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Bilanz einer Ehe


Stolz?
Sollte ich stolz darauf sein, dass ich seit nunmehr sechsundzwanzig Jahren verheiratet bin?
Ich weiß es nicht, ob das Ziel in der Ehe heißen sollte, solange wie möglich zusammen zu sein…
Besser hieße es, jeden Tag als neue Herausforderung anzusehen, damit man sich nicht überdrüssig findet…
Ich kann es nicht sagen…
Immer habe ich mich bemüht, alles in Seinem Sinne zu machen.
Ein ganz schöner Pascha und Macho, den ich mir da herangezogen habe.
Bin also auch nicht ohne Schuld, wenn man so will.
Zig Jahre habe ich seine Depressionen ertragen, die er ausgelitten hat, mit und ohne Medikamente.
Sicher, er hat mit dem Gedanken gespielt, sich das Leben zu nehmen, allerdings hat er nicht die richtige „Waffe“ gefunden.
Er hat sich abgekapselt, und ich habe versucht alleine zu überleben.
Fast fünfzehn Jahre lebte er neben mir, aber nicht mit mir.
Ich habe versucht, ihn zu integrieren in meinem – unseren Leben, aber er wollte nicht.
Also, begann ich mein eigenes Ding zu machen.
Nicht, dass ich falsch verstanden werde, das hier ist keine Abrechnung, es ist eine Bilanz.
Nachdem mein Mann dann meinte, mich ein wenig zu hintergehen, mit seiner Arbeitskollegin, die wie er mir immer versicherte, doch gar nicht seine Richtung sei, habe ich mich dann doch betrogen gefühlt.
Nicht, weil er eventuell ein sexuelles Verhältnis mit ihr hatte, sondern eher, dass er nicht in der Lage war, mir die Wahrheit mitten ins Gesicht zu sagen.
Ehrlicher wäre es gewesen
Ehrlicher…
Immer noch streitet er alles ab, aber ich fühle es, denn ich kenne ihn…
Lange -
Sehr lange -
Viele Kleinigkeiten sind es, die den sonst so coolen Typen, der alles besser weiß und eher den Oberlehrerfinger zeigt, entlarvt haben.

Was mache ich nun?
Morgen werde ich das erste Mal versuchen, ihn zu beschatten.
Bei dem Gedanken muss ich doch lachen!
Es wird mir ein innerer Reichsparteitag sein, ihn auf frischer Tat zu ertappen!!

Egal was passiert, danach fahre ich zuallererst in den Urlaub, dann hat er die Möglichkeit, sein Leben zu sortieren.
Entweder findet sein Restzeit dann mit mir und seinen Kindern statt.
Oder er bleibt allein bei seiner …
na nennen wir sie Meier, und sie darf ihm dann den Kaffee ans Bett bringen, den Orangensaft auspressen, den Hintern abputzen, die Schnabeltasse halten, und was ich ihnen sonst noch so wünsche.
Und hoffentlich erleben sie die Silberhochzeit,
dann gratuliere ich.

*****

Langsam öffnete Frau Meier die Tür zum Krankenzimmer.
Da lag er nun …
Ihre Affäre…
Hätte sie sich nur nie mit ihm eingelassen.

Kurz nachdem ihn seine Frau verlassen hatte, war Georg zu ihr gezogen.
Nur einige Wochen später bekam er einen Schlaganfall.

Morgen hätte sie ihn aus dem Krankenhaus abholen können.
Tagelang schon hatte sie versucht, seine Kinder zu erreichen.
Ohne Erfolg.

Sie war noch so jung.
Georg liegt jetzt in einem Pflegeheim…


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Tag der Veröffentlichung: 25.05.2010

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