Was meine Schwester mir einst am Telefon sagte. Eine Geschichte, die ich oft erzählte, aber nie aufschrieb.
Die Geschichte trug sich zu dieser Zeit zu, in der ich als Krankenschwester Spätschicht auf Station hatte. Es war schon fast Ende der Schicht. Ich musste nur hier und da noch Wasser verteilen, paar Notfallklingel (Die ja leider nicht als Notfallklinge, sondern eher als Services-klingel gesehen wird.) ablaufen und noch paar Sätzchen in die Pflegedokumentation schreiben. Ich stand mitten auf dem Flur, als meine Schwester anrief. Zwei Fragen kann ich mir selbst bis heute nicht beantworten:
1. Warum zum Teufel hatte ich mein Handy in der Kitteltasche?
2. Warum bin ich überhaupt in meiner Schicht rangegangen?
Zum Glück waren wir an diesem Tag ein gechilltes, gutes Team und die Spätschicht verlief reibungslos. Wie dem auch sei. Meine Schwester, die gerade erst nach Köln oder wie mein Vater gern sagt „Kölle“, gezogen ist, rief mich nun auf dem Handy an.
Schwester: „Hi, wie geht‘s?“
Ich: „Ich habe gerade Schicht? Wieso? Was machst du?“
Schwester: „Kamele fangen.“
Ich halte das Handy kurz runter und stelle der nette, älteren Dame die Wasserkaraffe hin. Sie nickt, bedankt sich. Ich mache das Nachtlicht an und geh wieder in den Flur.
Ich: „Bitte? Was machst du?“
Schwester: „Ich fange Kamele.“ Gegröle kam mir aus dem Handy entgegen. Scheinbar irgendwelche Leute im Hintergrund.
Ich: „Ach, du meine Güte! Wo fängst du den Kamele?“
Schwester: „Na, auf der Straße.“
Ich: „Die sind auf der Straße?“
Schwester: „Ja, na die ganzen Straßen hier entlang!“
Ich: „Wie? Und du fängst die? Allein?“ Gegröle wieder am Handy.
Notfallklingel läutet. Ich geh hin. Handy in der Kitteltasche. Infusion wird abgemacht. Nachtlicht an.
Ich: „Hallo?“
Schwester: „Nee, nicht allein. Ganz Köln ist unterwegs.“
Ich: „Wat? Und ihr fangt die? Warum sie die überhaupt auf der Straße?“
Notfallklinge läutet. Meine Kollegin geht hin.
Schwester: „Na, die werden rausgeworfen.“
Ich: „Wieso werden die den aus dem Zoo geworfen? Die Polizei muss die doch einfangen!“
Schwester: „Ähhh, wieso? Wir fangen die alle? Die Polizei sperrt doch ab!“
Ein Patient kommt mir auf dem Flur entgegen und möchte für die Nacht noch den venösen Zugang verbunden bekommen. Das ging schnell. Der Pflegewaagen mit den Stoffbinden war in der Nähe und Schere trag ich immer bei mir.
Ich zu meiner Schwester am Handy: „Was? Die Polizei sperrt ab und schaut nur zu? Das ist doch gefährlich! Da müssen doch Spezialisten ran! Wie viele sind‘s denn?“
Schwester: „Keine Ahnung! Wir fangen die doch einfach nur ein. Das ist doch nicht gefährlich!“ Gegröle wieder aus dem Handy.
Ich: „Ach, du Sch****! Und wie fangt ihr die ein? Mit `nem Seil? Ihr seid doch bekloppt! Kann Euer Zoo nicht `ma aufpassen?“
Schwester: „Wieso denn mit `nem Seil? Na, mit den Händen!“
Ich: „Wat? Wie soll das denn geh‘n? Springt ihr auf die drauf, oder was?“
Meine Kollegin machte schon den Flur dunkel und machte >>psss<< in meine Richtung.
Schwester: „Ähhh, bist du doof oder was? Wir greifen einfach nach denen. Einige haben auch Hüte!“
Ich: „Ähhh, willst du mich rollen? Wie soll man den Kamele mit Hüte fangen?
Schwester: „Wieso Kamele? Die Dinger heiße Kamelle! Kamelle!“ Gegröle am Handy im Hintergrund.
Ich: „Ja, Kamele.“
Schwester beim Ausrasten: „Kamelle! KA-MEL-LE! Mensch, bist du doof, das sind Bonbons!“
Ich: „Wat? Bonbons?“
Schwester: „Herr Gott, ja, wovon haben wir denn die ganze Zeit gesprochen?!“
Ich: „Na, ich von Kamele! Ich hab gedacht die sind aus `m Zoo ausgebrochen oder so und ihr fangt die wieder ein!“
Schwester: „Ähhhh, neee...Bonbons. Es Ist Kölner Karneval! Ich werd irre... .“
Ich: „Wie heißen die Dinger?“
Schwester, jetzt geschaffter: „Kamelle… .“
Die Spätschicht war zu Ende. Das Telefonat auch. Meine Schwester wohnt mittlerweile schon länger in Köln. Kamelle (Bonbons) habe ich bis jetzt noch nicht bekommen. Auch war ich noch nicht beim Kamelle-fangen dabei. Sie meint es ist mehr als Kamelle-fangen. Muss wohl so sein und scheinbar macht es ihr auch Spaß, sonst würde sie es nicht jedes Jahr auf`s Neue befeiern.
Nadann, >>Kölle Alaaf<<
Tag der Veröffentlichung: 06.03.2019
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme diese wahre Geschichte meiner Schwester, die auszog und Funkenmariechen wurde.