dem Zufall überlassen“, sagte er und sah wieder nach vorne.

Lotus rührte sich kurz. Er hatte wohl einen schlechten Traum gehabt und war aufgewacht. Er blinzelte verschlafen, drehte sich einmal um sich selbst und legte sich dann wieder hin. Jetzt lag sein Kopf auf meinem Bein. Lächelnd kraulte ich ihm die Mähne. Zufrieden schnurrte er sich wieder in den Schlaf. Ich sah gerade wieder nach vorne, als der Trupp stehen blieb.

„Was ist los?“, fragte ich und sah mich um.

„Hier ist etwas“, sagte Jotanate und sprang von ihrem Pferd. Sie lauschte angestrengt.

„Such nach Feinden“, befahl ich meinem Wolf und er rannte davon.

Jotanate kniete am Boden und suchte nach Spuren. Dann ging alles sehr schnell. Sie sprang zur Seite, mein Wolf warnte mich und ein Eis ball schlug auf dem Boden ein.

„Das sind Eismagier“, rief Jake und sofort wurden die Pferde nervös.

„Wie viele?“, fragte ich meinen Wolf und er schickte mir ein Bild.

Er stand vor mindestens hundert Magiern.

„Das sind mindestens hundert“, gab ich weiter und Jake nickte.

„Es sind die Magier des Feenturms. Einige Drachenjünger haben ihnen ein Artefakt gestohlen und mehrere Magier ermordet. Es kann sein, dass sie sich jetzt rächen wollen.“

„Zum Tee trinken sind sie auf jeden Fall nicht hier“, sagte Nelana und zog ihr Buch.

Lotus war erwacht und versteckte sich unter einigen von Nelstars Geräten.

„Formation beziehen. Sie dürfen die Pferde nicht scheu machen“, sagte Lilith und sofort bildeten sie wieder einen Kreis. Die Pferde und der Wagen befanden sich in der Mitte. Damit auch ich. Vorsichtig richtete ich mich auf, musste mich aber sofort ducken. Ein weitere Eis ball fegte über uns hinweg.

„Wer ist da?“, fragte Jake und ein heiseres Lachen ertönte.

Langsam trat einer der Magier hervor. Es sah beinahe so aus wie ein Goblin, nur ein wenig größer und mit blauer Haut.

„Du uns kennen, Mensch. Einer derer, die getötet haben unsere Freunde. Das Artefakt wir wollen“, sagte er mit piepsiger Stimme.

„Welches Artefakt? Wir haben keine Artefakte bei uns“, sagte Jake und der Magier zischte.

„Du doof oder stellen? Artefakt, ihr genommen.“

„Die Drachenjünger haben viele Artefakte an sich genommen. Wir wissen nicht mehr, was zu wem gehört.“

„Ihr besser wissen. Wir wollen haben. Wenn ihr nicht haben, wir töten euch.“

Ein Goblin, der Magie verwenden konnte, das war paradox, in meinen Augen. Jake befahl uns alle zusammen. Sofort sammelten wir uns um ihn herum.

„Wir können einem Kampf nicht mehr ausweichen. Dafür hätten wir sie früher entdecken müssen“, sagte er.

„Können wir nicht verhandeln? Immerhin wissen sie nicht, dass sie hier die Drachen vor sich haben“, sagte Liram und Jake schüttelte seinen Kopf.

„Ihr könnt es gerne versuchen, doch ich fürchte, dass es nichts bringen wird.“

Liram drehte sich um und sah den Magier an.

„Wir haben kein Artefakt bei uns, das ihr suchen könntet“, sagte er und Maier zische erneut.

„Ihr mich nicht reinlegen. Ich riechen kann, ihr habt Artefakt. Wir wollen, oder eure Köpfe rollen.“

„Du weißt wohl nicht, wer wir sind. Wir sind die acht Gefühlsdrachen. Macht den Weg frei, oder ihr werdet es bereuen“, sagte Liram und schallendes Gelächter war zu hören.

„Drachen keine Macht haben. Tod, seit Aleta stark. Ihr wollen verkaufen uns für dumm. Also ihr sterben.“

Sofort brachen weitere Magier aus dem Dickicht hervor. Wir zogen alle unsere Waffen. Der erste Zauber kam und war auf Liram gerichtet. Doch sofort verwandelte er sich und wehrte den Zauber ab. Viele Magier begannen zu kreischen. Liram hatte nicht gelogen. Das wurde ihnen gerade auch klar.

„Latitia“, rief einer und sofort sah Liram sie an.

„Denkt ihr immer noch ich lüge?“, fragte er und die Magier wichen zurück.

„Brüder laufen. Ich halten Drachen auf“, rief der Magier und sofort ergriffen sie Hals über Kopf die Flucht.

Doch sie kamen nicht weit. Vor ihnen erhob sich eine Wand aus Drachenjüngern.

„Sieht so aus, als würdet ihr nirgendwo hingehen“, sagte Liram und ein weiterer Zauber prallte an seinen Schuppen ab.

„Wir nicht geben auf“, sagte der Magier und Liram lachte.

Liram wollte etwas sagen, als mein Körper gerade zu brennen begann. Was geschah mit mir? Mein gesamter Körper war von Feuer umhüllt. Doch es brannte nicht. Es fühlte sich so an, als wäre es nicht da. Alle sahen mich erstaunt an. Plötzlich brannte das Feuer noch heller und verdeckte mich komplett. Wie die anderen begann ich zu wachsen und wurde zu einem Drachen, wie Nelana. Schlangenförmig und grün. Grün, die Farbe des Glücks? Das wusste ich nicht. Aber eventuell konnte es so sein. Ich war zu einem Drachen geworden.

„Noch ein Drache“, sagte Jake und sah zu mir auf.

Ich fühlte mich stark. Als könnte ich Berge versetzten. Sofort sah ich den Magier an.

„Ihr habt ein ernstes Problem, Monster. Ich, Fortuna, schätze es nicht, wenn man mich aufhält“, sagte ich und er Magier schluckte.

Das war super. Ich konnte alles besser hören und sehen. Wenn er auch nur einen Finger bewegte konnte ich das Geräusch wahrnehmen.

„Bitten Verzeihung. Wir nicht aufhalten Drachen. Nur Drachenjünger“, sagte er und ich schnaubte.

„Das sind unsere Untertanen. Sie werden von uns geschickt. Wenn euch das nicht passt, dann kommt zu uns. Aber nicht wenn wir auf einer wichtigen Mission sind“, sagte ich und der Magier nickte.

„Wir nicht ärger. Gehen, wenn erlaubt.“

„Was sagst du dazu, Latitia?“, fragte ich Liram und er lächelte.

„Geht. Aber tretet uns nicht nochmal unter die Augen. Das nächste Mal wird nicht so gut für euch ausgehen“, sagte er und die Magier stoben auseinander.

Sie verteilten sich im gesamten Wald. Langsam sah ich nach unten und meine Freunde an. Die Pferde waren noch da. Lirams und mein Körper hatten eine Flucht unmöglich gemacht.

„Sildera, du hast es geschafft“, sagte Remino und ich sah zu ihm.

„Ich bin selbst überrascht. Es kam einfach so über mich. Was genau passiert ist, weiß ich nicht“, sagte ich und er nickte.

„Uns ging es ähnlich. Es kam sehr überraschend“, sagte Nelana und sah auf.

„Offenbar hatte Kai Recht. Die Kräfte sind bei euch besser aufgehoben“, sagte Jotanate und ich nickte.

„Wie verwandelt man sich zurück?“, fragte ich und sie lachten.

„Entspann dich und konzentrier dich auf ein menschliches Gefühl. Dann wird dein Körper wieder kleiner“, sagte Remino und ich folgte seinen Anweisungen.

Kurze Zeit später standen Liram und ich wieder da. Als normale Menschen. Lotus sprang von dem Wagen und kam zu mir gelaufen. Offenbar freute er sich, dass ich wieder normal war. Ich wollte ihn hochheben, doch als ich hin berührte machte er plötzlich einen Wachstumssprung. Er hatte jetzt die Größe eines richtigen Löwen. Jetzt könnte ich sogar auf ihm reiten.

„Sieh an. Der Mantikor ist jetzt ein Jahr alt“, sagte Jake und ich sah ihn an.

„Woher weißt du das?“

„Weil sie diese Größe mit einem Jahr erreichen.“

Das machte Sinn. Dann hatte er ja heute Geburtstag und ich wusste das nicht einmal. Woher auch? Er konnte es mir ja nicht sagen.

„Immerhin brauchst du jetzt nicht mehr auf dem Wagen zu fahren. Du könntest auf ihm reiten“, sagte Jotanate und ich sah sie an.

„Denkst du wirklich?“

„Er sieht groß genug aus. Und die Kraft sollte er auch haben. Du wiegst ja nichts.“

Da hatte sie Recht. Aber das war eigentlich kein Grund, direkt auf ihm zu reiten.

„Eigentlich möchte ich ihm das nicht direkt antun. Er muss ja nicht sofort diese Last tragen müssen. Immerhin ist er mein Partner und nicht mein Diener.“

„Es ist deine Entscheidung. Mal sehen, ob die Pferde euch beide ziehen können.“

Eigentlich musste Lotus nicht mit auf dem Wagen fahren. Er konnte laufen. Aber eigentlich war es mir lieber, wenn er bei mir war. Er war noch jung und ich wusste nicht, was für Dummheiten er anstellen würde. Also der Wagen, oder Reiten. Ich entschied mich für den Wagen. Eigentlich wollte ich gerade wieder aufsteigen, als jemand an meinem Rock zog. Lotus wollte offenbar nicht, dass ich auf den Wagen stieg.

„Ich soll dich reiten?“, fragte ich und er nickte leicht.

„Deine Entscheidung“, sagte ich und ging zu ihm.

Er legte sich zu Boden. Unsicher setze ich mich auf seinen Rücken. Langsam richtete er sich wieder auf. Sein Fell fühlte sich weich an. Jeder Muskel unter meinem Körper war angespannt. Vorsichtig öffnete er seine Flügel. Doch ich griff ihm sofort in die Mähne.

„Denk nicht mal dran zu fliegen. Damit warten wir, bis ich richtig reiten kann“, sagte ich und er knurrte verärgert.

Er konnte so viel protestieren, wie er wollte. Ich würde erst fliegen mit ihm, wenn ich so auf ihm reiten konnte. Vorher nicht. Das Risiko war mir einfach zu groß. Unser Trupp setzte sich wieder in Bewegung. Die Reise ging ruhig weiter.

Lass los

Reiten war langweilig. Mein Buch lag auf dem Rücken des Pferdes und wurde nur durch ein kurzes Band gehalten. Meinen Stab hatte ich an den Sattel gebunden, nachdem die Magier alle fort waren. Niemand würde es wagen, uns anzugreifen, wenn wir unsere wahre Gestalt zeigen würden. Das war praktisch aber auch störend. Sildera ritt neben mir her. Ihr Mantikor war schneller als unsere Pferde. Ob er nun flog oder lief. Er war schneller. Der Rest der Gruppe war ziemlich auseinandergezogen. Aber wichtig war nur, dass wir uns noch sehen konnten. Mehr nicht. Ich war in meinen Gedanken ein wenig verloren. Es drehte sich um meinen Vater, Nerin und Remino. Vater war im Hafen geblieben und half bei aufräumen, zusammen mit seinen Kriegern. Nerin war in den Elfenwald Anural gegangen. Ihre Elfen wollten nichts mit den Menschen zu tun haben und weigerten sich meist, ihnen zu helfen. Nerin war da eine Ausnahme. Sie musste diplomatisch sein und damit auch den Menschen helfen. Allerdings tat sie es auch freiwillig. Remino, er war still geworden. Sein Vater ritt hinter uns her. Der Mann, der ihn damals verbannt hatte. Remino war noch lange nicht darüber hinweg. Dennoch war er über seinen eigenen Schatten gesprungen und hatte ihm geholfen. Eigentlich hatte es mich gewundert. So stur wie er sein konnte, hätte ich eigentlich damit gerechnet, dass er ihn hätte sterben lassen. Offenbar hatte Sildera gute Arbeit geleistet. Remino war vernünftig geworden. Zumindest in der Theorie. Praktisch sah es vermutlich anders aus.

„Nelana?“, fragte Jotanate und ritt neben mich.

Ich schreckte hoch und sah sie an.

„Ja?“

„Du warst so in Gedanken. Dein Buch ist gefallen“, sagte sie und reichte mir mein Zauberbuch.

„Danke. Ich hätte es nicht gemerkt.“

„Denk nicht so viel an die Vergangenheit. Die Gegenwart ist wichtiger.“

„Du hast Recht. Aber es ist schwer, nicht an so etwas denken zu können.“

„Ich weiß. Auch ich rutsche gerne Mal in meine Gedanken. Doch ich zwinge mich, es zu vergessen.“

„Versuche ich. Aber es klappt einfach nicht.“

„Du wirst es vermutlich auch nicht sofort schaffen. Wenn du öfter merkst, dass du in die Vergangenheit rutscht, zwing dich wieder zurück zu kommen.“

„Ich werde dran denken, danke“, sagte ich und sie ließ sich wieder zurückfallen.

Sie hatte Recht. Die Vergangenheit war uninteressant. Aber sie einfach so zu vergessen, war mir nicht möglich. So viele Dinge waren passiert, dich mich zwangen, daran zu denken.

„Es ist spät. Wir sollten hier rasten“, sagte Lilith und sofort stoppten wir.

Langsam stiegen wir ab und begannen einen guten Lagerplatz zu suchen. Nicht weit weg von uns, war eine Hütte. Die Lichter waren aus und sie sah unbewohnt aus. Zudem, waren schon einige Fenster zerbrochen und die Fensterläden hingen nur noch provisorisch.

„Meint ihr da wohnt noch jemand?“, fragte Delphi und zeigte auf das Haus.

„Nein, da wohnt niemand mehr“, sagte Reviran.

„Dann könnten wir ja dort schlafen gehen.“

„Besser nicht“,  sagte Tiana und begann ihr Zelt aufzustellen.

„Aber warum nicht? Dann bräuchten wir nicht unter freiem Himmel zu liegen.“

„Wenn ich mich nicht irre, ist das die verstoßene Hütte von Wilhelm. Es sind mehrere Menschen dort ermordet worden und ihre Seelen sollen jetzt noch durch diese Mauern wandern. Sie sollen wohl immer noch Menschen ermorden, die sich dorthin verirren. Wir sollten es nicht riskieren“, sagte Jermain und ich nickte.

Das war ein sehr schlagkräftiges Argument. Niemand wollte morgen nicht mehr aufwachen. Nicht einmal Delphi. Sie konnte zwar immer schlafen, dachte sich aber, dass der ewige Schlaf zu früh war. Das Lager war aufgebaut. Keiner, außer Tiana, hatte ein Zelt. Wir alle lagen auf einer Decke. Der Boden war hart und unbequem. Meine Rüstung hatte ich nicht mehr abgelegt, seit sie sich angelegt hatte. Sie hielt nicht warm, aber schützte mich vor Angriffen in der Nacht. Reviran und Revarian hielten Wache. Ihre Raben und sie hatten sich in jeder Himmelsrichtung aufgestellt und hielten Ausschau nach Feinden, die wir eigentlich nicht erwarteten. Aber dennoch war es immer besser auf eine Nummer sicher zu gehen, bevor es einem später leidtat. Die Sonne ging unter und meine Gedanken verloren sich wieder in der Vergangenheit. Diesmal hauptsächlich bei meiner Mutter und meiner Schwester. Um sie hatte ich noch nicht richtig getrauert. Meine Trauer hatte damals darin bestanden, den Hafen zu zerstören. Keine richtige Trauer, aber es hatte, in dem Moment, geholfen. Vielleicht war es aber auch schon Zeit, das ganze los zu lasen. So auch die Erinnerung an meiner Mutter. Sie war über zehn Jahre Tod. Und bis heute hatte ich sie noch nicht losgelassen. So kurz war die Zeit mit ihr. Eigentlich weigerte ich mich, sie loszulassen. Doch es musste sein. Alles was mich zurück hielt, machte mich schwach. Meine Zauber mussten mit voller Konzentration ausgeführt werden. Ansonsten gingen sie ins Leere oder kamen nur mit halber Kraft. Das durfte nicht passieren. Niemals. Ob Drache oder nicht. Eine Hexe musste stark sein. Sie musste schön sein. Ablenkung war hässlich. Es machte einen schwach und somit auch hässlich. Das durfte nicht sein. Ich zwang mich, die Erinnerungen loszulassen. Weg. Alles weg. In meinem Kopf durfte nicht mehr sein, als meine Mission und meine Zauber. Vielleicht noch Remino. Aber mehr auch nicht. Raus aus meinen Gedanken. Weg mit allem was mich belastete. Viele Erinnerungen fielen weit nach hinten in meine Gedanken zurück. Doch nicht alle. Meine Mutter und Schwester hielten sich hartnäckig. War es wirklich richtig, einfach alles zu verbannen? Anders ging es nicht. Oder doch? Wie sollte ich alles hinter mir lassen, wenn ich nicht bereit war, es hinter mir zu lassen. Das war ein Problem. Ein großes Problem.

„Nelana. Lass los“, sagte meine Mutter und erschien vor meinem inneren Augen.

„Mutter“, sagte ich und sie lächelte mild.

„Kannst du denn gar nichts richtig machen?“, fragte sie neckend und ich lachte.

„Du weißt, dass ich dich nicht loslassen kann.“

„Natürlich weiß ich das. Aber warum? Ich bin Tod, Nelana. Konzentrier dich auf die Lebenden. Ich bin in Casus Reich und genieße mein Leben, nach dem Tod. Aber du, hast noch so viel vor dir.“

„Ich will nicht ewig leben und mich nicht an meine Mutter erinnern.“

„Das verstehe ich. Und dennoch musst du loslassen. Loslassen heißt nicht vergessen. Vergiss niemals woher du kommst. Du bist Karakus Tochter. Die Erbin des Schwarzen Turms. Niemand anderes. Nicht Tiana, nicht Marina, du bist es. Durch deine Adern fließt das Blut einer wahren Hexe. Vielleicht auch das eines Drachens. Aber letztlich wirst du eine Hexe bleiben. Dagegen kannst du dich nicht wehren.“

„Das will ich auch gar nicht. Aber ich kann dich nicht hinter mir lassen.“

„Du musst, Nelana. Lass deine Schwester und mich los. Aber vergiss uns nicht. Vergessen wäre fatal. Das sollte dir nicht passieren. Aber loslassen kannst du. Schieb uns weit nach hinten in deine Gedanken. Weit nach hinten. Aber nicht völlig weg.“

„Ich versuch es.“

„Nein, Nelana. Versuch es nicht. Mach es. Versuchen ist keine Option. Tu es einfach. Versagen ist keine Option für dich.“

Damit verschwand meine Mutter wieder und ich war alleine. Loslassen, Nelana. Lass sie los. Klammer dich nicht an die Vergangenheit. Denk an die Gegenwart, an die Zukunft. An alles, was dir wichtig ist. Es klappte. Die Sorgen und Ängste fielen von mir ab. Mein Körper entspannte sich. Ich war frei. Von Angst, von Furcht. Neue Kraft strömte in meinen Körper. Jetzt zu schlafen, wäre eine Verschwendung. Ich öffnete meine Augen und richtete mich auf. Ich sah mich um. Alle anderen schliefen. Nur Delphis Bett war leer. Wo war sie?

Streit unter Brüdern

Unsere Höhle war dunkel wie immer. Kalt, dunkel und einsam. Auch als Todesdrache, war man einsam. Niemand wollte mit einem reden oder mit einem etwas zu tun haben. Wenig verwunderlich, wenn man auch nur Tod brachte.

„Casus“, sagte mein Bruder und kam zu mir.

„Was ist?“, fragte ich und er trat vor mich.

Invidia schien besorgt.

„Aleta hat wieder zugeschlagen. Sie will ihre eigene Bruderschaft umbringen.“

„Das ist gut. Remino ist Papst und Aleta schneidet sich gerade in ihre eigenes Fleisch. Ein großer Teil der Bruderschaft wird sich damit von ihr abwenden. Das hilft uns sehr weiter.“

„Denkst du wirklich? Wenn sie alle Geistlichen auf uns hetzt, dann haben wir ein kleines Problem. Das kopflose Folgen der Brüder ist eine Bedrohung.“

„Wie viele Geistliche bräuchte man wohl, um uns in die Knie zu zwingen? Aleta kann ihnen niemals so viel Kraft geben, dass sie mit uns mithalten könnten. Mach dir nicht so viele Sorgen, Invidia.“

„Auch als Dämmerungsdrachen, dürfen wir nicht vergessen, dass auch wir bedroht werden können.“

„Man kann uns bedrohen. Aber niemand kann uns besiegen. Nicht einmal Aleta. Vielleicht unser Vater aber niemand sonst.“

„Und wenn Aleta es gelingt, ihn in seine Gewalt zu bringen?“

„Dann hoffen wir, dass seine Liebe zu uns größer ist, als der Zauber von Aleta.“

„Casus, du bist viel zu unbesorgt. Wir haben eine Aufgabe und nur wenig Hilfe. Aleta zu besiegen, ist eine größere Aufgabe, als du das wohl wahrhaben willst. Sie ist mächtig, Casus. Du hast auch viel Kraft verloren, da Aleta sich den Tod auch angeeignet hat. Sie führt ebenfalls ihre Toten ins Jenseits. Das schwächt dich.“

„Sei nicht albern. Die paar Toten entziehen mir keine Kraft. Wenn sie sich alles nehmen würde, dann hätte ich ein Problem.“

„Denkst du nicht, dass sie es nicht versuchen wird?“

„Natürlich wird sie es versuchen. Aber warum sollte ich mir Sorgen machen? Wenn sie es versucht, töte ich sie. So einfach ist das.“

„Ich fürchte eben nicht.“

„Fürchte nicht zu viel. Ich sehe es nicht so eng. Remino und seine Freunde werden uns beistehen, im Kampf gegen die Göttin. Wir können nicht versagen.“

„Hoffen wir, dass du Recht hast.“

„Hoffen ist wichtig. Wir müssen darauf hoffen, dass Remino stark genug wird, Aleta zu schlagen. Je mehr Hoffnung es gibt, desto mehr Kraft wird er bekommen.“

„Aber ein Drache alleine kann die Göttin nicht besiegen.“

„Natürlich nicht. Aber alle unsere Brüder, sind dazu in der Lage.“

„Ich hoffe wirklich, dass du dich nicht irrst.“

„Wann habe ich mich denn das letzte Mal geirrt?“

„Das letzte Mal hattest du gesagt, dass Aleta keine Gefahr sein würde.“

„Daran kann ich mich nicht erinnern.“

„Wirklich? Das wundert mich nicht. Bei solch einem Fehler würde ich es auch verdrängen.“

„Ruhe!“, schrie ich.

Meine Flügel erschienen. Die alten Knochen waren hässlich, aber dennoch nützlich. Sie ließen mich Ehrfürchtig wirken.

„Es ist nicht so, als hätte ich mich geändert. Wer mich angreift, wird umgebracht. Das hat sich nicht geändert. Denk ja nicht, dass sich das geändert hätte, nur weil ich ein wenig lockerer geworden bin.“

„Ist gut. Ich hoffe nur, dass du nicht erneut falsch liegst“, sagte er und ging.

Ich blieb alleine in der Höhle. Eigentlich hatte mein Bruder Recht. Damals hatte ich einen Fehler gemacht und Aleta als harmlos eingestuft. Aber dennoch konnte ich mir nicht alles gefallen lassen, was er mir an den Kopf warf. Nein, das ging nicht. Invidia war besorgt und dass zurecht. Zumindest ging ich davon aus. Aleta wurde langsam zu einer Bedrohung, die wir nicht mehr lange unter Kontrolle halten konnten. Auch wenn sie Macht einbüßte, machte sie das nicht schwächer, sondern nur hemmungsloser. Sie war bereit, alles zu tun. Das machte mir Sorgen. Doch mehr Sorgen machte mir, der Tod von den alten Drachen. Remino war traurig und wütend. Die anderen ebenso. Das machte sie schwach. Nur Nelana irgendwie nicht. Ihre Kraft hatte sich gesteigert, obwohl sich nicht mehr Menschen verliebten, als vorher. Sie schien ihre Vergangenheit losgelassen zu haben. Sie war der Drache, der Remino eigentlich auch sein sollte. Doch auch, wenn er am längsten erwacht war, hatte seine Kraft sich nicht gesteigert. Er war nur seinem Charakter näher gekommen. Nichts weiter. Nachdem er Aleta verletzt hatte, war sein Gewissen nicht mehr rein. Es blieb abzuwarten ob er alles hinter sich lassen konnte, oder nicht.

Auf der Suche nach Delphi

Delphi war nirgendwo zu sehen. Das war ganz toll. Im Dunkeln, mitten im Wald war eine Person unserer Gruppe weg. Und dann auch noch ein Drache. Super. Vorsichtig hob ich mein Buch und ließ einen Feuerball erscheinen. Das Feuer erhellte die Umgebung nur leicht, sodass eigentlich niemand wach werden sollte. Es sei denn, jemand hatte einen sehr leichten schlaf. Remino könnte vielleicht aufwachen. Aber ein Risiko das ich eingehen musste. Delphi war wichtiger als der Schlaf meiner Freunde. Vorsichtig erhob ich mich und sah mich um. Auch mit Licht konnte ich sie nicht sehen. Ich drehte mich weiter und plötzlich blieb mein Herz stehen. In der Hütte brannte Licht. Nein. Das wagte sie nicht. Nicht in diesem Haus. Ich ging los. Der Wald schien zu leben. Die Schatten drängten auf mich ein. Es war unheimlich. Diese Hütte half nicht wirklich gegen die Atmosphäre. Ich erreichte ein Fenster und sah hinein. Delphi saß auf einem Stuhl und schien zu schlafen? Diese Mädchen war wirklich der Hammer. Schlief den ganzen Tag und nachts wanderte sie umher, während sie schlief? Also Schlafwandelte sie. Das würde erklären, warum sie immer müde war. Wenn ich nachts umherwandern würde, wäre ich auch müde. Dennoch, musste ich Delphi dort raus holen. Wenn die Geschichten wahr wären, dann würde sie Führer bei Casus sein, als ihr lieb war. Ich ging zu der Türe und öffnete sie. Mein Buch ließ ich schweben und mir folgen, damit ich etwas sehen konnte. Staub wirbelte auf, als die Türe Aufschwung. Die Hütte war unheimlich. Der Boden war aus Holz und knarrte bei jedem Schritt. An den Wänden hingen viele, zerbrochene, Spiegel. Türen gab es sonst nicht. Sie waren alle offen oder gar nicht vorhanden. Die Möbel waren entweder zerstört oder von einer dicken Staubschicht überzogen. Hier war schon lange niemand mehr gewesen. Delphis Fußabdrücke fielen sofort auf. Ich folgte ihnen und erreichte den Raum. Delphi saß vor einem Kamin, in dem ein Feuer brannte.

„Delphi“, sagte ich und ging vorsichtig zu ihr.

Doch keine Reaktion. Ich legte eine Hand auf ihre Schulter und rüttelte an ihr. Immer noch nichts. Das war doch wohl nicht ihr ernst. Sie schlief immer noch? Egal was ich versuchte, sie schlief weiter. Unmöglich.

„Wach auf“, schrie ich sie an und schüttelte sie.

Ich gab ihr eine Ohrfeige. Ich schmolz sogar ein bisschen Eis und spritzte es ihr ins Gesicht. Keine Reaktion. Was jetzt? Sie hierlassen? Nein, zu gefährlich.  Jemanden holen um sie zu tragen? Auch keine Option. Kalira konnte in die Träume anderer eindringen und nachsehen, was sie träumten. Vielleicht hätte mir das geholfen. Aber ich hatte es nie gelernt. Plötzlich ging das Licht im Kamin aus. Weißer Rauch stieg auf. Ein kalter Wind schlug mir entgegen und löschte das Feuer auf meinem Buch.

„Wer ist da?“, frage ich und sah mich um.

Jetzt wirkte das Haus noch unheimlicher. Plötzlich spürte ich eine Berührung an meinem Rücken.  Ich wirbelte herum und wollte einen Feuerball schießen. Doch das Feuer ging sofort wieder aus. Gut, also kein Feuer. Ich konnte auch Eis benutzten. Wieder eine Berührung. Eischwerter schossen aus dem Boden. Kein Effekt. Es war nichts da. Ich musste mir das einbilden.

„Zeig dich“, rief ich und wirbelte immer wieder umher.

Plötzlich hob sich Delphis Kopf. Sie hatte ihre Augen immer noch geschlossen und schlief offenbar immer noch. Ihr Körper hob sich vom Boden. Jetzt wurde unser Angreifer zum ersten Mal sichtbar. Ein großer Mantel hing in der Luft. Unter seiner Kapuze sah ich nichts. Am unteren Ende hing eine Kette. Aus einem Ärmle kam nichts und aus dem anderen eine Sense, gehalten von einer schwarzen Klaue.

„Lass sie los“, rief ich.

Der Geist sah zu mir, tat aber sonst nichts. Weder machte er Anstalten Delphi los zu lassen. Noch zu mir zu kommen. Offenbar war er erstaunt, dass ich ihn sah. Der weiße Rauch, aus dem Kamin floss plötzlich zu ihm und füllte den Mantel aus. Dadurch wurde er größer. Jetzt hob er seine Sense und wollte nach Delphi schlagen. Sofort schossen erneut Eisschwerter aus dem Boden. Doch das kümmerte ihn nur bedingt. Sie gingen durch ihn hindurch. Sein Körper wackelte. Er schien zu lachen. Nur eine von uns, konnte helfen. Sildera. Sie konnte Geister sehen, rufen und kontrollieren. Warum dann auch nicht andere angreifen?

„Sildera!“, schrie ich und hoffte innerlich, dass sie mich hören konnte.

Kampf mit einem Alptraum

In meinem Unterbewusstsein hörte ich meinen Namen. Das konnte nur ein Traum sein. Niemand würde mich, um diese Uhrzeit rufen. Es war doch immer noch mitten in der Nacht. Ich beschloss es zu ignorieren. Plötzlich erhob Lotus sich und sah sich um. Hatte er Feinde gewittert? Oder hatte mich wirklich wer gerufen? Langsam öffnete ich ein Auge, während er mich schon anstieß.

„Was ist denn los?“, fragte ich und sah ihn an.

Er ließ nicht locker. Immer wieder stieß er gegen meinen Arm und versuchte mich dazu zu bewegen, aufzustehen.

„Ich bin wach, ich bin wach. Was ist denn los?“, fragte ich und richtete mich auf.

Sofort sah Lotus zu der Hütte. Oh nein. Delphi. Das war eigentlich alles woran ich dachte. Delphi. Rauch kam aus dem Schonstein und ich konnte hören, wie Nelana Eiszauber verwendete.

„Sildera!“, schrie Nelana.

Sofort lief ich los. Lotus folgte mir und auch mein Wolf. Ich erreichte die Hütte und versuchte die Türe zu öffnen. Doch sie war verschlossen.

„Geh rein“, sagte ich zu meinem Wolf.

Er versuchte durch die Türe zu gelangen, lief aber ebenfalls gegen eine Wand.

„Ich kann nicht. Irgendein Geist verhindert, dass jemand eintreten kann“, sagte er und ich lief zu einem Fenster.

Ich konnte Nelana sehen, wie sie einen großen Geist angriff aber immer wieder ins leere schoss. Delphi befand sich in seiner Hand.

„Nein“, sagte ich und sah zu der Türe.

„Ich muss da rein“, sagte ich und der Wolf schüttelte seinen Kopf.

„Unmöglich. Niemand wird“, begann er, als Lotus sich gegen die Türe warf.

Sie gab nach und fiel ins Haus.

„Sehr gut gemacht“, sagte ich und er schnurrte.

Sofort lief ich los und erreichte Nelana. Sie griff den Geist erneut an und ihre Attacke zeigte keine Wirkung.

„Nelana, lass mich das machen“, sagte ich und zog meine Fächer.

„Endlich bist du da“, sagte sie und ging einen Schritt nach hinten.

„Jetzt bin ich da. Deine Tage sind gezählt, Geist. Du hast die falsche Tänzerin in deiner Hand“, sagte ich und der Wolf kam zu mir.

Der Geist sah mich an.

„Du strahlst dieses Energie aus“, sagte er und ich nickte.

„Ich bin eine Beschwörerin. Mein Name ist Sildera und du hast meine Schwester in der Hand.“

„Eigentlich wollte ich dich. Sie ist nur zu mir gekommen. Aber jetzt bist du da. Lass mich deine Energie verschlingen und wieder sterblich werden.“

„Egal wie viel Energie du aufnimmst, du wirst nie wieder ein Mensch werden. Einmal Tod, ist man es auch. Für immer. Casus lässt niemanden mehr aus dem Reich des Todes entkommen“, sagte ich und er lachte.

„Du hast keine Ahnung, Beschwörerin. Auch dein Wolf würde wieder ein Fleischwesen werden, wenn er genug Energie in sich aufnimmt.“

„Stimmt das?“, fragte ich und mein Wolf nickte.

„Ja, das stimmt. Aber eigentlich will kein Geist wieder Sterblich sein. Ich zumindest bin froh darüber, dass man mich nicht immer sieht und ich auch durch einige Dinge hindurchgehen kann.“

„Vielleicht gefällt dir das. Ich war einst ein mächtiger Priester. Jetzt will ich wieder ein Mensch sein und meine Kräfte bei mir wissen.“

„Dann muss ich dich enttäuschen. Jetzt ist deine Zeit gekommen“, sagte ich und sofort ließ er Delphi fallen.

Er flog auf mich zu. Sofort hob ich meine Fächer und rief meine Hände herbei. Sie schlugen auf den Geist ein und trafen sogar. Nelanas Zauber mochten nicht zu ihm durchdringen. Doch meine Taten es. Offenbar war der Geist genauso erstaunt wie ich, dass er getroffen wurde. Doch es war nicht genug. Der Geist gab nicht auf. Egal wie oft ich ihn schlug. Er kam immer wieder auf mich zu. Nelana versuchte erneut ihn zu treffen, schoss aber wieder ins Leere.

„Beschütz Delphi“, rief ich ihr zu und sofort lief sie zu meiner Schwester.

„Ihr werdet mir nicht entkommen“, rief der Geist und wollte zu ihnen fliegen, als meine Hände ihn festhielten.

„Ich bin dein Gegner. Und ich stehe hier“, sagte ich und er knurrte.

Sofort schlug seine Sense zu und durchtrennte meinen Zauber. Ich brauchte etwas Neues. Meine Hände waren zu schwach. Mein Wolf konnte ebenfalls nicht angreifen. Was nun? Andere Zauber kannte ich nicht. Oder doch? Ich legte meine Hände auf den Boden und konzentrierte mich.

„Erscheine Seelentor“, rief ich und sofort erhob sich ein Ring aus dem Boden.

In seinem Innern war weißer Nebel. Sofort wich der Geist zurück.

„Das wagst du dich nicht. Du würdest meine Seele niemals einfangen. So grausam bist du nicht“, sagte er und ich lächelte.

„Eigentlich war das nicht geplant. Aber gut, dass du mich auf die Idee bringst. Los, Geister“, rief ich und sofort brach etwas aus dem Nebel hervor.

Es waren mehrere Geister, die genauso aussahen, wie unser Gegner. Sofort wich er zurück.

„Nein“, rief er und wollte davon fliegen, als ein Geist sich vor ihn stellte.

„Ihr könnt uns nicht entwischen“, sagte er und sofort war der Gegner umstellt.

Sie holten aus und schlugen nach ihm. Der Geist begann zu schreien. Sein Körper löste sich langsam auf.

„Unmöglich“, rief er und verschwand völlig.

Weißer Rauch, stieg aus seinem Umhang auf und zog in meinen Seelentor. Genau wie die anderen Geister auch wieder. Der Ring verschwand wieder im Boden. Der Geist war tot und jetzt einer von meinen Dienern. Diese Hütte war wieder sicher. Nelana und vor allem Delphi ebenfalls.

„Geht es euch gut?“, fragte ich und Nelana sah mich an.

„Ich denke schon. Delphi schläft immer noch. Sie kann ich nicht fragen.“

„Sie schläft? Wie kann das sein?“, fragte ich und Nelana zuckte mit den Schultern.

Delphis Augenlieder begannen zu zittern und sofort öffnete sie die Augen.

„Was?“, fragte sie und sah sich um.

„Wieso warst du hier?“, fragte Nelana und sah sie an.

„Ich kann mich nicht erinnern, hier hingegangen zu sein.“

„Wirklich nicht?“

„Nein.“

„Du schlafwandelst, Delphi“, sagte ich und sie zuckte mit den Schultern.

„Es scheint so. Ich hatte einen Alptraum, in dem jemand mich rief und ich in eine Hütte gegangen bin. Danach verschwand der Traum.“

„Also hat man dich gezielt gerufen. Er wollte wohl an meine Energie, konnte mich aber nicht erreichen. Also hat er die, zweit beste, Quelle genommen. Dich.“

„Warum auch immer. Ich kann es mir nicht erklären. Hoffentlich quälen mich jetzt keine Alpträume mehr und ich kann endlich mal nachts richtig schlafen.“

„Hast du nie wirklich geschlafen?“, fragte ich.

Mir war es beinahe peinlich, dass ich es nicht wusste.

„Warum denkst du wohl, habe ich immer geschlafen, während wir geritten sind? Da ich nie wirklich schlafen konnte habe ich beinahe den ganzen Tag verschlafen und war immer noch müde.“

„Das ist eigenartig. Hättest du doch was gesagt, vielleicht hätte ich dir helfen können“, sagte ich und sie lachte.

„Wie denn? Alpträume sind nur Erscheinungen, die unser Kopf verarbeitet. Alle unschönen Dinge, werden uns gezeigt. Da kann mir niemand helfen“, sagte sie.

„Meine Schwester hätte es gekonnt“, sagte Nelana und ich sah sie an.

„Wie?“

„Sie konnte in die Träume anderer hineinsehen und sogar eindringen. Oft hat sie mir Alpträume genommen, da ich sonst auch nicht hätte schlafen können. Leider hat sie diese Fähigkeit nicht an mich weitergegeben.“

„Das ist nicht schlimm. Ihr Wissen ist nicht verloren. Vielleicht kann sie es dir noch beibringen, wenn wir etwas mehr Zeit haben“, sagte ich und sie nickte.

„Lasst uns ins Lager zurückkehren. Die Sonne wird wohl bald aufgehen und uns sollte niemand sehen. Von diesem Abenteuer muss niemand etwas wissen.“

In diesem Punkt waren wir uns einig. Zusammen gingen wir zurück ins Lager. Ich legte mich wieder auf meine Decke und betrachtete den Sternenhimmel.

Verlust des Naturdachens

Ich saß alleine in unsere Zuflucht. Meine Brüder waren losgezogen, weil Aleta wieder Aktivität gezeigt hatte. Diesmal versuchte sie wohl mehrere Klöster zu zerstören. Invidia und Metus wollten ihnen zur Hilfe eilen. Sie hatten auch versucht mich zu überreden. Doch ich hatte ganz deutlich, nein, gesagt. Was scherten mich diese Geistlichen? Wenn Aleta sie töten wollte, nur zu. Dadurch bekam ich nur mehr Kraft. Odium hatte ich ihnen nachgeschickt, falls Aleta auf einen Kampf aus war. Zu dritt könnten sie lange genug durchhalten, bis ich bei ihnen eintreffen würde. Meine Gedanken wanderten durch die Seelen vieler gefallen Menschen, die ich über die Jahre gesammelt hatte. Darunter sehr viele Priester und Paladine. Aleta schien es zu gefallen, sie zu töten. Aber auch der ein oder andere Mensch, der es gewagt hatte unser Heiligtum anzugreifen. Das Heiligtum. Eine Kathedrale mitten in den Himmelsbergen. Eigentlich sollte niemand dort hingelangen. Doch immer wieder wagten sich lebensmüde Abenteurer auf eine Reise, von der es keine Rückkehr gab. Wenn der Berg nicht seinen Tribut forderte, taten wir es. Niemand durfte sich diesem heiligen Boden nähern. Was genau dort lag, wusste ich nicht einmal genau. Unser Vater hatte uns verboten diesen Ort aufzusuchen. Nur die anderen acht Drachen wussten was dort lag. Spes hatte mir einmal erzählt, das dort wohl eine Kathedrale verborgen war. Warum wir nicht dorthin durften, wusste ich nicht. Plötzlich schoss mir etwas durch den Kopf. Was wenn Aleta versuchen würde dorthin zu gelangen? Egal was dort war. Aleta durfte es nicht in ihre Finger bekommen. Das wäre ein herber Rückschlag für uns.

„Vater“, rief ich und Kai erschien vor mir.

„Was möchtest du Casus?“, fragte er und sah mich an.

„Was ist mit unserem Heiligtum? Ich muss wissen, was dort verborgen liegt. Sonst wissen wir nicht, ob Aleta dort eindringen darf oder nicht.“

„Sie wird nicht versuchen ins Heiligtum einzudringen. Dafür fehlt ihr auch die Kraft.“

„Du weichst meiner Frage aus.“

„Tu ich das?“

Ich sah ihn eindringlich an. Er seufzte.

„Es hat einen Grund, warum ich euch nie gesagt habe, was dort ist.“

„Und der liegt worin?“

Unserem Vater musste man wirklich alles aus der Nase ziehen. Er gab keine Informationen freiwillig weiter.

„Aleta darf nicht erfahren, was dort verborgen liegt. Ich habe es euch nie gesagt, weil es zu eurem Schutz dient. Aus mir bekommt sie die Information zu hundert Prozent nicht heraus. Bei euch wollte ich kein Risiko eingehen. Außerdem hätte ihr viel zu viel Schaden anrichten können, wenn ihr gewusst hättet, was in unserem Heiligtum verborgen liegt.“

„Dann sag es mir jetzt. Wir müssen Aleta aufhalten. Hilft es uns?“

„Nein. Das Heiligtum ist eine Zuflucht für uns Drachen. Ein geschichtliches Andenken an Zeiten ohne Aleta. Mein Sohn. Ich werde es dir sagen. Aber versprich mir, es niemals zu erzählen. Weder deinen Brüdern noch Aleta. Das wäre fatal.“

„Ich verspreche es dir.“

„Das Heiligtum ist eine Kathedrale. Soweit wusstest du es glaube ich schon, oder?“

„Ja. Spes hatte es mir erzählt.“

„Sie haben dort Zugang. Ihr aber nicht. Und der Grund darin liegt einfach darin, das dort der Schlüssel zu euren Kräften liegt.“

„Was?“

„Erinnerst du dich? Damals habe ich euch eure Kräfte gegeben, zusammen mit Artefakten.“

„Ja. Wage kann ich mich erinnern. Der Stab des Todes, oder?“

„Richtig. Der Stab des Todes. Mit ihm kontrolliert man das Leben und auch das Leben danach. Dieser Stab liegt dort. Wenn Aleta versuchen würde, dort einzudringen, weißt du warum. Man kann euch unschädlich machen, indem man die Artefakte entfernt. Sind alle zwölf Artefakte entfernt, wird auch die Natur zusammen brechen. Und das würde meinen Tod bedeuten. Zumindest solange, bis sie wieder an ihrem rechtmäßigen Platz sind, oder bei ihrem Besitzer.“

„Das wäre fatal.“

„Richtig. Damals durftet ihr es nicht wissen, weil ich fürchtete, ihr würdet eure Brüder aus dem Kampf herausnehmen. Das hätte nie passieren dürfen.“

„Verstehe. Aber das würde bedeuten, das.“

„Das unser Heiligtum mehr ist, als nur eine Zuflucht. Es ist unser Leben. Ohne deine Drachenkraft würdest du keinen Tag überleben. Dafür ist dein Körper nicht gedacht.“

„Es muss verhindert werden, dass Aleta diese Kathedrale erreicht.“

„Dafür habe ich gesorgt. Nur Drachen können sie sehen. Zudem ist es eine Zuflucht der besonderen Art. Der Schutz erkennt Drachen und lässt sie hindurch. Jeden anderen fängt er ab und tötet ihn. Nur Aleta ist dagegen leider immun. Sie kann einfach nur nicht durch die Barriere hindurch. Es sei denn, ein Drache würde sie hineinlassen.“

„Das hättest du uns früher sagen müssen.“

„Hätte ich das? Nein, mein Sohn. Dieses Wissen bringt dich in große Gefahr. Wenn Aleta auch nur den Verdacht hat, dass du etwas weißt, wird sie dich jagen. Ich will keinen von euch verlieren.“

„Vermutlich genauso wenig, wie wir dich nicht verlieren wollen.“

„Es beruht auf Gegenseitigkeit. Das stimmt. Keiner von uns wird in den Kampf um das Heiligtum verstrickt werden. Dafür schicke ich die anderen.“

„Du lässt Spes und die Anderen ins offene Messer laufen? Das wäre ihr Tod.“

„Dann ist es so. Solange Aleta nicht dort eindringen kann, war es das wert.“

„Vater, das ist Wahnsinn.“

„Nein. Es ist der einzige Weg.“

„Wir können nicht verantworten, dass acht Drachen wieder sterben und Aleta eine erneute Herrschaft anstreben kann.“

„Es ist meine Entscheidung. Wenn du damit nicht einverstanden bist, ist das dein Problem. Aber ich werde keinen von euch Wiederbeleben, wenn ihr vor der Kathedrale fallt.“

„Hast du Angst, Vater?“

„Warum fragst du?“

„Weil du niemals so weit gegangen bist. Es wundert mich nur.“

„Casus, ich habe nicht direkt Angst. Eher Sorgen.“

„Und was treibt dich dann dazu, so rabiat zu handeln?“

„Das ist nichts, was du wissen musst.“

„Doch, dass muss ich. Ich bin der Anführer der Drachen.“

„Still!“, schrie er und ich zuckte zusammen.

Vaters Stimme wurde immer unheimlich laut, wenn er wütend war. Ich erinnerte mich daran, wie er beinahe den Palast im heiligen Hafen zum Einsturz gebracht hatte, nur weil er sauer war.

„Du nimmst dir zu viel Freiheit, mein Sohn. Die Drachen sind meine Kinder. Ich bin euer Anführer. Was ich entscheide, wird auch getan. Wenn ich also sage, acht Drachen sind entbehrlich, solltest du dich dem Beugen oder die Konsequenzen spüren.“

„Was hat Aleta nur aus dir gemacht? Der große, stolze Naturdache ist weder stolz, noch groß. Ich sehe vor mir keinen Drachen mehr, Vater. Nur noch einen ängstlichen alten Mann.“

Ich wusste, dass ich mit diesen Worten seine Wut auf ein sehr hohes Niveau treiben würde. Aber es musste gesagt werden.

„Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen?“, fuhr er mich an und seiner Flügel erschienen.

Ich erhob mich und machte mich ebenfalls bereit.

„Du hast mich gehört. Ich wage es. Es muss gesagt werden. Vater du hast Angst. Das ist normal. Aber lass dich nicht von ihre Kontrollieren.“

Seine Augen sahen völlig leer aus. Dachte er nach? Das hatte ich noch nie gesehen. Eigentlich brauchte Vater nie zu denken. Er wusste alles. Aber jetzt musste er wohl nachdenken.

„Was mache ich hier?“, fragte er und sah mich an.

Er konnte sich nicht erinnern? Was war mit ihm los. Vielleicht.

„Invidia“, rief ich und mein Bruder meldete sich.

„Ja?“

„Habt ihr Aleta getroffen?“

„Ja, haben wir. Wir konnten sie auch zurückschlagen.“

„Vergesst die Geistlichen. Sucht die Umgebung ab, ob Aleta Gift verteilt oder ähnliches. Unser Vater wird langsam schwächer. Irgendwas passiert mit der Natur.“

„Wir sind sofort unterwegs“, sagte er und beendete die Verbindung.

„Vater komm mit mir. Ich bringe dich zu deiner Frau.“

Er sah mich eigenartig an und schien nicht zu verstehen, was ich sagte. Vorsichtig nahm ich seine Hand und führte ihn davon.

Die Drachen auf der Jagd

Der Morgen kam und mit ihm erwachte ich wieder. Meine Rüstung klapperte ein wenig, als ich mich streckte. Über Nacht hatte ich meine Rüstung nicht abgelegt. Zu groß war die Gefahr, dass jemand uns angreifen würde. Mitnehmen konnte sie eh keiner, weil man das Juwel nicht mehr von mir entfernen konnte. Langsam erhob ich mich und sah mich in dem Lager um. In Tianas Zelt war alles dunkel. Der Rest schlief. Kam es mir nur so vor, oder lagen Nelana, Sildera und Delphi nicht mehr am selben Platz? Das war bestimmt nur Einbildung. Unsere Pferde standen angebunden am Rande des Lagers und hatten sich eng zusammengestellt, damit ihnen nicht kalt wurde. Ich merkte wie ich gähnen musste. Beim Öffnen meines Mundes entwich allerdings eine Stichflamme. Erschreckt schloss ich ihn wieder und sah auf meine Hände. Alles normal. Ich war kein Drachenmensch oder ähnliches. Eigentlich durfte das nicht passieren. Lag es vielleicht daran, dass ich jetzt vollständig erwacht war? Die Kräfte hatte ich. Aber vielleicht kontrollierte ich sie noch nicht. Ich wollte gerade weiter gehen, als ich das Schlagen von Drachenschwingen hörte. Sofort sah ich auf. Über uns schossen drei Drachen hinweg. Odium, Invidia und Metus. Warum waren sie unterwegs? War Aleta in der Nähe? Ich musste die anderen wecken.

„Aufstehen“, rief ich und sofort öffneten einige meiner Freunde ihre Augen.

„Was ist?“, fragte Reviran.

„Wir wurden gerade von drei Drachen überflogen. Es kann sein, dass Aleta nah ist“, sagte ich und sofort sprang Jake auf.

„Macht euch fertig. Haltet eure Waffen bereit. War Meister Casus auch hier?“

„Nein aber seine Brüder.“

„Wenn drei Drachen gleichzeitig unterwegs sind, kann es nur heißen, dass sie wissen, wo Aleta ist“, sagte er und zog seinen Streitkolben.

Reviran weckte gerade die anderen, während Sildera zu mir trat.

„Meinst du, es wird einen Kampf geben?“, fragte sie.

„Das kann ich nicht sagen. Aber wir sind fünf Drachen gegen Aleta. So lebensmüde ist sie glaube ich nicht“, sagte ich und sie nickte.

Tiana verließ ihr Zelt und damit waren alle wach. Wir standen zusammen, als ich hörte, wie einer der Drachen zurückkam.

„Einer der Drachen kommt zurück“, sagte ich und sofort sahen alle auf.

Über uns stand Metus. Seine roten Schuppen leuchteten im Sonnenlicht. Er verwandelte sich zurück und landete vor uns.

„Ich wusste doch, dass ich mich nicht verguckt habe“, sagte er und sah uns an.

„Was ist los, Metus? Warum seid ihr drei unterwegs? Ist Aleta nah?“, fragte ich und er schüttelte seinen Kopf.

Er wollte gerade antworten, als sämtliche Blätter um uns herum zu fallen begannen.

„Wie kann das sein?“, fragte Lilith und sah sich um.

„Aleta legt sich mit den Naturkräften an. Sie hat Kai beinahe in den Wahnsinn getrieben. Lady Marina kümmerte sich gerade um ihn.“

„Und deswegen fallen alle Blätter?“

„Richtig. Kai verliert an Kraft und damit stirbt die Natur. Wir suchen gerade nach dem Grund dafür.“

„Habt ihr in Anural nachgesehen? Unsere Königin könnte in Gefahr sein“, sagte Adelia und Metus schloss seine Augen.

„Meine Brüder sind auf dem Weg. Aber eigentlich bin ich nur aus einem Grund zurückgekommen. Ihr müsst dringend in die Himmelsberge. Wir fürchte, das Aleta unseren heiligen Ort angreifen will“, sagte er und ich sah ihn an.

Der heilige Ort? Langsam kamen mir Erinnerungen daran. Eine große Kathedrale, inmitten der Berge. Dort lag der Ursprung unserer Kraft. Woher ich das wusste, konnte ich nicht einmal selbst sagen. Aber eigentlich konnte es nur eine Erinnerung des Drachen sein.

„Aber wir sind noch lange nicht soweit, dass wir sie aufhalten könnten. Fünf Drachen sind nicht genug. Die Menschen haben zu wenig positive Gefühle, das schwächt uns sehr“, sagte ich und Metus lachte.

„Richtig. Aber es waren die letzten Instruktionen des Urdrachens, bevor er seinen Verstand verloren hat. Wir müssen handeln.“

„Dann machen wir uns besser sofort wieder auf den Weg. Wie weit ist es noch, Reviran?“, fragte ich und sah ihn an.

„Einen sehr strammen Tagesritt von hier entfernt. Und dann noch der Aufstieg“, antwortete er.

„Da können wir zur Not fliegen. Aufsitzen und weiter“, sagte ich und sofort packten wir das Lager zusammen und verstauten alles auf dem Wagen.

Metus half uns noch, bis wir fertig waren.

„Seid vorsichtig. Wir wissen alle nicht, was Aleta vorhat“, sagte er und wir nickten.

Dann ritten wir los und er flog weiter. Jetzt musste es schnell gehen, auch wenn niemand genau sagen konnte, was uns erwarten würde.

Marina zieht los

Mein Mann lag vor mir im Bett und schlief. Nachdem Aleta irgendetwas getan hatte, war er zusammengebrochen. Ich hielt seine Hand und hoffte, dass Aleta nicht wirklich bereit war, die Natur völlig zu vernichten. Aber das konnte nicht sein, denn sonst würde ich es ebenso spüren. Kais Hand war kalt. Ungewöhnlich für einen Drachen. Eigentlich wärmte uns eine Flamme von innen. Unsere Körpertemperatur fiel niemals unter fünfzig Grad.

„Wie geht es ihm?“, fragte Casus und trat zu uns.

„Schlecht. Er schläft nur noch. Außerdem ist seine Flamme schwach. Wenn sie aus ist, hat er wenig Chancen wieder aufzuwachen“, sagte ich und sah ihn an.

Casus Augen waren von tiefen Ringen umgeben. Kein Wunder. Durch den Ausfall von Kai, war er der älteste Drache. Damit musste er alles koordinieren. Jeden Drachen, jede Aktivität von Aleta und noch mehr. Ich wusste nicht einmal, was Kai alles gleichzeitig tat.

„Egal was Aleta tut, ich weiß warum sie es macht“, sagte er und ich sah ihn an.

„Und warum?“

„Wenn Kai noch mehr Kraft verliert fällt die Zuflucht um die Kathedrale“, sagte er.

„Die Kathedrale?“

„Unser Heiligtum. Kai hält den Schild aufrecht. Genauso wie wir anderen Drachen. Außerdem wirst du deine Kräfte verlieren, wenn er stirbt. Wir konnten dich nicht unsterblich machen. Und du hast kein Artefakt, was deine Kräfte aktiviert.“

„Sie nimmt zwei Drachen gleichzeitig aus der Gleichung heraus. Wenn Kai und ich außer Gefecht sind, ist die Natur verloren.“

„Zudem gibt es noch ein Problem.“

„Und das wäre?“

„Kai hat angeordnet, dass Remino und seine Freunde das Heiligtum beschützten sollen. Und zwar mit ihrem Leben.“

„Ist er wahnsinnig?“

„Zu dem Zeitpunkt war er es.“

„Casus, du musst ihnen helfen.“

„Ich kann nicht. Die gesamten Geschicke der Drachen hängen an mir. Meine Brüder könnten ihnen helfen, doch sie sind dabei herauszufinden, was Aleta tut. Nur du, Mutter, bist frei.“

„Dann werde ich kämpfen. Das wäre doch gelacht, wenn ich nicht mit einer eifersüchtigen Göttin fertig werden würde.“

Ich erhob mich.

„Pass auf deinen Vater auf. Wenn ihm etwas passiert, während ich weg bin, wird es dir leidtun“, sagte ich und erhob mich.

„Keine Sorge, Mutter. Ich passe auf ihn auf“, sagte er und ich verließ den Raum.

Hatte er einen ironischen Unterton in seiner Stimme? Nein, das musste ich mir einbilden. Casus sprach manchmal eh ein wenig eigenartig. Vermutlich war die Betonung nur falsch. Oder? Nein. Er hasste Aleta abgrundtief. Außerdem konnte er Kai nicht töten. Mit Sorgen, verließ ich Kais Haus im Wald und wurde zu einem Drachen. Sofort flog ich los und würde die Himmelsberge bald erreichen.

Casus Neid

Ich hatte meinen Vater noch nie so gesehen. Zum ersten Mal, seit ich denken konnte, sah er verletzlich aus. Der große Naturdrache lag vor mir, wie ein getretener Hund.

„Aleta hat ihre Abmachung wirklich erfüllt“, sagte ich und streckte meine Hand aus, als ich spürte wie jemand das Zimmer betrat.

„Das würde ich, an deiner Stelle lassen“, sagte Invidia und ich sah ihn an.

„Was willst du hier, kleiner Bruder?“

„Das ist relativ einfach. Dir für meine neue Kraft danken. Dein Neid macht mich ziemlich stark, Casus. Bist du neidisch auf Vaters Kräfte?“

„Ich wüsste nicht, was dich das angehen würde. Führ meinen Befehl aus. Oder weißt du, warum Vater so schwach ist?“

„Nein. Aber ich kenne jemanden, der es weiß. Sag du mir doch, was ihr ausgemacht habt, um Vater auszuschalten.“

„Wie kommt du darauf, dass ich?“, begann ich, doch er unterbrach mich sofort.

„Oh bitte, Casus. Wir wissen beide, dass Aleta niemals alleine gegen Vater ankommen würde. Dafür brauchte sie Hilfe. Und da ich weiß, wie neidisch du bist, liegt auch die Vermutung sehr nahe, dass du ihr hilfst.“

Er wusste zu viel. Eigentlich hatten meine Brüder immer zu viel Respekt gehabt, um mir die Wahrheit zu sagen. Doch Invidia hatte offenbar diesen Respekt abgelegt.

„Du wirst mir entschieden zu frech, kleiner Bruder“, sagte ich und er lachte.

Langsam kam er auf mich zu.

„Gefällt dir dieser Anblick? Macht es dich wirklich glücklich, Vater so zu sehen?“

„Denkst du wirklich, es geht mir darum, ihn leiden zu sehen?“

Das war eigentlich nur die halbe Wahrheit. Natürlich gefiel es mir nicht, dass er leidete. Aber andererseits lag sein Leben jetzt in meiner Hand. Das gefiel mir schon.

„Nein, tut es nicht“, sagte ich und Invidia legte seine Hand auf meine Schulter.

„Lügner. Ich kenne dich, Casus. Du genießt diesen Anblick. Vater ist so Hilflos, wie ein Baby und sein Leben liegt in deiner Hand. Aber es gibt da etwas, was du nicht über Vater weißt.“

Was redete er da? Woher wusste er das? Und was sollte ich nicht wissen?

„Was sollte das denn sein?“

„Versuch ihn zu berühren.“

Was eine dämliche Aussage. Was konnte passieren, wenn man einen halb toten Drachen berühren wollte? Da konnte nichts passieren. Vorsichtig streckte ich meine Hand aus und berührte beinahe Vaters Arm, als ein heftiger Stromschlag durch meinen Körper ging. Um Vater erschien eine blase aus purer Magie.

„Was ist das?“, fragte ich und Invidia lachte.

„Vaters Körper kann diesen Schild ein ganzes Jahr aufrechterhalten. Bevor er zu viel Kraft verliert, geht sein Körper von alleine in einen Ruhezustand und schützte sich selbst. Damit gibt er sich die Zeit, ungestört seine Kraft zu regenerieren. Casus, ich habe eine bitte an dich. Sei nicht so machthungrig. Es wird uns allen nicht helfen.“

Machthungrig? Ich war nicht machthungrig. Eigentlich ging es mir nur um Gerechtigkeit. Die Schmerzen, die ich damals hatte, als Aleta mich quälte konnte sich keiner von ihnen vorstellen. Jetzt wollte ich mir die Chance nehmen und Aleta alles zurückzahlen, was sie mir angetan hatte. Doch eigentlich hatte mein Bruder Recht. Wenn ich Vater wirklich deswegen sterben lassen würde, wäre ich nicht besser als die Göttin.

„Ich gebe dir mein Wort, dass ich Vater mit meinem Leben schützen werde“, sagte ich und er nickte.

„Weise Entscheidung, Casus. Ich werde zum Heiligtum gehen und versuchen unsere Brüder und Schwestern zu unterstützen“, sagte er und ich nickte.

„Sei vorsichtig mein Bruder. Die Göttin ist gerissen und wir wissen nicht, mit welchen Mitteln sie kämpfen wird.“

„Deswegen gehe ich. Wir können es nicht zu lassen, das die anderen fallen.“

„Tu, was du tun musst.“

„Du auch. Sei auf der Hut. Die Göttin könnte versuchen Vater etwas anzutun.“

Damit verschwand er wieder im Dunkeln. Ich blieb alleine mit meinem Vater und einem Versprechen, das ich eventuell nicht halten konnte. Ich setzte mich, als plötzlich jemand den Raum betrat. Das letzte was ich dann noch mitbekam, war ein fieses Lachen und einen Schlag auf meinen Hinterkopf.

Das Bergdorf

Die Pferde waren müde und wir konnten nicht weiterreiten. Um keine Zeit zu verlieren, zog Alfredo den Wagen und wir anderen liefen neben den Pferden her. Sogar Lotus wollte nicht mehr geritten werden. Er war wohl immer noch beleidigt, weil er nicht fliegen durfte. Delphi hatte seit der Nacht, im Haus geschlafen. Sie war wie ausgewechselt. Jetzt redete sie am laufenden Band, mit egal wem. Vor allem aber mit meinem Vater, der ihr viele Fragen über unsere Mutter beantworten musste. Ich wusste nicht einmal, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, wenn sie doch noch schlief.

„Wir sind da“, sagte Revarian und wir verließen den Wald.

Vor uns erhoben sich die Berge. Unglaublich, wie hoch sie wirkten. Man nannte sie nicht umsonst die Himmelsberge. Sie waren so hoch, dass normale Menschen dort Atemnot bekamen und nicht weiter konnten.

„Bis zu unserem Dorf müssen wir aufsteigen. Dort trennen sich dann die Wege von uns Drachen und den anderen“, sagte Reviran und alle sahen ihn an.

„Warum?“, fragte Tiana und Revarian ging auf sie zu.

Er griff ihr an den Hals und hob sie hoch. Nach Luft ringend und panisch hing sie in der Luft, bevor er sie wieder los ließ.

„Weil es sich so anfühlt, der Kathedrale nah zu kommen. Außerdem ist die Luft dort oben so dünn, dass ihr nicht mehr richtig atmen könnt. Das wäre nur hinderlich.“

Keuchend erhob Tiana sich wieder. Sie sagte kein Wort mehr. Revarians Tat schien der Hexe einiges an Angst zu machen. Dass er kein Feingefühl hatte, bewies er immer wieder aufs Neue.

„Folgt mir. Den Wagen werden wir hier lassen müssen, es sei denn ein Drache fliegt ihn nach oben. Aber wir sollten uns nicht so spektakulär ankündigen. Die Menschen dort oben sind sehr vorsichtig, was Drachen angeht“, sagte er und ging dann los.

Jake sah ihn den Wald und gab ein Handzeichen. Sofort kamen mehrere Drachenjünger gelaufen und umstellten den Wagen.

„Beschützt ihn mit eurem Leben“, sagte er zu ihnen und sie nickten.

Dann ging er los. Ich folgte der Gruppe zum Schluss. Hinter mit lief nur noch Lotus her, der nicht unten warten würde. Mein Wolf war schon vorgegangen und lief neben Remino her. Remino war sehr in sich gekehrt, seit er zu der Bruderschaft gesprochen hatte. Was in ihm vorging, vermochte ich nicht zu sagen. Aber offenbar war es einiges, über das er auch nicht sprechen wollte. Um uns herum waren nur Felsen. Auf der einen Seite, die Steilwand, die zu steil zum Klettern war. Vor mir der Weg, der sich nach oben schlängelte und neben mir ein Abgrund. Wir waren noch nicht weit gegangen, als alle nicht Drachen anfingen schwer zu atmen. Sogar Jake fiel das Luftholen schon schwer. Die Auswirkungen des Heiligtums waren sogar hier zu spüren. Ich bemerkte es nicht, da ich ja ein Drach war. Eigentlich konnte ich auch auf den Gipfel des Berges fliegen. Doch wer wusste, wie die Dorfbewohner reagieren würden. Revarian hatte nicht umsonst davon abgeraten. Also laufen. Dieser Berg war größer als ich erwartet hatte. Plötzlich nahm ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr und drehte mich um. Doch nichts. War das nur Einbildung? Oder war hier wirklich jemand, der sich unheimlich schnell bewegen konnte? Vorsichtig schob ich meine Hände zu meinen Fächern und ging dann weiter. Wieder huschte etwas an mir vorbei. Diesmal schien auch Lotus es gesehen zu haben, denn er knurrte. Langsam ging ich weiter und wartete darauf, dass sich wieder etwas bewegte. Der Moment kam. Sofort riss ich meine Fächer hervor.

„Hab dich“, rief ich und befahl meine Schattenhände los.

Ich ließ sie genau auf den Punkt zurasen, wo ich die Bewegung gesehen hatte. Dort war jemand. Meine Hände griffen zu und brachten ihn zu mir. Vor mir hielten sie ihn fest. Erstaunt versuchte der Junge sich zu bewegen.

„Wen haben wir denn hier?“, fragte ich und sah ihn an.

Sein Gesicht war von einer Maske verdeckt. Seine Stiefel sahen ungewöhnlich aus. Sie waren mit Stacheln ausgestattet, damit man an den Wänden wohl laufen konnte.

„Wie konntest du mich sehen?“, fragte er und ich lächelte.

„Du bewegst dich schnell. Aber nicht schnell genug“, sagte ich und er sah mir tief in die Augen.

„Lass mich sofort frei.“

„Warum sollte ich? Ich weiß nicht, wer du bist und ob du uns etwas antun willst.“

Er wollte gerade etwas sagen, als Revarian zu uns kam.

„Was geht hier vor?“, fragte er und sah uns an.

„Dieser Junge hat uns verfolgt. Ich wollte nur herausfinden, ob er uns töten will oder nicht. Doch leider spricht er nicht mit mir.“

„Zieh die Maske ab“, sagte Revarian und ich zog daran.

Sofort fiel sie zu Boden und klapperte hölzern.

„Hätte ich mir doch denken können, dass du es bist, Tristan.“

„Woher kennt ihr mich?“, fragte er und ich ließ ihn los.

„Denk mal scharf nach“, sagte Revarian und Tristan drehte seinen Kopf.

„Meister. Ihr seid zurück“, sagte er.

Erstaunt sah ich ihn an.

„Ich bin nicht dein Meister. Das habe ich dir schon tausend Mal gesagt. Was geht im Dorf vor, dass ihr Besucher auskundschaftet?“

„Seit einiger Zeit kommen immer wieder Monster zu uns und versuchen die Berge zu erklimmen. Deswegen versuchen wir vorher schon herauszufinden, wer sich dem Dorf nähert.“

„Lächerlich. Wir bringen dich jetzt zurück. Sildera, würdest du dich bitte verwandeln?“, fragte er mich und ich stutzte.

„Aber ich dachte wir sollen nicht“, sagte ich und er winkte ab.

„Ich fürchtete, dass die Dorfbewohner sich vor euch fürchten. Aber dafür sind wir zwei da. Niemand wird euch etwas zu leide tun. Wärst du jetzt so freundlich?“

Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich. Sofort spürte ich, wie ich wieder zu einem Drachen wurde. Mein schlangenförmiger Körper passte gerade so auf den Weg.

„Steig auf, Tristan“, sagte er und der Junge sah mich erstaunt an.

„Fortuna“, stotterte er.

„Schlag hier keine Wurzeln, mach schnell“, sagte Revarian und der Junge kletterte auf meinen Rücken.

Ich sah Lotus an, der schon mit den Flügeln zu schlagen begann. Wir flogen los. Es war ein erhebendes Gefühl. Aus eigener Kraft fliegen. Es war das erste Mal. Ich liebte dieses Gefühl. Der Körper gelöst vor allem und nur durch pure Magie in der Luft. Der Wind strich durch meine Mähne und kitzelte leicht. Unter uns sah ich die Anderen, bevor ich weiter nach oben stieg. Ich konnte mir vorstellen, wie sie jetzt da standen und Nelana, und Jotanate, mit Reviran diskutierten, warum ich nun ein Drache war und sie nicht durften. Das Dorf lag auf einem Plateau. Es war breit genug, dass ich dort landen konnte. Das tat ich auch. Sofort kamen viele Menschen aus ihren Häusern und musterten mich.

„Fortuna ist zurück“, rief jemand und sofort brandete Jubel auf.

Ich wusste nicht einmal warum. Vorsichtig legte ich mich zu Boden und meine zwei Passagiere sprangen ab. Sofort verwandelte ich mich zurück und Lotus landete neben mir.

„Revarian“, sagte eine Frau und lief auf ihn zu.

„Lunari. Endlich sehen wir uns wieder“, sagte er.

„Du warst so lange fort. Wo wart ihr zwei?“, fragte sie.

„Können wir das später klären, Liebste? Erst muss ich Tristan zu seinen Eltern bringen und dann müssen wir zum Heiligtum“, sagte er.

„Zum Heiligtum? Ist etwas passiert?“

„Sagen wir es so. Aleta wird sehr aktiv und wir fürchten, sie wird die Kathedrale angreifen.“

„Sind die anderen Drachen auch hier?“, fragte sie.

„Ja, aber Reviran will, dass sie laufen, damit ihr keine Angst bekommt.“

„Er ist einfach zu übervorsichtig. Tu, was du tun musst. Ich kümmere mich um das Mädchen“, sagte sie und sah mich an.

„Das ist Sildera. Die letzte Prophetin.“

Damit ging Revarian und zog Tristan mit sich.

„Sildera also. Entschuldige, dass ich mich nicht vorgestellt habe. Ich bin Lunari, die Wächterin des Heiligtums. Wer es betreten will, braucht meine Zustimmung dafür, es sei denn er ist ein Drache. Aber was stehen wir hier rum. Ich zeige dir eure Bleibe“, sagte sie und ging los.

Ich folgte ihr. Das Dorf selbst war sehr klein. Einige wenige Hütten, die man sehen konnte. Sie waren aus Stein gebaut. Hier oben gab es ja auch nichts anderes. Lunari führte mich zu einer Hütte und öffnete die Türe. Das Innere war kalt und dunkel. Genau wie mein Lesezimmer. Es gab keine Einrichtung. Der Raum war wirklich leer, bis auf eine weitere Türe. Lunari öffnete auch sie und zum Vorschein kam eine Treppe in den Berg hinein. Langsam gingen wir los. An den Wänden hingen Fackeln. Und brachten ein wenig Licht ins Dunkel. Je weiter wir gingen, desto wärmer wurde es. Plötzlich eröffnete sich vor uns ein riesiger Raum, mit zwölf Türen.

„Willkommen in deinem alten und neuen Heim“, sagte sie und ich sah mich um.

Auf jeder Türe war ein Symbol gemalt.

„Du erinnerst dich bestimmt nicht, doch hier habt, ihr Drachen einst gelebt.“

Nein, ich erinnerte mich nicht. Aber das lag daran, dass ich ein Drache war, der vollständig zerstört worden war.

„Warum ist es so warm hier?“, fragte ich und sie lachte.

Sie ging auf eine Türe mit einem Kleeblatt zu und öffnete sie. Dahinter kam ein weiterer Raum zum Vorschein. Mit einer Einrichtung aus Stein. Jeder Stuhl, jeder Tisch und sogar das Bett war aus Stein gemacht. Aber in der Mitte des Zimmers, das faszinierte mich am meisten, war ein See aus Lava. Deswegen war es hier so warm. Wir waren auf einem Vulkan.

„Ja, ein Vulkan. Ihr Drachen liebt es, in Lava zu Baden. Deswegen seid ihr hier geblieben. Die Nähe zu eurem Heiligtum war ein weiterer Vorteil, der nebensächlich schien.“

„Ich kann mich wirklich an nichts erinnern“, sagte ich und sie nickte.

„Das ist völlig normal. Aleta hat dich damals vernichtet. Deine Erinnerungen sind im Heiligtum verborgen. Wenn ihr es betrete, werden sie zu euch kommen“, sagte sie und schloss die Türe wieder.

Sie wollte gerade wieder gehen, als die anderen zu uns stießen. Also hatten sie sich auch verwandelt. Sonst wären sie nie so schnell gewesen.

„Lunari“, sagte Remino und sie sah ihn an.

„Und wer bist du, dass du mich kennst?“, fragte sie.

„Spes“, sagte er und sie lachte.

„Dann seid ihr also die anderen Drachen. Willkommen zurück. Erinnert ihr euch?“

„Einige von uns. Aber nicht alle.“

„Wer denn?“

„Spes, Dilectio, Symphonia und Latitia“, sagte Reviran.

„Immerhin vier. Ich habe es eben schon Fortuna gesagt. Eure Erinnerungen liegen im Heiligtum verborgen. Wenn ihr dorthin wollt, solltet ihr euch beeilen, bevor die nächsten Monster kommen und versuchen, anzugreifen.“

„Was für Monster?“, fragte Nelana.

„Kreaturen, aus Aletas Alpträumen. Aleta ist verletzt und aus ihrer Wunde kommen Monster. Kreaturen, die brutaler sind als alles, was man sich vorstellen kann. Wesen, zusammengesetzt, aus allen bekannten Spezies. Geht jetzt, bevor die Dunkelheit kommt. Bis dahin solltet ihr dort oben sein.“

„Dann gehen wir besser“, sagte Reviran und wir verließen den Keller.

Als wir jedoch das Haus verließen, erwartete uns ein Bild des Grauens.

Das Heiligtum

Vor uns stand Aleta. Neben ihr Casus und dahinter ein Heer von Monstern, so wie Lunari sie gerade beschrieben hatte. Sofort zog ich meinen Zauberstab und die anderen zogen ebenfalls ihre Waffen.

„Na, wer wird denn gleich? Lasst die Dinger fallen und Casus wird nichts passieren“, sagte Aleta und wir sahen sie an.

„Was nun, Remino?“, fragte Jotanate mich.

Woher sollte ich das wissen? Darauf waren wir alle nicht vorbereitete. Ausgerechnet Casus. Der stärkste aller Drachen.

„Legt die Waffen nieder“, sagte ich und ließ meinen Zauberstab fallen.

Sogar meinen Schild legte ich ab. Letztlich konnte ich ihn auch als Waffe verwenden.

„So ist es fein.“

„Was willst du jetzt schon wieder, Aleta?“, fragte ich und sie lachte.

„Ist das nicht offensichtlich? Ihr werdet mir jetzt erlauben ins Heiligtum der Drachen zu gelangen, oder ich töte Casus endgültig“, sagte sie und hob Kais Schwert.

Sie hatte damals gesagt, dass dieses Schwert uns töten konnte. Bei Casus wusste sie es nicht.

„Ich kann dir keinen Zutritt zum Heiligtum gewähren“, sagte Lunari und Aleta sah sie an.

„Wer redet denn von dir? Die Wächterin des Heiligtums hat überhaupt keinen Wert für mich. Glaub mir Schätzchen, sonst hätte ich dich schon längst bedroht oder gezwungen mir zu erlauben dort hinein zu gelangen. Wenn aber ein Drache mich begleitet, komme ich durch die Barriere. Also, wer von euch will Casus Platz einnehmen?“

Also wollte Aleta Casus austauschen.

„Zuerst will ich wissen, was du mit Kai gemacht hast“, sagte ich und sie lachte.

„Ihm kann ich gar nichts antun. Wenn er keine Kraft mehr hat, bildet sein Körper einen Schild, den ich nicht durchdringen kann. Nur leider hatte er sein Schwert nicht bei sich. Was ein schwerer Fehler war. Also wer will nun?“

„Ich gehe mit euch“, sagte ich und trat nach vorne.

„Nein“, rief Sildera und lief zu mir.

„Du weißt nicht, was passiert, wenn Aleta erst einmal im Heiligtum ist. Wenn sie dich tötet, haben wir keine Chance mehr auf Frieden“, sagte sie und ich sah sie an.

„Ein Risiko, dass ich bereit bin einzugehen. Wenn wir Casus verlieren, hat Aleta die Kontrolle über den Tod. Das können wir noch wenig riskieren, als die Hoffnung zu verlieren“, sagte ich und ging auf Aleta zu.

Sie ließ von Casus ab und ging auf mich zu.

„Verwandle dich und bring mich da hoch“, befahl sie und ich gehorchte.

Im nächsten Moment stieg ich in die Luft, mit Aleta auf einer meiner Klauen. Hinter mir konnte ich nur noch hören, wie Sildera schrie. Der Berg ging bis in die Wolken hinein. Dort drinnen konnte man nichts mehr sehen. Nicht einmal ich. Auch mit der verbesserten Wahrnehmung. Doch mein Verstand sagte mir, dass ich auf dem richtigen Kurs war. Plötzlich klarte es auf und vor uns tat sich ein Krater auf. In seiner Mitte stand eine Kathedrale. Schöner, als ich je eine gesehen hatte. Ich steuerte darauf zu und landete dann.

„Endlich. Nach all den Jahren. Die Kathedrale der Drachen. Ich habe es geschafft. Jetzt kann ich euch lästige Drachen loswerden“, sagte sie und stürmte los.

Sie riss die Türen auf und rannte in die Kathedrale. Doch es dauerte nicht lange, da kam sie mir entgegen geflogen und landete auf dem Boden.

„Ich lasse nicht zu, dass du die Drachen vernichtest“, sagte Lady Marina und kam aus der Kathedrale.

Sie sah mich an und erstarrte.

„Remino? Was machst du hier?“

„Ich habe Aleta hergebracht und somit Casus das Leben gerettet.“

„Sie hat Casus in ihrer Gewalt?“

„Nicht mehr. Die anderen Drachen haben ihn.“

„Marina. Naturdrache. Auch du kannst mich nicht aufhalten“, sagte Aleta und stürmte wieder los.

Doch auch diesmal kam sie nicht weit. Marina schlug ihren Stab auf den Boden und Aleta war eingefroren.

„Schnell Remino. Wir dürfen Aleta nicht in die Kathedrale eindringen lassen“, sagte sie zu mir und ich sah sie an.

„Wenn ich mich ihr wiedersetzte, wird sie mich töten. Sie hat Kais Schwert.“

Jetzt fiel Marina beinahe ihr Stab aus der Hand. Sie sah Aleta an und auch das Schwert in ihrer Hand.

„Wir brauchen Hilfe“, sagte sie und sah zur Kathedrale.

„Invidia“, rief sie und sofort kam er hervor.

„Ja, Mutter?“

„Flieg zum Dorf und hol die anderen Drachen. Aleta hat Vaters Schwert.“

Er lief sofort los, wurde zum Drachen und verschwand in den Wolken. Ich sah ihm kurz nach, bis wir hörten, wie Eis zersprang. Sofort wirbelte ich herum und sah Aleta nur noch auf mich zukommen. Dann wurde alles schwarz.

Jotanate greift an

Aletas Monster standen immer noch vor uns. Sie bewegten sich nicht und schienen wie versteinert.

„Jotanate?“, fragte Nelana mich und ich sah sie an.

„Was ist?“

„Wir müssen Remino helfen. Da führt kein Weg dran vorbei.“

„Aber wir können das Dorf jetzt nicht verlassen. Wer weiß, zu was dieses Monster fähig sind.“

„Dann an die Waffen und weg mit ihnen.“

„Denkst du? Ich weiß nicht, ob das wirklich funktioniert.“

„Irgendwas müssen wir tun. Wir können nicht hier rumstehen und warten, bis etwas passiert.“

Ich nickte und kniete mich vorsichtig hin. Die Monster machten immer noch keine Anstalten sich zu bewegen. Ich griff meinen Bogen und erhob mich wieder. Jetzt sahen die ersten Monster mich an. Die riesigen Minotaur und andere Wesen die ich nicht einmal beschreiben konnte. Sie sahen aus wie eine Mischung aus Goblin, Ork und Kuh. Ziemlich eigenartig jedenfalls. Ich machte mich bereit, für einen Angriff, als das erste Monster schon nach vorne schnellte. Es war so schnell, dass sie andere nicht einmal ihre Waffen aufheben konnten. Zum Glück war ich ebenfalls schnell.

„Schallgeschwindigkeit“, rief ich und sofort wurden unsere Bewegungen schneller.

Ich sprang nach vorne und sorgte für festen stand. Das Monster stand vor mir und wollte gerade zuschlagen, als ich zutrat. Ich traf genau sein Gesicht und sendete ihn zurück, wo er hergekommen war. In seinem Flug riss er weitere Monster um.

„Geht, ich werde alleine mit ihnen fertig“, sagte ich und die Anderen sahen mich an.

„Keine Chance, Jotanate. Ich bleibe bei dir“, sagte Nelana und ich sah sie an.

„Nein. Ihr müsst Remino helfen. Das ist wichtiger, als ich. Helft Remino. Wir dürfen ihn nicht verlieren“, sagte ich und Nelana sah mich erstaunt an.

„Aber“, begann sie, doch ich ließ sie nicht weiter sprechen.

„Du liebst ihn, ich liebe ihn und Sildera wird von ihm geliebt. Ich weiß genau, dass meine Liebe zu Remino unerhört bleibt. Aber das ist kein Grund, ihn sterben zu lassen. Hilf ihm, sofort“, sagte ich und Nelana nickte.

Sie rannte los und die anderen folgten ihr. Sildera griff nach Reminos Waffen und nahm sie mit. Plötzlich brach Invidia aus der Wolkendecke hervor und landete vor den anderen. Er sagte etwas und dann flogen sie alle zusammen los. Doch mehr Zeit hatte ich nicht. Die Monster hatten sich wieder gefangen und griffen mich an. Die Axt eines Minotaurus kam auf mich zu. Ich sprang ab und landete genau auf ihr. Mit einem gezielten Tritte zerbrach ich den Schaft und ließ die Klinge zu Boden fallen. Verärgert schrie er mich an.

„Oh, tut mir Leid. Habe ich etwa dein Spielzeug zerbrochen? Nein, wie leid mir das tut. Geh und heul dich bei deiner Mami aus.“

Jetzt hatte ich sie erst richtig wütend gemacht. Kopflos rannten sämtliche Monster auf mich los. Sogar jenes, das ich bereits bekämpft hatte.

„Das reicht. Ich beende das jetzt. Sammelt euch Kräfte der Luft und Feuers. Meteoriten Einschlag“, rief ich und sprang in die Luft.

Sofort sammelte sich Feuer um meine Beine und Füße. Im nächsten Moment schoss ich dem Erdboden entgegen und schlug ein. Der Aufschlag hinterließ einen großen Krater und sendete alle Monster zurück. Die meisten von ihnen fielen in die tiefe und die wenigen, die liegen blieben waren besiegt. Sie rührten sich keinen Meter mehr.

„Das soll euch eine Lehre sein, euch mit mir anzulegen. Mit mir, Symphonia, der Harmonie. Niemand kann meiner Kraft wiederstehen.“

Sofort legte sich meine Rüstung wieder an. Sogar der Helm. Er lag genau über meinem Gesicht und meinen Haaren. Er schützte das gesamte Gesicht. Sofort brach ein Eissturm um mich herum los. Dann sprang ich ab, wurde zum Drachen und flog den anderen hinterher. Hinein in die Wolkendecke, in der nicht einmal ich etwas sehen konnte.

Die Drachen vereint

Als wir vor der Kathedrale standen, wurden wir bereits erwartet. Aleta stand davor und hielt eine Kette in der Hand. Der Anhänger war ein Anker. Invidia landete und wir sprangen zu Boden. Sofort richteten wir unsere Waffen auf Aleta. Der Drache wurde wieder ein Mensch und zog ein Schwert.

„Willkommen im Heiligtum der Drachen, Drachen“, sagte sie und lächelte uns an.

„Jetzt werden wir das hier beenden, Aleta. Deine Tage sind gezählt“, sagte ich und Aleta lachte.

„Ach komm schon, Dilectio. Ihr wisst genauso gut wie ich, dass ihr keine Chance haben werdet. Außerdem habe ich hier etwas, dass euch vielleicht interessiert.“

Sie hielt den Anhänge vor sich und lachte.

„Wenn einer von euch es wagen sollte, mich anzugreifen, werde ich ihn zerbrechen.“

„Was interessiert uns dieser Anhänger? Zerbrich ihn“, sagte Liram und ich nickte.

„Wirklich?“, fragte sie und nahm ihn fester in die Hände.

„Nein!“, schrie Invidia und sofort ließ sie ihn los.

„Warum?“, fragte ich und sah ihn an.

„Das ist der Anker der Hoffnung. An ihn sind Reminos Kräfte gebunden“, sagte er und ich sah wieder zu Aleta.

„Richtig. Ich habe die Artefakte von damals ausgegraben und für meine Zwecke verwendet. Eine falsche Bewegung und eure Drachenkräfte sind ein für alle Mal weg“, sagte sie und ich schluckte.

Aleta hatte eine sehr starke Waffe in der Hand. Unsere Kräfte standen auf dem Spiel und damit auch direkt der Frieden der Welt.

„Was hast du mit Remino gemacht?“, fragte ich und sie legte den Kopf schief.

„Seht nach oben.“

Zwischen den beiden Türmen war ein Gang mit Säulen. Dort hing Remino. Angekettet. Er ließ seinen Kopf hängen und schien gar nicht wach zu sein.

„Du Monster“, sagte ich und Aleta nickte.

„Richtig. Ich bin ein Monster. Eines, dass die Drachen nicht mehr fürchten braucht, denn ihre Kräfte sind jetzt mein“, sagte sie und hob Kais Schwert.

„Jetzt werde ich euch töten und ein für alle Mal die Welt übernehmen“, sagte sie und schnellte nach vorne.

Invidia sprang vor mich und blockte Aletas Schlag.

„Lauft, in die Kathedrale. Aleta wird nicht alle Gegenstände bei sich tragen. Rettet, was ihr retten könnt“, sagte er und wir rannten los.

„Nein“, rief Aleta und wollte uns nachlaufen.

Doch Invidia hinderte sie daran.

„Ich bin dein Gegner, Aleta. Nicht sie.“

Danach bekam ich nur noch mit, wie Metall auf Metall schlug. Das Innere der Kathedrale war kalt und dunkel. Die Decke war so hoch, dass man sie nicht mal richtig sehen konnte. An den Wänden waren Malereien von Drachen und anderen Wesen. Auf dreizehn Podesten lagen mehrere Gegenstände. Elf davon waren noch da. Ich lief los und stand vor einem Buch. Auf ihm war ein Herz gemalt.

„Das Buch der Liebe“, stammelte ich und die Erinnerungen flackerten vor meinen Augen auf.

Kai gab mir das Buch und sagte zu mir: „Bewahre es gut. An ihm sind deine Kräfte gebunden.“

Also hatte ich beschlossen, genau wie alle anderen auch, es hier zu lassen. Liram stand vor eine Lotusblüte. Nelstar vor einer Kette mit einem Auge als Anhänger. Delphi fand eine Dahlie. Die Blume sah wunderschön in ihrem Topf aus. Sie blühte und verströmte einen angenehmen Duft. Reviran griff nach seinem Symbol. Es war eine Flasche Wein. Ungläubig sah er sie an. Vor Sildera lag ein vierblättriges Kleeblatt. Nur eines blieb übrig. Jotanates Symbol. Hoffentlich war sie in Ordnung.

„Habt ihr ohne mich angefangen zu feiern?“, fragte sie und kam zu uns gelaufen.

„Schnell, nimm dein Symbol“, sagte ich und sie ging zu dem letzten Gegenstand.

Es war eine Kugel, die zur Hälfte weiß und zur Hälfte schwarz war.

„Was soll das ein?“, fragte sie, aber ihre Frage schien sich von alleine zu klären.

Ich konnte sehen, wie, genau wie bei mir, Erinnerungen hochkamen.

„Nicht so wichtig. Wir müssen Invidia helfen. Aleta hat ihn beinahe besiegt“, sagte sie und wir sahen zum Eingang.

Dort stand Aleta und hielt Reminos Anker in der Hand.

„Jetzt geht es los“, sagte sie und wollte losrennen, als wir alle zu leuchten begannen.

Die Symbole verschwanden. Sogar Reminos Symbol. Ich spürte, wie meine Kraft sich steigerte. Die Kräfte der Symbole kehrten zu den Drachen zurück. Zu jedem einzelnen. Sogar Kais Schwert löste sich auf. Fünf kleine Lichtkugeln verließen die Kathedrale und verschwanden. Jetzt trugen wir alle eine Rüstung, die eines Drachen würdig war. Die Waffen der anderen hatten sich ebenfalls angepasst. Revirans und Revarians Waffen waren Dolche, die vollständig aus Drachenschuppen bestanden. Dazu trugen sie eine Rüstung, die eng an ihrem Körper anlag. Ihre Schultern waren frei. Vor ihrem Gesicht trugen sie eine Maske. Nelstar trug jetzt eine größere Kanone aus Drachenschuppen. Ihre Rüstung war mehr ein kleines Kleid. Ihr Rock war genau auf ihre Größe zugeschnitten. Auf ihrem Kopf trug sie ein Barett. Sildera und Delphi sahen am anmutigsten aus. Sildera trug ein schwarzes Kleid. Um ihren Kopf lag eine Art Schleier. An einer Seite wurde er von einer Blume gehalten. Auf der anderen von einem Kleeblatt. Ihre Arme waren von langen Ärmeln umschlossen und ließen ihre Hände beinahe verschwinden. Die Fächer, die vorher ziemlich langweilig aussahen waren nun aus Drachenschuppen gemacht. Über ihrem Griff war das Gesicht ihrer Drachenform angeschmiedet. Delphi trug die gleiche Rüstung nur in Rot. Ihre Chakrams waren auch aus Drachenschuppen gemacht. Aleta sah uns an, als plötzlich Steine von der Decke fielen. Irgendwas ging dort draußen vor sich. Ein Knall und  Teile der Decke brachen auf. Remino kam, in einem Regen aus Steinen, zu Boden und sah Aleta an. 

„Ich fürchte, dass eure Waffe gegen uns sich gerade in Luft aufgelöst hat“, sagte er und Aleta knurrte.

Kais Schwert, Reminos Anker und jede ihrer Geisel war entkommen. Sie stand mit dem Rücken zur Wand. Wenn wir alle angriffen, würde sie verlieren. Egal was passiert.

„Denk nochmal nach, Remino“, sagte sie und lächelte.

Was meinte sie damit? Hatte sie eine geheime Waffe? Das konnte nicht sein. Was wäre stark genug, uns Drachen jetzt zu besiegen?

„Denk nicht einmal daran, deine Kräfte zu dir zu ziehen. Damals hat das vielleicht geklappt. Aber diesmal nicht. Wir sind nicht geschwächt und könnten dich sogar daran hindern. Zudem würdest du unsere Kraft nicht bei dir halten können. Das würde deinen Tod bedeuten“, sagte er.

„Eigentlich hatte ich etwas andere im Sinn, aber deine Ausführung klang durchaus logisch. Nein. Ich habe immer noch eine Waffe gegen euch. Und zwar jene, die ihr liebt“, sagte sie und vor ihr erschienen mehrere Personen.

Eine von ihnen war Marina. Dann noch Tiana, Jermain, Ducan, Emilie und noch eine Frau, die ich nicht kannte.

„Nein!“, schrie Nelstar.

„Was ist, wollt ihr mich nicht angreifen?“, fragte sie und lachte laut.

„Wie hast du sie überhaupt erwischt?“, fragte ich und sie lachte.

„Das war relativ einfach. Als ihr beschäftigt gewesen wart, mit dem Aufstieg und anderen Dingen, habe ich ihnen heimlich kleine Symbole von mir untergeschoben. Dadurch kann ich nun über ihren Körper verfügen, wie es mir beliebt.“

„Du bist feige, Göttin. Es ist nicht ehrenhaft Geiseln zu nehmen“, sagte Liram und klang sehr ernst.

So kannte ich ihn nicht. Er war eigentlich immer der Unbeholfene. Ganz davon abgesehen das er ein absoluter Wortakrobat war, der sich nicht immer richtig ausdrücken konnte. Ohne ihn hätten wir vermutlich nur halb so viel zu lachen.

„Ich kann machen was ich will. Niemand kann mich zur Rechenschaft ziehen. Ich bin die Göttin!“, schrie sie.

Sie musste den Verstand verloren haben. Aleta war verrückt. Plötzlich trat Sildera vor und ging genau auf die Göttin zu.

„Bleib stehen, Fortuna“, sagte sie, doch Sildera ignorierte sie.

„Ich sagte“, begann sie, doch Sildera würgte sie ab.

„Bleib stehen, ich weiß. Ich will dir in die Augen sehen, Göttin.“

Aleta sah sie ungläubig an.

„Was willst du erreichen?“, fragte sie.

„Das ist eigentlich recht simpel. Die Augen sind der Spiegel der Seele. Ich will sehen, ob du eine hast, Göttin. Nachdem du mir meine Mutter, meinen Meister und sogar mein Dorf genommen hast, willst du mir auch noch das nehmen, was mir bleibt? Meine Freunde? Hättest du eine Seele, dann würdest du das nicht tun.“

Sildera sprach ziemlich provokant mit der Göttin. Auch wenn sie ein Drache war, wussten wir alle nicht, zu was die Göttin fähig war. Außerdem war sie die einzige, die keine richtige Rüstung hatte. Zumindest machte es den Anschein. Dennoch trat sie der Göttin mutig gegenüber und sagte ihre Meinung. War es ihr vielleicht egal, was aus ihr wurde?

„Du redest zu viel, Fortuna.“

„Und du tötest zu viel, Göttin.“

Aleta stutzte erneut. Hatte Sildera wirklich gesagt, dass die Göttin zu viel tötete?

„Ist dir das Leben der Geiseln völlig egal?“

„Nein, ist es nicht. Aber dir scheint es völlig egal zu sein, dass du genau in meiner Falle stehst“, sagte sie und sofort sah Aleta panisch zu Boden.

Doch da war nichts.

„Netter versuch, aber“, begann die Göttin.

Allerdings kam sie nicht weiter. Mehrere Säulen schossen aus dem Boden, verbunden mit einer Kette. Die Säulen sahen eigenartig aus. Jede war aus Holz gemacht. An der Spitze war ein Auge aus Metall. Darüber ein Dach aus Nebel. Die Ketten bestanden ebenfalls aus Metall. Zumindest sah es danach aus. Unsere Freunde fielen zu Boden und blieben liegen. Aleta taumelte nach hinten und griff sich an den Kopf. Sildera ging weiter und trat in den Kreis hinein. Sie wurde von Schatten umhüllt und war nun komplett schwarz.

„Wie?“, begann Aleta und Sildera unterbrach sie.

„Das war eigentlich recht einfach. Dieser Zauber wird von meinem Wolf ausgeführt. Ich habe ihm nur den Befehl dafür gegeben, während du damit beschäftigt warst, mich anzustarren. Es war nur dazu gedacht, ihm Zeit zu verschaffen und dich in diesem Kreis zu halten. Offensichtlich hat das auch sehr gut funktioniert.“

„Was hast du getan?“, fragte Jotanate und nahm mir damit die Frage aus dem Mund.

„Dieser Kreis ist die Formation des Missmuts. Sie verstärkt meine Schattenkräfte und schwächt die Feinde, sodass sie meine Zauber nicht unterbrechen können. Äußerst hilfreich gegen Feinde wie Aleta“, sagte Sildera und ging weiter auf die Göttin zu.

Sie hob ihre Fächer und wirkte einen Zauber.

„Hab dich“, rief sie und ihre Schattenhände schossen los.

Eine davon griff sich Aleta und hielt sie fest. Weitere Schatten rasten auf Aleta zu und verwundeten sie. Nachdem alle Schatten aufgebraucht waren, begann Sildera die Hand erst zu Kontrollieren. Aleta wurde gegen die Wände geschlagen.

„Das ist für meine Mutter. Für meinen Meister, jeden Bewohner der Wüste und der letzte ist für den versuch mir meine Freunde zu nehmen“, sagte sie und Aleta wurde hoch in die Luft geworfen.

Sofort schoss eine weitere Hand aus dem Boden und schlug mit aller Kraft auf dem Boden. Aleta hinterließ einen Krater und stöhnt nur auf. Unglaublich wie grausam Sildera sein konnte. Einerseits grausam, andererseits war ich aber auch fasziniert von ihrer Stärke. Das hatte ich noch nie gesehen. Auch wenn Aleta schwach war, war es dennoch unheimlich beeindruckend, was dieses Mädchen da getan hatte. Selbst Kalira hätte das nicht gekonnt. Egal wie sehr sie auch versucht hätte, den Raum zu verändern, Aleta hätte niemals so massiven Schaden genommen.

„Das war beeindruckend, Kleine. Aber noch lange nicht genug“, sagte Aleta und heilte sich.

Sofort stand sie wieder und sah uns an.

„Dann beginnt es jetzt wohl. Der Kampf, Göttin gegen ihre Diener“, sagte sie und hob ihre Hände.

„Nicht so schnell“, sagte jemand und wir sahen alle zum Eingang.

Dort standen die anderen Drachen. Sogar Kai war hier.

„Kommen wir zu spät?“, fragte Casus und Aleta schnaubte.

„Also hat die Dämmerung begonnen“, sagte sie.

„Bei weitem noch nicht. Du vergisst was prophezeit wurde“, sagte Invidia und die Göttin sah ihn an.

„Und was soll das sein? Die Dämmerung beginnt, wenn wir zu kämpfen beginnen“, sagte sie.

„Erst wenn deine Kirche zerfällt und unser Heiligtum in Flammen steht“, sagte er und die Göttin lachte.

„Letztere lässt sich schnell machen.“

„Bitte, Aleta wir wollen nicht persönlich werden. Wir haben dein Heiligtum nicht in Brand gesteckt also wäre es nur nobel von dir, selbiges zu tun“, sagte Kai und sie lachte.

„Außerdem hat dein kleiner Angriff schon genug Schaden an mir angerichtet. Wir haben eh einen Nachteil. Zwei von vierzehn Drachen sind nicht kampfbereit.“

„Weißt du wie egal mir das ist? Ich will das beenden, ein für alle Mal“, sagte sie und wollte gerade einen Zauber wirken, als Invidia ihr zuvor kam.

„Nebel des Neids“, rief er und gelber Nebel umschloss Aleta.

Sie war gezwungen ihren Zauber zu unterbrechen.

„Wir wollen hier drinnen nicht kämpfen. Wir verlegen den Kampf nach draußen“, sagte Casus und der Nebel verschwand.

„Ihr könnt keine Forderungen stellen. Ich tue, was ich will“, sagte sie und schoss einen Lichtstrahl auf Casus.

Er fing ihn einfach ab und ließ ihn verschwinden.

„Bitte, Aleta. Nehmt Vernunft an. Hör dir unsere Forderungen an und wir können über das alles hier reden, ohne dass jemand sterben muss“, sagte Odium und Aleta wurde rot vor Wut.

„Es wurde genug geredet. Seit ich damals geruht habe, haben wir nur geredet. Jetzt ist Schluss“, sagte sie und griff erneut an.

Sie stand so schnell vor Odium, dass ich das nicht einmal sehen konnte. Doch er fing ihren Schlag einfach ab und warf sie aus der Kircher heraus.

„Der Kampf geht draußen weiter“, sagte er und die vier drehten sich um.

„Geht, ich kümmere mich um sie“, sagte Kai und ging zu Marina.

Wir nickten und liefen nach draußen. Aleta erhob sich gerade und sah uns alle an.

„Jetzt gilt es. Wir werden sehen, wer die nächsten Jahrhunderte die Herrschaft über die Menschen erringen kann“, sagte sie und ich trat vor unsere Gruppe.

„Es geht hier um keine Vorherrschaft. Eigentlich führen wir diesen Kampf nur, damit die Menschen endlich in Frieden leben können und daran glauben, was sie für richtig halten. Wenn sie keine Götter wollen, dann werden wir auch keine sein. Doch egal was sie jetzt wollen, wir sind ihr Schild und wir werden dich vom Thron stoßen“, sagte ich und sie lachte.

„Euch geht es nicht um Macht? Das ist gelogen und das wisst ihr auch. Ihr werdet die Menschen genauso beherrschen, wie ich das tuen werde. Egal wer hier heute gewinnt, die Geschichte wird sich wiederholen. Die Dämmerungsdrachen werden kämpfen und versuchen euch zu töten. Ihr versiegelt sie und wenn ich meine Kräfte zurückziehe, werdet ihr alle besiegt sein. Die Drachenjünger werden die Drachen befreien und das ganze spiel geht wieder von vorne los. Das wisst ihr genauso gut, wie ich.“

„Diesmal ist etwas anders“, sagte Metus und trat neben mich.

„Und das wäre?“

„Diesmal sind wir verbündet, eine Einheit. Wir sind uns einig, dass ihr aufgehalten werden müsst. Und das geht leider nicht mehr ohne euren Tod“, sagte er.

„Oh bitte. Diese Worte habe ich schon hunderte Male gehört. Ihr könnt euch eh nicht einige werden, wie die Menschen zu beherrschen sind und werdet darüber kämpfen.“

„Das werden wir sehen wenn es soweit ist. Doch fürs erste soll dieser Kampf entschieden werden“, sagte Casus und seine Drachenschwingen erschienen.

Genau wie bei seinen Brüdern. Wir taten es ihnen gleich. Zumindest die, die es konnten. Alle bis auf Sildera, Remino und mich. Wir besaßen keine Drachenschwingen, da wir schlangenähnliche Drachen waren. Dafür erschien bei uns der Schweif. Aleta atmete tief ein und machte sich kampfbereit. Die letzte Schlacht stand an und keiner der Kämpfer würde aufgeben.

Der letzte Kampf mit Aleta

Jetzt galt es. Aleta oder wir. Niemand würde in diesem Kampf nachgeben. Das würde eine sehr lange Schlacht werden. Mein Wolf stand neben mir und knurrte Aleta bereits an. Mein Drachenschweif bewegte sich unruhig hin und her.

„Also dann. Lasst es beginnen“, sagte Aleta und wirkte ihren ersten Zauber.

Es war ein Schild aus Licht. Casus versuchte nach ihre zu schlagen, wurde aber zurück geworfen.

„Kommt zu mir, meine Relikte“, rief Aleta und sofort waren wir von Kreuzen umstellt.

Einige von ihnen sendeten Blitze aus. Andere wirkten Lichtstrahlen und wieder andere taten gar nichts. Zumindest hatte es den Anschein. Ich sah Aleta an und wich einem Blitz aus, als plötzlich ein großer Schatten am Boden erschien. Ich sah nach oben und ein noch größeres Kreuz auf uns zukommen.

„Auseinander“, schrie ich und sofort stoben wir auseinander.

Das Kreuz schlug auf dem Boden ein und hinterließ einen kleinen Krater. Es sendete Lichtstrahlen aus, die Aleta in eine Lichtgestalt verwandelten.

„Aufpassen“, rief Odium und ich sah zu ihm.

Im nächsten Moment war ich von Lichtstrahlen gefesselt und konnte mich nicht mehr bewegen. Das taten also diese Kreuze. Sie fesselten uns. Aleta hatte einen undurchdringlichen Kreis erschaffen.

„Sildera“, rief Remino und kam zu mir.

Er schlug auf die Fesseln und löste sie so.

„Danke“, sagte ich und er nickte.

Dann untersuchte er mich nach Wunden, konnte aber keine finden. Er drehte sich wieder um und sah zu Aleta. Nelana schoss gerade einen Feuerball, der allerdings von Aletas Schild reflektiert wurde und sie traf. Brennend flog Nelana gegen eines der Kreuze und war im nächsten Moment ebenfalls gefesselt. Remino wollte zu ihr laufen, wurde aber ebenfalls gefangen. Liram und Jotanate attackierten zusammen mit den anderen Drachen. Der Schild reflektierte jede Attacke und warf auch die anderen nach außen. Sie wurden ebenfalls gefangen. Jetzt waren nur noch Nelstar, Delphi und ich übrig.

„Ich hatte eigentlich gedacht, dass dieser Kampf eine Herausforderung wird. Aber ihr seid doch schwächer, als letztes Mal und da war es noch nicht einmal eine Herausforderung“, sagte die Göttin.

„Quacki, los geht“, rief Nelstar und schoss eine Ente aus ihrer Kanone.

Selbst diese Ente war aus Drachenschuppen gemacht. Delphi rannte los und begann um Aleta herum zu tanzen, während sie versuchte den Schild zu durchdringen.

 „Kannst du Aleta angreifen?“, fragte ich meinen Wolf und er schüttelte seinen Kopf.

„Sie ist immun gegen meine Magie. Ein Gott kann von mir nicht getroffen werden“, sagte er.

Gut, dass hieß dann also, dass ich alleine ran musste. Doch zuerst versuchte ich Remino zu befreien. Aber egal wie stark ich auf die Fesseln einschlug, sie wollten nicht brechen.

„Lass es. Die Fessel fallen bald von alleine. Greif Aleta an und versuch den Schild zu zerbrechen“, sagte er und ich nickte.

Sofort erhob ich mich.

„Erhebe dich Seelentor“, rief ich und mein Seelentor erschien.

Aleta sah mich an. Dann lachte sie, als die ersten Geister aus dem Tor herauskamen und versuchten sie zu treffen. Doch ohne Erfolg. Der Schild alleine war zu stark. Er musste weg. Aber eigentlich kannte ich keinen Zauber, der. Moment. Da fiel mir etwas ein. Meine Formation des Missmuts konnte zwar Zauber blocken aber nur jene, die noch ausgeführt worden. Doch ich hatte noch eine Möglichkeit.

„Talisman der Verfluchten“, rief ich und warf einen Schattentalisman nach Aleta.

Sie lachte nur und dachte wohl, dass ihr Schild es blocken würde. Aber das tat es nicht. Sie wurde getroffen aber nicht verletzt.

„War das dein großartiger Plan?“, fragte sie.

„Nein, das war mein Plan“, sagte ich und hob meine Fächer.

„Komm hervor Puppe des Schmerz“, rief ich und eine Puppe erschien vor mir.

Sie hatte Aletas Gestalt. Dazu erschienen Augen um sie herum.

„Was ist das?“, fragte sie und sah mich an.

„Greift die Puppe an. Dann bringt ihr Schild nichts“, sagte ich zu Nelstar und Delphi.

Sie nickten und sofort griffen sie die Puppe an. Delphi nahm Anlauf und begann Saltos zu schlagen bis sie zu einem Rad aus Klingen wurde. Die Puppe wurde immer wieder getroffen und Aleta schrie. Durch diese Puppe fühlte sie sämtlichen Schmerz, den wir ihr zufügten. Ich schlug ebenfalls auf die Puppe ein. Das war nur ein Weg, Zeit zu gewinnen, denn der Zauber hielt nicht ewig. Hoffentlich lange genug, um die Fesseln zu überbrücken. Doch leider verschwand die Puppe schneller als ich gehofft hatte. Aleta sah uns an und heilte sich wieder.

„Das war ein netter Versuch. Doch leider umsonst, Drachen.“

Sie hob ihre Hand und wirkte den nächsten Zauber. Mehrere Lichtstrahlen schossen auf uns zu. Doch sie schadeten uns nicht.

„Passt auf“, rief Casus und ich sah dahin, wo die Strahlen aufgekommen waren.

Dort erhoben sich Aletas Monster aus dem Boden. Also kämpfte sie nicht alleine. Allerdings hatten diese Monster keinen Schild. Zumindest keinen Sichtbaren. Es wäre ein leichtes sie, mit unserer neuen Kraft zu besiegen. Wir mussten schnell handeln. Sie konnten unsere Freunde angreifen, die sich nicht wehren konnten.

„Beseitigt die Monster“, rief Casus und ich nickte.

„Lasst Aleta nicht aus den Augen, ich werde das machen“, sagte ich und lief los.

Delphi und Nelstar beschäftigten Aleta weiterhin.

„Bist du bereit?“, fragte ich meinen Wolf und er nickte.

Die Monster erhoben sich und wollten angreifen. Zeit, meine Zauber anzuwenden. Ich konzentrierte mich und rief die stärkste Kraft herbei, die ich hatte.

„Kommt zu mir Schattengestalten“, rief ich und mein Körper löste sich vom Boden.

Sofort erschienen mehrere Hände um mich herum und bildeten eine Wand. Dabei wirbelten sie umher und schlugen jedes Monster zurück, das damit in Berührung kam. Dieser Zauber war dafür gedacht, mich zu stärken und das tat er auch. Die Geister kamen in meinen Körper und machten ihn immun gegen jeglichen Schaden. Dazu steigerten sie meine Geschwindigkeit. Nach kurzer Zeit explodierte die Wand aus Händen und ich setzte wider auf dem Boden auf.

„Jetzt lasst uns tanzen“, rief ich und meine großen Hände erschienen wieder.

Ich lenkte sie auf unsere Feinde und ließ sie zuschlagen. Ein ums andere Mal klatschten sie. Jedes Monster, das zwischen ihnen stand zerfiel zu Staub. Es dauerte nicht lange, da hatte ich sie alle zerstört. Aber anstatt aufzuhören, machte ich weiter. Vielleicht konnte ich die Kreuze zerstören. Einen Versuch war es wert. Ich schlug zu und traf eines der Ketten Kreuze. Es knirschte und neigte sich zur Seite. Sofort fiel die Kette um Casus und er war wieder frei.

„Sehr gut, Sildera“, mach weiter“, sagte er und lief zu Aleta.

Das würde ich. Jedes Kreuz wurde von mir angegriffen und unschädlich gemacht. Als ich fertig war, war Aletas Schutzkreis durchbrochen. Jetzt konnte der Kampf erst richtig losgehen. Ich sah wieder zu der Göttin und musste feststellen, dass sogar ihr Schild gefallen war. Also waren die Kreuze eine Energiequelle für den Schild gewesen. Jetzt war Aleta schutzlos. Unsere vier bösen Brüder kämpften bereits wieder gegen Aleta, konnten aber keinen Treffer landen. Aleta verteidigte sich immer noch zu gut. Unmöglich, dass sie so stark war. Sogar körperlich. Jeder Schlag wurde geblockt. Was tat sie nur, dass sie so schnell war. Ich sah zu ihr und dann zu meinen Freunden. Jotanate und Liram machten sie gerade bereit, anzugreifen. Lirams Axt brannte. Jotanate stand darauf und hatte ihren Bogen bereit.

„Schallgeschwindigkeit“, rief sie und ihre Bewegungen wurden schneller.

„Jetzt, Liram“, rief sie und er schlug zu.

Von seiner Axt ging eine Druckwelle aus. Dazu wurde Jotanate nach vorne geworfen. Die Göttin blockte zwar die Druckwelle, konnte aber Jotanates Tritt nicht sehen und bekam ihn vollständig ab. Sie traf ihren Bauch und so verharrten sie eine Sekunde, bevor um Jotanates Fuß eine Druckwelle entstand, die Aleta davon schleuderte. Beeindruckend, wie viel Kraft man in einen Tritt legen konnte. Jetzt machten sich auch Remino und Nelana bereit. Sie hoben ihre Zauberstäbe, die zu leuchten begannen. Remino sendete eine Kugel Blitzenergie ab und Nelana einen Feuerball. Aleta sah auf und versuchte den Zauber zu blocken. Doch es war zu spät. Sie wurde erneut getroffen und ging zu Boden.

„Sildera, wir brauchen deine Kraft“, rief Reviran und ich sah zu ihnen.

Reviran hing in der Luft und hielt eine große Lichtkugel in der Hand. Revarian stand unten und hielt mehrere Wurfsterne bereit.

„Was soll ich machen?“, fragte ich und Revarian sah mich an.

„Deine Seelenvögel oder andere Wesen, die du beschwören kannst“, sagte er und ich nickte.

Sofort warf Reviran seine Lichtkugel, Revarian die Messer und ich sendete mehrere Vögel, aus Schatten, los. Die Angriffe vereinten sich und wurden zu einem großen Zauber. Aleta wurde von der Kugel getroffen und mehrere Meter nach hinten geschleudert. Doch auch das war nicht genug. Sie hielte sich, stand wieder auf und lief auf uns zu. Jetzt vereinten Delphi und Nelstar ihre Zauber. Nelstar schoss eine Rakete in den Himmel, dort teilte sie sich und regnete als viele kleine Teile nach unten. Delphi warf ihre Chakrams und begann sich im Kreis zu drehen. Ein Wirbel bildete sich um die herum und verwirbelte die Geschosse, welche vom Himmel fielen. So wurde Aleta immer und immer wieder getroffen. Von den Chakrams und den Kugeln. Sie hustete und ging zu Boden. Jetzt machten Casus und seine Brüder weiter. Sie erschienen um Aleta herum und schlugen abwechselnd auf sie ein. Dabei machten sie ihr Viereck immer größer, sodass sie immer kräftiger zuschlagen konnten. Aleta schlug zwischen ihnen hin und her, wie ein Ball. Irgendwann machte Casus den letzten Schlag und Aleta wurde zu Boden geschlagen. Sie blieb liegen. Das dürfte sie eigentlich nicht wegsteckt haben. Eigentlich war das unmöglich. Doch plötzlich begann sie zu lachen und richtete sich wieder auf.

„Ich bin beeindruckt von eurer Kraft. Aber rohe Gewalt gewinnt nicht gegen mich“, sagte sie und wir sahen sie ungläubig an.

Sie hatte nicht einmal einen Kratzer. Wie war das nur möglich? Hatte sie noch einen Schild, von dem wir nichts wussten?

„Das ist unmöglich. Niemand kann diesen Angriffen wiederstehen“, sagte Casus und sie lachte.

„Niemand außer mir. Es war wirklich lustig, was ihr gerade getan habt. Doch jetzt ist genug. Ich beende das jetzt, wenn ihr nicht mehr zu bieten habt“, sagte sie und hob ihre Hände.

„Kraft der Blitze komm zu mir und vernichte meine Feinde.“

„Weg von ihr“, rief Odium und sofort wichen wir zurück.

Sofort bildete sich ein Blitzfeld um sie herum. Ich konnte die Auswirkungen auch noch spüren. Meine Haare begannen sich statisch aufzuladen. Ich hob meine Fächer und hielt sie schützend vor mich. Sofort spürte ich, wie Druck gegen sie ausgewirkt wurde.

„Wir müssen sie aufhalten. Dieser Zauber kann viel zu viel Schaden anrichten“, rief Metus und stemmte sich gegen den Zauber.

„Aber wie? Ich kann mich nicht mal richtig bewegen“, sagte Nelana und rutschte ein wenig nach hinten.

„Irgendwer muss einen Zauber wirken, der sie aus dem Konzept bringt“, rief er und ich sah zu meinem Wolf.

Er musste die Lösung sein. Die Formation des Missmuts konnte Zauber nicht abbrechen. Aber Konzentration stören. Vielleicht half uns das schon weiter.

„Tu es“, sagte ich zu meinem Wolf.

Er nickte. Er wirke den Zauber, während ich spürte, wie der Druck immer größer wurde.

„Langsam wird es unheimlich schwer“, sagte Odium und ich musste innerlich nicken.

Der Zauber wurde immer stärker. Bald würden wir ihn nicht mehr so blocken können.

„Jetzt“, rief ich und mein Wolf ließ den Zauber fließen.

Die Säulen kamen aus dem Boden und verbanden sich. Tatsächlich ließ der Druck nach. Kein Wunder. Die Formation erhöhte unsere Wiederstandkraft. Dazu auch noch meine Magie. Zumindest die Schattenmagie der Hände. Aleta versuchte ihren Zauber zu halten, wurde aber immer unkonzentrierter, bis der Zauber letztlich komplett verschwand. Jetzt konnten wir Aleta wieder angreifen. Vor meinem Körper bildete sich ein Schattenball, den ich sofort auf Aleta warf. Sie sah auf und versuchte ihn zu blocken, wurde aber trotzdem getroffen. Plötzlich fiel mir etwas auf. Um sie herum lag noch ein Schild, der Angriffe nicht abfing aber den angerichteten Schaden sofort heilte. Also konnten wir Aleta nicht schaden. Solange dieser Schild aktiv war, würden alle Angriffe ins Leere zielen.

„Sie hat noch einen Schild. Er heilt unseren angerichteten Schaden sofort“, sagte ich zu den anderen und sie sahen sich an.

„Dann müssen wir ihn zerstören. Kann jemand einen Zauber unschädlich machen?“, fragte Casus und wir alle schüttelten unsere Köpfe.

„Vielleicht“, begann Odium, beendete seinen Satz aber nicht.

Offenbar war seine Idee doch nicht so gut. Es half alles nichts. Eine Lösung musste her. Vielleicht war ein Drache in der Lage den Zauber zu zerbrechen. Aber wir waren ja Drachen. Oder vielleicht auch nicht. Ich konzentrierte mich und verwandelte meine Körper. Sofort sahen alle mich an. Ich holte tief Luft und atmete Feuer aus. Aleta hob ihre Hand und versuchte es zu teilen oder aufzuhalten. Das wusste ich nicht. Doch das Feuer traf. Als ich aufhörte, stand Aleta mit einigen Brandwunden vor uns. Diesmal heilten sie nicht. Also hatte der Schild seine gesamte Kraft aufgebraucht.

„Jetzt ist der Schild weg“, sagte ich und alle lächelten.

Sofort wurden sämtliche Zauber und Attacken vorbereitete und gestartet. Ein Feuerwerk an Zaubern brach los und mehrere Schläge kamen auf Aleta zu. Doch bevor etwas sie erreichen konnte, hob sie ihre Hand und alles stoppte.

„Das ist auch ein netter versuch“, sagte sie und sofort verschwanden sämtliche Zauber.

Aleta nahm die Energie in sich auf, die auf sie zuging. Sogar die Energie der Schläge wurde abgefangen und absorbiert.

„Zeit euch meine wahre Macht zu zeigen“, sagte sie und ihr Körper begann zu wachsen.

Aleta benutzte die Magie um zu wachsen. Ein brillanter Plan, wie ich eingestehen musste. Mittlerweile war sie so groß wie ich. Sie hob ihre Hand und lachte laut.

„Jetzt geht der Spaß erst richtig los.“

Sie schlug auf den Boden und verursachte damit ein Erdbeben. Meine Freunde wurden nach hinten geschleudert und kamen zu fall. Doch sie rappelten sich schnell wieder auf.

„Wir müssen als Drachen kämpfen. Anders geht es nicht“, rief Casus und die anderen nickten.

Im nächsten Moment standen mehrere Drachen neben mir. Casus sah ich jetzt zum ersten Mal als Drache. Er sah unheimlich aus. Nur Knochen. Nicht einmal ein Herz. Casus war wirklich Tod. In jedem Sinne dieses Wortes. Delphi und Nelstar waren Drachen, wie Jotanate und Liram. Reviran und Revarian waren ein Drachen geworden. Sie beide in einem Körper.

„Lasst es uns beenden. Auf das es sich nicht wiederholen mag“, rief Aleta und schlug nach meinen Freunden.

Doch ihr Schlag wurde von Odiums Schweif abgehalten. Er war mit Stacheln besetz, von denen jetzt einige in Aletas Hand steckten. Sie zog sie zurück und fluche laut. Schmerz schien sie noch zu spüren. Wir hoben ab und begannen um Aleta herum zu fliegen. Von außen must es ein beeindruckendes Schauspiel sein. Beinahe wie Vögel, die um einen Berg herum kreisten. Aleta schlug immer wieder in die Luft und durchbrach unsere Formation so. Wir wichen nur ihren Schlägen aus, griffen aber nicht an.

„Worauf wartet ihr? Angst mich anzugreifen?“, fragte sie und sofort schoss Odium eine Flamme ab.

Aleta stolperte nach vorne, bevor die nächste Flamme sie traf. So ging es weiter. Wir spien nacheinander Feuer und zwangen Aleta so hin und her zu taumeln. Doch ihr Kampfgeist wurde nicht gebrochen. Sie schlug immer wieder nach uns. Vermutlich wollte sie uns fangen und dann umbringen. Aber wir waren zu beweglich für sie und bald musste auch die Energie aufgebraucht sein. Darauf mussten wir eigentlich nur warten. Wenn sie ihre normale Größe hatte, konnten wir sie leicht besiegen. Doch dieser Moment zog sich ziemlich in die Länge. Es schien, als seien die Kräftevorräte unendlich. Aleta wurde nicht mehr kleiner. Eine gefühlte Ewigkeit flogen wir jetzt schon um sie herum.

„Das kann so nicht weiter gehen. Unsere Kräfte werden vor ihren Versagen. Wir müssen etwas tun“, rief Casus uns zu.

„Gebt euch keine Mühe. Es wird nichts gelingen“, sagte sie und lachte laut.

„Nelana, Remino und Sildera. Eure Körper sind die Muskulösesten und auch die Biegsamsten. Versucht die Göttin bewegungsunfähig zu machen“, rief er uns zu.

Logisch. Wir waren wie Schlangen. Wenn wir uns um sie legten, konnten wir vielleicht etwas erreichen. Nelana und Remino schossen nach vorne und ich folgte ihnen. Sie schlangen sich um Aletas Hände und bissen sich in ihrer Hüfte fest. Sollte also die Göttin versuchen sich zu bewegen, war das zum Scheitern verurteilt. Ich beschloss ihre Beine zu fesseln. Das tat ich auch. Mein massiver Körper legte sich um sie. Zum Schluss biss ich mich noch in ihrem Oberschenkel fest. Jetzt war dir Göttin gezwungen sich nicht zu bewegen. Tat sie es dennoch, würden wir ihr tiefe Wunden zufügen.

„Jetzt, Drachen. Greift an“, rief Casus und sofort schnellten alle auf die Göttin zu.

Sie bissen, kratzten und verbrannten sie. Doch die Göttin zeigte keine Reaktion. Das war eigentlich nicht möglich. Sie musste doch schmerzen haben. Plötzlich merkte ich, wie sie versuchte zu laufen. Sofort spannte ich sämtliche Muskeln meines Körpers an. Aleta hatte mich wohl nicht bemerkt. Oder tat sie das mit Absicht. Sie stolperte und fiel. Oh nein. Ich musste schnell hier weg, sonst würde ich unter ihren Knien zerdrückt werden. Meine Fänge lösten sich und sofort versuchte ich weg zu fliegen. Doch es war zu spät. Aleta kam mit einem Krachen zu Boden und begrub mich unter sich.

Aletas Traum

„Sildera, nein!“, schrie ich und ließ den Arm der Göttin los.

Sie lag am Boden und rührte sich im Moment nicht. Ich landete vor ihrem Körper und versuchte ihn anzuheben. Doch sie war einfach zu schwer für mich. Verzweifelt versuchte ich es weiter.

„Remino, verschwende nicht deine Energie“, sagte sie zu mir und sah ich an.

Ihre Augen waren leer und sie war nicht mehr ganz bei mir.

„Du musst die Göttin besiegen. Versprich mir das“, sagte sie und schloss ihre Augen.

„Nein. Nein, nicht Sildera“, sagte ich und suchte nach einem Puls.

„Remino wir brauchen dich“, rief Casus und ich sah auf.

In der Luft flogen mehrere kleine Monster, die aussahen die Harpyien. Meine Freunde konnten sie nicht besiegen und wurden unheimlich von ihnen behindert. Sofort flog ich los und stieß zu ihnen. Ich war bereit alles zu tun. Wenn Sildera nicht mehr aufwachen würde, war es eh egal. Eher würde ich sterben, als ohne sie zu leben. Ich holte tief Luft und stieß eine Stichflamme aus. Größer, als jede, die ich je gesehen hatte. Meine Wut machte mich stark. Dadurch wurde meine Flamme doppelt so stark. Die Harpyien verbrannten und verschwanden wieder. Jetzt erst rührte Aleta sich wieder. Sie erhob sich langsam. Also gab sie auch den Blick auf Sildera frei. Ihr gesamter Körper war eingedrückt, dort wo Aleta auf ihr gelandet war. Sie rührte sich nicht.

„Ein Drache Tot, dreizehn noch übrig“, sagte sie.

Das reichte. Jetzt klickte etwas in meinem Kopf. Sämtliche Emotionen verabschiedeten sich und ließen nur meine Urinstinke zurück. Leben und töten. Mehr konnte ich nicht mehr unterscheiden. Sofort griff ich Aleta an. Meine Angriffe kamen schnell und unbarmherzig. Gesicht, Arme, Beine, egal. Ich zerkratzte alles, biss überall hinein und spie Feuer, dass Aleta sehr viel Schaden zufügte. Jetzt schrie die Göttin. Das konnte ich hören. Und es gefiel mir. Sie sollte leiden. Für alles was sie mir in diesem und im letzten Leben angetan hatte. Leiden, damit ich glücklich war.

„Remino, das reicht“, rief Casus.

Doch ich ignorierte ihn und verletzte Aleta weiter. Langsam begann sie zu schrumpfen. Eigentlich war das genau, was ich wollte. Die Göttin sollte bezahlen. Für alles was sie getan hatte.

„Schluss!“, schrie Casus und schob seinen massigen Körper vor mich.

„Lass mich los. Lass mich!“, schrie ich ihn an und versuchte an ihm vorbei zu kommen.

„Beruhig dich Spes. Sildera ist nicht Tod. Und auch wenn Aleta den Tod verdient, musst du nicht so grausam sein.“

Grausam? Ich gab der Göttin nur das zurück, was sie mir und meinem Bruder angetan hatte. Und das war noch harmlos.

„Sie muss sterben!“, schrie ich und er hielt meinen Körper fest.

„Komm wieder zu dir.“

Doch daran dachte ich nicht einmal. Jetzt war endlich die Zeit gekommen, da Aleta für alles bezahlen sollte. Jetzt.

„Rache macht dich auch nicht glücklich“, sagte er.

Egal was Casus sagte. Es war mir egal. Aleta war der Feind. Sie lag vor uns. Wieder auf normaler Größe. Irgendwie gelang es mir Casus zu entkommen. Sofort schoss ich auf Aleta zu und wollte gerade den tödlichen Treffer landen, als ich erneut aufgehalten wurde. Diesmal stand Kai vor mir und hielt meine Klaue fest.

„Remino, es ist noch nicht die Zeit. Aleta mag schwach sein. Doch wenn du sie jetzt tötest, wirst du selbst sterben.“

Wie wollte Aleta mich töten? Indem sie mich anhustete? Ich war ein allmächtiger Drache. Egal was Aleta auch tat, es würde nicht gelingen. Der letzte Schlag war zum Greifen nahe. Ich konnte es endlich beenden. Nur dieser Winzling stand mir noch im weg. Ich stemmte mich gegen Kais Griff und merkte, wie er langsam nach hinten rutschte.

„Ich habe genug!“, schrie er und nutzte mein Gewicht aus.

Ich wurde in die Luft gehoben und krachte unsanft auf den Boden. Genau neben Sildera. Sie lag immer noch da und rührte sich nicht da. Erneut überkam mich Wut. Doch bevor ich etwas tun konnte, stand Kai vor meinem Kopf und hielt mich fest.

„Jetzt ist es genug, Remino. Deine Freundin lebt und braucht deine Hilfe. Du alleine kannst auch als Drache heilen. Überlass Aleta den anderen Drachen. Alleine wirst du an deiner Rache zerbrechen“, sagte er und ich sah ihn an.

Vielleicht stimmte es. Meine Rache würde mich vielleicht zerbrechen. Doch das war es Wert. Oder vielleicht doch nicht? Plötzlich brach etwas aus meinem Körper hervor. Es war meine menschliche Gestalt.

„Lass es, Spes. Du weißt genau, dass dein Tod nicht die Lösung ist. Reiß dich zusammen und kümmre dich um Sildera. Sie ist alles was uns noch bleibt, wenn Aleta geschlagen ist“, sagte er und verschwand wieder.

Er hatte Recht und das wusste ich auch. Sildera war alles was ich noch hatte. Nichts konnte das Gefühl ersetzten, sie zu haben. Nein, nichts. Nicht einmal Aletas Leid. Langsam ließ Kai mich los. Sofort drehte ich mich um und sah mir Silderas Körper an. Sie atmete noch. Aber viele Knochen waren gebrochen und auch einige Organe verletzt. Sofort schloss ich meine Augen und ließ meine Drachenmagie arbeiten. Ihre Wunden schlossen sich. Die Knochen wuchsen zusammen und die Organe verheilten. Sildera atmete auf, war aber immer noch bewusstlos. Ich sah mir meine Arbeit an und drehte mich dann zu Aleta um. Sie richtete sich gerade auf, umstellt von allen Drachen.

„Aleta“, sagte ich und ging auf sie zu.

Zögerlich machten die anderen mir Platz.

„Was du getan hast, ist unverzeihlich.“

„Rede nicht so viel, Spes. Wir wissen beide, dass es noch nicht vorbei ist“, sagte sie und plötzlich leuchtete etwas auf.

„Doch, es ist vorbei“, sagte eine Stimme und Aleta erschien noch einmal.

„Aleta?“, fragte ich ungläubig und sie nickte.

„Das was ihr hier vor euch habt, ist nur ein Schatten. Ein Alptraum, der von deiner Mutter nicht gebannt werden konnte. Seit ich meine Kräfte zu mir gezogen habe und in einen tiefen Schlaf gefallen bin, hat der Alptraum meinen Platz eingenommen.“

Plötzlich stöhnte Liram auf.

„Also das hat man mir damals gesagt. Jetzt verstehe ich die Worte“, sagte er.

„Ja. Ich konnte euch nur kleine Hinweise senden. Doch leider nicht genug, um euren Hass gegen mich zu mildern. Es tut mir Leid, was passiert ist. Das wollte ich nicht“, sagte sie und der Alptraum sah sie an.

„Du kommst zu spät, alte Frau. Die Drachen haben bereits die Herrschaft übernommen und uns vom Thron gestoßen.“

„Wenn das so ist, dann gibt es für dich keine Verwendung mehr. Verschwinde“, sagte Aleta und schoss einen Lichtstrahl auf den Alptraum.

Er verpuffte und ließ nichts mehr zurück. Langsam sah Aleta uns an.

„Es tut mir wirklich leid, wie die Dinge gelaufen sind. Als euer Krieg ausbrach, wusste ich keinen Ausweg mehr, als zu tun, was ich getan habe. Ihr wart dabei, die gesamte Bevölkerung auszulöschen. Nun denn, neue Herrscher. Die Ehre über die Menschen zu herrschen gebührt euch“, sagte sie und verneigte sich.

War das ein Trick? Nein, das war die Aleta, die ich einmal kennen gelernt hatte. Daran erinnerte ich mich und ich erinnerte mich auch daran, wie wir damals den Krieg begonnen hatten, um sie zu beschützen. Das war es. Nicht das sie versucht hatte uns grundlos zu töten. Nicht aus Machtgier, sondern aus purer Angst, vor der Dämmerung. Casus und seine Brüder hatten es damals zu weit getrieben und Aleta gezwungen so zu handeln.

„Hört nicht auf sie. Das ist ein weiterer Trick. Tötet sie“, rief Casus und ich sah ihn an.

Ich hatte ein Déjà-vu. Genau die gleichen Worte hatte er damals benutzt, als der Krieg begonnen hatte.

„Das hast du damals auch gesagt, als der Krieg ausbrach“, sagte ich und sofort sahen mich alle an.

„Was?“, fragte Jotanate.

„Erinnert ihr euch nicht? Wir haben Aleta damals vor der puren Zerstörungswut geschützt, die von den Abtrünnigen ausging. Ich erinnere mich daran, dass wir Aleta damals beschützt haben“, sagte ich und Nelana stutzte.

Sie musste sich auch erinnern.

„Das stimmt“, sagte sie und die anderen zwei nickten auch.

„Ihr wollt wirklich die Göttin beschützen, die euch belogen hat?“, fragte Casus.

„Wir beschützen die Göttin, die gerecht und weise richtet, über jedes Lebewesen“, sagte Liram und stellte sich vor Aleta.

„Das kann nicht euer ernst sein“, sagte Casus und sah uns an.

„Ihr habt mit uns zusammen gearbeitet, um sie zu vernichten.“

„Ja. Aber auch nur, weil sie einen falschen Weg eingeschlagen hatte.“

„Dann muss der Krieg wohl erneut beginnen, der in unserem Tod resultieren wird“, sagte Casus und sah seine Brüder an.

„Diesmal ist etwas anders, Bruder“, sagte Metus und er sah ihn an.

„Und was?“

„Sie haben Verbündete“, sagte er und kam zu uns.

Die anderen zwei ebenfalls. Casus stand alleine da.

„Das kann nicht euer Ernst sein. Wir haben uns doch geschworen, die Welt zusammen zu beherrschen.“

„Wir sind es leid, weitere hundert Jahre zu leben, ohne das uns jemand eines Blickes würdigt. Aleta kann nicht sterben. Genauso wenig wie wir. Warum tun wir nicht das, wofür wir wirklich da sind? Den Menschen ihre Gefühle bringen“, sagte Odium und Casus fauchte wütend.

„Ihr Verräter. Eigentlich müsste ich euch auf der Stelle töten.“

„Du stehst alleine da, Bruder. Gegen uns alle hast du keine Chance“, sagte Invidia und Casus tobte vor Wut.

Er wollte gerade angreifen, als ein grüner streifen an uns vorbeischoss. Es war Sildera. Sie hatte sich wohl erholt und mitbekommen, was vor sich ging. Sie legte sich um Casus Körper und hielt ihn fest.

„Jetzt beenden wir es wirklich. Mit deinem Tod, Casus“, sagte sie und sofort machten wir uns kampfbereit.

„Ihr könnt mich nicht töten. Ich bin der Tod selbst.“

„Richtig. Doch auch er kann sterben“, sagte Odium.

„Lächerlich“, sagte Casus und versuchte sich zu befreien.

Doch das misslang ihm kläglich. Aleta schob sich vor uns und sah Casus an.

„Casus. Verzeih mir. Was damals passiert ist, war nicht unsere Schuld. Weder deine noch meine. Wir waren alle wütend und enttäuscht.“

„Das bringt mir meinen Körper auch nicht mehr zurück“, sagte er und sie nickte.

„Richtig. Es bringt dir deinen Körper nicht zurück. Aber mich zu töten wird das auch nicht tun. Du selbst hast Remino gerade davon abgehalten, mein Ebenbild zu töten. Und jetzt willst du mich töten? Deine Gefühle sind durcheinander, Todesdrache.“

„Im Moment fühle ich nur eins. Wut. Und Tod. Den Tod einer Göttin.“

„Warum kannst du nicht vergessen, Casus?“

„Weil ihr euch unvergessen gemacht habt. Mir meine Schuppen zu nehmen, war kein weiser Schachzug von euch. Ich war der majestätischste Drache von allen. Und dann habt ihr mir die Schuppen vom Leibe gerissen und mich zu einer Witzfigur gemacht.“

„Aber du vergisst etwas. Dich nicht zu heilen, war deine eigene Entscheidung. Spes hätte dir deine Schuppen wiedergeben können. Jeder von euch hat seine Stärke. Und Spes ist nun einmal der beste Heiler. Dilectio kann Zauber anwenden, die jedem zeigen können wie du ausgesehen hast. Du hast dich aber gegen alles entschieden und bist zu dem geworden was du jetzt bist. Ein Schatten deiner selbst“, sagte sie.

Casus blieb stumm. Ja, er hatte sich geweigert, geheilt zu werden. Ich hatte es ihm sogar angeboten, nach unserem Kampf. Doch er hatte abgelehnt mit den Worten: „Jeder soll sehen, was die Göttin getan hat.“ Jetzt stand er vor uns und bereute wohl diese Entscheidung.

„Es kann keinen Frieden geben, solange ihr lebt“, sagte er.

„Doch, den kann es geben. Wir wollen doch alle das gleiche. Das Beste für die Menschen. Warum arbeiten wir nicht zusammen daran, das perfekte Land für jeden zu erschaffen.“

Es war eigenartig. Vor einigen Minuten hatte ich noch Aleta umbringen wollen. Doch jetzt stand ich voll und ganz hinter ihren Worten. Sie hatte Recht. Wir mussten zusammen eine Welt schaffen in der Menschen und Drachen leben konnten.

„Niemals“, rief er und schüttelte Sildera ab.

Sofort schnellte er auf Aleta zu, bekam aber meinen Schweif ins Gesicht. Er taumelte nach hinten und brüllte laut. Sofort stellten seine Brüder sich vor uns.

„Aus dem Weg. Ich will euch nichts tun.“

„Casus, das muss ein Ende haben. Wir können nicht noch mehr Tote riskieren“, sagte Odium.

„Es wird keine mehr geben, wenn die Göttin nicht mehr da ist.“

„Casus, reiß dich zusammen“, sagte Kai und kam zu uns.

Sogar sein Vater war gegen ihn.

„Das kann nicht dein ernst sein, Vater. Du wolltest auch Aletas Tod und jetzt stehst du mir auch im Weg?“

„Ich wollte ihren Tod zu dem Zeitpunkt, als sie mir das Herz gebrochen hatte. Nicht ich habe sie verlassen, wie ich es euch erzählt habe. Wir haben es zusammen entschieden. Es war besser für uns alle. Für euch, ebenso wie für mich. Zwei Götter, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Doch wir sind beide gewachsen.“

„Das kann nicht sein. Nein. Niemand wird Aleta je helfen. Niemand!“, schrie Casus und ein schwarzer Strahl ging von ihm aus.

Er traf den Himmel und entfesselte einen Sturm.

„Ich werde euch zeigen, was es heißt sich mit dem Tod anzulegen“, sagte er und hob ab.

„Wir müssen ihn zur Vernunft bringen“, sagte Odium und wir nickten.

„Ich werde euch nach Kräften unterstützen“, sagte Aleta und hob ihre Hände.

„Mein Segen sei euch gewiss. Mögen meine Hände euch ein Schild sein“, sagte sie und sofort erschienen die gleichen Lichtschilder um uns herum, wie um den Alptraum vorher.

Wir erhoben uns in die Lüfte. Zu einer Schlacht, gegen den Tod selbst.

Der Kampf mit dem Tod

Blitzt zuckten vom Himmel herab und tauchten Casus immer wieder in ein unheimliches Licht. Es war ein Anblick, der mir einen Schauer den schuppigen Rücken hinab jagte. Ich flog neben Jotanate. Damals waren wir wirklich Feinde und jetzt waren wir die besten Partner. Zusammen würden wir Casus besiegt bekommen. Da war ich mir sicher.

„Nelana, jetzt gilt es. Zeig uns, wie stark deine Drachenmagie noch ist“, sagte Jotanate und ich sah sie an.

„Das wollen wir sehen“, sagte ich und schloss meine Augen.

Drachenmagie unterschied sich von normaler Magie. Sie war nicht zu greifen und nicht einmal zu verstehen. Man wirkte sie nicht einfach so. Es geschah. Meist ohne das man es kontrollieren konnte.

„Lasst uns Casus zur Vernunft bringen. Zusammen“, sagte Odium und wir nickten.

Die ersten Feuerbälle trafen den Todesdrachen. Doch das kümmerte ihn nicht. Er steckte jeden Treffer weg. Ich schloss meine Augen und der Magie freien Lauf. Mein gesamter Körper begann zu schimmern.

„Oh nein, Dilectio. Du wirst keine Zauber wirken“, rief Casus und eine Heuschreckenschwarm griff uns an.

Die kleinen Insekten platzten zwar von unseren Schuppen ab, verfingen sich aber in der Nase und sogar unseren Augen. Wir alle waren gezwungen zurück zu weichen. Dann kam der erste Feuerball von Casus. Er war riesig und auch wenn er keinen von uns traf, warf er uns dennoch aus der Flugbahn.

„Wenn ihr mich beschützt, kann ich einen Zauber wirken“, rief ich den anderen zu und sofort bildeten sie einen Schild um mich herum.

Ich versuchte erneut einen Zauber zu wirken. Casus griff erneut an. Doch meine Freunde blockten seine Attacken und gaben mir mehr Zeit. Dann war der Zauber soweit. Ich wusste nicht genau was er tun würde, doch er würde uns helfen. Dessen war ich mir bewusst.

„Ich bin bereit“, sagte ich und sofort flogen sie von mir weg.

„Geheime Drachenkraft“, rief ich und der Zauber begann.

Mehrere kleine Feuerbälle schlugen gegen Casus Körper. Das kümmerte ihn nicht wirklich, bis sie immer größer wurden. Schließlich wirbelte er umher und versuchte sie abzufangen. Er war zu beschäftigt um zu sehen, dass ein riesiger Meteorit auf ihn zukam. Er wirbelte umher, bis keine Feuerbälle mehr kamen. Erst jetzt bemerkte er den riesigen Feuerball über sich und wollte noch wegfliegen. Doch es war zu spät. Der Stein traf und riss ihn mit in die Tiefe. Casus schrie, bevor er verstummte und auf dem Boden aufschlug. Sofort flogen wir ihm nach, um nach ihm zu sehen. Casus lag da und rührte sich nicht. Sein Körper qualmte noch.

„Das war ein guter Treffer. Jetzt bringt es zu Ende“, sagte er und ließ seinen Kopf zu Boden sinken.

„Nein, Casus. Wir wollen dich nicht töten. Wir wollen nur, dass du verstehst“, sagte ich und er sah uns an.

„Ich will nicht verstehen und ich will nicht akzeptieren. Entweder geht Aleta oder ich“, sagte er und ich schloss meine Augen.

Einen Zauber hatte ich noch. Ihn konnte ich sogar kontrollieren.

„Casus ich will dir etwas schenken“, sagte ich und legte meinen Körper über seinen.

Langsam drückte ich meine Lippen auf seine Knochen und atmete aus. Sofort entspannte er sich.

„Was hast du getan?“, fragte Odium und sah mich an.

„Ich habe ihm Vergessen geschenkt“, sagte ich und Casus blinzelte verwirrt.

„Wo bin ich?“, fragte er.

„Du bist vor dem Heiligtum. Wir wollte gerade mit Aleta besprechen, wie wir den Menschen helfen können, als du ohnmächtig geworden bist“, sagte ich und schüttelte sich.

„Ich kann mich nicht erinnern.“

„Das ist in Ordnung. Es wird mit der Zeit wieder zu dir kommen. Wo waren wir stehen geblieben, Aleta?“, fragte ich und sah die Göttin an.

Sie war wohl ebenso verwirrt wie Casus.

„Gib mir einen Moment. Ach ja. Ich wollte euch gerade sagen, wie ihr den Menschen helfen könnt. Also, meine Drachen. Tut das, was ihr für richtig haltet. Kümmert euch um die Menschen, auf eure Art. Ich will nicht, dass jemand mir oder euch Kopflos hinterher rennt“, sagte sie und wir nickten.

„Wir werden euer Wort in der Welt verbreiten“, sagte Casus und verwandelte sich zurück.

Das taten wir alle. Aus Reviran und Revarian war wieder eine Person geworden. Wir anderen sahen immer noch so aus wie vorher.

„Wir werden dann gehen“, sagte Invidia und er verschwand zusammen mit seinen Brüdern.

„Herzlichen Glückwunsch, Drachen“, sagte Aleta und kam zu uns.

„Ihr habt den Krieg endlich beendet, der seit Jahrhunderten Jagurin bedroht. Ich hoffe, dass wir noch einmal von vorne anfangen können und alte Fehler unvergessen machen“, sagte sie.

„Macht euch darüber keinen Kopf, Aleta. Das wird möglich sein“, sagte ich und sie lachte.

Dann ging sie zu Kai und sprach mit ihm. Aus der Kathedrale kamen die Geiseln, die Aleta genommen hatte. Alle gesund und unverletzt. Emilie fiel ihrer Schwester um den Hals. Es machte mich glücklich, ihre Schwesternliebe zu sehen.

„Nelana, nein, Dilectio“, sagte Tiana und trat vor mich.

„Lady Tiana“, sagte ich und verneigte mich.

„Deine Mutter hat dich darauf vorbereitet, mein Kind. Du bist die wahre Herrscherin des Dunklen Turms. Ich überreiche dir, den Schlüssel zum Turm“, sagte sie und hielt mir einen Schlüssel hin.

Unglaublich sie machte mich zur Oberhexe. Meine Mutter hatte gesagt, dass ich die wahre Herrscherin des Turmes war. Zögernd nahm ich den Schlüssel entgegen. Sofort verneigte Tiana sich.

„Erhebt euch, Tiana. Älteste der Hexen“, sagte ich und sie lächelte.

„Es ist mir eine Ehre für euch zu arbeiten, Dilectio.“

Das war zu viel für mich. Ich fiel ihr um den Hals und drückte sie fest an mich. Letztlich war sie, neben Jotanate und meinen Freunden, die einzige Person die ich noch hatte.

Am Ende stehen die Götter

Viele Jahre später.

Remino und ich hatte geheiratet. Von der Kathedrale waren wir zum heiligen Hafen aufgebrochen und hatten beim Aufbau der Stadt geholfen. Selbst Lotus war mittlerweile groß genug, zu helfen. Zusammen hatten wir ihn wieder aufgebaut. Liram wurde zum neuen König ernannt. Er konnte sich zwar bis heute nicht mit dem Gedanken anfreunden, doch er macht seine Aufgabe gut. Ich selbst habe eine Herberge eröffnet. In der Nähe des Hafens um Elfen und Menschen ein gutes Heim zu bieten. Mitten im Grünen. Natürlich hatte Remino mich nicht alleine gelassen. Bis auf Sonntags leitete er mit mir zusammen die Herberge. Zudem kümmerte er sich um den Gemüsegarten. Ich selbst kochte und putzte. Des Weiteren kümmerte ich mich um die Buchhaltung. Remino ging seiner Aufgabe als Papst nach, solange er das konnte. Er hielt viele Messen und führte auch oft Glaubensdiskussionen mit jedem, der daran interessiert war. Delphi war im Hafen geblieben. Sie hatte sich mit einem Jungen angefreundet und wohnte mit ihm zusammen. Nelstar und Emilie waren zurück nach Futura gegangen, genau wie Adelia. Was aus ihnen geworden ist, weiß ich nicht genau. Denn jeder Brief den wir bekommen haben, ist voller Fachbegriffe, die wir nicht verstehen. Revir, so lautet Revarians richtiger Name, ist in den Bergen und bewacht das Heiligtum an der Seite von Lunari. Sie bilden zusammen weitere Raben aus, die für uns Aufträge erledigen können. Jotanate ist mit Lilith in den Elfenwald gegangen. Dort lebt sie, als Teil der Kolonie. Sie ist die neue Königin, da die Elfen sich sicher waren, dass ein Drache sie in ein neues Zeitalter führen würde. Die abtrünnigen Drachen haben sich gut in ihre Aufgabe eingefunden und unterstützten die Menschheit, wo sie nur können. Denn jeder braucht ein wenig Hass oder Neid. Mein Vater ist zurück in seine Kriegerschule gekehrt. Aber nicht bevor wir nicht ausgiebig gesprochen und uns vertragen hatten. Kai und Marina leben glücklich zusammen in ihrer Villa im Wald und wachen darüber, dass ihre Söhne nicht wieder durchdrehen. Was Aleta angeht, so haben wir eine völlig neue Person kennen gelernt. Eine weise Göttin, die den Menschen hilft. Ob sie nun angebetet wird oder nicht. Es ist ihr egal. Sie selbst tritt nie ohne einen von uns vor die Menschen. So wollen wir zeigen, dass die Götter eine Einheit sind.

Es war ein langer Weg für uns. Doch der Krieg ist vorbei. Ich bin glücklich, dass Remino und ich zusammen leben und arbeiten.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.08.2014

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